Über das Phänomen der Bullshit-Jobs
Die meisten Menschen werden für eine sinnlose Beschäftigung bezahlt und leiden darunter.
von David Graeber † 2. September 2020 | NEUE DEBATTE
Hatten Sie jemals das Gefühl, Ihr Job wäre ausgedacht? Dass sich die Welt weiter drehen würde, auch wenn Sie nicht acht Stunden Ihre Tätigkeit verrichten würden? David Graeber, Professor für Anthropologie an der London School of Economics, erkundete das Phänomen der unsinnigen Jobs und erkannte die psychologische Gewalt, die es auf die kollektive Seele ausübt. Jeder, der berufstätig ist, sollte seinen Beitrag sorgfältig lesen.
Im Jahr 1930 sagte John Maynard Keynes voraus, dass zum Ende des Jahrhunderts der technologische Fortschritt es Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten Staaten ermöglichen würde, eine 15-Stunden-Woche einzuführen. Es gibt viele Gründe, dies als zutreffend anzunehmen. Aus technologischer Sicht sind wir dazu imstande. Und doch ist es nie eingetroffen. Stattdessen wurden technische Möglichkeiten genutzt, um Wege zu finden, uns alle noch mehr arbeiten zu lassen.
Um das zu erreichen, mussten Arbeitsplätze geschaffen werden, die tatsächlich überflüssig sind.
Riesige Massen von Menschen, in Europa und Nordamerika im Besonderen, verbringen ihr gesamtes Berufsleben beim Verrichten von Tätigkeiten, die sie insgeheim als nicht notwendig einschätzen. Der moralische und seelische Schaden, der durch diese Situation entsteht, ist beträchtlich.
Es ist eine sich über unsere kollektive Seele ziehende Narbe. Dennoch spricht so gut wie niemand darüber. Warum traf Keynes versprochene Utopie – selbst in den 60er Jahren noch eifrig erwartet – nie ein? Die Standardantwort darauf ist, er bedachte nicht den massiven Anstieg des Konsumverhaltens.
Wir bekamen die Wahl zwischen weniger Stunden oder mehr Spielzeugen und Vergnügungen, wir haben uns kollektiv für das Letztere entschieden. Das bietet uns zwar eine nette Geschichte mit moralischer Botschaft, aber selbst ein kurzer Moment der Reflexion zeigt, es kann so nicht sein.
Ja, seit den 20er Jahren haben wir die Schaffung einer endlosen Vielfalt neuer Arbeitsplätze und Branchen erlebt, aber nur sehr wenige haben etwas mit der Produktion und dem Vertrieb von Sushi, iPhones oder ausgefallenen Sneakers zu tun. Also, um was für Arbeitsstellen handelt es sich genau?
Ein kürzlich veröffentlichter Bericht, in dem die Beschäftigung in den USA zwischen 1910 und 2000 verglichen wird, vermittelt uns ein klares Bild (und ich merke an, ziemlich genauso ist es im Vereinigten Königreich).
Im Verlauf des letzten Jahrhunderts ging die Zahl der Arbeiter, die als Hausangestellte, in der Industrie oder in der Landwirtschaft beschäftigt waren, drastisch zurück. Die Zahl der „Fachleute, Manager, Sachbearbeiter, Vertriebs- und Service-Angestellten“ verdreifachte sich, sie wuchs „von einem Viertel auf drei Viertel der gesamten Beschäftigungsverhältnisse“. Mit anderen Worten, produktive Stellen wurden, so wie vorausgesagt, größtenteils durch Automatisierung wegrationalisiert (selbst wenn man Produktionsmitarbeiter weltweit mitzählt, mit einbezogen die schuftenden Massen in Indien und China, machen solche Mitarbeiter bei Weitem nicht so hohe Anteile der Weltbevölkerung aus, wie es einmal war).
Doch statt eine beträchtliche Minderung der Arbeitsstunden zu erlauben, die der Bevölkerung die Freiheit ließe, eigene Projekte, Vergnügungen, Visionen und Ideen zu verfolgen, haben wir ein Aufblähen nicht nur des Dienstleistungssektors, sondern gerade des administrativen Sektors gesehen.
Das schließt die Erschaffung vollkommen neuer Industriezweige ein, wie Finanzdienstleistung oder Telefonverkäufe, oder die nie da gewesene Expansion von Bereichen wie dem Körperschaftsrecht, der Verwaltung der Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, Humankapital und Public Relations. Und die Anzahl dieser Stellen bezieht noch nicht einmal die mit ein, deren Aufgabe es ist, administrative, technische oder sichernde Unterstützung für diese Gewerbe zu bieten oder zusätzliche Nebengewerbe (Hundewäscher, nächtliche Pizzaboten), die nur bestehen, weil jeder viel zu beschäftigt damit ist, seiner Arbeit in einer dieser Tätigkeiten nachzukommen.
Das sind Stellen, die, wie ich vorschlage, unsinnige Stellen genannt werden sollten (bullshit jobs).
Es ist fast so, als gäbe es da jemanden, der sich alle möglichen sinnlosen Jobs ausdenkt, nur um alle von uns beschäftigt zu halten. Und hier, genau hier ist des Rätsels Lösung. Im Kapitalismus sollte genau dies nicht geschehen. Sicher, in den alten ineffizienten sozialistischen Staaten, wie der Sowjetunion, in denen Beschäftigung sowohl als ein Recht, als auch ein heiliger Dienst angesehen wurde, schuf das System so viele Stellen wie nötig (deswegen wurden in sowjetischen Läden drei Angestellte benötigt, um ein Stück Fleisch zu verkaufen). Aber das ist ja genau das Problem, welches durch den Wettbewerb gelöst werden soll.
Ökonomischer Lehre zufolge, ist das Letzte, was eine gewinnorientierte Firma bezweckt, Angestellte zu bezahlen, die sie nicht wirklich zu beschäftigen benötigt. Dennoch passiert genau das.
Während Unternehmen schonungslos Personal kürzen können, trifft es mit den Entlassungen und Beschleunigungen der betrieblichen Prozesse die Art der Beschäftigten, die tatsächlich Dinge schaffen, bewegen, reparieren und am Laufen halten; durch eine merkwürdige Alchemie, die niemand so richtig erklären kann, nimmt die Anzahl der bezahlten Bürohengste zu. Mehr und mehr Angestellte finden sich, tatsächlich sowjetischen Arbeitern nicht unähnlich, in 40 oder sogar 50 Stunden Wochen wieder, in denen sie Papierkram erledigen, effektiv aber lediglich 15 Stunden wichtige Tätigkeiten verrichten, so wie Keynes es vorhersagte. Die restliche Zeit wird mit dem Organisieren und Besuchen von Motivationsseminaren, dem auf dem Laufenden halten von Facebook-Profilen oder dem Herunterladen von Fernsehserien verbracht.
Die Antwort ist deutlich nicht ökonomischer Natur: sie ist moralischen und politischen Ursprungs. Die herrschende Klasse hat erkannt, dass eine zufriedene und produktive Bevölkerung mit frei verfügbarer Zeit eine tödliche Gefahr darstellt (man denke daran, was in den 60er Jahren zu passieren begann, als man dem lediglich nahekam).
Andererseits ist der Gedanke, Arbeit sei an und für sich von moralischem Wert und dass jeder, der nicht willens ist, sich die meiste Zeit der Stunden seines Wachseins irgendeiner Art intensiver Arbeitsdisziplin zu unterwerfen, nichts verdiene, außerordentlich zweckdienlich für sie.
Einst, als ich über das sichtlich endlose Wachstum verwaltender Verpflichtungen in britischen akademischen Ressorts nachdachte, kam ich auf eine mögliche Vorstellung die Hölle betreffend. Die Hölle ist eine Ansammlung einzelner Personen, die den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, eine Arbeit zu erledigen, die sie nicht mögen und die sie nicht besonders gut beherrschen.
Sagen wir, sie wurden angestellt, weil sie ein ausgezeichneter Tischler sind. Dann finden sie aber heraus, es wird von ihnen erwartet, dass sie einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen, Fisch zu braten. Die Aufgabe ist nicht wirklich notwendig und sinnvoll – zumindest gibt es nur eine sehr begrenzte Anzahl von Fischen, die gebraten werden müssen. Irgendwie werden sie trotzdem alle so sehr von Unmut beherrscht, obsessiv daran denkend, einige Mitarbeiter könnten möglicherweise mehr Zeit in ihrer Tätigkeit als Tischler verbringen und nicht ihrem Teil der Verantwortung des Fischbratens nachkommen. Es dauert nicht lange und immer mehr unbrauchbare schlecht zubereitete Fische stapeln sich in der Werkstatt, und das ist dann alles, womit sie alle ihre Zeit verbringen.
Ich denke, das ist eigentlich eine ziemlich genaue Beschreibung der moralischen Dynamik unserer eigenen Wirtschaft.
Nun, mir ist bewusst, so ein Argument wird sofort Einwände aufbringen: „Für wen hältst du dich, zu bemessen, welche Arbeiten notwendig seien? Was ist schon wirklich notwendig? Du bist ein Professor für Anthropologie, welche Notwendigkeit besteht denn dafür?“ (Und tatsächlich würden viele Boulevardblattleser die Existenz meiner Arbeit als die passendste Definition von verschwenderischen Ausgaben ansehen.) Und auf gewisser Ebene ist es durchaus so. Es gibt keinen objektiven Messwert für das Gemeinwohl.
Ich würde mir nicht anmaßen, jemandem zu sagen, der überzeugt ist, einen sinnvollen Beitrag zum Wohl aller zu leisten, dem sei nicht so. Was ist aber mit denen, die selbst davon überzeugt sind, ihre berufliche Arbeit sei bedeutungslos?
Vor nicht langer Zeit kam ich wieder in Kontakt mit einem Schulfreund, den ich nicht gesehen hatte, seit ich zwölf war. Ich war erstaunt, als ich entdeckte, dass er in der Zwischenzeit zuerst ein Dichter wurde, dann der Frontmann einer Indie Rock Band. Ich hatte manche seiner Lieder im Radio gehört, ohne eine Ahnung zu haben, den Sänger zu kennen. Er war offensichtlich brillant, innovativ und seine Arbeit hatte zweifelsohne das Leben von Leuten überall auf der Welt erhellt und verschönt.
Trotzdem, nach einigen erfolglosen Alben verlor er seinen Vertrag, und von Schulden geplagt hatte er obendrein eine neugeborene Tochter zu versorgen. Am Ende entschied er sich, wie er es nannte, für die Standardentscheidung, wenn einem nichts besseres einfällt: Jura Studium.
Jetzt ist er spezialisiert auf Gesellschaftsrecht und arbeitet für eine bekannte New Yorker Anwaltskanzlei. Er war der Erste, der zugab, seine Arbeit sei vollkommen bedeutungslos, leiste keinen Beitrag in der Welt und sollte, seinem Ermessen nach, nicht wirklich existieren.
Hier könnten einem viele Fragen einfallen. Angefangen damit: Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, dass sie einen extrem begrenzten Bedarf an talentierten Dichtern und Musikern schafft, dafür aber einen scheinbar unendlichen Bedarf an Fachleuten für Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht? (Antwort: Wenn 1 % der Bevölkerung den größten Teil des verfügbaren Vermögens kontrolliert, spiegelt das, was wir „den Markt“ nennen, wider, was sie für nützlich oder wichtig halten, und nicht jemand anderes.)
Darüber hinaus zeigt es, den meisten Leuten in solchen beruflichen Tätigkeiten ist es sogar bewusst. In der Tat, ich meine, noch keinen Anwalt kennengelernt zu haben, der auf Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht spezialisiert ist, der nicht meinte, seine Arbeit sei Unsinn. Das Gleiche gilt für fast alle der vorher genannten neuen Industrien.
Es gibt eine Gruppe von bezahlten Fachleuten, die, solltest du sie jemals auf einer Party treffen und zugeben, eine interessante Tätigkeit auszuüben (beispielsweise als Anthropologe zu arbeiten), es vorziehen würden, überhaupt nicht über ihre ausgeübte Arbeit zu sprechen. Spendier ihnen ein paar Drinks und sie verfallen in Tiraden darüber, wie sinnlos und schwachsinnig ihre Arbeit wirklich ist.
Das hier ist eine tiefgreifende psychologische Gewalt. Wie kann man überhaupt anfangen, von Würde in der Arbeit zu sprechen, wenn man heimlich das Gefühl hat, dass sein Arbeitsplatz nicht existieren sollte?
Wie soll das nicht zu einem tief sitzenden Zorn und zu Verbitterung führen? Und doch hat es der eigentümliche Erfindergeist unserer Gesellschaft den Herrschenden ermöglicht, einen Weg zu finden, den Zorn und die Verbitterung auf die zu lenken, deren Glück es ist, eine sinnvolle und nützliche Tätigkeit zu verrichten, wie bei den Tischlern und Fischbrätern.
Ein Beispiel: In unserer Gesellschaft scheint es eine allgemeine Regel zu geben: Je offensichtlicher die eigene Arbeit anderen Menschen zugute kommt, desto weniger wird man dafür bezahlt.
Erneut, es ist schwierig ein objektives Maß zu finden. Aber eine simple Möglichkeit es zu ermessen, ist zu fragen: Was, wenn die Beschäftigten einer gesamten Berufsgruppe einfach verschwinden würden? Sag über Krankenpfleger, Müllleute oder Mechaniker was du willst, es ist klar, wenn sie sich alle in Luft auflösten, wären die Folgen sofort und katastrophal.
Eine Welt ohne Lehrer oder Hafenarbeiter wäre schnell in Schwierigkeiten. Selbst eine ohne Science-Fiction-Autoren oder Ska Musiker wäre sicherlich eine schlechtere. Es ist nicht ganz klar, wie die Menschheit leiden müsste, wenn sich Firmenchefs von Kapitalgesellschaften, Lobbyisten, PR- und Marktforscher, Versicherungsstatistiker, Telefonverkäufer, Gerichtsvollzieher oder juristische Berater in Luft auflösten. (Viele vermuten, die Welt würde sich merklich verbessern.)
Abgesehen von einer Handvoll wohl gepriesener Ausnahmen (Ärzte), hält sich die Regel erstaunlich gut.
Was noch widernatürlicher ist, es scheint eine verbreitete Ansicht zu geben, dass die Dinge so sein sollten. Das ist eine der heimlichen Stärken des Rechtspopulismus. Man kann es sehen, wenn Boulevardzeitungen zu Wut über streikende U-Bahn-Arbeiter aufstacheln, die London lahmlegen, um dadurch bessere Vertragsbedingungen auszuhandeln. Die Tatsache, dass es den streikenden U-Bahn-Arbeitern überhaupt möglich ist, London lahmzulegen, zeigt doch die Notwendigkeit ihrer Arbeit. Doch scheint genau das Leute zu ärgern.
Es ist sogar noch klarer in den USA, wo Republikaner bemerkenswerte Erfolge bei der Mobilisierung von Ressentiments gegen Lehrer oder Autoarbeiter (und nicht signifikant gegen die Schulverwalter oder Manager der Automobilindustrie, die tatsächlich die Probleme verursachen) für ihre angeblich aufgeblähten Löhne und Leistungen erzielt haben. Scheinbar will man ihnen sagen: „Du darfst doch Kinder unterrichten! Du darfst doch Autos bauen! Ihr habt echte Arbeit, die ihr verrichten könnt! Und dann habt ihr die Frechheit Mittelklassen-Altersbezüge und Krankenversicherung zu erwarten?“
Wenn jemand ein perfektes Arbeitsregime entworfen hätte, darauf abzielend die Macht des Finanzkapitals zu erhalten, wäre es schwer sich vorzustellen, wie man es hätte besser machen können.
Echte, produktive Arbeitskräfte werden unerbittlich ausgequetscht und ausgebeutet. Der Rest teilt sich auf in eine terrorisierte Schicht der allgemein geschmähten Arbeitslosen und eine größere Schicht, die im Grunde genommen für nichts bezahlt wird, in Positionen, die sie mit den Perspektiven und Empfindlichkeiten der herrschenden Klasse (Manager, Verwalter usw.) – und insbesondere der Finanz-Avatare – identifizieren sollen, aber gleichzeitig schwelende Ressentiments gegen jeden fördern, dessen Arbeit einen klaren und unbestreitbaren sozialen Wert hat.
Offensichtlich wurde das System nie bewusst entworfen. Es entstand aus fast einem Jahrhundert des Trial-and-Error. Aber es ist die einzige Erklärung dafür, warum wir alle trotz all der technologischen Möglichkeiten immer noch keine 3-4 Stunden Arbeitstage haben.
David Graeber
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Prof. David Graeber (* 12. Februar 1961 in New York City; † 2. September 2020 in Venedig) war ein US-amerikanischer Ethnologe und Publizist. Er schrieb zahlreiche Bücher wie zum Beispiel Frei von Herrschaft (engl. Originaltitel: Fragments of an Anarchist Anthropology), Direkte Aktion: Eine Ethnografie (Direct Action: An Ethnography) und Die Revolution neu denken/erfinden (Reinventing Revolution). Graeber war Professor für Ethnologie an der Yale University, lehrte Ethnologie am Goldsmiths College der Universität London und seit 2013 Professor an der anthropologischen Fakultät der London School of Economics and Political Science. (LSE) Er vertrat anarchistische Positionen, war Mitglied der Gewerkschaft Industrial Workers of the World und der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft.
Redaktioneller Hinweis von NEUE DEBATTE: Der Beitrag von David Graeber (Mitglied der Gewerkschaft Industrial Workers of the World und der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft) wurde erstmals unter dem Titel „On the Phenomenon of Bullshit Jobs: A Work Rant“ im STRIKE! Magazine veröffentlicht (>> Artikel) und ins Deutsche übersetzt. STRIKE! ist ein Dissidentenkollektiv mit Sitz in London. Es produziert ein halbjährliches Magazin, Videoinhalte und organisiert Veranstaltungen und Aktionen. STRIKE! ist werbefrei und wird von der Leserschaft finanziert und getragen. Wir danken dem Kollektiv von STRIKE! für die Zustimmung zur Veröffentlichung des Beitrags auf Neue Debatte.
David Graeber - Anarchist erklärt was "Bullshit-Jobs" sind - Buch 2018 (Dauer 9:25 Min.)
BULLSHIT JOBS - David Graeber (Dauer 9:23 Min.)
David Graeber - 5 types of BS jobs (Dauer 6:38 Min.)
David Graeber - Bullsh*t Jobs: A Theory (Dauer 1:03:06 Std.)
36C3 - From Managerial Feudalism to the Revolt of the Caring Classes (Dauer 59:10 Min.)
«Ein offensichtliches Paradoxon der Digitalisierung der Arbeit ist, dass die Produktivität in der Fertigung in die Höhe schießt, während die Produktivität in den Pflegeberufen (Gesundheit, Bildung) tatsächlich zurückgeht - und damit eine globale Welle des Arbeitskampfes auslöst. Die bestehenden wirtschaftlichen Paradigmen machen uns blind für das Verständnis, wie die Wirtschaft organisiert ist. Wir haben eine völlig neue Disziplin entwickelt, die auf einer anderen Werteordnung basiert.» (-David Graeber)
► Quelle: Die deutschsprachige Fassung des Artikels wurde am 15. November 2018 veröffentlicht auf NEUE DEBATTE, ein Projekt von Intando gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt), 25337 Elmshorn >> Artikel. Alle auf Neue Debatte veröffentlichten Werke (Beiträge, Interviews, Reportagen usw.) sind – sofern nicht anders angegeben oder ohne entsprechenden Hinweis versehen – unter einer Creative Commons Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International; CC BY-NC-ND 4.0) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen diese von Dritten verbreitet und vervielfältigt werden.
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Der Artikel wurde am 25. Januar 2019 mit der Überschrift "Bullshit-Jobs. Die meisten Menschen werden für eine sinnlose Beschäftigung bezahlt und leiden darunter" auf RUBIKON veröffentlicht, ebenso mit Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International; CC BY-NC-ND 4.0) lizenziert. >> Artikel.
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► Bild- und Grafikquellen:
1. Professor David Rolfe Graeber kritisiert aus der Perspektive des Ethnologen die Fundamente des ökonomisch-gesellschaftlichen Systems. Dieses würde Menschen zu sinnloser Beschäftigung en masse statt zu sinnfüllender Tätigkeit in Maßen verurteilen. Graeber behandelt die moralischen Fundamente für ökonomische Beziehungen und kritisiert den vermeintlich freien Markt. Er beschreibt hierbei Ehre und Entehrung als Grundlage der zeitgenössischen Zivilisation und Wirtschaftsordnung.
Geld sei nicht als Sache immanenten Werts zu verstehen, sondern nur als Verhältnis zwischen Dingen von Wert. Indem es nicht mehr als Beziehung, sondern als eigenständiger Gegenstand betrachtet worden sei, habe Geld soziale Beziehungen korrumpiert. Vermeintliche Geldschöpfer und Geldnutzer würden mit zweierlei Maß bewertet und dies habe soziale Umstürze zur Folge.
2. Buchcover: „Bullshit Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit.“ von Prof. David Graeber. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. (Orig.: Bullshit Jobs, a Theory). Klett-Cotta, Stuttgart 2018, 4. Druckaufl. 2019, 464 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 26,00 Euro, ISBN: 978-3-608-98108-7. (vergriffen!). Das Buch ist als Taschenbuchversion für 12,00 Euro [D] erhältlich, ISBN: 978-3-608-98245-9, dritte Auflage 2020. E-Book basiert auf der 1. Auflage 2018 der Print-Ausgabe, 9,99 EUR, ISBN-epub: 978-3-608-11506-2. .
Ein Bullshit-Job ist eine Beschäftigungsform, die so völlig sinnlos, unnötig oder schädlich ist, dass selbst der Arbeitnehmer ihre Existenz nicht rechtfertigen kann. Es geht also gerade nicht um Jobs, die niemand machen will, sondern um solche, die eigentlich niemand braucht.
Seien Sie ehrlich: Wenn es Ihren Job nicht gäbe, würde ihn jemand vermissen? Hast du dich jemals gefragt, warum nicht? Bis zu 40% von uns glauben heimlich, dass unsere Jobs wahrscheinlich nicht notwendig sind. Mit anderen Worten: Es sind beschissene Jobs. Dieses Buch zeigt, warum und was wir dagegen tun können.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts prophezeiten die Menschen, dass die Technologie uns alle fünfzehn Stunden lang arbeiten und fliegende Autos fahren lassen würde. Stattdessen geschah etwas Seltsames. Nicht nur die fliegenden Autos sind ausgeblieben, auch die durchschnittliche Arbeitszeit ist gestiegen und nicht gesunken. Und heute, in den Industrieländern, sind drei Viertel aller Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, im Finanzbereich oder in der Verwaltung angesiedelt: Arbeitsplätze, die keinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten scheinen.
In Bullshit Jobs untersucht David Graeber, wie dieses Phänomen - eines, das mehr mit der Sowjetunion in Verbindung gebracht wird, das der Kapitalismus aber beseitigen sollte - passiert ist. Dabei betrachtet er, wie die Arbeit, anstatt etwas zu produzieren, zum Selbstzweck geworden ist; wie diese Arbeit das derzeit kaputte System des Finanzkapitals aufrechterhält; und schließlich, wie wir aus ihr herauskommen können.
Dieses Buch ist für jeden, dessen Herz beim Anblick einer Tafel versunken ist, der glaubt, dass "Workshops" nur dazu dienen sollten, Dinge zu machen, oder der nur vermutet, dass es einen besseren Weg geben könnte, unsere Welt zu führen.
Der Autor behauptet, dass mehr als die Hälfte der gesellschaftlichen Arbeit sinnlos ist, sowohl große Teile einiger Arbeitsplätze als auch, wie er beschreibt, fünf Arten von völlig sinnlosen Arbeitsplätzen:
• Lakaien, die dazu dienen, dass sich ihre Vorgesetzten wichtig fühlen, z.B. Empfangsdamen, Verwaltungsassistenten, Türsteher, etc.
• Schläger, die im Namen ihrer Arbeitgeber aggressiv handeln, z.B. Lobbyisten, Wirtschaftsanwälte, Telemarketer, PR-Spezialisten, etc.
• Klebebänder, die vermeidbare Probleme beheben, z.B. Programmierer, die schlechten Code reparieren, Airline-Desk-Mitarbeiter, die Passagiere beruhigen, deren Taschen nicht ankommen.
• Häkchensetzer, die Formulare oder Grafiken als Handlungsvollmacht verwenden, z.B. Performance-Manager, betriebseigene Firmenmagazin-Journalisten, Freizeitkoordinatoren, etc.
• Verantwortliche, die zusätzliche Arbeit für diejenigen erledigen oder schaffen, die sie nicht benötigen, z.B. mittleres Management, Führungspersonal.
3. Wandgraffito: "Wir machen Jobs die wir hassen und kaufen dann Scheisse, die wir nicht brauchen." Foto: Flickr-user redhope. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
4. "Fordert nicht Arbeit & Brot, sondern Freizeit & Kuchen!" Foto: Flickr-User samchills. Quelle: Flickr. (Foto nicht mehr verfügbar). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
5. Buchcover: „Bullshit Jobs. Vom wahren Sinn der Arbeit.“ >> Nr. 2