Munich Security Report 2018: „Münchner Sicherheitskonferenz“ im Rüstungswahn

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Munich Security Report 2018: „Münchner Sicherheitskonferenz“ im Rüstungswahn
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„Münchner Sicherheitskonferenz“ im Rüstungswahn

von Fred Schmid c/o Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.

msc_report_more_european_connected_capable_european_armed_forces_wolfgang_ischinger_mckinsey_frank_mattern_aufruestung_kriegstreiberei_munich_security_report_kritisches_netzwerk.pngAusgerechnet zur Adventszeit, der vorgeblich „staden und friedlichen“, legte die „Münchner Sicherheitskonferenz“ (MSC) zusammen mit McKinsey einen Report mit dem Titel "More European, More Connected, More Capable: Building the European Armed Forces of the Future" [1] vor, gewissermaßen zur Einstimmung in das alljährliche Treffen – diesmal vom 16. bis 18. Februar 2018 im Nobelhotel Bayrischer Hof – von hohen Militärs, Waffenfabrikanten und politischen Kalten Kriegern. Die Studie verheißt keinen Frieden auf Erden, sondern weiteres Wettrüsten und noch frostigeren Kalten Krieg 2.0.

In einem begleitenden Beitrag in der FAZ (30.11.17) registriert Mitverfasser der Studie und Vorsitzender der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, zufrieden „aktuell wieder steigende Verteidigungsbudgets“ in Europa und macht sich Gedanken, wofür die zusätzlichen Gelder „am besten verwendet werden sollten“. Akribisch wird in der MSC-Studie bereits errechnet, dass die Verpflichtung der NATO-Länder, bis zum Jahr 2024 jährlich zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft in die Verteidigungsetats zu stecken, für die europäischen NATO-Länder dann pro Jahr 114 Milliarden Dollar mehr für Wehr und Militär bedeuten würden.

Zusätzlich zu den 242 Milliarden Dollar, die bereits jetzt zur Verfügung stehen, also insgesamt dann 356 Milliarden Dollar (HB, 1.12.17). Zum Vergleich: Russland, „die aktive Bedrohung aus dem Osten“ (US-Außenminister Tillerson), gab 2016 nach SIPRI 67 Milliarden für Waffen und Militär aus. Jeder russische Soldat nimmt es offenbar mit mindestens fünf NATO-Kriegern in Europa auf.

Nach Berechnungen der Sicherheitskonferenz könnten sich die Europäer von 114 Milliarden Dollar mehr pro Jahr 400 zusätzliche Waffensysteme anschaffen“, schreibt der „SPIEGEL“ (23.11.17). Das wäre jedoch nach Ansicht der MSC nicht sinnvoll, das viele Geld müsse gezielt und schwerpunktmäßig zur Effizienzsteigerung der europäischen Rüstung und Streitkräfte eingesetzt werden. Im MSC-Report werden fünf Schwerpunktbereiche aufgeführt, die auch Ischinger, zusammen mit Ko-Autor  Frank Mattern, (Kuratoriums-Vorsitzender der "Hertie School of  Governance") in ihrem FAZ-Beitrag hervorheben:

russenhass_russophobie_uncle_sam_propaganda_russenfeindlichkeit_antirussismus_antikommunismus_russia_today_russophobia_kritisches_netzwerk_russland_feindbild_kalter_krieg.pngErstens muss Europa Investitionen in die Ausrüstung priorisieren“. Die Investitionsausgaben sollen von den von der NATO geforderten 20 Prozent auf 30 Prozent der Rüstungsetats erhöht werden. Das bedeutet neue Waffensysteme, aber auch Investitionen in die Digitalisierung und Cyberkriegführung. Die neue Waffengattung „Cyber-Krieger“ die in den Armeen gerade installiert bzw ausgebaut wird, soll u.a. zum Erstschlag befähigen, indem sie die Kommandozentralen des Gegners ausschaltet.

Zweitens sollten die Europäer an der Verfügbarkeit ihrer Systeme arbeiten“, so Originalton Ischinger. Das heißt schnellere Mobilmachungs- und Einsatzfähigkeit der „Streitkräfte“. “Eine durchschnittliche Erhöhung der Verfügbarkeit aller europäischen Waffensysteme um nur einen Prozentpunkt brächte das gleiche Ergebnis wie Neuinvestitionen von 10 Milliarden Dollar“.

Drittens soll die Beschaffung von Waffen und anderer Rüstung im Rahmen der EU harmonisiert und auf wenige Typen beschränkt werden, womit Geld für zusätzliche Waffen frei würde.

Viertens bedarf es einer weiteren Konsolidierung der europäischen Verteidigungsindustrie“, heißt es weiter. Im Klartext ist damit eine weitere Konzentration der Rüstungsindustrie und die Herausbildung supranationaler, europäischer Rüstungskonzerne gemeint. Zusätzliche Macht dieser Konzerne bedeutet aber zusätzliches Erpressungspotenzial gegenüber den Regierungen im Hinblick auf weitere und teurere Rüstungsaufträge, bedeutet noch höhere Rüstungsprofite. Etwaige restriktive nationale Bestimmungen beim Waffenexport ließen sich zudem leichter aushebeln.

Fünftens sollte Europa sein Budget für Forschung und Entwicklung im Bereich Verteidigung verdreifachen“, meinen Ischinger und Mattern. Die Erforschung und Entwicklung immer neuer „Super-Waffen“ und Kriegsgerät würde die Rüstungsausgaben weiter explodieren lassen, das Wettrüsten anheizen und bei einer tatsächlichen oder vermeintlichen waffentechnologischen Überlegenheit die Kriegsgefahr und die Versuchung zum Erstschlag und Angriffskrieg erhöhen.

Steigende Verteidigungshaushalte bieten die große Chance, weitere europäische Schritte zu gehen, um Europas Streitkräfte für die Zukunft zu rüsten und langfristig effektiver und effizienter zu organisieren“ heißt es zum Abschluss. Das Ganze läuft auf eine geradezu unheimliche Stärkung der Militärmacht und Feuerkraft der EU- und europäischen NATO-Staaten hinaus. Was nur dann einen „Sinn“ macht, wenn man Russland wieder einmal „totrüsten“ oder einen heißen Krieg in Europa vom Zaun brechen will.

Die am 13. November vereinbarte EU-Militärkooperation PESCO ("Permanent Structured Cooperation") von 23 EU-Staaten ist ein zusätzlicher Schritt in diese Richtung. In ihr verpflichten sich die Pesco-Teilnehmer „regelmäßig den Verteidigungshaushalt real (zu) erhöhen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen“ (zit. nach SZ, 14.12.17). Am 2. Dezember haben sich in Brüssel die 23 Staaten auf Arbeitsebene auf 16 Kooperations-Projekte geeinigt; darunter zu einem gemeinsamen Programm „Verteidigungsforschung“ bis zur Prototypen-Herstellung von Waffen (HB, 4.12.17). Am 11. Dezember sollen in einem Außenministertreffen der Pesco-Staaten in Brüssel die Projekte beschlossen und PESCO endgültig abgesegnet werden. „Es ist ein weiterer Schritt in Richtung der Armee der Europäer“, wie es Verteidigungsministerin von der Leyen formulierte; hin zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigungsunion.

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Bleibt bei soviel „Sicherheits“politik für die Rüstungswahnsinnigen dennoch ein Unsicherheitsfaktor: Die Bevölkerung! Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte so auch vor allzu hochfliegenden Plänen der Militaristen: „In Deutschland sind steigende Verteidigungsausgaben hoch umstritten“, sagte er (zit. nach HB, 1. 12.17). Das sollte sich bei den Anti-Siko-Aktionen im Januar und Februar 2018 bestätigen.

Das Aktionsbündnis gegen die NATO- „Sicherheits“konferenz ruft zur Demo am Samstag, 17. Februar 2018 in München um 13 Uhr am Stachus (Karlsplatz) auf.

Fred Schmid

[1] Redigiert von KN-ADMIN Helmut Schnug. Anders als im Originalartikel des isw handelt es sich nicht um den "Munich Security Report 2018" welcher seit 2015 üblicherweise erst kurz vor oder während der sog. Münchner Sicherheit Konferenz (MSC) zu erwarten ist (16. - 18. Februar 2018), sondern um einen anderen MSC-Report vom 29. Nov 2017 mit dem Titel: "More European, More Connected, More Capable - Building the European Armed Forces of the Future". Dieser Report und die 3 bisherigen MSC Jahresberichte 2015, 2016 und 2017 findet Ihr als PDF zum Download am Seitenende - bitte dazu runterscrollen.


 

  Quelle: Erstveröffentlicht am 05. Dezember 2017 bei isw-München >> Artikel.

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Bild- u. Grafikquellen:

1. Cover des MSC-Reports vom 29. Nov 2017 mit dem Titel: "More European, More Connected, More Capable - Building the European Armed Forces of the Future". Foto: MSC.

2. Wenn es um Russland geht, werden amerikanische Politiker hysterisch. Egal, was auf der Welt geschieht – es gibt kaum eine negative Meldung, deren Ursache nicht umgehend Russland oder dem russischen Präsidenten zugeschrieben wird. Karikatur: Davide Bonazzi for the boston globe >> Artikel mit Bild.

3. Wolfgang Ischinger und Kriegsministerin Ursula von der Leyen während der Münchner Sicherheitskonferenz 2017, 17. Februar 2017. - (Engl.): Wolfgang Ischinger (Ambassador, Chairman of the Munich Security Conference; left) and Ursula von der Leyen (Federal Minister of Defence, Federal Republic of Germany; Member of the Advisory Council, Munich Security Conference) at the book launch of "Deutschlands Neue Verantwortung". Foto: Mueller / MSC. Quelle1: MSC-Seite / Pressefoto. Quelle2: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 Deutschland“ lizenziert.

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Hannes Hofbauer verfolgt das Phänomen der Russophobie zurück bis ins 15. Jahrhundert, als der Zar im Zuge der kriegerischen Reichsbildung gegen Nordwesten zog. Es ging um Herrschaft, Konkurrenz und Meereszugang. Der Kampf um reale wirtschaftliche und (geo)politische Macht wurde auch damals schon ideologisch begleitet: Der Russe galt seinen Gegnern als asiatisch, ungläubig, schmutzig und kriecherisch, Stereotypen, die sich über Jahrhunderte erhalten haben.

Das Feindbild-Paradigma zieht sich wie ein roter Faden durch die Rezeption Russlands im Westen. Aktuell reagiert diese empört auf die Politik des Kreml, der mit der Machtübernahme Wladimir Putins innenpolitisch auf Konsolidierung und außenpolitisch auf Selbständigkeit setzt. Die Wegmarken der neuen Feindschaft sind zahlreich. Sie reichen vom Krieg der NATO gegen Jugoslawien (1999) über die Verhaftung des Oligarchen Michail Chodorkowski (2003) und die Osterweiterung der NATO, den mit US- und EU-Geldern unterstützten „Farbrevolutionen“ bis zum Krieg um die georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien (2008) und hinterlassen die bislang tiefste Kluft im Kampf um die Ukraine (2015), die am überwunden geglaubten West-Ost-Konflikt auseinander gebrochen ist.

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