Nach dem Kahlschlag: neue Leuchttürme in der Presselandschaft
von Laurenz Nurk
In den letzten Jahrzehnten haben sich monopolartige, private Medienkonzern entwickelt, die teilweise von einzelnen Familien beherrscht werden und deren Meinungen auch von den angestellten Journalisten vertreten werden müssen. Ein objektiv berichtender und urteilender Journalismus kann so nicht gewährleistet werden.
Die Medienunternehmen sind Dienstleister, die Informationen bereitstellen und gleichzeitig auf Gewinn zielende Betriebe. Mit der Informationsvermittlung wird allerdings immer weniger Geld verdient. Um den möglichst größten Profit zu erzielen, setzten die Medienkonzerne in Deutschland auf Werbung, Sport und seichte Unterhaltung. Sensations-Journalismus trat an die Stelle der Berichterstattung. Jeder schreibt mittlerweile von jedem ab und kann so politische Kampagnen gegenüber Einzelpersonen, Gesellschaftsgruppen und auch Staaten initiieren.
Die zunehmende Macht, Konzentration und Kommerzialisierung der Medien wurde noch einmal durch die digitalen Kommunikationssysteme gepusht.
Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung war die Entlassung von allen 120 Redakteuren und noch einmal so vielen freien Mitarbeitern bei der Westfälischen Rundschau (WR) durch die Geschäftsführung im Januar 2013. Seitdem erscheint die WR zwar in vielen Städten weiter – aber ohne eigene Redaktion. Den Lokalteil in Dortmund kauft die WR genauso wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die auch zur „Funke Mediengruppe“ gehört, von der Konkurrenz, der konservativen Ruhr Nachrichten (RN) ein. Die RN erscheint im Medienhaus Lensing in Dortmund, dessen Geschäftsführer Lambert Lensing-Wolff sich gut mit Kündigungen auskennt. Im Januar 2007 kündigte er der gesamten 19-köpfigen Lokal- und Sportredaktion der Münsterschen Zeitung (MZ), die zu seinem Medienhaus gehört.
Für die betroffenen Redakteure war dies ein extrem einschneidendes Ereignis. Es traf sie zu einem Zeitpunkt, als der Beruf des Journalisten schon eigenartige Veränderungen durchlaufen hatte. Der Traum von der „vierten Gewalt“ ist für viele engagierte Journalisten ausgeträumt, sie verdingen sich oft nur noch als Einzelkämpfer in den geschrumpften Redaktionen. Sie müssen mit ansehen, dass keiner mehr rausgeht, vor Ort recherchiert, eigene Berichte abliefert oder bei Pressekonferenzen heftig nachbohrt. Sie müssen ertragen, dass die Pressetexte aus den professionellen PR-Abteilungen der Betriebe, Ministerien, Kommunen und Organisationen, die per email eingehen, eins zu eins übernommen werden.
Viele von den ehemaligen Redakteuren der Funke Mediengruppe versuchten irgendwie unterzukommen. Einige gründeten eigene Blogs, andere wurden Stadtpressesprecher, wieder andere konnten frühzeitig nach Essen in die Funke Zentrale wechseln und fanden dort neue Aufgaben.
Gleichzeitig wurden neue Betätigungsfelder aufgetan, es es entstanden die sogenannten Rechercheverbünde und Recherchezentren. So eines entstand in Essen in der Huyssenallee 11, es nennt sich Recherchezentrum CORRECT!V (Wiki und correctiv.org). Im gleichen Gebäude residiert auch die Brost-Stiftung, benannt nach Anneliese Brost (1920-2010) eine Verlegerin, Gesellschafterin der WAZ-Mediengruppe, Milliardärin und Mäzenin.
Das Recherchezentrum CORRECT!V wurde maßgeblich von David Schraven aufgebaut. Von 2010 bis Mai 2014 leitete er das Ressort Recherche der vier NRW-Zeitungen, WAZ, NRZ, Westfälische Rundschau und Westfalenpost, der WAZ-Mediengruppe in Essen. Heute ist er Publisher und inhaltlicher Geschäftsführer des sogenannten gemeinnützigen Recherchezentrums, mit einem Jahresgehalt 2015 in Höhe von 111.038 Euro.
Die Gemeinnützigkeit und Unabhängigkeit von CORRECT!V kann man in Frage stellen, wenn man sich die Förderer vom 01.01. bis 31.08.2016 einmal anschaut:
- Brost-Stiftung 750.000 Euro
- Schöpflin Stiftung 70.000 Euro
- Stichting Adessium 57.000 Euro
- Deutsche Bank AG 54.750 Euro
- Stiftung Vielfalt und Partizipation gGmbH 40.000 Euro
- Rudolf Augstein Stiftung 35.000 Euro
- Open Society Foundations 26.884 Euro (Stiftung von George Soros)
- Bundeszentrale für politische Bildung 13.050 Euro
- Journalismfund.eu 10.000 Euro
- Pro Rauchfrei e.V. 4.250 Euro
- GLS Treuhand e.V. 3.500 Euro
- Rotary Hilfe e.V. 3.000 Euro
- Stiftung Erneuerbare Freiheit 3.000 Euro
- Zeitenspiegel Reportagen Reinhardt & Partner 2.000 Euro
- Gruner + Jahr GmbH & Co KG 1.785 Euro
- ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 1.500 Euro
Das Recherchezentrum finanziert sich aus Spenden, besser gesagt, es wird gesponsert. Nach dem alten Wahlspruch „Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“ ist die Unabhängigkeit anzuzweifeln, auch wenn man sich die Personen in den einzelnen Gremien von dem Recherchezentrum anschaut.
Auf der Homepage von CORRECT!V kann man lesen:
„Die Arbeit von CORRECT!V wird von einem Ethikrat begleitet: Dieser Rat wird aus zahlreichen angesehenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Journalisten, Verlegern und Medienschaffenden bestehen. Die Mitglieder des Rates arbeiten für nationale und internationale Institutionen. Sie sind Fachleute und kennen sich mit den Gepflogenheiten des Gewerbes aus“.
Dass er sich auskennt, kann man von dem Vorsitzender des Ethikrates, Bodo Hombach, früherer Geschäftsführer der WAZ-Gruppe und Vorstand der Brost-Stiftung mit Fug und Recht behaupten: Im Ruhrgebiet kaufte die Funke Mediengruppe (früher WAZ-Konzern) eine Zeitung nach der anderen auf und engagierte sich nach 1989 verstärkt im Osten Europas. Für die Ausweitung des Geschäfts auf dem Balkan wurde Bodo Hombach, der in der SPD eine Top-Karriere machte, in die Geschäftsführung des WAZ-Konzerns/Funke Mediengruppe berufen. Er hatte vorher die Position des EU-Sonder-Koordinators für den Stabilitätspakt in Südosteuropa inne und war als Vorsitzender des sogenannten Regional Table zuständig für die Koordinierung der drei Arbeitsgruppen der Organisation. Er war dort unter anderem verantwortlich für die Themen Freiheit der Medien, Infrastruktur sowie die Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption und Terrorismus. Der richtige Mann also, der seine Beziehungen nutzte, um den dortigen Markt für den WAZ- Konzern aufzurollen.
Nun begleitet er in einem Ethikrat die Arbeit der Redakteure in einem „unabhängigen und gemeinnützigen“ Recherchezentrum.
Der ganze Etikettenschwinden mit den Rechercheverbünden und dem sogenannten investigativen Journalismus öffnet weiter die Schere zwischen der öffentlichen und veröffentlichten Meinung, verschärft die massive Glaubwürdigkeitskrise der Leitmedien, die vielfach statt umfassender Information nur Desinformation liefern und Unliebsames unterdrücken.
Diese Entwicklung musste zwangsläufig eintreten als eine Folge der Konzentration auf dem Medienmarkt, auf dem ein objektiv berichtender und urteilender Journalismus nicht gewährleistet werden kann und nicht gewünscht ist.
Laurenz Nurk, Dortmund (Quellen: wdr, CORRECT!V, waz,)
► Quelle: Erstveröffentlicht am 15.01.2017 auf gewerkschaftsforum-do.de > Artikel. Die Texte (nicht aber Grafiken und Bilder) auf gewerkschaftsforum-do.de unterliegen der Creative Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND 3.0 DE), soweit nicht anders vermerkt.
► Bild- und Grafikquellen:
1. "JOURNALISTS AT PLAY". Das Bundespresseamt hat ein Budget von 142 Millionen und fast 500 Mitarbeiter. (Stand 2023). Auch die einzelnen Ministerien haben Pressestellen, deren Personal durchaus in der Lage wäre, all die Tätigkeiten, die aus diesem neuen Reptilienfonds finanziert wurden, zu erledigen; denn sie sind in der Regel ausgebildete Journalisten.
Verglichen mit dem Budget des BPA ist das auch fast nichts, was da ausgeschüttet wurde. Die Beträge sind nicht so hoch, dass man davon ausgehen könnte, sie würden die betroffenen Journalisten "kaufen".
Zum großen Teil sind es festangestellte Redakteure bei öffentlich-rechtlichen Anstalten; die werden so gut bezahlt, dass ein paar Tausender für eine Moderation oder eine Broschüre gerade mal als Dessert verbucht werden. Und die parteiennahe Personalkultur dieser Einrichtungen sorgte schon vor der Gleichschaltung mit Corona dafür, dass nur die richtige Gesinnung zum Zug kam.
Von der höchst einheitlichen sozialen Herkunft deutscher Mainstreamjournalisten ganz zu schweigen. Foto: Lisa Padilla, San Francisco native, grew up in Marin County, now living in Silicon Valley. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
2. Propaganda-Poster "IHR VERBREITET, WAS MAN EUCH VORGIBT. DANKE KONZERNMEDIEN! OHNE EUCH KÖNNTEN WIR DIE MENSCHEN NICHT MANIPULIEREN!" Bearbeitung/Abwandlung des Propagandaposters welches diese Aussage hatte: "YOU WRITE WHAT YOU`RE TOLD! Thanks, corporate news! We couldn’t control the people without you.”
Zur Geschichte des Original-Propaganda-Posters: Zu Beginn des Vietnamkrieges berichteten damals US-amerikanische Mainstream-Medien in Wort und Bild offen und detailiert über das blutige Gemetzel ihrer Kameraden, bis die Stimmung im Lande und weltweit in Empörung und Ablehnung kippte. Heldentum und Patriotismus waren angekratzt. Die US-Regierung reagierte und beschloß, fortan den Informationsfluß hinsichtlich dessen, was veröffentlicht werden sollte, zu kontrollieren. Man produzierte verharmlosende Propaganda-Informationen und schränkte u.a. auch die Zugangsberechtigung einiger ausgewählter Medienvertreter ein. Irgendwann kreierte jemand dieses Poster als "DANK" für die Manipulation und Einschränkung der Pressefreiheit. Es ist natürlich im sarkastischen Ton gehalten um sich über die Regierung mit diesem Versuch einer Gegen-Propaganda lustig zu machen, sie öffentlich zu blamieren und um beim Betrachter negative Gefühle auszulösen.
Seit dem "hässlichen" Vietmankrieg verloren noch mehr US-Amerikaner ihr Vertrauen, sowohl in ihre Regierung als auch in die Massenmedien. Viele Verlage wurden geschlossen oder "übernommen" und embedded. Es ist mehr als auffällig, daß sie während und nach einem weiteren Krieg oder militärischer Intervention - so grausam, opferbringend und teuer es auch sein mag - am Ende immer positiver an der Seite der Präsidenten stehen, als noch zuvor. Nach 9/11 ist es besonders schlimm. Bush und Obama dürfen sich fast alle Schweinereien nahezu kritiklos erlauben, weil sie - wie auch die Medien - zu Marionetten verkommen sind. Das oben dargestellte Plakat war überall in den USA öffentlich zu sehen und dürfte sein Ziel, die Öffentlichkeit weiter zu sensibilisieren, nicht verfehlt haben.
3. Volker Pispers: "[. . ]"Unsere Nachrichtensendungen sind eine komplette Volksverblödung- und Verarschungsmaschinerie. Und die läuft hier im Dauerbetrieb. Im permanenten Dauerbetrieb. Und es wiederholt sich alles endlos.[. . ]" Originalfoto: Niko Bellgardt, Düren via Wikimedia Commons. Bildidee: Helmut Schnug, Technische Umsetzung: Wilfried Kahrs / QPress.de .