Zuhause werden wir bald keine Ruhe mehr finden

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Franz Witsch
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Verbunden: 18.07.2013 - 17:22
Zuhause werden wir bald keine Ruhe mehr finden
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Zuhause werden wir bald keine Ruhe mehr finden

Unsere Zeit braucht eine unmissverständliche Sprache

Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,

wahrheit_politiker_verlogenheit_unwahrheit_luege_propaganda_manipulation_truth_tatsache_wahrhaftigkeit_authentizitaet_massenmedien_leitmedien_kritisches_netzwerk_luegengebaeude.png ich möchte den politisch interessierten BürgerInnen einen Artikel mit dem Titel "Der Fall Skripal: Westliche Regierungen machen sich kollektiv lächerlich" ans Herz legen. Dieser von Paul Schreyer auf TELEPOLIS veröffentlichte Kommentar zeigt, von welchen mittlerweile „kranken“ Politikern die Welt regiert wird.  

"Die Aufregung um den Mordanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal nimmt zunehmend absurde Züge an - Ein Kommentar

Am Donnerstag kulminierte die öffentliche Empörung über den bislang völlig ungeklärten Vorfall in einer gemeinsamen Stellungnahme der Regierungen Großbritanniens, der USA, Frankreichs und Deutschlands. Man sei "entsetzt" von diesem "Übergriff gegen die Souveränität des Vereinigten Königreichs", der einen "Völkerrechtsbruch" darstelle und "unser aller Sicherheit" bedrohe." (TELEPOLIS) Hier bitte zunächst weiterlesen.

Der Text kommentiert den Fall Skripal, namentlich „die Aufregung um den Mordanschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal“. Der Fall nehme „zunehmend absurde Züge an.“ Anstatt Beweise vorzulegen, die die Schuld der russischen Regierung tatsächlich belegen würden, würden „sich die westlichen Regierungen – man möchte schon sagen, ‚wie gewohnt’– auf die psychologische Wirkung einer PR-Kampagne“ verlassen. Das geht so in der Art: irgendetwas wird im „blöden“ Bürger schon hängen bleiben.

Die Anti-Russland-Hysterie“, heißt es weiter, habe „sich zu einer waschechten Paranoia ausgewachsen, gegen die zunehmend selbst absurdeste Verschwörungstheorien harmlos erscheinen.“ Und sogenannte Qualitätsmedien wie DIE ZEIT und FAZ haben nichts anderes zu tun, als die Politik in ihrer „Wahnwelt“ zu bestätigen.

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Nun gibt es allerdings immer mehr Bürger, die sich nicht „für blöd“ verkaufen lassen; sie finden zurecht, wie ich meine, drastische Worte zur Beschreibung der Politik, wie ein Leserbrief zum Artikel zum Ausdruck bringt; er spricht von einer „Wahnwelt, in der die Politmafia seit jeher lebt“. Ich würde ein wenig präziser sagen: immer unübersehbarer lebt in einer Zeit, in der bald nichts mehr bleibt wie es war - womöglich auch die Welt der Politik nicht mehr!

Ein anderer Leserbrief nennt Politiker ganz ungeniert „verlogenes Pack, Kriegstreiber und Psychopathen bzw. Soziopathen“: „Anders kann man westliche Politiker der NATO und verschiedener europäischer Staaten nicht mehr nennen.“ Es sei „unerträglich, was dieses Pack sich alles leisten darf, ohne jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden. Es wird höchste Zeit, dem Volk klar zu machen, dass es so nicht weitergehen kann. Zuhause auf dem Sofa ist es zwar gemütlich, aber auch da werdet Ihr bald keine Ruhe mehr haben!

Eine solche Ausdrucksweise schlägt vielen Menschen, die sich zur Elite rechnen dürfen, mächtig aufs Gemüt. Das illustriert ein Leserbrief einer Professorin auf einen vergleichsweise harmlosen Bürgerbrief (vgl. BB155). Im Brief heißt es kurz und knapp: „Bitte streichen Sie mich aus dem Verteiler: Wortwahlen wie ‚dümmste Nuß’ finde ich im Umgang miteinander, der gerade in der Politik ziemlich verroht, unangemessen und nicht unterstützenswert.

Man muss das empfindliche Gemüt eines Lesers natürlich tolerieren. Es sind Menschen, die mit allzu negativen Gefühlen nichts zu tun haben möchten und vertragen deshalb nur sehr begrenzt soziale Sachverhalte oder Strukturen, die, um es ganz allgemein zu sagen, auf solche negativen Gefühle verweisen.

Allein man darf, wenn man verantwortlich denken und sprechen will, auf solche Gemüter keine Rücksicht nehmen. Wir leben in einer Zeit, die sich einer klaren Wortwahl in ihren Urteilen bedienen muss, ohne deshalb Menschen, die mit jener Wortwahl beschrieben werden, gleich hassen zu müssen.

Nur mit einer klaren und unmissverständlichen Wortwahl, man mag sie brutal oder ungehörig nennen, erreicht man, dass Menschen es für möglich erachten, dass sie sich in ihrer „heilen Welt“ verschließen, in sogenannten Filter- oder Wohlfühlblasen, sodass sie für Kritik an einem Außen, das sie ihrer heilen Welt umstandslos assimilieren, nicht mehr aufgeschlossen sind. Für Informationen, die ihre Filter- oder Wohlfühl-Blasen infrage stellen [1], als würden sie einen brutalen Einbruch in ihre Wohnung (Privatsphäre) erleben, sind sie offenbar nicht erreichbar. So etwas kann in der Tat traumatisieren oder latente Traumata auslösen und dann zu massiven psychischen Störungen führen.

► Man fragt sich: in welcher Welt glaubt der allzu empfindliche Leser zu leben?

Er verabscheue, sagt er, eine rohe Wortwahl, die zu verrohten sozialen Strukturen führen würde. Dabei werden Ursache u. Wirkung verwechselt: Roh sind soziale Strukturen (der Politik), die eine rohe Wortwahl hervorbringen, wohlgemerkt „von immer mehr Bürgern“. Die Prozesshaftigkeit, die im „immer mehr“ zum Ausdruck kommt, lässt vermuten, dass Bürger auf verrohte soziale Strukturen reagieren, als dass sie diese aktiv hervorbringen wollten!

Mit anderen Worten: eine sogenannte rohe Wortwahl bedient sich der Bürger nicht freiwillig, sondern weil er sich aus einem Impuls der Verzweiflung heraus aufgrund von verrohten sozialen Strukturen dazu gleichsam genötigt fühlt. So wie ich mich zuweilen zu einer eindeutigen, unmissverständlichen Sprache genötigt fühle, damit klar wird, um was es geht. Allerdings muss eine konstruktiv-kritische und gefühls-kontrollierende Analyse folgen, damit sich etwas ändern kann - auch wenn es nicht wahrscheinlich ist, dass sich etwas ändern wird.

Die Geschichte zeigt, dass die Eliten auf Probleme oder Konflikte nicht konstruktiv reagieren, um sie im Sinne aller Bürger zu lösen. Die Eliten (oder solche die sich dafür halten), glauben, dass Gewalt gegen Bürger oder Kriege gegen andere Länder eine Option ist, auf Konflikte zu reagieren, wiewohl sie damit v.a. ihre wachsenden inneren Spannungen aufgrund wachsender (globaler) ökonomischer Spannungen abreagieren.

Um das zu erreichen, inszenieren sie Bedrohungspotentiale, ggf. solche, die es nicht oder nur in ihrer Fantasie gibt, um wachsende Gewalt und Kriege, dazu wachsende Rüstungsausgaben zu inszenieren, bzw. zu legitimieren. Und das alles, weil sie zunehmend überfordert sind oder es auch gar nicht wollen, Konflikte im Sinne aller Menschen zu kommunizieren. Das führt irgendwann zu Gewaltausbrüchen, die so umfassend sein können, dass sie nicht mehr kontrollierbar sind – schon gar nicht mit Gewalt!

Anstatt solche Zusammenhänge, also auch eigene mentale Defizite zu reflektieren oder für möglich zu halten, nehmen derweil allzu empfindliche Bürger die rohe Wortwahl zum Anlass, sich für die Analyse zur Darstellung jener Zusammenhänge nicht zu interessieren und tragen damit dazu bei, dass sich in der Politik nichts ändert.

Und man kann sicher sein: ist die Wortwahl liebevoll, reflektiert der empfindliche Bürger auch nicht. Denn dann ist die Welt für ihn in Ordnung. Um nicht zu sagen: Er ist – mit welcher Wortwahl auch immer – nicht ansprechbar.

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In meinen Texten und Büchern (siehe unten) nenne ich das „krank“– vergleichbar wie wir es bei vielen Menschen erleben können, die tatsächlich unter einer psychischen Störung leiden, mithin in ihrer je eigenen Welt leben, die sie, wenn nicht mit Gewalt, so v.a. mit sprachlichen Mitteln hermetisch gegen die sogenannte „reale Welt“ versuchen abzuschirmen, um sich nicht unwohl fühlen zu müssen.

Vergeblich, wie auch der obige Leserbrief zu verstehen gibt, wenn sein Autor schreibt, zuhause auf dem Sofa sei es zwar gemütlich, aber auch da werde man bald keine Ruhe mehr finden.

[1] Franz Witsch, Psychopathologisierung sozialer Strukturen (S. 56 - 83 ) >> weiter.

Herzliche Grüße

Franz Witsch, Hamburg / www.film-und-politik.de .

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pin_green.gif  Lesetipps (KN-Artikel zum Thema Sergej & Julia Skripal):

"Giftanschlag auf Sergei Skripal und die antirussische Kriegshysterie" >> weiter.

"Inszenierter Anschlag gegen Sergei Skripal? Großbritannien weist 23 russische Diplomaten aus" >> weiter.


 Jedenfalls habe ich einiges zum Thema "Unmissverständliche Sprache" und andere Probleme der durch Konformitätsdruck und "öffentliche Meinung" mehrheitlich angepassten BürgerInnen in meinen Büchern geschrieben, welche hier im Kritischen Netzwerk bereits ausführlich vorgestellt wurden und über mich bezogen werden können - weiter. Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung:

Die Politisierung des Bürgers, 1. Teil: Zum Begriff der Teilhabe

'Die Politisierung des Bürgers' ist bemüht, dem Paradoxon einer Entpolitisierung bei um sich greifender Armut auf die Spur zu kommen, indem sie einmal mehr das Subjekt, resp. den einzelnen Bürger ins Zentrum des Interesses rückt, ohne ihn - wie traditionell üblich - auf einen Sockel zu heben. Dort ist er nicht als ein der Analyse zugänglicher sozialer Sachverhalt begreifbar. An einer zureichenden Analyse ist die herrschende Politik freilich nicht interessiert, gedeiht diese doch als Geschäft am besten auf dem Rücken eines entpolitisierten Bürgers.

Verlag: Books On Demand (Februar 2015, überarbeitete Neuauflage) - ISBN 978-3-8370-4369-3

Die Politisierung des Bürgers, 2. Teil: Mehrwert und Moral

Der zweite Teil führt den ersten weiter im Bemühen, das Verhältnis von Moral und Ökonomie zu entziffern - zumal im Kontext einer Theorie der Gefühle, ist jenes Verhältnis doch hochgradig emotional besetzt. Indes liegt es im Kapitalismus im Mehrwertzwang verborgen; dieser treibt das Subjekt in die Atomisierung, der es mit Gefühlen auf Gegenstände der Verheißung zu entrinnen sucht. Dieser einer Analyse zugängliche Sachverhalt findet in der veröffentlichten Meinung wie in der Sozialtheorie keine zureichende Würdigung. Sie wäre aber die wesentliche Voraussetzung einer wirksamen antikapitalistischen Politik, die auf die Abschaffung des Kapitalismus zielen muss und nicht, wie von Keynesianern und der PDL betrieben, auf seine Fortführung im veränderten Gewand; was die Zerstörung überlebenswichtiger sozialer wie ökonomischer Strukturen zusätzlich beschleunigt.

Verlag: Books On Demand (Mai 2017, zweite korrigierte Auflage) - ISBN-13: 978-3-8482-5273-2

Die Politisierung des Bürgers, 3. Teil: Vom Gefühl zur Moral

Die beschleunigte Zerstörung ökonomischer wie sozialer Strukturen liegt, wie im zweiten Teil untersucht, in der wachsenden Unfähigkeit des Subjekts, Mehrwert zu erzeugen, begründet, die wiederum seine emotionalen und moralischen Fähigkeiten begrenzt. Der dritte Teil bemüht sich um die Folgen: die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung. In diesen ist das Subjekt gehalten, Zerstörungen aktiv zu begleiten, mehr noch, zu exekutieren in Anlehnung eines sozialen Sachverhalts, den Hannah Arendt die Banalität des Bösen genannt hat: Das Subjekt fühlt sich unbeteiligt, gar unschuldig, zurecht, denn es gibt einen Weg vom Gefühl zur Moral, den zu beschreiten das Gefühl nicht umhinkommt. Allerdings ist die moralische Verantwortung des Subjekts in dem Maße rekonstruierbar wie es im Kontext seiner (Re-)Sozialisierung gelingt, die Moral der heutigen Gesellschaft im Innenleben als krank freizulegen.

Verlag: Books On Demand (Aai 2017, zweite korrigierte Auflage) - ISBN-13: 978-3-8482-5231-2

Die Politisierung des Bürgers, 4. Teil: Theorie der Gefühle

Nachdem es im dritten Teil um die emotional-moralischen Modalitäten der Zerstörung sozialer Strukturen sowie um die psychosozialen Bedingungen einer Rekonstruktion der moralischen Verantwortung des Subjekts ging, ist der vierte Teil bemüht zu zeigen, dass und auf welche Weise Gefühle eine tragende Rolle im Hinblick auf eine sozialverträgliche Ausbildung sozialer wie ökonomischer Strukturen spielen; sie spielen genau dann eine tragende Rolle, wenn es dem Subjekt (1.) gelingt, Gefühle als Ressourcen der Verständigung zu begreifen, wenn (2.) die Externalisierung des Gefühls nicht nachhaltig scheitert: der externe Objektbezug des Gefühls gewahrt bleibt, wenn (3.) negative Gefühle nicht ausgegrenzt werden aus Verständigungsbemühungen, und wenn (4.) - bezugnehmend auf den zweiten Teil - die Mehrwertfähigkeit des Subjekts nicht mehr als das entscheidende Kriterium seiner sozialen Existenz gilt.

Verlag: Books On Demand (August 2015, zweite korrigierte Auflage) - ISBN-13: 978-3-7322-4461-4

     


Bild- und Grafikquellen:

1. Texttafel: "Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich dran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen." Grafik: Wilfried Kahrs / QPRESS.

2. "Wo alle dasselbe denken, wird nicht viel gedacht". - "Where all think alike, no one thinks very much". Foto ohne Text: Francisco Laso. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0). Digitale Einbindung des Textes: Wilfried Kahrs (WiKa), QPRESS. Bildidee: KN-ADMIN Helmut Schnug.

3. Jiddu Krishnamurti: "Es ist kein Anzeichen von seelischer Gesundheit sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können." Grafik: Wilfried Kahrs / QPress.

4. Friedrich Wilhelm Nietzsche (* 15. Oktober 1844 in Röcken; † 25. August 1900 in Weimar) war ein deutscher klassischer Philologe, dessen Hauptwerk jedoch aus Schriften besteht, die ihn – allerdings erst postum – als Philosophen weltberühmt machten. Als Nebenwerke schuf er Dichtungen und musikalische Kompositionen. "Manchmal wollen Menschen die Wahrheit nicht hören, denn das würde ihre ganze Illusion zerstören." Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs / QPress.de.

5. "Wer mit der Herde geht, kann nur den Ärschen folgen!" - "Following the herd means following asses!" Foto ohne Text: Vladimer Shioshvili from Tbilisi, Georgia. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0). Digitale Einbindung des Textes: Wilfried Kahrs (WiKa), QPRESS.