Institut für Weltanschauungsrecht setzt sich für die Neutralität des Staates ein

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Institut für Weltanschauungsrecht setzt sich für die Neutralität des Staates ein
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ifw setzt sich für die Neutralität des Staates ein.

"Wir müssen die weltanschauliche Schieflage in unserem Rechtssystem beheben!"

von ifw / Institut für Weltanschauungsrecht

ifw-2-institut-fuer-weltanschauungsrecht-weltanschauung-jacqueline-neumann-kritisches-netzwerk-gerhard-czermak-rolf-schwanitz-thorsten-barnickel-giordano-bruno-stiftung.jpgDas Bundesverfassungsgericht hat bereits 1965 festgestellt, dass das Grundgesetz den Staat als "Heimstatt aller Staatsbürger" zu "weltanschaulich-religiöser Neutralität" verpflichtet. In der Praxis wird dieses Rechtsprinzip jedoch häufig verletzt. Das "Institut für Weltanschauungsrecht" (ifw) will diesem Missstand entgegenwirken.

Mit der heute erfolgten Freischaltung seiner Website hat das "Institut für Weltanschauungsrecht" (ifw)  seine Arbeit offiziell aufgenommen. Ziel des Instituts ist die Stärkung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf "Weltanschauungsfreiheit". Dieses umfasst, wie das ifw in seinem Leitbild darlegt, "nicht nur das Recht, sich zu einer religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung zu bekennen, sondern auch die Freiheit, das eigene Leben nach diesen weltanschaulichen Überzeugungen zu gestalten, sofern dadurch keine Rechte Dritter verletzt werden".

Laut ifw "wird diese fundamentale Freiheit der Bürgerinnen und Bürger auf vielen Rechtsgebieten in illegitimer Weise beschnitten – und zwar von der Wiege bis zur Bahre, ja sogar darüber hinaus, nämlich vom Embryonenschutz bis zur Bestattungspflicht". Viele Rechtsnormen und staatliche Einrichtungen seien trotz der entsprechenden Verpflichtung der Verfassung nicht "weltanschaulich neutral" gehalten, sondern beruhten auf religiösen Glaubensvorstellungen, die in der Bevölkerungsmehrheit keinen Rückhalt mehr fänden.

► Mannigfaltige Verstöße gegen das Gebot der weltanschaulichen Neutralität

Ein markantes Beispiel für die "weltanschauliche Schieflage im Staat" sei das "paternalistische Sterbehilfeverhinderungsgesetz", das 2015 vom Deutschen Bundestag "gegen den Willen von achtzig Prozent der Bürgerinnen und Bürger sowie gegen das Votum der deutschen Strafrechtslehrer auf den Weg gebracht wurde", sagt der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) Michael Schmidt-Salomon, der an der Gründung des ifw aktiv beteiligt war. Dank der Hilfe christlich-konservativer Politiker sei es den Kirchen mit § 217 StGB gelungen, "de jure einen Teil der Deutungshoheit über den Sterbeprozess wiederzugewinnen, den sie de facto längst verloren hatten": "Sie instrumentalisierten das Parlament, um der Bevölkerung eine religiös begründete Verhaltensnorm aufzuzwingen, die nur noch von einer Minderheit akzeptiert wird."

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Dabei sei das "Sterbehilfeverhinderungsgesetz" nur ein Beispiel unter vielen: "Tatsächlich gibt es viele Gesetze und Verordnungen im Straf- und Steuerrecht, im Medien-, Medizin- und Arbeitsrecht, in den Landesverfassungen, Feiertagsgesetzen und Schulordnungen, die gegen das Gebot der weltanschaulichen Neutralität verstoßen." Dieser Zustand sei nicht länger hinnehmbar, meint Schmidt-Salomon: "Wir müssen die weltanschauliche Schieflage in unserem Rechtssystem beheben! Denn nur ein weltanschaulich neutraler Staat kann allen Bürgerinnen und Bürgern Weltanschauungsfreiheit garantieren. Nur er besitzt die nötige Glaubwürdigkeit, um in Konfliktfällen als unparteiischer Schiedsrichter aufzutreten und für die Einhaltung verbindlicher Regeln zu sorgen, da er sich von keinem Akteur auf dem weltanschaulich-religiösen Spielfeld vereinnahmen lässt."

► Eine prominent besetzte "juristische Task Force"

Diese Überzeugung teilt die Verwaltungsjuristin Jacqueline Neumann, die im ifw-Direktorium die wissenschaftliche Koordinierung übernommen hat. Neumann erläutert, wie es zur Institutsgründung kam: "Um der wachsenden Zahl von juristischen Anfragen gerecht zu werden, wurde innerhalb der gbs bereits vor Jahren eine juristische Task Force aus erfahrenen Rechtsanwälten und Rechtsexperten gebildet. Derzeit begleiten wir ein Dutzend Verfahren sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Hieraus entwickelte sich die Idee, die verschiedenen juristischen und rechtspolitischen Aktivitäten auf dem Gebiet des Weltanschauungsrechts in einem eigenen Institut zu bündeln. Letztlich wollen wir mithilfe des ifw dazu beitragen, dass das Verfassungsprinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates endlich die Bedeutung erhält, die ihm gebührt."

Das ifw-Direktorium kann auf prominente Unterstützung zurückgreifen: So finden sich im Beirat gleich mehrere Juraprofessoren, u.a. Prof. Dr. Reinhard Merkel, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier, der Staatsminister a.D. im Bundeskanzleramt Rolf Schwanitz und der langjährige HU-Vorsitzende und Mitherausgeber des jährlichen "Grundrechte-Reports" Till Müller-Heidelberg. (Informationen über alle Mitglieder des ifw-Direktoriums und -Beirats findet man hier.)

► Offen für Zusammenarbeit

giordano-bruno-stiftung-gbs-oberwesel-herbert_steffen-michael-schmidt-salomon-kritisches-netzwerk-evolutionaerer-humanismus-kirchenkritik-islam-grenzen-der-toleranz-elke-held.png Dem Vorwurf, dass ein Rechtsinstitut, das von der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung finanziert wird, selbst eine "weltanschauliche Schieflage" aufweise, widerspricht Michael Schmidt-Salomon mit Nachdruck: "Wir ergreifen Partei für die Stimme der Vernunft – und diese ist nicht notwendigerweise bei einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppierung beheimatet, auch nicht bei den Konfessionsfreien! Zwar stimmt es, dass sich die Verfahren, die wir derzeit führen, gegen Kirchenprivilegien bzw. gegen religiös verzerrte Interpretationen der Grundrechte richten, doch sollte es dazu kommen, dass säkulare Organisationen die Weltanschauungsfreiheit religiöser Bürgerinnen und Bürger verletzen, würde sich das ifw ebenso deutlich zu Wort melden."

Jacqueline Neumann ergänzt: "Wir suchen die Zusammenarbeit mit denjenigen, die für rational begründete, evidenzbasierte, weltanschaulich neutrale und gerechte Rechtsnormen eintreten. Und zwar ungeachtet dessen, ob jemand ein religiöses oder nichtreligiöses Vorverständnis hat. Das ifw ist politisch unabhängig, überparteilich und nicht gewerblich orientiert. Wir sind offen für Partnerschaften mit allen staatlichen wie nichtstaatlichen Organisationen, die eine säkulare Rechtspolitik unterstützen."

Die ifw-Website, die in den kommenden Monaten weiter ausgebaut wird, bietet neben Fallbeschreibungen und Gutachten eine umfangreiche Sammlung von Kommentaren zu weltanschauungsrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Zudem findet sich auf der Website eine Online-Version des Lexikons "Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht" von Gerhard Czermak. Der ehemalige Verwaltungsrichter hat sich in den letzten Jahrzehnten wie kaum ein zweiter deutscher Jurist mit Fragen des Weltanschauungsrechts auseinandergesetzt – eine Arbeit, die er nun als Mitglied des ifw-Direktoriums fortsetzen wird.

Weitere Informationen zum Institut sowie zu den juristischen Hintergründen der Weltanschauungsfreiheit und der geforderten Neutralität des Staates gibt es unter: https://weltanschauungsrecht.de.

ifw / Institut für Weltanschauungsrecht

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► Quelle: Erstveröffentlicht am 4.09.2017 auf der Webseite des "Instituts für Weltanschauungsrecht" >> Pressemitteilung zur ifw Gründung.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Bild mit integriertem Logo des ifw. Die Rechte am Bild und dem Logo verbleiben allein beim Institut für Weltanschauungsrecht!

Was bedeutet der Begriff "Weltanschauungsrecht"?

Der neue – im ersten Moment vielleicht ungewöhnlich klingende – juristische Fachbegriff "Weltanschauungsrecht" kennzeichnet die Gesamtheit aller staatlichen Normen, Einrichtungen und Handlungen, die das Recht auf Weltanschauungsfreiheit betreffen. Das Recht auf Weltanschauungsfreiheit umfasst dabei nicht nur das Recht, sich zu einer religiösen oder nichtreligiösen Weltanschauung zu bekennen, sondern auch die Freiheit, das eigene Leben nach diesen weltanschaulichen Überzeugungen zu gestalten, sofern dadurch keine Rechte Dritter verletzt werden.

Verfassungsrechtliche Grundlagen der Weltanschauungsfreiheit

Verankert ist die Weltanschauungsfreiheit bereits im ersten Gebot der Verfassung, nämlich der Achtung der unantastbaren Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), da die Würde des Einzelnen maßgeblich dadurch bestimmt ist, dass er selbst – und niemand anderes – derjenige ist, der seine Würde bestimmt. Nur das mündige Individuum allein kann entscheiden, welche Lebensumstände es für sich selbst als mit seiner Würde vereinbar erachtet und welche nicht. Daher darf das Individuum keinen Würdedefinitionen unterworfen werden, die nicht seine eigenen sind, denn eben dies wäre unweigerlich mit einer Verletzung seiner Menschenwürde verbunden. >> weiter.

Leitbild: Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) fördert säkulare Rechtspolitik.

Im Grundgesetz ist das Gebot des Säkularismus, der Neutralität des Staates in Fragen der Weltanschauung (religiöser wie nichtreligiöser Art), fest verankert. Es wird jedoch in Politik, Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung vielfach missachtet. Um Abhilfe zu schaffen, bringt das ifw Juristinnen und Juristen zusammen. Die Aktivitäten des Instituts verbinden rechtswissenschaftliche Forschung und populärwissenschaftliche Aufklärung mit rechtspolitischen Forderungen. Das ifw macht beispielsweise Missstände öffentlich, erstellt Gutachten zur juristischen Aufarbeitung und begleitet Betroffene in richtungsweisenden Gerichtsprozessen.

michael-schmidt-salomon-die-grenzen-der-toleranz-warum-wir-die-offene-gesellschaft-verteidigen-muessen-piper-kritisches-netzwerk-abendland-islam-saekularismus-humanismusUngeachtet der unterschiedlichen religiösen oder nichtreligiösen Vorverständnisse sucht das ifw die Zusammenarbeit mit all denjenigen, die für rational begründete, evidenzbasierte, weltanschaulich neutrale und gerechte Rechtsnormen eintreten.

Das ifw ist politisch unabhängig, überparteilich und nicht gewerblich orientiert. (TEXT: ifw).

2. Michael Schmidt-Salomon (Giordano Bruno Stiftung). Foto: Nic Frank / Frank Nicolai, Berlin. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).

3. Logo der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Die gbs ist eine gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die sich die Förderung des evolutionären Humanismus zum Ziel gesetzt hat. Sie wurde 2004 vom Unternehmer Herbert Steffen gegründet. Vorstandssprecher der Stiftung ist Michael Schmidt-Salomon. Von Beginn an war die nach Giordano Bruno benannte Stiftung insbesondere dem Werk des Religions- und Kirchenkritikers Karlheinz Deschner verpflichtet. Sitz der Stiftung ist Oberwesel in Rheinland-Pfalz. Die Rechte am Logo verbleiben allein bei der gbs!

4. Logo des ifw. Die Rechte am Logo verbleiben allein beim Institut für Weltanschauungsrecht!

5. Buchcover: "Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen." von MICHAEL SCHMIDT-SALOMON, Piper Verlag, ISBN: 978-3-492-31031-4. 224 Seiten, € 10,00 [D], € 10,30 [A]. 

Die offene Gesellschaft hat viele Feinde. Die einen streiten für »Allah«, die anderen für die Rettung des »christlichen Abendlandes«, letztlich aber verfolgen sie das gleiche Ziel: Sie wollen das Rad der Zeit zurückdrehen und vormoderne Dogmen an die Stelle individueller Freiheitsrechte setzen. Wie sollen wir auf diese doppelte Bedrohung reagieren? Michael Schmidt-Salomon erklärt, warum grenzenlose Toleranz im Kampf gegen Demagogen auf beiden Seiten nicht hilft und wie wir die richtigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Freiheit zu verteidigen. >> zur Buchvorstellung.