Parlamentswahlen am 6. Dez. 2020 in Venezuela
Wahlbetrug mit Ansage
Das Ergebnis dieser Wahl steht für den 'Wertewesten' bereits fest.
von Rüdiger Rauls, Trier
► Wunschdenken und Wirklichkeit
Der Versuch von Juan Guaidó, mit westlicher Unterstützung eine Farbenrevolution in Venezuela anzuzetteln, war 2019 gescheitert. Seinen großen Worten und Ankündigungen folgte eine Niederlage nach der anderen. Er scheiterte an einem Denken, das von westlichen Idealen bestimmt war, und an der Unfähigkeit zu realistischer Einschätzung der gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse in Venezuela selbst.
An der Unterstützung aus dem Wertewesten hatte es nicht gelegen, dass er nicht zum Erfolg kam. Dort hätte man gerne noch mehr für Guaidó getan, wäre er selbst in der Lage gewesen, in Venezuela die Bedingungen für einen Umsturz zu schaffen. Wie weltfremd sein Denken war, zeigte sich am deutlichsten an seinen Versuchen, das Militär zu einem Putsch gegen Maduro zu bewegen.[1]
Guaidós Lageeinschätzungen waren schönfärberisch und theoriegetrieben, seine Planungen stümperhaft. Seine Anfangserfolge bei der Mobilisierung der Massen in Caracas erweckten ein trügerisches Bild von Stärke. Diesem Trugbild fielen er selbst, aber auch seine westlichen Unterstützer zum Opfer. Beide glaubten, dass es nach dem Muster der bisher stattgefundenen Farbenrevolutionen ausreichte, einige Zehntausend auf die Straßen zu bringen, um eine System zu stürzen.
Die Opferbereitschaft seiner weitgehend wohlhabenden Anhängerschaft war aber nicht so groß, dass sie den bewaffneten Volksaufstand zugunsten der eigenen Privilegien eintauschen wollten. Es zeigte sich wieder einmal, dass die luftigen Wunschvorstellungen und intellektuellen Allmachtsphantasien eines Uni-Absolventen etwas anderes sind als das Gewicht der Wirklichkeit.
Das wurde an der Grenzbrücke zu Kolumbien überdeutlich, wohin Guaidó die Massen beordert hatte, die ihm noch in Caracas zugejubelt hatten. Sie sollten Hilfscontainer aus den USA ins Land bringen zur Unterstützung der Armen Venezuelas, ein Trojanisches Pferd des Wertewestens, der Venezuela durch seine Sanktionen erst in diese Lage gebracht hatte. [Widerspruch von Helmut Schnug: »Linke Ideologisierung: Hugo Chávez und Nicolás Maduro« >> weiter.] Das sollte der Auftakt sein zum Sturz Maduros. Aber die Massen kamen nicht. Sie blieben lieber in Caracas, anstatt ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
Als ihm die Mobilisierung der Bevölkerung nicht gelungen war, glaubte Guaidó allen Ernstes, dass das Militär ihm in seiner Verzweiflung nun aus der Patsche helfen würde. Wenn auch sicherlich Teile der Armee sich unter anderen Umständen zu einem Umsturz hätte bewegen lassen, so waren sie doch realistisch genug zu erkennen, dass Guaidó ein Blender war. Militärs können sich kein Wunschdenken erlauben. Sie beurteilen die Lage nach Kräfteverhältnissen und realen Gegebenheiten. Das Militär folgte seinen Aufrufen zum Umsturz nicht.
► Tretmine Guaidó
Der Busfahrer Maduro, womit die Medien des Wertewestens die Kompetenz des venezolanischen Regierungschefs hatten in Frage stellen wollen, siegte über den Uni-Absolventen Guaidó. Dieser versank in der Folgezeit immer mehr in der Bedeutungslosigkeit. Besonders in Europa hatte man erkannt, dass man auf einen lahmen Gaul gesetzt hatte. Man hatte dann doch notgedrungen feststellen müssen, dass die wahre Macht in Venezuela bei Maduro lag. [2]
Für die USA kam ein Zurückweichen vor Maduro nicht in Frage. So erklärte der US-Außenminister Mike Pompeo im Januar 2020 bei einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen Dominic Raab im kolumbischen Bogotá: „Die Vereinigten Staaten würden weiter daran arbeiten, Maduro aus dem Amt zu drängen“[3].
Für die USA hat Venezuela eine andere Bedeutung als für die Europäer. Es liegt vor der eigenen Haustür und in einer Weltregion, die man seit jeher als den eigenen Hinterhof ansah, in dem Washington die Ordnung bestimmt. Die USA hielten an Guaidó fest nicht zuletzt auch mangels Alternativen zu ihrem gehätschelten Musterschüler.
Aber Guaidó wird zunehmend zu einer Belastung. Im Mai 2020 wurde seine Verstrickung in einen stümperhaft geplanten Putschversuch offenbar, der von einigen Hundert gedungenen Söldnern durchgeführt werden sollte und von Washington unterstützt worden war. Wenn auch Washington die eigene Beteiligung bestritt ebenso wie Guaidó selbst, so können „Spuren bis in das Appartment von Guaidós Berater in Florida zurückverfolgt werden“[4].
Die USA sahen sich gezwungen, öffentlich zu den Verschwörern und Guaidó auf Distanz zu gehen. Die Opposition in Venezuela „ihrerseits ist durch die Kommandoaktion in Erklärungsnot geraten“[5]. Ihr Ansehen und das Guaidós dürfte sicherlich darunter gelitten haben, wenn diese sich mit den ausländischen Kräften verbünden, die durch ihre Sanktionen und ihren Wirtschaftskrieg für das Leid in Venezuela wesentlich mit verantwortlich sind. [Widerspruch von Helmut Schnug: »Linke Ideologisierung: Hugo Chávez und Nicolás Maduro« >> weiter.]
Aber auch die Spannungen innerhalb der Opposition sind dadurch gewachsen, was ihre Aussichten auf politische Erfolge weiter schmälert. Vielleicht ist darin der Grund zu sehen, weshalb Guaidó trotz all seiner Gesetzesverstöße, Hochverratsdelikte und Umsturzversuche noch immer auf freiem Fuß ist. „Das politische Risiko einer Festnahme Guaidós ist für Maduro dadurch geringer geworden“[6]. Aber der einfache Busfahrer Maduro erweist sich als der klügere Stratege. Denn niemand schadet der Opposition im Lande gerade mehr als Guaidó selbst.
► Bedeutungsverlust
In der Folge versuchten besonders die Europäer, Guaidó auf Distanz zu halten, um einen Dialog zwischen Maduro und der venezolanischen Opposition in Gang zu bringen. Anscheinend hat man erkannt, dass der frühere Held des Wertewestens ungeeignet ist, einen Wandel in Venezuela herbeizuführen. „Keines seiner Versprechen konnte Guaidó einlösen, alle Hoffnungen wurden enttäuscht. Guaidó hat nicht die Macht, um Venezuela zu verändern“[7].
Wie schnell sein Stern in Venezuela selbst verblasst war, zeigte die Auseinandersetzung um die Präsidentschaft in der Nationalversammlung im Januar 2020, die vom Wertewesten zu einem „weiteren Schlachtfeld des Machtkampfes zwischen dem Maduro-Regime und der Opposition“[8] erklärt worden war. „Die Hoffnung der Opposition, der Überfall auf die letzte demokratische Institution würde die Bevölkerung wieder mobilisieren, hatte sich nicht erfüllt. Einem Aufruf Guaidós folgten am Wochenende nur einige Hundert Venezolaner“[9].
Zu seinem persönlichen Bedeutungsverlust in Venezuela selbst kam im internationalen Rahmen seine Unfähigkeit hinzu, seine persönlichen Interessen den politischen unterzuordnen. So torpedierte er die europäischen Pläne, „den im vergangenen Jahr [2019] angestoßenen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition fortzusetzen. […] Guaidó will derzeit nichts davon wissen“[10].
Wie sehr der Messias des Wertewestens, der Venezuela die Freiheit hatte bringen wollen, den Blick für die Wirklichkeit verloren hat, zeigte die Auseinandersetzung um das in der Bank of England gelagerte venezolanische Gold. Das Volk von Venezuela leidet neben den westlichen Sanktionen unter der Corona-Epidemie. „Medikamente sind meist nur noch auf dem überteuerten Schwarzmarkt zu kaufen“[11].
„Um die Notmaßnahmen gegen die Epidemie zu finanzieren und Medizin und Lebensmittel einzukaufen“[12], wollte die Zentralbank von Venezuela eigenes Gold im Wert von 1 Milliarde Dollar verkaufen. Der britische High Court hat die Herausgabe des Goldes verweigert. Für ihn ist Guaidó der anerkannte Präsident Venezuelas, nicht Maduro.
Während das Volk in Venezuela dahingerafft wird, bezeichnete Guaidós Botschafterin in London [, Vanessa Neumann, H.S.] es als „Sieg für das venezolanische Volk“[13], dass ihm die dringend benötigen finanziellen Mittel vorenthalten werden. „Mehr denn je ist Venezuela auf seine Goldreserven angewiesen“[14]. Das weiß der Wertewesten und das weiß auch Guaidó, auf dessen Betreiben hin die Auszahlung verweigert wurde. Das also sind die Werte des Wertewesten, mit denen er überall auf der Welt hausieren geht.
Dieses Urteil aus London „könnte ihm [Guaidó] neuen Sauerstoff verleihen, vermuten Beobachter, auch im Hinblick auf allfällige Verhandlungen zwischen der Opposition und Maduro [, denn] Guaidós Position [ist] gegenüber Maduro aber auch innerhalb der Opposition geschwächt“[15].
Dass er um des eigenen politischen Vorteils und der Interessen der USA sowie des Wertewestens willen dem Volk von Venezuela die nötige Hilfe verweigert, wird dort sicherlich nicht verborgen und nicht ohne Auswirkungen auf dessen Ansehen und Beliebtheit im Lande bleiben. Es stellt sich die Frage, wie er und die Opposition unter solchen Voraussetzungen die Wahl im Dezember gewinnen wollen.
► Scheinbare Geschlossenheit
Trotz der gegenteiliger Anzeichen versuchen die Meinungsmacher im Westen den Eindruck zu erwecken, dass die Opposition geschlossen dasteht. Diese Geschlossenheit soll sich in einer Ablehnung der Wahlteilnahme ausdrücken. An ihnen „teilzunehmen käme einer Legitimierung des Regimes gleich, sind sich große Teile der Opposition einig“[16] und gleichzeitig behauptet man, dass Maduro „praktisch jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat“[17].
Das hatte man auch schon zu Beginn des Jahres 2019 den Medienkonsumenten im Westen weismachen wollen, als mit Guaidó der Bezwinger Maduros aus der Taufe und auf den Schild gehoben worden war. Zu gerne hatte man damals sich von den eigenen Wunschvorstellungen blenden lassen und die realen Verhältnisse nicht sehen wollen. Offensichtlich hat man in den Entscheidungstürmen des Wertewesens nichts dazu gelernt. Denn damals wie heute glaubt man, was man glauben will, und ignoriert, was in dieses Bild nicht hineinpasst.
Denn trotz aller Sanktionen, Putschversuche und versuchten Söldner-Invasionen hat sich das Volk nicht von Maduro ab- und Guaidó zugewendet, wie es eigentlich nach den gesellschaftswissenschaftlichen Theorien, den Wunschvorstellungen der Meinungsmacher und den Prophezeiungen der Politiker und sogenannter Experten im Westen sein müsste.[18]
Auch wenn der Wertewesten Venezuela sein Gold vorenthält, die Bevölkerung immer mehr verarmt, die Ölproduktion auf das Niveau der 1930er Jahre gesunken ist, was nach den Vorstellungen der Meinungsmacher doch zwangsläufig zum Ende des Regimes führen müsste, ist die Realität eine andere. Aber diese Realität verstehen die sogenannten Experten im Wertewesten nicht.
Diese Realität sind die Colectivos, vergleichbar den Nachbarschaftskommitées in China. Sie sind die Stütze und Beschützer der gesellschaftlichen Ordnung, nicht die Parlamente und die sonstigen Elfenbeintürme, in denen die westlichen Meinungsmacher glauben, dass Politik gemacht wird. Sie versorgen die Menschen an der Basis der Gesellschaft und sorgen für den Zusammenhalt, den die zerrissenen Gesellschaften des Wertewestens nur noch als Ausdruck eines autoritären Regimes verstehen können. Das dahinter ein politisches Bewusstsein steht, das ihrem eigenen Denken fremd ist, kommt ihnen nicht in den Sinn.
Versuchte die Frankfurter Allgemeine Zeitung noch im Juli die Opposition in Venezuela als geschlossen darzustellen, so zeigt sie im bereits September ein anderes Bild. „Die Opposition ist sich uneinig. Guaidó will die Wahl boykottieren. … Im Gegensatz dazu beabsichtigt [Henrique; H.S.] Capriles, bessere Voraussetzungen für die Wahl auszuhandeln und anzutreten“[19]. Er grenzt sich öffentlich von Guaidó ab: „Entweder sei man Regierung oder Opposition, beides geht nicht. … Capriles sagte, was viele in Venezuela schon länger denken.“[20].
Guaidó scheint seinen Glanz verloren zu haben – zumindest in Venezuela. „Lange war es Guaidó gelungen, den Eindruck der Einheit zu wahren und sich als Anführer darzustellen. Doch sein Charisma … ist in den vergangenen Monaten verblasst – und damit ist seine Autorität geschwunden“[21].
► Faire Wahlen unerwünscht
Aber trotz alledem scheinen die USA noch immer hinter Guaidó zu stehen. Er ist der Mann für ihre Pläne, einen anderen haben sie nicht. Jedoch scheinen auch sie Zweifel an seinem Wahlerfolg zu haben, denn sie treffen dementsprechende Vorbereitungen für den Fall er Niederlage. Schon jetzt verbreiten die Meinungsmacher im Wertewesten Zweifel an der Legitimität der Wahlen, die noch gar nicht stattgefunden haben
Für sie ist jetzt schon klar: „Nichts deutet darauf hin, dass diese Wahl frei und fair verlaufen könnte – das Gegenteil ist wahrscheinlich“[22]. Selbst „die sofortige Begnadigung von mehr als hundert angeklagten, verurteilten und inhaftierten Regimegegnern“[23] ändert an der Propaganda der westlichen Medien nichts. War die Inhaftierung von Regimegegnern bisher ein Zeichen für die Brutalität des Regimes, so ist deren Freilassung nun ein Zeichen für dessen Heimtücke. Maduro will die Opposition spalten, so die neu verbreitete Sichtweise.
Aber selbst diese Freilassung, vorher noch von den westlichen Medien gefordert, „ist allerdings keine Garantie für eine faire Wahl. … [dazu] braucht es mehr beispielsweise eine großangelegte internationale Beobachtermission“[24]. Allerdings hatte Anfang September der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza dem EU-Außenbeauftragten Josep Borell sowie UN-Generalsekretär Antonio Guterres umfassende Garantien für die Wahl gegeben und sowohl die UN als auch die EU eingeladen, „Beobachter für die Wahl nach Venezuela zu entsenden“[25].
Obwohl also Venezuela gerade diesen Forderungen des Wertewestens gerecht werden wollte, um das Ergebnis der Wahlen überprüfbar zu machen, wies Borrell das Angebot Venezuelas zurück, das noch kurze Zeit vorher gefordert worden war. Nun auf einmal ist Borrell der Meinung, „die Bedingungen für die Entsendung einer Beobachtermission seien nicht vorhanden“[26]. Was aber will man in Brüssel? Will man die Inthronisation des eigenen Favoriten Guaidó ohne vorherige Wahl?
Die Frage stellt sich, ob es den Gegnern Maduros überhaupt um die Wahlen und ihre korrekte Durchführung geht? Denn schließlich müsste man auch dann das Ergebnis anerkennen, selbst wenn es nicht den Vorstellungen des Wertewesens entspricht. Damit entfielen aber auch die Gründe für weitere Sanktionen, beziehungsweise es wäre erheblich schwerer, deren Fortsetzung zu erklären und das Elend zu rechtfertigen, das sie in der venezolanischen Bevölkerung verursachen.
Die Wahlen der vergangenen Jahre in den verschiedenen Staaten und Regionen der Welt haben es immer deutlicher werden lassen, dass Wahlen in den Augen des Wertewesten nur dann fair sind und anerkannt werden, wenn sie die Ergebnisse bringen, die seinen Interessen dienen. So wurden denn die Wahlen in Katalonien, Bolivien, Weißrussland, Hongkong und so manchen anderen nicht anerkannt, während die Wahlfälschungen in Afghanistan, Mali und anderen stillschweigend geduldet wurden.
► Wenig in der Hand
Damit dürfte schon jetzt das Anzweifeln des Wahlergebnisses in Venezuela bereits beschlossene Sache sein. Ob die erhobenen Vorwürfe des Wahlbetrugs stimmen oder nicht, wird vermutlich in Venezuela ebenso wenig eine Rolle spielen wie jüngst in Weißrussland, obwohl die Wahlfälschung nie nachgewiesen worden war. Auch in Venezuela ist schon jetzt zu befürchten, dass die Wahrheit auf der Strecke bleiben wird, wenn sie den Herrschaften in Washington und Brüssel nicht in den Kram passt.
Aber auch damit wird der Wertewesten vermutlich seinem Ziel nicht näher kommen, Maduro zu stürzen. Auch das ständige Drehen an der Sanktionsschraube hat weder Maduro in die Knie gehen noch das Volk gegen ihn aufbegehren lassen. [Widerspruch von Helmut Schnug: »Linke Ideologisierung: Hugo Chávez und Nicolás Maduro« >> weiter.] Die Opposition im Land ist gerade durch das ungeschickte und vollmundige Auftreten des einstigen Superstars Guaidó stärker gespalten und dadurch immer mehr in die Defensive geraten. Zur Zeit bietet sich niemand an, der Maduro ernsthaft gefährden könnte.
Für Washington werden die Möglichkeiten immer weniger, um ihr Ziel eines Regime-Wechsels in Venezuela zu erreichen. Zudem sind die USA durch die eigenen innergesellschaftlichen Konflikte und die Lähmung der Wirtschaft selbst erheblich geschwächt und in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Corona hat die Wirtschaft im Würgegriff und die Wahlen im eigenen Land verbreitern den Riss in der amerikanischen Gesellschaft.
Wenn auch US-Außenminister Mike Pompeo bei seiner Südamerikareise Ende September hauptsächlich Venezuelas Nachbarstaaten Kolumbien, Brasilien, Guyana und Surinam besuchte, um dort Stimmung gegen Maduro zu machen, so dürfte unwahrscheinlich sein, dass diese Staaten sich zu einem Krieg für die Interessen der USA werden überreden lassen. Das hatte schon 2019 nicht geklappt. Im Moment sind diese durch Corona und den daraus folgenden wirtschaftlichen Niedergang mit ganz anderen Problemen beschäftigt.
Wie hilf- und machtlos die USA dieser Situation gegenüber zu stehen scheinen, wird deutlich an der Wahl der Mittel. Der geplante Söldner-Einsatz war eine gewaltige Katastrophe und hat zudem dem militärischen Ansehen der USA geschadet. Nun verlegt man sich auf die übliche Propaganda gegen das Maduro-Regime, indem man ihm die Missachtung der Menschenrechte vorwirft, was aber nichts Neues ist und keine großartige internationale Mobilisierung bewirken dürfte.
► Ausblick
Was bleibt sind die modernen Formen der Destabilisierung durch die Instrumentalisierung der Generation facebook. Kampagnen, angestoßen politischen Kräften, deren Hintergrund und Finanzierung oftmals undurchsichtig sind, treiben immer häufiger meist junge, intellektuelle und überwiegend von Moral getriebene Menschen auf die Straßen für Ideale, die denen des Wertewestens zu entsprechen scheinen.
Dadurch lassen sie sich mit Kräften ein, die selbst diese Werte im eigenen Herrschaftsbereich nur solange befolgen, wie sie den eigenen Interessen nutzen. Dieses Konzept könnte auch im Falle von Venezuela zur Anwendung kommen. Die propagandistischen Grundlagen sind gelegt. Denn schon jetzt werden Zweifel gesät an der der Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses.
Was fehlt ist nur noch die Umsetzung über die sogenannten sozialen Medien. Für solche Pläne gibt es zwar im Moment noch keine Hinweise. Der Fall von Weißrussland aber hat gezeigt, wie schnell ein solches Konzept umgesetzt werden kann, wenn die Vorbereitungen bereits getroffen sind und ein entsprechendes Potential von mobilisierbaren Menschen vorhanden ist. Aber das wird die weitere Entwicklung zeigen.
Venezuela leidet weiterhin unter den Sanktionen und dem Wirtschaftskrieg, den der Wertewesten gegen das Land führt, aber es scheint nicht daran zu zerbrechen. Das Elend der Bevölkerung spielt für die Idealisten im Westen keine Rolle, wenn es um Höheres geht. So war auch die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright der Meinung, dass der Tod von 500’000 irakischen Kindern durch die westlichen Sanktionen den Preis wert waren. Es waren ja nicht die eigenen Kinder.
Zunehmend aber kommen Venezuela andere Sanktionierte zu Hilfe sowie Russland und China[27]. Sie alle haben wirtschaftliche Interessen. Das ist nicht zu verurteilen, denn die hat auch Venezuela selbst, ganz zu schweigen vom Wertewesten, auch wenn dieser sich so oft selbstlos gibt und immer nur den westlichen Idealen und Werten verpflichtet.
Aber die Notleidenden in Venezuela, Syrien und all den anderen Ländern der Welt, die unter westlichen Sanktionen leiden, wissen, was von diesen Idealen und Werten zu halten ist. Das ist der Grund, weshalb die USA und der Westen immer mehr an Einfluss verlieren, während der von Russland und China weltweit wächst.
Ohne zählbaren Erfolg, aber mit umso mehr zählbaren Schulden müssen die westlichen Staaten aus Afghanistan abziehen. Der Nahe Osten und das Zentrum Afrikas entgleiten immer mehr ihrer Kontrolle. Und im Zentrum Asiens haben sie ohnehin schon lange nichts mehr zu sagen. Dort zeigt das Wirken von China und Russland in der Entwicklung entlang der Seidenstraße unübersehbare Erfolge.
Rüdiger Rauls, Trier
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Rüdiger Rauls, geboren 1952 in Trier. Gelernter Reprofotograf und jahrelang selbständig als Inhaber von Nachhilfe-Instituten in der Region Trier und Luxemburg. Jetzt Buchautor, Vortragsredner und Journalist mit den Schwerpunkten Politik, Soziales und Wirtschaft. E-Mail: rueruerue@web.de
Anmerkungen:
[1] siehe dazu Rüdiger Rauls: Humanitärer Angriff auf Venezuela
[2] siehe dazu Rüdiger Rauls: Guaidó und die Verfassung
[3] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.2.2020: Guaidó setzt auf Davos
[4] FAZ vom 13.5.2020: Das Himmelfahrtskommando - [5] ebenda - [6] ebenda
[7] FAZ vom 14.1.2020: Mut gegen Macht - [8] ebenda - [9] ebenda - [10] ebenda
[11] FAZ vom 4.7.2020: Venezuelas letztes Hemd - [12] ebenda - [13] ebenda - [14] ebenda - [15] ebenda
[16] FAZ vom 16.7.2020: Der letzte Boykott - [17] ebenda
[18] siehe dazu Rüdiger Rauls: Entscheidend ist das Volk
[19] FAZ vom 3.9.2020: Maduro und die Bioterroristen
[20] FAZ vom 7.9.2020: Boykottieren oder mitmachen? - [21] ebenda - [22] ebenda
[23] FAZ vom 3.9.2020: Maduro und die Bioterroristen
[24] FAZ vom 7.9.2020: Boykottieren oder mitmachen? - [25] ebenda - [26] ebenda
[27] siehe dazu Rüdiger Rauls: Die Sanktionierten schlagen zurück
► Lesetipps von Helmut Schnug:
»Linke Ideologisierung: Hugo Chávez und Nicolás Maduro« von Helmut Schnug, 6. Februar 2019 >> weiter.
»Vexierbild Venezuela: erneute Offenbarung des globalen Patts« von Kai Ehlers, 4. Februar 2019 >> weiter.
»Düstere Aussichten: Der Pseudosozialismus der Regierung in Caracas entwickelt sich rasant zu einer Diktatur. Das Absurde in Venezuela: Der Staat sitzt auf den größten Ölreserven der Welt, ist aber nicht in der Lage, seine Menschen zu ernähren.« von Dorle Neumann, Westfälische Nachrichten, 01. August 2017 >> weiter.
»Massenproteste in Venezuela: Steuert das pseudosozialistische Regime auf seinen Untergang zu?« von Tessa Högele, ze.tt, 20. April 2017 >> weiter.
► Quelle: Der Artikel von Rüdiger Rauls wurde am 16. Oktober 2020 erstveröffentlicht auf seinem Blog 'politische analyse' >> Artikel. Rüdiger Rauls ist als Verfasser des Beitrags und damit auch der alleinige Inhaber der Rechte. Seine Beiträge dürfen unter der Nennung von Autor und die Quelle zu nicht-kommerziellen Zwecken vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Urhebervermerke dürfen nicht verändert werden.
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► Bild- und Grafikquellen:
1. Hände in Ketten: Wenn man sich die Lage in Venezuela anschaut, scheint diese ziemlich hoffnungslos zu sein. Die Wirtschaft ist am Boden, es herrscht enorme Inflation, die Menschen sind in Not und wandern zu Millionen aus, vor allem die Jungen. Das Land blutet aus.
Hugo Chávez war von Februar 1999 bis zu seinem Tod am 5. März 2013 Präsident Venezuelas, nur drei Monate nach seiner vierten Amtszeit. Chávez Nachfolger wurde Nicolás Maduro, der seit 2013 als 63. Präsident des Landes und zuvor von 2006 bis 2013 unter Präsident Chávez als Außenminister und von 2012 bis 2013 als Vizepräsident von Venezuela tätig war. Am 20. Mai 2018 wurde er in vorgezogenen Neuwahlen im Amt bestätigt und setzte den größten Teil der Wirtschaftspolitik von Chávez durch.
Insbesondere der korrupte Pseudosozialist Nicolás Maduro trägt die Hauptschuld an der Misswirtschaft und dem in weiten Teilen ihrer Landsleute bestehenden Elend. Selbstverständlich ist aber die Kritik an Juan Guaidó und dem Wertewesten im obigen Artikel von Rüdiger Rauls völlig berechtigt! Foto: MARQUINAM. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
2. US-Außenminister Mike Pompeo trifft sich mit dem venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó und nimmt an gemeinsamer Pressekonferenz in Bogotá, Kolumbien, 20. Januar 2020 teil. Foto: State Department Photo by Ron Przysucha. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild ist ein Werk eines Mitarbeiters des US-Außenministeriums, das im Rahmen der offiziellen Pflichten dieser Person aufgenommen oder angefertigt wurde. Da es sich um ein Werk der US-Bundesregierung handelt, ist das Bild gemäß 17 U.S.C. § 101 und § 105 und den Copyright-Informationen des US-Außenministeriums öffentlich zugänglich. (Public Domain).
3. Armenviertel (Barrios) in Venezuela Hauptstadt Caracas. Grafik: skeeze. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
4. Protest: Das Regime von Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro hat vor dem britischen High Court in London eine Schlappe erlitten und scheitert mit dem Wunsch nach Gold für ein Milliarde Dollar. Die mit Maduro-Getreuen besetzte Zentralbank in Caracas hatte die britische Notenbank aufgefordert, dort lagerndes venezolanisches Gold auszuhändigen. Das Foto zeigt einen der zahlreichen Proteste gegen den britischen Diebstahl von Venezuelas Gold bei der Bank of England, London 15. August 2020. Foto: Steve Eason, London. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
5. Protest gegen Diktator. Bildbeschreibung: das venezolanische Volk leidet weiterhin unter einem schrecklichen Mangel an Medikamenten und Nahrungsmitteln, einer überwältigenden Inflation, Gesetzlosigkeit und politischer Unterdrückung unter der Herrschaft von Nicolás Maduro und seiner Bande korrupter, narkotisierender Chavista-Schläger. Zu den vielen Übergriffen des Regimes gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehörte auch die Entscheidung, dem Oppositionsführer Henrique Capriles zu verbieten, 15 Jahre lang für ein Amt zu kandidieren.
Auch der verstorbene Diktator Hugo Chávez kaufte viel Loyalität, als er das Militär während des Petrodollar-Booms bis auf die Zähne bewaffnete. Um die Tragödie noch zu verschlimmern, haben die lateinamerikanischen Nationen sehr langsam auf diese Katastrophe reagiert. Die einzige konsequente Stimme des Gewissens war Luis Almagro, der uruguayische Anwalt, Diplomat und Politiker, der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist.
Nach dem verlorenen Jahrzehnt der Militärjuntas hat die OAS Vorkehrungen getroffen, um sich auf die Interamerikanische Demokratische Charta zu berufen, sollte eine Mitgliedsnation vom Weg der Demokratie in die Diktatur abweichen. Das Problem ist, dass es der Demokratischen Charta an einem Mechanismus für kollektive Aktionen zwischen den Staaten zur Verteidigung der Demokratie mangelt. Foto: A. Davey. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
6. Karikatur Regime-Change in Venezuela. Trump: 'This is our man in Venezuela.' Juan Guaidó: 'He will give us back our oil wells.' Die USA arbeiten wieder mal in einer Endlos-Serie intensiv an einem Regime-Change in einem Erdöl-Land. Karikatur: Markus Szyszkowitz (Markusszy), Wien. Seine Webseite >> http://www.artoons.at/ . Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“ (CC BY-SA 4.0).
7. Juan Gerardo Guaidó Márquez (* 28. Juli 1983 in La Guaira, Vargas) ist ein venezolanischer Wirtschaftsingenieur und seit dem 5. Januar 2019 jüngster Präsident der Nationalversammlung. Am 23. Januar 2019 erklärte er sich gemäß Artikel 233 der venezolanischen Verfassung zum Interimspräsidenten Venezuelas und wird von 54 Nationen als solcher anerkannt (Stand 10. April 2019. Die laut Artikel 233 der Verfassung vorgesehenen Neuwahlen binnen 30 Tagen konnten jedoch bisher nicht stattfinden und die effektive Exekutivgewalt liegt de facto weiterhin beim Ministerkabinett von Venezuela unter Nicolás Maduro. Foto: Official White House Photo by D. Myles Cullen, aufgen. am 4. Februar 2020. Quelle: White House, 2. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild ist ein Werk eines Mitarbeiters des US-Außenministeriums, das im Rahmen der offiziellen Pflichten dieser Person aufgenommen oder angefertigt wurde. Da es sich um ein Werk der US-Bundesregierung handelt, ist das Bild gemäß 17 U.S.C. § 101 und § 105 und den Copyright-Informationen des US-Außenministeriums öffentlich zugänglich. (Public Domain).
8. Nicolás Maduro Moros (* 23. November 1962 in Caracas) ist ein venezolanischer Politiker der Vereinigten Sozialistischen Partei. Seit 2013 ist der Pseudosozialist der gewählte Staatspräsident Venezuelas, wenn auch er in diesem Amt seit 2019 zur Disposition steht. Foto: Jeso Carneiro. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
9. Die Monster - Venezuela. Ein Volksdrama von Daniel Arrhakis (2019). Nicolas Maduro, der nur von den repressiven Regierungen Russlands und Chinas unterstützt wird, überlebt auf Kosten all des Elends und Leidens eines Volkes, unempfindlich gegenüber den Tränen derer, die fliehen, und derer, die auf der Straße sterben, weil sie kein Brot haben.
Ein hungerndes Volk, das in Krankenhäusern mangels grundlegender Medikamente und Versorgung stirbt, das jeden Tag auf der Straße für die Freiheit stirbt, während eine Armee und ein korruptes Justizsystem einen der blutigsten Diktatoren unterstützt, den Lateinamerika je gekannt hat. (Text: Daniel Arrhakis)
Das soll aber nicht den Eindruck entstehen lassen, daß hiermit durch den Betreiber des Kritischen-Netzwerks dem selbsternannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó politische oder mediale Unterstützung zuerkannt werden. Mitnichten! Guaidó ist ein verdammenswerter, machtgeiler Mann, der die ohnehin schon beschissenen Lebensbedingungen vieler Venezolaner NICHT verbessern wird.
Grafik: Daniel Arrhakis, Mora - Évora, Portugal. Arrhakis ist ein portugiesischer Digitalkünstler und kreativer Fotograf, geboren 1966 in Pavia, Verwalter verschiedener Gruppen von kreativer Fotografie und digitaler Kunst auf verschiedenen Websites und Plattformen. Der mystische Surrealismus ist sein Hauptthema seiner Arbeit. Das Mysterium und der Glaube an eine bessere Welt bestimmen sein Leben und seine Kunst. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).