Der Giftanschlag von Salisbury
Hintergründe ohne Tatsachen
Die einzige zum Giftanschlag von Salisbury bekannte Tatsache ist – dass es bisher keine Tatsachen gibt. Keine Fakten, wer, wie, wann das Gift nach Salisbury transportiert hat und wie es eingesetzt wurde. Selbst die Opfer wurden bisher nicht befragt. Stattdessen eine „lange Liste bösartiger Aktivitäten Russlands“ seitens der britischen Regierung die beweisen soll, dass Russland „höchst wahrscheinlich … verantwortlich ist für diesen rücksichtslosen und verabscheuungswürdigen Akt.“
► Es geht offenbar gar nicht um die Fakten. Worum also dann?
Aufgezählt werden von Politikern und Medien unisono, kritiklos den Londoner Vorgaben folgend, die „Vergehen“, die Russland sich in den letzten Jahren habe zuschulden kommen lassen, so allen voran in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Das beginnt bei der „Annexion der Krim“ [siehe Video weiter unten, H.S.], führt über die „Invasion russischer Soldaten in die Ostukraine“, den „Abschuss des Passagierflugzeuges MH 17“, die „Ermordung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow in unmittelbarerer Nähe des Kremls“, „Russlands rücksichtsloses Vorgehen in Syrien“ bis in die „Dopingfälle russischer Athleten.“ Dazu kommen noch diverse angebliche Cyber-Attacken Russlands.
Mit diesen Aufzählungen wird das erste Motiv deutlich, um das es in dieser „Affäre“ geht: So wenig Fakten für den „Fall“ Salisbury vorgelegt werden, so wenig geht es bei der Aufzählung der russischen „Vergehen“ um Fakten. Vielmehr geht es hier um die gezielte Anwendung des alten römischen Prinzips ‚audacter calumniare, semper aliquid haeret‘, (dt. ‚verleumde nur dreist, irgendetwas bleibt immer hängen‘) - anders gesagt, eine politische Rufmordkampagne gegen Russland, bei dem das ganze Instrumentarium der ideologischen Kriegführung bis hin zur konzertierten Ausweisung russischer Diplomaten ausgefahren wird.
Die nächste Fragen sind natürlich: Wofür? Warum jetzt? Wem nützt es?
► „Solidarität“
Im Vordergrund der Kampagne steht das Wort ‚Solidarität‘, für welche die Vertreter und Vertreterinnen des atlantischen Bündnis sich gegenseitig beglückwünschen und bedanken. Theresa May dankte Jean-Claude Juncker, Juncker dankte May, alle zusammen dankten Trump. Schließlich trat sogar die NATO noch dem Solidaritätsbündnis bei. Man fühlt sich gestärkt.
Aber ist man wirklich gestärkt? Hier darf man Fragen stellen, die vielleicht ein bisschen zur Entwirrung der Motivlage beitragen können, zunächst der kleinen, um es so zu sagen, ohne dabei allerdings allzu sehr ins Detail gehen zu wollen:
• Theresa May hat wohl das offensichtlichste Motiv. Wenn sie die Position des kleiner gewordenen Britanniens als Weltmacht nach dem Ausstieg aus der EU halten möchte, dann braucht sie den atlantischen Rahmen, vor allem die Anlehnung an die USA.
• Jean-Claude Juncker muss sich schon seit geraumer Zeit Sorgen um den Zusammenhalt der Europäischen Union machen. In der Frage der Sanktionspolitik nehmen die Differenzen zwischen den Mitgliedern erkennbar zu.
• Donald Trump schafft sich mit seinem aktuellen Sprung in das atlantische Bündnis Bewegungsfreiheit gegenüber seinen Kritikern, die ihm seine Kontakte zu Russland und seine zu große Nähe zu Wladimir Putin vorwerfen.
• Nicht zu vergessen die NATO: sie ist angesichts einer sich entwickelnden globalen Multipolarität in eine Sinnkrise gekommen, in der sie sich nur durch neu entstehende Ost-West-Spannungen legitimieren kann.
Alles zusammen wird in der gegenwärtigen Kampagne gegen Russland zu einem aktuellen Befreiungsschlag gebündelt.
► Hintergründe
Mit dieser Beschreibung des vordergründigen Nutzens ist die Frage nach den Hintergründen jedoch noch nicht beantwortet. Dazu muss noch ein genauerer Blick auf die Liste der „Vergehen“ geworfen werden, die Russland vorgezählt werden.
Lässt man die diversen nicht zu beweisenden Behauptungen über russische Cyber-Attacken auf atlantische Netze beiseite, dann bleiben in diesem Potpourri von Anklagen die wichtigsten Stichworte: Georgien, Krim/Ost-Ukraine und Syrien.
Diese drei Stationen bezeichnen die Marken, an denen der westliche, konkret der US-dominierte globale Hegemonieanspruch in den zurückliegenden Jahren an seine Grenzen stieß – durch Russlands Aufbegehren, um es in einer Formulierung zu sagen, die das Kräfteverhältnis realistisch beschreibt.
Erinnern wir uns:
• Mit dem Einmarsch in Georgien 2008 warf Russland nicht nur den provokativen Versuch einer Annektion Michail Saakaschwilis gegenüber Nord-Ossetien zurück; mit der Zurückweisung Saakaschwilis zog Russland zugleich die unübersehbare Rote Karte gegen eine weitere Ost-Erweiterung von EU und NATO. [siehe die beiden Karten-Grafiken weiter unten, H.S.]
• Mit der Aufnahme der Krim 2014 in den russischen Staatsverband zum einen, mit der Unterstützung der Ost-Ukraine um die Erhaltung und Entwicklung ihrer Autonomie nach dem Regimewechsel in der Ukraine zum Zweiten verhinderte Russland die Überführung der Ukraine in die EU und die NATO. Russland widerstand damit der strategischen Kastration, wie sie in den Plänen der US-Strategie vorgesehen war, nachzulesen bei Zbigniew Brzeziński. [ >> Video-Doku und Buch "Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft"]
• Mit dem Eingriff zur Unterstützung von Baschar al-Assad in Syrien seit 2016 stoppte Russland nicht nur den von den USA beabsichtigten Regime change in Syrien, sondern darüber hinaus die Verwandlung des gesamten mesopotamischen Raumes in ein amerikanisches Protektorat und Aufmarschgebiet gegen Russland, Iran, Türkei und Nordafrika nach den Plänen des „New American Century“.
Russland, konkret Wladimir Putin hat in diesen Prozessen die Statur eines globalen Krisenmanagers gewonnen. Die aktuelle Kampagne hat das Ziel, Russland, Putin in dieser Rolle zu demontieren.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de
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Entwicklung der NATO - konsequente Osterweiterung in Richtung Russland
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Europakarte, welche Mitgliedschaften in EU und NATO zeigt.
► Anmerkung von KN-Admin Helmut Schnug:
Der Beitritt der Krim in die Russische Föderation war keine „Annexion“. „Annexion“ hätte bedeutet, daß eine von außen erzwungene Eingliederung erfolgt wäre. Fakt ist, daß der Austritt aus der Ukraine durch eine deutliche Mehrheit der auf der Krim lebenden Bevölkerung und ein freiwilliger Beitritt in die Russische Föderation per Referendum entschieden wurde. Zwei internationale, unabhängige Wahlbeobachter haben mir die rechtmäßige Durchführung des Wahlprozederes bestätigt.
Konflikte um die Ukraine, die zu dem heutigen Bürgerkrieg führten, haben keineswegs erst mit dem Beitritt der Krim in die russische Föderation begonnen, sondern vielmehr, wenn wir uns auf die neuere Geschichte beschränken wollen, mit den nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelten Strategien der USA, formuliert u.a. durch Zbigniew Brzeziński zur Festigung und zum Ausbau der den USA damit zugefallenen Weltherrschaft. Darin spielt das Herausbrechen der Ukraine aus dem Russischen Einflussbereich eine zentrale Rolle, um Russland so zu schwächen, dass es als eurasische Macht nie wieder zum Rivalen für die USA werden könne.
"Zur Auseinandersetzung um die Krim" hier weiterlesen. Ebenso ein wichtiger Artikel in der FAZ mit dem Titel: "Die Krim und das Völkerrecht - Kühle Ironie der Geschichte." von Dr. Reinhard Merkel, Professor für Staatsrecht und Rechtsphilosophie - weiter.
► Interview mit Prof. Dr. Reinhard Merkel: Die Krim, die Ostukraine und das Völkerrecht: (Dauer 16:22 Min.)
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Vortragsangebote, für die Kai Ehlers gebucht werden kann: (Direktkontakt: info@kai-ehlers.de )
Aktuell:
⇒ Ukraine, Syrien, Korea
Stichwort: ‚Eingefrorene Konflikte‘ und ‚failed-states‘: Minen des Jahrhunderts. Bestandsaufnahme und Analyse des aktuellen Propagandakrieges
⇒ Kann Deutschland neutral sein?
Stichwort: Überlegungen zur Rolle Deutschlands als Scharnier und Mitte im Ost-West-Konflikt
⇒ Angst vor Russland, warum?
Stichwort: Putin im Fadenkreuz – Warum und wie Russland das durchhalten kann. Eintauchen in die Frage der russischen Autarkie
⇒ Europa ohne Russland? Kann es Europa ohne Russland geben?
Stichwort: Betrachtungen zu paradoxen Verbundenheit und Russland und Europa.
⇒ Was treibt die Menschen in den Krieg?
Stichwort: Egoismus, Altruismus, ethischer Individualismus
⇒ Bündniskarussell - Neugruppierung der Weltmächte?
Stichwort: Trump, Putin, Xi Jinping - neue Weltordnung oder neue Fronten?
⇒ ‚Aus für die NATO‘?
Stichwort: NATO in der Krise – oder entstehen nur neue Formen des Krieges?
⇒ Nachdenken über Deutschland
Stichwort: Deutscher Geist – Segen oder Fluch?
⇒ Was ist am Islam so attraktiv?
Stichwort: Islam als ganzheitliches, sozio-politisches Angebot jenseits der Alternative von Kapitalismus oder Sozialismus
⇒ Regionalisierung – Signal wofür?
Stichwort: Neues Staatsverständnis oder neuer Nationalismus?
Russland:
⇒ Angst vor Russland – warum?
Stichwort: Putin im Fadenkreuz – Warum und wie Russland das durchhalten kann. Eintauchen in die Frage der russischen Autarkie und Unberechenbarkeit.
⇒ Putin: Aggressor oder Krisenmanager?
Stichwort: Blick auf Putins Konsenspolitik
⇒ Was kommt nach Putin?
Stichwort: Putin als interner und externer Krisenmanager und seine Grenzen.
⇒ Was ist das Russische an Russland?
Stichwort: Vielvölkerorganismus statt Nationalstaat
⇒ Russland – Entwicklungsland neuen Typs?
Stichwort: Nicht sozialistisch, nicht kapitalistisch – was dann?
⇒ Auf der Suche nach der russischen Idee. Skizze aktueller Ansätze.
Stichwort: Gibt es einen russischen Nationalismus? Dreigliederung – Traum oder Weg aus der globalen Krise?
⇒ Russland ohne Europa?
Stichwort: Ist Russland ohne Europa und Europa ohne Russland denkbar?
⇒ Von Russland lernen?
Stichwort: Impulse aus der russischen Gemeinschaftstradition. Hat Russland eine Kulturaufgabe für das 21. Jahrhundert?
⇒ Russlands religiöser Pluralismus
Stichwort: Russlands nach-atheistische spirituelle Dynamik
⇒ Russland in Eurasien – immer noch ‚Herzland‘?
Stichwort: Annäherung an eine nach wie vor verfolgte geopolitische Zielvorgabe
⇒ Modell Kasan
Stichwort: Beispiel eines säkularen Islam in Russland
Europa:
⇒ Gibt es eine europäische Idee/Mission?
Stichwort: Europa ist mehr als die EU – aber was?
⇒ EU – Puffer zwischen USA und Russland?
Stichwort: EU nur ein Instrument der US-Politik?
⇒ Nachdenken über Deutschland im globalen Koordinatenkreuz
Stichwort: Deutschland neue Führungsmacht oder Vermittler?
⇒ Deutsch-Russische Achse – Rettung oder Trauma?
Stichwort: Geschichte und mögliche Zukunft deutsch-russischer Zusammenarbeit
⇒ Deutscher Geist – Segen oder Fluch?
Stichwort: Gibt es einen spezifischen deutschen Charakter?
Generell:
⇒ Krise des Nationalstaats und Perspektiven der Dreigliederung heute
Stichwort: Ist die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus inzwischen zur historischen Notwendigkeit herangereift?
⇒ Krise des Nationalstaats?
Stichwort: Kommunalisierung, Regionalisierung, Föderalisierung, Dreigliederung von Wirtschaftsleben, Geistesleben, Rechtsleben – bilden sich heute neue Formen des sozialen Organismus heraus? Oder erlebt die Welt einen Rückfall in Nationalismus?
⇒ Hat Mitteleuropa heute noch eine Aufgabe zwischen westlichem Herrschaftsanspruch und östlichem Kulturkeim?
Stichwort: Rückblick auf das zurückliegende Jahrhundert 1917-2017. Ist eine Vermittlung von westlichen Individualismus und östlichen Gemeinschaftstraditionen möglich?
⇒ Heimat in der Globalisierung – was kann das sein?
Stichwort: Gemeinschaftsbildung, Wahlfamilie und Beziehungsgesellschaft.
⇒ Migration, Revolte, Terror, Revolution – eine notwendige Reihe?
Stichwort: Kann es eine gewaltfreie Lösung der globalen Krise geben?
⇒ Kapitalismus, Sozialismus, Dreigliederung – ein Lernprozess?
Stichwort: Russische Revolution, realer Sozialismus – nur ein gescheitertes Experiment oder eine Lehre für die Zukunft?
⇒ Großbritannien / USA – Russland: eine historische Polarität.
Stichwort: Westen/Osten, Seemacht/Landmacht Neue Welt / alte Welt.
⇒ Präventionswahn – neue Formen der Eugenik.
Stichwort: Strategien gegen die ‚Überflüssigen‘ von heute und morgen.
► Bild- und Grafikquellen:
1. Texttafel: "Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema KRIEGSPROPAGANDA sollte im Hinblick auf die außenpolitische Ausrichtung Deutschlands und der Bekenntnis zu militärischen Auslandseinsätzen in den Fokus der Medien rücken. Initiatoren könnten Wissenschaft und journalistische Berufsverbände sein." Foto/Grafik: gunnarsohn (Gunnar Sohn), Herausgeber des Buches "Emotionale Mobilmachung: Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien". Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
2. Dämonisierung Russlands durch die USA und seiner transatlantischen "Freunde". Sie sind willfährige Huren, vereint im größten christlichen Angriffspakt, auch NATO genannt. Wenn es um Russland geht, werden amerikanische Politiker hysterisch. Egal, was auf der Welt geschieht – es gibt kaum eine negative Meldung, deren Ursache nicht umgehend Russland oder dem russischen Präsidenten zugeschrieben wird. Karikatur: Davide Bonazzi for the boston globe >> Artikel mit Bild.
3. Der Russische Bär ist - neben Mütterchen Russland - eine nationale Personifikation Russlands, die in Westeuropa, primär in Großbritannien besonders oft während des Kalten Krieges verwendet wurde. Ihren Ursprung hat die Versinnbildlichung westlichen Reisenden zu verdanken. Foto: bearbeiteter und veränderter Netzfund.
4. Entwicklung der NATO - konsequente Osterweiterung in Richtung Russland. Karte erstellt: User: Patrick Neil, based off of Image:EU1976-1995.svg by glentamara. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert. Aktualisiert: Karte ergänzt um Montenegro welches als 29. NATO-Mitgliedsstaat am 6. Juni 2017 in den christlich-offensiven Angriffspackt aufgenommen wurde.
5. Europakarte, welche Mitgliedschaften in EU und NATO zeigt. Urheber: Joebloggsy. Quelle: Wikimedia Commons. Der Urheberrechtsinhaber veröffentlichte dieses Werkes als gemeinfrei. Dies gilt weltweit. Aktualisiert: Montenegro Beitrittskandidat der Europäischen Union, nutzt den Euro als Währung und ist seit dem 5. Juni 2017 das 29. und jüngste Mitglied der NATO.
6. FRIEDEN STATT NATO! . . . Eine Kooperation mit Russland bei Verbleib in der NATO ist dauerhaft unmöglich, weil die USA als NATO-Führungsmacht auf Konfrontation mit Russland drängen. Es ist klar, dass der deutsche NATO-Austritt keinen Sinn hätte, wenn er nicht durch den Abzug aller ausländischen militärischen Einrichtungen aus Deutschland ergänzt werden würde, da es sich dabei um NATO-Einrichtungen oder Einrichtungen von NATO-Mitgliedsländern handelt. Soweit die Begründung, warum die Forderung „Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland!“ korrekt ist. Grafik: Wolfgang (WOB) Blaschka, München.
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SALISBURY INCIDENT - HM Government - Moscow 22 March 2018 | 531.31 KB |