Heuchelei ist deutsche Staatsräson
Tagesschau publiziert kritiklos die Scheinmanöver der Regierungspolitik
Prinzipienlos und ethikfrei
von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam
Kennen Sie den? „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.“ Ach ja? Zog nicht eben erst eine US-geführte Armee mit 40 000 Soldaten von Deutschland aus gen Osten [1], trainieren jetzt deutsche Panzer nicht unter Ami-Kommando im Baltikum den Krieg gegen Russland?
Noch einen: „Nie wieder Auschwitz“, jährliches Politiker-Gelöbnis am 27. Januar, auch jüngst wieder. Keine zwei Wochen später findet nach dem Wahldebakel in Thüringen eine alles überlagernde Debatte statt, ob – allen Ernstes – eine Regierungsbildung mithilfe von Neo-Faschisten für CDU und FDP der finale „Tabubruch“ sei. [2],[3]
Und jetzt noch diesen hier: „Wir Europäer, wir sind zu unserem Glück vereint" [4, SZ-Artikel], beteuert Bundeskanzlerin Merkel und setzt derweil eine Politik fort, die in der EU längst als Diktat empfunden wird. [5, DiePresse.de-Artikel]
Krönung der Widersprüchlichkeit war die Entsorgung der vormaligen Verteidigungsministerin von der Leyen nach Brüssel. Sie war in Berlin wegen Unfähigkeit und des Verdachts der Untreue [6, dnn-Artikel] untragbar geworden. Jedoch für das höchste Amt der EU, a la bonne heure, reicht so eine aus Berliner Sicht wohl allemal, sie soll ja in Brüssel nur deutsche Aufträge... aber bitte, wir wollen nicht vorgreifen. Bleiben wir für eine Kurzkritik noch beim Gestrampel von CDU und FDP gegen den Verlust ihrer vorgeblichen Unschuld.
Anzumerken ist zunächst: Wer den Unterschied zwischen Faschismus und Nazismus nicht kennt, weil ihn weder Geschichtswissen noch politische Ideologien belasten, dem kann man auch nicht verständlich machen, welchen gemeinsamen ideellen Nährboden die beiden Strömungen trotz ihrer Verschiedenheit haben. Er wird schwerlich begreifen, warum ein Kontakt mit Björn Höckes Mannen immer noch Anreiz zu sofortiger Ganzkörperhygiene sein sollte. Schon gar nicht wird er einsehen, dass die Gleichsetzung von deutschem Neo-Faschismus und deutschem Neo-Sozialismus indiskutabel ist, allein schon weil sie dem Arsenal antikommunistischer Geschichtsfälscher entstammt.
Vielmehr dürfen wir die Groteske erleben, dass eine sich als „die Mitte“ aufspielende CDU mit einem Thüringer Wahlergebnis von gerade mal 21 Prozent auch in diesem Bundesland jede Zusammenarbeit mit dem „linken Rand“ verweigert, mit der Linkspartei. Dabei hat dieser linke Rand dummerweise zehn Prozent mehr Wähler von sich überzeugt als die Christdemokraten, nämlich gute 31 Prozent. Es ist schon ein Elend mit dem Adam Riese und der politischen Geometrie, ne?
Der Realitätsverlust nach jahrzehntelanger CDU/CSU-Machthabe verhindert jeden selbstkritischen Anflug. Die enge Zusammenarbeit und personelle Identitäten der CDU mit vormaligen Nazis, daran hat Oskar Lafontaine auf den NachDenkSeiten erinnert, [7] sind mittlerweile Teil des Genoms der Christenunion. Sie „verarbeiteten“ ihre braune Frühgeschichte nie sondern verdrängten sie bloß. Und da dieser politische Verschnitt nun mal Regierungspartei wurde und den Kanzler oder die Kanzlerin stellt, wurde die Heuchelei zur deutschen Staatsräson. Das zeigt sich auch auf vielen anderen Feldern und ist Wesenskern unserer Politik.
Ihre betrügerische Wirkung entfaltet sich nicht zuletzt in den Nachrichtensendungen von Tagesschau & Co. Da wird, wenn die Bundesregierung es so hält, nicht von Mord, sondern von „Tötung“ berichtet, Terroristen gehen als „Rebellen“ durch, Angriffskriege heißen „Militärintervention“, und die Verteilung von Almosen wird als Sozialpolitik gefeiert. Die Landwirtschaftsministerin kann unhinterfragt und im O-Ton ein „Tierwohl-Label“ propagieren, während jährlich 20 Millionen Ferkel ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Unzählige Belege von Heuchelei, Scheinheiligkeit und Demagogie wären noch zu nennen; die Schaumschlägerei in Politik und Medien ist ressortübergreifend und hemmungslos.
Um noch einen Augenblick beim Umgang mit der widerwärtigen Spezialität Nazismus-Neonazismus zu bleiben: Erst im vergangenen Dezember hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eine Resolution zur „Bekämpfung der Verherrlichung des Nationalsozialismus, des Neonazismus und anderer Praktiken, die zur Eskalation moderner Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundener Intoleranz beitragen“ [8] verabschiedet. 133 Staaten stimmten mit Ja, auch Israel gehörte zu dieser Zwei-Drittel-Mehrheit. Und nun raten Sie mal, wer nicht zustimmte: Deutschland. Ausgerechnet unsere Regierung. Naa?
Außer gelegentlicher protokollarischer Entrüstung hat das Kabinett Merkel diesbezüglich nichts zu bieten, der angebliche Abscheu vor Faschisten ist mies gespielt.
Die auf unsere jüngste Geschichte bezogenen moralisierenden Grundsätze der „bürgerlichen Parteien“ sind in der Praxis das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Die Außenpolitik der CDU und der SPD zeigt durchgehend präfaschistische Aktivitäten. Merkmale sind Herrschaftsanspruch, Großmannssucht, Militarismus, Rechthaberei und arrogante Missachtung der Interessen wirtschaftlich schwächerer Länder. Die Redaktion ARD-aktuell ignoriert das oder übergeht es wie eine Selbstverständlichkeit.
Ziel deutscher Politik ist seit Jahrzehnten, die gesamte EU neoliberal zu „gestalten“, sie zur gleichen Austerität zu zwingen, mit der nicht erst seit Schröders, Riesters und Eichels unsäglichen Zeiten der deutsche Sozialstaat in Trümmer gelegt und Millionen Menschen verarmt wurden. Die Agenda 2010 mit ihren unfasslichen Hartz-Gesetzen war essenziell darauf angelegt, das Solidarprinzip als fortschrittsfeindlich zu diskreditieren und aufzuheben. Das Privatisieren der staatlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge, weil anders vorgeblich nicht mehr finanzierbar, wurde als „alternativlos“ ausgegeben.
Die Vorgabe „Fördern und fordern“ ist jedoch nichts anderes als ein Liebesdienst für multinationale Versicherungskonzerne und Hedgefonds. Die korporativen Arbeitgeber werden längst mit staatlich organisiertem Lohndumping und sozialer Repression beschert. Begleitende „Steuerreformen“ sind de facto Tribut an Banken und Geldaristokratie. Proteste der „Hartzer“ werden gnadenlos niedergebügelt, diese Opfer des Systems werden ausgeforscht und rundum überwacht. Trotz hunderttausender Urteile der Sozialgerichte gegen fehlerhafte und missbräuchliche Bescheide der Arbeitsagentur wird dem Treiben kein gesetzliches Ende gemacht.
Die Regierungen in Berlin erwarten bis heute, dass auch die übrigen EU-Staaten diesen Weg zum sozialen Absturz vorgeben, Beispiel Griechenland. Unvergessen der Satz des deutschen Herrenmenschen Volker Kauder, einst Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag und Merkels Intimus: „Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen [..] nur den eigenen Vorteil suchen zu wollen und nicht bereit sein, sich auch einzubringen - das kann nicht die Botschaft sein, die wir den Briten durchgehen lassen“ [9, > SPIEGEL-ARTIKEL]
Die Tagesschau hat´s natürlich großzügig überhört.
Auch Frankreich, angeblich der engste deutsche Verbündete, durfte schon reichlich deutsche Überlegenheitsposen goutieren: „Wir unterstützen die Reformbemühungen, die Frankreich eingeleitet hat,[..]“ sagte Merkel 2017 nach einem Treffen mit dem französischen Ministerpräsidenten Édouard Philippe. [10, b. Reuters] Gerade die Arbeitsmarktreform sei in einem entscheidenden Stadium. Sie sei überzeugt, dass „die Reformen gut für die Menschen in Frankreich“ seien, auch wenn man in Deutschland wisse, dass positive Effekte mit etwas Zeitverzögerung einträten.
Verständnis und Geduld fanden viele Franzosen da allerdings nicht angebracht und streiften stattdessen massenhaft die Gelbwesten über. Die Tagesschau hat das zwar häufig referiert [11], jedoch in einer Weise, die Vergleiche mit den hiesigen Sozialstaatsdefiziten so wenig nahelegte wie die Notwendigkeit eines gleichen Protests in Deutschland selbst.
Dass unsere linksrheinischen Nachbarn gar nicht gut fanden, was da auf sie zukam, und dass sie sich den Plänen ihres neoliberalen Präsidenten Macron und den Merkel-Claqueuren in der französischen Regierung entgegenstellten, war tatsächlich sehr „undeutsch“: Nach unserem larmoyanten Selbstverständnis und handzahmen Einstellung, eingehegt von sozialdemokratisch versifften Co-Management-Gewerkschaften, ist gegen den gigantischen Sozialabbau in Deutschland kein Widerstand möglich: „Da könne mer doch nix mache, des geht net annersch, des is halt nötich“. Das Wohl des großen Kapitals ist längst verinnerlicht - sofern das eigene Kapitälchen für den Sechserpack während und nach der Tagesschau ausreicht. Plopp.
Die entschlossenen Reaktionen der Franzosen waren am Ende zwar nicht überall von Erfolg gekrönt (z.B. beim anhaltenden Eisenbahnerstreik), aber der Versuch, das Rentensystem wie in Deutschland zu zerschlagen, scheiterte bisher am hartnäckigen Widerstand der Bevölkerung. Die blieb trotz der Gewaltorgien der Polizei standhaft. Das „Wording“ der Tagesschau war allerdings nicht von Respekt für den Widerstand der arbeitenden Menschen getragen, sondern staatstragend einseitig und gehässig: Von „Zusammenrotten“, „Mob“, „Gezerre“, „Sabotage“ und „radikalen Gewerkschaften“ war in den Sendungen die Rede. [12]
Videos von niederknüppelnden Polizisten, die sogar bei einigen Ministern in Paris für Empörung gesorgt hatten, wurden im deutschen Fernsehen – ganz im Unterschied zur äußerst kritischen Hongkong Berichterstattung – erst gar nicht gezeigt. [13],[14]
Die Berliner Regierung fand zwar mit ihrem Drängen, auch in Frankreich den Sozialabbau voranzutreiben und damit den deutschen Krieg „Reich gegen Arm“ endgültig westeuropaweit zu etablieren, beim „Sonnenkönig Macron“ Gehör. [15, > SZ] Doch „Merkel, die Übermächtige“ [16], dankte es ihm nicht. Macron hatte 2017 in einem Vortrag an der Sorbonne in Paris eine gemeinsame Gestaltung Europas auf allen Feldern vorgeschlagen: gemeinsames Budget für die Eurozone mit einem europäischen Finanzminister und entsprechender parlamentarischer Kontrolle; gemeinsame Flüchtlings- und Militärpolitikpolitik; Konzept für Europa als ökologische Avantgarde bei Reorganisation des Verkehrswesens, des Wohnungsbaus und der Industrie. [17, > ambafrance]
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Transkript der Grundsatzrede von Präsident Macron zur Erneuerung Europas - Paris La Sarbonne, Mittw. 26 Sept 2017
"DISCOURS DU PRESIDENT DE LA REPUBLIQUE - INITIATIVE POUR L’EUROPE - Paris La Sorbonne, Mardi 26 septembre 2017"
"Initiative für Europa des Staatspräsidentes Macron. Ein souveränes, geeintes und demokratisches Europa" - weiter.
"Initiative for Europe - A sovereign, united, democratic Europe" - weiter.
"Initiative pour l’Europe - Une Europe souveraine, unie, démocratique" - weiter.
"Je suis venu vous parler d’Europe" . . "l'Europe soit "trop faible, trop lente, trop inefficace" . . “Au début de la prochaine décennie, l’Europe devra ainsi être dotée d’une Force commune d’intervention, d’un budget de défense commun, et d’une doctrine commune pour agir”. (Emmanuel Macron) >> auf deutsch: "Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Europa zu sprechen"... Europa ist "zu schwach, zu langsam, zu ineffizient"... "Zu Beginn des nächsten Jahrzehnts wird Europa daher eine gemeinsame Eingreiftruppe, einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt und eine gemeinsame Handlungsdoktrin benötigen".
L'ÉTAT RUINE LE PEUPLE - DER STAAT RUINIERT DAS VOLK.
LA REVOLUTION VIENT D´EN BAS! - DIE REVOLUTION KOMMT VON UNTEN!
Merkel und die sie tragende Große Koalition in Berlin applaudierten ebenso artig wie scheinheilig. Der französische Staatschef habe ein "mutiges, ein leidenschaftliches Plädoyer gegen den Nationalismus und für Europa gehalten", erklärte der damalige Außenminister Sigmar Gabriel. Deutschland und Frankreich müssten die Chance nutzen, um die EU demokratischer zu machen und für die Zukunft besser aufzustellen. Bei EU-Reformen könne Macron auf Deutschland zählen. Entsprechend lobhudelte auch die Tagesschau. [18]
Tatsächlich aber sollte nach deutschem Regierungswillen alles beim alten bleiben. Die EU sollte ihren Mitgliedern keine gleichberechtigte Teilhabe gewähren, sondern dem deutschen Vormachtstreben und vorrangig deutschem Wirtschaftsinteresse dienen, auf Kosten der anderen Mitgliedsstaaten.
Macrons Initiative wurde hintertrieben: Seine wichtigste Idee – ein Euro-Finanzministerium mit eigenem Haushalt und überstaatlicher Kompetenz für die Eurozone statt nur des EU-Budgets in Brüssel – wurde maßgeblich auf Merkels Drängen von der EU-Agenda gestrichen. [19, > Cicero]
Das nur formal zustimmende Bravo aus Berlin erwies sich damit als übliche Heuchelei. Den „Sonnenkönig“ traf das umso härter, als er sich in seinem deutsch inspirierten antisozialen Kurs nun in den Regen gestellt sah und sich keinen „ausgleichenden“ außenpolitischen Erfolg zugutehalten konnte. Seinen Landsleuten ergeht es mit den Folgen der hinterhältigen deutschen Austeritätspolitik jetzt nicht viel besser als uns selbst. [20, G-F-P-Artikel]
Macrons Reaktion war konsequent. Er wandte sich gegen das für Merkel eminent wichtige Gaspipeline-Projekt mit Russland, Nordstream 2. Bei dem nach zwanzigjährigen Verhandlungen abgeschlossenen EU-Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur stellte er sich ebenfalls quer. Das Abkommen hat vor allem für die deutsche Exportindustrie hohe Bedeutung.
Im Herbst 2019 lehnte Paris dann Merkels Wunsch nach Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Nord-Mazedonien und Albanien ab. Macron vergab dafür die Note „ungenügend“, weil erst einmal die bestehende EU sich stabilisieren und reorganisieren müsse, ehe an Neuaufnahmen zu denken sei.
Die NATO, diese US-Zwangsjacke mit Wohlfühlfutter für heuchelnde Deutsche, bezeichnete Macron unter großer medialer Aufmerksamkeit als „hirntot“. Zugleich stellt er sich jetzt gegen die russophobe deutsche Regierungspolitik und sucht Entspannung mit Russland. [21, RND-Artikel]
Anstatt nach Gründen und Berechtigung dieses Verdikts über die NATO sowie den Kurswechsel in der Russlandpolitik zu fragen, schäumten die Lakaien in den Redaktionen des deutschen Medien-Mainstreams. Auch in der Hauptabteilung ARD-aktuell gab man sich frustriert und sprach von Macrons „eigenmächtigem und unabgestimmtem“ Russland-Kurs. „Seine europapolitischen Visionen hatte der französische Präsident 2017 noch dem Kanzleramt zugeschickt, bevor er sie an der Sorbonne zu Gehör brachte. Das lange Schweigen aus Berlin hat seinen Hang zu Alleingängen jedoch verstärkt.“ [22]
„Visionen“, „zu Gehör bringen“, „Hang zu Alleingängen“: So hört sich die herabsetzende Sprache des Meinungsjournalismus der ARD-aktuell an. Es fehlte noch der Rückgriff auf den arroganten Satz des einstigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen.“ [23] Der hätte wenigstens etwas Belustigendes gehabt.
Das Kampfblatt der deutschen Bourgeoisie, „DIE WELT“: Frankreich befinde sich seit den 1990er Jahren „im Niedergang“. Macron versuche trotzdem, „dem Kontinent unter französischer Führung die Stellung zu verschaffen, die ihm seiner Ansicht nach gebührt“; dazu wolle der Präsident nun „die Hilfe der Deutschen, ohne selbst Zugeständnisse zu machen ... Weder ist Paris bereit, seinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat mit Berlin zu teilen, noch darf Berlin auf die Mitsprache beim Einsatz französischer Atomraketen hoffen.“ [24, G-F-P-Artikel],[25]
Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zuständig für Außen- und Militärpolitik, verlangte unverhohlen zumindest indirekten Zugriff Deutschlands auf die französischen Atomwaffen. Es sei „in deutschem Interesse, dass wir auf die nukleare Strategie Einfluss nehmen können“, Frankreich solle deshalb seine Nuklearstreitkräfte „unter ein gemeinsames Kommando der EU oder der NATO stellen“. „Atommacht auf Umwegen“, resümiert Jürgen Wagner im Magazin TELEPOLIS diese Avancen in einem äußerst faktenreichen Artikel. [26]
Der erneute deutsche Versuch, nach Atomwaffen zu greifen, hat noch einen Nebenaspekt: Er zeigt die antidemokratische Einstellung der Bundesregierung und vieler der sie stützenden Parlamentsmitglieder, er beleuchtet ihre vollkommene Abgehobenheit und Ignoranz gegenüber dem Volkswillen und dem Volkswohl. Mehr als drei Viertel der deutschen Bevölkerung sprechen sich nämlich entschieden für die Ächtung von Atomwaffen aus. [27, > Magazin global]
Es kam aber nicht einmal zu einer aktuellen Stunde im Reichstag, als die Vereinten Nationen im September mit den Stimmen von 123 Mitgliedsstaaten Verhandlungen über ein generelles Atomwaffenverbot beschlossen [28, > hpd-Artikel] und Deutschland mit „Nein“ dagegen gestimmt hatte. Darüber schwieg auch die Tagesschau wohlweislich. Und blieb in der aktuellen Debatte über das Teufelszeug auf Regierungslinie, konformistisch wie eh und je: „Befürworter einer atomaren Abschreckung argumentieren, dass ein gegnerischer Angriff durch das Drohen mit Atomwaffen verhindert werden könne. Das gegenseitige Drohen mit nuklearen Waffen verhindere Krieg und sichere den Frieden.“ [29]
Mehr als dieses Nachbeten war nicht. Für begründete Gegenmeinungen zum Beispiel vom „linken Rand“, von der i-gitt-i-gitt-Linkspartei, war in den Sendungen der ARD-aktuell kein Platz: „Die Bundesregierung muss klarstellen, dass sie weiter am Atomwaffensperrvertrag festhält und zudem den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen. Massenvernichtungswaffen bringen keinen Frieden.“ [30]
Es ist ein wahres Elend mit diesem „Flaggschiff“ der deutschen Fernsehnachrichten. Nicht nur, dass es unterwürfig und vollkommen unkritisch ins Publikum transportiert, was die politischen Funktionsträger unserer Parteienoligarchie so unter sich lassen. Oder dass es Boulevard-Infos über Katastrophen rund um den Globus zunehmend zum Nachrichtenschwerpunkt macht.
Mit irgendwas muss sich ja die Gebührenpflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterhöhlen lassen. Statt ihr Nachrichtenangebot qualitativ und sprachlich zu verbessern, anspruchsvolle Information in grammatisch und stilistisch sauberem Deutsch zu liefern, schlägt die Leitung der ARD-aktuell jetzt auch noch eine quantitative Erweiterung der Tagesthemen vor. [31, > DWDL-Info] Die sollen künftig in zusätzlichen fünf Minuten Regionales aus den Bundesländern absaugen. Deren Ministerpräsidenten, das weiß man, bestimmen über die Höhe der Rundfunkgebühren. ...
Es reicht den für ARD-aktuell Verantwortlichen anscheinend nicht mehr, nur über bundespolitisch Erwünschtes, transatlantisch Genormtes, über Katastrophen, Pillepalle und die Fußball-Bundesliga zu berichten. Jetzt muss der Zuschauer auch noch befürchten, dass die Tagesthemen-Redakteure den Regionalfürsten von hinten entgegenkommen, so tief, dass sich vorne schon wieder das Morgenlicht erahnen lässt.
Volker Bräutigam (re) und Friedhelm Klinkhammer (u)
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Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 im NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1985 an in der Kulturredaktion für N3 (Nord 3). Danach Lehr- und Forschungsauftrag an der Fu-Jen-Uni in Taipeh.
Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.
Anmerkung der Autoren: Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour).
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1. Heuchelei, Betroffenheitsheuchelei, Betroffenheitsjournalismus, Scheinheiligkeit, Scheinmanöver, Vortäuschung, [..] Grafik: ccd20. Quelle: pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Grafik.
2. #unteilbar Großdemo: Unter dem Motto "#unteilbar - Solidarität statt Ausgrenzung" demonstrierten am 24. August 2019 rund 35.000 Menschen gegen Diskriminierung, Verarmung, Rassismus, Sexismus, Entrechtung und Nationalismus in Dresden. Foto: Tobias Möritz. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).
3. Betäubungslose Kastration: Das Tier wird an den Hinterläufen hochgenommen und kopfüber in ein Metallgestell gezwängt, wobei die Hinterbacken zusammengepresst werden und der Hodensack nach oben gedrückt wird. Er wird mit einem Messer so weit aufgeschlitzt, dass die Samendrüsen hervorquellen. Sie werden weggeschnitten oder, noch schlimmer, der Bauer greift mit den Fingern danach und reißt sie heraus. Übergangsweise erlaubt ist die betäubungslose Kastration nur an Ferkeln, die nicht älter sind als acht Tage. Das Problem: Die Einhaltung dieser Frist kann nicht überwacht werden. Foto: Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form angegeben. Es wird Malcolm Morley~commonswiki als Autor angenommen (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben). Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ (CC BY-SA 3.0) lizenziert.
4. ARD Schweinejournalismus übers „Tierwohl-Label“: ARD-aktuell macht Reklame für die Bauernlobby und deren Handpuppe Julia Klöckner. Foto: aitoff / Andrew Martin. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto. Textinlet eingearbeitet von Wilfried Kahrs (QPress.de) nach einer Idee von Helmut Schnug.
5. ACRON - PRESIDENT DES RICHES (Präsident der Reichen), Demo gegen Macrons Arbeits- und Steuerpolitik in Paris, 23. Sept. 2017. Foto: Jacques-BILLAUDEL. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
6. L'état ruine le peuple - Der Staat ruiniert das Volk. Die Arbeitsmarktreformen in Frankreich stärken die herrschende Klasse und das Kapital. Das ARM-REICH-Gefälle wird weiter zunehmen und dabei die Bürger mehr und mehr entrechtet. Wir in Deutschland kennen das bereits durch die asoziale Politik der SPD, nach deren Vorbild jetzt auch die französischen Lohn- und Gehaltsabhängigen auf Kurs (in die Verarmung) getrieben werden. Unter Macron wird das Konzept einer Politik GEGEN DAS EIGENE VOLK weiter umgesetzt und verschärft. Foto: laetitiablabla. Quelle: Flickr. Bildverlinkung leider nicht mehr aktiviert (H.S.) Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
7. LA REVOLUTION VIENT D´EN BAS! - Die Revolution kommt von unten! Französische Arbeiter, LKW-Fahrer, Mitarbeiter von Kernkraftwerken, Studenten, Jugendliche und viele mehr trotzen dem Ausnahmezustand und protestieren gegen die vom politischen Establishment verordneten Sparpolitik und den Sozialabbau. Foto: laetitiablabla. Quelle: Flickr. (Verlinkung nicht mehr möglich, 26.05.2017). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
8. Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron (* 21. Dezember 1977 in Amiens) ist seit dem 14. Mai 2017 Staatspräsident Frankreichs. (Président de la République française). Von 2006 bis 2009 war er Mitglied der Sozialistischen Partei (Parti Socialiste, PS). Von August 2014 bis August 2016 war er Wirtschaftsminister im Kabinett Valls II unter Staatspräsident François Hollande (PS).
Macron galt anfangs für viele Franzosen als Hoffnungsträger, Visionär und wwurde regelrecht zum Wundertäter hochgejubelt. Doch letztendlich ist er ein aalglatter neoliberal durchseuchter Eurokrat - ein bösartiger Wolf im smarten, harmlos erscheinenden Schafsfell. Die drastischen Verschärfungen der Arbeitsgesetze und die Liberalisierung des frz. Arbeitsmarktes nach SPD-Muster (Hartz IV, Leiharbeit, Lohndumping, Zeitarbeit, Kündigungsschutzabbau, Sozialabbau etc.) führt letztendlich hunderttausende Franzosen in prekäre Beschäftigung und soziale Verarmung.
Das hier gezeigt Bild besteht aus 2 zusammengesetzten Bildern. MACRON auf schwarzen Grund: Foto: Jeso Carneiro. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0). Leuchtlampen auf schwarzem Grund: Foto: Klaus Hausmann, Köln/D. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Bild. Bildidee: KN-ADMIN Helmut Schnug. Techn. Umsetzung: Wilfried Kahrs (WiKa).
9. Dr. Angela Merkel ist eine Kanzlerin auf Abruf. Ihr Abschied von der Macht kann schneller und abrupter kommen, als es bisher möglich schien, doch wer folgt in dieses Amt? Die unsägliche AKK hat sich nach einer Pannenserie selbst vom Markt genommen, gut so! Also Friedrich Merz? Jens Spahn? Armin Laschet? Markus Söder (CSU)? Schlimmer geht immer. Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).
10. Atomwaffenverbotsschild: Ban Nuclear Weapons Campaign - Women Against Military Madness: WAMM. Grafik: WAMM.
11. LOGO der NGO ICAN. ICAN Deutschland e.V. ist der deutsche Zweig der International Campaign to Abolish Nuclear weapons (ICAN) und damit Mitglied eines globalen Bündnisses von über 450 Organisationen in 100 Ländern. Dieses internationale Bündnis wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Die deutsche Sektion ist seit 2014 ein eingetragener, gemeinnütziger Verein und laut Satzung der Völkerverständigung und dem Einsatz für die Ächtung von Atomwaffen, für Abrüstung und Frieden verpflichtet. Bis zum Juli 2017 haben wir den Prozess zum UN-Vertrag für ein Atomwaffenverbot begleitet. Nun mobilisieren wir weiterhin für die Unterzeichnung, Ratifikation und Anerkennung dieses Vertrages als Instrument zur Ächtung und Abschaffung von Atomwaffen. Darüber hinaus kämpfen wir für den Abzug der in Deutschland stationierten US-Atombomben.
Als junger Akteur in der deutschen friedenspolitischen Community engagieren wir uns für eine Welt, in der die Menschen Konflikte gewaltfrei und in Achtung der menschlichen Würde bearbeiten. Gemeinsam mit anderen Organisationen machen wir Kampagnen und politische Bildungsarbeit. Wir organisieren Trainingscamps für junge, politisch engagierte Menschen und treten in politischen Dialog mit Regierung, Parlament und Medien. (Text: ICAN Deutschland e.V.) >> https://www.icanw.de/ Die Verwendung des Logos dient nur zu dokumentarischen Zwecken, die alleinigen Rechte daran bleiben bei ICAN!
12. Volker Bräutigam, 1941 in Gera geboren, war zwölf Jahre Lokal- beziehungsweise Regionalredakteur bei süddeutschen Tageszeitungen, von 1975 bis 1985 »Tagesschau«-Redakteur beim NDR in Hamburg, später freigestellter Personalrat und Mitarbeiter in der NDR-Kulturredaktion. Foto: © Anke Westermann, Bonn. Der DSGVO wegen erfolgt die Veröffentlichung des Fotos mit Zustimmung der abgebildeten Person, Volker Bräutigam.
13. Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. Foto: © Anke Westermann, Bonn. Der DSGVO wegen erfolgt die Veröffentlichung des Fotos mit Zustimmung der abgebildeten Person, Friedhelm Klinkhammer.
14. TV-Konsument erschiesst sich. Als »Flaggschiff der ARD« informiert die Tagesschau 15 Minuten lang über die vorgeblich wichtigsten Ereignisse des Tages und gibt sich dabei als verlässlich, neutral und seriös. Die TAGESSCHAU gilt als eine Art amtliche Vermittlung von Neuigkeiten.
Selbst Gegner dieser Sendung müssen das Format beachten: Nach den jeweiligen 15 Minuten weiß man, was die Regierung über dieses oder jenes Ereignis denkt, weiß man, was die Republik denken soll, und auch, was nicht zu denken gewünscht ist. Denn an manchen Tagen ist es interessanter zu sehen, was die TAGESSCHAU nicht sendet, als jenen Ausschnitt von Nachrichten aufzunehmen, den die Redaktion den Gebührenzahlern zuteilt. Grafik: Clker-Free-Vector-Images. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Grafik. Text- und Grafikinlet eingearbeitet: WiKa, nach einer Idee von H.S.
15. Buchcover: "Zwischen Feindbild und Wetterbericht. Tagesschau & Co. – Auftrag und Realität" von Maren Müller, Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer. PapyRossa Verlag, Köln. ISBN 978-3-89438-704-4. Erschien im August 2019, Preis 16,90 €.
Durch medial verbreitete Feindbilder werden Stigmatisierung und Ausgrenzung, Sanktionen und Schikanen, Gewalt und Willkür gefördert – nach innen wie nach außen. Die Rolle, die die Tagesschau dabei spielt, beleuchten Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer, beide lange Jahre bei der ARD tätig, in rund 30 fundierten Programmkritiken zu ausgewählten Themen der Innenpolitik sowie zu internationalen Fragen.
Mit Ironie und Sarkasmus spießen sie tendenziöse, lückenhafte und kriegstreiberische Berichterstattungen des Nachrichtenflaggschiffes der ARD auf. Damit ermutigen sie die Zuschauerinnen und Zuschauer zu selbstständiger Quellenprüfung sowie eigenen Recherchen. Und sie geben Hinweise, wie dies gehen kann.
Die Methoden und Mechanismen der kritisierten Nachrichtengebung macht Maren Müller in kenntnisreichen Einleitungen nachvollziehbar. Dabei arbeitet sie auch den bizarren Widerspruch zwischen selbst formuliertem Anspruch und gesetzlichem Auftrag der Tagesschau auf der einen, deren realer Praxis auf der anderen Seite heraus. (-Klappentext).