Die Welt sehen, wie sie ist

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Die Welt sehen, wie sie ist

von Rüdiger Rauls

Wenn die Zeiten unsicherer werden, wächst das Bedürfnis nach einer Perspektive. Das ist normal. Wenn die Lebensgrundlagen auf dem Treibsand der Veränderung zusammenzubrechen drohen, verstärkt sich die Suche nach gesicherten Fundamenten für die Gestaltung der Zukunft. Das geistige Leben der Gesellschaften gerät in Bewegung, teilweise in hektische Betriebsamkeit. Lösungen müssen her, damit das Leben einen freundlichen Ausblick bieten kann.

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Viele suchen die Lösung in der Vergangenheit, nehmen gerne Anleihen bei Denkern und Philosophen vergangener Zeiten. Diese Rückgriffe auf Weisheiten der Vergangenheit werden schnell wirkungslos, weil sie keine Lösung bieten für die Probleme der Gegenwart. Diese Weisheiten sind vergangene Weisheiten, die wohl gelegentlich Berührungspunkte mit unserer jetzigen Zeit haben, aber nur Berührungspunkte.

Die Grundlagen dieser Gesellschaften, denen dieses Denken entsprungen ist, waren andere als die Grundlagen unserer heutigen. Es sind nur die Äußerlichkeiten, die sich decken mit den Erscheinungen, die uns in unserer heutigen Welt beschäftigen. Und auch diese Ähnlichkeiten sind wie die Ähnlichkeit von Zucker und Salz. Sie sind nur solange ähnlich, wie man sie nur oberflächlich und von außen betrachtet. Bei nur wenig intensiverer Auseinandersetzung mit Zucker und Salz wird sehr schnell ihre Verschiedenheit offensichtlich.

Aufstieg-Entwicklungsschritte-Evolution-Transformation-Veraenderung-Visionen-Kritisches-Netzwerk-Hypnogenetic-Ist-Zustand-Bewusstsein-Vorstellungskraft-UeberbewusstseinWieder andere nehmen Anleihen bei Religionen, Sekten, den Glaubenswelten anderer Kulturen wie Schamanentum, Maya-Kalender und ähnlichem, was gerade mal die Konjunktur eines Kometen hat – schneller Aufstieg, hell leuchtendes und alles überstrahlendes Verglühen und ebenso schnelles Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit. Hierbei handelt es sich um Rückgriffe auf Entwicklungsschritte der Menschheit, die aber in der heutigen Gesellschaft bereits überwunden sind. So wie das Fahren mit Postkutschen eine willkommene Abwechselung für die Freizeitgestaltung am Wochenende sein kann, so sind sie aber für den heutigen Alltagsgebrauch vollkommen untauglich geworden. Dennoch ist die Postkutsche ein wichtiger Entwicklungsschritt in der Geschichte der Menschheit gewesen und muss als solcher geachtet werden wie auch die Errungenschaften untergegangener Kulturen.

Die meisten suchen jedoch Halt in Entwürfen für die Zukunft. Sie machen sich Gedanken über die Welt, wie sie sein müsste, sein sollte, sein könnte. Sie entwerfen Modelle über eine zukünftige, eine erstrebenswerte Welt, die sich deckt mit den Idealen und Werten, die man selbst für die richtigen hält. Da geht es dann um geldlose Gesellschaften oder Marsbesiedlungen. Diese Denker werden oft als Visionäre bezeichnet. Aber ihre Visionen halten meistens nicht lange und werden oft sehr schnell ersetzt durch neue Visionen neuer Visionäre oder lösen sich auf im Streit der Visionäre untereinander darüber, welche Vision die richtige oder leichter umsetzbare ist.

All diesen Ansätzen ist gemeinsam die Verweigerung der Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Die sachgerechte Analyse der Gegenwart wird ersetzt durch die Schaffung von Gegenwelten. Weltbilder, entnommen aus der Vergangenheit oder Zukunft, werden als Ersatz angeboten für die unbefriedigende aktuelle Welt. Die Gegenwart mit den Kräften, die in ihr wirken, ist ihnen ein Buch mit sieben Siegeln.

Aber gerade die Gegenwart ist der Zustand, wo die Vergangenheit Zukunft werden will. In ihr werden die Erfahrungen der Vergangenheit umgewandelt in die Möglichkeiten der Zukunft. Nur hier findet Wirklichkeit statt, nur hier ist Veränderung möglich. Die Vergangenheit ist vergangene Wirklichkeit, weshalb auch die Vergangenheit im Nachhinein nicht mehr verändert werden kann. Die Zukunft ist vermutete Wirklichkeit, Spekulation. Nur die Gegenwart wird bestimmt von der Wirklichkeit, das heißt von der Summe der Kräfte, die in einer Situation wirken und sie bestimmen. Deshalb ist auch nur die Gegenwart „wirkliche“ Wirklichkeit, beeinflussbare, gestaltbare Wirklichkeit.

Natürlich ist es sinnvoll, sich über die Entwicklung der Welt und unseres Lebens in ihr Gedanken zu machen. Nur macht es keinen Sinn, sich darüber auszulassen, wie die Welt sein sollte oder wie das Leben wäre, wenn es nicht so wäre, wie es ist. Ebenso wenig macht es Sinn, die Verhältnisse zu verherrlichen, wie sie einmal waren.

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Es macht nur Sinn zu erkennen zu versuchen, wie die Welt heute IST. Denn im Erkennen der Wirklichkeit, der „wirklichen“ Wirklichkeit, nicht der gewesenen oder vermuteten, liegt auch schon die Antwort darauf, wie die Welt anders werden muss, damit sie den Menschen Zukunft bieten kann.

Dabei ist das Wahrnehmen und Erkennen der Wirklichkeit der schwierigste Teil der Übung. Denn der Mensch betrachtet die Welt nicht vorurteilsfrei, sondern durch die Brille seines Weltbildes. Er projiziert seine Vorstellung von der Welt auf die Welt selbst. Das ist normaler Vorgang im Lernprozess. Man vergleicht seine Vorstellung von der Welt mit der realen Welt. Passen beide zueinander, so stimmt das Bild, das man sich von der Welt macht, überein mit der Welt, wie sie IST. Nur, sehr häufig werden die Signale nicht ernst genommen, die von der Welt zurückgesendet, reflektiert werden, wenn sie nämlich darauf hinweisen, dass eine Diskrepanz besteht zwischen unserer Vorstellung über die Welt und ihrem wirklichen Gesicht. Wie geht man dann damit um? Stellt man dann das eigene Weltbild in Frage und überprüft die eigenen Vorstellungen oder werden die Hinweise auf Fehleinschätzungen ignoriert oder zurechtgebogen nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

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Nach dem Weltbild des Aristoteles war die Erde eine Scheibe und bis Kopernikus galt sie den Menschen als Mittelpunkt des Universums, um den sich alle anderen Himmelskörper zu drehen schienen. Und da über die Jahrhunderte sich dieses Weltbild als richtig erwiesen zu haben schien, waren Zweifel nicht angebracht. Ähnliches galt bis vor kurzem noch auch für Greenspans Theorie, dass mit der Geldpolitik die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus überwunden worden sei. Wer an diesen unzweifelhaften Erkenntnissen zweifelte, erntete das Kopfschütteln der Fachwelt und der nachplappernden Laien.

Aber die Entwicklung des Menschen schreitet voran und bringt zum Einsturz, was als unerschütterlich galt. Erkenntnisse, die für die Ewigkeit halten sollten, wurden schon bald fragwürdig, tausendjährige Reiche zerfielen schon nach zwölf Jahren.

Heute weiß jeder, dass die Erde keine Scheibe ist und auch nicht der Mittelpunkt des Universums, und wer es bezweifelt erntet den Spott, den früher die traf, die es behaupteten. Und auch Greenspans Botschaft von der heilsamen Wirkung der Geldpolitik hat sich herausgestellt als das, was sie war, eine (Selbst)Täuschung über die Wirklichkeit, die einige Zeit aufrechterhalten werden konnte, bis die Wirklichkeit selbst diese Täuschung in einen Scherbenhaufen verwandelte. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.

Wirklichkeit ist nicht gleich Wahrheit, aber die Wahrheit will Wirklichkeit werden. In der Auseinandersetzung um den Irakkrieg hatten sich unter Gorge W. Bush in der Welt die Kräfte durchgesetzt, die unter Verwendung von Halbwahrheiten und Lügen auf den Krieg hinarbeiteten. In dieser Situation waren Lüge und Täuschung die Wirklichkeit, nicht die Wahrheit. Die meisten Menschen auf der Welt wussten oder ahnten, dass es sich bei den von den USA vorgetragenen Kriegsgründen um Lügen handelte, aber sie konnten keinen bestimmenden Einfluss nehmen auf die Wirklichkeit. Der Krieg fand statt, gegen die Wünsche und Interessen der Mehrheit. Die Macht und die Interessen der USA und der Koalition der Willigen bewirkten mehr als die Interessen der Menschen nach Frieden und Wohlergehen.

Und Ähnliches gilt für die Gesellschaften, in denen die Mehrheit der Menschen lebt. Ihr Bedürfnis nach Sicherheit ihrer Lebensgrundlagen geraten immer mehr in Widerspruch zu dem herrschenden wirtschaftlichen System des [neoliberal verseuchten; H.S.] Kapitalismus, das die Grundlage der meisten Gesellschaftssysteme auf unserem Planeten ist. Der Kapitalismus mit all seinem Reichtum ist immer weniger in der Lage, diesen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und nicht nur das. Er ist auch immer weniger in der Lage, dem schöpferischen Potential der Menschen, ihrer Genialität Raum zu geben, ihnen einen Ausblick zu bieten in eine Welt, in der gerade diese Genialität der gesellschaftlichen Entwicklung neuen Schub geben könnte, neue Kräfte freisetzen könnte zu einer menschenfreundlichen Umgestaltung und Entwicklung von Gesellschaft und Natur.

Im Erkennen des Widerspruchs zwischen den wirklichen Lebensumständen der Menschen und ihren Bedürfnissen liegt der Schlüssel zur Veränderung. Dazu bedarf es aber genauer Beobachtung, um herauszufinden, wohin sich die Welt und die Gesellschaften entwickeln (wollen). Wofür stehen Erscheinungen wie die Kriege in Irak und Afghanistan, die Unruhen im arabischen Raum, die Menschenrechtskampagnen des Westens gegen Russland und China?

Man kann das verurteilen, Partei ergreifen für die Menschenrechte, Partei ergreifen gegen die Kriege, sich moralisch empören und verurteilen. Das ist zwar redlich, ändert aber wenig. Viel wichtiger ist zu erkennen, was sich in all diesen Erscheinungen andeutet.

Was drückt sich aus?

Welche Entwicklung ist da im Gange?

Was will da Wirklichkeit werden?

Wie kann mit den vorhandenen Kräften Einfluss genommen werden auf diese Entwicklungen, damit sie zum Wohle der Menschheit geraten?

Und was kann unter den gegebenen Umständen unternommen werden, damit die Kräfte stärker werden, die eine andere, eine menschenfreundlicher Welt wollen?

Future-is-Now-Today-Tomorrow-Later-Bewusstwerdung-Kritisches-Netzwerk-Realitaet-Wirklichkeit-lebe-im-hier-jetzt-Augenblick-Heute-Gegenwart-Vergangenheit-ZukunftEs bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als in der Gegenwart zu leben und aus der Gegenwart heraus die Zukunft zu gestalten. Jedoch können wir nur DIE Zukunft gestalten, für die die Voraussetzungen in der Gegenwart schon vorhanden sind. Aber es reicht nicht, sie zu erkennen, sondern, wenn die Möglichkeiten erkannt sind, gilt es auch, sie beherzt in eine bessere Zukunft umzusetzen.

Die entscheidenden Akteure dafür sind nicht die Politiker und Visionäre welcher Couleur auch immer, wie so viele denken. Die Entscheidenden sind vielmehr diese unauffälligen Menschen, die sich um das Gesumm in der Welt immer weniger kümmern. Es sind die Menschen, die durch ihre alltägliche, zuverlässige und unauffällige Arbeit dafür sorgen, dass trotz des mitunter kopflosen Aktionismus der Politiker und trotz der Erschwerung der Arbeitsbedingungen unter dem Diktat der Rendite die Gesellschaft weiter funktioniert.

Es sind die Menschen, die dafür sorgen, dass Busse und Züge fahren, dass Häuser gebaut und Kranke geheilt werden, dass Abflussrohre nicht verstopfen und die Brötchen pünktlich in der Auslage liegen. Es sind diese kleinen bescheidenen und unauffälligen Leute, die die Räder der Gesellschaft am Laufen halten und die aber auch die Macht hätten, diese Räder zum Stillstand zu bringen. Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Sie sind die Hefe im Teig. Sie treiben die Entwicklung oder nicht. Und weil sie im Moment nichts unternehmen, ist auch überall Stillstand in der gesellschaftlichen Entwicklung.

Rüdiger Rauls


Rüdiger Rauls: geboren 1952 in Trier und auch hier wohnhaft. Gelernter Reprofotograf und jahrelang selbständig als Inhaber von Nachhilfe-Instituten in der Region Trier und Luxemburg. Jetzt Buchautor, Vortragsredner und Journalist mit den Schwerpunkten Politik, Soziales und Wirtschaft. >> ruedigerraulsblog.

ACHTUNG: Die Bilder und Grafiken im Artikel sind nicht Bestandteil des Artikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..

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1. Paviane: Die Welt sehen, wie sie ist. Wenn die Zeiten unsicherer werden, wächst das Bedürfnis nach einer Perspektive. Foto: Blende12 / Gerhard Gellinger, Nürnberg (user_id:201217). Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto. Foto ist auch auf goodfreephotos.com und pxhere.com. (CC0 Public Domain).

2. DER WEG: Mann schreitet Treppe hinauf. Fantasie lässt Menschen träumen und beflügelt die Kreativität. Die Entwicklung des Menschen schreitet dadurch voran und bringt zum Einsturz, was als unerschütterlich galt. Bildgrafik: susannp4 / Susann Mielke, Mecklenburg. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Bild.

3. Mann am Baum lehnend mit Blick in die Landschaft, den Moment genießend. Das Licht der Sonne braucht 8 Minuten, um die Erde zu erreichen. Wenn ich die Sonne ansehe, blicke ich also zurück in die Vergangenheit. Merkwürdig, alles braucht seine Zeit und doch ist es immer JETZT. Foto: josealbafotos - Jose Antonio Alba, Lleida/España. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.

4. THE ONLY TIME IS NOW - RIGHT NOW. Grafitto/Foto: frankspandl. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Grafitto.(Street Art)

5. LATER - Tomorrow - Today - NOW. Grafik: Bev. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Grafik.

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Peter Weber
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Verbunden: 23.09.2010 - 20:09
Umgang mit Vergangenheit und alten Quellen


Umgang mit Vergangenheit und alten Quellen

Grundsätzlich finde ich den Ansatz von Rüdiger Rauls, die Welt so zu sehen, wie sie ist, sinnvoll für den Aufbau unserer Zukunft. Es handelt sich also um einen nachdenklich stimmenden Essay über unsere persönlichen Wahrheiten, Ideologien, Religionen, sowie gesellschaftliche und individuelle Prägungen. Unsere Aufgabe ist es zu überprüfen, in wie weit unsere Weltsicht, wie wir sie oft mit rosaroter Brille betrachten, mit der realen Welt übereinstimmt.

Nur auf dieser Basis der Gegenwart sind wir in der Lage, Perspektiven und Handlungsstrategien für die Zukunft zu entwickeln. Dabei sollten wir uns nicht auf die Politik verlassen sondern uns bewußt machen, daß wir, d. h. die Bevölkerung, in der Mehrheit sind und die Macht haben, unsere Interessen durchzusetzen, wenn wir nur an einem Strang ziehen würden. Soweit, so gut.

Aber ein wichtiger Denkansatz von Rüdiger Rauls geht mir gegen den Strich und passt zumindest nicht in meine Weltsicht. Es handelt sich um seine Betrachtungsweise über die Vergangenheit, deren Denker und Philosophen, der Wissenschaftler, Soziologen, Psychologen, der alten Weisheiten, Wahrheiten, Erfahrungen und Erkenntnisse sowie der Essenzen von Religionen.

»Viele suchen die Lösung in der Vergangenheit, nehmen gerne Anleihen bei Denkern und Philosophen vergangener Zeiten. Diese Rückgriffe auf Weisheiten der Vergangenheit werden schnell wirkungslos, weil sie keine Lösung bieten für die Probleme der Gegenwart. Diese Weisheiten sind vergangene Weisheiten, die wohl gelegentlich Berührungspunkte mit unserer jetzigen Zeit haben, aber nur Berührungspunkte.« (R. Rauls)

Auf den Erkenntnissen dieser alten Quellen sind die Grundlagen für die Einführung von Humanismus und Demokratie entstanden. Das Wesen des Menschen sowie der Natur, auf dem wir unsere persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen ausrichten und zumindest teilweise optimieren konnten, wurde ergründet. Es wäre fatal und destruktiv, wenn wir nicht auf all das zurück greifen würden, weil es uns gerade in der heutigen Zeit von Nutzen sein könnte. Es wäre eine Verschwendung von geistigen Ressourcen, wenn dieser Reichtum verbrannt oder vergessen würde und wir die Grundlagen, auf die wir bequem Zugriff haben, uns nochmals erarbeiten müssten.

Eine größere Dummheit könnten wir gar nicht begehen, als die alten Erfahrungen und Erkenntnisse zu negieren und nicht aus dem Ablauf der Geschichte und den begangenen Fehlern zu lernen. Geschichte und Vergangenheit sind die Bücher, aus denen wir lernen müssen, um nicht wiederum die gleichen verheerenden Fehler und Sünden zu wiederholen. Es existieren Prinzipien, die niemals ihre Gültigkeit verlieren und schon deshalb nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Selbstverständlich sind nicht alle zurück liegenden Erkenntnis- und Verfahrensweisen in die heutige Zeit zu übertragen. Vieles hat seinen Entstehungsgrund in früheren Lebensweisen und gesellschaftlichen Bedingungen, die sich grundlegend geändert haben. Auch spielt die frühere Unkenntnis von wissenschaftlich-physikalischen Prozessen eine Rolle.

Deshalb müssen wir differenzieren und filtern, um diejenigen Ein- und Ansichten heraus zu finden, die einen zeitlosen Charakter besitzen und inhaltlich unbegrenzt Bedeutung besitzen. Alles, was sich auf menschliche Beziehungen und zwischenmenschliches Handeln bezieht, gehört dazu, denn das Wesen des Menschen ändert sich nicht in ein paar tausend Jahren.

Gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und Umweltbedingungen hingegen sind einem steten Wandel unterzogen – und erfordern daher neue Einsichten und Strategien. Es verbleiben daher ausreichend Denkaufgaben und Anforderungen zur Ausarbeitung von Lösungen für unsere massiven Zukunftsprobleme. Dabei sollten wir uns jedoch nicht auf den übernommenen Grundlagen ausruhen – die Evolution schreitet auf allen Gebieten voran und erfordert wachen Geist und Anpassungsfähigkeit.

Peter A. Weber

 

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