Faschismus - auch eine psychische Störung?

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Faschismus - auch eine psychische Störung?
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Finstere Zeiten: Brexit, Trumpismus, fast die Hälfte der österreichischen WählerInnen stimmten im Dezember 2016 für Norbert Hofer von der faschistoiden FPÖ. In Deutschland erreichte die rassistische AfD schon bei den Landtagswahlen 2016 zweistellige Ergebnisse. Der Höhenflug der Rechtsaußen ist bedrohlich. In den letzten Ausgaben der Graswurzelrevolution wurde das ausgiebig analysiert(*). Daran knüpft der folgende Beitrag an, der auch psychologische Aspekte des gerne als "Rechtspopulismus" verharmlosten Rechtsnationalismus und Neofaschismus beleuchtet. (GWR-Red.)

Faschismus - auch eine psychische Störung?

Der rechtsnationalistische Höhenflug tiefenpsychologisch und herrschaftskritisch betrachtet

von Emilio Weinberg

Um die gefährliche europaweite faschistoide Entwicklung zu verstehen, ist aus meiner Sicht die Einbeziehung einer tiefenpsychologischen, herrschaftskritischen Perspektive in die Erklärungsversuche notwendig.

Politologische bzw. sozioökonomische Erklärungen sind nicht ausreichend.

Eine fundierte psychoanalytische Sozialpsychologie fragt auf der Ebene des Subjekts: "Worin besteht die psychische Attraktivität einer Identifikation mit bestimmten Aspekten der Gesellschaft? Also, warum übernehmen Individuen etwa antisemitische, rassistische, homophobe oder sexistische Ressentiments, welcher Konflikt, welche inneren Widersprüche, werden mit diesen Ideologemen, diesen gesellschaftlichen Angeboten, schiefgeheilt? Aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive auf die Einzelnen wiederum fragen wir, welche objektiven gesellschaftlichen Strukturen das Subjekt auf eine Position werfen, in welcher die Regression in etwa faschistische Ideologien subjektiv attraktiver wird als das Streiten um eine bessere Gesellschaft, welche weniger schmerzhafte Konflikte produziert." [1]

Diese gesellschaftskritische, teils herrschaftskritische, psychoanalytische Perspektive gibt es schon lange. Drei Meilensteine dieser Perspektive seien hier genannt: Wilhelm Reichs Analyse aus dem Jahre 1933: "Die Massenpsychologie des Faschismus", Erich Fromms Untersuchung (1973): "Anatomie der menschlichen Destruktivität" und das von Emilio Modena 1998 herausgegebene Buch "Das Faschismus-Syndrom. Zur Psychoanalyse der Neuen Rechten in Europa".

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Zurzeit ist leider eine "umgekehrte Psychoanalyse" im Aufschwung begriffen und feiert in einem großen Maße ihre Triumphe. Statt das dumpf im psychischen Untergrund Schwelende und die frei flottierenden Ängste der Menschen zu klären und ins Bewusstsein zu heben, eignet sich der faschistische Agitator beziehungsweise "Rechtspopulist" diesen "Rohstoff" so an, wie er bereit liegt, und setzt ihn für seine Zwecke in Gang.

Tiefenpsychologisch und herrschaftskritisch betrachtet, wird sich zeigen, wie es die ProtagonistInnen der FPÖ und AFD schaffen, "total verschiedene Ebenen unserer psychischen Konflikte zu mobilisieren und zu kanalisieren, sich zugleich unserer realen Konflikte bedienen, alles miteinander vermischen und mit einem explosiven Gemisch aus Realangst, Gewissensangst (Schuld-Angst) und neurotischer Angst Politik machen." [2]

Der Psychologie-Professor Peter Brückner (1922 - 1982), der wegen seines politischen Engagements in den 1970er Jahren zu einer Symbolfigur der emanzipatorischen Neuen Sozialen Bewegungen in Westdeutschland wurde, spricht grundlegend von einem "Faschismus der Gefühle - weit weg vom Kopf". Mitunter wird auch heute ein - anarchistisch gewaltfreies - Erwachsenenbewusstsein von Regungen überrascht und manchmal auch überrumpelt, die plötzlich aus den Tiefenschichten der Psyche aufsteigen, in denen oft auch noch jede Menge "faschistoides Gerümpel" herumliegt, das die Nazi-Vorfahren durch "transgenerationale Transmission" dort hinterlassen haben.[Erg. ADMIN H.S. siehe Artikel]

Peter Brückner schildert in seinem autobiographischen Buch "Das Abseits als sicherer Ort" eine ähnlich ambivalente Szene. Er, der sich damals bereits als Antifaschist und Linker begriff, erschrak über eine Regung, die sich seiner angesichts eines elenden russischen Kriegsgefangenen bemächtigte, dem er 1943 begegnete. Obwohl er wusste, wie brutal russische Kriegsgefangene in deutschen Lagern behandelt wurden, empfand er angesichts des zerlumpten Mannes Abscheu. Begriffe wie "asiatischer Untermensch" schossen ihm durch den Kopf und färbten seine Wahrnehmung ein: "Obwohl ich - oder vielleicht gerade weil ich - glaubte, dergleichen Residuen des Faschismus bei mir nicht suchen zu müssen, hatten sie sich meiner Spontaneität bemächtigt."

Der Gefangene sprach ihn an. "Er sprach fließend deutsch. Es stellte sich heraus, dass er ein Filmregisseur aus Leningrad war. Man kann wohl sagen, dass ich Glück gehabt habe: dass er mich ansprach, und wie er das tat, durchbrach schlagartig den spontanen 'Sekunden-Mechanismus' der Wahrnehmung. Ich hatte Glück (?), weil man eine solche Lehre nicht wieder vergisst."

► Sozialisation und narzisstische Schädigung

Auch der Rebell, die Revoltierende oder der gewaltfreie Anarchist werden in dieser Gesellschaft sozialisiert. Alle, die ProtagonistInnen des Widerstandes, die "schweigende Mehrheit" und auch die Herrschenden und ihre HelferInnen sind eingebunden in die permanente Sozialisation in ein destruktives Herrschaftssystem.

Die zwar "grobe", aber tendenziell doch zutreffende Einteilung der sozialen Rollen bzw. Funktionen in den gegenwärtigen kapitalistischen Herrschaftssystemen:

1. in exekutive, ausführende Rollen - für ca. 88% der Menschen

2. in dispositive Rollen für ca. 11%

3. in strategische Rollen für ca. 1% bedingt eine entsprechend differenziert zu betrachtende Sozialisation.

Auch aufgrund der faktisch lebenslangen Sozialisation zum Ausführenden - nicht nur am Arbeitsplatz - dann zum Opportunismus, zur Unterwürfigkeit gegenüber Autoritäten, also zum "Untertanen", leiden potentiell ca. 88% der Menschen in den gegenwärtigen Herrschaftssystemen an einer "narzisstischen Schädigung", die sich in Minderwertigkeitsgefühlen bzw. in brüchigem Selbstwerterleben und starkem Ohnmachtserleben ausdrückt. [3]

Die narzisstische Schädigung der "Dispositiven", derjenigen, die der sogenannten Zwischen-Schicht als AkademikerInnen mit einer gewissem Verfügungsgewalt und Entscheidungsspielraum angehören und auch der elitären "Strategen" (z. B. Top-Manager) zeigt sich oft in einer arroganten Haltung und unrealistischen Selbstüberschätzung bzw. in ausgeprägten Größenphantasien, die aber fragil sind und in sich zusammenfallen können.

Narzisstische Schädigungen sind leider eine sehr fruchtbare Grundlage der Empfänglichkeit für rechte, nationalistische bzw. faschistoide Ideen, die einen Gruppennarzissmus mobilisieren: "Wir sind die fleißigen Deutschen" ("Wir sind Deutschland"). So wird nicht der Einzelne selbst, sondern die Gruppe, derer er angehört, Gegenstand seiner Libido bzw. seiner kompensatorischen Größenphantasien, durch die er dann selbst erhöht wird.

So kann gerade das "armseligste" Mitglied der Gruppe durch dieses Erleben, ein Teil der "wundervollsten Gruppe der Welt" zu sein, sich entschädigt fühlen. Es findet also für alle eine permanente Verinnerlichung der Normen und der das bestehende System stabilisierenden Verhaltensweisen statt. Dabei entsteht auch ein Geflecht unbewusster Prozesse des "Gesellschaftlichen Unbewussten": "Unbewusst muss (auch) all das werden, was die Stabilität der Kultur, vor allem aber ihre Herrschaftsstruktur bedroht". [4]

Laut Mario Erdheim ist das gesellschaftliche Unbewusste gleichsam ein Behälter, "der all die Wahrnehmungen, Phantasien, Triebimpulse aufnehmen muss, die das Individuum in Opposition zu den Interessen der Herrschaft bringen könnte". Die Sozialisation im Rahmen herkömmlicher Familien führt zur Ausbildung einer "inneren Selbstzwangsapparatur" (Norbert Elias), die dafür sorgt, dass sich die Menschen oft in ein trostloses Schicksal fügen und eher ein Leben in stiller Verzweiflung bzw. "Kollektiver Trance" führen, als sich aufzulehnen. Diese haben, wie Heinrich Heine bemerkte, den Stock, mit dem man sie geschlagen hat, verschluckt.

Menschen im Widerstand, wie auch ich, haben eher versucht, den Stock wieder auszuspucken. Dies ist ein schwieriger Prozess der Befreiung, der nur durch eine umfangreiche Selbst-Erfahrung, Selbst-Analyse und -Reflexion mit anderen gemeinsam in der Gruppe, unbedingt auch in politischen Aktions-Gruppen, realisiert werden kann.

► Realangst

Durch die neoliberale Globalisierung des Kapitalismus verursachte totale Ökonomisierung, zunehmende Privatisierung, Prekarisierung der Arbeitsbedingungen bzw. die reale ungerechte Umverteilung von unten nach oben, häufen sich aus meiner Sicht reale Ängste, vor Arbeitsplatzverlust, Abstiegsängste und auch Verlustängste für wohlhabendere Schichten, die sich auch auf Rollenverluste z.B. der "Definitionsmacht" beziehen.

Darüberhinaus macht manchen Menschen die zunehmende Zerstörung unserer Lebensgrundlagen Angst, ebenso die Realangst vor der Klimakatastrophe oder vor einem atomaren Krieg.

Der Soziologe Armin Nassehi in der taz vom 31.12.2016: "Es gibt ganz ohne Zweifel ein Problem mit der ökonomischen Prekarisierung mancher Bevölkerungsgruppen, aber damit lässt sich der Erfolg rechtspopulistischen, fremdenfeindlichen und reaktionären Denkens nicht erklären. (...) Es gibt inzwischen ein Prekariat in den wohlsituierten Schichten. Diese sind Modernisierungsverlierer in dem Sinn, dass sie die Autorität verloren haben, widerspruchsfrei zu sagen, was das richtige Leben sei. (?) Der Rechtspopulismus in ganz Europa hat jedenfalls den Fokus von den Verteilungsfragen auf die kulturellen Definitionsfragen verlagert."

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Nassehi scheint sich dabei auf die Theorie der "Kulturellen Hegemonie" von Antonio Gramsci zu beziehen. Er betont, dass die Fünfziger Jahre die Utopie der AfD verkörpern würden. "Fünfziger Jahre" meiner Erinnerung nach: Die Phase der Konformität, die kleinkarierte Zeit des beginnenden "Wirtschaftswunders", die anhaltende bleierne Dominanz der "autoritären Charaktere" in den Schaltstellen der Macht, u.a. die Kontinuität der Nazi-Richter, -Staatsanwälte in der Justiz.

Die Verleugnung und Verdrängung der Nazi-Verbrechen war bestimmend für diese Zeit, ebenfalls die erlaubte Prügelstrafe, der Rollenzwang "Heim und Herd" für die Frau, die sexuellen Tabus, die Homophobie, die Paragraphen 218 oder 175, schließlich die kitschigen "Heile Welt - Filme". Da will die AfD laut AfD-Grundsatzprogramm wieder hin.

Die Restaurierung der "Fünfziger Jahre" als Angst-Bewältigung wäre eine erschreckende "Schiefheilung".

► Gewissens-Angst bzw. Schuld-Angst:

"Gewissens-Angst ist Angst vor Schuld", schreibt Horst-Eberhard Richter in seinem Buch "Umgang mit Angst" aus dem Jahr 1992. Im Kontext psychischer Störungen käme Gewissensangst in vielfältigen Varianten und Maskierungen zum Vorschein.

Sie könne sich im Selbsthass von Depressiven, in manchen Obsessionen von Zwangsneurotikern und Phobikern und in den Erscheinungsformen des moralischen Masochismus ausdrücken. Aber auch in vielen Alltagskonflikten spielt Gewissens-Angst bzw. Schuld-Angst eine erhebliche Rolle. In zahlreichen Paar-, Familien- und Gruppen-Konflikten gehen die Auseinandersetzungen im Grunde darum, dass Schuldige benötigt werden, um sich selbst rein und integer fühlen zu können. Ein Beispiel: Ein Paar hat sich nach jahrelang kompliziertem Zusammenleben auseinandergelebt. Im Grunde wünschen beide insgeheim die Trennung. Indessen erschreckt beide der Gedanke, sich mit der Schuld über die fällige Entscheidung zu belasten. Beide wollen eher Opfer sein, niemand als Täter aus dem Konflikt herauskommen.

Schuldangst ist gerade in Deutschland aufgrund der unfassbaren Verbrechen der Nationalsozialisten sehr verbreitet und über den Weg der "transgenerationalen Transmission" auch in den Tiefenschichten der Psyche der Kindes- und Kindeskinder der Erwachsenen-Generation der Nazi-Zeit vorhanden, also auch bei uns. Diese tiefe Schuldangst wird aktuell durch faschistoide Politik instrumentalisiert und kanalisiert, findet sich in den Inszenierungen als Opfer der vermeintlichen "Flüchtlings-Flut". Aufkommende Schuldgefühle - "Ich müsste eigentlich helfen - gerade wir Deutschen - , tue dies aber nicht" - werden unbewusst abgewehrt und in Anklagen gewendet. Die ursprünglich leidenden Opfer werden zu Tätern umdefiniert. Zu Tätern, die "die fleißigen Deutschen überfluten und ausplündern wollen".

Nationalsozialismus-D-Day-Reichsadler-Adolf-Hitler-Kritisches-Netzwerk-NSDAP-Nazi-nazism-Third-Reich-Voelkermord-Ruestungsindustrie-Russenfeindlichkeit-Wehrmacht

► Neurotische Ängste:

⇒ Versagens-Angst

Im Zusammenhang mit den oben beschriebenen narzisstischen Schädigungen, aufgrund des brüchigen Selbstwerterlebens und mangeldem Selbst-Vertrauens, treten häufig Ängste vor dem Versagen auf. Versagens-Angst ist auch immer eine Angst vor der Konkurrenz: Der Andere kann in der kapitalistischen Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft immer der Gewinner sein und ich der Verlierer, der versagt.

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"Ich schaffe es nicht (mehr). Ich habe Angst, es nicht (mehr) zu schaffen. Andere schaffen es." Das drückt zunehmend die Befindlichkeit vieler Menschen aus. Versagens-Angst wird ebenfalls von Rechts-Außen bzw. Nationalisten instrumentalisiert und kanalisiert, indem ein abgeschottetes Deutschland als Lösung propagiert wird, wo kein Geflüchteter - als Konkurrent - mehr den Deutschen etwas wegnehmen könne.

Vernichtungs-Angst

Viele Menschen fragen sich, wie es sein kann, dass häufig gerade Opfer von massiver Gewalt und Vernichtung, von Krieg und Vertreibung oder anderen schrecklichen Bedrohungen, später selbst "vernichtende" Tendenzen entwickeln. Die unbewusste Angst-Abwehr-Strategie der "Identifikation mit dem Aggressor" bewirkt dies. Die überflutenden Vernichtung-Ängste sind kaum aushaltbar. Das traumatisierte Opfer und manchmal auch deren Kinder und Kindeskinder wechseln in ihrem unbewussten inneren Erleben gewissermaßen die Seiten. Ein unbewusster Rollen-Tausch findet statt. Nun sind die Vernichtungs-Ängste nicht mehr zu spüren, sie sind gebannt. Dann erleben sich die ursprünglichen Opfer eher als stark und mächtig.

Das erklärt u.a. möglicherweise auch, warum gerade im Raum Dresden PEGIDA einen solch großen Zulauf hat und dort Rassismus so sehr verbreitet ist. Nach meinem Erkenntnisstand wohnen in dieser Region überdurchschnittlich viele ehemals selbst Geflüchtete und Vertriebene bzw. deren Kinder und Kindeskinder.

Wenn nun die oben beschriebenen Real-Ängste raffiniert vermischt werden mit Schuld-Ängsten, Versagens-Ängsten oder Vernichtungs-Ängsten und mit dieser Mixtur auf dem rassistischen und faschistoiden Klavier gespielt wird, ist es für die von diesen Ängsten Betroffenen schwer, den Verführungen von Rechtsaußen zu widerstehen.

⇒ Anarchisten und Faschisten

Für Menschen mit anarchistischem Selbstverständnis ist folgende Einschätzung zur besonderen Beziehung von Faschisten und Anarchisten interessant.

"Der Anarchist ist im Inneren des Faschisten anwesend in Gestalt seiner verdrängten Begierden und unterdrückten Wünsche." Der Faschist hält in sich ein anarchistisches Double gefangen, das ins Freie möchte und lebendig sein will und dessen Gefangenschaft er verewigt, indem er gegen die Anarchisten draußen zu Felde zieht. "Äußeres weist innen auf Verschüttetes", wie der Schweizer Schriftsteller Reto Hänny einmal geschrieben hat. Wenn sich bei anderen Menschen Wünsche nach einem Mehr an Autonomie und Lust regen, geraten das Anpassungsgefüge und die Festigkeit der Triebverdrängung des Faschisten in Gefahr. Überall sieht er die Kellerratten der Revolution "aus der Tiefe" herausdrängen und das Land überfluten. Überall muss er "Sümpfe trockenlegen" und "Sauställe ausmisten". "Der Hass des Faschisten ist ein Hass auf Teile der eigenen Person, auf abgewehrte und mühsam in Schach gehaltene eigene Triebwünsche und Begierden." [5]

► Wie nun mit all dem umgehen? Was tun?

Meine ersten Ideen: Wir können in Aktions-Gruppen der sozialen und ökologischen Bewegungen die "Selbsterfahrung" und Bewusstmachung der Internalisierungen und des "Gesellschaftlichen Unbewussten", wie es in der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen (FöGA) gute Praxis war, wieder mehr beleben.

Ich wünsche mir, dass wir eine attraktive, lebensfreundliche, wohlwollende auch lustvolle, herrschaftskritische ko-kreative Kommunikations- und Organisations-Kultur des Widerstands entwickeln.

Als Vorgriff auf eine gewaltfreie und herrschaftslose Gesellschaft gilt es, noch mehr konstruktive Alternativen "eines guten Lebens", Modelle bzw. "Inseln einer solidarischen und selbstorganisierten Arbeits- und Lebensweise zu schaffen". Den Diskurs können wir über den Zusammenhang von psychischer Befindlichkeit, Angstabwehrstrategien, "Schiefheilung" und politischer Position fördern, indem wir den faschistoiden Kräften konsequent entgegentreten - mit direkten Aktionen des Zivilen Ungehorsams.

Sinnvoll ist aus meiner Sicht auch, den Dialog mit einzelnen Personen aus AfD, FPÖ, Pegida usw. zu suchen und zu versuchen, diese zum Ausstieg zu motivieren. Psychotherapie-Angebote z.B. für alle AfDler, besonders für Ausstiegswillige und ins Schwanken Gekommene, propagieren, denn "Rechtsaußen-Sein" ist auch eine psychische Störung.

Emilio Weinberg

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Quelle: Erstveröffentlicht auf graswurzel.net im Verlag Graswurzelrevolution, Februar 2017 > GWR 416 > Artikel. Bei Interesse bitte GWR unterstützen - weiter.

graswurzelrevolution

1. Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft

2. tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, in der durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschaft werden sollen.

anarchismus_schwarze_fahne_anarchy_authority_herrschaft_hierarchie_freiheit_selbstbestimmung_revolution_kritisches_netzwerk_widerstand_staatsgewalt_resistance_pluralismus_anarchie.pngWas bedeutet Graswurzelrevolution?

Graswurzelrevolution bezeichnet eine tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzung, in der durch Macht von unten alle Formen von Gewalt und Herrschaft abgeschafft werden sollen. Wir kämpfen für eine Welt, in der die Menschen nicht länger wegen ihres Geschlechtes oder ihrer geschlechtlichen Orientierung, ihrer Sprache, Herkunft, Überzeugung, wegen einer Behinderung, aufgrund rassistischer oder antisemitischer Vorurteile diskriminiert und benachteiligt werden.

Wir streben an, daß Hierarchie und Kapitalismus durch eine selbstorganisierte, sozialistische Wirtschaftsordnung und der Staat durch eine föderalistische, basisdemokratische Gesellschaft ersetzt werden. Schwerpunkte unserer Arbeit lagen bisher in den Bereichen Antimilitarismus und Ökologie.

Unsere Ziele sollen - soweit es geht - in unseren Kampf- und Organisationsformen vorweggenommen und zur Anwendung gebracht werden. Um Herrschafts- und Gewaltstrukturen zurückzudrängen und zu zerstören, setzen wir gewaltfreie Aktionsformen ein. In diesem Sinne bemüht sich die anarchistische Zeitung Graswurzelrevolution seit 1972, Theorie und Praxis der gewaltfreien Revolution zu verbreitern und weiterzuentwickeln.



► Anmerkungen

Emilio Alfred Weinberg M.A. ist Psychotherapeut und Sozialtherapeut und seit vielen Jahren im sozialökologischen Widerstand aktiv. Der Graswurzelrevolutionär gehört u.a. der offenen Plattform ausgeCO2hlt und dem Netzwerk ZUGABe an. Er ist Mitinitiator des Bündnisses gegen Braunkohle im Rheinischen Revier.

[*] vgl. Wie ist der Nationalismus zu stoppen? Der faschistische AfD-Flügel, in: GWR 415, S. 3ff.

[1] Tom David Uhlig in: Jungle World, 22.11.2016. Er ist freier Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank und Mitherausgeber der "Freien Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie". Gemeinsam mit Charlotte Busch und Martin Gehrlein veröffentlichte er u.a. den Sammelband "Schiefheilungen. Zeitgenössische Betrachtungen über Antisemitismus" (2016. VS-Verlag).

[2] Klaus Ottomeyer. Rechtstrend und Haider-Faszination in Österreich, in: Emilio Modena (Hg.) Das Faschismus-Syndrom. Zur Psychoanalyse der neuen Rechten in Europa. Psychosozial-Verlag. Gießen. 1998. S.99

[3] vgl. Milgram-Experiment. Stanley Milgram kommentierte selbst die Ergebnisse seines nach ihm benannten Experiments: "Ich habe ein einfaches Experiment an der Yale-Universität durchgeführt, um herauszufinden, wie viel Schmerz ein gewöhnlicher Mitbürger einem anderen zufügen würde, einfach weil ihn ein Wissenschaftler dazu aufforderte. Starre Autorität stand gegen die stärksten moralischen Grundsätze der Teilnehmer, andere Menschen nicht zu verletzen, und obwohl den Testpersonen die Schmerzensschreie der Opfer in den Ohren klangen, gewann in der Mehrzahl der Fälle die Autorität. Die extreme Bereitschaft von erwachsenen Menschen, einer Autorität fast beliebig weit zu folgen, ist das Hauptergebnis der Studie, und eine Tatsache, die dringendster Erklärung bedarf."

[4] Mario Erdheim. Die gesellschaftliche Produktion von Unbewußtheit, Frankfurt a. M. 1984.

[5] Götz Eisenberg. "Der Hass auf das Lebendige. Anmerkungen zur Sozialpsychologie des Faschismus - einst und jetzt", in: www.theoriekritik.ch/?p=3111. Götz Eisenberg, geb. 1951, ist Sozialwissenschaftler und Publizist. Er lebt in Gießen und arbeitete mehr als drei Jahrzehnte lang als Gefängnispsychologe im Erwachsenenstrafvollzug. In der Edition Georg Büchner-Club erschien im Juli 2016 unter dem Titel "Zwischen Arbeitswut und Überfremdungsangst" der zweite Band seiner Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus. Dort hat er soeben unter dem Titel "Es ist besser, stehend zu sterben als kniend zu leben! No pasarán!" auch ein Bändchen zum Spanischen Bürgerkrieg veröffentlicht.

► Bild- und Grafikquellen:

1. Buchcover: "Die Massenpsychologie des Faschismus" von Wilhelm Reich. Mit seiner »Massenpsychologie des Faschismus« (1933) schuf Reich eines der Referenzwerke für die kritische Auseinandersetzung mit alten wie neuen faschistischen Bewegungen. Der streitbare Psychoanalytiker und Soziologe war der Erste, der mit scharfem analytischen Blick den grundlegenden Zusammenhang zwischen autoritärer Triebunterdrückung und faschistischer Ideologie durchschaute. In seinen Augen entspringt der Faschismus einer irrationalen Charakterstruktur des modernen Menschen, die, so steht zu vermuten, auch im dritten Jahrtausend weiter fortbesteht. (Anaconda Verlag, 352 Seiten, geb., Sonderausgabe.)

2. Buchcover: "Anatomie der menschlichen Destruktivität" von Erich Fromm. (Textauszüge - weiter.)

„Mit dem Buch «Anatomie der menschlichen Destruktivität» wird dem deutschsprachigen Publikum wohl das bedeutendste Werk des international bekannten Sozialpsychologen Erich Fromm vorgelegt – zugleich handelt es sich hier um einen der wichtigsten Beiträge zur Geistesgeschichte des Menschen, möglicherweise sogar um die Grundlage zu einer neuen Ethik.

Erich Fromm gelingt der schlüssige Beweis, daß es nicht die Aggression schlechthin gibt, jenen Begriff, der als Erklärung für alle Gewaltsamkeiten in unserer Gesellschaft dienen muß. Fromm unterscheidet vielmehr zwischen der biologisch angepaßten, defensiven Aggression und einer zweiten Form, «die nur für den Menschen kennzeichnend ist und die er nicht mit anderen Säugetieren teilt: seine Neigung zu töten und zu quälen, und zwar ohne Ursache, sondern als Ziel, das in sich selbst wünschenswert und lustvoll ist».

Fromm bezeichnet diese Art von Aggression als Destruktivität, und diagnostiziert sie als eine charakterbedingte Leidenschaft. Er bestreitet energisch die Theorie, daß die «böse» nicht zur Selbsterhaltung bestimmte Aggression dem Menschen biologisch-neurophysiologisch eingebaut ist. Damit bezieht Fromm einen der Aggressionstheorie von Konrad Lorenz diametral entgegengesetzten Standpunkt.

Da Fromm überdies, nach gründlicher Auswertung aller vorhandenen Forschungsergebnisse der Paläonthologie und Anthropologie, der Neurophysiologie und der Tierpsychologie, den Determinismus der Neo-Behavioristen um Skinner widerlegt, schafft er so eine dritte Position in der Aggressionsdiskussion.

3. Buchcover: "Das Faschismus-Syndrom. Zur Psychoanalyse der Neuen Rechten in Europa" herausgegeben von Emilio Modena. Verlag: Psychosozial-Verlag; 435 Seiten, Broschur, ISBN-13: 978-3-9321-3304-6.

Die hier versammelten Beiträge zeichnen mosaikartig ein erschreckend klares Bild von der Gefährdung der Demokratie. Das »Faschismus-Syndrom«, weitgehend identisch mit Adornos »autoritärem Charakter«, ist der immer noch fruchtbare Schoß, der aufgrund einer massenhaften Regression zu primärprozesshaftem Denken und Fühlen die Monster gebiert. Unter existenziellem Druck beginnen sich immer emhr Menschen so zu verhalten wie Borderline-Persönlichkeiten. Das ist die Stunde der rechtsextremen Führer und Aktivisten, deren ressentimentgeleitete Heisversprechen nun wie magisch gegelaubt werden müssen - und können - die Kräfte der Vernunft geweckt und soziale Solidarität mobilisiert werden.

4. NIE WIEDER - NEVER AGAIN - PLUS JAMAIS. KZ-Gedenkstätte DACHAU (München) - Dachau, www.kz-gedenkstaette-dachau.de. Foto: Massimiliano Giani, Concorezzo (Monza / Milano), Italy.  Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

5. Sticker gegen Rechtspopulismus: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Rechtspopulismus lesen sie ein Geschichtsbuch oder fragen sie ihre Großeltern. Foto: Andreas Issleib. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

6. Hitler´s Eagle - Spuren der Vergangenheit: Reichsadler 1935–1945. Foto: Thomas Strosse, Tielt / Belgien. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0).

7. Buchcover: "Umgang mit Angst" von Horst-Eberhard Richter. Verlag: Psychosozial-Verlag; 318 Seiten, Broschur, ISBN-13: 978-3-8980-6851-2.

Angst ist ein unabweisbares Element des Lebens. Um unser Verhalten im privaten Alltag und am Arbeitsplatz, um unsere Reaktionen in Konflikten und nicht zuletzt auf politische Umstände genauer zu verstehen, müssen wir überall mit unserer Angst rechnen. Mit Angst vor Isolation oder Überwältigung, vor Versagen oder Beschämung, vor unserem Gewissen, vor Elend oder Tod. Zu achten haben wir auch auf die verwirrenden Effekte, wenn in Partnerschaften gegensätzliche Angsttypen wie Trennungsangst und Umklammerungsangst aufeinanderprallen. Je hartnäckiger Angst verleugnet wird, umso leichter bahnt sie sich mithilfe unbewusster Mechanismen schädliche Wege.

In 40 Jahren psychoanalytischer Praxis und Forschung hat sich Horst-Eberhard Richter durchgehend mit dem Thema Angst beschäftigt. In diesem Buch zeigt er anhand vieler anschaulicher Beispiele, wie Angst entsteht, in welchen durchsichtigen oder verschlüsselten Formen sie sich ausprägt, welche krankhaften, aber auch welche heilvollen Reaktionen sie auszulösen vermag. Dank seiner verständlichen Schreibweise ist »Umgang mit Angst« auch Laien zu empfehlen. (Verlagstext)

8. NAZIS KAPUTTKNUDDELN. Foto: Christian Mayrhofer. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-NC-ND 2.0).

9. Die schwarze Fahne ist ein traditionelles anarchistisches Symbol. Urheber: Jonathan Spangler. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“ lizenziert.