Die rechte WELT der Neo-Liberalen
"Jeder von ihnen könnte und sollte jeden Arbeitslosen, jeden Rentner und jeden Studenten danach fragen, mit welchem Recht er davon ausgeht, dass er (der Staat) ihm den Lebensunterhalt, die Rente oder das Studium bezahlt."[1] Wer hier schon leichten Würgereiz verspürt, für den wird der nachstehende Artikel ziemlich hart werden. Dieses Zitat stammt von einem gewissen Herrn Konrad Adam - Journalist und Publizist, ehemaliger Redakteur der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Korrespondent der Tageszeitung DIE WELT.
Mit André F. Lichtschlag haut ein weiterer Journalist und ehemaliger Kolumnist der WELT gedanklich in die gleiche Kerbe von Adam. Lichtschlag kritisierte das Wahlverhalten der „Nettostaatsprofiteure“, zu denen er Beamte, Politiker, Rentner und Arbeitslose zählt, und schlug vor, darüber nachzudenken, ihnen das Wahlrecht zu entziehen, da diese „mit ihren Mehrheiten jeden noch produktiven Menschen“ niederstimmen würden.[2]
Nette Worte und eine ziemlich undemokratische, ja schon fast faschistische Aussage der beiden Protagonisten. Und in dieser Riege darf natürlich ein Ulf Poschardt, Chefredakteur bei der WELT, nicht fehlen. Der elitäre Selbstdarsteller und Mitglied der FDP setzte sich in eine Talksendung und gab ganz unverhohlen von sich, „Meine persönliche Gesellschaft unterteile ich nicht in arm und reich, sondern in faul und fleißig. Die Fleißigen müssen dabei gefördert, die Faulen müssen härter rangenommen werden.“[3]
Da bleibt einem schon mal der Atmen stehen, und der aufgeklärte Leser oder Zuschauer reibt sich fragend die Augen: „Darf man so was wirklich ungestraft sagen?“. Anscheinend, denn diese neoliberale Sprachkultur hat längst eine gesellschaftlich anerkannte Akzeptanz erreicht, und schmückt so einige Titelblätter, Parteiplakate oder Aussagen im TV. Ganz besonders scheint davon die Tageszeitung DIE WELT angetan zu sein. Man spricht denen, die ihr Leben lang in das staatliche Rentensystem eingezahlt, die neben ihrem Beruf auch noch Kinder groß gezogen und im Altersruhestand nicht ausreichend zum Leben haben, nicht nur das Wahlrecht ab, sondern gibt ihnen selbst die Schuld, weil sie ihr Leben lang faul gewesen seien. Das ausgerechnet diese Riege von Journalisten ihre eigene Vorsorgekasse nutzen und sich aus dem Solidarprinzip der Umlagen finanzierten Rente verabschiedet haben, bleibt dabei natürlich unerwähnt. Wer will auch schon in seiner gesellschaftlichen Stellung als „Elite“ auch mit dem arbeitendem Pöbel aus der Mittel- und Unterschicht zu tun haben?
Der eben schon erwähnte André F. Lichtschlag ist gleichzeitig auch noch Autor der überregionalen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF), die 1986 von Dieter Stein (früher Republikaner/REP) gegründet und ins Leben gerufen wurde. Stein wurde von der AfD als nominierter Vertreter für die Wahl des Bundespräsidenten 2017 in das Abgeordnetenhaus entsendet. Nicht nur, das sich in der JF ehemalige Kollegen der WELT tummeln, die ihre geistigen Vorstellungen von neoliberaler Freiheit und mit antisemitische Beiträge um die Wette publizieren. Nein, selbst dem Verfassungsschutz (VS) gingen manche Aussagen des Blatts etwas zu weit und so kam es über Jahre hinweg zu einem Rechtsstreit zwischen dem VS und der JF, der letzten Endes eingestellt wurde und ohne Folgen blieb.
Begrüßenswert fanden diese Entscheidung des Bundesverfassungsgericht auch ein paar andere Herren. So zum Beispiel Daniel Cohn-Bendit (Foto re.) von Bündnis90/Die Grünen, der die grundgesetzlich gesicherte Pressefreiheit in Gefahr sah, oder ein Alexander Gauland (AfD), der sich an einer unterstützenden Unterschriften-Aktion zur Solidarisierung mit der JF beteiligte. Schließlich sogar ein Helmut Markwort (Herausgeber des Nachrichtenmagazins Focus), der in den Äußerungen und Inhalten der JF keine rechtsextremen Tendenzen ausmachen könne.[4]
Der ehemalige Vorsitzende des Bund deutscher Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, und gleichzeitiges Gründungsmitglied der Alternative für Deutschland (AfD), schreibt ebenso regelmäßig seit 2010 in der JF. Auch er reiht sich ein in die Riege der „Elitenversteher“ und Kämpfer für die neoliberale, oft zitierte Freiheit. Und diese AfD ist scheinbar der Verbindungsknoten zwischen Teilen der Presse, von Journalisten und Publizisten als auch von rechten neoliberalen Befürwortern.
Denn in der AfD laufen noch ganz andere Fäden zusammen. Unter anderem befindet sich in dieser Partei ein gewisser Herr Roland Vaubel. Er ist nicht nur promovierter Ökonom und Mitglied in der AfD, Vaubel ist zudem noch Gelehrter am "Cato Institute", im wissenschaftlichem Beirat des "Institute of Economic Affairs" (IEA) in London, Professor an der University of Chicago und war bis ins Jahr 2000 Mitglied der "Mont Pèlerin Society" (MPS). Und als ob das noch nicht ausreichen würde, ist er auch noch Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, dem Urvater des neoliberalen Gedanken. Mehr Neoliberalismus geht nicht mehr.
Offensichtlich scheint die AfD sowieso ein Tummelplatz für Neoliberale mit rechtem Gedankengut zu sein. So findet sich in der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft nicht nur diese Stiftung als Unterstützer bei der Gründung der AfD (durch Hans-Olaf Henkel, Roland Vaubel, Alexander Gauland, Konrad Adam, Bernd Lucke und andere) wieder, sondern die sehr nahe "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) ebenfalls.
Einige der heute aktuellen Parteimitglieder der AfD schafften es sogar in die "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit" (FNF), dem neoliberalem Thinktank der FDP. Eine ehemalige Mitarbeiterin des weltweit tätigen Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs, und eine aus dem Adelsstand geborene. Die Rede ist von Alice Weidel und Beatrix von Storch. Letztere sorgte mit ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit sogar dafür, das über 50 Mitglieder der "Naumann-Stiftung für Freiheit" diese aus Protest verließen, darunter der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner und FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Nach einer öffentlichen Aufforderung der Stiftung an Beatrix von Storch, die Stiftung aus freien Stücken zu verlassen, ließ sie diese Bitte bis heute unbeantwortet und ist weiterhin Mitglied in diesem "erlesenen Kreis". Einen Wolfgang Gerhardt (FDP) scheint dieser Umstand in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzenden der "Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit" wohl absolut nicht zu interessieren.
Die rechts gefärbte und neoliberale Verpackung ist es, die diese Vernetzung so gefährlich macht. Es reicht also nicht mehr aus, wenn ein Friedrich August von Hayek früher schon versteckt bemerkte: "Es mag hart klingen, aber es ist wahrscheinlich im Interesse aller, das in einem freiheitlichen System die voll Erwerbstätigen oft schnell von einer vorübergehenden und nicht gefährlichen Erkrankung geheilt werden um den Preis einer gewissen Vernachlässigung der Alten und Sterbenskranken." [5] Das bedeutet so viel wie, arbeite und schufte bis an deine Grenzen, und dann falle ganz schnell tot um, damit du der Allgemeinheit nicht unnötig Geld kostest. Diese ganzen inhaltlichen Äußerungen geben ein Bild wieder, welches Verachtung und Unmenschlichkeit inne hat. (Massennutzmenschhaltung)
Man wird stark an das Gedankengut im Dritten Reich erinnert, nur das es sich damals um gewisse Bevölkerungsgruppen mit anderer ethnischer und religiöser Abstammung handelte. Heute geht es sogar noch eine Stufe perfider, indem die neoliberalen Lösungen und das Wunschdenken darin beheimatet sind, das unproduktives Menschenkapital keinerlei Bedeutung und Rechte besitzen. Alte, Schwache, Kranke und Untätige haben einfach keinerlei Rechte, sich in diesem System zu bewegen und erst Recht keine Stimme, die sie erheben dürfen.
Und um zum Abschluss noch dem Ganzen die Krone aufzusetzen, zitiere ich den neoliberalen Anarchokapitalisten Hans-Hermann Hoppe (Foto re.), der vom "Ludwig von Mises Institute" in Alabama als ausgezeichneter Anhänger gesehen wird, und in der politischen Monatsschrift „Eigentümlich Frei“ (EF), die von keinem geringeren als André F. Lichtschlag herausgegeben wird, als Autor oder als Interviewpartner regelmäßig mitwirkt.
Ein kleiner Kreis, der von der Grundidee des MPS Gründers Hayek lebt, durch das ehemalige MPS-Mitglied Roland Vaubel diese Agenda reformiert hat, und in rechtsextreme pseudoliberale Gedanken von Freiheit gesteckt hat, die unterschwellig den Wählern und Anhängern als "Alternative für Deutschland" vorgegaukelt wird. Denn es handelt sich hier nicht um eine Alternative, sondern um den gleichen neoliberalen Schmu, den große Teile der FPD, und kleinere Teile der CDU, CSU und SPD vertreten. Nur das die rechte Gesinnung dort nicht so ausgeprägt ist, wovon man die CSU-Vertreter wieder ausnehmen kann, denn unterschwellig schwingt dort ein ähnlicher Tonus mit wie in der AfD.
Hier nun das Abschluss-Zitat des Hans-Hermann Hoppe:
„In Demokratien kommt es zu einer höheren Zeitpräferenz der staatlichen Ausgaben, weil Legislaturperioden und wechselnde Machtverhältnisse die Regierungen dazu animieren, mehr Geld auszugeben, um ihre Ziele rechtzeitig umzusetzen und um wiedergewählt zu werden. Da Monarchen nicht unter diesem Druck stehen und ihr Land und ihre Menschen als Eigentum betrachten können, gingen Monarchen pfleglicher mit den knappen Ressourcen ihres Landes um.“ [6]
Eine Vision von einem starken Anführer, dessen Untertanen als Leibeigene anzusehen sind, die weder Mitsprache noch andere Rechte haben dürfen, außer ihrem „Besitzer“ seinen Reichtum zu erwirtschaften. Was für ein krankhaftes und asoziales Bild diese Vertreter hier abliefern, sollte spätestens jetzt den letzten überzeugten AfD-Wähler wach rütteln.
Christian Jakob
Lesetipp:
"Die offenen Feinde und ihre Gesellschaft - Eine hegemonietheoretische Studie zur Mont Pèlerin Society" v. Bernhard Walpen >> PDF-Anhang weiter unten.
► Quellenangaben:
[1] Konrad Adam in DIE WELT (20.05.2006)
[2] André F. Lichtschlag in DIE WELT (19.09.2006)
[3] Ulf Poschardt bei Maybrit Illner – Thema: „Ehrlich, fleißig, trotzdem arm“ (15.02.2007)
[4] Helmut Markwort auf www.hagalil.com – Junge Freiheit „Freie Rechtsschreibung“ (06.07.2005)
[5] Friedrich A. von Hayek in „Die Verfassung der Freiheit“, Tübingen (1983 – Seite 397) >> Inhaltsverzeichnis.
[6] Hans-Hermann Hoppe in seinem Buch „Demokratie, der Gott der keiner ist“ (2003 - Vorwort) >> Vertonung Teil 1 >> Teil 2.
► Bild- und Grafikquellen:
1. GEGEN #LIBERALPOPULISMUS. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).
2. GEGEN #RECHTSPOPULISMUS. Grafik: Wilfried Kahrs (WiKa).
3. Marc Daniel Cohn-Bendit (* 4. April 1945 in Montauban, Tarn-et-Garonne, Frankreich). "Cohn-Bendit und die anderen linksliberalen Verharmloser des Neokapitalismus sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Die Verbrechen des Neoliberalismus und die Folgen eines fehlgeleiteten Finanzkapitalismus scheinen für den ehemals „roten Daniel“ dagegen lässliche Sünden zu sein. Derartige linksliberale Intellektuelle sind Steigbügelhalter des Neoliberalismus, profane Schwätzer ohne Anspruch und ohne Rückgrat, die es sich im linksliberalen Establishment bequem gemacht haben und meilenweit von der Lebenswirklichkeit ihrer Mitmenschen entfernt haben. Wer echte Intellektuelle sucht, muss da schon über den deutschen Tellerrand hinausblicken." (Jens Berger, NDS) Foto: Mathieu Delmestre. Quelle: Flickr Account der Parti socialiste. Dort ist es unter CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0) freigegeben.
4. Alexander Gauland und Beatrix von Storch beim Wahlkampfauftakt der Alternative für Deutschland in Charlottenburg Wilmersdorf, Juli 2017. Seit Oktober 2017 ist Beatrix von Storch eine von vier stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion. Am 2. Dezember 2017 wurde Gauland auf dem Parteitag in Hannover zusätzlich zum zweiten gleichberechtigten Bundessprecher der AfD neben Jörg Meuthen gewählt. Foto: AK. Quelle: Flickr-Account von Nicolaus Fest. >> Flickr. Dort wurde es unter CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0) veröffentlicht.
5. Hans-Hermann Hoppe (* 2. September 1949 in Peine) ist Volkswirt der Österreichischen Schule. Er sieht sich als kulturell konservativer Libertärer (Paläolibertärer) und als Vertreter des Anarchokapitalismus. Das Foto zeigt Hoppe während einer Veranstaltung in New York, 7. Oktober 2017. Foto / Urheber: Gage Skidmore. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.
Konrad Adam als Prototyp des charakterlosen Neoliberalen?
"Jeder von ihnen könnte und sollte jeden Arbeitslosen, jeden Rentner und jeden Studenten danach fragen, mit welchem Recht er davon ausgeht, dass er (der Staat) ihm den Lebensunterhalt, die Rente oder das Studium bezahlt." - Konrad Adam
Jenseits der Empörung wäre diesem Typ Folgendes in der Sache entgegen zu halten:
1. Mit welchem Recht unterstellt er pauschal diesen Menschen, dass jene von Vorgenanntem ausgehen?
2. Zur Finanzierung eines Studiums zählen nicht nur die direkten Kosten für die Bildung, sondern auch die indirekten des Lebensunterhalts. Letzteres wird durch den Staat nur unter gewissen Umständen in Form von BAföG, welches auch nach zurück gezahlt werden muss, „bezahlt“. Außerdem werden in vielen Bundesländern Studiengebühren erhoben. Eingedenk dieser Sachverhalte erwartet gar nicht jeder Student, dass „der Staat das Studium bezahlt“. Mit anderen Worten: Adams Implikation, ist in mind. doppelter Hinsicht schlicht weg falsch (und als Desinformation zurück zu weisen): Weder bezahlt der Staat allen Studenten das Studium, noch erwarten allen ebenjene dies.
3. Warum bezieht Adam neben den Studenten nicht auch normale Schüler ein und erhebt die Forderung, diese zu fragen, mit welchem Recht diese davon ausgehen, dass der Staat die Schule bezahlt? Weil dann vollends die Absurdität von Adams kruder Haltung zutage treten würde?
4. Die allermeisten Arbeitslosen haben sich durch entsprechende Abgaben zur Arbeitslosenversicherung eine entsprechende sog. „Anwartschaft“ erworben.
5. Fast alle Rentner haben sich durch jahrzehntelange Abgaben zur Rentenversicherung eine entsprechende sog. „Anwartschaft“ erworben.
6. Das meiste davon wird in Gesetzeswerken wie z.B. dem SGB geregelt, was ggf. (z.B. Punkte 4 und 5) die Frage nach dem Recht beantwortet.
Womit sich an Adam folgende Gegenfragen ergeben:
• Wie kann es sein, dass ein Journalist, also jene Gattung Mensch, die sich i.A. für besser informiert hält, insbesondere dann, wenn diese in den sog. „Qualitätsmedien“ arbeiten (/propagandieren), bei den vorgenannten Sachverhalten durch peinliche Unwissenheit glänzt?
• Welchem anderen Umstand jenseits grober Inkompetenz könnte Adams Versagen geschuldet sein?
• Oder ist sich Konrad Adam sehr wohl der o.g. Sachverhalte bewusst, aber seine täuschende, an Desinformation grenzende Scheinfrage ist Ausdruck purer Verlogenheit, Hetze, ideologischer Verblendung und/oder dem charakterlosen [neoliberalen] Ansinnen weiteren Sozialstaatabbaus?
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