Das kapitalistische Manifest. Was Kapitalisten, Kommunisten und Andere endlich begreifen sollten!

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Das kapitalistische Manifest. Was Kapitalisten, Kommunisten und Andere endlich begreifen sollten!
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Das kapitalistische Manifest

- das wahre kapitalistische Manifest

Was Kapitalisten, Kommunisten und insbesondere Neoliberale endlich begreifen sollten!

► Vorwort

manifest-der-kommunistischen-partei-das-kapitalistische-manifest-was-kapitalisten-kommunisten-karl-marx-friedrich-engels-kritisches-netzwerk-kapitalismus-capitalism-kommunismus.pngDies ist der erste Artikel in einer Reihe weiterer, welche jeweils Module eines später erscheinenden Gesamtwerkes darstellen, daß sich um die Zusammenführung einzelner “Puzzleteile” zu einem großen Ganzen bemüht. Dabei geht es insbesondere um die Analyse multifaktorieller Ursachen, welche die seit vielen Jahren festzustellende zunehmende Vermögensungleichheit herbeiführen.

Die hiermit schon vorab vorgestellten “Modul-Artikel” werden sein:

  1. Kapitalismus (dieser Artikel)
  2. Neoliberalismus
  3. Neoliberalismus - eine extreme Steigerungsform des Kapitalismus?
  4. Lösungsansätze: Konkrete, zielführende Maßnahmen (Wege aus der Krise)

Der Gesamtartikel wird allerdings weit über die vorgenannten Themenfelder hinausgehen. Weil hiermit explizit ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, liegt es in der Natur der Sache, dass Probleme und Sachverhalte nur grob, aber keinesfalls oberflächlich skizziert werden können. Über viele angesprochene Themen wurden ganze Buchreihen geschrieben, aber kaum Eines, welches all diese Teile zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Im Zuge dessen, dass diese Analyse nicht den Umfang eines Wälzers einnehmen soll, kann bei den angerissenen Aspekten nicht in die Tiefe gegangen werden.

Zur Vertiefung bieten die Artikel innerhalb der Ausführungen selbst Verlinkungen mit Hinweis auf weiterführende Artikel, empfehlenswerte Literatur und / oder Videobeiträge.

Disclaimer: der Autor LOGOS macht sich nicht immer automatisch allen Aussagen verlinkter Quellen in Gänze zu eigen. In einigen Fällen korrigiert nachfolgender Artikel sogar manche dieser Aussagen.

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► Einleitung

kapitalismus-das-kapitalistische-manifest-antikapitalismus-werner-sombart-kritisches-netzwerk-industrielle-revolution-spaetkapitalismus-ulrike-herrmann-marx-engels-capitalism.pngEs ist in Diskussionen immer wieder festzustellen, dass zwar die gleichen Begriffe verwendet, diese dann aber unterschiedlich aufgefasst oder gar fehlgedeutet verwendet werden. In der Regel findet zu Beginn keine Klärung der Termini statt, die sichergestellt, dass Alle nicht nur über die gleichen Begriffe, sondern insbesondere über die gleichen Inhalte sprechen. Diese Vorabklärung ist z.B. in technischen Normen (DIN, EN, ISO) absoluter Usus - aus besagtem Grund.

Was sich in der Technik zur Vermeidung unnötiger begrifflicher Missverständnisse bewährt hat, sollte in jeder Analyse, die Anspruch auf Relevanz erhebt und potenziell interpretierbare Termini enthält, Pflicht sein.

Gerade beim Begriff "Kapitalismus" ist dies insbesondere vonnöten, weil einerseits i.A. darüber nur eine diffuse Vorstellung besteht, was denn dieser Vielgescholtene nun eigentlich ist und anderseits selbst unter zahlreichen Personen mit kritisch-reflektiertem und fundierten Wissen in Form diverser (rund 20) miteinander konkurrierender „Kapitalismus-Theorien“ keine Einigkeit über eine allgemein untereinander akzeptierte Auffassung besteht.

Weil hinter den Begrifflichkeiten entscheidende Inhalte stehen, bedarf es u.a. der Klärung der Frage: Was eigentlich ist Kapitalismus? ... Und was nicht?

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► Problemanamnese

Komplexe Probleme - wie z.B die wirtschaftlich extreme und sich ständig verstärkende Vermögensungleichheit - sind weder monokausal zu erklären, noch zu beseitigen. Komplexe Probleme besitzen immer multifaktorielle Ursachen. Dies nicht nur [intellektuell] zu verstehen, sondern insbesondere zu internalisieren, ist in unserer Zeit wichtiger als je zuvor:  In der Gesamtsicht sind die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse katastrophal und sie werden immer schlimmer. Aufgrund jener faktischen Vielfältigkeit von Problemursachen gibt es auch die unterschiedlichsten Vertreter an sich guter Lösungsansätze. Leider ist die unter diesen oft anzutreffende Sichtweise, da Monokausalität angenommen wird, das Problem erkannt und die Lösung parat zu haben. Und zwar jeweils andere, weil de facto unterschiedlichste existieren.

So vergeuden nicht Wenige ihre Kräfte in gegenseitigen, kontraproduktiven Grabenkämpfen (z.B. Kommunisten gegen Freiwirtschaftler) und spielen somit indirekt und ungewollt den Mächtigen wie auch dem System in die Hände, welche[s] man zu bekämpfen vorgibt, anstatt sich gemeinsam zu ergänzen und zusammen die nötige breite Front des Widerstandes zu bilden. Es ist eben keine Frage des „entweder/oder“, sondern wieder einmal, wie die Lebenserfahrung immer wieder lehrt, eines „sowohl als auch“!

Wenn viele Systemkritiker, die gewisse Probleme völlig korrekt erkannt haben und kritisieren, diese an sich fundamentale Erkenntnis endlich einmal verinnerlichen würden, indem sie die dogmatischen Grenzen ihrer Ideologie / Sichtweise durchbrechen und realisieren „nur einen Teil eines viel größeren Puzzles“ zu besitzen, dann [und wahrscheinlich nur dann] kann es gelingen, die nötige Anzahl Menschen zu verbinden, die gemeinsam die Initialzündung in eine „bessere Welt“ bilden. Das erfordert, über lieb gewonnene [Pseudo-]Feindbilder und eine vermeintliche ideologisch / dogmatische „Gralshüterschaft“ (nur wir haben die Lösung, alle Anderen liegen falsch) hinauszuwachsen. Ob dafür um der Wahrheit und der Menschen Willen Genügend auch die nötige Charaktergröße besitzen, dürfte wohl letztlich ein viel entscheidender Punkt sein.

 


 

1. Kapitalismus

    1.1     Was ist Kapitalismus? . . . Eine Definition

    1.2     Klärung allgemeiner Kapitalismus-Missverständnisse
       1.2.1  Innere Widersprüche oder Folgen anderer Kapitalismusdefinitionen

    1.3     Die Wirkmechanismen des kapitalistischen Wachstumsprozesses
       1.3.1  Erfordernis vs. Befriedigung
       1.3.2  Wettbewerb führt zu seiner Abschaffung
       1.3.3  Selbstverstärkender Rückkopplungsprozess

    1.4     Betriebs- vs. Volkswirtschaft
       1.4.1  Sparen
       1.4.2  Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
       1.4.3  Anhaltender Exportüberschuss
       1.4.4  Lohndumping
       1.4.5  Niederkonkurrieren
       1.4.6  Zwischenfazit Betriebs- vs. Volkswirtschaft

    1.5     Die wahren negativen Aspekte des Kapitalismus

    1.6     Die positiven Aspekte des Kapitalismus

    1.7     Kapitalismus und Arbeitslosigkeit
       1.7.1 Digitalisierung und Industrie 4.0

    1.8     Kapitalismus - zum Wachstum verdammt?

    1.9     Folgen der Abkehr vom Kapitalismus

    1.10   Woran der Kapitalismus scheitern wird

    1.11   Was Kapitalismus nicht ist - verfehlte Kritik

    1.12   Tatsächlich Kapitalismus die Wurzel der Übel?

    1.13   Die falschen Manifeste

    1.14   Fazit - Kapitalismus: Fluch oder Segen?
      1.14.1 Eine Frage politischer Steuerung!


 

1.1 Was ist Kapitalismus? . . . Eine Definition.

Von den vielen miteinander konkurrierenden Kapitalismus-Theorien sei neben der hier Vertretenen auf zwei Werke besonders hingewiesen:

1) Wirtschaftssysteme durchlaufen typische Entwicklungsphasen, z.B. ein Früh-, Hoch- und Spätstadium. Nach Professor Werner Sombart (* 19. Januar 1863 in Ermsleben; † 18. Mai 1941 in Berlin), der in der historischen Entwicklung des Kapitalismus zunächst den Früh- oder Handelskapitalismus (15. Jh. bis Mitte des 18. Jh.) vom Hoch- oder Industriekapitalismus (ab 1760) unterscheidet, ist der Spätkapitalismus, beginnend etwa ab 1880, durch umfassende nationale und internationale Wettbewerbsbeschränkungen und durch soziale Konflikte gekennzeichnet, ohne dass daraus allerdings Folgerungen für eine bestimmte Weiterentwicklung gezogen werden. Werner Sombarts Werk "Der moderne Kapitalismus" trägt als eines der wichtigsten Referenzwerke wesentlich zum Verständnis des Kapitalismus bei.

3 Bände in 6 Teilbänden gebunden oder in einem Pappschuber. Bd.1 Die vorkapitalistische Wirtschaft. / Bd.2 Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frükapitalismus. / Bd.3 Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Antiquarisch z.B. bei Booklooker.de .

werner-sombart-1-der-moderne-kapitalismus-fruehkapitalismus-hochkapitalismus-spaetkapitalismus-wirtschaftsleben-kritisches-netzwerk-antikapitalismus-handelskapitalismus.jpg     werner-sombart-2-der-moderne-kapitalismus-fruehkapitalismus-hochkapitalismus-spaetkapitalismus-kritisches-netzwerk-antikapitalismus-handelskapitalismus-industriekapitalismus.jpg     werner-sombart-luxus-manifest-capitalism-der-moderne-kapitalismus-fruehkapitalismus-hochkapitalismus-spaetkapitalismus-kritisches-netzwerk-handelskapitalismus-karl-marx.jpg

2) Ein weiteres Referenzwerk mit Fokus auf  die rein historische Geschichtsentwicklung des Kapitalismus wurde erstmals 1926 vom frz. Wirtschaftshistoriker Henri Eugène Sée ( (* 6. September 1864 in Saint-Brice-sous-Forêt; † 10. März 1936 in Rennes) mit dem Titel "Les Origines du Capitalisme Moderne" veröffentlicht. Erst 1948 erschien es unverändert in deutscher Sprache mit dem Titel "Die Ursprünge des modernen Kapitalismus  –  ein historischer Grundriss" - zur ausf. Vorstellung.

[Der sog. "morderne"] Kapitalismus, wie er hier in dieser Analyse verstanden wird, ist ein Phänomen der Neuzeit, welches erst rund 1760 in England mit der Maschinisierung von Webstühlen und Spinnereien seinen Anfang nahm. In diesem Kontext sei auf drei bemerkenswerte Sachverhalte hingewiesen, die einer möglichweise naheliegenden Erwartungshaltung entgegen stehen:

- Die Technik (Dampfkraft) war schon lange bekannt und wurde nicht neu erfunden! Daraus folgt der bis heute gültige Sachverhalt, dass Technik (im Produktionsprozess) nicht eingesetzt wird, weil sie existiert, sondern nur dann, wenn sie sich auszahlt - wenn ihr Einsatz einen Mehrgewinn verspricht. Oder im Wirtschaftssprech: wenn sich die Investition innerhalb eines gewissen Zeitraums amortisiert. Dies ist i.d.R. nur dann der Fall, wenn der letzte Punkt der u.g. Definition erfüllt ist.

- In seiner Entstehungsphase hatte der Kapitalismus weder etwas mit Industrie, noch großen Vermögen zu tun - es war „nur“ die Maschinisierung von Webstühlen und Spinnereien, die durch Kleinstunternehmer ohne bedeutendes Vermögen ausgetüftelt wurden

- Die ersten Installationen dieser Technik erfolgten durch einfache Handwerker, die z.T. nicht einmal lesen konnten und nicht durch Wissenschaftler, Forscher oder sonstwie [akademisch] besonders gebildete Leute

Zur Vermeidung von Missverständnissen: es wird nicht behauptet, dass alle folgenden Kriterien originäre oder einzigartige Eigenschaften des Kapitalismus sind. Die Kriterien sind notwendig, aber einzeln nicht hinreichend, sondern erst in ihrer Gesamtheit: es ist die einmalige Kombination, die den kapitalistischen Wachstumsprozess bewirkt.

Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem in Form eines . . 

- sich ggf. selbst erhaltenden dynamischen Prozesses

- mit totaler Wirkmächtigkeit (nicht nur Wirtschaft, sondern auch Gesellschaft),

- der wirtschaftliches Wachstum sowohl erzeugt wie auch benötigt,

- auf systematischer Substitution von menschl. Arbeit durch Effizienz- & somit Produktivität-steigernde Technik (> Kapital),

- dem Einsatz von Energieträgern (> Produktionsfaktor),

- einem FIAT-Kreditgeldsystem, sowie

- im Regelfall abhängiger & arbeitsteiliger Lohnarbeit basiert und sowohl durch

- Bestreben zur Gewinnsteigerung,

- technische Innovation,

- [mittlerweile, nicht systemisch] die Finanzwirtschaft wie auch durch

- hohe sowie steigende Löhne getrieben ist.

Kapitalismus ergibt sich aus der Gesamtheit bzw. der menscheitsgeschichtlich einmaligen Kombination der o.g. Sachverhalte. Dies kann gar nicht anders sein, weil Kapitalismus ein komplexes Phänomen ist. Komplexe Sachverhalte lassen sich hinreichend niemals monokausal, sondern immer nur multifaktoriell erklären. Die entscheidenden, spezifisch neuen Elemente sind dabei:

- Produktivitätssteigernde Technik (Maschinen & Anlagen), welche menschl. Arbeitskraft ersetzen, sowie

- technische Innovation im Produktions- und Dienstleistungsbereich, welche in einen fortwährenden produktivitätssteigenden Prozess mündet, sofern seinen Wirkprinzipien hinreichend Genüge getan wird.

Langfristig ohne Wachstum kollabiert der Kapitalismus brutal und chaotisch. Jegliche andere Definition von Kapitalismus muss sich den beiden Problemen stellen

- wie sie die bis dato weltweit und geschichtlich einmalige Zunahme wirtschaftlichen Wachstums pro Kopf erklärt, die in England im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm (zuvor gab es stets nur stagnierende Agrarwirtschaften, d.h. den "normalen" Menschen vor 300 Jahren ging es nicht besser als jenen vor 2000 Jahren - mit einer einzigen Ausnahme: England unmittelbar vor Ausbruch des Kapitalismus) und

- wie sie Kapital überzeugend definiert: da Kapitalismus ein neues Phänomen, darstellt kann Kapital nicht etwas sein, was schon früher existierte (also weder Geld noch überregionaler Handel). Ein Kapitalismusverständnis, welches nicht in der Lage ist, hierauf eine überzeugende Antwort zu liefern oder womöglich ganz ohne Kapital auskommt - also Kapitalismus ohne Kapital - ist entweder nicht korrekt oder beschreibt ein anderes Phänomen.

 


 

1.2 Klärung allgemeiner Kapitalismus-Missverständnisse

Um über die vorgenannte Definition hinaus mit allgemeinen Fehlannahmen aufzuräumen, was nämlich kein [originäres] Phänomen des Kapitalismus ist:

- Kapitalismus ist keine Ideologie, sondern ein abstrakter Prozess. Als solcher hat er weder Willen noch Absichten. Seine Entstehung war ungeplant und unvorhersehbar.

- Kapital ist nicht Geld. Weil es Geld schon seit rund 4000 Jahren gibt, Kapitalismus und somit Kapital aber erst seit 1760. Folgerichtig kann Kapital nicht Geld sein.

- Zinsen sind ebenfalls kein Phänomen des Kapitalismus, weil es Zinsen schon so lange wie Geld gibt, Kapitalismus aber erst seit rund 250 Jahren.

- Auch Spekulation ist ein vom Kapitalismus unabhängiges Phänomen, da es Spekulation ebenfalls schon viel länger gibt

- Ausbeutung kann ebenfalls kein [originäres] Phänomen des Kapitalismus sein: die schlimmste Form von Ausbeutung ist Sklaverei - diese gab es ebenfalls schon seit mehreren Jahrtausenden.

- Kapitalismus ist kein Gegensatz zur Planwirtschaft - weil auch im Kapitalismus geplant wird - nur eben nicht zentral & staatlich, sondern dezentral & privat. Unternehmen planen ständig, ermitteln Marktbedürfnisse und richten sich nach Prognosen aus. Ohne Planung wäre es viel zu chaotisch.

- Staat und Kapitalismus sind kein Widerspruch: Spätestens (tatsächlich schon früher, siehe das Buch "Das Ende der Megamaschine" von Fabian Scheidler, siehe auch dieser Videobeitrag) mit dem sog. Hochkapitalismus - also der Industrialisierung - hat es ein inniges, miteinander verflochtenens und gegenseitig beeinflussendes Verhältnis von Staat und Industrie gegeben. Allein aufgrund der inhärenten Instabilität des Kapitalismus bedarf er systemisch eines stark eingreifenden und regulierenden Staates. Der Staat ist also keineswegs der Feind des Kapitalismus, sondern ist dringend auf diesen angewiesen.

- Der größte & allgemein am häufigsten kolportierte Irrtum ist die Annahme, dass Kapitalismus Marktwirtschaft wäre. Martwirtschaft gemäß der Marktwirtschaftslehre heißt, auf einem [abstrakten] "Markt" treffen ganz viele Anbieter (Unternehmen & Konzerne) auf ganz viele Nachfrager (Kunden & Konsumenten), die alle miteinander im Konkurrenzwettbewerb stehen. Dem ist de facto nicht so! Dies ist an folgendem Sachverhalt ablesbar: Gemäß statistischem Bundesamt (Statistisches Jahrbuch 2016) kontrollieren weniger als 1% der Konzerne über 2/3 des gesamten Umsatzes. Zeitlich ist ein Trend feststellbar, dass diese Konzentration steigt. Die "ganz vielen Anbieter" sind also größtenteils Fiktion.

- Eine -insbesondere unter Kapitalismuskritikern oft gehegte - implizite Fehlannahme ist, dass Kapitalismus das ist, was -umgangssprachlich gesagt- „dabei heraus kommt“. D.h. dass der Kapitalismus an den überall zu beobachtenden sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen die Schuld trägt. Das ist falsch. Warum erklären die nachfolgenden Ausführungen.

* * * * * *

1.2.1 Innere Widersprüche und/oder Folgen anderer Kapitalismusdefinitionen

Karl_Marx_Philosoph_Oekonom_Gesellschaftstheoretiker_Kapital_Trier_Arbeiterbewegung_Marxismus_Sozialismus_Kommunismus._Klassengesellschaft_Oekonomie_Bourgeoisie_Kapitalismus_Religionskritik.jpg Angenommen, Kapital würde doch als Geld definiert. Geld aber gab es erwiesener Maßen schon seit Beginn menschlicher Aufzeichnung (rund 4000 Jahre, Mesopotamien) und abgesehen von ganz „primitiven Kulturen“ überall in sämtlichen Wirtschaften und über alle Zeiten hinweg. Dann müsste es auch überall und seit jeher schon Kapitalismus gegeben haben. In dem Fall wäre der Versuch, Kapitalismus abzuschaffen, schon im Ansatz zur Erfolglosigkeit verdammt - selbst im Kommunismus gab es Geld und somit Kapital (gemäß dieser falschen Definition).

Auch die theoretischen Ansätze durch Karl Marx und Friedrich Engels kommen nicht ohne Geld aus. Vielmehr ist es Marx selbst, der früh erkannt hat, dass Produktions-Technik - die Maschinen, Anlagen & IT im Produktionsprozess (Produktionsmittel) - das Kapital ist.

Wenn Kapital Geld wäre, dann würde die Forderung der Abkehr vom Kapitalismus in einer Abschaffung des Geldes münden.

- Wollen wir das?

- Wie soll eine moderne Gesellschaft ohne Geld auskommen?

- Wo sind die Theorien, die das überzeugend modellieren?

- Würde mit der Abschaffung des Geldes auch die extreme Vermögensungleichkeit durch Eigentum von Boden und Unternehmen beseitigt?

Wird Kapitalismus hingegen als überregionaler Handel verstanden, dann ist Kommunismus wieder keine Lösung, denn auch dort wurde überregional gehandelt. Außerdem gab es schon seit Jahrtausenden überregionalen Handel - Stichwort: Seidenstraße. Gemäß dieser Fehldefinition würde die Forderung einer Abkehr vom Kapitalismus in einer Abschaffung der Fernhandels münden. Aber wäre dadurch tatsächlich der Kapitalismus beseitigt? Offensichtlich nicht.

Ergo: andere Auffassungen von Kapitalismus, als die hier vertretene, scheinen andere Phänomene, die ohne Zweifel jenseits des [modernen] Kapitalismus existieren, zu beschreiben.

 


 

1.3 Wirkmechanismen des kapitalistischen Wachstumsprozesses

Warum der kapitalistische Wachstumsprozess entgegen allgemeiner Fehlannahmen lohngetrieben ist und zwar durch hohe sowie wachsende und nicht niedrige Löhne: nur bei hohen und wachsenden Löhnen lohnt sich Investition in menschliche Arbeitskraft ersetzende Technik (Maschinen, Anlagen & IT), die Kapital ist. Dies verdeutlicht folgende Tabelle:

Tabelle 1: Kausalkette der Wirkmechanismen & Erfordernisse des kapitalistischen Wachtumsprozesses

# Folgen Erfordernisse
1 Hohe (höchste) Löhne (in England) machen Produkte (Textilien) zu teuer und somit nicht wettbewerbsfähig  
2 drohender Bankrott und Arbeitslosigkeit (der Textilhersteller)  
2.1   Effizienzsteigerung des Produktionsprozesses zur Abwendung
3 erstmaliger Ersatz menschlicher Arbeitskraft (weil diese „zu teuer“ war) durch Einsatz von teurer Technik zur Produktivitätssteigerung, die sich nun aufgrund hoher Löhne auszahlte  
4 Mehrproduktion / Massenproduktion (MP)  
4.1   längerfristige Aufrechterhaltung (der MP) erfordert Massenabnahme (faktischer Sachverhalt)
4.2   erfordert Massenkaufkraft (Fähigkeit als theoretischer Sachverhalt)
4.3   erfordert hinreichend hohe Löhne der Masse der Gesellschaft
5 machen Investition in teurere, noch effizientere Technik (im Sinne des Bestrebens zur Gewinnsteigerung) lohnenswert  
5.1   erfordert Entwicklung und Produktion noch effizienterer Technik durch Hersteller und deren Arbeitnehmern
6 weitere Produktionssteigerung durch noch effizientere Technik  
7 steigende Massenproduktion (MP)  
7.1   längerfristige Aufrechterhaltung der steigenden Massenproduktion erfordert steigende Massenabnahme
7.2   erfordert hinreichend steigende Löhne der Masse der Gesellschaft
8 sich selbst erhaltender dynamischer Wachstumsprozess (selbstverstärkender Rückkopplungsprozess > Schleife zu 5)  
8.1   siehe folgendes Kapitel 1.3.1

 

1.3.1 Erfordernis vs. Befriedigung

Zwar mündet diese Kausalkette in einen „sich selbst erhaltenden“ dynamischen Wachstumsprozess (selbstverstärkender Rückkopplungsprozess) - aber nur unter einer extrem wichtigen Voraussetzung: Das Problem nämlich ist die Erkenntnis und Befriedigung der Erfordernis ständig steigender hoher Löhne - daran mangelt es nicht nur selbst bei den Unternehmen und Kapitalisten landauf, landab. Noch mehr konterkariert das inkompetente Gefasel und dessen Umsetzung von „Lohnzurückhaltung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ neoliberaler Zuträger diese wichtige Voraussetzung: ein Erfordernis bedingt nämlich noch lange nicht dessen Erfüllung (so wie Menschen nicht deshalb satt werden, weil sie hungern).

Der Kapitalismus drohte zu Zeiten Marx, als die Gesellschaft verarmte, weil die Arbeitnehmer nicht an den Wachstumssteigerungen beteiligt wurden, an Gier und Unverständnis der sog. „Arbeitgeber“ zu scheitern! Genauso war es bei der großen Depression in den USA. In Europa war es nicht die Einsicht der „Arbeitgeber“, die schließlich doch noch den Kapitalismus „rettete“, sondern der durch die katastrophalen Missstände hervorgerufene Arbeitskampf der Gewerkschaften und Arbeiter um höhere Löhne. Wäre dieser Arbeitskampf nicht erfolgreich gewesen, so wäre der Kapitalismus zusammengebrochen"

In den USA war es der sog „NEW DEAL“, welcher den Kapitalismus aus der akuten Notlage des drohenden Zusammenbruchs befreite. Es waren also die Befriedigung sozialer und Gerechtigkeits-Aspekte, die den Kapitalismus vor dem Untergang bewahrte.

Die destruktive Kausalkette mit ihren verheerenden Konsequenzen bei Umsetzung der neoliberalen Propaganda nicht steigender Reallöhne bzw. Lohnzurückhaltung in faktische Wirklichkeit ist dem künftig erscheinenden KN-Artikel über Neoliberalismus zu entnehmen.

Eine bloße Steigerung der Löhne reicht übrigens nicht aus: die Steigerung muss hinreichend sein, d.h. [mind.] in der Höhe der Produktivitätssteigerung. ulrike_herrmann_der_sieg_des_kapitals_kritisches_netzwerk_reichtum_geld_krisen_kapitalismus_neoliberalismus_marktradikalismus_oekonomie_karl_marx_exponentielles_wachstum_marktwirtschaft.jpgWenn die Löhne zwar steigen, aber die Steigerung unterhalb der des Produktivitätswachtsmums liegt, ergibt sich wiederum eine wachsende Kluft zwischen steigender Massenproduktion und nicht mithaltender Massenkaufkraft, was langfristig ebenso in die Krise führt.

Fazit: Kapitalismus ist systemisch auf ständig steigende Massenproduktion angelegt und somit von der Abnahme durch die breite Masse abhängig. Eine kleine Schicht Superreicher - und seien diese auch noch so vermögend - ist unmöglich in der Lage, diese Massenabnahme erfolgreich zu bewältigen! Der Wachstumsprozess funktioniert daher langfristig und dauerhaft nur, wenn hinreichend Viele (d.h. nahezu alle) am Wachstum hinreichend partizipieren.

Nur wenn die breite Masse in Form hoher und hinreichend steigender Löhne mitprofitiert bleibt der Wachstumsprozess in Gang - Kapitalismus ist also wenigstens langfristig auf eine entsprechende Beteiligung der Breite der Gesellschaft an steigenden Gewinnen der Unternehmen angewiesen. Dies haben die Allermeisten - insbesondere Kapitalisten und Politiker - bis heute nicht begriffen.

Weiterführende Literatur und Videobeiträge:

Es sei verwiesen auf zwei Werke von Frau Ulrike Herrmann "Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte vom Wachstum, Geld und Krisen.", 2013 im Westend Verlag mit ISBN: 978-3-86489-044-4 erschienen und von Wolfgang Lieb auf NDS rezensiert >> Rezension.

Ebenso ein "must-read" das Buch "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können", 2016 ebenfalls Westend Verlag mit ISBN 978-3-86489-141-0 erschienen.

Ulrike Herrmann: Anfang und Ende des Kapitalismus

 

Ulrike Herrmann: Der Sieg des Kapitals

 

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1.3.2 Wettbewerb führt zu seiner Abschaffung

ulrike_herrmann_kein_kapitalismus_ist_auch_keine_loesung_die_krise_der_heutigen_oekonomie_adam_smith_karl_marx_john_maynard_keynes_kritisches_netzwerk_neoliberalismus_marktradikalismus.jpgDen dialektischen Charakter des Wettbewerbs hat schon Marx erkannt: Ursprünglich (zu Beginn der industriellen Revolution) vorhandener Wettbewerb im Sinne der Konkurrenz Vieler mündet durch systemischen Druck in einen Verdrängungswettbewerb, an dessen Ende in Form eines Kartells/Oligopols oder Quasi-Monopols nahezu oder gar kein Wettbewerb mehr herrscht. Oder einfacher: zu Beginn vorhandener Wettbewerb führt dazu, dass am Ende kein Wettbewerb mehr existiert.

Der systemische Druck zur Macht- bzw. Kapitalakkumulation [ s. hierzu auch ein von Rosa Luxemburg 1913 veröffentlichtes Werk] ergibt sich wiederum durch die Technik: um weitere Effizienz- bzw. Produktivitätsfortschritte zu erzielen, bedarf es immer aufwändigerer und damit teurer Technik, die schließlich Milliarden kostet (neues PKW-Modell, neues Medikament, neue Chip-Fabrik, noch leistungsfähigere Serverfarm).

Dies können sich immer weniger Unternehmen leisten und werden schließlich durch die größten vom Markt verdrängt. Dass in einem Oligipol praktisch kein Wettbewerb mehr existiert hat die Spieltheorie hinlänglich nachgewiesen, weil den verbleibenden wenigen Teilnehmern nur zwei Alternativen bleiben: entweder Kooperation oder ein ruinöser Verdrängungswettbewerb mit ungewissem Ausgang.

1.3.3 Selbstverstärkender Rückkopplungsprozess

Die zu Beginn dieses Unterkapitels analysierten Wirkprinzipien des kapitalistischen Wachstumsprozesses deuten darauf hin, dass dies ein sich selbst verstärkender Rückkopplungsprozess ist. Ein selbstverstärkender Rückkopplungsprozess, auf den äußere, mehr oder weniger chaotische Einflüsse einwirken, neigt systemisch zur Instabilität.

In der Elektrotechnik führen solche Prozesse, wenn sie falsch geregelt werden, zur Oszillation (was sehr schlecht ist) oder enden, wenn sie gar nicht geregelt werden, mit dem Exitus (Crash). Mit anderen Worten: Einen selbstverstärkenden Rückkopplungsprozess sich selbst zu überlassen führt in die Instabilität bzw. ins Chaos – in der Wirtschaft eben in schwere Krisen.

Die vom wirtschaftspolitischen Mainstream oft zu hörende Forderung, den kapitalistischen Wirtschaftsprozess sich selbst zu überlassen und nicht regulativ einzugreifen, sondern "freie Märkte" herzustellen, zeugt von fundamentaler Unwissenheit und Inkompetenz über das Wesen des Kapitalismus.

Was macht Fehlsteuerung aus?

Die Nichtbeachtung - oder im schlimmsten Fall die Konterkarierung - dieser kapitalistischen Wirkmechanismen.

I) Konkret (nur beispielhaft):

- Da der kapitalistische Wachstumsprozess auf hohen und steigenden Löhnen basiert sind alle Maßnahmen kontraproduktiv, die nicht zu mit den Produktivitätssteigerungen adäquat mitwachsenden Lohnsteigerungen führen - wie z.B. "Lohnzurückhaltung", Lohndumping, Niedriglöhne, Ausbeutung und das repressive ALG I/II(Hartzv IV)-System.

- Alle Maßnamhmen, welche auf der Annahme beruhen, es würden viele Anbieter in einem Konkurrenzwettbewerb stehen und deswegen davon ausgehen, eine echte Konkurrenzsituation würde zu "richtigen" Preisen führen.

- Da Kapitalismus ein selbstverstärkender Rückkopplungsprozess ist sind alle Maßnahmen, welche dies nicht berücksichtigen, wie z.B. Austeritätspolitik, "In die Krise hineinsparen" oder eine Schuldenbremse kontraproduktiv.

II) Allgemein lässt sich feststellen: nahezu alle neoliberalen Forderungen stellen eine Fehlsteuerung des kapitalistischen Wachstumsprozess dar. Welche das konkret sind, ist z.B. dem Kapitel Neoliberale Forderungen zu entnehmen.

 


 

1.4 Betriebs- vs. Volkswirtschaft

Oft wird in wirtschaftspolitischen Debatten die sog. „schwäbische Hausfrau“ bemüht. Das zeugt davon, dass nicht einmal ein hinreichendes Minimum an Basisverständnis bzw. -wissen vorhanden ist: nämlich die Kenntnis um den fundamentalen Unterschied zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Die Existenz dieser beiden getrennten Themengebiete ist nicht etwa einem universitären Ansinnen geschuldet, ein Fach mehr unterrichten zu können, sondern dem substanziellen Wesensunterschied der beiden Bereiche.

Kapitalismus ist de facto ein volkswirtschaftlicher Effekt - also der Makroökonomie. Dieser Aspekt spiegelt sich in der hier verwendeten Kapitalismus-Definition von Kapitel 2.1.2 "Kapitalismus ist ... ein sich selbst erhaltender dynamischer Wachstumsprozess ist, der auf systematischer Substitution von menschlicher Arbeit durch Effizienz- und somit Produktivität-steigernde Technik (Maschinen, Anlagen & IT) basiert.“ in dem Kriterium „systematischer“ wider. In seltenen Einzelfällen gab es auch vor Beginn der Entstehung des Kapitalismus durch die Maschinisierung von Webstühlen den Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen: Windmühlen, Wassermühlen und Wasserschmieden (alle zählen zu den sog. „Kraftmaschinen“). Weil dies aber nur 2 Bereiche betraf, Mühlen und Schmieden, und diese sich nur in den Begrenzungen bestimmter natürlicher Voraussetzungen, einer windreichen Gegend oder einem Bachlauf, bilden konnten (Standortabhängigkeit), war dies kein volkswirtschaftliches Phänomen. Es führte zu keinem wirtschaftlichen Wachstum pro Kopf.

Webstuehl-Spinnmaschinenfabrik-Kinderarbeit-Maschinisierung-Industrielle-Revolution-Kritisches-Netzwerk-Webmaschine-Kritisches-Netzwerk-Kinderrechte-Ausbeutung

Anhand folgender Unterkapitel soll der extrem wichtige Unterschied zwischen den Ebenen der Betriebs- und Volkswirtschaft verdeutlicht werden.

* * * * * *

1.4.1 Sparen

Sparen wird gemeinhin, sowohl von Politik wie auch dem Mainstream-Ökonomen, als Tugend dargestellt. Das aber gilt bestenfalls auf mikroökonischer / betriesbswirtschaftlicher Sichtweise. Volkswirtschaftlich ist sparen aber absolut negativ, weil die Binnennachfrage . . .

Wir müssen den makroökonomischen Zusammenhang begreifen. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass es makroökonomisch ganz andere Beziehungen gibt als mikroökonomisch. Ich kann mikroökonomisch alles Mögliche sagen - kann dem Staat sagen „Spare auf Teufel komm raus“ aber das ist Unsinn, wenn ich es makroökonomisch betrachte.

Und das müssen wir wiederbeleben, das gibt es seid 80, 90 Jahren. Das hat mit dem Namen Keynes zu tun ... der „schreckliche Schuldenmacher“. Aber warum hat der über Schulden geredet? Weil man darüber reden muss. Man kann es nicht vermeiden. ... Ich werfe niemand vor, dass er nur die Mikrologik kennt, wir werden damit groß, werden großgezogen mit Mikrologik - Schwäbische Hausfrau im Unternehmen.

Alle denken Mikro - ist ja auch völlig in Ordnung. Aber es muss doch in der Wirtschaftspolitik eine Ebene geben, die makro denkt ... weil sie für die Makroebene verantwortlich ist. Und das eben ist im Zuge der sog. neoliberalen Revolution der letzten 30 Jahre vollkommen untergegangen. Also wir haben die Logik beiseite geschoben, nicht nur eine bestimmte Theorie [Anmerkung: mutmaßlich die von Keynes gemeint]. Wir haben die Logik beiseite geschoben [Anmerkung; exakt damit befasst sich das gesamte Kapitel 2.2.6.1] und das darf man in diesem Leben nie tun!" (Heiner Flassbeck).

Wichtige Vorbemerkung zum nachfolgenden Video:

eu_flag_no_europaeische_european_union_referendum_kritisches_netzwerk_brexit_entdemokratisierung_korruptes_corrupt_system_regime_bruessel_lobbyismus_martin_schulz.jpg Heiner Flassbeck spricht von England und Engländern, wenn es in Wahrheit um das Vereinigte Königreich und dessen Bewohnern geht. Die Anwendung korrekter Begrifflichkeit ist aber von historischer, kultureller, geographischer und politischer Bedeutung!

Leider spricht Flassbeck aber auch von "Europa", wenn es tatsächlich um das Konstrukt "Europäische Union" (EU) geht. Die korrekte Unterscheidung zwischen Europa und EU ist enorm wichtig. Heutzutage wird die überaus berechtigte und notwendige Kritik an der EU oft ganz bewußt politisch und medial gezielt umgedeutet, um Gegner oder Kritiker des Konstrukts gleichermaßen als Anti-Europäer oder gar als "Feinde Europas" zu stigmatisieren. Fakt ist: die EU ist nicht Europa und Europa ist nicht die EU!  Europa ist ein Erdteil, der sich über das westliche Fünftel der eurasischen Landmasse erstreckt. Zu Europa gehören aber auch Nicht-EU-Länder (z.B. Schweiz, Norwegen), außerdem ca. 25% der Landmasse der Russischen Föderation in der etwa 75% der Gesamtbevölkerung des Vielvölkerstaates wohnt.

Die EU ist ein künstliches wirtschafts- und finanzpolitisches Konstrukt, welches aus der EWG (einer Wirtschaftsgemeinschaft) und dessen Nacholger, der EG, hervorgegangen ist. Die EU ist zutiefst undemokratisch strukturiert, die nicht davor zurückschreckt, Politik gegen den erklärten Willen der Bevölkerungen (Beispiel Freihandelsabkommen, Austeritätspolitik, Bankenrettung, zusätzl. Militarisierung etc.) zu oktroyieren. Die EU ist aufgrund ihrer Struktur und der Uneinsichtigkeit ihrer z.T. korrumpierten Entscheidungsträger wahrscheinlich nicht radikal (im Sinne von grundlegend) reformierbar. Deswegen und weil die Auswirkungen der EU mittlerweile verheerend und menschenfeindlich sind (Beispiel Griechenland), gibt es immer mehr Menschen, die sich für eine Abschaffung der EU aussprechen. Das Kritische Netzwerk teilt ebenfalls diese Ansicht!

Die EU-Schergen möchten sich aber möglichst keiner breiten öffentlichen Kritik ausgesetzt sehen - deswegen versuchen sie unredlich berechtigte Kritik als anti-europäisch zu diffamieren, obwohl sich diese in Wahrheit gegen das undemokratische politische Konstrukt und nicht gegen "Europa" richtet. Bedauerlicherweise befördert Heiner Flassbeck mit seiner Diktion diese falsche Darstellung. Davon distanziert sich das KN ausdrücklich!

Heiner Flassbeck Vortag Europa in der Dauerkrise Brexit EURO Schuldenkrise - Bezugsstelle 41:08

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1.4.2 Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise können einzelne Unternehmen (durch welche Maßnahmen auch immer) ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Volkswirtschaftlich aber, wenn alle Unternehmen versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, ist das nicht möglich. Warum? Weil Wettbewerbsfähigkeit IMMER - nämlich systemisch - ein relativer Sachverhalt ist. Weil sich sich ein Wettbewerbsvorsprung IMMER nur im Vergleich zu anderen Wettbewerbern ergibt - das ist prinzipiell gar nicht anders möglich.

Ein Vorsprung ist niemals absolut, sondern in Relation zu Zurückliegenden. Das heißt Vorsprung vor was oder wem? Eine bessere Wettbewerbsfähigkeit lebt unauflöslich von dem Vergleich mit Anderen, die schlechter sind. Es muss also eine Differenz, einen Abstand, bei einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit geben. Und schon allein darin ist der ganze Irrsinn erkennbar, der in der Forderung liegt, alle (z.B. anderen Länder) müssten ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Löhne verbessern.

Diesen elementaren Sachverhalt veranschaulichte Prof. Dr. Heiner Flassbeck besonders eingänglich mit der Bemerkung: (Video)

Nur Wirtschaftswissenschaften ... betreiben wir wie im 17. Jahrhundert. ... Wir sind nicht in der Lage, ein paar simple Zusammenhänge zu begreifen: wie kann es sein, dass unsere Wirtschaftspolitiker sich hinstellen können und sagen können, wir müssen jetzt alle unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern? Wenn Olli Kahn gestern hier gesagt hätte: ... nächsten Samstag gewinnen wir alle im Fussball, dann hätten wir gesagt „Idiot“, wenn Frau Merkel sagt „Alle müssen wettbewerbsfähiger werden“ dann sagt niemand „Idiotin“. Warum nicht?"

Den extrem wichtigen, fundamentalen Unterschied zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft haben schon die meisten Kapitalisten und insbesondere alle Neoliberalisten nicht verstanden. So erhebt der Neoliberalismus diesen fundamentalen Irrtum noch zum ideologischen Paradigma: dort wird praktisch unisono aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise pseudoargumentiert.

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1.4.3 Anhaltender Exportüberschuss

Für ein Unternehmen mag eine Gewinnerzielung durch Export auch langfristig erfolgreich sein, jedoch eine gesamte Volkswirtschaft, die anhaltende signifikante Exportüberschüsse erzielt, kann auf strategische Sicht nicht gewinnen, sondern nur verlieren. Gerade am Beispiel des langjährigen Exportweltmeisters Deutschland (nur 2015 lag China nach Berechnungen des Ifo-Instituts mit weltgrößten Exportüberschuss knapp vor Deutschland, seit 2016 ist es wieder Deutschland) wird dies deutlich. Abstrakter erklärt anhand folgender verhängnisvollen Kausalkette:

1. Aufgrund eines Wettbewerbsvorsprungs (auf welche Weise dieser erzielt wurde, ist für die verheerenden Folgen zweitrangig. Zur Richtigstellung nur so viel: der Grund für Deutschlands anhaltend hohe Außenhandelsüberschüsse liegt keineswegs in einer vermeintlich „besonders leistungsfähigen“ deutschen Industrie. Dies hört man allerdings nicht so gern.) wurden die anhaltend hohe Außenhandelsüberschüsse erzielt.

2. Aufgrund der durch das Exportland geschaffenen Außenhandelsdefizite mangelt es den Netto-Import-Ländern an Devisen, um importierte Waren bezahlen zu können.

3. Außerdem wurde auf diese Weise Arbeitslosigkeit ins Ausland exportiert, welches mit zu deren Außenhandelsdefizit beitrug.

4. Folglich werden die Waren auf Kredit gekauft - u. U. abgesichert durch sog. „Hermes-Bürgschaften“ (Auslandsgeschäftsabsicherung). Damit kommt der Staat und letztlich der Steuerzahler auf, sollten Kredite platzen.

5. Solange der Zustand Exporteur / Importeur unter den Ländern hinreichend gleichmäßig wechseln würde, bestünde keine Problem. Wenn aber über längere Zeit immer dasselbe Land, nämlich Deutschland, Exportweltmeister ist, dann nimmt einerseits die Solvens der Schuldnerländer aufgrund der durch Deutschland exportierten Arbeitslosigkeit ab und anderseits der verzinste Schuldenberg immer weiter zu

6. Die auf diese Weise „niederkonkurrierten Staaten“ werden in schwere Wirtschaftkrisen getrieben, die es ihnen unmöglich machen, die aufgelaufenen Schulden zu begleichen.

7. Das Platzen der Kredite ist zwangsläufige Quittung für die vorgenannten Fehlverhaltenweisen des „Exportweltmeisters“. Aufgrund der geplatzten Kredite wurden die damit „bezahlten“ exportierten Waren verschenkt (gesicherte Zahlen: mittlerweile mehr als 600 Mrd. €)!

8. Mit den in die schwere Wirtschaftkrise getriebenen Gläubigerstaaten brechen gleichzeitig zukünftige Kunden & Abnehmer weg.

9. Dies wird mit gewisser zeitlicher Verzögerung die Exportwirtschaft des ständige Außenhandelsüberschüsse erzielenden Landes einholen!

10. Auf diese Weise schlussendlich beides ruiniert: die Exportwirtschaft und aufgrund der Verringerung der Binnennachfrage infolge des Kaufkraftverlusts durch Lohndumping auch die Binnenwirtschaft!

11. Am Ende sind fast Alle die Verlierer: die deutsche und ausländische Wirtschaft wie auch die deutsche und ausländische Gesellschaft! Nur die Großkonzerne, deren Kredite durch den Staat und damit die Steuerzahler getragen wurden, zählen zu den Gewinnern. Schlussendlich aber wird der Umstand, dass man so den Ast abgesägt hat, auf dem man saß, auch diese einholen. Oder, um es mit den Worten Heiner Flassbecks zu sagen: "Der Sieger ist am Ende der Verlierer!"

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1.4.4 Lohndumping

Lohndumping mag im Sinne des Maxims der Gewinnmaximierung (Profitgier) vordergründig und betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheinen; volkswirtschaftlich führt das aufgrund ständig sinkender Binnenkaufkraft zur Schädigung der Binnenindustrie in die Katastrophe.

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1.4.5 Niederkonkurrieren

Betriebswirtschaftlich mag es für ein Unternehmen ein Erfolg sein, wenn es ein anderes per Konkurrenzdruck aus dem Markt verdrängt - wenn dies aber in makroökonomischen Dimensionen erfolgt,

1) indem eine Volkswirtschaft eine oder mehrere Andere niederkonkurriert, dann führt dies zu schweren Wirtschaftskrisen, unter denen sowohl Im- wie Exportländer zu leiden haben

2) dann führt dies langfristig inländisch zu Oligopol- und/oder [Quasi-]Monopolbildung und zu schweren Marktverzerrungen.

Heiner Flassbeck: 20 Jahre nach den Verträgen von Maastricht - Die EU in der Krise? - Bezugsstelle für Punkt 1) bei Min. 32:16

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1.4.6 Zwischenfazit Betriebs- vs. Volkswirtschaft

Es sind diese Widersprüche zwischen kurzfristiger und begrenzter betriebswirtschaftlicher Sichtweise sowie einer langfristigen und gesamtwirtschaftlichen, welcher dem Verständnis kapitalistischer Mechanismen oft entgegen stehen und infolge dessen zu Fehlannahmen führen, welche den Wachstumsprozess konterkarieren.

In volkswirtschaftlichen Fragen hilft die viel bemühte „schwäbische Hausfrau“ nicht nur nicht weiter - diese Sichtweise konterkariert oftmals sogar das Lösen gesamtwirtschaftlicher - also die Volkswirtschaft betreffende - Probleme oder Krisen! Diese elementare Einsicht in die Köpfe zumindest all Derjenigen zu bekommen, die

1. sich in der Öffentlichkeit (Medien) über gesamtwirtschaftliche Probleme auslassen und

2. umso mehr Derer, die tatsächlich entsprechende Verantwortung tragen oder wichtige entsprechende Entscheidungsträger sind,

stellt die fundamentale Herausforderung dar, die es zu Beginn eines wirtschaftlichen Gesundungsprozesses in Politik und Wirtschaft zu bewältigen gilt.

Nicht nur wegen der chronischen Uneinsichtigkeit, Unbelehrbarkeit und Beratungsressitenz der meisten Politiker und ggf auch Wirtschaftsbosse aber ist eine derartige Erwartungshaltung wahrscheinlich zur Erfolglosigkeit verdammt, sondern auch, weil das auf das öffentliche Eingeständnis der eigenen Inkompetenz und eines jahrelang falschen Handelns hinauslaufen würde.

Insbesondere fast allen Spitzenpolitikern mangelt es an der dafür erforderlichen Charaktergröße fundamental. Für Narzissten ist schon allein die Vorstellung, geschweige denn das öffentliche Zugeständnis, jahrelang einen kontraproduktiven, fundamental falschen Kurs verfochten zu haben, mit dem eigenen Selbstbild unvereinbar. D.h. weder mit den derzeitigen Politikerchargen (zu denen auch der neu hochgekochte Strahlemann und vermeintliche Hoffnungsträger „Martin Schulz“ (s. Artikel "Martin Schulz (SPD) hält eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede" - weiter) zählt ebenso wie alle namhaften AfDler (s. Artikel AfD = keine Alternative" - weiter.) noch den neoliberalen „Beratern“ und vermeintlichen „Experten“ (s.u.) dürfte dieser dringend nötige Wechsel zu machen sein.

Wenn also Prof. Dr. Heiner Flassbeck davon spricht, dass Politiker ausgewechselt werden müssen, dann bedeutet das nicht, diese gegen andere Exemplare, die der gleichen ideologischen [neoliberalen] Verblendung anheim gefallen sind, auszutauschen, sondern dann müssen Vorgenannte gegen verständigere, einsichtigere und fundamental kompetentere Vertreter eingewechselt werden. Mit den etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne ist das ebenso wenig zu machen wie mit der AfD.

[ . . ] Unternehmer tappen wie kaum eine andere Gruppe der Bevölkerung bei der Beurteilung volkswirtschaftlicher und sozialer Fragen in eine Falle, die man Trugschluss der Verallgemeinerung nennt. In den Lehrbüchern der Logik heißt es dazu: Der Trugschluss der Verallgemeinerung besteht darin, dass man von der Gültigkeit einer Aussage für einen Teil auf die Gültigkeit dieser Aussage für das Ganze schließt. Der Unternehmer folgert oft nach dem Muster: Was für mein Unternehmen gut ist, ist auch für die ganze Volkswirtschaft richtig. Aber genau das ist falsch. Vielmehr ist es so, dass das, was für den einzelnen Betrieb ratsam ist, für die Volkswirtschaft als Ganzes noch lange nicht gilt.

Als Paradebeispiel gilt die Situation der Zuschauer im Theater. Der einzelne Besucher kann seine Sicht verbessern, indem er aufsteht. Weil ihnen die Sicht genommen wird, erheben sich dann auch die Zuschauer, die hinter ihm sitzen. Am Ende steht der ganze Saal. Keiner sieht mehr als vorher. Das Bestreben des Einzelnen, seine Lage zu verbessern, führt dazu, dass es am Ende allen schlechter geht.

Wenn ein Betrieb Löhne senkt und Leute entlässt, dann kann das in bestimmten Fällen eine Möglichkeit sein, das Überleben der Firma zu sichern. Wenn aber alle Betriebe Löhne senken und Leute entlassen, dann führt das direkt in eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe.
– Oskar Lafontaine in Politik für Alle, Berlin 2005, S. 73 ff.

Weiterführendes:

  • KN-Artikel von Ernst Wolff: "Ein Rat für 2017: Misstraut den „Experten“ und denen, die sich dafür halten!" - weiterlesen.

 


 

1.5 Die wahren negativen Aspekte des Kapitalismus

Wenn also der Wachstumsprozess des Kapitalismus in Wahrheit gar nicht auf Ausbeutung beruht, sondern im Gegenteil auf höhen und steigenden Löhnen und de facto bestehende Ausbeutung nicht dem Kapitalismus, sondern einerseits der Gier (die es auch schon seit eh und je gab und nicht erst durch den Kapitalismus seinen Weg in die Menschheitsgeschichte bahnte!) und anderseits der fehlenden Einsicht in die wahre Natur des Kapitalismus geschuldet ist, was sind denn dann die wahren negativen Phänomene des Kapitalismus?

amazon_nein_danke_monopolstellung_alexa_sklavenarbeit_ausbeutung_kritisches_netzwerk_eco_app_rotraut_susanne_berner_packer_picker_jeffrey_jeff_preston_bezos_menschenverachtung_boykott.gif1. Kapitalismus besitzt einen systemimmanenten Drang zur Unternehmenskonzentration (Marx: inhärente Akkumulation des Kapitals) durch Verdrängung, Aufkauf, Fusion, Kartell- und Oligopolbildung bis hin zum Extrem: dem (Quasi]-Monopol (selbst in den neuen Märkten: MS, google, facebook, Amazon sind konkrete Beispiele, wie sich innerhalb weniger Jahre bzw. Jahrzehnte Quasi-Monopolisten gebildet haben)

2. Einhergehend mit der Kapitalakkumulation ist i.d.R. (ohne hinreichende Gegensteuerung) eine Machtkonzentration verbunden. Diese kann die Demokratie und den Rechtsstaat unterminierende Ausmaße annehmen. Auch sonst besteht ein systemisches Machtgefälle zwischen Unternehmen und abhängig Beschäftigen.

3. Kapitalismus neigt systemimmanent zu Krisen - höchstwahrscheinlich deswegen, weil er systemisch einen selbstverstärkenden Rückkopplungsprozess (siehe Kapitel 1.3) darstellt, welcher wiederum systemisch instabil ist

4.  Der Wachstumsprozess an sich kennt keine Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt - in sofern ist er, wenn er nicht durch staatliche Regularien begrenzt und eingehegt wird, zerstörerisch

5. Der Zwang zum Wachstum kennt kein Ende (siehe auch Kapitel 1.8) - mit einem steigenden Ressourcenverbrauch als Konsequenz

6. Konsumismus und Produktion eigentlich nicht benötigter Produkte, Überproduktion, Obsoleszenz.

7. Fördert materialistische Sichtweise und Konkurrenzdenken > Ellenbogengesellschaft anstatt Kooperation und Solidarität

8. Kapitalismus als Prozess führt systemisch zum weitgehenden oder vollständigen Verschwinden derjenigen Berufe/Berufsbilder, die durch Technik ersetzt werden (siehe Kapitel 1.7 "Kapitalismus und Arbeitslosigkeit"). Der kapitalistische Substitutionsprozess hat oftmals dort, wo menschliche Arbeitskraft nicht vollständig durch Technik obsolet gemacht werden kann, [Massen-]Entlassungen abhängig Beschäftigter zur Folge.

9. Ein nicht zu unterschätzender Sachverhalt aber ist: Kapitalismus ist ein komplexer Wirtschaftsprozess, welcher sich in seiner Systematik so schwer dem Menschen erschließt, dass selbst ausgesprochene Kapitalisten die Wirkmechanismen oftmals nicht begriffen haben (Henry Ford bildet da eine seltene Ausnahme) und somit zu der vermeintlich nahe liegenden [Fehl-]Annahme kommen, die dann ausgerechnet noch der ohnehin bestehenden Gier vieler Menschen Vorschub leistet: Gewinnmaximierung durch Lohndumping und Ausbeutung.

Weiterführendes:

"Dem Konsumismus trotzen! Das Abseits als wirtlicher Ort." von Prof. Dr. Marianne Gronemeyer - weiter.

"Kaufen für die Müllhalde. Das Prinzip der Geplanten Obsoleszenz" von Reuss und Dannorwitzer - weiter.

"Agenda der Solidarität für eine inklusive Gesellschaft" von Christoph Butterwegge - weiter.

Konsumismus_Konsumgesellschaft_Triebbefriedigung_homo_consumens_Konsumkritik_Konsum_Wegwerfgesellschaft_Konsumzwang_Konsumdenken_Kritisches_Netzwerk_Kapitalismuskritik


 

1.6 Die positiven Aspekte des Kapitalismus

Den vor 300 Jahren in Deutschland lebenden Menschen der "normalen Gesellschaft" ging es nicht besser als den vor 2000 Jahren irgendwo sonst auf der Welt. Einzig und allein der sog. moderne Kapitalismus hat es geschafft, erstmals in der Menschheitsgeschichte zu einem wirtschaftlichen Wachstum pro Kopf zu führen: heute leben Menschen rund 20x besser als vor 200 Jahren (siehe Video).

Der Kapitalismus als absolutes System, welches alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt, hat nicht nur materiellen Wohlstand hervorgebracht, sondern darüber hinaus Errungenschaften ermöglicht, die heute kaum jemand missen möchte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

1. Demokratie

2. Gleichberechtigung

3. allgemeine Bildung

4. längeres Leben - die durchschnittl. Lebenserwartung hat sich von 1871 bis heute mehr als verdoppelt - siehe hier.

Der Sieg des Kapitals - Vortrag von Ulrike Herrmann in der auto-kultur-werkstatt - Bezugsstelle 22:15

 


 

1.7 Kapitalismus und Arbeitslosigkeit

Warum hat Kapitalismus nicht längst zu einer gigantischen Massenarbeitslosigkeit geführt (die bestehende Massenarbeitslosigkeit ist dem Neoliberalismus geschuldet und eben nicht dem Kapitalismus - der Nachweis wird im weiteren geführt)? Denn genau das wäre zu erwarten, wenn immer mehr menschliche Arbeitskraft durch Maschinen und Anlagen ersetzt werden. Dies ist vermutlich der schwierigste Komplex überhaupt.

Die hier vertretene These ist, dass bei einem korrekt gesteuerten Kapitalismus mehrere Ursachen bisher im Regelfall (zur Ausnahme siehe folgendes Unterkapitel) nicht zu einer extremen Arbeitslosigkeit führen:

- Die im Regelfall enorm arbeitsteilige Wirtschaftskette: Kaum ein Unternehmen stellt sein Endprodukt direkt aus Rohstoffen her, sondern über eine Kette von Zwischenprodukten

- Insbesondere gilt Vorgenanntes im Regelfall für die Effizienz steigernde Technik in Form von Maschinen und Anlagen

- wachsende Märkte

- neue Märkte

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1.7.1 Digitalisierung und Industrie 4.0

Auf die Frage nach der möglichen gesellschaftlichen Umwälzung durch die sog. "Industrie 4.0" wird mitunter wie folgt geantwortet:

Natürlich wird die Industrie jetzt nochmal sehr stark digitalisiert. Aber aus meiner Sicht ist das nicht Neues, sondern der typische Gang des Kapitalismus: es wird eben die Effizienz immer weiter gesteigert. Man darf jetzt nicht den Fehler machen, weil wir etwas als neu erleben, die Beschleunigung größer sei als im 19 Jahrhundert. Z.T. haben wir die Beschleunigung nie wieder erreicht. Zum Beispiel als das Transatlantikkabel gelegt wurde und es möglich wurde, zwischen London und New York Nachrichten auszutauschen innerhalb von einer Minute, hat sich sozusagen die Geschwindigkeit der Nachrichten um den Faktor 10000 erhöht. Und das haben wir nie wieder erreicht. D.h. was wir jetzt erleben ist eigentlich komplett im Rahmen des Normalen, obwohl viele das ganz neu empfinden.
- Ulrike Herrmann , Vortrag in der VHS-Remscheid [1]

Der Punkt allerdings ist: Volkswirtschaftliche Relevanz technischen Fortschritts ist ein komplexes Phänomen. Komplexe Phänomen sind niemals monokausal, sondern immer nur multifaktoriell zu analysieren und erklärbar. Mit anderen Worten: nur die Geschwindigkeit/Beschleunigung als Maßstab der volkswirtschaftlichen Relevanz technischen Fortschritts greift deutlich zu kurz. Ein weiterer Faktor stellt z.B. der Umstand dar, wie viele Menschen von diesen technischen Umwälzungen betroffen sind.

Dies verdeutlicht folgender Sachverhalt: Schon jetzt hat die Digitaliserung / Computerisierung manche Berufsbilder komplett verschwinden lassen:

- Flugingenieure: gibt es nicht mehr > Bordcomputer

- Technische Zeichner > Ingenieure zeichnen mit CAD-Workstations selbst

- Bankkassierer > Bankautomaten

Das Entfallen dieser Tätigkeitsfelder war volkswirtschaftlich in soweit nicht brisant, wie es nur verhältnismäßig wenig Menschen betroffen hat. Durch weitere technologische Entwicklung - ob die nun Industrie 4.0 genannt wird oder anders ist dabei völlig irrelevant - ist jetzt schon absehbar, dass weitere Berufe in ihrer Existenz bedroht sind:

- Kassierer > Scannerkassen, die vom Kunden selbst bedient werden

- Altenpflege > Roboter

- Fahrer (Taxi, LKW, öffentlicher Verkehr & Zusteller) > autonome Fahrzeuge und/oder Drohnen

- Motorenentwickler (Ingenieure) f. Verbrennungsmotoren & entspr. Zulieferer > Elektromotoren f. autonome Fahrzeuge (6-10tel Aufwand)

- Logistikarbeiter > Roboter

Die Brisanz allein hinter einem weitgehenden Verschwinden nur dieser vier Berufe ist eine völlig andere: unser Wirtschaftsystem beruht auf dem Verkauf produzierter Waren und Dienstleistungen. Derzeit werden dafür in Läden noch zwingend Kassierer benötigt. Gleichzeitig hat der Internethandel zwar wiederum viele Läden kaputt gemacht - aber sowohl die Logistikbranche wie auch eine Zulieferindustrie extrem anwachsen lassen (womit nicht angedeutet werden soll, dass der Internethandel genauso viele Arbeitsplätze neu geschaffen, wie er vernichtet hat) - die bestellten Waren müssen ja zuvor irgendwie gelagert, herausgesucht, zusammengestellt, verpackt und schließlich angeliefert werden. Wenn diese Logistiker durch Roboter und Zulieferer durch Drohnen und/oder autonome Fahrzeuge ebenfalls wegfallen, so sind davon volkswirtschaftlich relevant viele Menschen betroffen. Mit anderen Worten: die kommende technische Entwicklung besitzt durch die Masse der davon betroffenen Arbeitsplätze eine völlig andere Dimension.

Ein weiterer Aspekt wurde in der phoenix-Serie „Im Dialog“ in nachvollziehbarer Weise angesprochen (ganzes Video ist sehr aufschlussreich - anhören lohnt sich!):

... Dahinter steht folgender ökonomische Gedanke - der stammt von Robert Solow, amerikanischer Nobelpreisträger, der Anfang der 50 Jahre einen Aufsatz geschrieben hat, indem er sagt: Der technische Fortschritt hat langfristig die Produktivität so sehr gesteigert, dass auch immer mehr Arbeit entstanden ist. Das hat auch bei den letzten drei industriellen Revolutionen geklappt. ... Warum soll das jetzt nicht so sein?

Und der große Unterschied besteht darin, dass die anderen drei industriellen Revolutionen unter dem Vorzeichen wachsender Märkte erfolgt sind. Mit jeder industriellen Revolution wurde neues Terrain erschlossen, neue Absatzmärkte geschaffen, neue Rohstoffmärkte erobert. Das ist bei der Digitalisierung nicht der Fall. Die Digitalisierung erobert keine neue Märkte, sondern sie macht die bestehenden Märkte effizienter. Das ist ein ganz großer Unterschied und das ist der Grund, warum dieses ökonomische Modell kein Naturgesetz ist, sondern nur ein Beobachtungsgesetz, was dreimal unter bestimmten Faktoren geklappt hat und jetzt bei 4. Mal mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aufgehen wird.

Einfaches Beispiel: die Versicherungen und Banken werden bis zu 80% ihrer Leute entlassen in den nächsten 10 Jahren. Wer braucht denn noch ne Bankfiliale? Das sind noch die alten Leute, die keinen Computer haben. In Zukunft kann man das überall abspecken. Bei Versicherungen sieht dies ganz genauso aus. ... Die Arbeitslosigkeit ist damit völlig programmiert. ...
- Richard David Precht, deutscher Philosoph und Publizist

Im Dialog: Michael Hirz im Gespräch mit Richard David Precht am 19.05.2017 (28:49) - Bezugsstelle 16:58

 

... Ich kann alle Branchen durchgehen. ... wenn das mit den Autos so kommt dann bedeutet das ungefähr: keine Verkehrspolizei, keine Radarfallen, keine Parkhäuser, keine LKW-Fahrer, keine Taxi-Fahrer. Sie können sie irgendwie ausrechnen, dass so ungefähr 40% der Jobs weg sind. Also richtig weg. Und das ist viel.
... weil Elekromotoren so doof sind und son Auto braucht fast keine Keine Teile mehr. ... sie brauchen auch keine 16 Airbags mehr drin - es macht ja keinen Unfall mehr. Sie brauchen nicht nur noch 10% der Autos, sondern davon auch nur ein Drittel. ...
... Können sie sich vorstellen, was das Arbeit abfackelt da beim Rechtsanwaltsbereich. ... Da kann man sozusagen ganze Berufe halb einfalten. .... Im Rechtswesen, im Verwaltungswesen, im Staatswesen da können sie alles noch einfalten.

- Dr. Gunter Dueck, Innovationsexperte, Mathematikprofessor, Ex-Cheftechnologe bei IBM

Industrie 4.0 digitale Revolution eindrucksvoll erklärt - Gunter Dueck 2016 (38:46 Min.) - Bezugsstellen 17:26, 23:08 & 31:12

Allein die Konsequenzen selbstfahrender Autos werden katastrophal sein, denn die Bedeutung der Automobilindustrie für Deutschland ist immens:

  • der mit Abstand bedeutendste Industriezweig (gemessen am Umsatz)
  • rund eine 3/4 Millionen Beschäftigte
  • Anteil von weit über die Hälfte des gesamten Exportüberschusses Deutschlands
  • mit rund 40 % größter Anteil an gesamten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der deutschen Wirtschaft

Die im Zuge von Elektromotoren arbeitslos werdenden Massen von Ingenieuren und Professoren, deren Arbeitsgebiet der Verbrennungsmotor ist, werden sich verschwindend gering ausnehmen im Vergleich zu den Heerscharen der übrigen, die das "Schicksal" der Arbeitslosigkeit ereilt, wenn selbstfahrende Elektromobile Verbrennungsmotorfahrzeuge ersetzen werden. Die neu geschaffenen Arbeitsplätze im IT-Bereich (Programmierer) werden mengenmäßig im Vergleich dazu nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein bilden.

Die Automatisierung / Digitalisierung von Routinearbeiten wird sich jedoch nicht nur auf „einfache Arbeiten“ oder solche, die nur ein niedriges Bildungsniveau erfordern, beschränken. Auch hochqualifizierte Jobs werden betroffen sein: Gewisse ärztliche Diagnosen oder sogar Therapien (Diabetes) werden zukünftig durch Expertensysteme besser und schneller erstellt oder vorgenommen. Die Aufgabenbereiche von vielen Ärzten werden sich grundlegend ändern. Das zukünftige Anforderungsprofil wird mehr menschlich-soziale Kompetenzen beinhalten.

Die Digitalisierung wird auch vor akademischen Berufen wie z.B. Rechtsanwälten und Notaren - möglicherweise sogar Richter - nicht Halt machen (siehe Dueck-Video ab 31:12): Routinearbeiten werden digitalisiert, soweit der technische Fortschritt eine Automatisierbarkeit zulässt.

Die durch die Digitalisierung neu geschaffenen Jobs werden abseits der Programmierung hochqualifiziertes Personal erfordern, die einem deutlich gewandelten Bedarfsprofil gerecht werden müssen (siehe Prof. Dr. Gunter Dueck | Bildung der Zukunft oder Kopfreform? | 2016 HD, 43:32 ). Es werden weniger Wissen als vielmehr soziale Kompetenzen erfordert. Allerdings ist das derzeit bestehende Bildungssystem überhaupt nicht auf dieses zukünftige Szenario vorbereitet und wird dem nicht annähernd gerecht (siehe Dueck-Video ab 33:00)

Grundbuchamt, Handelsregister, Notare, Rechtsanwälte [heise] > Blockchain & smart Contracts

Ärzte (soweit sich Kranksheitsbilder elektronisch erfassen lassen) > Expertensysteme & [schwache] "künstliche Intelligenz"

Apotheken > Automatische Zusendung (in Barcode umgewandeltes Rezept, Scan) 

Verwaltungssachbearbeiter (z.B. Finanzamt, LStJA-Prüfung) > "intelligentere" Software

Weiterführendes:

  • KN-Artikel von Kerem Schamberger: "Digitalisierung ist Klassenfrage - 24. isw-forum zu digitaler Arbeit und Industrie 4.0" - weiter

  • KN-Artikel von Thomas Hagenhofer: "Industrie 4.0–Was ist das eigentlich/Welche Auswirkungen auf Arbeitsplätze sind zu erwarten?" - weiter

  • "Zukunft der Arbeit - Die Digitalisierung braucht eine soziale Agenda / Fast die Hälfte der Arbeitsplätze in USA bedroht" - Handelsblatt

  •  ... massive Jobverluste durch Digitalisierung & Automatisierung. Eine düstere Prognose für den Arbeitsmarkt hat die Meta-Jobsuchmaschine ... erstellt: Danach können neu entstehende Arbeitsplätze in der Automatisierungsindustrie die prognostizierten Verluste nicht einmal ansatzweise kompensieren. - Heise

  • "Die Massenarbeitslosigkeit kommt zurück" - Die Digitalisierung zerstört mehr Arbeitsplätze, als sie neue schafft. Zugleich wird der Wettbewerb durch Null-Stunden-Verträge härter. Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit - Die ZEIT

  • "Droht mit Digitalisierung jedem zweiten Job das Aus?" - WELT

  • "Maschinen könnten 18 Millionen Arbeitnehmer verdrängen" - WELT

  • "Make Amazon Pay! Wir sind keine Maschinen" - KN-Artikel. Die dort dargestellten Auswirkungen beschreiben den Kern des durch Technik und Gewinnsteigerung getriebenen kapitalistischen Prozesses.

 


 

1.8 Kapitalismus - zum Wachstum verdammt?

Viele Menschen geben sich der Einstellung hin: "warum belassen wir es nicht dabei, was wir haben? Das reicht doch - wir brauchen doch nicht immer mehr Wachstum."

Mit dieser Haltung geht die Einstellung einher, dass man das erreichte Niveau aufrecht erhalten könnte. Das ist gemäß der Erkenntnis von Prof Hans Christoph Binswanger leider ein Trugschluss, weil der Kapitalismus ein dynamischer Prozess ist, der zum Wachstum „verdammt“ ist. Wenn das Wachstum dauerhaft ausbleibt - aus welchen Gründen auch immer - reißen die Investitionsketten. Infolgedessen bleibt es nicht bei einem „erreichten Niveau“, sondern die gesamte Wirtschaft wird chaotisch zusammenbrechen. Das darf man sich keinesfalls irgendwie positiv vorstellen. Dies wird in desaströsen Zerfall münden mit entsprechenden katastrophalen Folgen bzw. Zuständen - schlimmer als in Griechenland.

Aus genau dem gleichen vorgenannten Grund wird auch der Ansatz, das quantitative durch ein „qualitatives Wachstum“ zu ersetzen, „weil wir genug haben und nicht noch immer mehr brauchen“, nicht funktionieren, so schön der Gedanke an sich auch sein mag: Der kapitalistische Wachstumsprozess ist von seinem Wesen leider durch quantitatives Wachstum getrieben. Das „Treibmittel des Kapitalismus“, der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch produktivitätssteigernde Technik, die systemisch zu Mehrproduktion führt, bietet keinen Ansatz, quantitatives durch qualitatives Wachstum zu substituieren.

 


 

1.9 Folgen der Abkehr vom Kapitalismus

Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen um der Wahrheit Willen über alle Konsequenzen einer Abkehr aufgeklärt werden müssten. Während viele Menschen in der sogenannten Dritten Welt womöglich kein Problem damit hätten, dürften dieses umso größer im „entwickelten Westen“ sein:

So viel berechtigte Kritik es auch am Kapitalismus geben mag: selbst ausgemachte Kapitalismuskritiker sind sich oft nicht im Klaren, wie viel Positives dieser auch für die Gesellschaft hervorgebracht hat und auf wie viele lieb gewonnene Annehmlichkeiten in einen un-kapitalistischen Wirtschaftssystem verzichtet werden müssten - angefangen beim Privatauto. Aber auch Lebensversicherungen und Krebsbehandlung dürfte es wohl nicht mehr geben. Es ist einfach unredlich, wenn Anti-Kapitalisten über die Probleme des Kapitalismus schimpfen, die oftmals gar nicht diesem geschuldet sind. Eine Abkehr vom „Schweinesystem“ fordern und dann nicht darüber aufklären, welche wirtschaftlichen und/oder politischen Konsequenzen das für die Gesellschaft haben würde.

 


 

1.10 Woran der Kapitalismus scheitern wird

Eines aber sollte völlig klar sein: Weil Kapitalismus ständiges Wachstum benötigt, diese Welt aber nur endliche Ressourcen besitzt, wird er an der Umwelt- und/oder Ressourchenschranke scheitern - spricht brutal und chaotisch zusammenbrechen - wenn nicht vorher eine Transformation  stattfindet. Nun gibt es Personen, die die Ansicht vertreten, dass der Kapitalismus nicht an der Knappheit scheitern wird, weil „Knappheit eine der Methoden der Kapitalverwertung. Je knapper die Güter, desto wertvoller werden sie.

Solikon 2015: Was kommt nach dem Kapitalismus? 1:17:15 - Bezugstelle 22:00

Das Problem dabei ist: auch wenn die Preise für die knappen Güter noch so sehr steigen, ändert das an der Knappheit nichts. Weil aber Kapitalismus wesensmäßig die Erzeugung von Wachstum beinhaltet und Wachstum ein Mehr an produzierten Gütern bedeutet, steht eine zunehmende Knappheit an Ressourcen dem sehr wohl entgegen, egal wie wertvoll die Produkte dann auch sein mögen.

 


 

1.11 Was Kapitalismus nicht ist - verfehlte Kritik

Selbst Personen, von denen man eigentlich annehmen sollte, dass sie es besser wüssten, nämlich intellektuelle Kapitalismuskritiker, verfallen einem Irrtum, der nahezu unisono obenauf liegt: nämlich der Fehlannahme, dass Kapitalismus das ist, was die Realität erkennen lässt.
Dies ist deswegen falsch, weil Kapitalismus „nur“ ein Prozess ist - was die Wirklichkeit zeigt ist jedoch die Kombination aus selbigem und den Folgen dessen [Fehl-]Steuerung. Weil viele Menschen mit diesem Prozessdenken, also der Differenzierung zwischen Prozess, Steuerung und deren Gesamtergebnis, nicht vertraut sind, ein veranschaulichendes Beispiel:

Erwachsenwerden ist ebenfalls ein Prozess, der sich nicht aufhalten lässt. Durch entsprechende Erziehung und andere soziale Erfahrungen kann dieser Prozess entweder zum Guten gefördert oder zum Schlechten beeinflusst bzw. gesteuert werden. Aber so oder so nimmt der Prozess seinen Fortgang. Wenn grottenschlechte Steuerung am Ende einen lebensuntüchtigen, naiven, unkritischen und [denk-]faulen Erwachsenen hervorbringt, dann würde doch niemand dem Prozess des Erwachsenwerdens dafür die Schuld geben, sondern der totalen Fehlsteuerung - z.B. einer schweren Fehlerziehung. Ein Jugendlicher, welcher per se erwartet, dass alle seine Wünsche erfüllt und jegliche Anstrengungen abgenommen werden, wird völlig zu recht als „verzogen“ bezeichnet, was doch Kritik an einer Fehlerziehung (Steuerung) äußert und nicht dem Prozess des Erwachsenwerdens.

Bei Kapitalismuskritik jedoch werden fast immer die Folgen einer mehr oder weniger abgründigen „Misslenkung“ dem abstrakten Prozess Kapitalismus anstatt der eigentlich dafür verantwortlichen menschlichen Fehlsteuerung angelastet. Diese dringend nötige erkenntnismäßige Differenzierung zwischen Prozess und Steuerung sollte für Kapitalismuskritiker, insbesondere jene, die geistig in der Ideologie des Sozialismus gefangen sind, als allererstes vollzogen und nachgeholt werden.

Leider scheitern erfahrungsgemäß so gut wie Alle kommunistische Antikapitalismuskritiker an dieser intellektuellen Herausforderung. Warum? Weil für jene Kapitalismus der Feind schlechthin ist und es gemäß des Mottos „was nicht sein darf, das nicht sein kann“ unmöglich erscheint, dass jener doch nicht so schlecht ist. Damit würde ein Feindbild wegbrechen. Das Eingeständnis, dass die hier ausgeführten Erkenntnisse korrekt sind, würde darauf hinauslaufen, jahre- oder gar jahrzehntelang etwas Falsches vertreten zu haben. Da ist es viel einfacher, auf der eintrainierten oder möglicherweise sogar indoktrinierten Sicht zu beharren. Aus Sicht der Psychologie ein typisches Verhalten. Nur leider im Sinne der Verbesserung gesellschaftlicher Zustände überhaupt nicht zielführend. Mehr noch: diese Fehleinstellung konterkariert das Ziel der Erreichung einer besseren, gerechteren und menschlicheren (nur die positiven Aspekte) Welt, weil ständig falsche Forderungen erhoben und der falsche Feind bekämpft wird: Nämlich der Prozess des Kapitalismus anstatt dessen komplette Fehlsteuerung: Neoliberalismus.

Zwischenfazit: Kapitalismus ist ein [abstrakter] Prozess (detaillierte Definition siehe Kapitel 1.1). Der Kapitalismus ist jedoch nicht seine eigene Steuerung. Diese ist rein menschengemacht - durch politische Gesetzgebung. Insbesondere ist der kapitalistische Prozess nicht das Gesamtergebnis, welches sich erst in Kombination mit einer politischen Regelung bildet. Die oftmals aus linksextremen Kreisen erwachsende Kapitalismuskritik krankt fundamental an diesem fehlenden Prozessdenken und entsprechender Differenzierung. Was in gewisser Weise auf intellektuelles Versagen hinausläuft.

 


 

1.12 Tatsächlich Kapitalismus die Wurzel der Übel?

Allein die Tatsache, dass die Verhältnisse im Kapitalismus in den 50er bis 70er Jahren schon mal weit besser waren, als Menschen noch an den Unternehmensgewinnen partizipierten, nicht wie in den rund letzten 15 Jahren, wo es überwiegend praktisch keine Reallohnzuwächse mehr gab, widerlegt die Behauptung, die schlechten Zustände wären systemisch dem Kapitalismus geschuldet.

Viele der unguten Umwälzungen nahmen ihren Anfang mit dem Zusammenbruch der UdSSR. Damit ist dem Westen das konkurrierende Wirtschaftssystem weggebrochen, demgegenüber sich das Eigene als das Bessere zu beweisen hatte. Folgerichtig können diese Verschlechterungen ebenfalls nicht systemisch kapitalistisch sein.

Wenn aber viele Übel keine systemimmanenten Eigenschaften des Kapitalismus sind, dann lassen sie sich auch ohne Systemwechsel abschaffen. Dann ist im Grunde auch nicht der Kapitalismus als System Schuld, sondern etwas anders. Womit sich die Frage stellt: was?

 


 

1.13 Die falschen Manifeste

Hinreichend Kundigen ist bewußt, dass schon zuvor zwei Bücher unter dem täuschenden (s.u.) Titel “Das kapitalistische Manifest” erschienen sind:

  1. Im Oktober 2012 erschien von Matthäus Thun-Hohenstein im Ares-Verlag „DAS KAPITALISTISCHE MANIFEST -Ein Blick hinter die Kulissen des Zinssystems“ Wie schon der Untertitel verrät geht es also in Wahrheit ums Zinseszinsgeldsystem. Jenes aber existiert schon seit mind. 4000 Jahren, weswegen dies gar kein Kapitalismus sein kann. “Das Zinseszins-Manifest” wäre also weit treffender.
  2. Das erste vermeintliche “kapitalistische Manifest” erschein 2003 vom Schweden Johan Norberg im Eichborn-Verlag. Dies ist eine einzige Katastrophe, da ein neoliberales Propagandamachwerk. Norberg versagt an der Analyse des Kapitalismus auf ganzer Linie:

Etikettenschwindel: Wie schon vorgenanntes Buch handelt auch dieses Manifest gar nicht vom Kapitalismus, sondern von der Ideologie des Neoliberalismus, welche die Fehlsteuerung des Kapitalismus par exzellence darstellt.

Fachliche Inkompetenz: Neoliberale Apologethen beweisen mit ihrer Forderung freier, also unregulierter Märkte nur ihr fundamentales Unverständnis des kapitalistischen Prozesses. Ein sich selbst überlassener Kapitalismus neigt nicht nur zu schweren Wirtschaftskrisen, sondern führt auch infolge extremer Vermögensschieflagen zu gesellschaftlicher Destabilisierung (siehe Kapitel 1.3.3). Gerade das propagierte Ziel, Wohlstand für alle, lässt sich nur durch eine scharfe entsprechende Regulierung erreichen, was das glatte Gegenteil neoliberaler Forderungen darstellt.

Ideologische Verblendung: das Geschwafel von „globalisierter Marktwirtschaft“ beweist zweierlei: 

  • erneute Inkompetenz in der Sache, denn dass der kapitalistische Prozess systembedingt zur Akkumulation und Machtkonzentration führt, hat schon Karl Marx korrekt erkannt. Am Ende dieses Prozesses herrscht kein Konkurrenz- sondern systemisch ein Verdrängungswettbewerb. Der aber hat gar nichts mehr mit Marktwirtschaft im Sinne der Marktwirtschaftslehre zu tun, demgemäß „sehr viele“ Anbieter miteinander konkurrieren (siehe Kapitel 1.3.2).
  • Realitätsverlust: ein nüchterner Blick auf die Realitäten würde unmittelbar zu der Erkenntnis führen, dass entgegen  der Marktwirschaftslehre eben nicht „ganz viele Anbieter im Konkurrenzwettbewerb“ stehen, sondern ein global agierendes kleines Oligopol transnationaler Großkonzerne die Märkte untereinander aufteilt. Im Gegenteil hat die Spieltheorie bewiesen, dass verbleibende mächtige Player zur Kooperation (Kartell) neigen, weil ein Konkurrenzwettbewerb nicht nur ruinös wäre, sondern das Ergebnis ungewiss ist. Konkurrenz ist auf dieser Ebene nicht nur unerwünscht, sondern wird mit allen Mitteln vermieden (Absprachen, Kartelle).

Fakteninversion: Neoliberalismus, dessen Loblied Norberg singt, steht mit Demokratie in einem systemischen Konflikt (dies wird besonders an dem von Norberg beworbenen Freihandel deutlich). Auch hier also das glatte Gegenteil neoliberaler Desinformationspropaganda.

Realitätsferne Propaganda: Freihandel als Wohlstandsbringer für Alle, gerade auch die Armen [Länder]?
Auch hier irrt Norberg - sogar in doppelter Hinsicht:

  • Noch nicht entwickelte Industrien müssen gegenüber entwickelten Industrien anderer Länder durch Schutzzölle protektioniert werden. Ansonsten kann sich dort nie eine entwickelte Industrie ausbilden oder die in der Entwicklung befindliche wird von der Entwickelten niederkonkurriert - sprich „kaputt gemacht“. Gerade diese Erkenntnis lehren alle Erfahrungen in Ländern der sog „dritten Welt“. 
  • Freihandelsabkommen mit ihren Demokratie und Rechtsstaat unterminierenden Zwangsklauseln verschärfen den vorgenannten Sachverhalt. Gerade Freihandelsabkommen führen dazu, dass sich wenige transnationale Großkonzerne und die hinter ihnen stehenden Superreichen auf Kosten der Gesellschaft und verklagten Staaten (und damit den Steuerzahlern) bereichern [können]. Womit zum wiederholten Male das glatte Gegenteil von Norberg neoliberaler Volksverdummung der Wirklichkeit entspricht.

Generell zur Behauptung der vermeintlichen Wohlstandssicherung durch Umsetzung neoliberaler Forderungen:
Neoliberalimus als Umverteilungsideologie von unten nach oben, welche nur den Superreichen und Großkonzernen auf Kosten der Gesellschaft nutzt, die dabei in die Verarmung getrieben wird, führt eben nicht zu allgemeiner Wohlstandssicherung, sondern dem zum glatten Gegenteil, der Verarmung der Gesellschaft.

Ergo: beide Bücher behandeln gar nicht den Kapitalismus, sondern entweder das Zinseszinssystem oder Jubelpropaganda neoliberaler Dogmatik. „Thema verfehlt“ trifft beide - die Titel sind eine Täuschung. Jedoch vermag das Buch von Matthäus Thun-Hohenstein zum Zinseszinsgeldsystem inhaltlich zu überzeugen. Gleiches kann Johan Norbergs Propagandaschrift nicht zu Recht behauptet werden: die in strittigen Fragen vielfach unhaltbaren Behauptungen zeugen symptomatisch vom Unvermögen nahezu aller Neoliberalen, die kapitalistischen Wirkprinzipien zu begreifen. Vielmehr bedient es die typische neoliberale Desinformation und Volksverdummung.

Daher ist die hier dargelegte Analyse die erste, die den Namen “Das kapitalistische Manifest” zu Recht trägt.

 


 

1.14 Fazit - Kapitalismus: Fluch oder Segen?

Eine hinreichend ideologiefreie und auf Wahrheitsfindung ausgerichtete Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass Kapitalismus ein zutiefst ambivalentes (zwiegespaltenes) Phänomen ist: sowohl ist er verantwortlich für sehr viele Annehmlichkeiten, auf die wir heute nicht mehr verzichten/missen wollen (z.B. höhere Lebenserwartung, rund 20x wirtschaftlicher Wohlstand im Vergleich zu 1760, Demokratie, Gleichberechtigung, allgemeine Bildung), wie auch für einige sehr schlechte Ausprägungen (Umweltzerstörung, Ressourcenverschwendung, Reichtumskonzentration, Wirtschaftskrisen etc.). Kapitalismus ist also Beides zugleich - sowohl Fluch wie auch Segen als dialektisches Paradox.

Extrem wichtig ist dabei die Differenzierung zwischen den tatsächlichen Wirkprinzipien des Kapitalismus und dem, was die allermeisten Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft infolge von Unverständnis, Gier und/oder ideologischer Verblendung (Neoliberalismus) daraus gemacht haben:

1.14.1 Mehr Fluch oder mehr Segen? Eine Frage politischer Steuerung!

Ob sich die Folgen des kapitalistischen Prozesses mehr in Fluch oder mehr in Segen manifestieren, hängt von dessen wirtschaftspolitischer Steuerung ab: So sehr Kapitalismus auch mit systemischen Zwängen (Kapitel 1.5 und 1.8) verbunden ist - was von Wohl oder Wehe überwiegt bedingt dann doch menschliche Entscheidung, nämlich die Steuerung / Regelung durch die in Gesetze gegossene Wirtschaftspolitik der Regierung!

Wenn schon die Wirkprinzipien des kapitalistischen Prozesses nicht verstanden wurden, wie dies bei den allermeisten Politikern und insbesondere Neoliberalen infolge fachlicher Inkompetenz und/oder ideologischer Verblendung der Fall ist, dann liegt es in der Natur der Sache, dass dies i.d.R. nicht zu einer adäquaten Steuerung führt, die Kapitalismus zum Wohle der Gesellschaft lenkt.

Ergo:
Nicht der kapitalistische Prozess an sich, sondern dessen politische Steuerung/Regelung (Regulierung) entscheidet, welche Potenziale [mehr] zum Vorschein kommen und wer zu den hauptsächlichen Profiteuren zählt: nur wenige Hyperreiche oder auch die Breite der Gesellschaft.

http://de.neoliberalismus.wikia.com/wiki/Kapitalismus

LOGOS



► Bild- und Grafikquellen:

1. Fiktives Buchcover: "Manifest der kommunistischen Partei (Marx/Engels) vs. Das kapitalistische Manifest (LOGOS)" Bildidee: KN-ADMIN Helmut Schnug. Graph. Umsetzung: Wilfried Kahrs (WiKa) >> QPRESS.de.

2. Was ist KAPITALISMUS - und was nicht? Bildidee: KN-ADMIN Helmut Schnug. Graphische Umsetzung: Wilfried Kahrs / QPRESS.de.

3. Buchcover: Werner Sombarts Werk "Der moderne Kapitalismus" trägt als eines der wichtigsten Referenzwerke wesentlich zum Verständnis des Kapitalismus bei. 3 Bände in 6 Teilbänden gebunden. Bd.1 Die vorkapitalistische Wirtschaft. / Bd.2 Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frükapitalismus. / Bd.3 Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Antiquarisch z.B. bei Booklooker.de .

4. Buchcover: Werner Sombarts Werk "Der moderne Kapitalismus" trägt als eines der wichtigsten Referenzwerke wesentlich zum Verständnis des Kapitalismus bei. 3 Bände in 6 Teilbänden in einem Pappschuber. Bd.1 Die vorkapitalistische Wirtschaft. / Bd.2 Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frükapitalismus. / Bd.3 Das Wirtschaftsleben im Zeitalter des Hochkapitalismus. Antiquarisch z.B. bei Booklooker.de .

5. Porträt des Soziologen Werner SombartWerner Sombart (* 19. Januar 1863 in Ermsleben; † 18. Mai 1941 in Berlin) war ein deutscher Soziologe und Volkswirt. Autor: Nicola Perscheid (1864–1930). Urquelle: Nicola Perscheid, Theodor und Jacob Hilsdorf, August Sander. Der rheinland-pfälzische Beitrag zur Geschichte der Photographie. Katalog Landesmuseum Mainz 1989. Quelle 2: Wikimedia Commons. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.

6. Buchcover "Die Ursprünge des modernen Kapitalismus - Ein historischer Grundriß" von Henri Sée. Humboldt, 1948, Halbleinen. Antiquarisch für wenige € z.B. bei Booklooker.de . Zur Buchvorstellung im KN - weiter.

Henri Eugene Sée (* 6. September 1864 in Saint-Brice-sous-Forêt; † 10. März 1936 in Rennes) war ein französischer Wirtschaftshistoriker, der besonders für seine Geschichte des Kapitalismus bekannt ist. Er ging den gegenseitigen Wechselbeziehungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Einflüsse in der Geschichte nach. Er war ein Schüler von Fustel de Coulanges und war 1893 bis 1920 Professor an der Universität Rennes. Er befasste sich mit der Geschichte der Landbevölkerung in Frankreich vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert und französischer Wirtschaftsgeschichte, speziell dem Frühkapitalismus, und der Geschichte politischen Denkens in Frankreich.

7. Buchcover "Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiternden Zivilisation" von Fabian Scheidler, PROMEDIA VERLAG WIEN, ISBN 978-3-85371-384-6, br., 272 Seiten, bebildert, 19,90 Euro. E-Book: 15,90 Euro. ISBN: 978-3-85371-826-1.

Warum schreitet die ökologische Zerstörung des Planeten trotz unzähliger Klimagipfel ungebremst voran? Warum hungern mehr Menschen als je zuvor auf der Erde, obwohl noch nie so ungeheure Reichtümer angehäuft wurden wie heute? Warum erweisen sich die globalen Eliten als unfähig, die Richtung zu ändern, obwohl ihr Kurs in einen planetaren Crash führt?

Der Berliner Autor und Journalist Fabian Scheidler legt in seinem Buch „Das Ende der Megamaschine“ die Wurzeln der Zerstörungskräfte frei, die heute die menschliche Zukunft infrage stellen. In einer Spurensuche durch fünf Jahrtausende führt das Buch zu den Ursprüngen ökonomischer, militärischer und ideologischer Macht. Der Autor erzählt die Vorgeschichte und Genese des modernen Weltsystems, das Mensch und Natur einer radikalen Ausbeutung unterwirft. Dabei demontiert er Fortschrittsmythen der westlichen Zivilisation und zeigt, wie die Logik der endlosen Geldvermehrung von Anfang an menschliche Gesellschaften und Ökosysteme verwüstet hat. So entsteht eine faszinierende Gegengeschichte unserer Zivilisation.

Das Buch schöpft aus einer Vielzahl von Quellen, von der Anthropologie und Geschichtswissenschaft über die Chaosforschung bis zur Populärkultur. Es verändert eingefahrene Sichtweisen, indem es Verbindungen quer durch Zeiten, Räume und Denktraditionen herstellt. Die Kenntnis der historischen Zusammenhänge bildet die Grundlage dafür, neue Möglichkeiten für eine notwendige zivilisatorische Wende zu entdecken.

Wer verstehen will, warum wir menschheitsgeschichtlich in eine Sackgasse geraten sind und wie wir aus ihr wieder herauskommen können, der kommt an Fabian Scheidlers „Das Ende der Megamaschine“ nicht vorbei. Es ist ein Buch, das zum Handeln einlädt und Möglichkeiten eröffnet, gemeinsam einen Ausgang aus der gefühlten Ohnmacht zu finden. (Verlagstext)

>> http://www.megamaschine.org/ . Buchvorstellung bei NDS durch Wolfgang Lieb > weiter. (PDF)

8. Karl Marx Portrait. Urheber: John Jabez Edwin Mayall (1813–1901), engl. Fotograf. Quelle: International Institute of Social History in Amsterdam, NL / Wikimedia Commons. Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Parallel zu dieser Lizenz muss auch ein Lizenzbaustein für die United States public domain gesetzt werden, um anzuzeigen, dass dieses Werk auch in den Vereinigten Staaten gemeinfrei ist.

9. "Es ist KEIN Gesetz des Kapitalismus, den Arbeitern so wenig wie möglich zu zahlen. Es ist lediglich die verharmlosende Ausrede für die grenzenlose Profitgier von Wenigen" Grafikbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa) - QPress.de .

10. Buchcover: "Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte vom Wachstum, Geld und Krisen." von Ulrike Hermann (Westend Verlag, 2013) > Rezension von Wolfgang Lieb auf NDS. ISBN: 978-3-86489-044-4.

Kapitalismus verstehen

Geld ist ein Rätsel: Jeder benutzt es, aber keiner versteht es. Selbst berühmte Ökonomen scheitern daran zu erklären, was Geld ist. Dasselbe gilt für das Geschehen auf den Finanzmärkten, das die meisten ratlos zurücklässt. Insofern: Wer die aktuellen Wirtschaftskrisen verstehen will, muss dieses Buch lesen. Es ist viel einfacher, Krisen zu verstehen, wenn vorher klar ist, wie ein krisenfreier Kapitalismus funktionieren würde. Die Wortwahl mag zunächst erstaunen, gilt es doch als „links“ oder gar „marxistisch“, den Begriff Kapitalismus zu verwenden. Diese Phobie ist jedoch typisch deutsch. In den USA wird der Ausdruck Kapitalismus völlig selbstverständlich verwendet, der im übrigen auch gar nicht von Karl Marx stammt.

Der Begriff Kapitalismus hat den Vorteil, dass er präzise beschreibt, was die heutige Wirtschaftsform auszeichnet: Es geht um den Einsatz von Kapital mit dem Ziel, hinterher noch mehr Kapital zu besitzen, also einen Gewinn zu erzielen. Es handelt sich um einen Prozess, der exponentielles Wachstum erzeugt. Genau dieser zentrale Zusammenhang geht bei dem Begriff Marktwirtschaft verloren, der in Deutschland so beliebt ist. Auf Märkten wird mit Äquivalenten gehandelt. Doch wie soll aus dem Tausch gleichwertiger Güter ein Prozess entstehen, der zu permanentem Wachstum führt? Dies bleibt unerklärlich. (Verlagstext Westend)

11. Buchcover: "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" von Ulrike Herrmann. Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2016 > www.westendverlag.de . ISBN 978-3-86489-141-0. Erscheinungstermin: 01.09.2016, Seitenzahl: 288, Preis 18:00 €. Auch als eBook (EPUB) für 13,99 € erhältlich 978-3-86489-643-9.

12. Kinderarbeit in einer Spinnmaschinenfabrik, 1909. Foto: Lewis Wickes Hine (16 September 1874 – 3 November 1940), amerikanischer Fotograf und Soziologe. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Bild ist unter der digitalen ID nclc.01581 in der Abteilung für Drucke und Fotografien der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar.  Diese Mediendatei ist gemeinfrei in den Vereinigten Staaten. Dies gilt für US-amerikanische Werke, deren Urheberrecht erloschen ist, üblicherweise, weil ihre Erstveröffentlichung vor dem 1. Januar 1923 liegt. Da der Bildautor 1940 verstorben ist und daher mind. 70 Jahre tot ist, sollte das Foto auch in Deutschland gemeinfrei sein. Urheber und Veröffentlichungsjahr sind unverzichtbare Informationen, die angegeben werden müssen. Siehe Wikipedia:Public domain und Wikipedia:Copyrights für genauere Erläuterungen.

13. NO EU! Die EU ist ein antidemokratisches, bürgerfeindliches und korruptes Regime. Europa ist weit mehr als die EU! JA zu EUROPA! - NO EU! The EU is an undemocratic, resident-unfriendly and corrupt regime. Europa is not merely EU, but rather! YES to EUROPE! Bildidee: KN-ADMIN Helmut Schnug. Techn. Umsetzung: Wilfried Kahrs.

14. Zitat v. Albert Einstein: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Grafik: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft, IESM. Quelle: Flickr. Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

15. Amazon? nein, danke! Illustrationen von Rotraut Susanne Berner, Grafikerin, Illustratorin und Kinderbuchautorin. > Berners blog.

"Was viele nicht wissen: der deutsche Buchhandel hat den besten Liefer- und Bestellservice der Welt. Jede Buchhandlung kann (fast immer) von einem auf den anderen Tag bestellte Bücher oder CDs liefern. Und das ganz ohne Monopolstellung, schlecht bezahltes Personal oder Stress für Paketboten und Nachbarn. Und ist es nicht sowieso viel schöner, mal wieder in die Buchhandlung um die Ecke reinzuschaun, zu stöbern und in echten Büchern zu blättern, als immer nur vor dem Bildschirm zu sitzen?

Wir hätten ja alle als Verbraucher ungeheure Möglichkeiten gegen die Monopolisten und gegen die oben genannten Entwicklungen. Schade, dass die Bequemlichkeit größer ist als unser gesunder Menschenverstand. Der homo sapiens ist dumm". (Rotraut Susanne Berner)

Amazon-Boss Jeff Bezos besitzt – laut Forbes-Liste 2017 – 72,8 Milliarden US-Dollar. Dieser obszöne Reichtum ist Ausdruck einer völlig aus den Fugen geratenen Wirtschaftsordnung. Dazu schreibt Forbes:

"No billionaire has had a better year than Amazon CEO Jeff Bezos.

Bezos is the biggest dollar gainer on the 2017 World’s Billionaires List, in a year when 56% of billionaires saw their fortunes increase. Bezos' net worth jumped by $27.6 billion in the past year -- more than the total net worth of all but the 24 richest billionaires. Amazon stock climbed 67% in the past year in part because of the success of its cloud-computing unit, Amazon Web Services.

With a net worth of $72.8 billion, Bezos is now the third richest billionaire in the world, behind Microsoft cofounder Bill Gates and Berkshire Hathaway Chairman and CEO Warren Buffett. Last year, Bezos cracked the ranks of the top 10 richest billionaires in the world for the first time, ranking fifth on Forbes 2016 World’s Billionaires List. Now he is two spots higher in the ranks and nearly $30 billion richer. A decade ago, on the 2007 Billionaires List, he had a net worth of $4.4 billion". (FORBES, Mar 20, 2017)

16. Wandgraffito: "Wir machen Jobs die wir hassen und kaufen dann Scheisse, die wir nicht brauchen." Foto: Flickr-user redhope. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

17. Zugeschnittenes Floatglas, welches im Kaltbereich automatisch von der Linie genommen und abgestapelt wird. Floatglas ist Flachglas, welches im Floatprozess, oder auch Floatglasverfahren, hergestellt wurde, ein endlos-kontinuierlicher Prozess, bei dem die flüssige Glasschmelze fortlaufend von einer Seite auf ein Bad aus flüssigem Zinn geleitet wird. Auf diesem schwimmt (engl. to float) das Glas. Das Verfahren wird seit den 1960er Jahren industriell angewandt, hat seither die meisten anderen Methoden zur Flachglasherstellung weitgehend verdrängt und liefert inzwischen etwa 95 Prozent des gesamten Flachglases aller Anwendungsbereiche wie Fensterglas, Autoscheiben und Spiegel.

Robotized Float Glass Unloading. Author: ICAPlants. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“.

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Elias Davidsson
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Verbunden: 22.02.2013 - 18:05
vorkapitalistische Systeme


Lieber Helmut,

Danke Dir / Euch für den interessanten Beitrag zum Thema Kapitallismus.

Einige Fragen hätte ich. Der Autor des Artikels LOGOS schreibt:

Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem in Form eines . . 

- sich ggf. selbst erhaltenden dynamischen Prozesses

- mit totaler Wirkmächtigkeit (nicht nur Wirtschaft, sondern auch Gesellschaft),

- der wirtschaftliches Wachstum sowohl erzeugt wie auch benötigt,

- auf systematischer Substitution von menschl. Arbeit durch Effizienz- & somit Produktivität-steigernde Technik (> Kapital), sowie einem

- FIAT-Kreditgeldsystem basiert und sowohl durch

- Bestreben zur Gewinnsteigerung,

- technische Innovation,

- die Finanzwirtschaft wie auch durch

- hohe sowie steigende Löhne getrieben ist.

Meine Fragen:

1. Haben vorkapitalistische Systeme nicht etwa eine totale Wirkmächtigkeit gehabt, wirtschaftliches Wachstum erzeugt und Effizienz angestrebt? Sind diese tatsächlich einzigartige Eigenschaften des Kapitalismus?

2.  Haben vorkapitalistische Systeme nicht mit Kredit gearbeitet?

3.  Ist technische Innovation eine besondere Eigenschaft des Kapitalismus?

4.  Sind die Löhne im Kapitalismus hoch und steigend, wenn immer mehr Menschen zum Existenzminimum gezwungen werden?

5.  Der Autor erwähnt nicht Privatbesitz der Wirtschaft als eine Grundsäule des Kapitalismus. Warum nicht?

Liebe Grüße

Elias Davidsson

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Logos
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Verbunden: 10.09.2016 - 11:31
Was den Kapitalismus ausmacht


Lieber und geschätzter Elias,

Ich freue mich über Dein Interesse und beantworte Dir mit Freude Deine Fragen.

Zu Frage 1:

Mit der Definition wird nicht behauptet, die aufgeführten Kriterien wären für sich einzigartige Eigenschaften. Was den Kapitalismus ausmacht, ist die einmalige Kombination: alle Kriterien müssen in ihrer Gesamtheit vorliegen. Die einzelnen Kriterien sind notwendig, aber allein nicht hinreichend, sondern erst der Kombination. Habe die Definition um entsprechende Hinweise oben im Ausgangsartikel ergänzt. Danke für die Anregung!

Tatsächlich ist es so, dass es vor Ausbruch des "modernen" Kapitalismus weltweit und über alle Länder und Wirtschaftssysteme hinweg kein wirtschaftliches Wachstum pro Kopf gegeben hat. Den normalen Menschen vor 300 Jahren ging es wirtschaftlich nicht besser als jenen vor 2000 Jahren. Einzige Ausnahme: unmittelbar vor Ausbruch des Kapitalismus in England gab es aufgrund einer Landreform eine Effizienzsteigerung und damit einhergehend wirtschaftliches Wachstum pro Kopf (siehe Kapitel 1.1). Genau dieser Sachverhalt führte zu den höchsten Löhnen und damit zum Anstossimpuls des Kapitalismus: siehe bitte dazu Punkt 1 der Tabelle 1 in Kapitel 1.3

Zu Frage 2:

Doch, aber die Kriterien sind nicht einzeln als Alleinstellungsmerkmal formuliert: siehe Antwort zu Frage 1

Zu Frage 3:

Auch technische Innovation an sich ist selbstredend kein Alleinstellungsmerkmal des Kapitalismus. Was aber an technischer Innovation  im Kapitalismus grundsätzlich neu und insofern eine besondere Eigenschaft darstellt ist der Sachverhalt, dass dort erstmalig (dies ist ein Alleinstellungsmerkmal!) systematisch menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wird (siehe Kapitel 1.4). Das Fortbestehen dieses Substitutions- und Wachstumsprozesses wird erst durch technische Innovation ermöglicht. Ganz konkret: die Dampfkraft an sich war nicht neu, sondern schon seit über 1000 Jahren bekannt. Sie wurde vor Ausbruch des Kapitalismus aber niemals verwendet, um menschliche Arbeitskraft zu ersetzen.

Zu Frage 4:

Nein, ganz offensichtlich nicht. Es wurde auch nicht behauptet, dass die Löhne hoch und steigend sind. Es wurden die Wirkprinzipien des kapitalistischen Wachstumsprozesses beschrieben. Diese sind u.a., dass er von hohen und steigenden Löhnen getrieben wird (siehe Tabelle 1 in Kapitel 1.3). Dies ist ein Erfordernis, welches sich aus der Natur des Prozesses ergibt. Der Prozess als abstraktes Phänomen kann nicht die Erfüllung seiner Erfordernisse bewirken. Deren Befriedigung ist eine Frage politischer Entscheidung und gesetzlicher Rahmensetzung (siehe Kapitel 1.3.1). Die allermeisten Politiker, Kapitalisten und insbesondere sog. Wirtschaftsexperten haben aufgrund der dominierenden neoliberalen Dogmatik die Wirkprinzipien des kapitalistischen Wachstumsprozesses nicht begriffen. Schlimmer noch: Neoliberalismus ist

  • eine Umverteilungsideologie, die nur Großkonzernen und Superreichen (und mittelbar deren Wasserträgern, Steigbügelhaltern und Lobbyhuren) auf Kosten der normalen Gesellschaft dient
  • die so ziemlich maximal denkbare Fehlsteuerung kapitalistischer Wirkprinzipien.

Beides begünstigt die zunehmende und extremer werdende Vermögensungleichheit. Das aber ist, wie schon im Fazit des Hauptartikels ausgeführt, keine „Schuld“ des kapitalistischen Prozesses, sondern dessen kompletter menschlicher/politischer Fehlsteuerung infolge einer asozialen Ideologie, die mit „Neoliberalismus“, „Marktradikalismus“ oder „Neoklassik“ diverse Namen trägt.

Zu Frage 5:

In der Tat war das für mich so selbstverständlich, dass mir eine explizite Erwähnung gar nicht in den Sinn kam. Aber in gewisser Weise, was den Besitz der Produktionsmittel in Privatbesitz anbetrifft, hast Du Recht! Ob die Definition um dieses Kriterium zu ergänzen wäre, ist in der Tat einer vertiefenden Überlegung wert. Das kommunistische Konzept ging ja u.a. davon aus, die Produktionsmittel in Staatshand zu halten. Dies mündete de facto in folgende Kausalkette:

    >> Damit fiel auch das Gewinnbestreben weg - es galt „nur noch“ gesteckte Planziele zu erreichen.

    >> Mit dem Gewinnbestreben fiel auch der Druck zur Effizienzsteigerung doch noch produktivere Technik (Innovation) weg.

    >> Und damit wiederum das wirtschaftliche Wachstum.

Damit ergeben sich mindestens drei Ableitungen:

Unter den genannten Voraussetzungen war der Kommunismus auf Dauer dem Kapitalismus wirtschaftlich nicht gewachsen.

Es wäre überlegenswert, ob ein Konzept in sich widerspruchsfrei und realistisch (der Kommunismus ist u.a. an seinem irrealen Menschenbild gescheitert) denk- und erfolgreich umsetzbar ist, wo sich die Produktionsmittel zwar in Bürgerhand befinden (und damit deren Gewinne der Allgemeinheit zugute kommen) - z.B. in Form von Genossenschaften - und trotzdem das Gewinnbestreben weiter verfolgt wird. Damit ergibt sich insofern ein innerer Widerspruch, weil z.B. die kommende technische Innovation, die als "Industrie 4.0" bezeichnet wird, zu Massenentlassungen führen wird (siehe Kapitel 1.7.1). Wie das mit dem sozialen Anspruch einer Genossenschaft, die den Interessen ihrer Beschäftigten dienen soll, vereinbar gemacht werden kann, ist mir noch nicht klar.

Die Kette des Ineinandergreifens diverser Kriterien zeigt, dass es nicht Einzelne sind, die Kapitalismus ausmachen, sondern deren Gesamtheit.

Ich würde mich sehr über ein Feedback oder einen weiteren Austausch in der Sache freuen!

Liebe Grüße

Logos

Dipl.-Ing. Maschinenbau, Jhrg. 64

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Elias Davidsson
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Verbunden: 22.02.2013 - 18:05
Deckelung des Privatvermögens im Kapitalismus


Der Autor ist offensichtlich bemüht, eine Antwort auf die Misstände des Kapitalismus zu finden, also Antworten auf wichtige Fragen der Gegenwart zu bieten. Diese Bemühung und die Bereitschaft der kritischen Auseinandersetzung ist zu begrüssen. Daher lohnt sich eine Diskussion.

Meine 5. Frage lautete: »Warum erwähnt der Autor nicht den Privatbesitz der Wirtschaft als eine Grundsäule des Kapitalismus? Warum nicht?«. Diese Frage sollte nicht, wie es der Autor in seiner Antwort tut, mit dem mutmaßlichen Scheitern des Realsozialismus verknüpft werden. Die Frage steht selbständig zur Disposition.

- Ist also Kapitalismus ohne den staatlichen Schutz des unbeschränktes Privatvermögen denkbar?

- Wäre es noch Kapitalismus wenn Privatvermögen auf 3 Millionen Euro beschränkt wäre?

Zu diesen beiden Frage könnten sich noch viele andere Frage gesellen, die der Autor nicht in seiner Untersuchung berücksichtigt hat.

Liebe Grüße

Elias Davidsson

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Verbunden: 10.09.2016 - 11:31
Deckelung des Privatvermögens führt zu verstärktem Kapitalismus!


Deckelung des Privatvermögens führt zu verstärktem Kapitalismus!

Schon Ihren ersten Satz kann ich so in Gänze nicht unterschreiben, sondern nur Letztgenanntes: in der Tat versuche ich Antworten auf wichtige Fragen der Gegenwart zu finden. Dafür betreibe ich eine vorurteilsfreie, um Wahrheitsfindung bemühte Analyse der Ursachen und nehme eben keine ideologisch determinierte a-priori-Festlegung „des Schuldigen“ vor. Im Zuge dieser Untersuchung bin ich auf den Sachverhalt gestoßen, dass sehr viele Ursachen eben nicht im Kapitalismus zu finden sind, sondern in dessen menschlich/politischer Steuerung, welche durch eine Ideologie getrieben wird, die u.a. den Namen Neoliberalismus trägt.

Was gerade im Kontext des Bemühens der Erarbeitung von Verbesserungsansätzen keine akademische Haarspalterei ist, sondern von fundamental wichtiger Bedeutung. Sie stellen drei unterschiedliche Fragen. In der Ersten richten Sie den Fokus auf "Privatbesitz der Wirtschaft“, in der Zweiten auf „unbeschränktes Privatvermögen“. Diese Elemente unterscheiden sich ganz wesentlich. Die Formulierung und Abfolge Ihrer Frage stellt eine Vermischung dieser unterschiedlichen Wesensmerkmale dar.

- Der Autor erwähnt nicht den Privatbesitz der Wirtschaft als eine Grundsäule des Kapitalismus? Warum nicht?«.

- Ist also Kapitalismus ohne den staatlichen Schutz des unbeschränktes Privatvermögen denkbar?

- Wäre es noch Kapitalismus wenn Privatvermögen auf 3 Millionen Euro beschränkt wäre?

Zur 1. Frage:

Auch nach intensiver Überlegung bin ich zu keinem Ergebnis gelangt, welches es erlauben würde, die erste Frage eindeutig zu beantworten: Diesbezügl. sei auf die zweite Ableitung meines vorausgehenden Kommentars verwiesen. Sofern es jedoch real möglich wäre, dass auch echte (nicht nur dem Namen nach) Genossenschaften ein Gewinnbestreben verfolgen könnten, welche einen hinreichenden technischen Innovationsdruck ausübt, dann müsste erwidert werden:

NEIN, Privatbesitz der Wirtschaft ist keine Grundsäule des Kapitalismus!

Ich fürchte jedoch, das ist nicht, was Sie vermutlich als Antwort erwarten haben. Daher mein Bitte: wenn Sie über valide Sachargumente verfügen, warum "Privatbesitz der Wirtschaft" eine "Grundsäule des Kapitalismus" sein soll, lassen Sie es mich wissen!

Zur 2. Frage:

Denkbar ist vieles. Denkbar unter welcher Prämisse? Und was genau ist mit „staatlicher Schutz“ gemeint? Dass mittels staatlichen Gewaltmonopols Vermögendiebstahl oder Raub verhindert wird? Oder zählt unter „Schutz“ schon, dass es auch vor staatlichen Zugriffen in Form von Steuern und Abgaben bewahrt wird? Neoliberale würden höchstwahrscheinlich der letzten Frage zustimmen. Was Sie darunter verstehen ist mir nicht bekannt. Dennoch würde ich antworten:

JA, Kapitalismus ist ohne den staatlichen Schutz unbeschränkten Privatvermögens denkbar.

Sofern Sie über valide Sachargumente verfügen, warum Kapitalismus ohne den staatlichen Schutz unbeschränkten Privatvermögens undenkbar sein soll, lassen Sie es mich und alle hier mit Spannung Mitlesenden bitte wissen!

Zur 3. Frage:  

Vorangestellt sei die Bemerkung, dass dieses Szenario völlig unrealistisch ist. Nicht einmal die LINKE stellt auch nur entfernt solche Forderungen. Mit anderen Worten: als Ansatz zur Verbesserung der Zustände ist das völlig ungeeignet. Dafür dürfte es niemals Mehrheiten geben. Nicht in dieser Welt. Wenn man sich jedoch rein fiktiv auf das Szenario einlässt, so wäre die Frage eindeutig positiv zu beantworten: Ja, auch wenn Privatvermögen auf 3 Millionen Euro beschränkt würde, wäre es noch Kapitalismus. Warum?

I) Warum 3 Millionen? Welcher wissenschaftlichen Analyse entspringt diese Summe? Oder könnten es auch 4 Millionen sein? Warum nicht 5? Oder 10? Gestern nannten Sie in einem Telefonat mit Helmut Schnug noch einen Oberbetrag von 1 Million Euro.

Wenn sich dieser Betrag aber so beliebig ändern lässt, stellt er dann überhaupt irgendein faktisches Grenzkriterium dar?

Was konkret und im Detail soll unterhalb des Betrages X qualitativ anders als oberhalb sein?

Welche wissenschaftliche Analyse führt den Nachweis, dass es unterhalb von - meinetwegen - 3 Millionen kein Kapitalismus wäre, oberhalb aber schon?

Darauf sollten sie schon eine wissenschaftlich belastbare Antwort liefern können, damit ihre Frage bzw. die dahinterstehende These Überzeugungskraft entwickelt.

II) Wie würde es aussehen, wenn per Gesetz Privatvermögen im Kapitalismus auf 3 Millionen Euro gedeckelt und alles darüber Hinausgehende wegbesteuert würde? Nehmen wir für dieses Szenario - den de facto unrealistischen Fall - an, Regierungen wäre es tatsächlich ernst damit und sie würde alles Legale unternehmen, um Steuerbetrug, Steuerflucht etc. radikal und unter harter Strafandrohung zu unterbinden. Welche Folgen hätte das?

1. Die meisten Gierigen würden selbst auf die Gefahr juristischer Strafverfolgung, hohen Strafzahlungen oder gar drohendem Freiheitsentzug dennoch versuchen, noch perfidere illegale Wege, Schlupflöcher, Mittelsmänner und Steueroasen finden, um sich auch weiter zu bereichern. Gier macht erfinderisch, der Kreativität ist nur schwer beizukommen. Einige dieser Superreichen würden vielleicht weiteres Gewinnbestreben einstellen, ok. Da es aber noch sehr sehr viele  Menschen gibt, die nicht über solche Vermögen verfügen, würden sich ganz sicher Teile davon weiter um kapitalistische Vermögensmehrung bis zum Erreichen der Obergrenze betätigen. Das kapitalistische Gewinnbestreben wäre damit nicht gestoppt.

2. Der Staat würde sich zusätzliche Steuereinnahmen im Billionen-€-Bereich einverleiben, es würde wahrscheinlich zu folgender Kausalkette führen:

- Die Staatsausgaben würden enorm steigen und nötige Infrastrukturprojekte oder Beschäftigungsbedarf könnten ohne neoliberale ÖP- bzw. PP-Partnerschaften direkt selbst finanziert werden - selbstverständlich unter dem Vorbehalt, wie die Regierung "tickt" und wofür sie am liebsten Geld ausgeben würde. Aber auch einer miesen Regierung wie der unseren blieben bei Einahmen im Billionen-€-Bereich kein Platz mehr für durchsichtige Ausreden, dass es für den Ausbau/Erhalt/Erweiterung von Straßen, Schulen, Autobahnen, Krankenhäuser und Anstellung von Lehrern etc. an Geld mangeln würde. Somit entstünde:

- außerordentlicher Beschäftigungschub

- außerordentliche Zunahme ordentlich bezahlter Jobs und Rückgang von ALG I & II-Beziehern

- außerordentliches Anwachsen der Massenkaufkraft

- außerordentliche Steigerung des Massenkonsums

- drastisch steigende Investitionen um hohem Nachfrageschub gerecht werden zu können

- vermehrte Einstellungen, mehr ordentlich bezahlte Jobs und weiterer Rückgang von ALG I & II-Beziehern

- noch weiteres Anwachsen der Massenkaufkraft

- geschlossene Schleife: Eintritt in den sich selbst verstärkenden kapitalistischen Rückkopplungsprozess (> Wachstum)

Allerdings auch mit allen negativen Begleiterscheinungen des Kapitalismus - siehe Kapitel 1.5 - sofern denen nicht durch harte staatliche Regulierungen Einhalt geboten wird. Wofür die Menschen dann das Geld ausgeben, für Sinnvolles oder Tand, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. 

Ergo:

Infolge des Umstandes, dass es der gesetzlichen Deckelung des Privatvermögen auf Betrag X an jeglichem Realitätsbezug mangelt (möglicherweise sogar verfassungswidrig), kann dies nicht wirklich einen zielführenden Lösungsansatz darstellen. In einer akademischen Fiktion jedoch würde eine Deckelung des Vermögens über die damit entstehenden Steuereinnahmen und entsprechend vermehrten Ausgaben des Staates zu einer deutlich steigenden sozialen Gerechtigkeit führen, damit steigende[n] Massenkonsum und Massennachfrage erzeugen und somit den kapitalistischen Wachstumsprozess extrem ankurbeln.

Sofern Sie über valide Sachargumente verfügen, warum es kein Kapitalismus mehr wäre, wenn Privatvermögen auf Betrag X gesetzlich gedeckelt würde, lassen Sie es mich und alle hier mit Spannung Mitlesenden bitte wissen!

BTW: Diese Grenzziehung des Vermögens bei Betrag X - kommt die von Menschen? Bedarf das entsprechender politischer Gesetzgebung? Dann wäre es doch externe Steuerung! Damit läuft ihre 3. Frage doch genau auf das hinaus, was das Fazit meines „Kapitalistischen Manifestes“ ist: ob der kapitalistische Prozess zu mehr Wohl oder mehr Wehe, mehr Segen oder mehr Fluch führt, ist eine Frage politischer Steuerung.

Im Grunde also stellen Ihre Fragen die indirekte und unfreiwillige Bestätigung des Fazits meiner Analyse dar. Sofern es Ihnen nicht gelingt, meine Ausführungen stichhaltig zu widerlegen, müssten Sie eigentlich konsequenterweise - sofern Ihnen ebenso sehr an vorurteilsfreier Wahrheitsfindung liegt wie mir - Ihre Sichtweise überdenken und ändern. Ist dem so? Warum nicht?

In gespannter Erwartung Ihrer Antworten verbleibe ich mit lieben Grüßen

Logos

Dipl.-Ing. Maschinenbau, Jhrg. 64

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Elias Davidsson
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Verbunden: 22.02.2013 - 18:05
Obergrenze bei Privatvermögen sinnvoll


Obergrenze bei Privatvermögen durchaus sinnvoll

Lieber LOGOS und Mitlesende

Der Antwort von LOGOS zur 1. Frage stimme ich zu. Ja, Genossenschaften, die ein Gewinnbestreben verfolgen, wären keine private Gesellschaften. Die Genossenschaften könnten, genau wie Privatpersonen, Geld investieren, Politiker “kaufen” und die Bevölkerung durch Medien manipulieren. Die sogenannte Vergesellschaftung der Produktion ist demnach keine hinreichende Voraussetzung, um Ausbeutung zu verhindern.

Zur 2. Frage:

Sie lautete, ob Kapitalismus ohne den staatlichen Schutz des “unbeschränkten Privatvermögens” denkbar ist. Ich hätte die Frage anders formulieren sollen, nämlich ob Kapitalismus mit der Deckelung des Privatvermögens noch als Kapitalismus zu betrachten wäre. Es handelt sich in der Tat um die 3. Frage.

Zur 3. Frage:

Sie lautete, ob es noch Kapitalismus hieße, wenn Privatvermögen beispielsweise auf 3 Millionen Euro beschränkt wäre?

Diese Frage beantwortet LOGOS zunächst mit der Behauptung, dass ein solches Szenario “völlig unrealistisch ist.” Was in der Zukunft realistisch oder unrealistisch ist, hängt selbstverständlich von vielen wirtschaftlichen, sozialen, ideologischen und politischen Umständen ab und kann heute nicht eindeutig beantwortet werden.

Selbstverständlich ist die Deckelung des Privatvermögens bei den heutigen politischen Umständen unrealistisch. Es ist aber heutzutage auch unrealistisch, den Imperialismus zu zähmen, in Palästina einen demokratischen Staat für allen Bewohner zu errichten, Hartz IV abzuschaffen, die Kriege zu stoppen, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu demokratisieren, oder eine internationale Untersuchung des 9/11 unter Federführung der UNO einzuleiten.

Keine dieser Szenarien stehen aber im Widerspruch zu physikalischen oder biologischen Gesetzmäßigkeiten. Sie hängen von einem politischen Willen ab. Dieser wiederum hängt von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen und dem Bewusstsein ab. Dass “nicht einmal die LINKE” die Forderung auf die Deckelung des Privatvermögen stellt, ist kein Argument gegen die Forderung, sondern eher ein Armutszeugnis für die Linke. Und wer kann mit Gewissheit behaupten, dass es “niemals Mehrheiten” für diese Idee geben dürfte?  Wer hätte im 19. Jh. geglaubt, dass der Mensch fliegen würde, dass wir mittels Computer(software) Sprachen übersetzen würden, dass Hebräisch wiederbelebt würde, oder dass sich die Staaten der Welt auf eine gemeinsame Menschenrechtserklärung einigen würden? (Mal abgesehen davon, wie oft sie verletzt wird!)

Viel wichtiger ist die Frage. ob eine Deckelung des Privatvermögen die Gerechtigkeit und die Demokratie fördern würde, bzw. ob sie eine gute Idee sei, die wir diskutieren sollten.  Die Zahl 3 Millionen Euro als Deckel habe ich willkürlich gewählt, könnte auch 1 Million oder 10 Millionen sein. Das wäre abhängig ob das Privatvermögen ausschließlich den Privatkonsum der Familie decken soll oder auch Möglichkeiten zur Einrichtung eines Kleinbetriebs gewährleisten soll. Diese Frage kann man en detail debattieren.

Mit der Deckelung des Privatvermögens wird Kapitalismus, nicht aber Wettbewerb abgeschafft. Alle größeren Unternehmen werden vergesellschaftet, sei es auf kommunaler Ebene oder auf Landes- bzw. Bundesebene - je nach Funktion. Der Ziel aller vergesellschafteten Betriebe - im Gegensatz zum kapitalistischen Betrieb – wäre die Bedürfnisse der Bevölkerung so gut wie möglich zu erfüllen und dieser zu dienen.

Die Legende, dass staatlichen Betriebe schlecht funktionieren, muss hier als Mythos widerlegt werden. Ein krasses Beispiel ist ein Vergleich zwischen der französischen SNCF (staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs mit Sitz in Saint-Denis bei Paris) und der Deutschen Bundesbahn. Öffentliche Einrichtungen im Kulturbetrieb (Theater, Museen, Orchester, Musikschulen, usw.) haben sich über Jahrzehnte sehr gut bewährt ohne dass sie im «freien Markt» operieren. Die Infrastruktur in der Telekommunikation, der Straßen und der Flüsse war bis vor einigen Jahren völlig vom Staat betrieben, und diente der ganzen Bevölkerung gut. Das Internet, Google, Facebook, Youtube und ähnliche Dienstleistungen müssten, wären die Zustände gerecht, unter die Leitung einer UNO-Einrichtung der Weltgemeinschaft, und nicht einigen Milliardären dienen.

Die Vergesellschaftung der Großbetriebe ist aber nicht hinreichend, sondern muss mit einer Transparenz der Informationsinfrastruktur dieser Betriebe ergänzt werden, um Korruption zu vermeiden. Dafür müsste das Informationsfreiheitsgesetz gestärkt und erweitert werden.

Zweitens soll die Deckelung des Privatvermögens verhindern, dass Personen durch ihr enorm hohes Vermögen die mediale und politische Macht manipulieren oder sich gar erkaufen können, wie es der Fall heute ist. Die Besitzer einer Villa und eines teueren Autos können zwar gut leben, besitzen aber nicht die Mittel, eine Wahlkampagne einer Partei zu finanzieren bzw. die Gesetze des Bundestags zu bestimmen – Milliardären ist das möglich. Das demokratische Prinzip “eine Person - eine Stimme” gilt im Kapitalismus nur für die Wahl politischer Vertreter, nicht aber zur Wahl der Vorstände in Großbetrieben oder der Wahl von „genehmen“ Chefredakteuren. Diese werden nach dem Prinzip „eine Euro - eine Stimme“ gewählt - wie im Frühkapitalismus, wo nur Landesbesitzer Wahlrecht hatten. Mit der Deckelung des Privatvermögens wird der Weg zur Demokratisierung der Wirtschaft und der Medienlandschaft geebnet. Die Deckelung alleine reicht zwar nicht hinreichend zur Demokratisierung, stellt aber eine unabdingbare Voraussetzung dafür dar.

LOGOS fragt “Welche wissenschaftliche Analyse führt den Nachweis, dass es unterhalb von - meinetwegen - 3 Millionen kein Kapitalismus wäre, oberhalb aber schon?” Da ich die Zahl 3 Millionen willkürlich wählte, versuche ich die Frage zu beantworten, ab welchem Betrag beginnt Kapitalismus. Um es anders auszudrücken: Ab welchem Vermögen sind Menschen in der Lage oder werden eigentlich gezwungen, ihr Vermögen zu investieren, weil sie das Vermögen nicht mehr konsumieren können?  

Der Kapitalist ist immerhin jener, der mehr Kapital besitzt, als er konsumieren kann und daher den Überschuss investieren muss. Ob sich die Obergrenze (der Deckel) bei 1, 2, 3, 5, 10 oder 20 Millionen sich befinden soll, ist eine Frage, die zu diskutieren wäre wenn man den prinzipiellen Vorteil der Deckelung akzeptiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich 99,9% der Bevölkerung mit einem Deckel von 2 Millionen Euro sehr gut abfinden könnten, da sie wahrscheinlich nie in ihrem Leben diesen Deckel erreichen werden. Dagegen würde ein Deckel von 10 Millionen Vermögen den Einzelnen ermöglichen, ein Kleinbetrieb zu errichten und damit seine Kreativität nutzvoll zu entfalten.

Die kritische Frage, so wie ich es sehe, ist wie weit der Einzelperson Befugnisse gewährt werden sollte, wirtschaftliche Entscheidungen über Investitionen zu treffen, die eine gesellschaftliche Folge haben. Ich glaube die Frage kann nicht pauschal beantwortet werden.  

Die Frage ob ein Vermögensdeckel durchsetzbar ist (weil Personen ihre Vermögen unter Drittnamen registrieren oder in Steueroasen verlagern) belasse ich zur Zeit. Ähnliche Fragen stellen sich auch bei der Besteuerung von hohen Einnahmen und anderen Maßnahmen des Staates. Diese Fragen sind selbstverständlich wichtig, aber noch verfrüht.

Liebe Grüße

Elias Davidsson

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Logos
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Verbunden: 10.09.2016 - 11:31
Kapitalismus ist nicht durch Vermögensdeckelung abzuschaffen

Lieber Elias,

Viele Differenzen in unseren Haltungen ergeben sich wahrscheinlich aus unserem unterschiedlichen Verständnis von Kapitalismus. Diese Klärung hätte früher erfolgen sollen. Leider habe ich auf meine diesbzgl. Anfrage keine Antwort erhalten. Schade. Dann also ohne die nötige Klärung:

Mit der Zustimmung zu meiner Antwort auf Frage 1 ergibt sich automatisch die Antwort auf Frage 5:
Weil Privatbesitz der Wirtschaft keine Grundsäule des Kapitalismus ist.

Zur 3. Frage: Ja, selbstverständlich meinte ich „dass dieses Szenario derzeit und absehbar völlig unrealistisch ist.“ Selbstredend ist es nicht völlig unmöglich. In die Zukunft sehen kann niemand. Dennoch dürften Mehrheiten für den imo extrem geringen Deckelungsbetrag von nur 3 Millionen sehr schwer zu finden sein - wahrscheinlich gar nicht.
Dafür dürfte es niemals Mehrheiten geben“ ist mit Konjunktiv formuliert. Ich korrigiere „niemals“ aber gern gegen „derzeit und absehbar keine“.

„Viel wichtiger ist die Frage. ob eine Deckelung des Privatvermögen die Gerechtigkeit und die Demokratie fördern würde.“
Tatsächlich war das NICHT die Frage, sondern selbige lautete:
„Wäre es noch Kapitalismus wenn Privatvermögen auf 3 Millionen Euro beschränkt wäre?“
Meine Antwort: Ja, mehr Kapitalismus und mehr Gerechtigkeit.

„Mit der Deckelung des Privatvermögens wird Kapitalismus, nicht aber Wettbewerb abgeschafft.“
Ich habe eine Argumentationskette vorgelegt, die das glatte Gegenteil eines „abgeschafften Kapitalismus“ zum Ergebnis hat und von Ihnen nicht widerlegt wurde. Damit steht Ihre durch kein belastbares Argument unterfütterte Behauptung gegen meine unwiderlegte Argumentationskette.

Die Legende, dass Kapitalismus auf Wettbewerb hinausläuft, wurde meinerseits schon in Kapitel 1.3.2 als Mythos widerlegt. Tatsächlich läuft Kapitalismus auf Oligopole und Kartelle hinaus, wo eben kein Wettbewerb, sondern Kooperation zum Nachteil der Kunden, Käufer und Verbraucher herrscht.

„Der Ziel aller vergesellschafteten Betriebe - im Gegensatz zum kapitalistischen Betrieb – wäre die Bedürfnisse der Bevölkerung so gut wie möglich zu erfüllen und dieser zu dienen.“
Woran ist dieser hehre Vorsatz im „real existierenden Sozialismus“ (UdSSR) gescheitert?

„Die Legende, dass staatlichen Betriebe schlecht funktionieren“
Ich bin der Letzte, der die Ansicht vertritt, private Unternehmen würden per se besser funktionieren als staatliche/kommunale Einrichtungen. Ich selbst vertrete die Überzeugung, dass Infrastruktur in Staatshand bzw. besser Bürgerhand gehört (z.B. Genossenschaften). In sofern laufen Sie bei mir zwar offene Türen ein - nur als Widerlegung meiner Argumente taugt das nicht einmal ansatzweise.

Die Idee, durch Transparenz der Informationsinfrastruktur der Betriebe Korruption zu vermeiden, ließe sich zumindest theoretisch schon jetzt und nicht erst bei der Vergesellschaftung der Großbetriebe umsetzen.

„Zweitens soll die Deckelung des Privatvermögens verhindern, dass Personen durch ihr enorm hohes Vermögen die mediale und politische Macht manipulieren oder sich gar erkaufen können, wie es der Fall heute ist.“
Ja das ist ein valides Argument und ein interessanter Ansatz - das würde Demokratie zwar indirekt fördern, warum dadurch jedoch Kapitalismus verhindert werden würde, erschließt sich nicht.

„Die Deckelung alleine ist zwar nicht hinreichend zur Demokratisierung, stellt aber eine unabdingbare Voraussetzung dafür dar.“
Das hängt davon ab, was Sie unter „Demokratisierung“ verstehen: wenn sie damit ideale Demokratie verbinden, dann haben sie im Sinne des nachgenannten Zitates Recht:

Wie können wir unsere politischen Einrichtungen so aufbauen, dass auch unfähige und unredliche Machthaber keinen großen Schaden anrichten können?
Karl. R. Popper

Wenn man jedoch - und das sehe ich so - unter Demokratisierung schon eine Verbesserung der demokratischen Zustände ansieht, dann ließe sich diese auch durch diverse andere Maßnahmen bewirken:

  • Transparenz der Entscheidungsprozesse,
  • Verbot intransparenter Lobbyeinflussnahme,
  • direkte Demokratie,
  • Volksentscheide & Bürgerbegehren etc.

„..., ab welchem Betrag beginnt Kapitalismus.“
Den Ansatz halte ich für in Gänze abwegig: Die Wirkmechanismen des kapitalistischen Wachstumsprozesses (siehe Kapitel 1.3) sind zwar von einigen Sachverhalten abhängig - siehe Kapitel 1.1 - irgendein Vermögensbetrag zählt jedoch nicht dazu.

„Ab welchem Vermögen sind Menschen in der Lage oder werden eigentlich gezwungen, ihr Vermögen zu investieren, weil sie das Vermögen nicht mehr konsumieren können?“
Es gibt keinen Höchstbetrag, weil es diesen Zwang nicht gibt. Weder politische noch Natur-Gesetze oder Menschen üben diesbzgl. Zwang aus. Außerdem ist der Vermögensbegriff nicht klar definiert. Welche Art Vermögen ist gemeint? Betriebsvermögen? Grundstücksvermögen? Anlagevermögen? Geldvermögen? Oder alles zusammen? Mutmaßlich Vorletztes, denn nur jenes lässt sich verkonsumieren.

„Der Kapitalist ist immerhin jener, der mehr Kapital besitzt, als er konsumieren kann und daher den Überschuss investieren muss.“
Offensichtlich wird hier Kapital mir Geldvermögen gleichgesetzt (Begründung: s.o.) Warum das grundlegend falsch ist, hatte ich zu Beginn von Kapitel 1.2 begründet. Solange diese Begründung nicht valide widerlegt wird kann Kapital nicht Geld sein, sondern nur Produktionsmittel (Maschinen & Anlagen) - also Produktionstechnik. Diese aber lässt sich niemals verkonsumieren - womit der gesamte Ansatz hinfällig wird.

Wenn tatsächlich irgendein Deckelungsbetrag den Kapitalismus beenden würde, dann müsste der sich objektiv berechnen lassen. Dann wäre eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung nicht zielführend.

Fazit:

Es besteht in soweit Konsens, dass ich unabhängig von deren Realisierbarkeit der Meinung bin, dass sich eine Deckelung des Vermögens demokratie- und gerechtigkeitsfördernd auswirken würde. Nur wird damit der Kapitalismus nicht gestoppt, sondern gestärkt.

Alle ihre Einlassungen, die Gegenteiliges behaupten, wurden meinerseits durch bislang unwiderlegte Gegenargumente entkräftet. Ich würde mich über eine Fortsetzung dieses Ringens um Erkenntnisgewinn im Sinne der Wahrheits- und konstruktiven Lösungsfindung sehr freuen.

Liebe Grüße

Logos

Dipl.-Ing. Maschinenbau, Jhrg. 64

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WiMue
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Verbunden: 22.02.2020 - 08:07
Kleine Kritik zu den Kapitalismus-Artikeln von Logos


Kleine Kritik zu den Kapitalismus-Artikeln von Logos   

von Wilfried Müller

Inhaltlich gehe ich mit den meisten Aussagen in den Artikeln konform, aber ich hab trotzdem Probleme damit. Die Artikel der Reihe nach kommentiert:

► Was ist Kapitalismus und was nicht?

Speziell im 1. Artikel sehe ich den Anspruch an Objektivität konterkariert. Der Autor Logos bescheinigt sich selber Kompetenz (im 3. Artikel), weil er über den Kapitalismus nachgedacht hat und drüber geschrieben hat. Das haben andere aber auch. Die Aussagen und Argumente sind mit größter Wahrscheinlichkeit alle schon irgendwo diskutiert, sie sind mit Namen verknüpft. Wer die Namen nicht nennt, hat die Fachliteratur nicht gelesen und wird von der Wissenschaft nicht anerkannt. Er macht sich bloß angreifbar, wenn er nur bei sich die Argumentation gewürdigt haben will und andere "verblendet " nennt.

Ebenso wenn er ohne Beleg Behauptungen aufstellt, "in der Art, es wird immer schlimmer, Kapitalismus kollabiert ohne Wachstum". Das glaub ich ja auch, zumindest das erstere, aber sowas schnell mal nebenbei einzufügen ohne Verweis auf entsprechende Quellen ist aus wissenschaftlicher Sicht unseriös. Das widerspricht dem Anspruch, den der Autor unausgesprochenermaßen erhebt, der z.B. in Gestaltung, Akribie und Wortwahl ("Manifest") sichtbar wird. Anders wäre es, wenn er einen formlosen Essay schreiben würde, der das Thema unterhaltsam rüberbringt. Dann würde man da andere Maßstäbe anlegen.

Zwei Beispiele sollen das veranschaulichen. Dem wissenschaftlichen Anschein wird der Text gleich beim 1. Artikel nicht gerecht: In 1.2 heißt es "Kapitalismus ist ein abstrakter Prozess". Im 2. Artikel steht dann "Kapitalismus ist ein realer Wirtschaftsprozess". Das ist schon dichter dran, aber immer noch falsch. Prozesse sind Folgen von Zustandsänderungen von Dingen und existieren konkret (real) und nicht abstrakt. Außerdem ist "Prozess" eine falsche Kategorie. Später hat der Kapitalismus auch "Wirkprinzipien" und "systemische Zwänge" -  Prozesse haben sowas nicht. Daran sieht man, dass der Kapitalismus ein Abstraktum sein muss, z.B. die Menge aller einschlägigen Prozesse, wenn's denn unbedingt Prozesse sein müssen. In wiki steht eine passendere Definition: "spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung".

Angesichts des gehobenen Anspruchs ist es nicht pingelig, wenn die Kritik als zweiten Punkt den dreifachen falschen logischen Schluss gleich eingangs des 1. Artikels bemängelt (Form des Modus Tollens):

Geld, Zinsen, Spekulation gibt's demnach seit 4000 Jahren, Kapitalismus nur seit 260 Jahren.

- Also ist Kapital nicht Geld, schlussfolgert der Artikel,

- also sind Zinsen kein Phänomen des Kapitalismus,

- also ist Spekulation kein Phänomen des Kapitalismus.

Es mag sein, dass Kapital nicht Geld ist, aber die Begründung ist falsch. Denn es kann ja so sein: Alles Kapital ist Geld, aber nicht alles Geld ist Kapital. Es kann auch sein, dass einfach nachträglich ein anderer Name dafür gesetzt wird. Entsprechend gilt für Zins und Spekulation, dass sie schon vorher existiert haben können und trotzdem ein Phänomen des Kapitalismus sein können.

Nachdem ich soweit gelesen hatte und dauernd aneckte, mochte ich mir den Rest nicht antun. Einfach weil das Ganze im wissenschaftlichen Gewand daherkommt und diesen Anspruch nicht einlöst. Und weil ich denselben Inhalt lieber als leicht lesbaren Artikel hätte.

► Kapitalismus vs. Neoliberalismus

Der 2. Artikel von Logos heißt "Kapitalismus vs. Neoliberalismus". Da finde ich die tabellarische Gegenüberstellung gut, aber ich hab Wichtiges zu bekritteln. Für mich ist das, was da Kapitalismus heißt, Marktwirtschaft. Kapitalismus ist bei mir ein Mittelding von Marktwirtschaft und Neoliberalismus.

Wieder stoße ich auf das eigentliche Problem, das ich mit den Kapitalismus-Artikeln habe, die unwissenschaftliche Haltung im wissenschaftlichen Gewand. Als Beispiel dafür sei noch noch die Zuschreibung, Neoliberalismus sei "realitätsleugnender ideologischer Irrsinn" erwähnt. Solche überzogene Verurteilung ist m.E. nicht zielführend. Es geht ja um reale Ausbeutung auf ideologischer Basis, und wenn sie schon leugnend ist, dann menschenrechtsleugnend.

► Bedingungsloses Grundeinkommen für und wider

Ähnliche Probleme hab ich mit dem 3. Artikel übers BGE, und noch andere dazu. Der Text beansprucht die Deutungshoheit, indem er seitenlang vom BGE redet, während ich mir als erstes sage, Moment BGE geht ja gar nicht, es geht nur GE. Also kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern nur Grundeinkommen. Am Ende kommt der Artikel zum selben Schluss, aber ich soll mir lange Diskussionen bis dahin ansehen. Da fühle ich mich kujoniert und bevormundet.

Inhaltlich zählt der Artikel die wichtigen Punkte auf, besonders wichtig die Roboterzukunft (Digitalisierungswelle). Zu "bedingungslos" ist noch anzumerken, da gibt’s Leute, die besondere Kosten verursachen (Kranke, Behinderte), die mehr als das Grundeinkommen brauchen. Außerdem zählt zum "Einwanderungsaufkommen" nicht nur der Zuzug aus der EU, sondern auch aus der halben Welt, wo ein deutsches BGE einen unglaublichen Sog entfachen würde.

Allerdings ist die Lösung unter 4. "Deutsche Staatsbürgerschaft von mind. x Jahren" nicht unproblematisch. Was ist mit den Ausländern, die x Jahre hier arbeiten und Steuern zahlen?

Noch ein paar inhaltliche Anmerkungen: Ich sehe keine logischen Notwendigkeiten, warum die Entwicklung zum GE laufen muss. Wenn man den sozialen Frieden erhalten will, müssen die kommenden Robotergenerationen den Menschen in irgendeiner Form was zahlen. Das System Steuern plus Sozialhilfe würde auch funktionieren, aber GE ist aus vielen Gründen besser. Der Artikel erwähnt den GE-Test in Finnland. Das wurde ja mit einem Misserfolg beendet, Ergebnis war m. W., wir müssen die richtigen Empfänger aussuchen.

Einige der Argumente stoßen bei mir auf Skepsis, "Der eigene Job ist sicher wie nie zuvor!" Durch Umverteilung? Und "Angemessene Entlohnung von Flüchtlingen" bedeutet "Entfallen des staatlichen Unterstützungsbedarfs"? Das wird doch nur von einem Topf in den anderen geschoben.

Ich halte die Tabelle mit den Mrd.-Finanzierungen für zu sozialistisch, um realistisch zu sein. Da fehlt auch der wichtigste Punkt, dass von den Sozialleistungen ein großer Teil umgewidmet werden kann. Und der zweitwichtigste, dass der Exportüberschuss (=Konsumverzicht) in Lohnerhöhungen umgebaut werden kann.

Der 3. Punkt wäre bei mir das Ende der Steuerflucht (auch der Schwarzarbeit!). Alle 3 gingen ohne das ganz große Geschrei, wie es bei den Enteignungsmaßnahmen kommen würde. Man muss das realistisch sehen, auch Punkt 24), die "Extremreichen entsprechend in die finanzielle Verantwortung zu nehmen". Tja, die sind dann mal weg.

Fazit des Artikels: "Das alte BGE, das bedingungslose Grundeinkommen, ist tot. Es lebe das neue BGE, das Bedarfsgerechte!" Naja, wessen Bedarf? Der Bedarf von willkürlich Ausgewählten, nicht wahr? Das dürfte schwierig als Konsens durchzusetzen sein, auch wenn’s die richtige Richtung ist.

Wilfried Müller

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Verbunden: 10.09.2016 - 11:31
Kapitalismus - Neoliberalismus


Vorbemerkung: wer sich fragt oder gar daran Anstoß nimmt, dass meine Erwiderung um so viel länger als Müllers Kommentar ist, der sei herzlich eingeladen

1) die Tatsache, dass dies in der Natur haarsträubender, kontrafaktischer Falschbehauptungen liegt: diese sind nämlich oftmals in vielerlei Hinsicht falsch, was bei einer umfassenden Erwiderungen zwangsläufig zu entsprechender Länge führt und

2) folgendes Beispiel in Form einer unterhaltsamen, leicht lesbaren Karikatur als konkreten Beleg für 1) zur Kenntnis zu nehmen:

► Zur Sache:

Es steht jedem frei, „Probleme mit meinen Artikel“ zu haben, irgend etwas „anders zu sehen“ oder „zu fühlen“. So sehr jeder das Recht auf solche Empfindungen hat, so sehr habe ich das Recht, darauf nichts weiter zu geben, weil sich auf dieser Grundlage nicht argumentieren lässt. Stattdessen interessieren mich nur valide Sachargumente und Fakten. Warum? Weil die eingangs erwähnte Art von Bekundungen in der Sache argumentativ belanglos sind: „Meinungen sind wie Geschmacksbekundungen“ - Prof. Rainer Mausfeld.

[1] Gleiches gilt für „Sichtweisen, Standpunkte, Überzeugungen, Glaube, Gefühle, [Emp-]Findungen“ etc.

Entscheidend sind stichhaltige Sachargumente - mit der Betonung auf „stichhaltig“. Meint: hält auch einer kritischen Überprüfung stand. Was in diesem Sinne von den Äußerungen Müllers übrig bleibt, klärt diese Erwiderung:

► Was ist Kapitalismus und was nicht?

Bzgl. Müllers „sehe ich“ sei auf die Vorbemerkungen verwiesen. Es ist unwahr, dass ich mir selbst Kompetenz bescheinigt hätte, weil „ich über den Kapitalismus nachgedacht ... und drüber geschrieben“ habe. Korrekt ist vielmehr, dass die Kompetenz durch die 3 Analysen nachgewiesen wurden, welche noch niemand schlüssig widerlegen oder einen signifikanten Fehler aufzeigen konnte - insbesondere auch Herr Müller nicht.

Dass auch andere „über den Kapitalismus nachgedacht und drüber geschrieben“ haben ist nicht nur unstrittig, sondern wird im Kapitel 1.13 sogar anhand von zwei konkreten Beispielen thematisiert. Dort zeigt sich, was dieses „über den Kapitalismus nachgedacht und geschrieben“ haben bei den beiden Autoren wert ist: Anhand unwiderlegter Argumente und Fakten wird nachgewiesen, dass beide Werke nicht einmal ansatzweise dem Anspruch des Titels gerecht werden, sondern Etikettenschwindel betreiben.

Mit anderen Worten: nur darüber nachgedacht und geschrieben zu haben ist in Bezug auf den Nachweis von Kompetenz belanglos. Entscheidend ist, wie das Ergebnis einer kritischen Überprüfung ausfällt. Was besagte konkrete Beispiele anbetrifft: vernichtend. Nun könnte Herr Müller selbiges mit Verweis auf seinen Kommentar über meine Analysen behaupten. Was von dessen „kleiner Kritik“ jedoch nach einer kritischen Überprüfung übrig bleibt, darauf geben schon Müllers anfängliche Falschbehauptungen „selber Kompetenz bescheinigt, weil ...“ einen ersten Hinweis.

Viele meiner „Aussagen und Argumente“ sind nicht „nur irgendwo diskutiert“, sondern im Manifest mehrfach klar kommuniziert, wo konkret. Die Aussagen und Argumente sind also NICHT „mit größter Wahrscheinlichkeit ... mit Namen verknüpft“, sondern es WERDEN de facto und nachlesbar an sehr vielen Stellen die Namen Ulrike Herrmann (Suchfunde: 10, mit Buchcovern sogar 12) und Heiner Flassbeck (Suchfunde: 12) und weitere (Precht, Gunter Dueck und H.C. Binswanger) genannt. Und zwar mitunter sehr prominent und eigentlich unübersehbar.

Wenn Müller dennoch nicht nur von „mit größter Wahrscheinlichkeit“ fabuliert, sondern sich sogar zu der kontrafaktischen Falschbehauptung „Wer die Namen nicht nennt“ versteigt, zeugt das nur davon, was Müller selbst eingesteht: er hat es einfach nicht gelesen, weil er „sich den Rest nicht antun wollte“. Auch dies ist sein gutes Recht: niemand wird gezwungen, die Artikel hinreichend genau oder komplett zu lesen. Aber wenn Müller schon die Analysen nur unzureichend gelesen hat, dann möge er sich doch bitte nicht zu Vorwürfen versteigen, welche durch bloßes Lesens Lügen gestraft werden - durch mehr als zwei Dutzend Stellen von Namensnennungen! Dann möge dieser sich doch bitte nicht zu der verfehlten Annahme versteigen, dass er in der Lage wäre, qualifizierte Kritik äußern zu können. Mit unqualifizierter Kritik möge man mich bitte verschonen.

So nebenbei ist auch „alle [Aussagen & Argumente] schon irgendwo diskutiert“ falsch: dass Kapitalismus auch einen „selbstverstärkender Rückkopplungsprozess“ (1.3.3) bildet, wird von U. Herrmann und Flassbeck allenfalls vage angedeutet. Viele Neoliberale dürften nicht einmal wissen, was das überhaupt ist. Dies besitzt in sofern thematische Relevanz, wie aus diesem Unwissen krass falsche Forderungen wie die nach Lohnzurückhaltungen und „Sparen“ resultieren. Auch dies zeigt, was „das Nachdenken und darüber schreiben“ von solchen inkompetenten Personen wert ist.

Müller behauptet weiter kontrafaktisch und durch Nachlesen beweisbar falsch „Ebenso wenn er ohne Beleg Behauptungen aufstellt, "in der Art, es wird immer schlimmer, Kapitalismus kollabiert ohne Wachstum" sowie „sowas schnell mal nebenbei einzufügen ohne Verweis auf entsprechende Quellen ist aus wissenschaftlicher Sicht unseriös“.

Entgegen Müllers Falschbehauptung werden in Wahrheit in den Kapiteln 1.3 Wirkmechanismen des kapitalistischen Wachstumsprozesses anhand der Tabelle durch reine Logik der Nachweis geführt und im Kapitel 1.8 'Kapitalismus - zum Wachstum verdammt?' explizit Prof. J. Binswanger genannt. Ergo: auch dieser Vorwurf zerschellt an den Fakten.

Ja, die Analysen erheben wissenschaftlichen Anspruch. Müller Behauptungen perlen an den Tatsachen ab, welche die Analysen liefern, wie Wassertropfen von einer Lotosblüte.

Müller behauptet, sowohl die Beschreibung „abstrakter Prozess“ wie auch „realer Wirtschaftsprozess“ seien falsch. Tatsächlich aber findet sich unter den diversen Erklärungen zu abstrakt auch: „nicht gegenständlich, nicht greifbar, nicht anschaulich“. In diesem Sinne ist es gemeint und auch korrekt. Auch sei „Prozess“ die falsche Kategorie. Vielmehr sei  "spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung" passender.

Nicht nur, dass es enorm unterschiedliche Ausprägungen des Kapitalismus gab oder gibt und es daher mit dem „spezifisch“ nicht so weit her sein kann - auch ist Kapitalismus viel zu dynamisch bzw. volatil, um zu Recht von „Ordnung“ (davon fabulieren oftmals Neoliberale) sprechen zu können. Deswegen wird im Manifest auch von dynamischer Prozess  gesprochen.

Im Übrigen steht in Wikipedia zu Prozess u.a. auch „kann ... als ein System von Bewegungen bezeichnet werden“. Im Kapitalismus aber gibt es keine Bewegungen, die sich beobachten ließen. Es lassen sich nur zeitverzögert gewisse Auswirkungen erkennen. Daher trifft es „abstrakt“ im Sinne von „nicht gegenständlich beobachtbar“ doch ziemlich gut.

Angeblich bestünde in der Erklärung, warum Kapital nicht Geld sein könne, ein „dreifacher falscher logischer Schluss“. In Wahrheit jedoch scheint Müller allergrößte Probleme mit Logik zu haben, denn er selbst schafft es nicht, eine halbwegs stringente, logisch widerspruchsfreie Argumentation zu liefern. Tatsächlich sind die Ausführungen voller innerer Widersprüche:

1) Müller: „Es mag sein, dass Kapital nicht Geld ist“ vs. “... es kann ja so sein: Alles Kapital ist Geld, ...

2) „Alles Kapital ist Geld, aber nicht alles Geld ist Kapital.“ Wie angeblich soll das sein können? Was unterscheidet das Geld, welches auch Kapital ist, von dem Geld, welches keines ist? Liefert Müller deswegen dazu keine Erklärung, weil keine überzeugende existiert?

3) Angenommen, es gäbe wider Erwarten doch eine schlüssige Auflösung für 2), so wäre doch zumindest manches Geld auch Kapital. Dann aber müsste es den Kapitalismus doch schon so lange wie Geld geben - nämlich 4000 Jahre. Dem ist aber nicht so. Früh- oder Handelskapitalismus (15. Jh. bis Mitte des 18. Jh.), Hoch- oder Industriekapitalismus (ab 1760) und der Spätkapitalismus, beginnend etwa ab 1880.

4) „Es kann auch sein, dass einfach nachträglich ein anderer Name dafür gesetzt wird.“ Der Kapitalismus aber war ein weltweit neues Phänomen, welches erstmalig wirtschaftliches Wachstum pro Kopf herbeiführte. Nur durch „andere Namenssetzung“ entsteht weder ein neues Phänomen, noch erstmalig wirtschaftliches Wachstum pro Kopf. Ergo: nein, das kann NICHT sein!

5) Wenn es Zins und Spekulation schon vor dem Kapitalismus gab, müssen es davon unabhängige Erscheinungsformen  sein, die zwar auch parallel zum Kapitalismus auftreten, aber keinesfalls ein originäres Phänomen desselben sein können.

Mit anderen Worten: Es sind Müllers eigene Ausführungen, die höchst unlogisch oder gar in sich widersprüchlich sind. Es ist ihm nicht ansatzweise gelungen, mir einen dreifachen falschen logischen Schluss nachzuweisen. Nicht einmal einen einzigen.

► Kapitalismus vs. Neoliberalismus

Müller schreibt: „für mich ist ...“ und “... ist bei mir“. Dies aber sind keine Begründungen, sondern nur Meinungsstatements seiner subjektiven Ansicht. Argumente? Keine! Solche persönlichen Empfindungsbekundungen nehme ich schulterzuckend zur Kenntnis - mehr geben so argumentativ substanzlose Bemerkungen nicht her.

Erneut versteigt sich Müller zum haltlosen Vorwurf: „unwissenschaftliche Haltung“.

Argumente? Fehlanzeige! Beispiel? Die angebliche „Zuschreibung“ Neoliberalismus als "realitätsleugnender ideologischer Irrsinn".

In Wahrheit aber ist das keine „Zuschreibung“, sondern eine Feststellung aufgrund meiner Neoliberalismus-Analyse, von der Müller offenbar keinen Schimmer hat. Diese führt im Detail und unwiderlegt den Nachweis, dass dem so ist. Wenn Müller nicht davor zurückschreckt, mir krachend falsche Vorwürfe zu machen, die schon durch ein Minimum hinreichend aufmerksamen Lesens ad hoc Lügen gestraft werden, dann habe ich allemal das Recht, „realitätsleugnender ideologischer Irrsinn“, der vielfach nachgewiesen wird, festzustellen.

Dann tut Müller mit der Bemerkung „wenn sie schon leugnend ist, dann menschenrechtsleugnend“ so, als sei dies eine Frage von entweder/oder, wo jeder hinreichend intelligente Mensch weiß, dass sich da nichts gegenseitig ausschließt, sondern infolge von „sowohl/als auch“ überhaupt kein Widerspruch besteht. Die Feststellungen ließen sich beispielsweise um „menschenverachtend, asozial und gesellschaftszerstörend“ ergänzen, ohne das dies den vorgenannten Adjektiven auch nur den geringsten Abbruch tun würde.

► Bedingungsloses Grundeinkommen für und wider

Müller hat „ähnliche Probleme“ - also auch ähnlich substanzlos und unzutreffend - mit meinem BGE-Artikel. Angeblich beanspruche der Text die Deutungshoheit. In Wiefern? „indem er seitenlang vom BGE redet“. Wie aber soll dadurch Deutungshoheit beansprucht werden? Dies wird wohl Müllers Geheimnis bleiben. Mit der Bemerkung „während ich mir sage“ deutet Müller irgendeinen Widerspruch an, der de facto nicht existiert: Es wird ausführlich anhand von Fakten und validen Begründungen dargelegt, welche Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen.

Müller behauptet substanzlos, er solle sich lange Diskussionen ansehen. In Wahrheit wird an keinen Leser irgendein „sollen“ herangetragen. Der Artikel ist an Angebot für am Thema Interessierte - jeder kann teilweise oder in Gänze ablehnen: Wer nicht lesen will, besitzt jede Freiheit, es zu lassen. Und wer Abschnitte überspringen will, dem steht auch dies frei.

Unter dem Anspruch der Wissenschaft aber bin ich in der Pflicht, mich mit sämtlichen mir bekannten Pro- & Contra-Argumenten auseinanderzusetzen, weil nur so zu einem angemessenen und seriösen Ergebnis gefunden werden kann. Wenn das Müller nicht schmeckt und er sich durch diese wissenschaftliche Akrebie „kujoniert und bevormundet“ fühlt: seis drum. Eine solche hanebüchene Fehlauffassung ficht mich nicht an. Dessen Gefühlslage auch nicht.

Müller meint, bzgl. „bedingungslos“ sei anzumerken „da gibt’s Leute, die besondere Kosten verursachen (Kranke, Behinderte), die mehr als das Grundeinkommen brauchen.“ Offenkundig glaubt er, diese Bemerkung besäße einen Mitteilungswert, was wiederum voraussetzt, dass er glaubt, ich wüsste dies nicht. In Wahrheit aber dreht sich das BESSERE weil bedarfsgerechte Grundeinkommen genau um diesen Punkt: unterschiedliche Bedarfe. Das gesamte Hauptkapitel „4 Synthese: bedarfsgerechtes Grundeinkommen!“ handelt davon! Hat Müller auch dies schon wieder nicht gelesen, weil er „sich den Rest nicht antun wollte“? Ok, steht im frei. Aber Herr Müller, dann verschonen Sie mich und andere Leser dieser Seite doch bitte mit ihren unqualifizierten, aus grober Unwissenheit geborenen Vorwürfen und Bemerkungen!

In exakt die gleiche Kategorie fällt die Bemerkung „Außerdem zählt zum "Einwanderungsaufkommen" nicht nur der Zuzug aus der EU, sondern auch aus der halben Welt, wo ein deutsches BGE einen unglaublichen Sog entfachen würde.

Wenn ein bedingungsloses GE schon in der EU ein stark ansteigendes Einwanderungsaufkommen verursacht, dann liegt es in der Natur der Sache, dass dies einen „unglaublichen Sog aus der halben Welt“ erzeugt. Das ist nicht nur banal, sondern missachtet die Tatsache, dass in der EU Reisefreiheit garantiert ist, einem Zuzug in den EU-Raum „aus der halben Welt“ aber signifikante Hürden entgegen stehen.

Müller sieht „keine logischen Notwendigkeiten, warum die Entwicklung zum GE laufen muss“. Dazu viererlei:

1) General: Sichtweisen interessieren mich nicht, da argumentativ belanglos. Begründungen sind gefragt.

2) Die in Kapitel 1.2 ist von der „Notwendigkeit einer BGE-Diskussion“ die Rede - nicht von „logischen Notwendigkeiten“ eines BGE. Dort werden gute Gründe dargelegt, warum eine solche Diskussion nötig ist.

3) In der Politik gibt es entgegen einer Merkel, die „alternativlos“ zum Unwort des Jahres 2010 machte und damit Höcke eine Steilvorlage für den Parteinamen der AfD lieferte, fast immer Alternativen. Folgerichtig kann es kein „muss“ geben und deswegen ist auch von „muss“ nichts in meinen Ausführungen zu einem besseren BGE zu lesen.

4) Müller verkennt das Ausmaß der Digitalisierung, indem er auf Roboter verkürzt. Damit zeigt er, dass er nicht ansatzweise verstanden hat, wie viele Bereiche durch die Digitalisierung betroffen sind. Steht im Kapitel 1.7.1, welches er seinem eigenen Bekunden nach nicht gelesen hat.

Müller zeugt mit seiner haltlosen Behauptung „Durch Umverteilung?... Das wird doch nur von einem Topf in den anderen geschoben.“ davon, dass er das komplette Kapitel zur Finanzierung ignoriert hat - sonst hätte er nicht diesen kontrafaktischen Nonsens geschrieben.

Müller hält „die Tabelle mit den Mrd.-Finanzierungen für zu sozialistisch, um realistisch zu sein. Dazu zweierlei:

1) Persönlich „für zu sozialistisch“ >> argumentativ irrelevant. Es geht um wirtschaftliche Notwendigkeiten und soziale Gerechtigkeit. Ob jemand das für „zu sozialistisch“ hält, ist bedeutungslos.

2) Zum Realismus wird ausführlich und explizit im Kapitel „4.1 Voraussetzung der Umsetzbarkeit - Welcher Veränderungen bedarf die Umsetzung dieses BGE-Modells?“ Stellung genommen. Hat Müller wohl wieder mal nicht gelesen. Aber nur auf der Grundlage unzureichenden Überfliegens lässt sich schwerlich bis gar nicht berechtigte Kritik formulieren.

Müller behauptet, ohne Belege oder Beweise „Extremreichen entsprechend in die finanzielle Verantwortung zu nehmen" dann sein „die .... dann mal weg.

Tatsache aber ist, dass in Deutschland viele Jahrzehnte ein Spitzensteuersatz von 56% bei gleichzeitig deutlichen höheren Unternehmenssteuersätzen galt, ohne das „die dann mal weg“ waren. Müller bemüht eine typisch neoliberale Behauptung, die wieder einmal durch die Historie widerlegt wird. Und auch Neoliberale würden die Finanzierung als „sozialistisch“ framen.

Müller impliziert mit der Behauptung „ohne das ganz große Geschrei, wie es bei den Enteignungsmaßnahmen kommen würde“, da würde irgendwo von Enteignungen geschrieben. Auch hier straft ein einfacher kurzer Faktencheck diese kontrafaktische Falschbehauptung Lügen. Suchtreffer für „enteig“: NULL!

Müllers mit einer Frage kombinierte haltlose Unterstellung in dessen Fazit „Naja, wessen Bedarf? Der Bedarf von willkürlich Ausgewählten, nicht wahr?“ steht symptomatisch für die Substanzlosigkeit und Wahrheitsferne seiner Vorwürfe: Wessen Bedarf wird beispielhaft in Kapitel 4 Synthese dargelegt: Es sind eben NICHTwillkürlich Ausgewählte“.

► Fazit:

Der Kommentar ist mit „kleiner Kritik“ übertitelt. In Wahrheit jedoch erhebt Müller schwerwiegende Vorwürfe:

* der Anspruch an Objektivität sei konterkariert
* Analysen seien unwissenschaftlich
* es würden keine Namen genannt (wird durch mehr als 2 Dutzend Namensnennungen Lügen gestraft)
* es würden ohne Belege Behauptungen aufgestellt (wird durch 2 Unterkapitel widerlegt)
* Dreifach logisch falsche Schlüsse

Diese vielen Vorwürfe Müllers besitzen samt und sonders die argumentative Substanz geplatzter Seifenblasen - keiner vermag einer kritischen Überprüfung stand zu halten. Oftmals ist die Wahrheit leicht nachlesbar und liegt im krassen Gegenteil dessen, was Müller kontrafaktisch behauptet. Bis zum Ende zieht sich ein grobes Fehlverhalten wie ein roter Faden durch Müllers ganzen Kommentar - er hat die Artikel nur höchst unzureichend gelesen, maßt sich aber trotz seiner eklatanten, selbst gewählten Unwissenheit Vorwürfe an, die schon durch schlichtes Lesen hätten niemals entstehen dürfen.

Während also vom Müllers Vorhaltungen nur heiße Luft bleibt, ergibt sich aus dessen Fehlverhalten ein unwiderlegbarer Gegenvorwurf: Herr Müller, lesen sie wenigstens, was Sie bekritteln zu können glauben! Schon ein Minimum an Respekt dem Autor gegenüber verlangt dies.

Müller ist enttäuscht, weil der Inhalt nicht „unterhaltsam“ oder „leicht lesbar“ in Form eines „formlosen Essays“ geschrieben sei. Allerdings war „Unterhaltung“ nicht einmal entfernt der Anspruch, sondern wissenschaftliche Aufklärung. Nahezu jeder halbwegs seriösen wissenschaftlichen Studie könnte ebenso vorgehalten werden, „nicht unterhaltsam“ zu sein. Was die Absurdität dieses Vorwurfs aufzeigt.

Der Ansatz, ein Autor hätte doch besser den Erwartungen eines einzelnen Lesers entsprochen, den er gar nicht kennt, ist selten absurd. Herr Müller ist nicht mein Auftraggeber und meine Analysen sind nicht dessen Auftragsarbeiten. Sie, Herr Müller, haben zwar das Recht, Erwartungen zu haben, soviel sie wollen, über die Art und Weise des Aufbaus, Stils und Anspruchs befindet aber immer noch der Autor. Das mag Ihnen nicht passen - ist aber dennoch so.

Herr Müller, es steht Ihnen doch völlig frei, selbst ein „formloses Essay“ zu schreiben, wo Sie ihre Sicht „unterhaltsam“ und „leicht lesbar“ rüberbringen. Allerdings, so ist nach ihrer hier gezeigten Pseudoargumentation, die auf ganzer Linie desaströs scheitert, zu befürchten, dass ihre „Gefühle und Sichtweisen“ inhaltlich nicht ansatzweise überzeugen dürften, sondern ich diese oftmals als falsch widerlegen könnte.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim Schreiben!

PS: besagte Neoliberalismus-Analyse findet sich hier:

https://neoliberalismus.fandom.com/de/wiki/Neoliberalismus

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