Die Eigentumsbestie. Der Mensch ist unter den Raubtieren das schlimmste.

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Die Eigentumsbestie. Der Mensch ist unter den Raubtieren das schlimmste.
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Die Eigentumsbestie

von Johann Most, New York, 1887

johann_john_most_anarchismus_anarchist_arbeiterbewegung_atheismus_ausbeutung_knechtschaft_gottespest_religionskritik_eigentum_gier_habgier_kritisches_netzwerk_buettelstaat.jpgDer Mensch ist unter den Raubtieren das schlimmste. Das ist ein Ausspruch, den heutzutage viele tun, der aber nur bedingungsweise richtig ist. Nicht der Mensch als solcher ist ein Raubtier, sondern nur der Mensch in Verbindung mit Reichtum.

Je reicher der Mensch ist desto stärker ist seine Gier nach weiterem Vermögen. Solch ein Untier, welches man Eigentumsbestie nennen kann, und das gegenwärtig die Welt beherrscht, die Menschheit unglücklich macht und mit dem Fortschreiten der sogenannten "Zivilisation" an Grausamkeit und Schlagkraft gewinnt, soll im Nachstehenden gekennzeichnet und der Ausrottung empfohlen werden.

Blickt Euch um! In jedem sogenannten "Kultur"-Lande gibt es unter je hundert Menschen etwa 95 mehr oder minder vollendete Habenichtse und ungefähr fünf Geldprotzen. Es ist nicht nötig, alle Schleichwege aufzusuchen, auf denen die Letzteren ihr Vermögen erworben haben. Der Umstand, dass sie Alles besitzen, während die Übrigen lediglich existieren, resp. vegetieren, lässt allein schon keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Wenigen auf Kosten der Vielen reich geworden sind.

Bald durch das direkte brutale Faustrecht, bald durch List, bald durch Betrug hat sich diese Rotte des Grund und Bodens und aller darauf befindlichen Güter bemächtigt. Vererbung und vielfacher Händewechsel haben diesem Raub einen "altehrwürdigen" Anstrich verliehen und dessen wahres Wesen verwischt; deshalb wird die Eigentumsbestie noch immer nicht als solche erkannt; sondern sogar mit heiliger Scheu respektiert.

Und doch sind Alle, welche nicht zu dieser Art gehören, deren Opfer. Jeder Sprössling eines Nichteigentümers (Armen) findet bei seinem Eintritt in die Welt jedes Fleckchen Erde besetzt. Es gibt keine Güter, die nicht einen "Herren" hätten. Ohne Arbeit entsteht aber nichts und um heutzutage arbeiten zu können, sind nicht nur Fähigkeit und Wille erforderlich, sondern auch Werkzeuge, Rohstoffe und Lebensmittel. Der Arme wendet sich daher notgedrungen an Jene, die alle diese Dinge in Hülle und Fülle besitzen.

Und siehe da, es wird ihm seitens der Reichen die Erlaubnis erteilt, weiter zu existieren. Dafür hat er sich aber sozusagen seiner Kraft und Geschicklichkeit zu entäußern. Diese verwenden fortan seine vermeintlichen Lebensretter für sich. Denn Letztere spannen ihn einfach ins Joch der Arbeit; sie zwingen ihn, bis zur äußersten Grenze körperlicher und geistiger Anstrengung neue Schätze zu erzeugen, nach denen er aber nicht seine Hände auszustrecken berechtigt ist. Würde er sich lange besinnen wollen, solch' einen ungleichen Handel abzuschließen, so belehrte ihn doch bald sein knurrender Magen, dass der Arme hierzu keine Zeit hat.

Und da viele Millionen ganz in der nämlichen Lage sich befinden, wie er, so setzt er sich obendrein der Gefahr aus, dass sich, während er sich besinnt, hundert Andere um seine Stelle bewerben, so dass er neuerdings in der Luft hängt. Furchtbar schwingt seine Peitsche der Hunger über dem Kopfe des Armen. Um zu leben, muss er sein eigenes Ich täglich und stündlich freiwillig verkaufen. Es waren entsetzliche Zeiten, als die herrschenden Klassen auf die Sklavenjagd gezogen waren und Jene, die in ihre Hände fielen, in Ketten schlugen und mit Gewalt zur Arbeit zwangen. Ungeheuerlich sah es aus in der Welt, als die christlichgermanischen Räuber ganze Länder stahlen, den Boden den Völkern unter ihren Füßen hinweg zogen und sie zum Frontdienst pressten.

Den Gipfel der Schmach aber hat erst die heutige "Ordnung" erzeugt: denn sie hat mehr als neun Zehntel der Menschheit um ihre Existenzbedingungen betrogen, in Abhängigkeit einer winzigen Minderheit versetzt und zur Selbsthingabe verdammt, gleichzeitig jedoch dieses Verhältnis dermaßen durch allerlei Formeln verhüllt, dass die Hörigen der Neuzeit - die Lohnsklaven ihre Rechtlosigkeit und Knechtschaft nur zum Teil erkennen und geneigt sind, sie dem Glücks-, resp. Unglücksfalle zuzuschreiben.

johann_john_most_anarchist_anarchismus_eigentumsbestie_atheismus_ausbeutung_knechtschaft_gottespest_lohnsklaven_kritisches_netzwerk_buettelstaat_proletariat_kommunismus_habgier.jpgDiesen grässlichen Zustand zu verewigen, das ist das einzige Streben der "vornehmen" Welt. Unter sich sind zwar die Reichen nicht immer einig; im Gegenteil sucht Einer den Anderen durch Handelskniffe, Spekulantenlist und Konkurrenzmaximen zu übervorteilen; allein dem Proletariate gegenüber stehen sie als eine geschlossene feindliche Masse da. Ihr politisches Ideal ist daher – aller freisinnigen Redensarten ungeachtet - ein möglichst starker und ruppiger Büttelstaat.

Bettelt der Arme, der momentan außer Stande ist, sich an einen Ausbeuter zu verkaufen, oder den die Eigentumsbestie bereits zur Arbeitsunfähigkeit ausgeschunden hat, so sagt der satte Bourgeois, das sei Vagabundage, und er ruft nach Polizei; er verlangt Stockprügel und Zuchthäuser für den armen Teufel, der nicht zwischen Bergen von Lebensmitteln verhungern will [….]

[…..]So geht es dem Armen von der Wiege bis zum Grabe. Ob er produziert, ob er konsumiert; ob er existiert oder vegetiert; er ist stets umlagert von einer Schar von heißhungrigen Vampiren, die nach jedem Tropfen seines Blutes lechzen. Auf der anderen Seite stellt der Reiche nie sein Ausbeutungshandwerk ein, wenn er auch noch so wenig in der Lage ist, einen Grund für seine Habgier anzugeben. Wer eine Million hat, will 10 Millionen haben; wer deren 100 besitzt, geizt nach einer Milliarde usw. Zur Habgier gesellt sich Herrschsucht.

Das Besitztum ist eben nicht nur ein Mittel zu immer weiterer Bereicherung, sondern auch eine politische Macht. Unter dem jetzigen Kapital-System ist die Käuflichkeit fast ein allgemeines Laster. Es handelt sich gewöhnlich nur darum, den richtigen Preis anzusetzen, um Diejenigen zu kaufen, welche geeignet sein können, durch Sprechen oder Schweigen, durch Schrift oder Druck, durch Gewaltakte oder durch was immer der Eigentumsbestie zu dienen. Sie ist vermöge ihrer goldenen Diktate die wahre allmächtige Gottheit. […..]

Johann Most, New York, 1887

Dies sind natürlich nur Leseproben eines vor 131 Jahren geschriebenen Werkes. Volltext siehe unten angehängt. (PDF)

Quelle: Anarchosyndikalistische Flugschriftenreihe (>>LINK), Heft Nr. 46
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Johann Most (geboren am 5. Februar 1846 in Augsburg, Königreich Bayern; gestorben am 17. März 1906 in Cincinnati), bekannt auch als John Most, war ein sozialistischer Redakteur, Agitator und Politiker der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), dann der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), bevor er sich schließlich zum Anarchismus bekannte. Most war ein Feuerkopf. In der deutschen Arbeiterbewegung der 1870er und 1880er Jahre gab es keinen Agitator, der ihm an Leidenschaft und Courage gleichgekommen wäre. Sein rastloses Leben begann mit einer bitteren Kindheit und endete in trüber Isolation.

Nach einer Buchbinderlehre und anschließenden Wanderjahren schloss sich Johann Most Ende der 1860er Jahre der sozialistischen Bewegung an. Anfang der 1870er Jahre war er Redakteur und Herausgeber sozialdemokratischer Zeitungen in Chemnitz, Mainz und Berlin. 1874 wurde er zum ersten Mal in den Reichstag gewählt. Zum behäbigen Funktionär war Johann Most jedoch nicht geschaffen. Seine politischen Ansichten und sein hitziges Temperament trugen ihm in seinem Leben immer wieder Verfolgungen ein. Die Immunität, die er als Abgeordneter genoss, half ihm da wenig. Auf eine Rede hin, die er zum Andenken an die Pariser Kommune hielt, wurde er 1874 wegen Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Sein Atheismus machte Most zum Buhmann der Öffentlichkeit, besonders seitdem er, ganz im Gegensatz zur Parteilinie, den Massenaustritt aus den Landeskirchen propagiert hatte.

Als im Oktober 1878 in Deutschland das Sozialistengesetz erlassen wurde, wurde Most aus Berlin ausgewiesen. Er musste Deutschland verlassen und es folgte ein lebenslanges Exil. Erst emigrierte er nach Frankreich, dann nach England und schließlich in die USA. In allen seinen Exilländern eckte er mit seiner revolutionären Propaganda bei der Obrigkeit an und handelte sich immer wieder neue Haftstrafen ein. Most entwickelte sich in der Emigration zum militanten Anarchisten und wurde einer seiner prominentesten deutschen Repräsentanten.

Most blieb bis Ende seines Lebens ein radikaler Atheist und hat diverse antireligiösen Pamphlete geschrieben. Die berühmteste seiner Schriften ist die 1883 in New York erschienene „Gottespest“, die seitdem in unzähligen Auflagen und Übersetzungen erschienen ist. In der „Gottestpest“ setzt sich Most mit der Religion im allgemeinen auseinander. Und er macht dies in dem für ihn so typischen derben humorvollen Stil.

Johann Most >> Übersicht seiner Werke und Verlinkungen zu Online-Texten >> weiter.

Fotos / Bildlizenz: Public Domain. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. (gilt für beide Fotos). H.S.

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Eigentum als Geißel der Menschheit


Das Eigentum als Geißel der Menschheit

Die Zeiten haben sich nicht geändert - nur die Methoden haben sich verfeinert und sind raffinierter geworden. Die Strategien der Volksverdummung und Ausbeutung (eigentlich ist das Wort ja aus dem heutigen Sprachschatz verdammt) werden von Heeren hoch bezahlter Marketingexperten und Psychologen ausgeheckt, so daß selbst sog. Intelligente (oder die, die sich dafür halten) auf die Manipulationsmasche hereinfallen. Über seine Zunft der Psychiater schrieb Erich Fromm einst (Jenseits der Illusionen):

"Indem sich die Psychologen der „richtigen Worte“ von Sokrates bis Freud bedienen, werden sie zu den Priestern der Industriegesellschaft, die die Aufgabe haben, der Industriegesellschaft zu ihren Zielen zu verhelfen, indem sie dem einzelnen helfen, zum völlig angepassten Organisationsmenschen zu werden.

... Unter seelischer Gesundheit versteht man oft nichts weiter als diese Anpassung oder – anders gesagt – einen seelischen Zustand, bei dem der einzelne auch nicht unglücklicher ist als die Allgemeinheit. Das wirkliche Problem, nämlich die Einsamkeit und Entfremdung des Menschen und das fehlende produktive Interesse am Leben, braucht bei dieser Art der Psychoanalyse nicht einmal berührt zu werden."

Mit "Organisationsmensch" meint Fromm den Menschen, der sich kritiklos den Erfordernissen der Wirtschaftsgesellschaft unterordnet und als Konsument seine Seele verkauft hat.

Damit mich niemand falsch versteht: Wenn ich vom Eigentum als Geißel der Menschheit rede, dann ist damit nicht Omas oder Vaters klein Häuschen mit Garten gemeint, das uns die bösen Sozialisten wegnehmen wollen. Ich meine das Eigentum, das über den Bedarf für ein Leben im normalen Wohlstand hinaus geht, das Egon W. Kreutzer das "aggressive Eigentum" nennt. Dieses Eigentum und nicht adäquates oder sog. leistungsloses Einkommen wie Zinseinnahmen im großen Stil wirkt sich immer zu Lasten der Allgemeinheit aus. Überproportionale Einkommen und Vermögenswerte sind nie nur Verdienst der eigenen Leistung sondern immer auch durch Übervorteilung von Abhängigen entstanden und daher ungerecht.

Man könnte meinen, daß die Menschheit sich seit den Zeiten, als es noch kein persönliches Eigentum an Grund und Boden gab und der Mensch sich ausschließlich durch die Arbeit seiner Hände oder dem Einsammeln der Früchte der Natur ernährte, rückentwickelt hat. Die sogenannte Zivilisation, die zwangsläufig mit mehr Entfremdung, Eigentum- und Kapitalbildung sowie Abhängigkeit verbunden war, ist  mit Gier, Neid, Gewalt und Krieg erkauft worden.

Wir können zwar das Rad der Geschichte nicht zurück drehen, aber die Regeln ändern und ein anderes humaneres Verständnis von Zivilisationsfortschritt entwickeln.

Peter A. Weber, Klotten

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