Steigende Preise: Das Geschäft mit der Inflation

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Steigende Preise: Das Geschäft mit der Inflation
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Steigende Preise: Das Geschäft mit der Inflation

Preisdatenbank könnte Gewinninflation eindämmen

Von KONTRAST Redaktion | Magazin KONTRAST.at

Eine aktuelle Studie des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. - zeigt, dass ein Teil der massiven Teuerung nicht mit höheren Kosten zu erklären ist. Stattdessen würden Unternehmen die Inflation als Vorwand verwenden, um ihre Preise überproportional zu erhöhen und so ihre Gewinne zu steigern. Das würde auch für Österreich gelten, sagt der Direktor des WIFO, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung mit Sitz in Wien, Gabriel Felbermayr.

Die Reallöhne sinken in Österreich heuer um rund 4 Prozent. Die Inflation trifft auch viele Unternehmen hart. „Wir werden aufgrund der hohen Preise alle ärmer“, fasste das Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher einmal zusammen. Doch Kochers Darstellung hat mit der Realität nicht viel zu tun: Denn während die Sozialmärkte überfüllt [1] sind und sich 20 Prozent der Bevölkerung nur noch lebensnotwendige Güter leisten können, haben manche ein Geschäft aus der Teuerung gemacht.

Sozialmarkt_Sozialmaerkte_Sozialkaufhaus_Sozialkaufhaeuser_Armut_Armutsgefaehrdung_Armutsschwelle_Verarmung_Verelendung_Kritisches-Netzwerk

► Gewinnsteigerungen der Unternehmen heizen Preise weiter an

Die aktuelle Studie des ifo Instituts zeigt, dass die Unternehmen mancher Branchen die Preise deutlich stärker erhöhten, als es aufgrund der Kosten gerechtfertigt wäre. Die Studie vergleicht, grob gesagt, die Preiserhöhungen, die die Branchen betrafen, mit den an die Konsument:innen weitergegebenen Preisen. Dabei stechen vor allem folgende Bereiche heraus: Die Preise von landwirtschaftlichen Produkten wurden um 60 Prozent teurer als nötig. Das Baugewerbe erhöhte seine Preise um 20 Prozent und der Handel um 9 Prozent stärker, als man erwarten konnte. Die Ökonom:innen kommen in ihrer Studie zu dem Schluss:

Unternehmen haben in einigen Wirtschaftsbereichen trotz steigender Kosten ihre Gewinne ausweiten können und damit die Inflation auf der Verbraucherstufe sogar noch verstärkt“. Deutschland habe daher „ganz offensichtlich auch eine Gewinninflation“.

Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO), Gabriel Felbermayr erklärte auf Twitter, dass dies in Österreich wohl nicht anders sei.

 

Sehr interessant. In Ö wohl nicht anders. Kein Beleg für Unmoral oder gar Gesetzesbruch, sondern für die Effekte sehr laxer Geld- und Fiskalpolitik, erstere über viele Jahre, und damit verbundene hohe Nachfrage.@WIFOat @ifo_Institut https://t.co/hckkmUtrUD

— Gabriel Felbermayr (@GFelbermayr) December 13, 2022

► Warum die Preise steigen

Die massive Überinflation bei den landwirtschaftlichen Produkten erklären sich die Ökonom:innen dadurch, dass Lebensmittel oft global gehandelt werden würden. Durch den Ukraine-Krieg [den westliche Politiker im erheblichen Maße mitzuverantworten haben! H.S.] ist es in vielen Bereichen zu einer weltweiten Verknappung mancher Güter gekommen und das schlägt sich auch auf die heimischen Preise nieder. Weniger leicht erklärbar ist es hingegen, dass auch Preise im Bau und im Handel so stark zugelegt haben. Schließlich gibt es hier keine Orientierung an Weltmarktpreisen.

Dies lässt nur den Schluss zu, dass hier offenbar viele Unternehmen die Gunst der Stunde genutzt haben, über die Verteuerung der Vorleistungsbezüge hinaus ihre Preise anzuheben“, schlussfolgern die Ökonom:innen.

Diese Preisrally nach oben funktioniere deshalb, weil alle Unternehmen einer Branche dabei mitmachen. Sobald ein Unternehmen ausschert, würde der Markt die Preise wieder regulieren, glauben die Ökonom:innen. Übergewinnsteuern und andere Eingriffe in die Preisbildung lehnen sie deshalb auch ab.

Diese Einschätzung ist auch unter Ökonom:innen umstritten: Für Energiekonzerne wurde die Einführung einer Übergewinnsteuer schon EU-weit beschlossen – wenn auch nur bescheiden. Historisch wurde schon öfter mit Steuern oder anderen Maßnahmen erfolgreich in die Preisbildung unter anderem während Kriegs- und Krisenzeiten eingegriffen.

► Preisdatenbank könnte Gewinninflation eindämmen

Stephan-Schulmeister-Prosperitaet-Unterwerfung-Neoliberalismus-Marktreligioestitaet-liberale-Marktwirtschaft-Marktkraefte-Marktradikalismus-Kritisches-Netzwerk-von-Hayek-Keynes Auf eine andere Maßnahme, um diese „Gewinninflation“ zu beenden, müssten sich eigentlich alle einigen können: mehr Preistransparenz am Markt. Stephan Schulmeister, einer der wichtigsten Ökonomen Österreichs, machte im Kontrast-Interview einen Vorschlag dazu:

Man könnte sämtliche Handelsketten in Österreich verpflichten, täglich ihre Datenbank über die Waren und die Preise online zu veröffentlichen. Wenn Lebensmittelketten mit enormer Marktmacht in Krisenzeiten in die Versuchung geraten, die Preise etwas mehr zu erhöhen als gerechtfertigt ist, dann ist mehr Markttransparenz ein Gegenmittel.

Dann könnte zum Beispiel die 'Agentur für Markttransparenz' oder eine andere Tochter des Staates eine Software für diese Plattform entwickeln, die jedem Haushalt ermöglicht, den kostengünstigsten Einkaufszettel zusammenzustellen. Dadurch würde endlich einmal eine wirkliche Preistransparenz entstehen.

Redaktion Magazin KONTRAST
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Das sozialdemokratische Magazin KONTRAST.at begleitet mit seinen Beiträgen die aktuelle Politik. Wir betrachten Gesellschaft, Staat und Wirtschaft von einem progressiven, emanzipatorischen Standpunkt aus. KONTRAST wirft den Blick der sozialen Gerechtigkeit auf die Welt. Damit wollen wir vor und während des Prozesses der parlamentarischen Gesetzwerdung komplexe Sachverhalte verständlich machen. Darüber hinaus geht es uns darum, Fragen und Argumenten abseits des Mainstreams Raum zu geben und aktuelle Debatten um neue Perspektiven zu ergänzen.

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► Quelle: Der Artikel von der hauseigenen Redaktion erschien am 14. Dezember 2022 als Erstveröffentlichung im Online-Magazin KONTRAST.at. >> Artikel. Für die Texte und Grafiken auf KONTRAST.at gilt die Creative-Commons-Lizenz-Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0). ACHTUNG: Bilder, in deren Beschriftung „APA Picturedesk“ zu finden ist, dürfen nicht frei weiterverwendet werden – sondern müssen von jedem Medium eigens angeschafft werden. (Betrifft Titelbilder wie auch eingebettete Bilder.)

ACHTUNG: Die Grafik ist Bestandteil der Originalveröffentlichung, die Bilder sind KEIN Bestandteil und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. folgende Kriterien oder Lizenzen, s.u.. Grünfärbung von Zitaten im Artikel und einige zusätzliche Verlinkungen wurden ebenfalls von H.S. als Anreicherung gesetzt. 


► Bild- und Grafikquellen:

1. und Fussnote [1] Immer mehr Menschen einer drastisch abrutschenden Mittelschicht können sich den Einkauf in einem normalen Supermarkt nicht mehr leisten und gehen in einen Sozialmarkt. Die Märkte verzeichneten in den letzten Monaten um über 35 % mehr KundInnen. Das Ziel: ein volles Einkaufswagerl um 10 Euro. All das, während die Lebensmittelspenden zurückgehen und gleichzeitig die Kosten für das Betreiben der Märkte steigen.

Als Sozialmarkt werden in Österreich Discounter für Personen mit nachgewiesen geringem Einkommen bezeichnet, in denen stark vergünstigt Waren angeboten werden, die am regulären Markt nicht abgesetzt werden konnten. Im Unterschied zu den in Deutschland verbreiteten Sozialkaufhäusern setzt der Einkauf in Sozialmärkten eine Mitgliedschaft voraus.

1999 wurde der erste Sozialmarkt Österreichs in Linz eröffnet. Die Käufer müssen bei der Registrierung nachweisen, dass sie ein geringes Einkommen haben, und bekommen vom Sozialmarkt einen Mitgliedsausweis als Einkaufsberechtigung. In dieser Mitgliedschaft sehen Kritiker des Konzepts eine soziale Stigmatisierung. Mit etwa 100 Sozialmärkten in Österreich (Stand 2020) bieten Sozialmärkte eine gute Abdeckung in dichter besiedelten Gebieten.

Das Foto zeigt ein Regal eines Sozialmarktes im 12. Wiener Gemeindebezirk. Einkaufen darf dort jeder, der unter der Armutsgrenze von 1.300 Euro pro Monat lebt – und das werden immer mehr MenschenObst und Gemüse sind besonders begehrt. Der große Ansturm ist um 9 gleich nach dem Aufsperren. Foto: © KONTRAST.at. Quelle: KONTRAST-Artikel vom 11. Mai 2022 mit dem Titel "Sozialmarkt-Boom: Die meisten unserer Kunden sind Alleinerziehende und PensionistInnen">> Artikel. Die Datei ist mit der CC-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0) lizenziert.

2. Stephan Schulmeister, geboren 1947, forschte von 1972 bis 2012 am von Friedrich A. von Hayek gegründeten Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO in Wien und gehört zu den bekanntesten Ökonomen Österreichs. Seine Forschungsschwerpunkte sind die längerfristige Wirtschaftsentwicklung und das Verhältnis von Real- zur Finanzwirtschaft. Er kritisiert den Neoliberalismus als Ideologie im Interesse des Finanzkapitals, nicht des Realkapitals, und sieht sich daher als Freund des Unternehmertums. Foto: Michael Thurm. Quelle: Flickr. (Foto nicht mehr online verfügbar, das Mitglied ist nicht mehr bei Flickr aktiv.). Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 Generic (CC BY-NC-SA 2.0).