Wahlen ändern nichts. Scheingefechte zwischen Pest und Cholera

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Ernst Wolff
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Verbunden: 17.02.2015 - 23:40
Wahlen ändern nichts. Scheingefechte zwischen Pest und Cholera
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Wahlen ändern nichts

Scheingefechte zwischen Pest und Cholera

Ob es um das Amt des Präsidenten der USA, die Posten im Berliner Senat oder die Zusammensetzung der Gemeinderäte in der niedersächsischen Provinz geht – Wahlen haben heute alle eines gemeinsam: Sie ändern nichts.

Es handelt sich um reine Scheingefechte, bei denen die beteiligten Akteure sehr genau darauf achten, die wirklich brennenden Fragen zu umgehen und die Wählerschaft von den wahren Verursachern der derzeitigen Probleme abzulenken.

Die Mittel, mit denen die Wahlkandidaten arbeiten, sind nicht neu: Es werden Vorurteile bedient, Feindbilder aufgebaut und Ängste geschürt – eine sichere Methode, um die Wähler zu verunsichern und ihren Blick auf die drängendsten Probleme der Gegenwart zu vernebeln.

► Das größte Problem unserer Zeit

Das Hauptproblem unserer Zeit, das eigentlich im Mittelpunkt eines jeden Wahlkampfes stehen müsste, ist die rasante Zunahme der sozialen Ungleichheit. Nach Angaben der Hilfsorganisation OXFAM verfügten 2014 85 Einzelpersonen über ein Vermögen, das dem Besitz der ärmeren Hälfte der Menschheit entspricht. 2015 waren es nur noch 62 Personen.

So erschreckend die Zahlen sind, es handelt sich dabei nur um die Spitze eines Eisberges: In den USA leben inzwischen 60 Millionen Menschen von Essenmarken, Hunderttausende mussten Häuser und Wohnungen aufgeben und leben in Zeltstädten. Die Obdachlosigkeit unter sozial Schwachen nimmt zu, die Lebenserwartung ab. Gleichzeitig haben die Spitzenverdiener in den USA ihr Vermögen kontinuierlich vermehrt.

In Deutschland arbeiten mehr als 25 % der Beschäftigten im Niedriglohnsektor, die Leiharbeit boomt, immer häufiger werden Löhne durch „Werkverträge“ gedrückt. Während die Kinderarmut wächst, nimmt das Einkommen derer, die von ihrem Vermögen leben können, ebenfalls überproportional zu.

Europaweit sieht die Lage noch schlechter aus. Vor allem der jüngeren Generation rauben Arbeitslosigkeit, mangelnde Ausbildungsmöglichkeiten und zunehmend schwierigere soziale Verhältnisse die Zukunftsperspektive, und das nicht nur im Süden, sondern auch im benachbarten Frankreich.

► Die Ursache wird verschwiegen

Die beschriebene Entwicklung ist kein Zufall, sondern das Produkt einer weltweit betriebenen Politik. Diese Tatsache aber wird von sämtlichen Wahlkandidaten – ob in den USA oder in der deutschen Provinz - unterschlagen. Offenbar handelt es sich hier um ein Tabu, das niemand anzurühren bereit ist: Es geht nämlich um die Geldpolitik der Zentralbanken.

Leitzins_Leidzins_EZB_Europaeische_Zentralbank_Mario_Draghi_Kritisches_Netzwerk_Notenbank_Strafzins_Negativzins_Finanzkrise_Kapitalismus_Finanzfaschismus_Geldsystem.pngAls das globale Finanzsystem 2008 zusammenzubrechen drohte, sprangen die Regierungen ein und retteten vermögende Investoren mit dem Geld von Steuerzahlern. Obwohl es sich um die in der gesamten Geschichte der Menschheit größte Vermögensumverteilung von unten nach oben handelte, unterwarf sich die Politik bereitwillig der von der Finanzindustrie ausgegebenen Parole, die Banken seien „too big to fail“ (englisch: „Zu groß, um zu scheitern“) .

Die Folge der Bankenrettung waren riesige Löcher in den Staatshaushalten. Um diese zu stopfen, sprangen die Zentralbanken ein. Sie finanzierten bankrotte Staaten durch den Aufkauf von Staatsanleihen, pumpten Billionenbeträge in die Wirtschaft und senkten bis heute weltweit mehr als 660 Mal die Leitzinsen. Parallel dazu erließen sie Austeritätsprogramme, d.h. sie kürzten die Staatsausgaben, erhöhten die Steuern und senkten so den Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung.

► Stabilisiert wird nicht das Finanzsystem

Die meisten Menschen glauben noch heute der offiziellen Version, dass diese Maßnahmen der „Stabilisierung“ des von ihnen nicht verstandenen Finanzsystems dienen. Kaum einer durchschaut ihren tatsächlichen Charakter: Dass sie das System nämlich ganz im Gegenteil destabilisieren und in Wirklichkeit keinem anderen Ziel dienen, als die Lasten der Krise von 2008, die von gewissenlosen Spekulanten verursacht wurde, auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen.

Einige Beispiele: Die Staatsfinanzierung durch den Kauf von Staatsanleihen kam nicht etwa den betroffenen Ländern zugute, sondern diente fast ausschließlich dazu, diesen Ländern die Begleichung ihrer Schulden bei ausländischen Banken zu ermöglichen. Nutznießer waren also nicht die arbeitenden Bürger der unterstützten Staaten, sondern in erster Linie ausländische Großbanken.

Nicht anders verhält es sich mit den Unsummen frisch aus dem Nichts geschöpften Geldes: Allein die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit dem März 2015 mehr als eine Billion Euro „in die Wirtschaft gepumpt“. Offiziell heißt es, das sei nötig, um „die Wirtschaft anzukurbeln“. Das aber ist in den vergangenen acht Jahren nachweislich nicht passiert. Tatsächlich hat die EZB das Geld über private Banken an Investoren ausgegeben, die es großenteils zur Spekulation an den Finanzmärkten einsetzen.

Ähnlich sieht es bei der Senkung der Zinsen aus. Auch hier heißt es, die Maßnahme sei nötig, um „Anreize für Investitionen“ zu schaffen. Tatsächlich wird Spekulanten das Geld zu immer günstigeren Zinsen, zum Teil bereits zum Nulltarif, zur Verfügung gestellt – ein Freibrief, um noch größere Risiken an den Finanzmärkten einzugehen und das System noch instabiler zu machen.

Auch bei der Einführung der „Bail-in“-Regelung (die Beteiligung von Aktionären, Anlegern und Sparern an der Rettung von Banken) handelt es sich keinesfalls um die von der Politik behauptete „Entlastung der Steuerzahler“. Die zur Jahreswende vorgenommenen „Bankenrettungen“ in Italien beweisen, dass sich Großinvestoren rechtzeitig absetzen und vor allem Kleinanleger und die Mittelschicht für die Fehlbeträge aufkommen müssen.

Sämtliche seit 2008 durchgeführten Maßnahmen nützen also nicht der arbeitenden Bevölkerung, sondern ausschließlich der Finanzindustrie und den hinter ihr stehenden Investoren und Spekulanten. Es gibt aber weder in den USA, noch in der deutschen Provinz, auch nur einen einzigen Politiker, der seine Wähler im Wahlkampf über diese Zusammenhänge aufgeklärt hätte.

► Die Manipulation kennt keine Grenzen mehr

Das ist allerdings noch nicht alles. Die angeführten Maßnahmen haben die soziale Ungleichheit nämlich nicht nur verschärft, sondern dabei eine Eigendynamik entwickelt, die sich nicht mehr stoppen lässt und mit unerbittlicher Konsequenz in noch schwereres Wasser führt:

So hat das Gelddrucken riesige Blasen an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten geschaffen, die auf jeden Fall platzen und riesige Vermögenswerte vernichten werden. Die Niedrigzinspolitik hat die Investoren wie Heroinabhängige nach billigem Geld süchtig gemacht und wird mit Sicherheit nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Im Gegenteil: Die vor uns liegende Periode wird wegen weiterer Zinssenkungen im Zeichen von Minuszinsen stehen. Da diese aber zur Hortung von Bargeld führen, wird nach der bereits für den Herbst 2017 geplanten Abschaffung des 500er-Euroscheins die generelle Abschaffung des Bargeldes vorangetrieben werden müssen.

Aber auch das ist noch nicht alles. Um den Zusammenbruch dieses völlig aus den Fugen geratenen Systems zu verhindern, werden immer neue Maßnahmen nötig: Die Stützung von Unternehmen durch den Aufkauf von Firmenanleihen durch die EZB ist da nur ein Schritt, dem weitere folgen werden. Die Schweizer Nationalbank (SNB) ist bereits Großaktionär bei Apple und Google und es gibt keinen Grund, warum die EZB ihrem Beispiel nicht folgen sollte.

Egal, von welcher Seite aus man es betrachtet: Das Finanzsystem steuert auf noch ungehemmtere Manipulation, noch größere soziale Ungleichheit und schlussendlich auf einen historischen Zusammenbruch zu, der zu schwersten gesellschaftlichen Verwerfungen bis hin zu Bürgerkriegen führen wird. Das mit Abstand wichtigste Thema in einem Wahlkampf, der diesen Namen verdient, müsste die Warnung vor dieser Entwicklung sein.

Dennoch hören wir von keinem Politiker auch nur ein Wort darüber. Der Grund dafür ist keinesfalls Unwissenheit, denn die Fakten liegen ja für jeden, der sich informieren möchte, offen auf dem Tisch. Der Grund liegt darin, dass die wirklichen Entscheidungen in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr von der Politik, sondern von der Finanzwirtschaft und deren höchster Interessenvertretung, den Zentralbanken, getroffen werden.

Politiker sind in diesem Spiel nichts anderes als PR-Agenten und Öffentlichkeits-Verwalter der Finanzindustrie. Ihre Aufgabe besteht darin, die wirklichen Probleme zu verschleiern und den Menschen durch Ablenkungsmanöver auf Nebenschauplätze Sand in die Augen zu streuen, damit diejenigen, die vom gegenwärtigen System profitieren, das auch in Zukunft ungehindert tun können.

Zum Lohn für ihre Tätigkeit erhält die politische Kaste materielle Privilegien wie hohe Diäten, großzügige Rentenansprüche, Sonderleistungen, direkten Zugang zu lukrativen Jobs in der Industrie, dem Finanz- oder Stiftungswesen. Außerdem erhalten ihre Vertreter – und das dürfte nicht ganz unwichtig sein – die Möglichkeit, ihre Geltungssucht im Lichte der Öffentlichkeit auszuleben und sich – von der Finanzindustrie wohlwollend geduldet – in den ebenfalls von der Finanzindustrie finanzierten Mainstream-Medien als die Machthaber unserer Zeit aufzuspielen.

Im Grunde bestätigt das Schauspiel, das wir unter dem Titel „Wahlkampf“ alle vier Jahre aufs Neue erleben, die Worte von Kurt Tucholsky, der schon vor einem dreiviertel Jahrhundert gesagt hat: „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie verboten“.

Ernst Wolff, Berlin

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► Bild- und Grafikquellen:

1. Wahlsieger? Sind die Nieten, die das Volk gezogen hat und die anschließend auf Staatskosten vergoldet werden! - Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).

2. LEITZINS von 0,00 % wird für Viele zum Leidzins. Der Leitzins, der bisher bei 0,05 % lag, wurde ab dem 16. März 2016 auf 0,00 % gesenkt. Geschäftsbanken erhalten also in Zukunft von der Notenbank Geld, ohne dafür auch nur einen Cent zu zahlen. Gleichzeitig wird der Strafzins, den Geschäftsbanken zahlen müssen, wenn sie überschüssige Gelder über Nacht bei der Notenbank parken, von -0,3 % auf –0,4 % gesenkt. Bildidee: KN-ADMIN H.S., Techn. Umsetzung: Wilfried Kahrs (WiKa) / QPress.de .

3. "Banken in die Schranken". "Es geht nicht um Banken, es geht um Menschen. Alternativlos." Foto: Jakob Huber / Campact. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

4. "Die Verbindung hochkonzentrierter Unternehmensmacht mit einem autoritären Staat, der die politisch-ökonomische Elite auf Kosten des Volkes bedient, muss korrekterweise als ›Finanz-Faschismus‹ bezeichnet werden." (Robert Scheer, Financial Fascism, The Nation, 24.9.2008 ⇒ Artikel).

Engl. Originalversion: "The marriage of highly concentrated corporate power with an authoritarian state that services the politico-economic elite at the expense of the people is more accurately referred to as “financial fascism. After all, even Hitler never nationalized the Mercedes-Benz company but rather entered into a very profitable partnership with the current car company’s corporate ancestor, which made out quite well until Hitler’s bubble burst."

Grafik nach einer Idee von KN-ADMIN Helmut Schnug; technische Umsetzung: Wilfried Kahrs (WiKa).

5. Finanzkapitalismus: Wir leben in einem totalitären System des Finanzkapitalismus. Dieses regiert nicht mittels offener Gewalt, sondern raffinierter Disziplinierungstechniken. Ständig wird uns eingeredet, wir hätten von irgendwas zu wenig - dabei ersticken wir in blindem Konsum! ABER: WIR SIND NICHT DAS WAS WIR HABEN, SONDERN WAS WIR TUN! Foto: Flickr-user "kellerabteil". Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

6. Die Bedeutung des Geld- und Währungsbereichs im Vergleich mit einem Gebäude. GELD / WÄHRUNG bildet das Fundament. Crasht das derzeitige Geld- und Währungssystem, crashen auch die darüberliegenden Bereiche Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Urheber der Originalgrafik: Helmut Creutz, Aachen. Optische Aufarbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).

7. Grafik: „Unser heutiges Geldsystem bewirkt . . . . . und am Ende konventionelle oder atomare Kriege, aus dem Buch „Das Geldsyndrom 2012“ von Helmut Creutz, S. 400, farblich gestaltet von Wilfried Kahrs / QPress.

8. "Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs" (ERNST WOLFF) > zur Buchvorstellung.

9. Buchcover: "Das Geld-Syndrom 2012 – Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung"; aktualisierte Neuausgabe, 2014 nochmals updated! (v. Helmut Creutz) ISBN 10: 3-8107-0140-8, ISBN 13: 978-3-8107-0140-4, Druck & Verlagshaus Mainz, Wissenschaftsverlag, Aachen, Euro 16,80.

"Warum werden die weltweit vagabundierenden Geldströme immer größer, weshalb reagieren die Kurse an den Aktien- und Vermögensmärkten immer hektischer und warum bekommen die Notenbanken Geldmenge und Kaufkraft nicht in den Griff? Vielleicht haben Sie sich das auch schon gefragt, vor allem angesichts der Ereignisse in den letzten zehn Jahren, wahrscheinlich aber auch, warum wir jedes Jahr unsere Wirtschaftsleistung steigern müssen und trotzdem die Staatsverschuldungen ständig zunehmen und ebenso die Scherenöffnung zwischen Arm und Reich?

Helmut Creutz veranschaulicht auf verblüffende Weise, wie alle diese Fehlentwicklungen mit den Strukturen unseres Geldsystems zusammenhängen und bietet sinnvolle und kompetente Lösungsvorschläge. Helmut Creutz, geboren 1923, ein erfahrener Wirtschaftspraktiker und -analytiker, hat in zahlreichen Veröffentlichungen, Vorträgen und Seminaren seine wirtschaftsanalytischen Untersuchungen dargelegt.

1990 erhielt er einen Lehrauftrag an der Universität Kassel und wurde mehrfach für den Alternativen Nobelpreis vorgeschlagen. Eigentlich kann ich Helmut Creutz als den wichtigsten Lehrer meines Lebens bezeichnen. Ich denke, dass er einen Platz in der Geschichte unserer Evolution bekommen sollte."
(Prof. Dr. Margrit Kennedy, Steyerberg/A.).