Sicherheitsleistungen entmündigen Flüchtlinge

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Ulla Jelpke
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Sicherheitsleistungen entmündigen Flüchtlinge
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Sicherheitsleistungen entmündigen Flüchtlinge

von MdB Ulla Jelpke

„Die Bundespolizei hat im vergangenen Jahr 349.438,97 Euro von Flüchtlingen eingezogen, um die Kosten für Sozialleistungen, aber auch für etwaige Abschiebungen abzudecken. Dieses Vorgehen halte ich für äußerst problematisch“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion. Jelpke weiter:


„Bei der Einziehung der sogenannten Sicherheitsleistungen handelt es sich faktisch um umfangreiche Beschlagnahmungsaktionen. Die Flüchtlinge müssen nicht nur fast ihr gesamtes Bargeld abgeben, es kann ihnen vielmehr auch jegliches sonstige Vermögen abgenommen werden, wie etwa Schmuck o. Telekommunikationsgeräte.

Es spricht nichts dagegen, dass die wenigen Vermögenden unter den Flüchtlingen zu ihrer Versorgung beitragen – sie kommen ja in der Regel auch hierher, um selbstbestimmt zu leben. Das wird aber gerade verhindert, wenn man ihnen nur einen Selbstbehalt von wenigen hundert Euro lässt. Das halte ich unverhältnismäßig und integrationshemmend. Ihre Bedürftigkeit wird auf diese Weise erst hergestellt. Und die Kosten für eine Abschiebung schon dann einzuziehen, wenn noch nicht einmal über das Asylgesuch entschieden ist, ist aus meiner Sicht extrem fragwürdig.“


Nachfolgend die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Die Drucksache enthält zusätzlich – in grünen Schriftzeichen – den Fragetext.

Ulla Jelpke, www.ulla-jelpke.de/



 Drucksache 18/7735 – 17.03.2016

Einziehung von Geld und Wertsachen (Sicherheitsleistungen) von Asylsuchenden

Vorbemerkung der Fragesteller

Die Behörden von Bund und Ländern können von Asylsuchenden Sicherheitsleistungen einbehalten, um die Kosten von Abschiebungen (§ 66 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 7a AsylbLG) zu decken.

Aus Sicht der Fragesteller sind die gesetzlichen Regelungen unverhältnismäßig. Zwar spricht nichts dagegen, dass die – mutmaßlich sehr wenigen – Wohlhabenderen unter den Flüchtlingen ihre Lebensführung in Deutschland selbst finanzieren. Allerdings wird ihnen die Möglichkeit eigenbestimmter Lebensführung genommen, wenn ihnen die Barmittel oder Vermögenswerte von Anfang an abgenommen werden. Sie erhalten nicht die Chance, unabhängig von Sozialleistungen zu leben, sondern durch diese Beschlagnahmungen („Sicherheitsleistungen“) wird vielmehr ihre sofortige Hilfsbedürftigkeit hergestellt.
 

Auch die Kosten für etwaige Zurückführungen oder Abschiebungen können schon zu einem Zeitpunkt als Sicherheitsleistung einbehalten werden, zu dem überhaupt noch keine vollziehbare Ausreiseaufforderung vorliegt.

Nach – vorläufigen – Angaben der Bundesregierung hat die Bundespolizei im Jahr 2015 Sicherheitsleistungen nach § 66 Absatz 5 AufenthG in Höhe von fast 350 000 Euro erhoben (Antwort auf die Mündliche Frage 13 der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 27. Januar 2016 auf Bundestagsdrucksache 18/7330).

Nach Angaben der Rechtsanwältin Gisela Seidler erhalten die Asylsuchenden hierüber keine Abrechnung (Kölner Stadt-Anzeiger, 21. Januar 2016).

Diesbezüglich, wie auch im Hinblick auf die Rückzahlungs- und Verzinsungsmodalitäten sehen die Fragesteller Klärungsbedarf. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Asylsuchende – anders als normale „Hartz-IV“-Bezieher – kaum Freibeträge behalten dürfen. Je nach Bundesland wird ihnen allenfalls ein dreistelliger Betrag belassen, wohingegen im „Hartz-IV“-System lebensaltersabhängige Freibeträge gelten, die Erwachsenen mehrere Tausend Euro als Schonvermögen einräumen.


1. Welche Behörden in Bund und Ländern sind nach Kenntnis der Bundesregierung zur Einbehaltung von Sicherheitsleistungen von Asylsuchenden berechtigt, und auf welcher Grundlage (bitte ggf. nach AufenthG und AsylbLG differenzieren)?


Eine Sicherheitsleistung für Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen (vgl. § 66 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) kann von der gemäß § 71 AufenthG zuständigen Behörde verlangt werden (vgl. Ziff. 66.5.1. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG).
 

Im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gilt der Grundsatz der Selbsthilfe. Nach dem AsylbLG sind daher – wie auch im Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch – verfügbares vorhandenes Einkommen und Vermögen von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Wenn feststeht, dass die Leistungsberechtigten über vorhandenes Vermögen verfügen, kann gemäß § 7a des AsylbLG wegen der ihnen und ihren Familienangehörigen zu gewährenden Leistungen Sicherheit verlangt werden, soweit das Vermögen nach § 7 AsylbLG anrechenbar ist. Zuständig für die Anordnung dieser Sicherheitsleistung sind die Träger des AsylbLG.


2. Welche Maßnahmen sind den jeweiligen Behörden gestattet, um das Vorhandensein von Barmitteln oder Wertgegenstände festzustellen (bitte Rechts- oder Ermächtigungsgrundlage benennen)?

Welche Anforderungen werden dabei an das zuständige Personal gestellt?


Die Länder führen sowohl das Aufenthaltsgesetz als auch das AsylbLG als eigene Angelegenheit aus. Erkenntnisse dazu, wie sich der Vollzug im Einzelnen gestaltet, liegen der Bundesregierung daher nicht vor.

Die Bundespolizei kann für die Kosten der „Abschiebungen an der Grenze“ auf der Grundlage von § 66 Absatz 5 i. V. m. § 71 Absatz 3 Nummer 1a und 1b AufenthG eine Sicherheitsleistung verlangen.

Sie kann eine Person nach den Bestimmungen des Bundespolizeigesetzes nur zu präventiven Zwecken aus Gründen der Gefahrenabwehr bzw. der Identitätsfeststellung durchsuchen. Durchsuchungen allein zum Auffinden von Wertgegenständen sind gesetzlich nicht vorgesehen und finden auch nicht statt.


3. In welcher Höhe hat die Bundespolizei im Jahr 2015 Sicherheitsleistungen erhoben (bitte nach Rechtsgrundlagen unterscheiden und differenzieren, inwiefern es sich um Wertgegenstände oder Barmittel handelte)?


Durch die Bundespolizei wurden nach bisherigen Berechnungen im Jahr 2015 insgesamt Sicherheitsleistungen in Höhe von 349 438,97 Euro gemäß § 66 Absatz 5 AufenthG erhoben. Da noch nicht alle Kostenakten aus dem Jahr 2015 beim Bundespolizeipräsidium eingegangen sind, sind statistische Angaben im Sinne der Fragestellung derzeit aber nicht belastbar möglich.


4. Wer genau ist dazu berechtigt, die Einbehaltung einer Sicherheitsleistung nach § 66 Absatz 5 AufenthG zur Deckung etwaiger Rückführungs-/Abschiebekosten anzuordnen?


Zur Ausgangsfrage wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.


a) Zu welchem Zeitpunkt kann eine solche Einbehaltung frühestens vorgenommen werden?

b) Ist für die Einbehaltung eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit einer späteren Rückführung bzw. Abschiebung notwendig, und wenn ja, auf welcher Grundlage ist der mit der Einbehaltung beauftragte Beamte zu einer solchen Prognose in der Lage?


Die Fragen 4a und 4b werden gemeinsam beantwortet.

Für den Fall einer Auflage zur Ansparung von Rückreisekosten hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die ernste Möglichkeit genügt, dass der Kläger demnächst ausreisen muss und dann nicht in der Lage sein wird, seiner Pflicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nachzukommen bzw. von ihm zu tragende Abschiebungskosten zu begleichen (BVerwGE 64, 285).

Der frühestens mögliche Zeitpunkt kann angesichts der verschiedensten denkbaren Fallkonstellationen abstrakt nicht bestimmt werden.


c) Inwiefern sind Rechtsmittel gegen eine Beschlagnahmung möglich, und wie oft wurden solche Rechtsmittel in den Jahren 2015, 2014 und 2013 eingelegt (bitte nach Jahren und ggf. Rechtsmitteln differenzieren)?


Soweit es sich um den Vollzug durch Landesbehörden handelt, liegen der Bundesregierung hierzu keine Informationen vor.

Gegen die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch die Bundespolizei kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Statistische Angaben hierzu werden durch die Bundespolizei nicht erhoben.


5. Wo und von wem genau werden die einbehaltenen Barmittel sowie Wertgegenstände nach § 66 Absatz 5 AufenthG jeweils aufbewahrt?


Soweit es sich um den Vollzug durch Landesbehörden handelt, liegen der Bundesregierung hierzu keine Informationen vor.

Bei der Bundespolizei werden die einbehaltenen Barmittel täglich auf ein Verwahrungskonto bei der Bundeskasse überwiesen. Sicherheitsleistungen in Form von Sachwerten werden von der Bundespolizei schon wegen des hohen administrativen Aufwands (Verwahrung/Verwertung) selten verlangt. Soweit möglich, werden zur Sicherung der Zurückweisung auf dem Luftwege Flugscheine einbehalten.


6. Werden einbehaltene Barmittel in den Fällen, in denen die betreffenden Personen abgeschoben werden und nach Abzug der Abschiebekosten ein „Restguthaben“ bleibt oder aber die Personen freiwillig auf eigene Kosten ausreisen, vor Durchführung der Abschiebung ausbezahlt oder erst danach?

Falls letzteres, wie gestaltet sich diese Auszahlung konkret?

Wie häufig waren solche Fälle im Jahr 2015?


Soweit es sich um den Vollzug durch Landesbehörden handelt, liegen der Bundesregierung hierzu keine Informationen vor.
 

Im Rahmen der Zuständigkeit der Bundespolizei erfolgt die Auszahlung eines Restguthabens nach Abschluss des Verfahrens an den Betroffenen unmittelbar bzw. an einen nach §15 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) benannten Empfangsbevollmächtigten. Die Häufigkeit der Fälle wird statistisch nicht erfasst.


7. Inwiefern erhalten die betreffenden Personen bei Verwendung der Sicherheitsleistung für die Deckung der Abschiebungskosten eine vollständige Kostenaufstellung?


Nach Abschluss der Maßnahme wird gemäß § 67 Absatz 3 AufenthG ein Leistungsbescheid über die Höhe der Gesamtkosten erlassen. Dieser beinhaltet auch eine Kostenaufstellung. Im Rahmen der Zuständigkeit der Bundespolizei wird dieser an den Betroffenen unmittelbar bzw. an einen nach § 15 VwVfG benannten Empfangsbevollmächtigten zugestellt.


8. Wie häufig hat die Bundespolizei im Jahr 2015 Wertgegenstände einbehalten?


Diese Angaben werden von der Bundespolizei statistisch nicht erfasst.


a) Um welche Art Wertgegenstände handelte es sich dabei (bitte soweit möglich vollständig angeben, falls das nicht möglich sein sollte, summarisch angeben)?

b) Wie gestaltet sich die allfällige Verwertung einbehaltener Wertgegenstände?

Inwiefern hat der Eigentümer die Möglichkeit, die Wertgegenstände gegen die Zahlung einer entsprechenden Geldsumme auszulösen?


Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen.


c) In welchem Umfang (Erlös) wurden im Jahr 2015 Wertgegenstände verwertet, und in welchem Jahr wurden diese als Sicherheitsleistung einbehalten?


Diese Angaben werden statistisch nicht erfasst.


d) Was geschieht, wenn die Verwertung von Wertgegenständen nach Verrechnung mit allfälligen Kosten ein „Restguthaben“ ergibt?

Inwiefern wird dieses ausbezahlt oder den betroffenen Personen in ihre Heimatländer überwiesen, und was geschieht, wenn sie dort nicht erreichbar sind?


Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen.


9. Wer bzw. welche Behörde oder welches Gremium legt fest, welche Wertgegenstände aufgrund welcher genauen Kriterien einbehalten werden dürfen?

a) Gibt es Wertgegenstände, deren Einbehaltung untersagt ist, und wenn ja, welche, und auf welcher Rechtsgrundlage?

b) Gehören Mobiltelefone und Laptops zu den nicht einzubehaltenden Wertgegenständen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu belassen, mit Angehörigen zu kommunizieren, und wenn nein, warum nicht?

c) Inwieweit und aufgrund welcher Definitionen und Kriterien gehören Eheringe, Familienerbstücke oder traditioneller Hochzeitsschmuck dazu?


Die Fragen 9, 9a bis 9c werden gemeinsam beantwortet.

Für die Vermögensanrechnung im AsylbLG und die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 7a AsylbLG ergeben sich die Vorgaben für die zuständigen Behörden unmittelbar aus dem AsylbLG. Diese ergeben sich zu Beginn des Aufenthalts aus § 7 AsylbLG. Danach gilt seit dem 1. März 2015 ein allgemeiner Vermögensfreibetrag in Höhe von jeweils 200 Euro für den Leistungsberechtigten und seine Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben (§ 7 Absatz 5 AsylbLG). D. h. Geld, aber auch verwertbare Vermögensgegenstände (wie z. B. ein Mobiltelefon oder Laptop) bis zum Wert von 200 Euro sind pro Person frei zu lassen.

Zusätzlich zum allgemeinen Vermögensfreibetrag sind nach § 7 Absatz 5 AsylbLG solche eigenen Vermögensgegenstände nicht zu verwerten, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind. So bleiben etwa Gegenstände wie Schutzkleidung, Werkzeuge, Mobiltelefon und ähnliches außer Betracht, wenn sie dem o. g. Ziel dienen. Diese Regelung erlaubt jedoch keine Neufestsetzung der Vermögensfreibetragsgrenze, sondern verlangt eine Prüfung im Einzelfall. Eine dem § 90 Absatz 2 Nummer 6 SGB XII vergleichbare Freilassung für Familien- und Erbstücke kennt § 7 AsylbLG nicht.

Da die Länder das AsylbLG und das AufenthG als eigene Angelegenheit ausführen, liegen der Bundesregierung darüber hinaus keine Erkenntnisse vor, wie sich der Vollzug des AsylbLG bei der Vermögensanrechnung in den einzelnen Bundesländern gestaltet.


10. In welcher Höhe haben die Behörden der Länder im Jahr 2015 nach Kenntnis der Bundesregierung Sicherheitsleistungen von Asylsuchenden einbehalten (bitte soweit möglich nach Rechtsgrundlagen differenzieren)?


Zum Vollzug durch die Landesbehörden liegen der Bundesregierung keine Informationen vor.


11. In welchem Umfang haben die Behörden der Länder im Jahr 2015 nach Kenntnis der Bundesregierung Wertgegenstände einbehalten, und um welche Art Wertgegenstände handelte es sich dabei (bitte soweit möglich vollständig angeben, falls das nicht möglich sein sollte, summarisch angeben)?

12. Wie gestaltet sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Umgang mit Sicherheitsleistungen, die von den Behörden eines Bundeslandes erhoben wurden, wenn der Asylsuchende vor dem „Aufbrauchen“ der einbehaltenen Mittel in ein anderes Bundesland verlegt wird?

13. Was geschieht nach Kenntnis der Bundesregierung mit Asylsuchenden, die sich einer Leibesvisitation zum Zweck der Feststellung etwaiger Barmittel oder sonstiger Vermögenswerte verweigern?

Inwiefern haben sie mit Anwendung von Gewalt, Zwang oder mit negativen Folgen für ihr Asylverfahren zu rechnen (bitte ggf. nach Bundesländern differenzieren)?

14. Erhalten die betroffenen Asylsuchenden eine Quittung über die einbehaltenen Barmittel oder Vermögenswerte, und wenn ja, durch welche Behörde?

15. Auf welcher Grundlagen entscheidet das durchführende Personal, ob Wertgegenstände zu beschlagnahmen sind?

Inwiefern sind sie darin geschult, etwa zu erkennen, ob es sich bei Schmuckstücken um wertvolle Juwelen oder um Modeschmuck handelt?


Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen.


16. Welche Regelungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich der Beschlagnahmung von Schmuck, der – insbesondere bei Eheringen usw. – von hoher symbolischer Bedeutung für die Besitzer sein kann?


Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen.


17. Inwiefern ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, den – mutmaßlich wenigen – Wohlhabenderen unter den Flüchtlingen so gut wie alle Barmittel und Wertgegenstände abzunehmen und sie dadurch erst in den Stand der Bedürftigkeit zu versetzen, anstatt ihnen zu ermöglichen, solange wie möglich auf den Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG zu verzichten und ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (bitte begründen)?


Auf die Antwort zu Frage 19 wird verwiesen.


18. Welchen Selbstbehalt setzt die Bundespolizei bei der Erhebung von Sicherheitsleistungen nach § 66 Absatz 5 AufenthG an, und auf welcher Grundlage?

Inwiefern gibt es diesbezüglich entsprechende Rechts- oder Verwaltungsvorschriften?


Auf Ziffer 66.5.6. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG wird verwiesen. Im Übrigen bemisst sich die Höhe des Selbstbehalts nach dem Einzelfall. Hierbei ist zu beachten, dass im Rahmen der Zuständigkeit der Bundespolizei nach § 66 Absatz 5 AufenthG (also u. a. bei Zurückweisungen, Zurückschiebungen) die Aufenthaltsbeendigung in der Regel unmittelbar bevor steht.


19. Inwiefern legen die Länder nach Kenntnis der Bundesregierung den Asylsuchenden, denen Barmittel oder Wertgegenstände nach § 7a AsylbLG abgenommen wurden, vollständige Abrechnungen über die erbrachten Leistungen vor?

Inwiefern haben die Betroffenen die Möglichkeit, einen Verzicht auf bestimmte Leistungen zu erklären (etwa zur Verfügung gestellte Lebensmittel), um den entsprechenden Barwert zu behalten und sich selbst zu versorgen?


Zum ersten Teil der Frage 19 liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, da die Länder für den Vollzug des Leistungsrechts und damit auch das Einbehalten von Sicherheitsleistungen nach § 7a AsylbLG zuständig sind.

Zum zweiten Teil der Frage 19:

Asylbewerber können – auch dann, wenn sie über eigene Mittel verfügen – nicht frei entscheiden, wo sie sich im Bundesgebiet aufhalten. Asylbewerber, die den Asylantrag bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen haben, sind – unabhängig von ihrer Bedürftigkeit – verpflichtet, für bis zu sechs Monaten in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Absatz 1 des Asylgesetzes – AsylG). Im Anschluss sieht das Asylgesetz regelmäßig eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vor (§ 53 AsylG).

Die Leistungsform in den Einrichtungen ist teilweise gesetzlich zwingend vorgegeben, teilweise wird sie von den Leistungsbehörden vorgegeben (vgl. § 3 Absatz 1 und 2 AsylbLG).

Bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, sind die Leistungsberechtigten daher nach dem AsylbLG verpflichtet, soweit bei ihnen anrechenbares Einkommen und Vermögen vorhanden ist, dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten für erhaltene Leistungen in entsprechender Höhe sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen (§ 7 Absatz 1 AsylbLG). Der Umfang der Einkommens- und Vermögensanrechnung ist in § 7 AsylbLG geregelt. Insofern wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen.


20. Inwiefern werden zurückzuzahlende (nicht aufgebrauchte) Barmittel oder Wertgegenstände verzinst?


Der Vollzug des AsylbLG ist Ländersache. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.


21. Welche Bundesländer verzichten nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Einbehaltung von Sicherheitsleistungen nach § 7a AsylbLG und frieren stattdessen lediglich die Auszahlung des sog. Taschengeldes ein, bis das Vermögen der Asylsuchenden aufgebraucht ist bzw. den Selbstbehalt erreicht hat?


Der Vollzug des AsylbLG ist Ländersache. Der Bundesregierung liegen dazu keine gesicherten Erkenntnisse vor.

Deutscher Bundestag - Drucksache 18/7912 - 17.03.2016
 



Bild- und Grafikquellen:

1. Ursula (Ulla) Jelpke, Feb. 2015. Von 1990 bis 2002 gehörte sie dem Bundestag (parteiloses Mitglied der PDS-Abgeordnetengruppe). Von 2002 bis 2005 war sie Ressortleiterin für Innenpolitik bei der jungen Welt. Seit 2005 gehört sie für die PDS bzw. Linke wieder dem Bundestag an. Ulla ist Mitherausgeberin des Magazines OSSIETZY. > ihre Webseite. Foto: DIE LINKE Nordrhein-Westfalen. Quelle: Flickr. Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

2. Sicherheitsleistungen entmündigen Flüchtlinge. Die Flüchtlinge müssen nicht nur fast ihr gesamtes Bargeld abgeben, es kann ihnen vielmehr auch jegliches sonstige Vermögen abgenommen werden, wie etwa Schmuck oder Telekommunikationsgeräte. Die Kosten für eine Abschiebung schon dann einzuziehen, wenn noch nicht einmal über das Asylgesuch entschieden ist, ist aus Sicht von MdB Ulla Jelpke extrem fragwürdig.

Foto: Metropolico.org . Quelle: Flickr. (Foto ist nicht mehr verlinkbar). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

3. Systematische Entrechtung: Die gesetzlich normierte Ausgrenzung von Schutzsuchenden aus den so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“. Menschen aus den so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ werden im deutschen Asyl- und Aufenthaltsrecht zunehmend entrechtet: Besondere, zentrale Aufnahmelager sollen dafür sorgen, dass den Betroffenen die Solidarität der Zivilgesellschaft nicht mehr zuteil werden kann.

Neu eingeführte Arbeitsverbote und Residenzpflicht, Schnellverfahren, unangekündigte Abschiebungen, Sozialleistungskürzungen sind im Ergebnis die Perfektionierung der Integrationsverhinderung. Die Betroffenen werden nahezu jeglicher verfahrenstechnischer wie auch materieller Rechte beraubt, politische Ziele sind Ausreise und Abschiebung um jeden Preis. Text und Grafik: GGUA.

4. HUMAN RIGHTS - HUMAN LOOK RIGHTS. Foto: Steve Parkinson. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

5. Transparent "NAZIS MORDEN, DER STAAT SCHIEBT AB . . . ". Eine Bewegung lässt sich nicht räumen - Bleiberecht für alle! Es ist an der Zeit, die Flüchtlings- und Migrationspolitik auf Bundes-, aber auch auf lokaler und Länderebene zu verändern. Der Berliner Senat könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er hat alle notwendigen Mittel für eine demokratische, humanitäre Lösung des aktuellen Konflikts in der Hand.
Foto: Uwe Hiksch. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

6. Textgrafik: BLUTSPUR DER NATO - KRIEG GEGEN FLÜCHTLINGE. Abschottung der EU verschärft das Flüchtlingsdrama und macht Mittelmeer zum Massengrab. Grafik: Wolfgang Blaschka (WOB), München.