Kreutzers Ohrfeige: Vernunft vs. Ideologie

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Kreutzers Ohrfeige: Vernunft vs. Ideologie
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Vernunft vs. Ideologie

von Egon W. Kreutzer, Elsendorf

Es gehört zu den auffälligsten Erscheinungen unserer Zeit, dass die Diskussionen um alle wichtigen Themen inzwischen zu asymmetrischen Auseinandersetzungen geworden sind, in denen – wie im finsteren Mittelalter – die Welt des forschenden Erkennens von der Welt des gläubigen Enthusiasmus in blutrünstiger Vernichtungsabsicht überrollt wird.

Nehmen wir Sahra Wagenknecht als Beispiel.

Nach meinem Eindruck als Außenstehender hat sie, wie kaum eine andere Person innerhalb der Partei „die LINKE“, die Grundlagen kommunistisch-sozialistischer Ideologie studiert und bis auf den innersten Kern durchdrungen und ist bereit, engagiert für eine Welt zu kämpfen, die diesem Ideal nahekommt.

Dennoch erkennt sie die Grenzlinie zwischen visionären Idealen und den Gegebenheiten der Realität so klar, dass sie diese Linie gar nicht als für sie relevante „Kampfzone“ wahrnimmt, weil sie weiß, dass es vollkommen sinnlos ist, gegen Fakten und Logik anzudiskutieren. Damit allerdings zerstört sie den Unfehlbarkeitsanspruch der gesamten Linksheit und macht sich damit zur Ketzerin, die auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden muss.

Dass dem so ist, dass viel zu viele in dem kindischen Glauben leben, das Platzen ihrer Traumschlösser und Trugbilder sei nicht die Folge ihrer eigenen Realitätsverweigerung, sondern der Erfolg feindseliger Saboteure, die es mit aller Härte zu bekämpfen gilt, macht die ganze Erbärmlichkeit  der Spezies Mensch auf wahrhaft beschämende Weise sichtbar.

Ein paar geschickt hingeworfene Phrasen, am besten als Konstrukt aus Panikmache und Heilsversprechen gezimmert, genügen vollauf, um eine friedliche Menge von Menschen in die Furie „Masse“ zu verwandeln, die erst wenn sie vollständig erschöpft und kraftlos selbst am Boden liegt, aufhören wird, alles „Fremde“ niederzumetzeln. Wobei das niederzumetzelnde „Fremde“ vielerlei Erscheinungsformen hat. Herr Maaßen war Frau Merkel fremd, die NAFRIS sind den Nazis fremd, die AfD der Antifa, der weiße Mann der gegenderten Frau, die Diesel der Deutschen Umwelthilfe, der Euro Italienern und Griechen, usw., usw.

Fremdenhass existiert überall. Der Mensch, der nicht „sein Fremdes“ hat, das er tunlichst weit von sich fernhalten will, den gibt es nicht – von Einsiedlern abgesehen, die den anderen Weg gehen und sich selbst fernhalten.

Fremdenhass zu wecken, zu schüren und zu instrumentalisieren, ist nach wie vor leicht, für jeden, der es darauf anlegt. Daran hat sich, seit Gustave Le Bon sein Standardwerk „Psychologie der Massen“ verfasste, nichts geändert, . .

. . außer der Tatsache, dass es nicht mehr die großen Säle, die Balkone über den Marktplätzen, die Tribüne im Sportpalast oder brennende Barrikaden braucht, um aus ganz normalen, vernunftbegabten Menschen „im Nu“ das Meta-Wesen „Masse“ zu schmieden.

Aus dem einst notwendigen, großen Event, dem alle beiwohnten, um vermasst zu werden, ist der Kokon der allgegenwärtigen, alles durchdringenden Medien geworden, die, wie die Kraftlinien eines Magneten, ihre Anhänger an entgegengesetzten Polen versammeln und sie, erst einmal dort angekommen, nicht mehr loslassen.

Und außer der Tatsache, dass die Massen selbst die Straße nicht mehr brauchen, um wie bei der Stierhatz von Pamplona alles wegzufegen, was sich in den Weg stellt, obwohl das auch noch vorkommt, sondern weit im Vorfeld physicher Auseinandersetzungen über subtile Disziplinierungsstrategien und Drohkulissen bereits so viel Macht ausüben, dass  das Gewaltmonopol des Staates dagegen alt aussieht.

Ein schönes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit bilden die Vorgänge im Hambacher Forst. Versuchen Sie bitte, das was da geschehen ist, neutral und unvoreingenommen zu betrachten. Dann kommen Sie entweder zu dem Schluss,

die Politik habe versagt, als sie den Braunkohleabbau genehmigte,

oder die Politik habe versagt, als es ihr nicht gelang, ihre einmal getroffene, rechtskräftige Entscheidung durchzusetzen.

Doch ein bisschen unwohl sollte Ihnen bei dieser „Entweder-oder-Entscheidung“ schon geworden sein.

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Die Auseinandersetzung zwischen den gewählten Vertretern des Rechtsstaats, die ihre Entscheidung nicht hinterfragen lassen wollten und den nicht gewählten und unbefugten Waldbesetzern ging ja nicht zu Ende, weil eine Seite mit ihren Argumenten überzeugt hätte. Sie ging auch nicht zu Ende, weil beide Seiten sich auf einen Kompromiss geeinigt hätten.

Sie ging für den Augenblick zu Ende, weil ein Gericht darauf erkannte, das Habitat der Bechsteinfledermaus sei in diesem Streit das höchste Rechtsgut. Basta!

Wer Lust hat, zu bezweifeln, dass es sich bei diesem Spruch des Oberverwaltungsgerichts Münster um einen eilends eingefädelten Deal handelte, um die drohende Eskalation der Gewalt im Wald zu verhindern, den will ich bei seinem Glauben lassen. Ich selbst bin überzeugt, dass hier von ziemlich weit oben die Notbremse gesucht und in der Klage des Vereins »Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.« (BUND) gefunden wurde, was zur Vollbremsung vor der Fledermaushöhle führte.

Egal, wie das weitergehen wird, ob auf Gleis 1 der Kohlegipfel irgendwann zu dem Schluss kommen wird, dass es die Braunkohle unter dem Hambacher Waldrest doch noch braucht, um die Energiewende ohne Mega-Blackout zu schaffen, oder ob auf Gleis 2 das OVG in der Hauptsacheverhandlung zu dem Schluss kommt, der Beweis für die Existenz der Bechsteinfledermaus habe von den Klägern nicht erbracht werden können: Die Züge rasen weiter aufeinander zu.

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Um die Kollission zu vermeiden, müsste entweder die Landesregierung die Erlaubnis zur Kohleförderung widerrufen und RWE einige Milliarden Euro als Entschädigung zahlen, oder jene aufgehetzte Masse, deren Speerspitzen im Hambacher Forst – aber nicht nur dort – sichtbar sind, müsste unter die kalte Dusche gezerrt, in wieder denkfähige und vernunftbegabte Einzelindividuen aufgelöst und damit zur Besinnung gebracht werden.

Bitte machen Sie sich klar, dass der Zustand, den wir da erleben, nicht normal ist.

Die gerne auch von den Qualitätsmedien als „Aktivisten“ bezeichneten „Waldschützer“ benehmen sich doch wie durchgegangene Gäule, oder wie Kleinkinder, die sich an der Supermarktkasse brüllend auf dem Boden wälzen.

Vermutlich haben die meisten davon auch erlebt und fürs Leben verinnerlicht, dass die Eltern, also die Großen überhaupt, gegen einen quengelnden Knirps keine andere Chance haben, als ihm seinen Willen zu lassen. Dass man nur immer lauter brüllen, immer unkontrollierter um sich schlagen muss, um als zuletzt Lachender im Triumph mit dem gewünschten Unterhaltungsei abziehen zu können.

Der mit einer Ohrfeige verbundene, schmerzhafte Schock, mit dem es erfahrenen Notfalleinsatzkräften immer noch gelingt, psychische Ausnahmezustände, von der Panikstarre bis zum Weinkrampf zu durchbrechen und die Betroffenen in die Wirklichkeit zurückzuholen, ist ja von der Liste zulässiger Erziehungsmittel gestrichen worden. Die Spätwirkung findet sich heute auf den Bäumen im Hambacher Forst.

Bitte machen Sie sich klar, dass jegliche Rechtfertigung für den Zustand, den wir da erleben, den Abschied von den Prinzipien der Demokratie darstellt, zumindest aber die Behauptung stützt, die real existierende Demokratie in diesem unseren Lande funktioniere nicht.

In Ergänzung der bestehenden Antidiskriminierungsvorschriften wird final und unabänderlich für alle Zeiten festgeschrieben:

Die Verpflichtung der Klügeren,
stets nachzugeben,
kennt keine Untergrenze.

Schon gar nicht in Deutschland.

Egon W. Kreutzer

   


Quelle: erstveröffentlicht auf Egon W. Kreutzers Webseite http://antides.de/ >> Artikel vom 11. Oktober 2018. Die oben gezeigten Fotos/Grafiken, Hervorhebungen und Verlinkungen sind NICHT Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt, für sie gelten unten genannte CC-Lizenzen.

Bild- und Grafikquellen:

1. Jiddu Krishnamurti: "Es ist kein Anzeichen seelischer Gesundheit sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können." Grafik: Wilfried Kahrs / QPress. Jiddu Krishnamurti (* 12. Mai 1895 in Madanapalle, Indien; † 17. Februar 1986 in Ojai, Kalifornien) war ein indischer Philosoph, Autor, Theosoph und spiritueller Lehrer. Krishnamurtis Lehre geht von der Möglichkeit vollständiger „geistiger“ Freiheit aus, indem durch aufmerksame Beobachtung des eigenen Geistes und seiner Reaktionen in dem Moment, in dem diese geschehen, seine „Natur“ erkannt wird. Beziehungen zum Taoismus und zum Zen-Buddhismus (mit dessen psychologischen Aspekten sich Erich Fromm beschäftigte).

2. Gustave Le Bon (1841-1931): Foto: Nationalbibliothk Frankreich / Quelle: Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. »In der Masse sinkt der Verstand mit der Anzahl der Versammelten«.

3. Einzelne Baumhäuser im Hambucher Forst gruppieren sich zu Baumhaussiedlungen. Die im Bild gezeigte wird  von den Aktivisten als "Beach-Town" bezeichnet. Foto: Tim Wagner / caruso.pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

4. Die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) ist eine Fledermausart, die zur Gattung der Mausohren (Myotis) gehört. Die Mausohren sind der Familie der Glattnasen (Vespertilionidae) zugeordnet. Benannt ist sie nach Johann Matthäus Bechstein, der sich bereits im frühen 19. Jahrhundert für einen Schutz der Fledermäuse eingesetzt hat. Wie alle Fledermäuse orientiert sich auch die Bechsteinfledermaus weniger mit ihren Augen, sondern hauptsächlich mit den Ohren. Sie stößt Ultraschallwellen aus und erkennt am zurückkehrenden Echo ihre Umgebung. Die Annahme, dass bei den Fledermäusen der optische Sinn aufgrund der Entwicklung der Echoortung stark reduziert sei, ist durch Verhaltensversuche widerlegt worden. (Text: Wikipedia). Foto: Gilles San Martin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

5. Baumhaus mit Regenbogenfahne und Transparent "Utopie braucht Freiheit". Foto: Tim Wagner / caruso.pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

6. Die gerne auch von den Qualitätsmedien als „Aktivisten“ bezeichneten „Waldschützer“ benehmen sich wie durchgegangene Gäule, oder wie Kleinkinder, die sich an der Supermarktkasse brüllend auf dem Boden wälzen. Foto: Infoletta Hambach / ihambi. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

7. Baumhäuser Hambacher-Forst: Vielleicht höchste und größte Baumhaussiedlung im Hambacher-Forst. Foto: Tim Wagner / caruso.pinguin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).