Sprachlupe: Zu viel Englisch?
Ist doch nur Code-Switching!
von Daniel Goldstein für INFOsperber
Mit der Aufnahme in den Duden gelten englische Wörter auch als deutsch. Das finde ich unnötig, wenn sie zum Fachsimpeln dienen.
Haben Sie heute schon gemappt? Wahrscheinlich nicht, wenn Sie nicht gerade damit beschäftigt sind, Datenbanken zusammenzuführen oder aber Landkarten zu erstellen. In der ersten fachsprachlichen Bedeutung, «Daten aufeinander abbilden», taucht das Verb im neuen Duden auf, aber das hat mir beim Lesen meines Leibblatts nicht geholfen: Da stand, vor fünf Jahren sei die tansanische Stadt 'Dar es Salaam' «erst in ihren groben Strukturen gemappt» gewesen, seither aber hätten gemeinnützige Kartografen für Abhilfe gesorgt. Die redeten wohl englisch darüber.
Sie haben die Stadt also kartiert oder kartografiert, aber diese im Deutschen längst etablierten Wörter kamen offenbar weder der Redaktion noch den je zwei Männern und Frauen in den Sinn, die am Artikel mitgeschrieben hatten. Wird uns die zusätzliche Bedeutung von «mappen» in der nächsten Duden-Auflage begegnen? Wenn sie einreisst, wahrscheinlich schon, aber da es bereits ein deutsches Wort gibt, das bloss einen Buchstaben länger ist, stehen die Chancen schlechter als fürs Mapping von Datensätzen, das man ohne Englisch mühsam umschreiben müsste.
► Mehrere Jahre «Lockdown»?
Unter den 3000 neuen Wörtern im Duden stammen viele aus dem Englischen, wie: Fridays for Future, haten, Hatespeech, hypen, Influencer, Lockdown, oldschool, Social Distancing, Uploadfilter, whatsappen. Der Duden stellt laut seinen Vorbemerkungen bei der Aufnahme vor allem auf den «allgemeinen Gebrauch» ab, wie er aus elektronisch greifbaren Publikationen hervorgeht. Nur auf duden.de findet sich die Präzisierung, ein Wort müsse «in einer gewissen Häufigkeit auftreten, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, am besten über mehrere Jahre».
Bei den Wörtern, die sich jüngst mit Virengeschwindigkeit verbreitet haben, nimmt die Redaktion wohl an, sie würden uns noch mindestens über mehrere Jahre begleiten. So willig der Duden Wörter aufnimmt: Er kann niemals Schritt halten mit dem Englisch, das manche ohne Rücksicht auf den allgemeinen Gebrauch oder die Verständlichkeit gern einflechten, seien sie im Management oder im Marketing tätig – oder im Journalismus.
Da findet mein Leibblatt einen TV-Moderator «viril und geladen und on the edge», was auch im Englischen erklärungsbedürftig wäre, und da ist eine «Multimedia-Show in jeder Hinsicht bigger than life», also überlebensgross, nur ist das auf Deutsch keine Redensart. Besonders wo es um Filme geht, bleibt man gern beim Originalton, mit Snipers und Heist-Movies oder mit Darstellern, die «poshes britisches Englisch reden». Auch die Realität bleibt nicht verschont: Da vollzieht die FDP punkto Umwelt einen «U-Turn», da sind touristische «Hotspots overcrowded» und bei Robotern braucht «die Implementation extrem viel Brainwork».
► Was ist «Code-Switching»? Eben das!
Reden zwei miteinander, die eine gemeinsame Zweitsprache haben, Secondos etwa, so flechten sie oft Brocken daraus ein, die für sie treffender sind. Das Fachwort dazu lautet Code-Switching und ist für Laien just ein Beispiel. Wissenschafter codeswitchen gern, wenn ihr Fach viel mit Fremdsprachigem operiert, heute meistens mit Englischem. In den Duden hat es der Ausdruck noch nicht geschafft, wohl aber seit längerem «switchen» für «(hin und her) wechseln». So «switcht» laut einer Rezension die Sprache der Autorin Kübra Gümüsay – nicht ins Türkische, sondern «elegant vom Persönlichen ins Grundsätzliche».
Das häufige Aufblitzen von Englisch in deutschen Texten als Code-Switching zu sehen, erspart viel Kopfzerbrechen darüber, ob Wörter wie «Brainwork» nun auch schon deutsch seien. Man kann derlei als stilistische Eleganz betrachten oder auch als Imponiergehabe – oder als blosse Gedankenlosigkeit und Bequemlichkeit. Das Lesen so eines Texts braucht dafür «extrem viel Brainwork», etwa wenn nach «gemappt» in der gleichen Zeitungsausgabe auch noch zu lesen ist: «Angesichts des verblassten Bromance-Trends im Kino wirkt ‹The Climb› wie ein spätes Management Summary.» Man sagt doch «Executive Summary»!
Daniel Goldstein für die Online-Zeitung INFOsperber .
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Der Autor Daniel Goldstein war Redaktor beim «Sprachspiegel» und zuvor beim Berner «Bund». Dort schreibt er die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.
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Lesetipps zum Thema Sprache und Rechtschreibung von Helmut Schnug:
»Mieterversammlung – laut Duden ohne Frauen. Aus 'jemand' wird in Wörterbuch-Definitionen 'männliche Person'.« von Daniel Goldstein für INFOsperber, ins KN übertragen am 3. Februar 2021 >> weiter.
»Volk oder mehrere Leute? Wir Deutsche oder wir Deutschen?« von Egon W. Kreutzer, Elsendorf, ins KN übertragen am 23. Oktober 2020 >> weiter.
»Sprachlupe: Zu viel Englisch? Ist doch nur Code-Switching!« von Daniel Goldstein für INFOsperber, ins KN übertragen am 18. Oktober 2020 >> weiter.
»Mehrsprachige Lebenswelt der Menschen in Österreich. Sprachstatistiken: Kategorisierungen mit weitreichenden Folgen.« von Sabine Lehner / A&W blog, ins KN übertragen am 13. Mai 2020 >> weiter.
»Good bye, expert. Welcome, stupid! Eingeständnis einer kollektiven Verblödungssehnsucht.« von Egon W. Kreutzer, ins KN übertragen am 22. April 2020 >> weiter.
»Der große Bluff. Wie der Staat sich die Herrschaft über die Sprache sicherte.« von Roman Müller / RUBIKON, ins KN übetragen am 12. Mai 2018 >> weiter.
»REGELUNGSGEWALT. Hintergründe der Rechtschreibreform« von Theodor Ickler, 2004, 291 Seiten.
»Sprachwissenschaftliches Gutachten zur Petition zur Beendigung des Rechtschreibreformprojekts« von Theodor Ickler, 2004, 6 Seiten.
»Die sogenannte Rechtschreibreform – ein Schildbürgerstreich« von Theodor Ickler, 1997, 98 Seiten.
»Ablenkungsmanöver. Eine Replik auf Gerhard Augst/Burkhard Schaeder: Rechtschreibreform - Antwort an die Kritiker« von Theodor Ickler, 1997.
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► Quelle: Der Artikel wurde von Daniel Goldstein am 05. September 2020 erstveröffentlicht auf INFOsperber >> Artikel.
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1. Handlupe - Duden: Foto: monika1607 / Monika Schröder. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
2. UNION JACK. »YOU MAKE ME FOXDEVILSWILD« (Sprachverhunzung, Sprachvergewaltigung, Sprachverwahrlosung). Foto: Mark Seton. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).
3. Buchcover: »Sprache und Sein« von Kübra Gümüsay, Hanser Literaturverlage, erschienen Jan. 2020, fester Einband, 208 Seiten, ISBN 978-3-446-26595-0, Preis: 18,00 € [D], 18,50 € [A]. Auch erhältlich im ePUB-Format, E-Book ISBN 978-3-446-26689-6, E-Book Deutschland: 13,99 € .
Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüsay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein.
In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen.
Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse – anders miteinander kommunizieren? >> Leseprobe. (PDF).
Inhalt
Die Macht der Sprache . . . . . . . 11
Zwischen den Sprachen . . . . . . . 27
Die Lücke ist politisch . . . . . . . 45
Individualität als Privileg . . . . . . . 63
Wissen ohne Wert . . . . . . . 79
Die intellektuelle Putzfrau . . . . . . . 95
Die Agenda der Rechten . . . . . . . 117
Der Absolutheitsglaube . . . . . . . 133
Frei sprechen . . . . . . . 147
Ein neues Sprechen . . . . . . . 167
Dank . . . . . . . 185
Nachweise und Anmerkungen . . . . . . . 189