Warum schweigen die Lämmer?
Prof. Rainer Mausfeld über Strategien der Erzeugung von Duldung und Lethargie
Zusammengefasst von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Die Hauptverantwortung einer Regierung in einer "Demokratie" ist, die Minorität der besitzenden Klasse gegen die Majorität der Nicht-Besitzenden zu schützen. Eine repräsentative Demokratie repräsentiert NICHT den Willen des Volkes. Die bewusste und intelligente Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften.
Solche Sätze hören wir nicht sehr häufig. Aber dank der Aachener Friedenstage waren sie zu hören. "Warum schweigen die Lämmer? – Demokratie und Neoliberalismus – Strategien der Erzeugung von Duldung und Lethargie" – das ist der Titel eines außergewöhnlichen, eineinhalbstündigen Vortrags von Prof. Rainer Mausfeld, einem Psychologen und Kognitionsforscher an der Universität Kiel, gehalten am 22. April 2016 im Rahmen der 17. Aachener Friedenstage – veranstaltet vom Euregioprojekt Frieden in Kooperation mit dem Bundesverband Arbeiterfotografie. Es ist nach dem Vortrag über "Demokratie, Psychologie und Empörungsmanagement" der zweite Vortrag in der Reihe "Warum schweigen die Lämmer?"
In einem ersten Bericht geben wir die Inhalte der ersten Hälfte des Vortrags wieder, direkt im Anschluß folgt der zweite Teil.
________________________
Der Neoliberalismus und das Ende der Demokratie. (1)
Das Interessante ist, dass solch eine Metapher wie selbstverständlich hingenommen wird. Was bedeutet das? Eigentlich sind wir das Volk. Und jetzt erfahren wir: eigentlich sind wir eine Schafsherde. Was charakterisiert eine Schafsherde? Sie lässt sich einfach leiten. Es gibt keine Individuen, stattdessen Mitläufer. Beabsichtigt ist damit zu sagen: die sind unverantwortlich, die sind triebgesteuert, affektgesteuert. Machen wir's kurz: die sind eigentlich blöd... Wer benutzt die Metapher? Es sind die Eliten, die das Volk als Herde bezeichnen... Die benutzen die Metapher als Unterscheidungsmerkmal zwischen Volk und Eliten. Bei den Eliten finden Sie keinen Herdendrang... Das heißt: die Unverantwortlichkeit ist immer die des Volkes. Und das Unterscheidungsmerkmal wird benötigt, um die Legitimation von Herrschaft zu begründen...
► Problem Demokratie
Es geht um das Verhältnis von Eliten und Volk. Noam Chomsky hat es das Hume'sche Paradoxon genannt. David Hume, Philosoph des 18. Jahrhunderts: Wie kann es denn passieren, dass die Mehrheit sich in der Leichtigkeit von einer Minderheit regieren lässt? Das ist ein Wunder. Das ist überraschend. Und er stellt fest: die einzige Möglichkeit, mit der man das erreichen kann, ist über die Kontrolle der Meinungen. Herrschaft der Wenigen über die Vielen ist ein Paradoxon. Das war den Herrschenden von Anfang an bewusst. Aristoteles, der kein Freund der Demokratie war, wollte, dass die Edlen herrschen. Das Volk ist aber eine Herde. Die Edlen sind aber die Wenigen. Und deswegen sagt er: Demokratie ist, wenn die armen Freien Majorität und Herrschaft haben. Und Oligarchie ist, wenn die Reichen und Edlen die Majorität haben. Demokratie ist deswegen schlecht – sagt Aristoteles – weil es in einer Demokratie passieren kann, dass die Armen das Vermögen der Reichen unter sich teilen...
► Minorität der besitzenden Klasse gegen die Majorität der Nicht-Besitzenden schützen
Einer der Väter der amerikanischen Verfassung, James Madison (1751-1836, 4. US-Präsident), sagt: die Hauptverantwortung einer Regierung ist, die Minorität der besitzenden Klasse gegen die Majorität der Nicht-Besitzenden zu schützen. Nun hatte man das Problem: wie kann man Demokratie erreichen und trotzdem die Forderung von Madison erfüllen? Da hilft eine Idee: machen wir doch eine repräsentative Demokratie. Die hat den Vorteil, dass sie keine ist, aber so aussieht, dass sie den Besitzenden die Möglichkeit bietet, über das Verfahren der Repräsentation letztlich die Entscheidungsprozesse einer Gesellschaft zu bestimmen.
► Risiko aus der Demokratie rausnehmen
Wie kann man erreichen, dass das Risiko aus der Demokratie raus genommen wird? Parlamente, sagt Jakob Augstein, „schützen die Demokratie vor dem Volk und das Volk vor sich selbst. Denn beim Volk... ist die Demokratie nicht gut aufgehoben.“ Interessant ist, dass dieser Satz von einem Linksliberalen bzw. einem, der sich selbst als linksliberal etikettiert, gesagt wird. Das ist ernst gemeint... Er sagt damit: eine repräsentative Demokratie repräsentiert NICHT den Willen des Volkes. Da sagen wir Danke, dass das so explizit ausgesprochen wird.
► Einfluss von Wahlen vernachlässigbar
Bei wem ist dann die Demokratie gut aufgehoben? Sie ist bei den Eliten gut aufgehoben – nicht beim Volk. Das bedeutet, dass der Einfluss von Wahlen auf die von den Eliten verfolgte Politik de facto vernachlässigbar ist. Jetzt schauen wir uns die Fakten an. Ist die Demokratie bei den Eliten gut aufgehoben? Es ist eine These, die zu absurd ist, sie noch zu untersuchen. Der Rechtsstaat wurde ausgehöhlt. Der Sozialstaat wurde zertrümmert. Totalitäre Wirtschaftsstrukturen werden verrechtlicht. Totalitäre Wirtschaftsstrukturen zu verrechtlichen, ist für die Eliten ein sinnvolles Projekt, weil das, was früher illegal war, jetzt legal ist. Mit Ironie könnte man sagen: das ist ein gutes Projekt zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität.
► Wer das Volk fragt, wird zur Bedrohung Europas
Frank Schirrmacher sagt: „Demokratie ist Ramsch. Wer das Volk fragt, wird zur Bedrohung Europas.“ Klare Einschätzung. Wolfgang Streeck, ein renommierter Soziologe, sagt: „Die Regierungen, und insbesondere die der Vereinigten Staaten, befinden sich nach wie vor fest im Griff der Finanzindustrie.“ Damit sagt Augstein: das Wohl des Volkes ist bei der Finanzindustrie gut aufgehoben. Das ist die Implikation von Augsteins Satz.
Anderes Beispiel: Dieter Grimm, ein renommierter Verfassungsrechtler, Richter am Bundesverfassungsgericht: Die Geschichte der EU ist die Geschichte einer schleichenden illegitimen Machtübernahme. Er nennt es einen verdeckten Putsch.
► Rolle von Wahlen: ein Spektakel
Schauen wir auf das Wallstreet Journal. Es ist immer sehr lohnend, die Journale der Eliten zu lesen, weil sie nicht für das Volk geschrieben sind. In solchen Zeitungen spricht die Elite mit sich selbst. Und die reden bisweilen Klartext. Das Wallstreet Journal – keine linksradikale Zeitschrift – schreibt: die Bevölkerung glaubt, dass sie den Kongress wählt und damit die Gesetzgebung bestimmt; aber die Rolle von Wahlen ist nur noch ein Spektakel.
Nach Al Gore ist der Kongress voll im Griff der Finanzindustrie. Ebenfalls kein Linksradikaler. Warum finden wir die radikalsten Sätze bei solchen Leuten und nicht bei uns? Wie schaffen die Eliten das, dem Volk die Illusion von Demokratie zu geben oder zumindest das Volk ruhig zu halten? Das ist das große Rätsel der Zeit. Wie kann der Sozialstaat und der Rechtsstaat in einem so harten Maße abgebaut werden, und das Volk macht nichts?
Hard Power ist militärische und polizeiliche Gewalt, blutige Folter, soziale Verelendung... Das finden Sie in Diktaturen. Das Volk wird mit brutaler Gewalt diszipliniert. Hard Power hat einen Nachteil: sie evoziert Gegengewalt... Wir sind aber von Natur aus ein moralisches Wesen... Wenn als Herrschaftstechnik Hard Power verwendet wird, führt das über kurz oder lang dazu, dass die Bevölkerung revoltiert und die Gewalt immer stärker werden muss.
► Es ist die Meinung, die wir beherrschen müssen
Es geht darum, die Herrschaftstechniken unsichtbar zu machen, sie so zu gestalten, dass sie unsere moralischen Sensitivitäten unterlaufen. Wir merken es nicht. Und deswegen empören wir uns nicht... Mit der Entwicklung der Demokratie geht die Entwicklung der so genannten Weißen Folter Hand in Hand. Weiße Folter ist unblutige Folter, die Sie dem Opfer nicht mehr ansehen. Man ist nicht empört. Die Folter wurde unsichtbar gemacht. Da haben wir heute einen Höhepunkt erreicht. Wie kann man Menschen foltern, ohne dass es blutig aussieht, aber trotzdem das ICH und der Wille einer Person vollständig zerbrechen. Das ist die Soft Power. Propaganda ist Soft Power. Das ist das, was Hume gemeint hat: es ist die Meinung, die wir beherrschen müssen...
Es geht um die Erzeugung von politischer Lethargie... Wenn das Volk sich selbst als Herde fühlt, rebelliert es nicht. Die Erzeugung von Falschidentitäten: was heißt das? Sie identifizieren sich nicht mit einem linken Projekt, sondern mit einem Fußballverein. Sie identifizieren sich mit Produkten... Ferner die Erzeugung von Unsicherheit und Angst... Eine Bevölkerung, die in Unsicherheit und Angst ist, ist zur politischen Partizipation und zum freien Denken nicht mehr in der Lage. Das ist gewollt. Dieser Bereich wurde in den letzen 80 bis 100 Jahren in einer Subtilität entwickelt, von der Sie sich keinen Begriff machen können – dank der Psychologie und der Sozialwissenschaften.
► Meinungsmanagement ist billiger als Gewalt
Soziologe Harold Dwight Lasswell (1902-1978): „Meinungsmanagement ist billiger als Gewalt, billiger als Bestechung oder irgendeine andere Kontrolltechnik.“ ... Wir müssen die sanften Techniken, Propaganda entwickeln. Edward Bernays (1891-1995): „Die bewusste und intelligente Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften.“
Was sagt er? Demokratie geht nur mit Propaganda. Propaganda ist ein zentraler Bestandteil von Demokratie. Das ist für die Eliten eine Selbstverständlichkeit.
► Demokratie und Kapitalismus sind unvereinbar
Die Aufklärung ist funktionalisiert. Sie wird gegen sich selbst gewendet. Was ist Aufklärung: Anerkennung einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Menschen. Das ist ein Satz, der gewaltige Konsequenzen hat – auch wenn man ihn in der Schule als Menschenrechtspoesie auswendig lernt. „Der Mensch ist Person – d.h. als autonomes, vernunftbegabtes Wesen – Zweck an sich selbst und darf niemals als bloßes Mittel zum Zweck eines anderen verzweckt werden...“ Die Schafherde ist total verzweckt. Die Schafherde ist Mittel zur Kapitalakkumulation für den Besitzer... Zentrale Bereiche einer Gesellschaft, insbesondere die Wirtschaft, dürfen nicht von einer demokratischen Legitimation und Kontrolle ausgeklammert werden.
Eine Demokratie, die in zentralen Bereichen undemokratisch ist, ist keine Demokratie. Demokratie und Kapitalismus sind unvereinbar. Das wird deutlich z.B. mit Louis Brandeis, Richter am obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Der sagt: Wir müssen uns entscheiden. Entweder haben wir Demokratie, oder wir haben Reichtum, der in der Hand von Wenigen konzentriert ist. Aber wir können nicht beides haben. Dann ist es keine Demokratie mehr...
Noam Chomsky: „Der Begriff kapitalistische Demokratie ist ein Widerspruch in sich. Wirkliche Demokratie kann nur durchgesetzt werden, wenn das gesamte, radikal antidemokratische System des Konzernkapitalismus vollständig abgeschafft ist. Das ist das Projekt der Aufklärung, auf die wir so stolz sind“...
► Wer ist der Gegner, mit dem wir zu kämpfen haben?
Wodurch wird das Projekt der Aufklärung verhindert? Wer ist der Gegner, mit dem wir zu kämpfen haben? Wolfgang Streeck (2015) spricht von den „USA als Hegemonialmacht des Weltkapitalismus“. Streeck ist Sozialdemokrat. Ist das, was er sagt, Anti-Amerikanismus? ... Wie identifizieren wir in einer solchen kausalen Analyse die Hauptfaktoren? Das ist recht einfach. Wir brauchen nur die Selbstbeschreibung zur Kenntnis zu nehmen: Fünf Gründe, warum die USA die einzige Supermacht der Welt sind. (Time, Mai 2015: „These are the 5 reasons why the U.S. remains the world's only superpower”). Wenn eine Macht eine Supermacht ist, gibt es gute Gründe, den Blick auf sie zu fokussieren.
► Anti-Amerikanismus ist das Propaganda-Konzept eines Imperiums
Lassen wir uns doch mal das Römische Reich ansehen. Das war das einflussreichste Imperium der damaligen Zeit. Es wäre absurd, wenn Sie sagen: das ist ja Anti-Romanismus, sehen Sie sich besser an, was in der Zeit die Dänen oder die Goten gemacht haben... Es ist normales Vorgehen in der Geschichtswissenschaft zu fragen: was war die dominierende Macht zu der Zeit? Damit machen wir uns klar: Konzepte wie Anti-Romanismus oder Anti-Amerikanismus hat es immer gegeben, waren aber immer nur Propaganda-Konzepte von Imperien. Damit wollte man Kritik verhindern. D.h., das Konzept Anti-Amerikanismus ist ein Propaganda-Konzept... Das ist eine Täter-Kategorie...
Vergleich mit Rom: Wir sind DIE dominante Macht in der Welt, dominanter noch als irgendetwas seit dem alten Rom. (America... is the dominant power in the world, more dominant than any since Rome.) Sie vergleichen sich ganz explizit mit dem Römischen Reich, beschweren sich aber, wenn wir den Fokus entsprechend auf sie richten. Amerika macht seine Normen selbst, schafft seine eigenen Realitäten – durch dreiste und unerbittliche Demonstration seines Willens. Das sagen die amerikanischen Eliten selbst. Die Sache ist völlig unstreitig. Zwei weitere jüngere Beispiele: Dick Cheney (in seinem Buch "Exceptional – Why the World Needs a Powerful America"): „Wir sind nicht lediglich EINE weitere Nation auf der Weltbühne. Wir sind für den Fortschritt der Freiheit unerlässlich gewesen. Wir sollten nie vergessen, dass wir in der Tat außergewöhnlich sind.“
► Denn die amerikanische Nation ist außergewöhnlich
Der amerikanische Exzeptionalismus ist die Hausideologie der amerikanischen Eliten. Der Exzeptionalismus sagt: wir lassen uns nur in internationale Normen einspannen, wenn wir einen Vorteil davon haben. Wenn wir keinen Vorteil davon haben, bedeuten sie uns NICHTS. Denn die amerikanische Nation ist außergewöhnlich... Auch US-Präsident Obama glaubt an den Exzeptionalismus mit jeder Faser seines Herzens („I believe in American exceptionalism with every fiber of my being.“ – Barack Obama, 28.5.2014, U.S. Military Academy-West Point).
Der Selbstanspruch ist der wie im alten Rom: Rom hätte sich doch nicht durch die Gesetzgebung der Dänen in irgendeiner Weise einengen lassen. Wir müssen uns immer fragen: was ist der Selbstanspruch. Der ist eindeutig.
► Wir sind die Handelnden auf der Bühne der Weltgeschichte
Ein einflussreicher Politik-Berater, Karl Rove, sagt: „Wir sind jetzt ein Imperium, und wenn wir handeln, schaffen wir unsere eigene Realität. Und während Sie noch – so umsichtig, wie Sie mögen – diese Realität studieren, werden wir wieder handeln und andere neue Realitäten schaffen, die Sie ebenfalls studieren können – und so werden sich die Dinge regeln. Wir sind die Handelnden auf der Bühne der Weltgeschichte – und Ihnen, Ihnen allen, bleibt nur, das lediglich zu studieren, was wir tun.“ (Karl Rove, 2004, U.S. President George W. Bush's senior advisor and chief political strategist) Das ist doch wieder dankenswert offen. Das erspart uns ganz viele mühsame Analysen. Die Eliten sagen es einfach selbst.
► Anti-Amerikanismus: das ist der Kampf der Eliten gegen das eigene Volk
Zum Anti-Amerikanismus: Wenn wir den Fokus – wie Streeck sagt – auf die USA als die Hegemonialmacht des Finanzkapitalismus richten, dann hat das überhaupt nichts mit dem amerikanischen Volk zu tun. Das ist kein Anti-Amerikanismus. Aber es gibt einen Anti-Amerikanismus. Das ist der Anti-Amerikanismus der US-amerikanischen Eliten. Denn sie führen den Kampf gegen das eigene Volk.
Der Neoliberalismus und das Ende der Demokratie. (2)
Zurück zur Aufklärung: Die Aufklärung hat noch mehr zu bieten als den humanitären Universalismus. Einer ihrer wesentlichen Bestandteile ist - neben Vorurteilskritik - der moralische Universalismus. Das bedeutet: wenn wir moralische Regeln aufstellen, die wir für die Bewertung anderer heranziehen, dann gelten die auch für unsere eigenen Handlungen. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Die würden wir alle im Schulunterricht abnicken. Allerdings: wenn wir Zeitung lesen, ist sie wieder verschwunden. Die Binsenweisheit hat gewaltige Konsequenzen. Der Exzeptionalismus macht allerdings aus der Verletzung dieser Regel eine ganze Philosophie. Er sagt: die Regeln, die für mich gelten, gelten nicht für die anderen. Und die Regeln, die ich für die anderen mache, beachte ich nicht. Beispiel ist Terrorismus. Wenn "wir" arabische Länder zerbomben, ist das kein Terrorismus sondern ein Kampf für Freiheit und Menschenrechte. Wenn "wir" Drohnenmorde begehen und dabei z.B. zum Zeitpunkt der Attentate von Paris im Jemen 180 Menschen der Zivilbevölkerung töten, dann sind das für uns nicht betrauerbare Tote...
Gegen das Projekt der Aufklärung gab es immer das Projekt der Gegenaufklärung. Das war damals der Erhalt der Monarchie, der Einfluss der Kirche usw. Ein ganz wichtiger Punkt der Gegenaufklärung ist die prinzipielle Vorrangstellung der eigenen Gruppe: wir sind etwas Besonderes - wer immer gerade WIR sagt. Das wird verkörpert in Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus und Exzeptionalismus - allesamt Positionen, die sagen: was für uns gilt, gilt nicht für die anderen.
► Aufklärung ist links, Gegenaufklärung rechts
Die politische Unterscheidung zwischen links und rechts - das müssen Sie sich klar machen - stammt aus der Zeit der Aufklärung. Links war, was den Zielen der Aufklärung verpflichtet war. Rechts war, was sich gegen die Aufklärung gewandt hat. Wenn wir nach dem Identifikationskern fragen, erkennen wir: es kann keine Gemeinsamkeiten zwischen LINKS und RECHTS geben. Sie wissen, wie groß in der Linken die Tendenz ist, sich selbst zu zersetzen und die eigene Identität zu verlieren. Und die Frage ist: wie kommt es, dass in der gegenwärtigen Situation die Linke so hilf- und planlos ist? Dabei spielt der Identifikationsverlust eine große Rolle. Extrem befördert wird innerhalb der Linken Spaltungstendenzen. Und interessanterweise werden die Knochen, die zur Selbstzersetzung hingeworfen werden, von der Linken gerne aufgegriffen. Deshalb wäre es äußerst wichtig, sich auf den gemeinsamen Kern zu besinnen.
► Krieg der Reichen gegen die Armen
Es gab eine Zeit der wechselseitigen Symbiose zwischen Demokratie und Kapitalismus. Das war der New Deal. Zwischen 1950 und 1970 zerbrach diese Symbiose. Man suchte nach Wegen, wie sie aufgebrochen werden kann. Es setzte sich die Erkenntnis durch: das ist eine Zwangsverbindung - beides passt nicht zusammen. Die Zwangsverbindung ging Stück für Stück in die Brüche. Sie finden jetzt das Reden vom Krieg. Warren Buffett, der Superinvestor, 2006 wunderbar offen: "Es herrscht Klassenkrieg. Richtig! Aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt. Und wir gewinnen." Robert B. Reich, ehemaliger Finanzminister unter US-Präsident Bill Clinton, sagt: es gibt einen Krieg gegen die Armen. Und Jean Ziegler sagt 2012: "Für die Völker des Südens hat der dritte Weltkrieg längst begonnen."
Man spricht offen von Krieg. Was im Moment herrscht, ist ein Krieg, ein Krieg der Reichen gegen die Armen. Und dieser Krieg ist fast unsichtbar. Es ist ein Krieg, gegen den wir kaum revoltieren, weil wir ihn kaum mitkriegen, wenn wir nicht gerade die ganz Armen sind. Auch DIE ZEIT schreibt vom "Krieg gegen die Armen" (29.8.2002) Der Guardian schreibt: "Griechenland ist das jüngste Schlachtfeld im Krieg der Finanzelite gegen die Demokratie." (7.7.2015) Ein UN-Wirtschaftberater für Afrika (Yash Tandon) hat ein Buch geschrieben: "Handel ist Krieg - Nur eine neue Wirtschaftsordnung kann die Flüchtlingsströme stoppen". [ISBN: 978-3-86995-087-7, Quadriga-Verlag]. Wir sind nur deswegen noch ruhig, weil der Krieg noch nicht so ganz bei uns angekommen ist. Zwar gibt auch bei uns ein Prekariat, aber der Hauptkrieg findet woanders statt.
Er eröffnet gewaltige Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstlicher Nachhilfe möglich ist.
So ist der Krieg das beste Mittel,
um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssystems immer wieder hinauszuschieben.
Ernst Winkler
Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung, 1952
► Nichts so unterschätzt wie das Projekt des Neoliberalismus
Wenn Krieg ist, haben wir zwei Aufgaben. Ein berühmter chinesischer Kriegsphilosoph sagte: Wenn Du den Feind nicht kennst, wirst Du alle Schlachten verlieren. Als zweite Regel nennt er: Wenn Du DICH nicht kennst, wirst Du alle Schlachten verlieren. Das ist die viel schwierigere Aufgabe. Hinsichtlich der ersten Aufgabe werden Sie sich wundern: sie kennen den Feind nicht. Es wird nichts so gravierend unterschätzt wie das Projekt des Neoliberalismus. Wenn wir einen Krieg der Reichen gegen die Armen haben, dann bedeutet das: die Soft Power muss immer subtiler, ausgefeilter und raffinierter gemacht werden. Wir müssen die Indoktrinationsmechanismen immer weiter verfeinern, um einen Anschein von Demokratie aufrecht zu erhalten. Es gibt jetzt enorme Anstrengungen, um dafür zu sorgen, dass es keiner merkt. Wie wird das gemacht? Dazu gehört: Fakten unsichtbar machen, Aufmerksamkeit steuern,... Erinnern wir uns, was Hannah Arendt, die große politische Philosophin, gesagt hat: "Meinungsfreiheit ist eine Farce, wenn die Informationen über die Tatsache nicht garantiert sind."
► Alternativen eliminieren
Fakten unsichtbar zu machen, gehört zum leichten Teil von Medien und Politik. Das gehört zu ihrem Tagesgeschäft. Die schwieriger Aufgabe - das gilt es zu erkennen - ist, ganze Denkmöglichkeiten unsichtbar zu machen. Das Verschwinden von Alternativen. Es gibt Experten - da können Sie Angela Merkel fragen - die sagen: unsere Zeit ist alternativlos. Wie kann man Alternativen zum Verschwinden bringen? Der erste Weg ist ganz real. Man eliminiert sie einfach. Es darf keine Alternative geben. Wie kann man Alternativen zu Kapitalismus und Neoliberalismus zum Verschwinden bringen? Durch System-Change, Regime-Change - das Austauschen von Regierungen. Das ist ein Prinzip, das weit in die Geschichte zurückgeht: Iran 1953, Guatemala 1954, Brasilien 1964, Bolivien 1971, Chile 1973, Operation Condor 1970ff, El Salvador 1980ff, Contra-Krieg in Nicaragua 1981ff, Invasion in Grenada 1983, Militärputsch in Honduras 2009, usw. Immer sind demokratisch gewählte Regierungen eliminiert worden - durch Putsch, durch Militär, durch Einmarsch usw. usw.. Das ist die Beseitigung von Demokratie "zum Wohle von Demokratie".
____________________________________________
Erg. ADMIN H.S.: Beispiele für den Sturz oder versuchten Sturz einer Regierung in einem anderen Land durch die Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg (* zeigt den erfolgreichen Sturz einer Regierung)
China 1949 bis Anfang der 1960er | Kongo 1960 * | Zaire 1975 | Irak 1991 |
Albanien 1949-53 | Frankreich 1965 | Portugal 1974-76 * | Afghanistan 1980er * |
Ostdeutschland 1950er | Brasilien 1962-64 * | Jamaica 1976-80 * | Somalia 1993 |
Iran 1953 * | Dominikanische Republik 1963 * | Seychellen 1979-81 | Jugoslawien 1999-2000 * |
Guatemala 1954 * | Kuba 1959 bis heute | Tschad 1981-82 * | Ecuador 2000 * |
Costa Rica Mitte 1950er | Bolivien 1964 * | Grenada 1983 * | Afghanistan 2001 * |
Syrien 1956-57 | Indonesien 1965 * | Südjemen 1982-84 | Venezuela 2002 * |
Ägypten 1957 | Ghana 1966 * | Surinam 1982-84 | Irak 2003 * |
Indonesien 1957-58 | Chile 1964-73 * | Fidschi 1987 * | Haiti 2004 * |
Britisch Guyana 1953-64 * | Griechenland 1967 * | Libyen 1980er | Somalia 2007 bis heute |
Irak 1963 * | Costa Rica 1970-71 | Nicaragua 1981-90 * | Libyen 2011* |
Nordvietnam 1945-73 | Bolivien 1971 * | Panama 1989 * | Syrien 2012 bis heute |
Kambodscha 1955-70 * | Australien 1973-75 * | Bulgarien 1990 * | Ukraine 2014* |
Laos 1958 *, 1959 *, 1960 * | Angola 1975, 1980er | Albanien 1991 * | Libyen 2015* |
Ecuador 1960-63 * |
Guatemala ist ein interessanter Fall. Die US-Bevölkerung wollte kein Eingreifen in Guatemala. Dort gab es einen Präsidenten, der eine Bodenreform durchgeführt hatte, soziale Projekte eingeführt hatte... Das hat die amerikanischen Eliten "mords" beunruhigt. Was hat die amerikanische Regierung gemacht? Sie hat Bernays beauftragt, eine Propaganda-Kampagne durchzuführen - mit der Botschaft, dass die Demokratie bedroht sei. Das war eine der ersten Kampagnen dieser Art. Die hat er so raffiniert gemacht, dass er in wenigen Monaten die Bevölkerung kriegsbereit geschossen hatte - nur durch Propaganda, nur durch Soft Power.
► Im Rahmen bleiben
Wie lassen sich kognitiv Alternativen beseitigen? Ich zitiere aus einem Buch von Philip Mirowski aus dem Jahr 2013, das es auch in deutscher Übersetzung gibt ("Untote leben länger - Warum der Neoliberalismus nach der Krise noch stärker ist") [ISBN: 978-3-95757-087-1, Verlag Matthes & Seitz Berlin] und das ich Ihnen nur sehr empfehlen kann: Die neoliberalen Indoktrinationssysteme dienen einer "industrial-scale manufacture of ignorance". Das haben die Gründungsväter des Neoliberalismus ganz bewusst so formuliert. Das Wichtigste für die Bevölkerung ist Ignoranz. Die "Unwissenheit... ist der Garant der neoliberalen Ordnung. Das neoliberale Selbst fühlt sich in dieser Unwissenheit wohl." Kognitiv heißt: Alternativen sind nicht mehr denkbar - selbst für die Linke. Sie bleiben im vorhandenen Rahmen und sagen: wir müssen den Mindestlohn noch um 50 Cent erhöhen. Und wir müssen noch Schlimmeres verhindern - die Rente mit 80 beispielsweise. Und das gilt dann als revolutionär.
► full spectrum dominance - zu Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Meinungsmarkt
Es ist immer wieder lohnend, sich die Originalquellen anzusehen, z.B. das Strategiepapier des Pentagon. Das sagt: Die USA streben eine absolute Dominanz im gesamten Spektrum an, eine "full spectrum dominance" zu Wasser, in der Luft, im Weltraum – und im Meinungsmarkt. Die Meinung soll weltweit dominiert werden. (Joint Vision 2020: "The label full spectrum dominance implies that U.S. forces are able to conduct prompt, sustained, and synchronized operations with combinations of forces tailored to specific situations and with access to and freedom to operate in all domains – land, sea, air, space, and information.") Darüber gibt es Handbücher. Obama hat das auch wieder erfreulich offen ausgesprochen. Er spricht von der "Befähigung der USA, die Weltmeinung zu beherrschen" ("Our ability to shape world opinion...", Obama, 28.5.2014) Das ist das Ziel der Eliten.
Es wird ganz offen von "perception management" gesprochen. Es geht darum, die Wahrnehmung der Bevölkerung vollständig im Griff zu haben. ("Planned operations to convey selected information and indicators to foreign audiences to influence their emotions, motives, objective reasoning, and ultimately the behavior of foreign governments, organizations, groups, and individuals in a manner favorable to the originator’s objectives.") Das ist alles in Handbüchern nachzulesen. Die sind öffentlich zugänglich. Die gibt es sogar bei Amazon. Es macht denen gar nichts, dass das öffentlich ist. Es muss gar nicht geheim sein, weil die Schafsherde eh blöd ist. Ein Prinzip: Verberge das Wirkliche und zeige das Falsche. Dazu gibt es Handbücher, die darstellen, wie das zu bewerkstelligen ist.
► 27.000 PR-Berater des Pentagon in die Redaktionsstuben
Ein anderes sehr lehrreiches Beispiel: Dem Vorstandschef von Associated Press (AP), eine der ganz großen amerikanischen Nachrichtenagenturen, Tom Curley, ist bei einer Veranstaltung der Kragen geplatzt, so dass er aus dem Nähkästchen geplaudert hat und gesagt hat: In all unseren Redaktionen sitzt das Pentagon. Wir können nichts schreiben, was nicht vom Pentagon abgesegnet ist. Und er hat gesagt: das Pentagon hat 27.000 PR-Berater - wie sie genannt werden - in die Redaktionsstuben geschickt - mit einem Etat von 4,7 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das stand in dem in der Schweiz erscheinenden Tages-Anzeiger (12.2.2009) und auch im Herold Tribune (5.2.2009). Es geht um das Gewinnen von Herzen und Gemütern ("winning hearts and minds"). "Psychological operations" sind der Bereich, der am schnellsten wächst (NBC News, 5.2.2009) - basierend auf 100 Jahren Erfahrung bei der Entwicklung von Techniken der Bevölkerungskontrolle und des Meinungsmanagements...
► Propaganda über Propaganda
Ein weiterer Bereich - den man witzig finden könnte, wenn er es wäre - ist die Meta-Propaganda. Meta-Propaganda ist Propaganda über Propaganda. In der FAZ war zu lesen: "Russlands geheimer Feldzug gegen den Westen", "Der ungleiche Kampf um die Deutungshohheit". In der Süddeutschen Zeitung: "Machtlos gegen Russlands Propaganda". Bei Spiegel-Online: "Kampf gegen russische Propaganda - Das Ende der Wehrlosigkeit". In der Tat macht Russland wie alle großen Staaten Propaganda. Aber sie ist kaum vergleichbar mit der Propaganda der USA mit ihren 100 Jahren Propaganda-Erfahrung, die mit einer Tiefe und Subtilität operiert, von der wir kaum eine Ahnung haben. (Einwurf aus dem Publikum: "Die Nazis konnten das auch gut." Antwort: "Ja, Göbbels war Fan von Bernays.")
► Gefühl von Kontrollverlust
Der Bereich des Affektiven - das ist ein Bereich, der neuerdings ganz systematisch betrieben wird: Was bedeutet das? Man muss in der Bevölkerung das Gefühl erzeugen: es lässt sich ohnehin nichts ändern. Sie können machen, was Sie wollen. Sie können so informiert sein, wie Sie wollen. Rove hat das ja gesagt: Sie können studieren, was wir machen... Es entsteht ein Gefühl von Kontrollverlust. Das ist eine Entwicklung, die mit dem Siegeszug des Neoliberalismus ab 1970 eingesetzt hat.
► "Kenne Deinen Feind, bevor Du davon träumst, eine bessere Welt zu schaffen"
Nochmal Mirowski: "Kenne Deinen Feind, bevor Du davon träumst, eine bessere Welt zu schaffen." Es folgt ein ganzes Kapitel, in dem er sagt: das hat die Linke nicht geschafft. Gemäß Mirowski hat die Linke den Neoliberalismus vollständig missverstanden. Was ist nämlich das neoliberale Projekt? Gehen wir an den Ursprung zurück. Thatcher sagt: es geht gar nicht um Ökonomie. Es geht darum, das neoliberale Subjekt zu schaffen, das Selbst zu erobern, den gesamten Bereich von Seele, Emotion - von allem. Das bedeutet zum einen die Ökonomisierung von Identitäten. Die Bausteine von Identität werden durch den Markt bereitgestellt. Was Sie sind, ergibt sich durch einen Identitätswarenkorb ("express yourself"). Der geht auch auf Bernays zurück...
► Wahl aus einem Identitätswarenkorb
Wie machen Sie das? Sie suchen aus dem Identitätswarenkorb aus. Ihre Identität ergibt sich daraus, welche Apps Sie runterladen, aus Ihrer Facebook-Seite, welche Klicks Sie machen und auf wem Sie die machen. Was Sie "liken". Die einzige Wahl, die Sie haben, ist aus einem Identitätswarenkorb zu wählen. Und die Identität wird befreit - ganz wichtig - von sozialen Bindungen und Solidaritäten, durch die Menschen miteinander verbunden sind. Das Prinzip geht zurück bis in die 1930er/1940er Jahre. Da gab es ein großes Projekt: Wie kann man die Solidarität der Arbeiter als Klassensolidarität aufheben? Es ging darum, zu erreichen, dass die Identität der Arbeiter nicht über ihre Klassenzugehörigkeit, sondern durch die Zugehörigkeit zu ihrer Firma gestiftet wird. Das Wort WIR musste neu belegt werden. WIR sind nicht die Arbeiter. Sondern WIR sind die bei Bayer-Leverkusen. Und wir gründen einen Fußballverein. So gewinnen WIR, wenn der Fußballverein gegen BASF gewinnt. So hat man Fehlidentitäten konstituiert... Das Volk lebt regelrecht von Fehlidentitäten. Das Volk hat kein Klassenbewusstsein mehr - im Gegensatz zur Elite. Die hat ein Klassenbewusstsein. So entsteht deren Kampfkraft.
► Pervertierung des Freiheitsgedankens
Damit einher geht auch die konsumistische Reduktion des Freiheitsbegriffs. Freiheit ist jetzt etwas ganz anderes. Freiheit ist die individuelle Wahl des Lebensstils: livestyle - "express yourself". Sie können entscheiden, wohin Sie gehen, was Sie kaufen, welche Apps Sie runterladen. Wir sind dermaßen mit Entscheidungen konfrontiert, dass wir nicht auch noch politisch entscheiden wollen. Was ist jetzt die Bedrohung der Freiheit? Sie sehen, wie die Sprache pervertiert wird. Bedrohung der Freiheit ist jetzt die Unterbrechung von den Möglichkeiten der Identitätsproduktionsmaschine - eine Pervertierung des Freiheitsgedankens.
► Gigantische Asymmetrie
Jetzt kommt der schwierigere Teil: wenn Du Dich nicht kennst... Die herrschenden Eliten verfügen über ein unglaubliches Wissen: über die Natur unserer Psyche, unseres Geistes, unserer Disposition. Die herrschenden Eliten verfügen über ein vielfach größeres Wissen über uns als wir selbst. Da gibt es eine gigantische Asymmetrie. Wenn wir diese Asymmetrie nicht beseitigen, haben wir keine Chance. Unser Immunsystem ist geschädigt. Es ist unzureichend, wenn die andere Seite die Angriffskörper so konstruieren kann, dass sie unser Immunsystem unterlaufen. Die Eliten haben ein Manipulationswissen.
► "Yes, we can"
Die Wahlkampagne von Obama "Yes, we can" ist so brillant gemacht, dass der Verband der amerikanischen Werbewirtschaft dafür einen Preis verliehen hat: toll gemacht, weil so die Hoffnung, die im Volk war, aufgenommen, in eine falsche Richtung geleitet und neutralisiert wurde.
► Status-quo-Bewahrung
Wir haben von Natur aus eine Neigung, den Status quo allen Alternativen vorzuziehen. Wir sind Status-quo-Bewahrer. Wir haben die Tendenz, den gesellschaftlichen Opfern des Status quo die Schuld für ihre Situation zu geben. Das sind menschliche Dispositionen - hundertfach untersucht. Wir haben eine Tendenz, diejenigen eher negativ einzuschätzen, die den Status quo verändern wollen. So sind wir gebaut. Die Status-quo-Neigung lässt sich vergrößern durch Angst, Unsicherheit und Bedrohung - sowie durch systematische Ablenkung. Es ist eine ganz leichte Nummer, die Bevölkerung dazu zu kriegen, den Status quo zu bewahren - selbst wenn er gegen ihre ökonomischen Interessen geht.
► Komplizen ihrer eigenen Unterwerfung
"Menschen, die dazu gebracht werden, sich machtlos zu fühlen, empfinden die Machtstrukturen, denen sie unterworfen sind, eher als fair und Legitim." (van der Toorn, 2015) Das ist absurd, aber es ist so. "In gewisser Weise dienen die Machtlosen als Komplizen ihrer eigenen Unterwerfung." Ist doch super, das lässt sich nutzen. "Die Armen betreiben eine nationale Identifikation, um ihr geringes Selbstwertgefühl zu überwinden, und zeigen zugleich auch eine Tendenz zur Systemrechtfertigung auf Kosten der Selbstachtung." (Kang & Chang, 2015)
► Mir alles, dem anderen nichts
Wir können mit 19 Monate alten Säuglingen Experimente machen und nachweisen: der Säugling hat ein Gefühl für Verteilungsgerechtigkeit - wenn er nicht selbst beteiligt ist und es nur andere betrifft. Sobald es um ihn geht, sagt er: mir alles, dem anderen nichts. Das heißt: auch die Doppelmoral ist Teil unserer menschlichen Natur. Wir müssen diese Neigung kennen und damit umgehen lernen. Wir sehen sehr gut moralische Verfehlungen anderer, aber sind ausgesprochen tolerant bei uns selbst.
Wir sind sinnliche Konkretisten. Wenn wir ein Bild sehen, ergreift uns das sinnlich, viel mehr als ein abstrakter Gedanke. Unsere moralischen Sensitivitäten reagieren besonders stark auf Bilder. Das ist eine Eigenschaft, die sich wunderbar nutzen lässt.
► Wer unsere Schwachstellen kennt, kann uns manipulieren
Wenn wir einen Blick auf die Kognitionsforschung legen, dann sehen wir: der Mensch ist von Natur aus mit moralischen Sensitivitäten versehen. Wir sind moralische Wesen. Wir haben eine Reihe von Eigenschaften unseres Geistes, die sich für Manipulationszwecke eignen. Die lassen sich als Schwachstellen bezeichnen. Für jemanden, der uns manipulieren will, hat unser Geist eine Reihe von Schwachstellen. Das ist wie bei Trojanern und Viren bei der Software. Wer die Schwachstellen kennt, kommt rein ins System. Wer die Schwachstellen kennt, kann uns manipulieren.
► Alternative: Kontinuität der Blutspur in der Geschichte
Das Projekt der Aufklärung ist mit gewaltigen Schwierigkeiten behaftet, weil es ein gewisses Spannungsverhältnis zu unserer menschlichen Natur gibt. Das müssen wir konstatieren. Das ist so. Die Frage ist: welche Alternative gibt es zum universellen Humanismus der Aufklärung? Es gibt eine "Alternative". Die lautet: weiter so wie bisher - die Kontinuität der Blutspur in der Geschichte - der Blutspur und der ökologischen, sozialen und psychischen Verwüstungen, die Kapitalismus, Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus, Exeptionialismus in der Zivilisationsgeschichte angerichtet haben.
► Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens
Was können wir konkret machen? Es wird sehr schwierig. Wir haben - was Antonio Gramsci sagt - den Pessimismus des Intellekts, aber den Optimismus des Willens. Mehr haben wir nicht. Der Optimismus des Willens heißt: wir müssen bereit sein, unseren Willen, unsere Entschlossenheit zu artikulieren, inhumane Zustände zu ändern - als Teil eines Gegenprojekts gegen die neoliberale Indoktrination und die Verformung des Selbst.
- Kognitiv heißt das: das explizite Ziel des Neoliberalismus, die induzierte Ignoranz überwinden.
- Sozial heißt das: die tiefgehende Fragmentierung sozialer Beziehungen überwinden.
- Und affektiv heißt das: induzierte Fragmentierung des Selbst und Falsch-Identitäten überwinden. Das ist eine ganz schwierige Sache. Das steckt uns so tief in den Knochen, dass wir gar nicht wissen, wie tief das geht.
Und wir müssen Wesen und Funktionsweise neoliberaler Indoktrination erkennen und die Asymmetrie des Wissens, das die Eliten über uns haben und das wir über uns haben, versuchen zu reduzieren.
(Starker Applaus)
Prof. Rainer Mausfeld
Zusammengefasst von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Vorträge und Interviews von Prof. Dr. Mausfeld
Warum schweigen die Lämmer? - Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements. (Dauer 1:05:06).
Der Neoliberalismus und das Ende der Demokratie. (Textzusammenfassung s. o., Dauer 1:46:50).
Lesenswertes v. Prof. Dr. Rainer Mausfeld:
»Das Modell Elitendemokratie ist historisch verheerend gescheitert. Für unser Nichthandeln tragen wir in gleicher Weise Verantwortung wie für unser Handeln«. >> weiter.
»Gezielte Zersetzung. Die von den Eliten organisierten gesellschaftlichen Spaltungen dienen der Herrschaftssicherung«. >> weiter.
»Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören«. >> Leseprobe.
»Die Scheindemokratie. Die Bürger werden entmündigt und als politisch apathische Konsumenten dressiert« >> weiter.
»Die Angst der Machteliten vor dem Volk. Demokratie-Management durch Soft Power-Techniken« >> weiter (PDF).
»Wie sich die “verwirrte Herde” auf Kurs halten lässt« – Rainer Mausfelds Vortrag zu den Pleisweiler Gesprächen als Texttranskript >> weiter. (PDF)
► Quelle: Erstveröffentlicht in der Onlinezeitung "Neue Rheinische Zeitung" (NRhZ) - Teil 1 - (27.04.2016) und Teil 2 (04.05.2016). Ebenso im Printmagazin "DAS KOROKODIL" - Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens - Ausgabe 17 - Seite 61. Die beiden Kölner Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann haben die NRhZ nach dem Tod von Peter Kleinert verantwortlich übernommen, beim Printmagazin fungieren sie neben weiteren KollegenInnen ebenfalls als Herausgegeber.
Anneliese Fikentscher ist zudem 1. Vorsitzende und Redaktionsmitglied im Verband "Arbeiterfotografie e.V.". Arbeiterfotografie will in die aktuelle gesellschaftspolitische Auseinandersetzung eingreifen. Sie sieht dabei eine wesentliche Aufgabe in der Unterstützung von gesellschaftlichen Gruppen, die sich in ihrem Bestreben um humanere Verhältnisse in Opposition zur Macht befinden oder an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Arbeiterfotografie ist Engagierte Fotografie.
► Bild- und Grafikquellen:
1. Prof. Rainer Mausfeld (* 22. Dezember 1949 in Iserlohn) ist ein deutscher Psychologe und Hochschullehrer. Das Hauptinteresse Mausfelds richtet sich auf die Struktur der biologisch vorgegebenen Konzeptformen und die daraus resultierende Semantik des Wahrnehmungssystems. Der Soziologe hat sich intensiv mit den Techniken der Verschleierung und des Gefügigmachens auseinandergesetzt. Seine veröffentlichen Vorträge, u. a. mit dem Titel „Warum schweigen die Lämmer“, wurden im Internet zu Blockbustern. Foto: arbeiterfotografie.com.
2. Noam Chomsky: “Students who acquire large debts putting themselves through school are unlikely to think about changing society. When you trap people in a system of debt, they can’t afford the time to think. Tuition fee increases are a “disciplinary technique,” and, by the time students graduate, they are not only loaded with debt, but have also internalized the “disciplinarian culture.” This makes them efficient components of the consumer economy.” Foto: JEANBAPTISTEPARIS / via mpeake. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz. Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).
3. Alexis de Tocqueville: "Es ist wirklich schwer einzusehen, wie Menschen, die der Gewohnheit, sich selbst zu regieren, vollständig entsagt haben, im stande sein könnten, diejenigen gut auszuwählen, die sie regieren sollen." und "So genügt es dem Staat nicht, alle Geschäfte an sich zu ziehen, er gelangt auch mehr und mehr dazu, sie alle unkontrolliert und ohne Rechtsmittel selbst zu entscheiden."
Charles Alexis Henri Maurice Clérel de Tocqueville (* 29. Juli 1805 in Verneuil-sur-Seine; † 16. April 1859 in Cannes) war ein französischer Publizist, Politiker und Historiker. Er gilt als Begründer der vergleichenden Politikwissenschaft.
Textauszug b. Wikipedia: "Über die Demokratie in Amerika / De la démocratie en Amérique" ist eines der meistrezipierten Werke der Sozialwissenschaften und wird in vielen Grundlagenseminaren der Politikwissenschaft und Soziologie gelehrt. Eine Reihe sozialwissenschaftlicher Kernkonzepte lässt sich auf das Werk zurückführen. So ist Tocqueville einer der ersten Demokratiekritiker, die die Gefahr einer „Tyrannei der Mehrheit“ sehen.
Besonders in Band 2 der Démocratie en Amérique betont Tocqueville zudem, dass das Streben nach Gleichheit zu einer Uniformisierung unter einer starken Zentralgewalt führe. Diese entmündige die Bürger und mache sie vom Handeln der jeweiligen Regierung abhängig. Die Bürger würden so des selbständigen Handelns entwöhnt. Es ist unübersehbar, dass diese Überlegungen Tocquevilles besonders seinen französischen Erfahrungen entspringen. Er vertieft gerade diese Überlegungen in seinem zweiten Hauptwerk "L'Ancien Régime et la Révolution". Die Gefahren der Tyrannei und der Entmündigung seien in Amerika jedoch durch eine Reihe von Mechanismen begrenzt. So existiere beispielsweise keine starke Zentralregierung, die eine Diktatur der Mehrheit effektiv ausführen könnte. . . ".
► Lesetipp zum Thema Alexis de de Tocqueville:
"Er sah die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik" - Artikel von Wolf Lepenies bei DIE WELT - weiter.
"Der geistige Despotismus der Demokratie: Zwei Typen der Tyrannei der Mehrheit und ihr Zusammenhang bei Tocqueville" von Christoph Heuermann bei FREITUM - weiter.
und natürlich die Tocqueville-Seite bei Wikipedia - weiter.
Bildvorlage ist ein Ölgemälde von 1850 des Malers Théodore Chassériau (1819–1856). Photo © RMN-Grand Palais - D. Arnaudet. Quelle: Wikimedia Commons. Dies ist eine originalgetreue fotografische Reproduktion eines zweidimensionalen Kunstwerks. Das Kunstwerk an sich ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Parallel zu dieser Lizenz muss auch ein Lizenzbaustein für die United States public domain gesetzt werden, um anzuzeigen, dass dieses Werk auch in den Vereinigten Staaten gemeinfrei ist. Textinlet: WiKa.
4. Let`s cut ourself from AUTHORITY. Lasst uns vo den Autoritäten befreien. Der Hürden sind zahllose! Die wichtigste Hürde dürfte in der Tatsache liegen, daß Selbstbestimmung und Selbstermächtigung ohne Verantwortung für das eigene Tun nicht zu haben sind. Anders gesagt: Die Schubkraft auf diesem Weg ist ein neue Beziehung von Individuum und Gemeinschaft, letztlich, um es unmißverständlich zu sagen, ein neues Verständnis vom Staat. Quelle: Punkerslut.com > Grafikinfoseite. This image came from RadicalGraphics.org > radicalgraphics_797 > Permalink http://anarchistrevolt.com/?id=radicalgraphics---797.
5. Modell der Massenkommunikation: Der US-amerikanische Politik- und Kommunikationswissenschaftler Harold Dwight Lasswell formulierte 1948 die Lasswell-Formel, die das grundlegende Modell der Massenkommunikation beschreibt. An diesem Modell lässt sich das Lern- und Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft aufspannen. Sie lautet: Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt? (Who says what in which channel to whom with what effect?). Infos zur sogenannten Lasswell-Formel - weiter. Die Grafik im Artikel (s.o.) ist eine Co-Produktion von Helmut Schnug (Kritisches-Netzwerk.de) und Wilfried Kahrs (QPRESS.de) - bitte diese Quellen bei Verwendung angeben!.
Als Massenkommunikation bezeichnet man in der Kommunikationswissenschaft einen Kommunikationstyp bzw. eine Kommunikationsform, die der öffentlichen Kommunikation zuzurechnen ist, „bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte und personell definierte Empfängerschaft), durch technische Verbreitungsmittel (Medien), indirekt (also bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz der Kommunikationspartner) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagenden und Aufnehmenden) an ein disperses Publikum […] gegeben werden“. (Maletzke 1963, mit Hickethier 1988).
Mit anderen Liberalen seiner Zeit, wie beispielsweise Walter Lippmann, argumentierte Lasswell, dass gerade die Demokratie, als wohl komplizierteste Staatsform, der Propaganda, also Werbung, bedürfe, um die zum großen Teil uninformierten Bürger in Übereinstimmung mit dem politischen System und den Entscheidungen, die eine spezialisierte politische Klasse für sie trifft, zu halten. Wie er in dem von ihm verfassten Eintrag zu Propaganda in der Encyclopaedia of the Social Sciences schrieb, muss der „democratic dogmatisms about men being the best judges of their own interests“ abgelegt werden, denn „men are often poor judges of their own interests, flitting from one alternative to the next without solid reason“. Ein weiteres Zitat von Lasswell: „Meinungsmanagement ist billiger als Gewalt, billiger als Bestechung oder irgendeine andere Kontrolltechnik.“
6. LASER GUIDED DEMOCRACY. Grafik: Ludovic Bertron, graphic designer from Laval, France. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
7. FOLLOW US-SHEEP. Quelle: Punkerslut.com > Grafikinfoseite. This image came from The Anti-Nationalism and Anti-Patriotism Graphics Library > This image came from www.miniaturegigantic.com. Original CopyLeft Notice from MiniatureGigantic.com: "The wide public distribution of the posters provided here is encouraged, but reproduction is limited to noncommercial use. Any commercial reproduction or redistribution is expressly prohibited." by Jonathan McIntosh > Grafik.
8. Aufklärung ist links, Gegenaufklärung rechts: Die politische Unterscheidung zwischen links und rechts - das müssen Sie sich klar machen - stammt aus der Zeit der Aufklärung. Links war, was den Zielen der Aufklärung verpflichtet war. Rechts war, was sich gegen die Aufklärung gewandt hat. Wenn wir nach dem Identifikationskern fragen, erkennen wir: es kann keine Gemeinsamkeiten zwischen LINKS und RECHTS geben. Sie wissen, wie groß in der Linken die Tendenz ist, sich selbst zu zersetzen und die eigene Identität zu verlieren. Und die Frage ist: wie kommt es, dass in der gegenwärtigen Situation die Linke so hilf- und planlos ist? Dabei spielt der Identifikationsverlust eine große Rolle. Extrem befördert wird innerhalb der Linken Spaltungstendenzen. Und interessanterweise werden die Knochen, die zur Selbstzersetzung hingeworfen werden, von der Linken gerne aufgegriffen. Deshalb wäre es äußerst wichtig, sich auf den gemeinsamen Kern zu besinnen. Grafik: Wilfried Kahrs (QPress.de)
9. Länderliste erstellt von William Blum. Blum (* 1933) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Kritiker der Außenpolitik der USA. Er war früher beim State Department beschäftigt, das er 1967 wegen seiner Opposition zum Vietnamkrieg verließ. Blum wurde einer der Begründer der Untergrundzeitung Washington Free Press, die in den 1960er und 70er Jahren kritisch über den Vietnamkrieg berichtete. Er hat ausführlich zu Geheimoperationen und Morden der CIA geforscht und publiziert. Sein Hauptwerk, Rogue State: A Guide to the World's Only Superpower, erschienen zunächst 2000, dann 2002 erneut, fand die Würdigung zahlreicher Kritiker der US-Außenpolitik. Blum war mit einer Deutschen verheiratet und hat einen Sohn. Er lebt in Washington D. C. Hier eine ältere, aber detaillierte Liste von US-Interventionen im Zeitraum von 1949 - 1999.
10. Buchcover: "Untote leben länger. Warum der Neoliberalismus nach der Krise noch stärker ist" von Philip Mirowski, Übersetzung: Felix Kurz, Verlag Matthes & Seitz Berlin, 352 Seiten, Hardcover, Erschienen: 2015, ISBN: 978-3-95757-087-1, Preis: 29,90 €. Originaltitel: "Never Let a Serious Crisis Go to Waste: How Neoliberalism Survived the Financial Meltdown".
»Jahrhundertkrise«, »Bankencrash«, »Systemkollaps« – Markige Worte wurden bemüht, um die Wirtschaftskrise zu beschreiben, die in den letzten Jahren zum Bankrott ganzer Länder geführt hat und den Euro an den Rand des Abgrunds trieb. Markige Worte, die nach grundlegenden Änderungen schreien. Doch als wäre nichts geschehen, geht alles weiter wie bisher: Die neoliberale Wirtschaft beginnt erneut heißzulaufen, Staatsinvestitionen sind weiter verpönt und schon sieht man wieder die ersten Spekulationsblasen wachsen. Angesichts dieser aberwitzigen Beharrungskräfte verfolgt Philip Mirowski das neoliberale Projekt bis zu seinen Anfängen zurück und zeigt, wie es gelingen konnte, der Welt eine ökonomische Theorie nach starren mathematischen Gesetzen überzustülpen, die sich als stählernes Mantra festgesetzt hat. Seine tiefgreifende, bissig und anschaulich geschriebene Untersuchung, die Intellectual History, Kulturkritik und die Aufdeckung des Einflusses mächtiger Interessenverbände umfasst, zeigt zudem, dass sich der Neoliberalismus mittlerweile zu einer Kultur verdichtet hat, die alle Bereiche unseres Lebens bestimmt und auch unser Denken fest im Griff hat. Die Krise der Wirtschaft entpuppt sich so auch als intellektuelle Krise.
11. Buchcover: "PROPAGANDA - Die Kunst der Public Relations" von Edward Bernays, Verlag: orange-press GmbH, Berlin - 5. Auflage. ISBN 978-3-936086-35-5. Preis € 16,90 (D) | € 17,40 (A) | SFr 23,50 (CH).
Edward Bernays (1891-1995) gilt als Vater der Public Relations. Bernays machte nicht nur das Werk seines Onkels Sigmund Freud populär, er bediente sich auch bei der Psychoanalyse und entwickelte auf ihrer Basis Methoden zur Steuerung der öffentlichen Meinung. In klarer Sprache, frei vom üblichen PR-Jargon, legt er in Propaganda dar, worin sich Public Relations von Werbung unterscheidet. Er erklärt, warum die Meinung der Massen gesteuert wird – und zeigt, wie das geht. Freimütig berichtet er, wie sich über den gezielten Zugriff auf das Unbewusste Konsumwünsche wecken und politische Maßnahmen durchsetzen lassen. Ein bis heute gültiges Standardwerk der Unternehmens- und Regierungskommunikation, das in einer Reihe mit den Strategie-Klassikern wie Machiavelli und Clausewitz steht.
Die Türen der Wahrnehmung: Warum Amerikaner beinahe alles glauben, Artikel über Bernays Arbeit und Propaganda - weiterlesen.
12. Buchcover: "Gustave Le Bon: Psychologie der Massen" von Gustave Le Bon. Das berühmte, in alle Weltsprachen übersetzte Buch des französischen Arztes und Soziologen über die Seele der Massen und die Gesetze ihrer Beeinflussung und Führung hat sich – trotz oder auch wegen mancher provozierender These – über Jahrzehnte hinweg und bis in die Gegenwart hinein als eine der stärksten Anregungen für Psychologie und Soziologie erwiesen. Le Bon stellt vor allem dar, wie politische Meinungen, Ideologien und Glaubenslehren bei den Massen Eingang und Verbreitung finden, wie man Massen beeinflussen kann, wie die dazu notwendigen Führer entstehen, welche Eigenschaften sie haben müssen, wie sie wirken und untergehen und wo die Grenzen dieser Beeinflussbarkeit liegen. Immer wieder betont er den geringen Einfluss von Vernunft, Unterricht und Erziehung sowie die Anfälligkeit der Massen für Schlagworte, große Gesten und geschickte Täuschungen.
Das Buch wurde und wird in mehreren Verlagen und Ausführungen angeboten. KN-ADMIN Helmut S. bevorzugt die Ausgaben des Alfred Kröner Verlages (Stuttgart) aus zwei Gründen: es gibt sie als Großdruck-Version (sehr lesefreundlich!) und beinhaltet zusätzlich eine interessante, mehrseitige Einführung von Peter R. Hofstätter. Übersetzt von Rudolf Eisler. 253 Seiten, ISBN 978-3-520-71001-7, Preis 12,90 EUR.
„In der Masse sinkt der Verstand mit der Anzahl der Versammelten“ -Gustave le Bon
Dieses Verhalten ist auch bei den Menschen zu beobachten. Einem traut man zu Regeln zu definieren, die der Gesellschaft nützen sollen. Das geht solange gut bis sich aus einer Gruppe eine kleinere, gleichgesinnte herausbildet, die mehr auf Konkurrenz, als auf Kooperation setzt. Diese Intention wird auch den eigenen Nachkommen anerzogen und es bildet sich zwangsläufig eine Elite, eine Führungsebene, der, den eigenen Vorteil im Blick, immer mehr angehören möchten. Kaum einer, der nicht zu den Regierenden gehören möchte!
Die große Gruppe toleriert anfänglich und akzeptiert letztendlich den Führungsanspruch der Wenigen, die sich mehr und mehr das aneignen, was dem Kollektiv gehört. Die Masse weiß irgendwann nicht mehr, dass sie stark genug ist, aus dem Glaszylinder zu springen und glaubt der von der Elite pseudowissenschaftlich begründete Alternativlosigkeit!
Nichts ist hemmender als „Wir haben es immer so gemacht“. Eine subjektive, von wenigen Nutznießern modellierte Wirklichkeit lässt schwerlich ihre Demontage zu! Dieses, Generationen übergreifende Phänomen, führt dazu, dass sich die Masse unreflektiert verhält. Das Grundprinzip der Eingliederung in ein organisches Leben, ist die Übernahme von Verhaltensmustern, auch wenn diese weit unter den eigenen Stärken und Möglichkeiten liegen. Der Druck der Gruppe diszipliniert das Individuum. Der Individualist unterliegt dem Konformitätsdruck, wird zum sogenannten Teamplayer und irgendwann, wider besseren Wissens, hinterfragt er keine Normen mehr!
13. Gustave Le Bon (1841-1931): Foto: Nationalbibliothk Frankreich / Quelle: Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
14. Englischsprachige Variante des unter Punkt 5 vorgestellten Modells.
Anhang | Größe |
---|---|
Gustave Le Bon - Psychologie der Massen - 1922 - 168 Seiten | 6.83 MB |