Elementares Wissen über Russland und Putins Rolle

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Kai Ehlers
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Elementares Wissen über Russland und Putins Rolle
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Wladimir Putins Rolle im russischen Machtgefüge

Wer Putin ist, wer er war und wer er sein könnte.

Um Putins Rolle in der Machtstruktur, in der Politik Russlands richtig einordnen zu können, reicht es nicht, ihn als „KGBtschik“ klein reden zu wollen, ebenso wenig ihn als demokratisch gewählten Präsidenten zu verharmlosen, noch weniger allerdings ihn als Faschisten zu dämonisieren, wie es gegenwärtig in unseren Medien geschieht, die Putin als jemand darstellen, der Russland in den Faschismus führe und durch Regimechange abgelöst werden müsse.

Nichtsdestoweniger muss man sich diesen Fragen irgendwie nähern und versuchen Kriterien zu finden, wer Putin ist, wer er war und wer er sein könnte. Notwendig ist daher zunächst, einen kurzen Blick auf die russische Geschichte zu werfen, um zu erkennen, welchen Platz Putin jetzt darin einnimmt. Das können in der Kürze dieses Vortrags natürlich nur Stichworte sein. In diesem Sinne soll jetzt Folgendes sehr knapp skizziert werden.

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► Elemente der russischen Realität

Erstens: Russland ist nicht Europa. Entgegen allem, was dazu geschrieben wird, ist Russland nicht Europa. Aber Russland ist auch nicht Asien. Russland ist das Gebiet zwischen Europa und Asien – geografisch, geschichtlich, kulturell und politisch. Es ist der Raum zwischen westlichem Individualismus und östlichem Kollektivismus. In dieser Tatsache wird der rote Faden sichtbar, der sich durch die ganze russische Geschichte zieht, in der auch Putin steht: Russland als Hybrid zwischen Westen und Osten, zwischen westlichen und östlichen Staatsvorstellungen, als Zwischenraum für sich.

[Weiterhin, Russland, dieses gewaltige Gebiet zwischen Wladiwostok und Europa, erstreckt sich von etwa 20° Ost in östlicher Richtung über den 180. Längengrad bis 170° West. Mit etwa 17 Millionen Quadratkilometern ist Russland flächenmäßig der größte Staat der Welt und umfasst etwa ein Neuntel der Landmasse der Erde. Mit 145,5 Millionen Einwohnern (2022 est.) steht es an 9. Stelle der bevölkerungsreichsten Staaten und ist zugleich einer der am dünnsten besiedelten. In Russland werden heute elf Zonenzeiten als amtliche Zeiten angewendet. Ergänzt H.S.].

Datschen, russische Kleingartenanlagen, Selbstversorgung, Russland ist nahezu autark. Russland hat natürliche Reichtümer, ÖL, GAS, Wald, weite Ackerflächen usw. usw., von denen es ohne Fremdversorgung leben könnte. Russland hat eine Vielvölkerkultur, in der nicht nur Einzelne sich miteinander vermischt haben, sondern ganze Kulturen, ganze Völker sich im Laufe der Geschichte miteinander zu einer Gesamtheit verbunden haben.

Und Russland hat eine Gemeinschaftstradition, die auf Grund ihrer Strukturen der Selbstorganisation, ihrer Datschen, ihrer eigenen Gärten, der Tradition kollektiver Selbstversorgung unter den so gewachsenen natürlichen und historischen Bedingungen die Fähigkeit entwickelt hat, in Krisen auch auf niedrigstem Niveau zu überleben, was im gegenwärtigen Sanktionskrieg gegen Russland wieder eine große Rolle spielt.

Weiterhin ist Russland entgegen dem, was immer wieder, auch aktuell wieder geschrieben wird, kein einheitlicher, schon gar kein nationalistischer, gar ethnisch einheitlicher Nationalstaat. Russland ist ein Vielvölkerorganismus, bestehend aus verschiedenen Völkern, die sich miteinander verbunden haben – verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen bis hin zu verschiedenen Religionen. Das wesentliche Organisationsprinzip dieser Völkergemeinschaft, wenn man überhaupt von Prinzipien sprechen will und nicht einfach von lebendigen Prozessen, ist die Integration, das heißt, nicht die Beherrschung von oben, von außerstaatlichen Gebieten, sondern das Verschmelzen unterschiedlicher Völker und Kulturen im Laufe der Geschichte als innerer Prozess.

So gibt es in Russland einen doppelten Patriotismus. Wenn ich, um ein Beispiel zu nennen, meine tschuwaschischen Freunde an der Wolga frage, worin ihr Patriotismus begründet ist, dann antworten sie:

»Ich bin vaterländischer russländischer Patriot und zugleich bin ich tschuwaschischer Patriot. Das lebt miteinander, nicht immer ganz harmonisch, salopp gesagt, aber es lebt miteinander.«

► Das eurasische Wagenrad

Das alles, was ich hier schildere, ist in ein Bild zu fassen. Das Bild, das ich selbst in meinen Beschreibungen Russlands dafür gewählt habe, ist ein großes Wagenrad, das alte Wagenrad mit der Nabe in der Mitte und den Speichen nach allen Seiten: Das Zentrum, das sich da herausgebildet hat, von dem die Entwicklung ausgegangen ist, ist Moskau. Die Speichen führen in die Peripherien, nach Norden bis zur Ostsee, nach Osten bis Wladiwostok, nach Süden in den Kaukasus und auch nach Westen. 

Dieses Bild bitte ich Euch vor Augen zu haben bei allem, was ich hier noch über Russland sagen werde: Zar und Dorf bilden eine Polarität, in der sich die Pole gegenseitig stützen, Zar als Selbstherrschaft, Dorf im Prinzip als Selbstverwaltung, sogar Selbstversorgung. Das sind polare Gegensätze, die aber verbunden sind in untrennbarer Abhängigkeit voneinander. Das eine kann ohne das andere nicht sein.

Man kann auch sagen: Zentralismus in Moskau und herrschaftsferne Elemente im Land, Selbstherrschaft und Oligarchie, das sind so diese traditionellen Gegensätze. Verbunden sind sie nicht durch verfassungsmäßige Organe, sondern in einer personalen Struktur, ich betone das: in einer personalen Struktur! Man hört, wenn man in Russland unterwegs ist: Guter Natschalnik, also guter Chef, gute Verhältnisse; schlechter Natschalnik, schlechte Verhältnisse. Guter Präsident, gute Gesellschaft; schlechter Präsident, schlechte Zeiten. Guter Zar, gute Zeit; schlechter Zar, schlechte Zeit. Das ist etwas, was den Menschen in Russland tief im Blut liegt, dieses personale Verständnis ihrer Gesellschaft.

Dieses Verständnis wurde, um es gleich dazu zu sagen, auch durch die Sowjetunion nicht aufgehoben, sondern genau in diesen Strukturen übernommen. Die Sowjetunion hat sich auf dieser Basis weiterentwickelt: Parteizentrum und Sowchosen / Kolchosen, die ganze kollektive Organisation des Arbeitslebens, des Alltags im Land. Das ist die gleiche Polarität wie in den Jahrhunderten zuvor, nur ins Moderne, ins Bolschewistische übertragen. Das muss man sich klarmachen, um zu begreifen, wohin sich dieses Land in Anknüpfung an diese doppelte, an diese zweimal gebrochenen Tradition jetzt zurück oder vorwärts bewegt.    

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Der Kapitalismus, der sich in diesem Lande entwickelt hat, schon in der Zarenzeit und natürlich jetzt umso mehr, ist ebenfalls ein hybrider. Das heißt, wir haben keine rein kapitalistischen, monopolkapitalistischen Verhältnisse, die sich in Russland entwickelt haben, keine reine Fremdversorgung. Wir haben eine ressourcengestützte Wirtschaft, gewissermaßen sogar eine Ressourcenverwaltung, bis hin zu Formen der individuellen und kollektiven Selbstversorgung in den einzelnen Betrieben, Dörfern usw. auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber entwickelte Monopolkapitale, die sehr wohl im internationalen Zusammenhang des Monopolkapitalismus stehen und Supermärkte. Auch hier, ich betone das, zeigt sich wieder diese hybride Grundstruktur der russischen Gesellschaft, dieses russischen gesellschaftlichen Organismus.

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► „Verwirrte Zeiten“ – und ihre immer neue Überwindung

Und nun schauen wir uns das Ganze noch einmal in der historischen Abfolge an. Da gibt es einen russischen Begriff, den zu verstehen zum Verständnis dessen, was gegenwärtig in Russland geschieht, sehr wichtig ist. Der Begriff heißt „Smuta“. Smuta, das ist die große, verwirrte Zeit. Eine Smuta hat es gegeben nach dem Tod Iwans IV. am Ende des 16. Jahrhunderts, genauer, von seinem Tod 1584 bis zum Jahre 1613. Da wurde ein junger Mann, Michael aus dem Hause Romanow, siebzehn Jahre alt, von den Einzelfürsten, den Bojaren dazu gekürt, das Erbe des Wagenrades zu übernehmen, dessen Speichen seit dem Tod Iwans IV. in separate Fürstentümer zerfallen waren. Da glaubten die Bojaren, sie hätten jetzt einen jungen Burschen gefunden, den sie kujonieren könnten, mit dem sie machen könnten, was wollten, um so ihren separaten Interessen nachzugehen.

Dann zeigte sich aber, dass dieser junge Bursche in der Lage war, eine Dynastie aufzubauen, eben die der Romanows, die dieses Wagenrad nicht nur wieder restaurierte, sondern darüber hinaus stärkte und weiter ausbaute. Diese Dynastie regierte bis zur Februarrevolution, bzw. Oktoberrevolution 1917. Bis dahin hat sie das Rad des russischen Zarentums beständig ausgeweitet, immer in derselben Formation, die ich eben geschildert habe. Daran haben auch zwischenzeitliche regionale Unruhen nichts geändert. Naja, blutig waren diese schon, aber an der Struktur des Wagenrades, der Polarität von Selbstherrschaft und Dorf haben sie nichts geändert.

Die zweite große Smuta, die Russland erlebte, erstreckte sich von der Revolution 1905, die eine erste Schwächung des Zaren brachte, über die Februarrevolution, danach die Oktoberrevolution 1917, den darauf folgenden Bürgerkrieg bis zur Stabilisierung der Sowjetunion in den Jahren 1920/22. Was ist da geschehen? Es entstand eine Wiederholung des Gleichen auf neuem Niveau: Das Land war wieder ins Chaotische abgesunken und die Bolschewisten, Lenin, dann Stalin haben die Speichen des Rades unter der Parteiherrschaft wieder zusammengeführt. Es hatte sich im Wesentlichen nichts geändert. Es hatte sich etwas in der Ideologie geändert, aber nicht in der Struktur des Landes.

Nach dem Ende der Sowjetunion, hat sich eine dritte Smuta in diesem Großraum ereignet, die Putin nicht zu Unrecht als eine der größten Katastrophen des letzten Jahrhunderts bezeichnet hat, nämlich der Zerfall des sowjetischen Reiches, der wieder einmal einen chaotisierten Raum bis an die Grenzen Europas hinterließ.

Dies alles muss man sich klar machen, wenn man begreifen will, wer heute Putin ist und warum er so sein kann, wie er ist. Er ist in dieses Erbe eingetreten.

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► Mr. Nobody übernimmt das Erbe

Das ist wichtig anzuschauen, bevor darüber geredet wird, ob Putin etwas verborgen hat, als er antrat, ob er die Welt getäuscht hat, ob er sich verändert hat, ob er verrückt geworden ist, ob er ein Diktator ist wie Hitler oder Stalin oder dergleichen, wie es gegenwärtig durch die Medien der westlichen Welt geht. Und ob er so leicht aus dem Zentrum der Macht entfernt und ersetzt werden kann, wie manche westliche Schlauköpfe das meinen.

Zu all diesen Fragen kann man sagen, auch dies der Kürze wegen nur in Stichworten und ganz einfach: Putin ist angetreten, genau wie seinerzeit Michael Romanow, als Mister Nobody. So wurde er in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Er war ein unbekannter Aufsteiger. Die Oligarchen, die unter Boris Jelzin das gesellschaftliche Ruder in der Hand hielten, glaubten damals mit diesem Nobody machen zu können, was sie wollten.

Tatsächlich hat dieser Putin dann mit wenigen Sätzen zwar kein großes Programm formuliert, aber seine Absichten sehr deutlich gemacht, nämlich:

Ich will erstens eine Diktatur des Gesetzes einführen. Das hieß, ich will das Chaos beenden, das die Zeit Jelzins im Lande hinterlassen hat, in dem sämtliche Solidarstrukturen, überhaupt sämtliche verlässlichen gesellschaftlichen Strukturen, Parteistrukturen sowieso, zerfallen sind und die Mafia herrscht.

Ich will, hieß das im Klartext, dass wieder Steuern, dass wieder Löhne gezahlt werden, dass wieder soziale Verhältnisse eintreten, Versicherungen aufgebaut werden, kurz, dass wieder Regeln, und zwar unsere eigenen, nicht fremde im Lande herrschen. Das war seine erste Ansage. Seine zweite Ansage war:

Ich will, dass dieses Russland wieder in die Funktion eintritt, die seiner historischen Rolle entspricht, nämlich Integrationsknoten in Eurasien zu sein.

Das waren die beiden Ansagen, mit denen Putin antrat, kurze Mitteilungen nur, kein ausgearbeitetes Programm, nur der erklärte Wille ein starkes Russland wiederaufzubauen.

Wenn man von heute aus zurückschaut, dann sieht man, dass sich diese Vorstellungen Putins auch damals schon auf konservative Denker bezogen, nämlich auf solche, die die traditionellen Organisationsformen Russlands für optimal hielten: ein Iwan Iljin, der die monarchischen Strukturen für optimal hielt, um Eurasien regieren zu können, auch ein Anton Denikin, weißrussischer General, der die bolschewistische Revolution bekämpfte.

Als Präsident ließ Putin die sterblichen Überreste beider ins Land zurückholen, um sie dort zu erneut bestatten. Diese beiden historischen Gestalten repräsentieren zweifellos politische Vorstellungen, die heute in Putin leben. Putin ist eben, wie schon gesagt, nicht nur einfach ein KGBler, sondern greift mit seinen Vorstellungen von der Gesundung Russlands weit in die zaristische Zeit zurück.

Wichtig ist aber auch zu wissen: Putin ist kein Stalinist, auch kein Leninist, im Gegenteil, er ist ein Antikommunist, zugleich ist er Neoliberaler, also im Ergebnis ein Modernisierer, der sich auf die zaristischen Traditionen stützt. Dies nur kurz zur Einschätzung von Putins persönlichem politischen Herkommen. Man könnte ihn einen modernen Wahlmonarchen nennen oder wie es in Russland halb scherzend, halb sarkastisch zu hören ist: Putin ist unser neuer Zar, ganz einfach. Ich selbst nenne ihn einen autoritären Modernisierer, der im Spagat zwischen Neoliberalismus und monarchistischer Tradition steht und aus dieser Haltung heraus das Land sanieren will.  

► Putins Maßnahmen

Entsprechend dieses Programms, mit dem er angetreten ist, bestand Putins erste Aktion in der Einrichtung einer siebenstrahligen Supervision über die Regionen Russlands, die er auf diese Weise dem Kreml, sich selbst direkt unterstellte. Diese Kontrolle lief quer zu den föderalen und regionalen, quer zu den gewachsenen organischen Strukturen des Landes.

Der zweite Schritt zur Sicherung dieser neu eingezogenen Struktur war der Tschetschenienkrieg; es war der zweite, nachdem Jelzin sich aus dem ersten zurückziehen musste. Der zweite Tschetschenienkrieg war sehr brutal. Er war gegen den tschetschenischen islamistischen Separatismus gerichtet. Aber die Brutalität ging nicht nur von Putin aus, sondern war auch durch das gegeben, was sich vorher in diesem Krieg aufgebaut hatte, nämlich eine Gesetzlosigkeit, die sich über die ganze russische Föderation ausbreitete.

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Tschetschenien war zu der Zeit ein schwarzes Loch, in das man nicht mehr reisen konnte, ohne sich der Gefahr auszusetzen, als Geisel genommen, verkauft oder gar getötet zu werden. Grosny, die Hauptstadt der Region, lag nach dem Krieg in Trümmern. Die Bilder werden jetzt wieder ausgegraben, um damit Putins generelle Bereitschaft zur expansiven Aggression zu beweisen. Aber der Vergleich zum jetzigen Krieg in der Ukraine macht keinen Sinn. Es war ein anderer Prozess, der da in Tschetschenien seinerzeit stattfand: Es war die Verteidigung der inneren Situation, nicht zuletzt auch gegen Eingriffe von außen, und nicht etwa ein Angriff nach außen.

Die zweite Aktion, nicht zeitlich, sondern von der Rangfolge ihrer Bedeutung her, bestand darin, dass Putin dafür sorgte, dass Russland die Altschulden der Sowjetunion bei der Weltbank beglich und die weitere Annahme von IWF-Krediten kündigte, die unter Jelzin astronomische Höhen erklommen hatten. Das war eine klare Ansage: Wir lassen uns von Euch nicht in die Schuldenfalle treiben. Wir wollen unseren eigenen selbstständigen Weg gehen.

Das dritte Element zur Sicherung der putinschen Herrschaft war die Einbindung der Oligarchen – also Boris Beresowski, Wladimir Gussinski, Michail Chodorkowski und anderer – die sich in der Zeit Jelzins das Kollektiveigentum der Gesellschaft als Privateigentümer angeeignet hatten und als Privateigentümer Staatspolitik machten. Putin gelang es, ohne dass ich jetzt im Einzelnen darauf eingehen kann, wie ihm das gelungen ist, diese privaten oligarchischen Korporationen in eine neue Verantwortung einzubinden, sie zu veranlassen wieder Steuern, wieder Löhne zu zahlen, sich wieder für soziale Strukturen verantwortlich zu fühlen usw.

Der private Charakter des unter Jelzin entstandenen oligarchischen Eigentums blieb erhalten, wurde aber ergänzt durch Einführung staatlicher Aufseher in diese Korporationen. Diese Aufseher waren nicht selten Vertreter des FSB, dem Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation. Auf diese Weise entstand eine Verflechtung zwischen Privatkapital und Staat. Diese Verbindung ist ein wesentliches Element der putinschen Herrschaft.

Ein weiterer Schritt, der noch benannt werden muss, ist Putins Auftreten nach außen, mit dem er die Stabilität, die er nach innen geschaffen hatte, auch nach außen trug. Ich erinnere hier nur kurz an Putins Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz von 2007. Dem folgten seine Aktivitäten im Ausland, in denen er dem Militarismus der USA als Kritiker entgegentrat, bis hin zu seinem Wirken als Krisenmanager in Syrien usw. Das erwähne ich hier nur in der durch die Zeitvorgaben gebotene Kürze.

Mit dieser Agenda, das sei hier abschließend klar gesagt, war Putin innenpolitisch wie außenpolitisch der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Platz.

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► Das „System Putin“ – sichern des Konsenses

All dies, was ich zu Putins Herrschaft gesagt habe, wird von westlichen Soziologen unter dem Stichwort „Politbüro 2.0“ gefasst, um das sich eine Reihe von „Selektoraten“ gruppiere, in denen Putin als „Schiedsrichter“ fungiere. Gemeint sind mit den „Selektoraten“ ganz unterschiedliche Organe der Gesellschaft, also die diversen Exekutivorgane, zudem die „Silowiki“, also die Machtorgane, die Geheimdienste, das Militär, die Justiz, dann die Oligarchen, die föderalen Kräfte, die Kirchen, Menschenrechtsorganisationen und schließlich auch solche Organe wie der „Isborski Club“, eine Vereinigung von gemäßigt Konservativen wie den Schriftsteller Alexander Prochanow bis hin zu extrem Rechten wie dem berüchtigten Machtmystiker Alexander Dugin. Dem Präsidenten direkt unterstellt sind zudem diverse Einsatztruppen: die Präsidentengarde, der föderale Wachdienst FSO (Federalnaja Sluschba Ochrany), der Geheimdienst FSB und seit 2016 auch die Nationalgarde.

Also, das ist eine Herrschaftsform, die ist abgesichert, sie ist auch föderal und verfassungsmäßig untergliedert. Es ist dennoch kaum möglich, diese Struktur exakt nach föderal-demokratischen Prinzipien zu beschreiben. Putin ist einfach oberster Kriegsherr. Er bestimmt die Richtlinien der Politik. Er hat praktisch in allen Fällen die Möglichkeit einzugreifen in die unteren Organe, die diesem „Politbüro 2.0“ beigeordnet sind. Er garantiert als oberste Instanz den Konsens der widerstreitenden Interessen. Die Definition, mit der westliche Soziologen diese Herrschaftsform beschreiben, lautet: Bonapartismus. Das ist nicht schlecht. Das kann man so sagen. Bonapartismus ist ja eine Herrschaftsform der fürstlichen, obrigkeitlichen Zentralisierung bei gleichzeitiger Freiheit für die bürgerlichen Kräfte und Träger des Kapitals, sich, soweit sie sich in Übereinstimmung, im Konsens mit den Staatszielen halten, selbstverantwortlich zu entwickeln.

Bleibt nur ein Unterschied zum klassischen Bonapartismus, nämlich, dass Putin diesen Konsens stetig aufs Neue wieder sichern muss. Und bleibt als Letztes die folgenden Fragen, und damit komme ich schon zum Schluss:

Hat Putin sich bei dieser Machtfülle, die er hat, mit dem Krieg, der jetzt in seinem Namen gegen die Ukraine geführt wird, verzockt?

Hat er einen Schritt gemacht, der den Konsens sprengen könnte?

Droht ihm von innen aus dem Lande Widerstand, der ihn zur Aufgabe seiner Rolle als „Schiedsrichter“ zwingen könnte?

► Ist der Konsens gefährdet?

Ich würde sagen, aktuell nein. Zu rund 80% ist die Bevölkerung zwar nicht für diesen Krieg, aber sie spricht sich auch nicht gegen ihn aus. Vielleicht zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Befragten protestieren gegen diesen Krieg wie überhaupt gegen Krieg schlechthin. Die Zahlen der Umfragen sind unter dem aktuellen Druck des Krieges nicht sehr verlässlich.

Die ganze Situation aber so zu beschreiben, wie das in den deutschen Medien gegenwärtig geschieht, nämlich dass Putin das Land in einen Faschismus hineinführe, ist einfach vordergründig, oberflächlich, ist westliches Wunschdenken. Das geht an den realen Verhältnissen in Russland vorbei, weil es all diese Strukturen, die ich in meinem Vortrag aufgezeigt habe, nach Kriterien misst, die wir aus den westlichen Gesellschaften kennen.

Denen zufolge kann von Faschismus dann gesprochen werden, wenn die Masse der Bevölkerung mit Teilen der Bevölkerung von oben unterdrückt wird. Diese Art von Vorstellung kann man sich aber abschminken. Das ist nicht das, was gegenwärtig in Russland geschieht. Der gegenwärtige Krieg in der Ukraine findet letzten Endes eine geduldete Zustimmung seitens der Mehrheit der Bevölkerung. Und wenn der Westen glaubt, man könnte Putin in einem Regimechange ersetzen, dann ist das ebenfalls ein großer Irrtum. Putins Umgebung, das „Politbüro 2.0“ und sein Umfeld sind dazu nicht bereit, jedenfalls nicht solange der Krieg noch stattfindet. Zu tief sitzt die Angst vor einer neuen Smuta nicht nur in der russländischen Bevölkerung allgemein, sondern auch in den herrschenden Kreisen.

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Selbst wenn es gelänge Putin unter den gegebenen Umständen durch einen Regimechange zu ersetzen, wäre das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ziemliches Chaos, was sich kein russischer Politiker, auch kein möglicher Nachfolger Putins wünschen kann. Die Nabe, deren Zusammenführung Putin in dem neuen Zentralismus repräsentiert, würde gefährdet und zerschlagen. Sie zu restaurieren wäre zu Kriegszeiten kaum und wenn doch, dann nur mit Gewalt möglich.

Das weiß man im Übrigen nicht nur in Russland, das wissen auch die US-Amerikaner, jedenfalls einige klügere Köpfe, die inzwischen vor einer Zerstörung Russlands warnen, wie man etwa von Henry Kissinger neuerdings hören konnte. Diese Amerikaner wollen zwar, dass Russland auf dem Bauch kriecht und sich wie unter Jelzin wieder öffnet für die westliche, die amerikanische Kolonisierung, aber sie wollen Putin nicht einfach abschießen, Russland nicht einfach „zerstören“, weil sie wissen, wie gefährlich das Chaos wäre, das daraus resultieren würde. Der deutschen und europäischen Politik fehlen offenbar solche Einsichten und es wird noch etwas dauern, bis die vorsichtigeren amerikanischen Botschaften hier nachgesprochen werden.  

EU_grabbing_Ukraine_Europaeische_Union_Assoziierungsabkommen_Erweiterung_Geostrategie_Oestliche_Partnerschaft_Osterweiterung_Freihandelsabkommen_Kritisches-Netzwerk Kommen wir zum Schluss:

Was zu wünschen ist, wie immer der Krieg in der Ukraine ausgehen mag, gleich von welcher Seite her sein Ausgang betrachtet wird, ist die Vermeidung einer neuen Smuta, eines chaotisierten Eurasiens, das heißt letztlich nicht nur Russlands, sondern Russlands und Europas. Das bedeutet mit Russland zu reden, mit der Ukraine zu reden, Waffenstillstandverhandlungen sofort einzuleiten, Ziele für eine Befriedung der Ukraine zu entwickeln und und und.

Darauf gilt es mit allen Kräften von allen Seiten hinzuwirken. Auf die einzelnen Schritte, die in diese Richtung führen könnten, kann ich mich in der Kürze jetzt hier nicht einlassen. Dafür braucht es mehr als nur einen Vortrag.

Kai Ehlers, Hamburg >> www.kai-ehlers.de
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HINWEIS: Dies ist die überarbeitete und aktualisierte Fassung (Stand 28. Mai 2022) eines Vortrags, gehalten bei einer Veranstaltung der Marx-Engels-Stiftung in Kassel am 14.05.2022. Drei weitere Vorträge befassten sich mit den Zielen des Krieges, mit den Positionen der russischen Linken zu diesem Krieg und schließlich mit den Auswirkungen, die der Krieg für den Alltag der russischen Bevölkerung hat. Die Veranstaltung wurde als Präsenzereignis unter Zuschaltung digitaler Teilnehmer/innen durchgeführt.

Alle vier Beiträge sind unter dem Link im beigefügten Video dokumentiert >> weiter.

Neben unzähligen Artikeln, die seit vielen Jahren auf meiner Webseite erstveröffentlicht werden, empfehle ich die nachfolgenden Bücher, welche direkt über mich bestellt werden können. (bitte weiter runter scrollen)


»Russland: Herzschlag einer Weltmacht. Russlands Rolle in der Kulturkrise« von Kai Ehlers. ISBN: 978-3-85636-213-3.

Mit neuem Selbstbewusstsein kehrt Russland auf die Bühne der Weltpolitik zurück. Ein Land, das noch vor wenigen Jahren in Armut und Chaos versank, hat sich auf seine eigenen Kräfte besonnen.

Muss der Westen das wieder erstarkte Russland fürchten?

Wird er Russlands soziale und kulturelle Entwicklungskräfte erkennen und von ihnen profitieren, statt sie einzudämmen?

Kann Russlands Fähigkeit, gestärkt aus Krisen hervorzugehen, Impulse für einen globalen Wandel geben?

Eine bescheidene Etagenwohnung in einem Moskauer Vorort ist Schauplatz eines Dialoges zwischen dem deutschen Russlandforscher Kai Ehlers und dem russischen Schriftsteller und Journalisten Jefim Berschin. Im Gedankenaustausch treffen Skepsis und Sympathie, Innen- und Außenperspektive aufeinander.

Authentische Einblicke in Umwälzungen der nachsowjetischen Ära öffnen sich und Grundmotive russischer Mentalität, Geschichte und Kultur, geografischer und geopolitischer Besonderheiten werden sichtbar, die Russlands Entwicklung geprägt haben und sich nur auf seinem Boden entfalten konnten.

Bei Interesse bitte das Buch hier bestellen.
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»Kartoffeln haben wir immer. Überleben in Russland zwischen Supermarkt und Datscha«, von Kai Ehlers, Verlag Horlemann, Bad Honnef, 2010, ISBN: 978-3-89502-293-7.

Was haben Kartoffeln mit der globalen Krise zu tun? Und was hat diese Frage damit zu tun, ob etwas von Russland zu lernen ist? Sind die Russen dem allgemeinen Wachstumswahn nicht noch mehr verfallen als die übrige Welt?

Russlands Politiker versuchen ihr Land mit Macht in einen Supermarkt und den genügsamen Selbstversorger der Sowjetzeit in einen Konsumenten zu verwandeln, der Russland zum Eldorado internationaler Investoren machen soll. Aber was ist mit der Bevölkerung? Ist sie bereit, sich auf eine Masse von Konsumenten ausrichten zu lassen? Teils ja, scheint es, dann aber auch wieder nein. Unter dem Druck der Krise erlebt die traditionelle Kultur der familiären Zusatzversorgung, kurz Datscha, als Überlebensmodell landesweit ihre Erneuerung. Nur ein Strohfeuer? Das sich legen wird, wenn die Krise vorbei ist?

Das Buch von Kai Ehlers zeigt, dass es hier um längerfristige Perspektiven geht, dass die Zukunft Russlands nicht im Entweder-Oder, nicht in Supermarkt oder Datscha, sondern in Supermarkt und Datscha liegen könnte und dass solche Perspektiven nicht nur für Russland Bedeutung haben. In Russland treten sie im Zusammenprall von einer Jahrhunderte langen Tradition der Selbstversorgung und der militanten Modernisierung der letzten Jahrzehnte nur besonders krass hervor.

Das Buch von Kai Ehlers arbeitet sich nicht an der nochmaligen Vorführung des russischen Tandems Medwedew/Putin ab. Nicht die Große Politik, sondern die Bewältigung der sozialen Folgen der Krise durch die Bevölkerung steht im Zentrum. Das Buch führt den Leser mitten ins soziale Geschehen Russlands. Ehlers verdeutlicht die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten für eine Bewältigung der globalen Krisen sowie mögliche generelle Alternativen.

Das Buch enthält Analysen, zahlreiche Gespräche und Untersuchungen vor Ort zur Entwicklung des Sozialen in Russland und Ausblicke auf eine Ökonomie des Bedarfs. Eine vergleichbare Arbeit ist auf dem deutschen Buchmarkt zurzeit nicht erhältlich.

Bei Interesse bitte das Buch hier bestellen.
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»Jenseits von Moskau. 186 und eine Geschichte von der inneren Entkolonisierung. Eine dokumentarische Erzählung, Portraits und Analysen in drei Teilen«; Schmetterling Verlag 1994. Bitte dieses Buch bei Interesse nur noch direkt bei Kai Ehlers bestellen >> info@kai-ehlers.de .

Das Buch ist, bedauerlicherweise müßte ich sagen, brandaktuell: es richtet sich an alle, für die Rußland nicht in Moskau aufhört. Unter anderem beschäftigt es sich gerade damit, was es heißt, wenn Moskau seine angestammte Rolle als Zentrum des gewachsenen russischen Imperiums verliert bzw. seine Rolle zu einer großen Stadt unter anderen umdefiniert wird.

Ist eine Föderalisierung des alten Imperiums möglich?

Was ist nationale Wiedergeburt, wo liegen die Grenzen zum Nationalismus?

Was geschieht, wenn in Moskau die Tendenzen zu Rezentralisierung siegen?

Die Frage der "Wiedergeburt eines einheitlichen turksprachigen Kulturraums" ist bei all diesen Fragen während meiner Recherchen nicht von ungefähr in den Mittelpunkt gerückt. Die tschetschenischen Ereignisse zeigen die Aktualität dieser Probleme.

Darüber hinaus entwickelt sich das Buch um die wesentlichen Fragen: Was geschieht, wenn die vertrauten kollektiven Strukturen zerbrechen? Lassen sich die Menschen von der Scheinalternative des Nationalismus und Rassismus einfangen, oder finden sie neue, selbstbestimmte Formen des Zusammenlebens?

Solchen Fragen geht das Buch in Recherchen, Gesprächen und Schilderungen von Situationen im Lande selber nach, die reichlich empirischen Stoff und auch analytisches Hintergrundmaterial liefern. Dabei wird erst erzählt - und dann analysiert. Also, das Buch enthält auch reichlich Stoff zum Schmökern, ohne daß die Theorie und die Politik zu kurz kämen.

Ort der Handlung ist der Wolgaraum, Sibirien und der Altai. Ich habe mich bemüht, nicht in das übliche apokalyptische Horn zu stoßen, sondern Ansätze zu Alternativen zu zeigen. (Text: Kai Ehlers). Ausführliche Buchbeschreibung mit detallierter Inhaltsübersicht >> bitte HIER und HIER weiterlesen.

Bei Interesse bitte das Buch hier bestellen.


ACHTUNG: Die Bilder und Grafiken sind nicht Bestandteil der Originalveröffentlichung und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt, ebenso das Video. Für sie gelten ggf. folgende Kriterien oder Lizenzen, s.u.. Die Grünfärbung von Zitaten im Artikel und einige zusätzliche Verlinkungen wurden ebenfalls von H.S. als Anreicherung gesetzt - ebenso die Unterstreichungen zur besseren Wahrnehmung einzelner Aussagen.

Bild- und Grafikquellen:

1. Präsident Putin, fotografiert am 02. Juni 2022. Putin musste autoritäre Wege einschlagen, um eine autoritäre Erstarrung der politischen Strukturen wieder in Bewegung zu bringen. Das ist eine Aufgabe, die nicht ohne Widerstände durchführbar war - und ist. Zugleich muss es ihm weiterhin gelingen, die im Zuge der Konfrontation mit dem Westen seit der Krise 2014/15 gewachsenen, aber vernachlässigten sozialen Probleme mit Blick auf Befriedung einer unruhig werdenden Bevölkerung aufzugreifen. Das Land ist gespalten in eine superreiche Oberschicht, eine kleine konsumorientierte Mittelschicht und eine große Mehrheit von Menschen, die heute nur knapp über der Armutsgrenze leben, heute erkennbar knapper als in den Aufbaujahren nach 2000, als der Öl-Preisboom der Regierung eine lockere Sozialpolitk ermöglichte, welche die vom Zusammenbruch der Union gebeutelte Bevölkerung zu befrieden vermochte. Foto/Urheber: Presidential Executive Office 2022 >> http://en.kremlin.ru/ >> Foto. Alle Inhalte auf dieser Website sind lizenziert unter Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0).

2. Datschen sind Grundstücke mit einem Garten- oder Wochenendhaus, das der Freizeit und der Erholung dient und Hobbygärtnerei ermöglicht. Foto: Figure19. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0) lizenziert.

3. Datschen in der Umgebung von Sankt Petersburg bei Lomonossow. Bis in die 1990er-Jahre war der Zuschnitt der Datschen einheitlich geregelt und betrug 600 m² Land, das mit einem Sommerbungalow bebaut werden durfte. Die Nutzungsformen der Datscha sind im heutigen Russland vielfältiger geworden. Festere Konstruktionen ersetzen oft die Leichtbauweise, so dass die Datscha nicht nur im Sommer und bei schönem Wetter genutzt werden kann. Manche Datschen werden ganzjährig bewohnt. Foto: СафроновАВ. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk wurde (oder wird hiermit) durch den Autor, СафроновАВ auf Wikipedia auf Russisch, in die Gemeinfreiheit übergeben. Dies gilt weltweit.

4. Die Lenin-Sowchose liegt am Südrand von Moskau, sehr verkehrsgünstig, nicht weit vom Moskauer Autobahnring. Der landwirtschaftliche Betrieb mit seinen 2.000 Hektar ist seit den 1990er Jahren als Aktiengesellschaft organisiert. Foto: Moskau-Live.ru. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

Das Unternehmen geht auf den 10. November 1918 zurück, als es in der Moskauer regionalen Landabteilung der staatlichen Farm "Oreschkowski-Farm" registriert wurde. Bis 1917 gehörte ein Teil des Territoriums zum Nikolo-Perervinsky-Kloster.

Der "Oreschkowski-Bauernhof" wurde 1928 in einen nach Lenin benannten Staatsbauernhof umbenannt. Ursprünglich war die Farm klein. Nach Angaben des Staatlichen Zentralarchivs für Volkswirtschaft der UdSSR verfügte der Staatsbetrieb am 1. Juli 1922 über 92 Hektar Ackerland und 16 Hektar Gärten, 9 Pferde, 10 Kühe, 13 Schweine und 18 Hühner. Der "Maschinenpark" - 4 Pflüge, 2 Pflüge, Sämaschine, Kultivator, Mähwerk, Strohhäcksler, Dreschmaschine und verschiedene andere einfache Geräte. 1928 wurden die ersten beiden Traktoren "Fordson" in Empfang genommen. An Wohngebäuden gab es Anfang der 1930er Jahre 5 kleine Bauernhäuser. 1932 kamen neue Ländereien hinzu - die Farm Karavayevo, ein kleines Stück Land im Wald in der Nähe des Dorfes Misailovo. Hier wurden Erdbeerplantagen angelegt. 1933 wurde das erste zweistöckige Schildhaus mit 16 Wohnungen gebaut. 1936 wurde die erste Erdbeer-Fruchtfolge angelegt.

Im Jahr 1941 wurden fünf Scheunenhäuser, ein Kindergarten, eine Grundschule, ein staatliches Landwirtschaftsamt, ein Kantinenclub, mechanische Werkstätten, eine Garage, eine Feuerwehr, eine Sauna und ein Getreidespeicher gebaut. Im gleichen Jahr bohrten sie einen artesischen Brunnen, waren voll elektrifiziert und funkten die staatliche Farm an.

Während des Zweiten Weltkrieges war die Wirtschaft stark von Kürzungen betroffen. Von 1961 bis 1966 kamen neue Ländereien der Michurin-Kolchose - 1261 Hektar und der Dmitrov-Kolchose - 915 Hektar, später Teil der Kolchose "Wladimir Iljitsch" - 349 Hektar und des Staatsbetriebs "Belaja Dacha" - 106 Hektar hinzu. Im gleichen Zeitraum ist die Anlage neuer Gärten im Gange.

In den 1970er Jahren erlebte die Wirtschaft ihre Blütezeit. Der Maschinenpark wurde vergrößert, das Ackerland erweitert, eine innerbetriebliche Spezialisierung und Konzentration durchgeführt. Im Jahr 1975 begannen die Obstgärten Früchte zu tragen, und es wurden rekordverdächtig hohe Erträge an Früchten und Beeren geerntet. Die Witterungsbedingungen in den Jahren 1978-1979 und die Nutzung eines Teils des Landes für Wohnbezirke führten jedoch zu einer teilweisen Zerstörung der Obstgärten und infolgedessen zu einer Verringerung ihrer Fläche.

5. Usbekische Pflücker kommen als Saisonarbeiter auf die Lenin-Sowchose zur Erdbeerernte, kräftezehrenden Arbeit. Foto: Moskau-Live.ru. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

6. Gemälde: Wladimir Iljitsch Lenin - Revolutionär sowie marxistischer Theoretiker, Vorsitzender der Bolschewiki-Partei und der aus ihr hervorgegangenen Kommunistischen Partei Russlands (1912–1924), Regierungschef der Russischen SFSR (1917–1924) und danach der Sowjetunion (1922–1924), als deren Begründer - bei einer Kundgebung vor der Putilowski Sawod (Putilowwerk) in Sankt Petersburg, Mai 1917. Im Februar 1917 setzten Streiks in der Fabrik eine Reihe von Ereignissen in Gang, die letztlich zur Februarrevolution führten.

Zwar ging das zaristische Russland in den  Fluten der Februarrevolution von 1917 und dann der Oktoberrevolution im selben Jahr unter, die den Weltkrieg in Russland begleiteten, büßte auch seinen direkten Einfluss auf die slawischen Volksbewegungen Ost- und Südeuropas ein. Der russische Vielvölkerorganismus aber blieb in der Gestalt der Sowjetunion als russisch dominierter Großraum erhalten. Urheber: Isaak Israilewitsch Brodski (1883–1939), sowjetischer Maler aus Leningrad. Quelle: Wikimedia Commons. Dieses Werk ist nach Absatz 1 Artikel 6 des Gesetzes Nr. 231-FZ der Russischen Föderation vom 18. Dezember 2006; dem Umsetzungsgesetz für Buch IV des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation, in Russland gemeinfrei (in der Public Domain.)

7. Wladimir Putin leitete am 20. Mai 2022 eine Sitzung des Sicherheitsrates der Russischen Föderation per Videokonferenz. Auf der Tagesordnung standen Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit und Stabilität der staatlichen Informationsinfrastruktur. Foto/Urheber: Presidential Executive Office 2022 >> http://en.kremlin.ru/ >> Foto. Alle Inhalte auf dieser Website sind lizenziert unter Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0).

8. Zbigniew Kazimierz Brzeziński (* 28. März 1928 in Warschau; † 26. Mai 2017 in Falls Church, Virginia) war ein polnisch-amerikanischer Politikwissenschaftler und galt neben Henry Kissinger als graue Eminenz unter den US-amerikanischen Globalstrategen. Von 1977 bis 1981 war er Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter.

Viele Jahre war er Professor für US-amerikanische Außenpolitik an der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University in Washington, D.C., Berater am „Zentrum für Strategische und Internationale Studien“ (CSIS) in Washington, D.C. und Verfasser zahlreichern politischer Sachbüchern, u.a. "Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft" ( Video-Doku und Vorstellung der Neuauflage). Daneben betätigte sich der pathologische Russlandhasser als Berater für mehrere große amerikanische und internationale Unternehmen. Brzeziński war ein Scharfmacher übelster Sorte. Möge er in der Hölle schmoren!

Foto / credit: CSIS | Center for Strategic & International Studies, Feb. 8, 2012: America and the Crisis of Global Power. Quelle / Source: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).

9. Wladimir Putin flog mit dem Hubschrauber am 6. August 2021 über die von den Waldbränden betroffenen Gebiete der Region Tscheljabinsk und hielt anschließend auf dem Flughafen Magnitogorsk eine Besprechung über die Situation der Überschwemmungen und Waldbrände in den Regionen der Russischen Föderation sowie über den Fortgang der Hilfsmaßnahmen ab. Foto/Urheber: Presidential Executive Office 2022 >> http://en.kremlin.ru/ >> Foto. Alle Inhalte auf dieser Website sind lizenziert unter Creative Commons Namensnennung 4.0 International (CC BY 4.0).

10. Putin am Mikro. Fakt ist, die unübersehbare Kontinuität der Putinschen Politik, der seit seinem Amtsantritt vollkommen berechenbar Schritt für Schritt von der Stabilisierung der innenpolitischen Situation Russlands zur Stabilisierung der globalen Beziehungen fortgeschritten ist. Putin will die Souveränität des Nationalstaates als Voraussetzung für Stabilität erhalten.

Die Gleichsetzungen von Putin und Dugin, gar Dugins und Hitlers, Hitlers und Putins, wie sie gegenwärtig Mode sind, haben rein diffamatorischen Charakter und versperren den Zugang zum Verständnis Russlands. Wer an die Europa-Asien-Polarität Russlands sachlich herangeht, dem öffnen sich dagegen interessante Dimensionen für das Selbstverständnis und die Dimensionen des heutigen Russland, die für ein Miteinander sehr fruchtbar werden können.

In Russland blieb nach der Perestroika kein Stein auf dem anderen, auch in seiner geistigen Gestalt. Es gibt keine eindeutigen Prioritäten, keine einseitigen Orientierungen nach Westen oder nach Osten, zum «Kapitalismus» oder (zurück) zum «Sozialismus», zum Christentum oder zum Islam, überhaupt zur Religion oder zum Atheismus. Es wirbelt vielmehr alles durcheinander, auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Foto: Marcos Corrêa/PR - Palácio do Planalto. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).

11. EU grabbing Ukraine: Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits ist das erste Abkommen neuen Typs im Rahmen der sogenannten "Östlichen Partnerschaft" der Nachbarschaftspolitik der EU, das sich von früheren Abkommen unterscheidet, die im Rahmen der Erweiterung der EU in Form von Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen geschlossen wurden.

EU_grabbing_Ukraine_Europaeische_Union_Assoziierungsabkommen_Erweiterung_Geostrategie_Oestliche_Partnerschaft_Osterweiterung_Freihandelsabkommen_Kritisches-Netzwerk Es wird mit seinem politischen Teil seit November 2014, mit dem gesamten wirtschaftlichen Teil seit dem 1. Januar 2016 vorläufig angewandt – vorbehaltlich der Ratifizierung durch alle Mitgliedsstaaten. Der „politische“ Teil des Assoziierungsabkommens wurde am 21. März 2014 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union im Zuge eines EU-Gipfels in Brüssel unterzeichnet. Für die Ukraine unterschrieb Arsenij Jazenjuk, der Ministerpräsident der damaligen Übergangsregierung.

Der „wirtschaftliche“ Teil, der vor allem die Regelungen für ein Freihandelsabkommen enthält, wurde erst mit dem bei der ukrainischen Präsidentschaftswahl am 25. Mai 2014 neu gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am 27. Juni 2014 bei einem EU-Gipfel unterzeichnet. Vector Illustration: publicdomainvectors.org >> Grafik. Lizenz: CC0 1.0 Universell (CC0 1.0) Public Domain Dedication - Kein Urheberrechtsschutz.

12. Buchcover: "Russland – Herzschlag einer Weltmacht. Russlands Rolle in der Kulturkrise" von Kai Ehlers. ISBN: 978-3-85636-213-3. Bei Interesse bitte das Buch hier bestellen.

13. Buchcover "Kartoffeln haben wir immer. Überleben in Russland zwischen Supermarkt und Datscha", von Kai Ehlers, Verlag Horlemann, Bad Honnef, 2010, ISBN: 978-3-89502-293-7. Bitte dieses Buch bei Interesse nur noch direkt bei Kai Ehlers bestellen >> info@kai-ehlers.de .

14. Buchcover "Jenseits von Moskau. 186 und eine Geschichte von der inneren Entkolonisierung. Eine dokumentarische Erzählung, Portraits und Analysen in drei Teilen"; Schmetterling Verlag 1994. Bitte dieses Buch bei Interesse nur noch direkt bei Kai Ehlers bestellen >> info@kai-ehlers.de .