Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Was ist die Wurzel des Übels?

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Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Was ist die Wurzel des Übels?
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Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen

Was ist die Wurzel des Übels?

von Claus Schreer / isw München

► Was sind die Voraussetzungen für eine soziale Wohnungspolitik?

Solange Wohnungen als Ware gehandelt und zum Zwecke des Profits gebaut werden, wird es keine sozialen und für die Mehrheit der Bevölkerung erträglichen Mieten geben. Die Rendite, die von Wohnungseigentümern, den Investoren und Banken beansprucht wird, verhindert das.

Private Investoren bauen Wohnungen nur dann, wenn sie für ihr investiertes Kapital mindestens die marktübliche Rendite erzielen – ohne Aussicht auf Rendite werden auch keine Wohnungen gebaut. Bereits eine Rendite – oder die Verzinsung von 4 % auf das in eine Neubauwohnung investierte Kapital (bei Baukosten von 1500,- Euro und Grundstückskosten von 700,- Euro pro qm Wohnfläche) führt zu einer Mietbelastung von 7,30 Euro pro qm monatlich. Dazu kommen noch die anfallenden Kosten von ca. 5 Euro, dann liegt die Miete schon bei 12,30 Euro pro qm.

Tatsächlich entscheiden aber Angebot und Nachfrage über den Mietpreis. Dort wo das Wohnungsangebot knapp ist, wie in München, sind die Mieten wesentlich höher. Und die geltenden Mietgesetze garantieren immer weiter steigende Mieten. Um die Mieter wenigstens vor den schlimmsten Auswirkungen dieser Wohnungsmarktwirtschaft zu schützen, sieht sich der Staat seit jeher dazu gezwungen – mit Mietpreis regulierenden Maßnahmen einzugreifen.

Die geltenden Mietgesetze verhindern jedoch bestenfalls einen Teil der Wuchermieten. Sie erlauben Mietpreissteigerungen von 20% und in Großstädten wie München Erhöhungen von 15% innerhalb von drei Jahren. Die sogenannte „Ortsübliche Vergleichsmiete“ und die kommunalen Mietspiegel orientieren sich an den teuersten Mieten, den Neuvermietungen, bei denen die Eigentümer 10% mehr verlangen dürfen als die Mieten im Mietspiegel. Das ist alles andere als eine „Mietpreisbremse“.

Das Hauptinstrument – um die teuren Mieten erträglicher zu machen – ist seit Jahrzehnten das Wohngeld – sozusagen das Paradestück der sozialen Marktwirtschaft, eine staatliche Subvention, die die Mieten nicht senkt, sondern weitere Mietpreissteigerungen ermöglicht. Die steigenden Mieten haben immer höhere Wohngeldzahlungen und höhere Ausgaben für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und für Sozialhilfe-Empfänger zur Folge.

Dafür wurden 2012 die astronomische Summe von 17 Mrd. Euro ausgegeben. Inzwischen dürfte diese Summe noch weit höher liegen. In der Praxis fließen diese Milliarden in die Taschen derjenigen, die das Problem verursacht haben – an die privaten Hauseigentümer und Immobilienspekulanten.

Das Problem der steigenden Mietpreise wird auf diese Weise natürlich nicht gelöst.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine soziale Wohnungs-und Mietenpolitik sind

1. eine gesetzliche Begrenzung der Mietpreise

2. ein Sozialer Wohnungsbau der diesen Namen wirklich verdient

3. die Überführung des privaten Grundbesitzes in gesellschaftliches Eigentum.

► Begrenzung der Mietpreise

Dreh- und Angelpunkt einer sozialen Wohnungspolitik ist die gesetzliche Begrenzung der Mietpreise und als erster Schritt zur Verhinderung weiterer Mieterhöhungen ein gesetzlicher Mietpreisstopp. Das würde bedeuten, dass alle Mietpreise auf dem derzeitigen Stand eingefroren werden und keinerlei Mieterhöhungen mehr vorgenommen werden dürfen – weder bei bestehenden Mietverhältnissen, noch bei Neuvermietungen. Das könnte sofort geschehen. Den Mietspiegel braucht es dann nicht mehr.

Etwas komplizierter ist es, mit gesetzlichen Regelungen, um die teuren Mieten zu senken oder sogar auf die tatsächlichen Kosten zu begrenzen.

Was sind die tatsächlichen Kosten?

Zur Kosten deckenden Miete gehören:

1. Die Betriebskosten – sind die Kosten für den Unterhalt der Wohnung. Sie liegen in München – laut Mietspiegel 2017 –bei 1,45 EUR pro qm. Dazu gehören Wasser, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Grundsteuer, Versicherung, Hausmeister, Heizungswartung und Reparaturen.

2. Die Instandhaltungskosten von 1,25 EUR entspreche 1% der Gebäude Herstellungskosten + sind eher großzügig kalkuliert.

3. Der Betrag Mietausfallwagnis – dient als Absicherung, falls die Wohnung bei einem Mieterwechsel mal kurzzeitig leer steht. Hinzu gerechnet ist hier auch noch

4. die Gebäudeabschreibung mit 2. 50 EUR pro qm. Das sind 2% der Baukosten von ca. 1500 EUR pro qm – und entspricht der steuerlichen Abschreibung von Wohngebäuden. Damit ersetzt der Mieter die Herstellungskosten der Wohnung innerhalb von 50 Jahren.

Die kostendeckende Kaltmiete liegt also bei 5,30 EUR pro qm monatlich. Alles, was darüber hinaus von den Mietern bezahlt wird, ist Profit der Eigentümer oder Profit der Banken. Bei 15,– Euro Kaltmiete z. B. sind das 7,70 Euro pro qm.

Ein Mietpreisstopp und schließlich die Begrenzung der Miethöhe wäre nicht nur die entscheidende Barriere gegen die weitere Mietpreisexplosion, sondern auch eine wirksame Waffe gegen Grundstücks- Wohnungsspekulation. Auch der Umwandlungsspekulation wäre quasi der Boden entzogen. Und – wenn die Mieten nicht weiter steigen, entfällt auch eine der wesentlichen Triebfedern für Explosion der Grundstückspreise.

► Sozialer Wohnungsbau

Wenn die Mieter nicht auf Gedeih und Verderb den Profitinteressen privater Investoren ausgeliefert sein sollen, dann braucht es eine Alternative, und zwar einen Sozialen Wohnungsbau, der diesen Namen wirklich verdient. Die oft gut gemeinten Forderungen, der Aufstockung öffentlicher Mittel für den „Sozialen Wohnungsbau“ macht wenig Sinn, denn das bisherige Modell hat seine Untauglichkeit hinreichend bewiesen.

Dieser „Soziale Wohnungsbau“ hat weder zu dauerhaft preiswerten Sozialmieten geführt, noch dazu, dass die mit hohen staatlichen Subventionen entstandenen Wohnungen als mietpreisgebundener Bestand erhalten geblieben sind. Beides war von allen bisher regierenden Parteien nicht gewollt.

Die Zahl der geförderten Wohnungen ist – wie man hier an der roten Kurve sehen kann – dramatisch geschrumpft – von rund 300 000 Wohnungen Mitte der 1950iger Jahre auf nur noch 22 000 Wohnungen im Jahr 2011. Davon waren gerade einmal 12 000 Sozial-Mietwohnungen[1]. Von den ehemals mehr als 6 Millionen Sozialwohnungen im Westen der Bundesrepublik sind durch den Wegfall der Preisbindungen und den massenhaften Verkauf kommunaler Wohnungsbestände heute höchstens noch 1,5 Millionen übriggeblieben.

Sozialen Wohnungsbau mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten – kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben. Das heißt, dass der Soziale Wohnungsbau vollständig aus staatlichen Mitteln finanziert und ausschließlich mit gemeinnützigen oder genossenschaftlichen Trägern verwirklicht werden muss. Nur ein auf diese Weise entstehender und wachsender gemeinwirtschaftlicher Wohnungssektor, der von den Mietern demokratisch verwaltet wird, böte die Möglichkeit für ein dauerhaftes soziales Wohnungswesen.

Die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften machen das vor, dass sozial tragbare Mieten möglich sind. Leider verfügen sie nur über einen kleinen Bruchteil des Wohnungsbestandes. Sie machen aber, trotz der relativ günstigen Mieten, Gewinne. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG hat z. B. im Jahr 2012 rund 20 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet.

Die Behauptung, dass der Wohnungsbau nur über den privaten Kapitalmarkt finanziert werden kann, ist uralt – aber ein Märchen. Denn seit jeher wird auch der sogenannte „freifinanzierte Wohnungsbau“ einschließlich aller Luxusimmobilien, Zweit- und Drittwohnungen, vom Staat großzügig mitfinanziert. Die staatlichen Steuer-Subventionen, für private Eigentümer und die großen Wohnungsunternehmen sind sogar wesentlich höher als die tatsächlichen Herstellungskosten.

Der Grund sind die hohen Abschreibungsmöglichkeiten der Baukosten und die Abschreibung der an die Banken zu zahlenden Zinsen. Die Steuersubventionen können nicht nur für die Investoren, die die Wohnungen bauen in Anspruch genommen werden. Bei einem Weiterverkauf der Wohnungen beginnt sich das Steuersparkarussell erneut zu drehen, aber jetzt – weil das Objekt, inzwischen wesentlich teurer ist – mit noch höheren Steuersubventionen. Das Ergebnis ist, dass der Staat im Laufe der Jahre die ursprünglichen Baukosten doppelt oder dreifach finanziert. Hunderte Milliarden sind auf diese Weise an private Bauinvestoren gezahlt worden, ohne dass dadurch bezahlbare Wohnungen entstanden sind.

Nehmen wir an, stattdessen hätte der Staat – wie in den 1950er und 60iger Jahren – auch weiterhin jährlich rund 250. 000 Wohnungen errichtet, und keine dieser Wohnungen hätte ihre Sozialbindung „verloren“, dann gäbe es heute – zusammen mit den 4 Millionen kommunalen Wohnungen aus der DDR mehr als 20 Millionen Sozialwohnungen.

Aus den Mieteinnahmen dieser Wohnungen könnten – bei einem Aufschlag auf die Kostenmiete von 1,– EUR pro qm monatlich – jährlich rund 20 Mrd. EUR in einen staatlichen Wohnungsfonds fließen. Hinzu kämen die Einsparungen eines großen Teils der 17 Milliarden Euro, die derzeit für Wohngeldzahlungen und die Finanzierung der Unterkunft bei Hartz IV-Empfängern und für die Grundsicherung ausgegeben werden.

Aus diesem öffentlichen Wohnungsfonds von mehr als 20 Milliarden hätte man jährlich rund 200 000 neue Wohnungen mit dauerhaft sozialen Mieten bauen können. Die 20 Milliarden stehen allerdings nicht mehr zur Verfügung. Sie wurden verschleudert. Die Konsequenz müsste sein, wenigstens jetzt mit einem groß angelegten Sozialwohnungsbau-Bauprogramm zu beginnen, statt die Wohnungsbau-Konzerne und die Reichen weiterhin zu füttern.

► Grundeigentum in gesellschaftliches Eigentum

Grund und Boden müssen der privaten Verfügungsgewalt entzogen werden. Auf Dauer führt kein Weg daran vorbei. Die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen ist dabei nur eines von vielen Problemen, die eine grundlegende Änderung des Bodenrechts erforderlich machen.

Der entscheidende Punkt ist, dass unter Beibehaltung des kapitalistischen Bodeneigentums und seiner Verwertungslogik, eine an den Bedürfnissen der Allgemeinheit, an ökologischen Erfordernissen und Zukunftsperspek­tiven ausgerichtete Stadtplanung und Stadtentwicklung verhindert wird.

Häufig werden in der politischen Auseinandersetzung die hohen Grundstückspreise für die Mietpreisexplosion verantwortlich gemacht.

Tatsächlich verhält es sich genau umgekehrt.

Die Rendite, die auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche erzielt werden kann, bestimmt den Wert des Grundstücks – denn der Wert des Bodens ergibt sich aus seiner Nutzung aus den Möglichkeiten seiner profitablen Verwertung und aus seiner Monopolstellung, insbesondere in den Ballungsgebieten, wo Baugrundstücke besonders knapp sind.

Ein Waldgrundstück z. B. oder Ackerbauland wirft selbst bei intensivster Nutzung weniger ab, als ein städtisches Baugrundstück oder eines, auf dem Bodenschätze gefördert werden.

Der karge Felsboden einer Mittelmeerinsel wirft gar keine Rendite ab, das Grundstück am Meer oder im touristischen Zentrum der Insel kann aber sehr hohe Einnahmen bringen.
    
Das gleiche gilt für Grundstücke in großen Städten Auf Grund des Wachstums der Städte, der Ansiedlung großer Unternehmen herrscht hier eine ständige Übernachfrage nach Grundstücken für gewerbliche Nutzung und für Wohnungen.

Innerhalb der Städte schaffen die Kommunen durch Investitionen in die Infrastruktur Lagevorteile für diejenigen, die dort den Boden besitzen, mit der Folge, dass hohe Mieten durchgesetzt werden können. Der Bodenpreis, der für ein Grundstück bezahlt werden muss, richtet sich danach, wie hoch die Rendite ist, die auf dem Grundstück zu erwarten ist. Und je höher die Mieten, desto höher ist auch der Bodenpreis. Der Kauf- oder Verkaufspreis, der für ein Grundstück bezahlt werden muss, ist also nicht der Preis für den Boden, sondern der Kauf der Rendite auf dem betreffenden Grundstück.

Karl Marx schrieb: Der Preis des Bodens ist „der Kaufpreis, nicht des Bodens, sondern der Grundrente, die er abwirft“. Richtig ist natürlich: Auf teuren Grundstücken, die oft noch höher sind als Baukosten, kann kein sozialer und genossenschaftlicher Wohnungsbau mit preiswerten Mieten entstehen. Ohne gravierende Eingriffe in die Rechte der Bodeneigentümer ist deshalb auch keine soziale Wohnungspolitik möglich.

Wie schon in den 1970iger Jahren wird heute wieder die Besteuerung oder Abschöpfung der Bodenwertsteigerungen gefordert. 1971 wurde in München unter Vorsitz des damaligen SPD-Oberbürgermeisters Hans-Jochen Vogel eine Bodenkommission ins Leben gerufen. Am 8. März 1972 forderte die Vollversammlung des Münchner Stadtrats schließlich eine rasche und durchgreifende Reform des Bodenrechts. Ausdrücklich wurde jedoch betont, dass nicht das Ziel verfolgt werde, Grund und Boden in Gemeineigentum zu überführen.

Wörtlich hieß es:

Da die hohen Bodenpreissteigerungen Resultat und Produkt des Bodenmarktes sind, liegt es natürlich nahe, die Lösung des Problems darin zu suchen, dass Grund und Boden aus der Marktwirtschaft herausgenommen und zumindest in den Gebieten, in denen die Missstände besonders krass sind, in Gemeineigentum überführt werden.

Zweifellos würde ein solcher Schritt auch umfassende Möglichkeiten für eine Verbesserung der Bodenordnung und eine sozialere und gerechtere Verteilung von Boden und Bodennutzung eröffnen. Indessen wären mit der Aufhebung der Marktwirtschaft auf dem Bodensektor gleichzeitig auch außerordentlich weitgehende und tiefgreifende, in ihrer Tragweite schwer absehbare Rückwirkungen in anderen Bereichen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verbunden.

Es gehe es deshalb nicht um eine prinzipielle Änderung des Bodenrechts, sondern darum, die Auswüchse dieses Systems zu korrigieren und es wieder funktionstüchtig zu gestalten. Geschehen ist seither nichts. Die Grundstückspreise sind weiter explodiert. Eine Besteuerung oder die Abschöpfung der Bodenwertsteigerungen würde auch nicht funktionieren.

Beispiel 1

Die durchschnittlichen Preise für Agrarland liegen zwischen 1,00 Euro (in Thüringen) und 5,20 Euro (in Bayern). Jetzt werden z. B. von der Gemeinde Bad Tölz 10 000 Hektar bisheriges Agrarland als Bauland ausgewiesen. Von heute auf morgen steigen die Grundstückspreise auf dieser Fläche von 5,– EUR auf z. B. 500,– Euro. Wenn die Gemeinde die Wertsteigerung – 495,– Euro abschöpft, wieso sollte der Bauer das Grundstück verkaufen?

Er wird entweder einen Hypotheken-Kredit aufnehmen und selber bauen oder sich mit einem Investor zusammentun und sich mit seinem teuren Grundstück an dem Bauprojekt beteiligen. Die Wertsteigerung findet dann erst beim Verkauf oder der Vermietung der zukünftigen Wohnungen statt, z. B. bei einer Miete von 16,– Euro pro qm. Was soll davon abgeschöpft werden? 5 Euro der 10 Euro? Was aber haben die Mieter davon?

Beispiel 2

Das Paulaner-Gelände am Nockherberg. Auf dem bisherigen Gewerbegebiet werden jetzt Wohnungen errichtet. Im Zentrum Münchens ist das eine Goldgrube. Der Schöghuber-Konzern hat aber das Brauereigelände nicht verkauft. Eine Bodenwertsteigerung hätte man gar nicht abschöpfen können. Stattdessen werden die Wohnungen von der zum Konzern gehörenden „Bayerischen Hausbau“ errichtet. Wer hier eine Wohnung kauft, zahlt zwischen 10.000 und 17.000 Euro pro qm. Wer sich das leisten kann, würde sicher auch noch die Wertzuwachs-Steuer bezahlen, die der Konzern auf die Käufer umlegt. Bezahlbare Mieten wird es dann immer noch nicht geben.

Grund und Boden aus dem Warenkatalog kapitalistischer Verwertung zu streichen und in Gemeineigentum zu überführen und damit der Grundstücks-Spekulation ein Ende zu bereiten, muss deshalb weiterhin unsere zentrale Forderung sein.

Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so überholt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen Menschen“ ~ Karl Marx

► Fazit

Das kapitalistische Bodeneigentums und seine Verwertungslogik führt zu gravierendsten Fehlentwicklungen

zur Überkonzentration von Industrie, Handel und Gewerbe in den Ballungszentren;

zur Entvölkerung der Innenstädte und stattdessen eine Konzentration von Banken, Büros, Verwaltung, Kaufhäusern und Vergnügungsbetrieben;

zu einer auf die Zentren ausgerichtete Verkehrsplanung mit überdimensionierten Straßen, die aber doch nicht verhindert, dass die Städte im Verkehr ersticken;

zur Verdrängung der Wohnbevölkerung in Trabantenschlafstädte und in die Region; die immer größere räumliche Trennung von Arbeit, Wohnen und Erholung, verbunden mit immer weiteren Wegen und dadurch immer mehr Verkehr;

zur Einfamilienhauszersiedelung u. der zunehmenden Entvölkerung ländlicher Gebiete, die größtenteils mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend erschlossen sind.

Nach dem Buchstaben des Gesetzes haben zwar die Städte und Kommunen die vollständige Planungshoheit – die Realität aber sieht anders aus. Laut Bundesbau-Gesetzbuch sollen die Kommunen „eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten“. Sie entscheiden über die Flächennutzung aller unbebauten Grundstücke.

In Bebauungsplänen können Ausmaß und Art der baulichen Nutzung festgelegt werden, z. B. welche Grundstücke für den Gemeinbedarf – für Schulen, Grünflächen oder die Verkehrserschließung – benötigt werden.

Die Kommune kann Gewerbegebiete und Gebiete für den Bau von Wohnungen ausweisen und dabei auch den Anteil für den Sozialen Wohnungsbau festlegen.

Die Kommunen können Erhaltungssatzungen erlassen und Sanierungsgebiete bestimmen, sie können den Abriss erhaltenswerter Gebäude verbieten, Modernisierungs- und Instandsetzungsgebote erlassen.

Die Kommunen haben ein Vorkaufsrecht für alle unbebauten Grundstücke – ebenso in Sanierungs- oder Erhaltungssatzungsgebieten.

Die Kommunen haben notfalls auch das Recht auf Enteignung – allerdings: Sie sind auch entschädigungspflichtig – und da liegt das Problem. Denn die Kommunen haben gar nicht das nötige Geld, um von ihren Rechten im notwendigen Umfang Gebrauch zu machen.

Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts oder bei Enteignungen muss in der Regel der Verkehrswert – d. h. der gerade übliche Marktpreis, oder besser gesagt, der Spekulationspreis – bezahlt werden. Das gleiche gilt auch für den Ankauf von Grundstücken, wenn z. B. Schulen, Kindergärten u. ä. gebraucht werden. In der Realität steht also die Planungshoheit der Kommunen nur auf dem Papier.

Dort, wo die kommunalen Rechte in die Praxis umgesetzt werden sollen, um eine „dem Wohl der Allgemeinheit dienende Bodennutzung zu gewährleisten“, müssen Millionen an Bodenspekulanten bezahlt werden.

Ein Beispiel dafür: Im Jahr 1970 musste die Landeshauptstadt München für ein Grundstück, das als Grünfläche mit Kinderspielplatz ausgewiesen wurde, 11,5 Mio. DM an eine Bauträgergesellschaft zahlen, die dieses Areal selbst wenige Jahre vorher für 2,1 Millionen DM erworben hatte.

Die Planungs- und Eingriffsrechte der Kommunen – das ist die Realität – scheitern an den als unantastbar geltenden Eigentumsrechten der Bodenbesitzer und an den Kapitalverwertungsinteressen der Bauinvestoren. Nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist es daher, dass Bebauungspläne direkt mit den Grundeigentümern und Bauinvestoren ausgehandelt werden und dabei eine möglichst profitable Nutzung der Grundstücke gewährleistet wird.

Das Ausmaß der Fehlentwicklungen und Zerstörungen wird dadurch immer weniger korrigierbar: Diese Entwicklung wird – wenn sie nicht gestoppt wird – noch weit größere Probleme hervorrufen als das heute schon der Fall ist.

Claus Schreer

[1] Mietenbericht der Bundesregierung 1998, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR – 2012, EBZ – Business School, Febr. 2012


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»Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Was ist die Wurzel des Übels?« von Claus Schreer, 25. September 2018 >> weiter.

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»Wohnverhältnisse in Deutschland: Mietbelastung, soziale Ungleichheit und Armut« von Sozialverband Deutschl. (SoVD), August 2018 >> weiter. (PDF)

»Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? Die soziale Versorgungslücke nach Einkommen und Wohnungsgröße« von Hans-Böckler-Stiftung, April 2018 >> weiter. (PDF)

»In Deutschlands Großstädten fehlen fast 2 Mio. bezahlbare Wohnungen.« von Hans-Böckler-Stiftung, 15. April 2018 >> weiter.

»Wohnen ist Menschenrecht für alle!« von Bündnis „AufRecht bestehen“, 12. März 2018 >> weiter.

»Feuchte Wände, kalte Wohnung, kein Auto. Wie sich Einkommensarmut im Alltag auswirken kann« von Laurenz Nurk, 2. Dezember 2017 >> weiter.

»Wohnen als Anlageobjekt, Zwangsräumung als Marktregulierung. Staatliches Hilfesystem funktioniert nicht mehr« von Laurenz Nurk, 29. Mai 2017 >> weiter.

»Wohnungsnot und Mieten: Pfusch am Bau« von Charles Pauli, 31. Oktober 2016 >> weiter.


► Quelle: Erstveröffentlicht am 23. September 2018 bei isw-München >> Artikel. Die Bilder und Grafiken sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..

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1. Trabantenschlafstädte: Das kapitalistische Bodeneigentums und seine Verwertungslogik führt zu gravierendsten Fehlentwicklungen, u. A. zur Verdrängung der Wohnbevölkerung in Trabantenschlafstädte und in die Region, die immer größere räumliche Trennung von Arbeit, Wohnen und Erholung, verbunden mit immer weiteren Wegen und dadurch immer mehr Verkehr.

Trabantenstädte (auch Trabantensiedlung) sind Vororte einer größeren Stadt, die aber im Gegensatz zur Satellitenstadt nicht eigenständig sind, sondern hauptsächlich aus Wohngebieten für Pendler bestehen und sich durch eine geringe Arbeitsplatzdichte auszeichnen. Sie besitzen wenig eigene Infrastruktur, die sich auf rudimentäre eigene Funktionen beschränkt, etwa auf Einzelhandelsgeschäfte des täglichen Bedarfs und Schulen. Trabantenstädte sind eine neuzeitliche Erscheinung. Sie werden gebaut, um den Wohnraumbedarf für die Kernstadt decken zu können. Gleiches gilt auch für die Schlafstadt, die aber im Gegensatz zu den beiden anderen Stadttypen nicht zwingend Resultat einer geplanten Entwicklung ist. (Text: Wikipedia)

Foto: web3525. Quelle: Pixabay. Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0. Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild.

2. Mieterdemo - Protestler mit Schild: "Enteignung ist die halbe Miete!" - Kotti & Co / Mietenprotest Berlin Kreuzberg, Mai 2017. Foto: some human. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

3. Mieterdemo - Protestler mit Schild: "DENN DIE HÄUSER GEHÖREN UNS!" - Kotti & Co / Mietenprotest Berlin Kreuzberg, Mai 2017. Foto: some human. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

4. Hausabriss.  Von den ehemals mehr als 6 Millionen Sozialwohnungen im Westen der Bundesrepublik sind durch den Wegfall der Preisbindungen und den massenhaften Verkauf kommunaler Wohnungsbestände heute höchstens noch 1,5 Millionen übriggeblieben. Foto: jorghertle / Jörg Hertle, Stuttgart. Quelle: Pixabay. Alle bereitgestellten Bilder und Videos auf Pixabay sind gemeinfrei (Public Domain) entsprechend der Verzichtserklärung Creative Commons CC0. Das Bild unterliegt damit keinem Kopierrecht und kann - verändert oder unverändert - kostenlos für kommerzielle und nicht kommerzielle Anwendungen in digitaler oder gedruckter Form ohne Bildnachweis oder Quellenangabe verwendet werden. >> Bild.

5. Neubau-Quartier an der Hochäckerstraße in Perlach. Urheber: Roland Weegen >> roland-weegen.de/. Quelle: https://www.gewofag.de Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

6. Mieterdemo / Mieterprotest 2018: "Wir lassen uns nicht Luxussanieren!!!". Foto: aktion-freiheitstattangst.org. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

7. VERDRÄNGUNG hat viele Varianten - Wir bekämpfen sie alle! Gemeinsam und solidarisch. MIETENmove! Demonstration für eine solidarische und soziale Wohnraumpolitik, Hamburg, 02. Juni 2018, Spielbudenplatz. Foto: Rasande Tyskar. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

Seit mehr als sieben Jahren regiert in Hamburg die SPD. Seitdem wird so viel gebaut wie schon lange nicht mehr. Noch stärker als Wohnungsbauzahlen ziehen jedoch die Mietpreise an. Inzwischen kostet der Quadratmeterpreis für Wohnungssuchende durchschnittlich mehr als 13 Euro netto kalt. Der Mietenwahnsinn in Hamburg nimmt dramatische Formen an. Daran hat auch die grüne Regierungsbeteiligung seit 2015 nichts verändert.

Das bedingungslose Vertrauen des Senats in den Markt hat sich als falsch erwiesen. Auch die vor drei Jahren eingeführte Mietpreisbremse ist nicht mehr als ein zahnloser Tiger. In St. Georg, auf St. Pauli oder auch in der Neustadt sind Quadratmeterpreise bei Neuvermietung von weit mehr als 20 Euro die Regel und längst nicht mehr eine Ausnahme. Die Wohnungspolitik in Hamburg hat viel zu lange auf investitionsfreudige Baufirmen gesetzt. Was wir jetzt brauchen, ist eine Wende in der Wohnungspolitik: Weg von einem profitorientierten Wohnungsmarkt hin zu einer solidarischen Stadt- und Wohnraumpolitik im Interesse von Hamburgs Bewohner*innen.

Gebetsmühlenartig verweist die Politik auf den so genannten Sickereffekt: Mieter*innen der Neubauwohnungen würden günstige Wohnungen frei machen. Davon wiederum würden Geringverdiener*innen profitieren. Ein fataler Trugschluss. Gerade in den ehemals günstigen Segmenten schnellen die Mietpreise bei Weitervermietungen unaufhaltsam in die Höhe. Das Einzige, was da sickert, ist Wasser – und zwar durch die Decke der Buden, die Abzock-Vermieter*innen Menschen zu übertriebenen Preisen anbieten, die ohnehin schon als Arbeitsmigrant*innen ausgebeutet werden. Das Wort Instandhaltung kennen solche Eigentümer*innen nicht. Wohl auch deswegen, weil die Stadt es jahrelang versäumt hat, Druck auf sie auszuüben.

Stattdessen regierte ein Bürgermeister, der von Olympia träumte und am Ende den G20- Gipfel in die Stadt holte. Und es herrscht weiterhin eine Politik, die Großevent nach Großevent in die Stadt lockt, aber die Kontrolle illegaler Ferienwohnungen vernachlässigt. Eine Politik, die sich längst nicht mehr an den hier lebenden Menschen orientiert, sondern lieber eine zahlungskräftige Klientel nach Hamburg locken will.

Aus dem Blick geraten dabei diejenigen, die sich Hamburg jetzt schon fast nicht mehr leisten können. Mehr als 30.000 Geflüchtete und Wohnungslose leben über viele Jahre ohne jegliche Rückzugsmöglichkeiten in eigentlich nur zur temporären Unterbringung gedachten Camps und Wohnunterkünften. Auch deswegen, weil schlichtweg viel zu wenige günstige Wohnungen entstehen. Nicht einmal der Drittelmix – die selbstgesteckte Vorgabe für den Sozialwohnungsbau – wird konsequent umgesetzt. Die Wohnungssuche ist für Leistungsbezieher*innen und andere Geringverdiener*innen längst zum nicht enden wollenden Albtraum geworden.

Sie und alle anderen Hamburger*innen brauchen menschenwürdige Wohnungen. Der Platz ist da. Wir sagen: Kein Quadratmeter dem Leerstand – egal ob Wohn- oder Gewerberaum! Auch der Ausverkauf städtischer Flächen an Investor*innen muss beendet werden. Wir fordern eine soziale Bodenpolitik. Die Stadt muss von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen und darf ihre Grundstücke nur noch nach Erbbaurecht vergeben! Auf diese Weise kann der Bau von Wohnungen an Bedingungen geknüpft werden, die steigende Mieten verhindern. Die Bindungen für Sozialwohnungen wiederum dürfen nicht länger zeitlich befristet sein. Alternative Wohnformen wie Wohnprojekte oder auch Bauwagenplätze müssen möglich und finanzierbar sein. Sie verdienen Unterstützung. Gemeinwohlorientierte Modelle wie Genossenschaften und Stiftungen müssen gestärkt werden. Und: Die Saga darf keine Mieten mehr anheben. Warum auch? Schon jetzt führt das städtische Unternehmen Jahr für Jahr mehr als 100 Millionen Euro aus Mietengewinnen an den Senat ab.

Es steht außer Frage: Stadt verändert sich. Aber der Wandel darf nicht zu Verdrängung führen. Und der Erhalt Hamburger Baudenkmäler darf nicht mehr an wirtschaftliche Kriterien geknüpft werden. Vielmehr sollte auch in den Blick genommen werden, wie durch den Erhalt alter Substanz die Umwelt geschont und im Endeffekt auch Kosten eingespart werden.

Längst geht es nicht mehr nur ums Wohnen. Die Folgen von steigenden Mieten sind auch im Gewerbe dramatisch. Das Kleingewerbe sowie soziale und kulturelle Einrichtungen gehören zum städtischen Raum und müssen bewahrt und gestärkt werden. Die Debatte darum, was zu Hamburg gehört und was die Hamburger*innen brauchen, muss offen und transparent geführt werden.

Es ist unsere Stadt! Und es muss etwas passieren! Wir wollen, dass die Politik aufhört, auf den Zuzug von Besserverdienenden und die Steigerung der Attraktivität für Tourist*innen zu schielen. Wir machen Druck für eine soziale Politik!

Wir wollen, dass kleinteiliges Gewerbe für den Bedarf von Anwohner*innen bewahrt wird.

Wir wollen ein Zeichen setzen für eine Wohnraumpolitik, die endlich aufhört, sich an den Gewinninteressen der Immobilienwirtschaft zu orientieren.

Wir wollen eine Wohnraumpolitik, die die Möglichkeiten, auf Kosten von Hamburgs Bewohner*innen mit Immobilien Geschäfte zu machen, drastisch einschränkt.

Wir wollen eine klare Unterstützung der Stadt für gemeinwohlorientierte Wohnmodelle, auch im Bestand.

Wir wollen wirklichen sozialen Wohnungsbau und eine solidarische Wohnraumpolitik. (Text bei Flickr).