Die Empörungskultur einer geifernden Konsensmeute

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Die Empörungskultur einer geifernden Konsensmeute
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Die Empörungskultur einer geifernden Konsensmeute

Die Zeiten der Freiheit liegen hinter uns.

by Gerhard Mersmann | NEUE DEBATTE

Das geflügelte Wort Voltaires, das besagt, nicht mit dem Gegenüber einer Meinung zu sein, aber alles dafür tun zu wollen, dass es das Recht behielte, diese kundzutun, wird nicht umsonst in diesen Tagen immer wieder zitiert [1]. Es hat, um gleich zur Sache zu kommen, eine bittere Aktualität.

Denn das, was die mittlerweile als inquisitorischer Hexenhammer etablierte Empörungskultur leistet, hat mit den individuellen Freiheiten, die die bürgerliche Demokratie zu gewährleisten vorgibt, nichts zu tun. Obwohl auf der einen Seite von einer Individualisierung der Gesellschaft gesprochen wird, ist gerade das Recht, sich als Individuum zu entscheiden, als eine blasphemische Abart in Verruf gekommen.

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► Die Opfer haben Namen

Insofern ist das, was als Individualisierung so gerne bezeichnet wird, auf der einen Seite die Befreiung von einer Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zu verstehen und auf der anreden Seite die Segnung von Raffgier und Egomanie. Das Recht, sich zu äußern, auch wenn es dem vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens widerspricht, ist damit nicht gemeint. Wer sich gegen das, was als die Meinung der Regierung und ihrer Unterorganisationen stellt, wird zum Paria.

Die Opfer haben Namen, sie heißen Jan Joseph Liefers, Nena oder Joshua Kimmich. Ihre Vergehen, folgt man der geifernden Konsensmeute, sind mal das konkrete Vorgehen der Regierung infrage zu stellen, mal an die Menschen zu appellieren, zu überlegen, was sie mit sich machen lassen und mal sich dafür zu entscheiden, eine abweichende Meinung in der Impffrage zu haben.

journalismus_meinungsfreiheit_luegenpresse_medienhuren_pressefreiheit_leitmedien_meinungsmacher_lobbyismus_freie_presse_kritisches_netzwerk_wikileaks_massenmedien_vierte_gewalt.jpg Was jeweils folgte, war die ‚Heilige Inquisition‘ neudeutscher Färbung. Betrachtet man die „Vergehen“, derer sich die Erwähnten schuldig gemacht hatten, so kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass sich da nicht mehr abgespielt hat als die Meinungsdiversität in einer demokratischen Gesellschaft.

Da Letzteres – die Inquisition – aber zum Normalfall geworden ist, muss geschlussfolgert werden, hapert es gewaltig in Sachen Demokratie. Machen wir uns nichts vor: Die Zeiten der Freiheit liegen hinter uns.

Und die Konditionierung der Bevölkerung auf mentale Hinrichtungsrituale bei Petitessen und dem Verschweigen und Bagatellisieren von gravierenden Unrechtshandlungen oder offensichtlichem Regierungsversagen haben eine Gesellschaft geschaffen, die nicht mehr in der Lage ist, ihren eigenen Idealen zu folgen und die sich zudem noch anmaßt, anderen in der Welt vorzuschreiben, wie sie zu leben [und zu denken; H.S.] haben.

► Gift aus Deutschland

Die bittere Wahrheit kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Befürchtungen, die sich bei vielen Nationen bei der deutschen Wiedervereinigung regten, ihre Berechtigung hatten. Das Kuriose dabei ist die Tatsache, dass die damals befürchtete Entwicklung, Deutschland würde sich zu einer Großmacht klassischer Erscheinung entwickeln, die mit mehr Geld, mehr Militär und mehr Machtgebaren in der Welt um Anteile kämpft, nicht exklusiv eingetreten ist.

Das Imperiale, mit dem aus Deutschland nun die Welt beglückt wird, trägt nicht nur Uniformen, sondern es zitiert die Wissenschaft, hat das Gesicht junger Frauen und appelliert, die Menschenrechte einzuhalten und die Lebensgrundlagen zu erhalten. Nicht schlecht könnte man denken, wenn es nicht getränkt wäre von Autoritarismus, von latentem oder offenen Militarismus, von der Akzeptanz von Kriegen im Namen von vermeintlichen Werten, die im eigenen Land nicht mehr gewährleistet sind, von Dogmatismus, von sozialem Egoismus und einer Verabscheuung all dessen, was erforderlich ist, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten: Gemeinschaft.

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Es ist ein süßes Gift, mit dem der neue deutsche Imperialismus an der Ecke steht und dealt. Aber es bleibt Gift, und die Dosen, mit denen gehandelt wird, sind tödlich.

Gerhard Mersmann

[1] François-Marie Arouet, genannt Voltaire (1694 -1778) war Philosoph und Schriftsteller. Er ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der Aufklärung. Mit seiner Kritik an den Missständen des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie am weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche war er ein Wegbereiter der Revolution in Frankreich 1789.

Es zirkulieren zahlreiche Zitate über Meinungsfreiheit und die Verteidigung der Meinungsfreiheit im Netz, die Voltaire zugeschrieben werden, aber seine eigentliche Aussage nicht oder nur bruchstückhaft wiedergeben. Zur Meinungsfreiheit äußerte sich Voltaire 1765 in seiner Publikation „Questions sur les miracles“, auch bekannt als „Lettres sur les Miracles“:

Das Recht, zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist das Recht eines jeden freien Menschen, das nicht entzogen werden kann, ohne die abscheulichste Tyrannei auszuüben. Dieses Privileg ist … wesentlich für uns … und es wäre unangenehm, wenn diejenigen, denen die Souveränität zusteht, ihre Meinung nicht schriftlich äußern könnten.

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Gerhard Mersmann, Dr. phil., (Jahrgang 1956), gebürtiger Westfale, ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen.

Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Publizistische Aktivitäten durchziehen seine gesamte Biographie. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen. Mersmanns persönliches Blog >> https://form7.wordpress.com/ .


► Bild- und Grafikquellen:

1. outragée - empört. Foto: Joannis Nicolas, Moers. Quelle: Flickr. Die Datei ist mit der Creative Commons Urheberrechtslizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0) liznziert.

2. MEINUNGSFREIHEIT: An das nette Märchen von der Meinungsfreiheit, im Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert, glauben immer weniger Menschen. Foto: Stefan Gara. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

3. Die Atomisierung der Gesellschaft. Gemeinsamkeiten? Fehlanzeige! Andersdenke werden ausgegrenzt, diskreditiert und kriminalisiert. Foto: Susanne Jutzeler, Wohlen / Schweiz. Quelle: Pexels.com/de. Pexels-Lizenz: Du kannst alle Fotos und Videos auf Pexels kostenlos verwenden. Eine Namensnennung ist nicht erforderlich. Dem Fotografen oder Pexels zu erwähnen ist also nicht notwendig, aber wir freuen uns immer. Du kannst die Fotos und Videos auf Pexels ganz nach Wunsch ändern. Lass deiner Kreativität freien Lauf und ändere sie ganz nach Belieben. >> Foto.

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