Kommt nach prekär nur noch Sklaverei und Schuldknechtschaft?

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Kommt nach prekär nur noch Sklaverei und Schuldknechtschaft?
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Zukunft der Beschäftigung:

Kommt nach prekär nur noch Sklaverei und Schuldknechtschaft?

von Laurenz Nurk

global_slavery_index_2016_ausbeutung_exploitation_walk_free_foundation_kritisches_netzwerk_moderne_sklaverei_menschenrechte_schuldknechtschaft_debt_bondage_kinderarbeit.jpgFür die Sicherheit der reichen Menschen, die abgeschirmt in eigenen Trutzburgen in den Stadtteilen leben, muss immer mehr Aufwand getrieben werden, damit die „überflüssigen“ Menschen, deren Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird, ihnen nicht zu nahekommen.

Doch wird es immer schwieriger, sie in Schach zu halten. Gleichzeitig versuchen die Menschen aus ihrer prekären Lage herauszukommen. In immer zahlreicher werdenden Regionen des globalen Südens versuchen die Menschen mit Hilfe von Verschuldung ihre Situation zu verbessern und nehmen Kredite auf. Diese Verschuldung ist mittlerweile der erste Schritt in die Sklaverei geworden.

Die Schuldknechtschaft ist der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, sie stellt heute aber die am weitest verbreitete Methode zur Versklavung von Menschen dar. Die globale Ökonomie hat eine weltweite Nachfrage geschaffen, bei der die Unternehmen den Globus nach unregulierten Arbeitsmärkten absuchen, um von den niedrigsten Löhnen profitieren zu können.

Schätzungen der "Internationalen Arbeitsorganisation" (ILO) gehen derzeit von weltweit 21 Millionen Sklaven und die "Anti-Slavery-International" gar von 27 Millionen betroffenen Menschen aus. Diese moderne Sklaverei, die verschönt als Menschenhandel bezeichnet wird, hat größere Ausmaße erreicht, als zur Hochzeit des atlantischen Sklavenhandels, in der über 350 Jahre 13,5 Millionen Menschen aus Afrika geraubt wurden, was bedeutet, dass es heute doppelt so viele versklavte Menschen gibt.

Die meisten Sklaven werden in irgendeiner Form von ortsgebundener Leibeigenschaft, z. B. in der vererbten Schuldknechtschaft gehalten, bei der die Schulden der Eltern auf ihre Kinder übertragen werden. Rund 20 Prozent der versklavten Menschen wurden mit Gewalt oder List von Menschenhändlern entführt und in die Prostitution oder Zwangsarbeit gezwungen.

global_slavery_index_2014_leibeigene_leibeigenschaft_kritisches_netzwerk_moderne_sklaverei_menschenrechte_knechtschaft_debt_bondage_kinderarbeit_ausbeutung_exploitation.jpgMittlerweilte ist der Menschenhandel zu einem florierenden Wirtschaftszweig geworden, der mit modernsten Kommunikations- und Logistiktechniken ausgestattet ist. Wie verschiedenartig sich dieser global arbeitende Wirtschaftszweig sich zeigt, sollen ein paar Beispiele zeigen:

  • In den zerfallenden nordafrikanischen Staaten, auch im Mittleren Osten inklusive im Libanon ist die Präsenz von Sklaven sicht- und erfahrbar.
  • Im nordkoreanischen System von Arbeitslagern verrichten knapp 200.000 Menschen Zwangsarbeit.
  • In einigen Regionen in Afrika, z. B. in Mauretanien existiert immer noch eine auf der Abstammung beruhende Sklaverei, bei der die Kinder der Sklaven an die Kinder der Sklavenhalter weitergegeben werden.
  • In Äthiopien und Eritrea gibt es die zeitlich unbegrenzte Wehrpflicht, bei der die Männer Zwangsarbeit leisten müssen und derer sie sich nur durch Flucht ins Ausland entziehen können.
  • Nach dem schweren Erdbeben in Haiti Anfang 2010 wurden massenhaft Kinder für die die Prostitution und Zwangsarbeit versklavt.
  • In der Mischung von traditioneller Ausbeutung und den Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung sind in Südasien rund 85 Prozent der Leibeigenen zu finden, fast alle gehören der unteren Klassen und Kasten an. Sie können nur mit Hilfe immer neuer Kredite überhaupt existieren. Selbst wenn ihre Schulden beglichen wurden, werden sie mangels Alternativen nicht aus der Schuldknechtschaft entlassen.
  • Usbekistan bietet ein Beispiel, in dem der Staat als zentraler Akteur bei der saisonalen Zwangsarbeit agiert. Jedes Jahr werden Millionen Usbeken zur Ernte auf den Bauwollfeldern gezwungen, etwa 1,5 Millionen Kinder müssen unter den härtesten Bedingungen die Ernte einbringen.
  • In Ungarn wurde ein Zwangsarbeitssystem für arbeitslose Roma eingeführt, das auch die Kasernierung und polizeiliche Überwachung der langzeitarbeitslosen Menschen garantiert. Nach einer Frist von einem halben Jahr, können sie ungarnweit zum Arbeitseinsatz behördlich angewiesen werden. Jedem erwerbslosen Menschen, der diese Art der Arbeit, die wie bei uns „gemeinnützig“ bezeichnet wird, verweigert, dem wird die Sozialhilfe ersatzlos gestrichen. Die deutsche Hartz-Gesetzgebung stand bei den ungarischen Maßnahmen für die Roma Pate.

Zwangsarbeit findet den Beispielen nach nicht nur in den Elendsgebieten der Welt statt, sie ist auch in Europa, gleich nebenan anzutreffen. Es ist zu befürchten, dass diese Form der Ausbeutung sich bei dem nächsten Krisenschub in einen riesigen Wachstumsbereich verwandeln und sich nicht mehr vorrangig auf den globalen Süden beschränken wird.

Laurenz Nurk, Dortmund (Quelle: „The Atlantic“,Thomasz Konicz)

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► Quelle: Erstveröffentlicht am 03.02.2017 auf gewerkschaftsforum-do.de > Artikel. Die Texte (nicht aber Grafiken und Bilder) auf gewerkschaftsforum-do.de unterliegen der Creative Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 3.0 DE), soweit nicht anders vermerkt.

global_slavery_index_2013_zwangsarbeit_kritisches_netzwerk_sklaverei_human_rights_schuldknechtschaft_debt_bondage_ausbeutung_exploitation_obnoxiation_child_labour.jpg► Bild- und Grafikquellen:

1. The Global Slavery Index 2016: This is the third edition of the Global Slavery Index. In the third edition of the Index, an estimated 45.8 million people are subjected to some form of modern slavery. Walk Free Foundation.

2. The Global Slavery Index 2014: This is the second edition of the Global Slavery Index. The Index estimates the number of people in modern slavery in 167 countries. This year’s Index also includes an analysis of what governments are doing to eradicate modern slavery. The Index increases our understanding of the contextual factors that make people vulnerable to modern slavery. Walk Free Foundation.

3. Kinderarbeit in einem indischen Steinbruch: terre des hommes engagiert sich gegen die Ausbeutung von Mädchen und Jungen. Autor/Copyright: Nagender Singh Chhikara / Pressefoto zur Verfügung gestellt von terre des hommes - Arbeitsfeld Kinderarbeit.  

Die meisten Sklaven werden in irgendeiner Form von ortsgebundener Leibeigenschaft, z. B. in der vererbten Schuldknechtschaft gehalten, bei der die Schulden der Eltern auf ihre Kinder übertragen werden. Rund 20 Prozent der versklavten Menschen wurden mit Gewalt oder List von Menschenhändlern entführt und in die Prostitution oder Zwangsarbeit gezwungen.

Schuldknechtschaft (veraltet Obnoxiation) ist die Rechtsstellung oder Situation eines zahlungsunfähigen Schuldners, der in Knechtschaft geraten ist. Als Sicherheit gegenüber dem Gläubiger muss er seine Arbeitskraft verpfänden, wobei er aber keine Aussicht hat, durch die geleisteten Arbeiten seine Schuld abzutragen und wieder freizukommen. Der Gläubiger kann allein und willkürlich über die Art und die Dauer der Abhängigkeit entscheiden. Daraus ergibt sich auf Dauer angelegtes, sklavereiähnliches Abhängigkeitsverhältnis, das von einseitiger Ausbeutung gekennzeichnet ist. Laut einer Definition der Vereinten Nationen kann es sich auch um den Fall handeln, dass der Schuldner die Arbeitskraft einer von ihm abhängigen Person verpfändet.

4. The Global Slavery Index 2013: This is the first edition of the Global Slavery Index. The Index estimates the number of people in modern slavery in 162 countries. The Index identified factors relevant to risk of slavery and provides a standardised measure of these factors that allows comparison country by country. The Index examines the strength of government responses for the 20 countries at the top and bottom of the Index ranking. Walk Free Foundation.

Terre des Hommes Deutschland - https://www.tdh.de/ .

Terre des Hommes International Federation - terredeshommes.org/ .

Global Slavery Index  - globalslaveryindex.org/ .