PayPal setzt US-Embargo gegen Kuba weltweit durch
Kein „Cuba Libre“
von Alexander Fanta
Der Online-Bezahldienst sperrt Überweisungen, die auch nur das Wort „Kuba“ enthalten. Sogar wenn es um Longdrinks geht.
Kai Grube möchte sich bei einer Salsaparty einen Drink bestellen. Weil er kein Bares in der Tasche hat, bittet er einen Kumpel um 20 Euro und bestellt sich Bier und einen Cuba Libre, einen Rum-Cola-Longdrink. Seinem Freund verspricht er, ihm das Geld über PayPal zu überweisen. Grube kann nicht ahnen, dass er dadurch mitten in einen jahrzehntealten geopolitischen Konflikt gerät.
25 Millionen Menschen in Deutschland nutzen PayPal. Fast jeder große deutsche Online-Shop verwendet den Bezahldienst. Seine starke Marktposition macht es dem Handel schwer, an PayPal vorbeizukommen. Auch dann, wenn der US-Konzern europäisches Recht ignoriert.
Ein paar Tage nach der Salsaparty überweist Grube das Geld, in die Betreffzeile schreibt er: „Cuba Libre and more. VlG“. Binnen weniger Augenblicke informiert PayPal ihn in einer E-Mail, dass die Überweisung blockiert wurde. Der Bezahldienst fordert ihn auf, vollständig und detailliert den Zweck der Geldsendung zu schildern, wie Grube später gegenüber netzpolitik.org schildert.
Erst nach einer Beschwerde und drei Tagen Wartezeit gibt PayPal die Überweisung frei. Warum sie überhaupt jemals kontrolliert und aufgehalten wurde, will der Konzern nicht sagen. > Screenshot der Nachricht an Kai Grube
► US-Embargo wirkt weltweit
Das Embargo der USA gegen Kuba beschränkt seit 1960 den Handel mit dem kommunistischen Inselstaat. Eine Verschärfung bringt 1996 der Helms-Burton Act. Das Gesetz des US-Kongresses droht Maßnahmen gegen Firmen auf der ganzen Welt an: Wer in den USA Geschäft macht, aber zugleich mit Kuba handelt, wird bestraft.
Dass PayPal auch in Europa Überweisungen mit Bezug zu Kuba blockiert, ist seit längerer Zeit bekannt. Erst kurz vor Weihnachten berichtet das Schweizer Boulevardblatt "Blick", dass der Hersteller Confiserie Sprüngli aus Zürich seine kubanische Schokolade nicht über den US-Bezahldienst anbieten darf.
In eine Anfrage wegen dem Fall Grube bestätigt PayPal, das US-Embargo gegen Kuba bei Überweisungen innerhalb Deutschlands umzusetzen. „Als US-amerikanisches Unternehmen ist PayPal verpflichtet, sämtliche Zahlungen darauf zu überprüfen, dass sie mit den geltenden US-Handelssanktionen in Einklang stehen“, schreibt eine deutsche Firmensprecherin an netzpolitik.org.
Ob bei der Prüfung von Überweisungen automatisierte Filter zum Einsatz kommen, beantwortet PayPal nicht. Die Sprecherin betont lediglich: „In den meisten Fällen wird diese Überprüfung zeitnah abgeschlossen und die Zahlung wird zügig durchgeführt.“
► PayPal von Klagen unbeeindruckt
In Deutschland hat das Vorgehen PayPals bereits zu Gerichtsverfahren geführt. Der Tickethändler Proticket klagte etwa gegen die Sperrung seines Kontos, nachdem er Tickets für das Musical „Soy de Cuba“ und das Konzert einer kubanischen Künstlerin angeboten hatte. Proticket erhielt zwar im Frühjahr 2016 vor dem Landgericht Dortmund Recht, PayPal änderte sein Vorgehen aber trotzdem nicht.
„Die Sache ist so ausgegangen, dass PayPal uns die Kontoverbindung gekündigt hat“, erzählt Proticket-Geschäftsführer Karsten Killing. „Und das war es dann für uns.“ Der Tickethändler bietet heute kein PayPal mehr an.
Die Europäische Union versucht seit Jahren, die Anwendung der US-Sanktionen in Europa zu stoppen. Diese stehe „im Widerspruch zu internationalem Recht“, schrieb die EU-Kommission zuletzt an das Europaparlament. Das hindert Firmen wie PayPal aber offenkundig nicht daran, das US-Embargo anzuwenden. Mehr noch, die Regierung von US-Präsident Donald Trump verschärfte die Lage vor einem Jahr sogar, in dem sie weitere Teile des Helms-Burton-Gesetzes wirksam werden ließ. Europäische Firmen können nun wegen Handel mit Kuba vor US-Gerichten verklagt werden.
► Gegenmaßnahmen wirken nur begrenzt
Als Gegenmaßnahme beschloss die EU bereits 1996 das „Blockade-Statut“. Die Verordnung annulliert die Gültigkeit der US-Sanktionen in Europa und verspricht europäischen Firmen Schadenersatz für Kosten aus Gerichtsprozessen in Drittstaaten.
Allerdings gibt die deutsche Bundesregierung zu, damit nur begrenzt etwas ausrichten zu können. „Ein umfassender Schutz der deutschen und europäischen Unternehmen kann– wie bei allen extraterritorialen Sanktionen– aufgrund ihrer Wirkungsweise nicht sichergestellt werden“, antwortete sie dem Bundestag auf eine Anfrage der Linken.
Gegen den Schritt Trumps war bislang auch politischer Druck der EU und Kanada vergebens. Wie das Vorgehen PayPals deutlich macht, verstärkt die starke Marktposition des Online-Bezahldienstes die Wirkung des Embargos.
Gegen unfaire und regelwidrige Geschäftspraxen von Online-Plattformen plant die EU derzeit ein großes Maßnahmenpaket. Das Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“) soll sicherstellen, dass EU-Regeln im digitalen Binnenmarkt durchgesetzt werden. Der Vorschlag soll insbesondere große Plattformen wie Google, Facebook und Amazon ins Visier nehmen.
Allerdings ist unklar, ob das neue EU-Gesetz auch Bezahldienste wie PayPal einschließt. Und ohnehin, bis das Gesetz über digitale Dienste beschlossen ist, dürften noch Jahre vergehen.
Bis dahin bleiben Nutzer:innen von PayPal erst mal bloß Umgehungstaktiken. Wer Geld für einen Longdrink zurückzahlen möchte, kann kreative Verballhornungen in den Betreff schreiben, etwa „Kubra Libre“. Oder schlicht und ergreifend: niemals PayPal zu verwenden.
Alexander Fanta
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Alexander berichtet als Brüssel-Korrespondent von netzpolitik.org über die Digitalpolitik der Europäischen Union. Er recherchiert zu neuen Gesetzen und Initiativen in Sachen Datenschutz, Plattformregulierung und staatlicher Überwachung. Lieblingsthema: Lobbying von Digitalkonzernen. Liebstes Recherchetool: Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. 2017 war Alexander Stipendiat am Reuters-Institut für Journalismusforschung in Oxford. Er untersuchte dort die Automatisierung im Journalismus. Davor war er Außenpolitikjournalist bei der österreichischen Nachrichtenagentur APA und berichtete über die Finanzkrise, die US-Wahlen 2012 und 2016 und die Iran-Atomgespräche. Er ist unter alexander.fanta ett Netzpolitik.org erreichbar.
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1. Straßenszene auf Kuba (amtl. Bezeichn. República de Cuba) mit faszinierender Architektur und Prachtkarossen der 40er- und 50er Jahre. Das Land verzaubert durch seine spanische und maurische Kolonialarchitektur, durch Gebäude im Jugendstil, Neoklassizismus, Neugotik, Moderne, Art déco und sozialistischen Klassizismus. Foto: MarioYorba. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
2. Screenshot der Nachricht an Kai Grube. Diese Grafik ist Bestandteil des Originalartikels.
3. Kubanische Flagge dargestellt als Hand. Der Helms-Burton Act, offiziell "Cuban Liberty and Democratic Solidarity (LIBERTAD) Act of 1996" genannt, ist ein das Embargo der Vereinigten Staaten gegen Kuba verschärfendes Gesetz vom März 1996. Wesentliche Elemente des Gesetzes wurden erst im Mai 2019 durch Präsident Donald Trump zur Umsetzung freigegeben.
Das Gesetz besteht aus vier thematisch getrennten Abschnitten:
- Abschnitt I enthält Maßnahmen zur Verschärfung des Wirtschaftsembargos sowie ein Verbot indirekter Finanzierung zugunsten Kubas.
- Abschnitt II definiert vom kubanischen Staat zu erfüllende Mindestanforderungen vor Aufhebung des Embargos, darunter die Schaffung einer unabhängigen Justiz und die Zulassung freier Gewerkschaften.
- Abschnitt III gibt US-Bürgern (auch eingebürgerten) das Recht, ausländische Firmen vor US-Gerichten wegen der Nutzung nach der Revolution enteigneten Eigentums zu verklagen.
- Abschnitt IV ermächtigt den Außenminister, an Enteignungen vom Eigentum von US-Bürgern auf Kuba beteiligte oder von ihnen profitierende Ausländer vom Aufenthalt in den USA auszuschließen.
4. Mosiac flag pattern - ceiling mosaic, Casa Foster, Havana, Cuba. Foto: Mary Crandall. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
5. NO PayPal! TIPP: Am besten niemals PayPal verwenden.
6. Habano, als Havanna-Zigarre oder kurz die Havanna bekannt, ist die Bezeichnung für eine aus Kuba stammende und aus kubanischem Tabak hergestellte Zigarre. Cubatabaco, eigentlich: Empresa Cubana del Tabaco, ist ein kubanisches Staatsunternehmen mit dem Monopol auf alle Zigarren des Landes. Das Unternehmen wurde 1962 gegründet, nachdem Fidel Castros sozialistische Regierung die komplette kubanische Tabak-Industrie verstaatlicht hatte. Foto: dMz / D Mz, Sonthofen. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.