Vermögende und Wirtschaft füllen Wahlkampfkassen mit Millionen

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Vermögende und Wirtschaft füllen Wahlkampfkassen mit Millionen
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Rekord an Großspenden

Vermögende und Wirtschaft füllen Wahlkampfkassen mit Millionen

von Martin Reyher | abgeordnetenwatch.de

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Die bevorstehende Bundestagswahl mobilisiert auch Konzerne und vermögende Privatpersonen: Bereits in den ersten neun Monaten haben sie den Parteien mehr Geld aus Großspenden beschert als in allen bisherigen Jahren, wie eine Recherche von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL zeigt. Im laufenden Wahlkampf führt das zu einer gewaltigen finanziellen Schieflage – doch die größten Profiteure wollen auf den Geldsegen nicht verzichten.

Die Woche begann mit einem erstaunlichen Bekenntnis zweier Großspender. Man habe der FDP je 100.000 Euro überwiesen, weil sie „wie keine andere Partei die Interessen von Menschen mit geringfügiger Beschäftigung vertritt“, gaben die beiden Billigketten Woolworth und Tedi am vergangenen Montag gegenüber dem Tagesspiegel zu Protokoll. In den sozialen Netzwerken brach sich daraufhin großer Spott Bahn: Zwei selbstlose Discounter, die sich mit Spenden an die FDP für Geringverdienende starkmachen?

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Zu Ende geht die Woche mit einem Rekord. Noch nie seit Einführung der Offenlegungspflicht im Jahr 2002 haben Großspenden den Parteien so viel Geld in die Kassen gespült wie im laufenden Wahljahr. Dies zeigt eine Auswertung von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL aller Großspenden seit 2002. Seitdem müssen Parteien Spenden, die über 50.000 Euro liegen, unverzüglich beim Bundestag melden. Der Präsident veröffentlicht sie dann im Internet.

► 56 Großspenden, 8,4 Millionen Euro

In diesem Jahr ist die Liste besonders lang. Bis zum 26. August – also genau einen Monat vor der Bundestagswahl – haben die Parteien 56 Großspenden im Wert von insgesamt 8,4 Millionen Euro gemeldet. Rekordjahr war bislang 2017, als ebenfalls ein neuer Bundestag gewählt wurde, damals flossen 6,8 Millionen Euro.

Dass Konzerne, Verbände und wohlhabende Privatpersonen im Umfeld von Wahlen besonders spendierfreudig sind, ist zwar keine neue Beobachtung. Ungewöhnlich ist jedoch das Ausmaß des diesjährigen Spendenregens: In nicht einmal neun Monaten haben die Parteien bereits mehr an Großspenden kassiert als in allen anderen Jahren zuvor.    

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Durch das Rekordaufkommen offenbart sich ein gewaltiges Problem. Denn von den Zahlungen profitieren nur einige wenige Parteien. FDP und CDU verdienten seit Jahresbeginn bereits 3,2 Millionen bzw. 2,8 Millionen Euro durch Großspenden, die Grünen 1,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die CSU kam auf 121.381 Euro, die SPD auf 100.000 Euro. AfD und Linke, die beiden anderen Bundestagsparteien, gingen leer aus. Von den Kleinparteien meldeten dieBasis (59.270 Euro) und Die PARTEI (280.007 Euro) Großspenden.

Mit ihren Zusatzmillionen können FDP, CDU und Grünen nun im laufenden Wahlkampf finanziell aus dem Vollen schöpfen: Dank potenter Großspenden haben sie mehr Möglichkeiten, um für sich zu werben als ihre Mitbewerber, zum Beispiel durch zusätzliche Werbezeit und Anzeigen.

► Alle Regulierungspläne scheiterten

Pläne, diese ungleichen Bedingungen einzudämmen, gab es schon häufiger. Gesetzentwürfe von Linkspartei und Grünen, die eine Begrenzung von Privatspenden und ein Verbot von Unternehmensspenden vorsahen, wurden im Bundestag jedoch stets abgelehnt. Im vergangenen Mai scheiterte dann ein weiterer Vorstoß: Die SPD, die vergleichsweise wenig Großspenden erhält, wollte die Spendenhöhe bei 100.000 Euro deckeln. Doch die Initiative mündete in einen Koalitionskrach: CDU und CSU verlangten im Gegenzug, die SPD solle einige ihrer zahlreichen Unternehmensbeteiligungen abstoßen. (>SZ-Artikel).

Petition "Unternehmensspenden an Parteien verbieten, Privatspenden begrenzen": Jetzt Petition zeichnen.

Und so blieb bei den Spendenregeln alles beim alten. Unternehmen, Verbände und Privatspender können Parteien Geld in unbegrenzter Höhe zukommen lassen, so steht es im Parteiengesetz. Vor allem wohlhabende Privatpersonen haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht. Bei zwei Dritteln der Meldungen in diesem Jahr handelt es sich um Privatspenden – so hoch war der Anteil in keinem Wahlkampf der letzten Jahre (s. Grafik).    

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Sämtliche Großspenden von mindestens einer halben Million Euro stammen bislang von Privatpersonen:

Der Softwareentwickler Moritz Schmidt überwies den Grünen im April eine Million Euro, die er nach eigenen Angaben mit Bitcoins verdient hatte. Es war die höchste Spende in der Parteigeschichte.

Ebenfalls im April ließ der Unternehmer Georg Kofler der FDP 750.000 Euro zukommen. Als Motivation gab er unter anderem an, „eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu verhindern“.

Der Immobilienunternehmer Christoph Kahl spendete im Juni 500.000 Euro an die CDU. Er gehört seit langem zu den finanziellen Unterstützern der Partei.

500.000 Euro erhielten die Grünen im Februar von dem Pharmaerben Antonis Schwarz. Er gründete in Griechenland das von abgeordnetenwatch.de inspirierte Frageportal vouliwatch.

Bemerkenswert sind die üppigen Spendenerlöse im Fall der Grünen. Sie waren mit der Forderung in den Wahlkampf gezogen, Privatspenden auf 100.000 Euro zu begrenzen und Konzernspenden ganz zu verbieten. Wäre dies bereits Gesetz, hätte die Partei auf rund 1,3 Mio. Euro und damit einen Großteil ihrer Großspenden verzichten müssen. Erst vergangene Woche waren auf dem Parteikonto 100.000 Euro von der Deutsche Vermögensberatung AG eingegangen.

Wie passen die strikten Forderungen aus dem Wahlprogramm mit der Annahme von Unternehmensspenden und hohen Privatspenden zusammen? Eine Grünen-Sprecherin erklärte das auf Anfrage so: „Solange es die angestrebte gesetzliche Neuregelung noch nicht gibt, wollen wir uns im politischen Wettbewerb jedoch nicht schlechter stellen als unsere Mitbewerber*innen, denn Regeln müssen für alle gelten.

► Wie Parteien zu strengeren Spendenregeln stehen

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Ob die unbegrenzten Spendenflüsse nach der Bundestagswahl per Gesetz eingeschränkt und Zahlungen aus der Wirtschaft untersagt werden, steht in den Sternen. Neben den Grünen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm nur die Linken explizit dafür aus.

Die FDP will auf die Einnahmen aus Großspenden auch künftig nicht verzichten. Das Werben der Parteien um Spenden sei Teil des politischen Wettbewerbes, erklärte eine Sprecherin. „In diesem Wettbewerb erlangen die Parteien unterschiedliche Ergebnisse, was nicht zu beanstanden ist.

Die CDU ließ eine Anfrage unbeantwortet, wie sie zu strengeren Spendenregeln steht. In ihrem Wahlprogramm findet sich dazu nichts. Die SPD setzt sich zwar unverändert für eine Begrenzung der Spendenhöhe bei 100.000 Euro ein. Konzernspenden will die Partei nicht verbieten. Die einzige Großspende der SPD im laufenden Wahljahr stammte: von der Deutsche Vermögensberatung AG.

♦ ♦ ♦ ♦

Alle bisherigen Großspenden 2021

Aufgeführt sind alle Parteispenden von mehr als 50.000 Euro, die die Parteien bis 26. August 2021 beim Bundestag gemeldet haben.
Tabelle: abgeordnetenwatch.de Quelle: Deutscher Bundestag Daten herunterladen Erstellt mit Datawrapper

 

Rang # Empfänger Summe  Spender / Spenderin Eingang
         
1. Grüne  1.000.000 € Moritz Schmidt 12. April 2021
2. FDP 750.000 € Georg Kofler 29. April 2021
3. Grüne 500.000 € Antonis Schwarz 15. Februar 2021
4. CDU 500.000 € Christoph Alexander Kahl 9. Juni 2021
5. FDP 431.452 € Flossbach von Storch AG 14. Juni 2021
6. CDU 300.000 € Droege Group AG 9. Juli 2021
7. CDU 300.000 € Deutsche Vermögensberatung AG 13. Juli 2021
8. DIE PARTEI 280.007 € Global Shopping Collective GmbH 18. Juni 2021
9. CDU 250.000 € Prof. Otto Max Hans-Georg Näder 25. August 2021
10. FDP 250.000 € Hans-Georg Näder 13. August 2021
         
11. FDP 200.000 € Stephan Schambach 17. Mai 2021
12. FDP 200.000 € Gröner Family Office GmbH 7. Juli 2021
13. FDP 150.000 € Deutsche Vermögensberatung AG 7. Juli 2021
14. CSU 121.381 € Sixt GmbH 2. Juli 2021
15. Grüne 100.000 € Deutsche Vermögensberatung AG 20. August 2021
16. CDU 100.000 € Barbara Braun-Lüdicke 21. Januar 2021
17. CDU 100.000 € Arend Oetker 1. Februar 2021
18. CDU 100.000 € Patrick Schwarz-Schütte 24. Februar 2021
19. CDU 100.000 € Thomas Frank Maximilian Toporowicz 14. Mai 2021
20. CDU 100.000 € Verband der Chemischen Industrie 27. Mai 2021
         
21. CDU 100.000 € Klaus Hommels 25. Juni 2021
22. CDU 100.000 € Andreas Lapp 16. Juli 2021
23. CDU 100.000 € Ralph Dommermuth 18. August 2021
24. FDP 100.000 € Tobias Hagenmeyer 24. Mai 2021
25. FDP 100.000 € Nico Mader 22. Juni 2021
26. FDP 100.000 € Klaus Hommels 25. Juni 2021
27. FDP 100.000 € Walter Wübben 9. Juli 2021
28. FDP 100.000 € Ralph Dommermuth 13. August 2021
29. FDP 100.000 € André Kolbinger 13. August 2021
30. FDP 100.000 € Woolworth GmbH 18. August 2021
         
31. FDP 100.000 € TEDI GMBH & Co. KG 18. August 2021
32. SPD 100.000 € Deutsche Vermögensberatung AG 17. August 2021
33. CDU 75.000 € Martin Herrenknecht 15. Juli 2021
34. CDU 75.000 € Verband der Metall- und Elektro-Industrie NRW 23. Juli 2021
35. CDU 75.000 € Martin Herrenknecht 23. Juli 2021
36. CDU 70.000 € Stephan Schambach 22. Februar 2021
37. CDU 70.000 € Klaus-Michael Kühne 27. April 2021
38. FDP 70.000 € Florian Rehm 24. Juni 2021
39. Grüne 68.548 € Flossbach von Storch AG 14. Juni 2021
40. Grüne 60.000 € Frank Hansen 17. Februar 2021
         
41. Grüne 60.000 € Frank Hansen 7. Mai 2021
42. CDU 60.000 € ANH Hausbesitz GmbH & Co KG 13. April 2021
43. CDU 60.000 € TRUMPF GmbH + Co. KG 24. August 2021
44. dieBasis 59.271 € Bode Immobilien GmbH + Co. KG 16. August 2021
45. Grüne 52.000 € Jürgen Reckin 17. März 2021
46. FDP 51.000 € Patrick Anton Walther Schwarz-Schütte 7. April 2021
47. FDP 51.000 € Tillmann Miritz 17. Juni 2021
48. FDP 51.000 € Maria-Theresia von Seidlein 30. Juni 2021
49. FDP 51.000 € Ulrich Horst Marseille 21. Juli 2021
50. FDP 51.000 € Fritz Seikowsky 29. Juli 2021
         
51. Grüne 50.001 € Florian Rehm 24. Juni 2021
52. CDU 50.001 € Patrick Adenauer 23. Februar 2021
53. CDU 50.001 € Stefan Quandt 1. Juli 2021
54. CDU 50.001 € Susanne Klatten 1. Juli 2021
55. FDP 50.001 € Ludgerus Inholte 9. März 2021
56. CDU 50.000 € Florian Rehm 24. Juni 2021

 

Martin Reyher, Mitarbeit: Andreas Dobrzewski, Julian Petrat

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Martin Reyher leitet die Redaktion von abgeordnetenwatch.de und schreibt in unserem Blog über Lobbyismus, Parteispenden und Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Er ist seit 2006 dabei.

Andreas Dobrzewski ist der visuelle Experte bei abgeordnetenwatch.de und seit 2020 für die Bereiche Grafik, Animation, Video und Foto zuständig. Er sorgt dafür, dass die Veröffentlichungen in Web und Print gut aussehen, macht mit Infografiken und Erklärfilmen kompliziertes verständlich und dokumentiert wichtige Kampagnenmomente mit Film- und Fotokamera. Zuvor war Andreas selbständig als kreativer Allrounder in der Filmbranche und in den Bereichen Kamera, Postproduktion, Animation und Motion Design aktiv. Der Diplom-Medienwissenschaftler hat ein Faible für mediale Wissensvermittlung und kann sich besonders dafür begeistern, Medieninhalte zu schaffen, die gleichzeitig informativ und unterhaltsam sind.

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► Quelle: Dieser Artikel wurde von Martin Reyher am 27. August 2021 erstveröffentlicht auf abgeordnetenwatch.de >> Artikel. Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0).

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