Ahnungslos in die Anderswelt
Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?
von Marcus Klöckner | RUBIKON
Was siehst Du die Fehler bei den alternativen Medien und erkennst die Mängel bei den Mainstreammedien nicht? Das könnte man in Abwandlung der allseits bekannten Stelle aus dem Matthäus-Evangelium formulieren, wenn man den Ausführungen des Journalisten Hans Demmel in einem Krass & Konkret-Interview folgt. Zombie-Journalisten werfen den Alternativmedien eben jene Mängel vor, die bei ihnen selbst am häufigsten auftreten.
In dem Gespräch geht es um sein Buch „Anderswelt. Ein Selbstversuch mit rechten Medien“ [2]. Darin setzt er sich mit den rechten alternativen Medien auseinander. Viele der Aussagen Demmels verdeutlichen: Es wurde nichts verstanden. Gar nichts. Die Perspektive ist einseitig, die Analyse ist falsch, und die „Erkenntnisse“ in der Konsequenz sind es genauso. Ein Kommentar von Marcus Klöckner, Autor des im Rubikon-Verlag erschienenen Buches „Zombie-Journalismus: Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?“.
Wenn ein grundlegender Konflikt entstanden ist, ist es ratsam, nach einem Minimalkonsens zu suchen. Im Kampf um die Deutungshoheit, der zwischen den etablierten und den sogenannten alternativen Medien besteht, ist dieser Minimalkonsens einfach zu finden.
Auf Folgendes lässt sich ohne große Diskussion einigen: Sowohl bei den „Qualitätsmedien“ als auch bei den alternativen Medien gibt es Licht und Schattenseiten. Das ist im Grunde genommen eine banale Erkenntnis. Aber sie ist wichtig. Denn wer sich auch nur einen halben Millimeter von ihr entfernt, überschreitet die Grenze der minimalen Übereinkunft. Wer diese Grenze überquert, gerät unweigerlich in die Schusslinien eines zentralen Konfliktes unserer Zeit, er gerät in den Kampf zwischen etablierten und alternativen Medien.
Dieser Kampf, dieser Konflikt, hat Gründe. Gründe wohlgemerkt, die für uns als Gesellschaft, für uns als ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen, kaum weiter reichen könnten.
In diesem Konflikt geht es um Diskurssetzungsmacht, es geht um Reichweitenmacht, es geht generell um zentrale Fragen von Macht und Herrschaft. Es geht auch um den Unterschied zwischen Medienrealität und „realer Realität“. Und es geht um eine der wichtigsten Fragen für eine moderne Gesellschaft überhaupt: Wer bestimmt eigentlich darüber, wer auf dem obersten Felsen der legitimen Wirklichkeitsbestimmung sitzen darf und wer nicht?
Das ist, sehr grob formuliert, der Stoff, aus dem dieser Konflikt geschnitzt ist. Mit anderen Worten: Das ist ein ziemlich großer Konflikt. Ein derartiger Konflikt lässt sich nicht durch Schönreden lösen. Er lässt sich nicht durch eine Verdrängung der Realität lösen. Und schon gar nicht ist ihm durch eine Verdrehung der Realität beizukommen.
Dieser Konflikt — und das muss man betonen — ist so weitreichend, wie er kaum weitreichender sein könnte. Von seinem Ausgang hängt viel ab. Was passiert, wenn sich sogenannte seriöse Medien die Realität bis zum Exzess zurechtbiegen? Was passiert, wenn diejenigen, die für sich selbst beanspruchen, zu „sagen, was ist“, aber in Wirklichkeit im Modus einer permanenten Realitätsleugnung „berichten“, können wir gerade live und in Farbe beobachten: Afghanistan. Was haben Medienvertreter diesen Krieg, diese sinnlose Besetzung Afghanistans schöngeredet! Schulen bauen, Brunnen bohren, deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigen: blablabla.
Dass Politiker bei ihrem Schritt in die Öffentlichkeit versuchen, ein moralisches Fundament für einen Kriegseinsatz zu legen, der über Jahre um Himmels willen maximal als „robuster Stabilisierungseinsatz“, aber nicht als Krieg bezeichnet werden durfte, lässt sich nachvollziehen. Dass Medienvertreter mit den Weg für die Afghanistan-Lüge geebnet haben, lässt sich nicht nachvollziehen. Wobei: Nachvollziehen lässt sich auch das.
Es gilt nur zu verstehen, dass es ein reales, faktisches, gut belegbares Problem mit den angeblich so objektiven Medien gibt. „Nachvollziehen“ lässt sich, wenn der ideologische Schleier vor dem eigenen Auge durchdrungen und erkannt wird, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn es um die Rolle der Presse in einer Demokratie geht, nie größer war als heute.
Medien erfüllen ihre Kernaufgabe weitestgehend nicht, nämlich: diejenigen ausreichend zu kontrollieren, die man realistischerweise als „Mächtige“ oder als „Herrschende“ bezeichnet – die aber Journalisten im Zuge einer kollektiven medialen Realitätsleugnung tunlichst nicht als solche benennen möchten.
Gründe für die Schieflagen in unserem Mediensystem gibt es viele. Aus soziologischer Sicht sind unter anderem interessant:
• ein sozial geschlossenes journalistisches Feld,
• eine durch den Habitus aufseiten der Journalisten bedingte grundsätzliche Sympathie gegenüber der vorherrschenden Politik und Politikern,
• ein tief eingeschriebener Hang zur Anerkennung bestehender Macht- und Herrschaftsverhältnisse,
• eine Wahrnehmung von Journalisten, die immer wieder ihre Unfähigkeit offenbart, die in sie eingeschrieben Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu erkennen.
Diese Punkte dürfen nicht ignoriert werden, wenn es um die Auseinandersetzung zwischen alternativen und etablierten Medien geht. Sie sind mit die Basis für ein Mediensystem, das unaufhörlich an seiner eigenen großen Illusion scheitert. Die angeführten Erkenntnisse sollten die Basis für eine zielführende Diskussion sein — wenn denn überhaupt ein ernsthaftes Interesse daran besteht, zu verstehen.
Die Fragen lauteten doch:
• Was ist eigentlich der Grund dafür, dass alternative Medien sich formiert haben?
• Warum gibt es einen unerbittlich geführten Kampf um die Deutungshoheit?
• Was ist in diesem Konflikt eigentlich Ursache, was ist Wirkung?
Demmels Aussagen lassen erkennen, was passiert, wenn der Erkenntnissuche in einem politisch hochgradig aufgeladenen Kontext nicht die Dekonstruktion des eigenen „Denkstandortes“ vorangegangen ist. Die eigene Brille der Wahrnehmung ist eben nun mal nie frei von Verzerrungen. Der Blick durch sie ist geprägt von tief einverleibten Glaubensüberzeugungen, die aber oft nicht als solche erkannt werden. Das Objekt der Erkenntnis und die eigenen Überzeugungen verschmelzen, der Blick durch die Brille wird zur „Wahrheit“.
► Betrachten wir einige der „Erkenntnisse“ des Journalisten Demmel:
1. Autoren aus alternativen Medien „interviewen sich gerne auch mal gegenseitig“.
Zu 1: Auch in den großen Medien kommt es häufig genug vor, dass sich der Mainstream gegenseitig interviewt. Aber was soll nun der Vorwurf sein? Wenn jemand etwas zu sagen hat, darf man ihn gerne interviewen. Dass in den alternativen Medien Akteure sich vielleicht häufiger gegenseitig interviewen, hängt vermutlich damit zusammen, dass das sich formierende System der alternativen Medien erst noch weiter wachsen muss.
Gäbe es einen größeren Austausch zwischen alternativem und etabliertem Mediensystem, wäre wohl auch ein breiterer Autoren- und Personenkreis auszumachen. Wobei: Die Heterogenität in den alternativen Medien, was Interviewpartner, Analysten und so weiter angeht, ist im Vergleich zur Homogenität in den großen Medien bereits beachtlich. Man denke zum Vergleich nur an die politischen Mainstream-Talkshows: Dort sind die Stühle in manchen Sendungen gleich fünfmal von Karl Lauterbach besetzt — zumindest gefühlt ...
2. Es gibt „wirtschaftliche Konkurrenzsituationen“.
Zu 2: Gibt es etwa zwischen den großen Verlagshäusern in Deutschland keine „wirtschaftliche Konkurrenzsituation“? Gibt es zwischen zwei Lokalzeitungen an einem Ort — wenn es die denn überhaupt noch gibt — keine wirtschaftliche Konkurrenzsituation? Was ist jetzt das Argument?
3. Es findet sich „vieles an Hanebüchenem“.
Zu 3: Wie viel an „Hanebüchenem“ findet sich denn in den großen Medien?
Der Irak verfügt über Massenvernichtungswaffen, Trump wird nie US-Präsident, einen Brexit wird es nicht geben, die Reportagen des Spiegel-Kreativreporters Claas Relotius sind der Gipfel perfekt ausgefeilter journalistischer Arbeit und so weiter und so fort.
4. Ken Jebsen hält Demmel nicht mehr für einen Journalisten.
Zu 4: Ken Jebsen ist also kein Journalist, sagt Demmel.
Frage: Was ist denn von „Journalisten“ zu halten, die beispielsweise im Lenkungsausschuss der Bilderberg-Gruppe sitzen oder gesessen haben und selbst als Player Politiker zu den Treffen der Machteliten eingeladen haben? Was ist denn generell von „Journalisten“ und ihrer Nähe zu den Eliten und Machteliten zu halten? Was ist von „Journalisten“ zu halten, die heute — vorgeblich objektiv und sachlich, zugleich herrschaftskritisch — über Politik berichten und morgen als Pressesprecher in der Politik auftauchen? Auch darüber darf geredet werden, wenn man schon Akteuren aus den alternativen Medien abspricht, Journalist zu sein. Wie eingangs des Artikels angeführt: Splitter, Balken, Bruder, Auge.
5. „Es gibt bei allen eine grundsätzlich defätistische Haltung gegenüber dem Mainstream und den Mainstreammedien sowie gegenüber dem, was ein Großteil des Landes als allgemeingültige Wahrheit ansieht.“
Zu 5: Defätistische Neigungen sind den Mainstreammedien nun aber auch nicht so völlig fremd.
6. Die alternativen Medien bieten einen „destruktiven Journalismus“.
Zu 6: Wie sieht es denn mit einem „destruktiven Journalismus“ aufseiten der großen Medien aus? „Bad news are good news“, lautet eine alte „Medienweisheit“. Und: Wenn gerade keine Apokalypse droht, dann berichten Medien eine herbei. Angst hält bekanntlich die Mediennutzer bei der Stange. Auch Demmel dürfte es nicht entgangen sein, dass seit einigen Jahren verstärkt das Konzept des „konstruktiven Journalismus“ gepredigt wird. Dessen bedürfte es nicht, wenn die Medien nicht von jeher eine destruktive Berichterstattung an den Tag legten.
Im Übrigen:
Die angeblich so „destruktive“ Berichterstattung in den alternativen Medien ist nicht destruktiv, sondern sie beschreibt mehr oder weniger akkurat reale Probleme. Viele alternative Medien weigern sich aufgrund ihrer journalistischen Professionalität, dem „Uns-geht-es-doch-gut-Lied“ zu folgen, wie es von den großen Medien immer wieder angestimmt wird.
Anders gesagt: Mancher Kritiker der alternativen Medien empfindet die Berichterstattung dort wohl deshalb als destruktiv, weil darin schonungsloser die Realität erfasst wird als in den sogenannten „Qualitätsmedien“. 9/11, Afghanistan, der Irakkrieg, die Agenda 2010, die Ukrainekrise, die Pandemie und so weiter: Kritische Stimmen, die „sagen, was ist“, sind in den alternativen Medien in einer Konzentration zu finden, an die die etablierten Medien nicht einmal ansatzweise herankommen. Stattdessen: eine glattgebügelte, beschönigende und realitätsleugnende „Berichterstattung“.
Diskutieren kann man darüber, dass in den alternativen Medien auch gerne mal über das Ziel hinausgeschossen wird, dass es natürlich auch Medien, Formate und Akteure gibt, die übersteuern.
7. Für die alternativen Medien sind „die öffentlich-rechtlichen Medien (…) nur Lügenpresse“.
Zu 7: Für die Mainstreammedien sind die alternativen Medien nur Fake-News-Schleudern und Verbreiter von Hass und Hetze. Und jetzt? Merken Sie was, Herr Demmel?
8. „Die Alternativmedien sehen sich alleine für die Wahrheit zuständig.“
Zu 8: Die Mainstreammedien sehen sich allein für die Wahrheit zuständig – im Verbund mit Politikern und Experten, denen sie weltanschaulich zugeneigt sind.
9. „Begriffe werden verschoben“ (er meint den Begriff „Freiheit“).
Zu 9: Die Mainstreammedien verschieben Begriffe. Siehe den Begriff „Freiheit“. Der aktuell verwendete Freiheitsbegriff hat kein Problem damit, eine Politik der prophylaktischen Grundrechtsaberkennung gutzuheißen.
Und überhaupt: Mainstreammedien und „Begriffe“. Die Pervertierung von Sprache und Begriffen hat der sogenannte Qualitätsjournalismus doch geradezu salonfähig gemacht. Man denke nur an die Invasion des neoliberalen Geistes in unserer Sprache. Plötzlich werden Arbeitnehmer nicht mehr „gefeuert“, ihnen wird nicht mehr „gekündigt“, sondern sie werden „freigestellt“. Wollen wir also mal darüber reden, wie der Qualitätsjournalismus Begriffe verschiebt?
10. „Vieles ist in der Wortwahl Hetze.“
11. „Vieles ist Hass auf Andersdenkende.“
Zu 10 und 11: Dem unbestimmten Zahlwort „vieles“ liegt die Vagheit eingeschrieben. Wie viel ist „vieles“? Dass es innerhalb bestimmter alternativer Medien Hetze gibt, ist nicht zu bestreiten. Aber so pauschal in die Runde zu werfen, „vieles“ sei „in der Wortwahl“ „Hetze“ und „Hass auf Andersdenkende“, führt im Hinblick auf eine gehaltvolle Analyse nicht weiter. Umgekehrt lässt sich diese Anmerkung dann auch machen: Auch in den so großen Medien wird gegen unliebsame Gruppen gehetzt.
Bürger, die eine vom medialen Mainstream abweichende Meinung zu einem Ereignis, Sachverhalt et cetera vertreten, müssen sich als „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“, „Aluhüte“ beschimpfen lassen. Bürger, die das Pandemiegeschehen anders einordnen als die großen Medien, werden als „Covidioten“ bezeichnet. Bürger, die der Impfung misstrauen, bezeichnet Altbundespräsident Gauck als „Bekloppte“, und Medien bezeichnen diesen schweren sprachlichen Angriff auf eine heterogene Gruppe von Menschen in beschönigender Weise als „Abrechnung“. [Bei den sogenannten Impfungen im Zusammenhang mit Corona handelt es sich um eine Anwendung mit einem gentechnisch veränderten Material, eine sogenannte GVO (Gentechnisch veränderte Organismen), auch gentechnisch modifizierte Organismen (GMO). Dr. med. Walter Weber. ergänzt v. H.S.].
Christian Schlüter bezeichnet in einem Kommentar in der Berliner Zeitung Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, als „Trittbrettfahrer“ und sagt ihnen: „Hey, ihr Impfunwilligen: Macht euren Mist alleine!“.
Oder: Man werfe nur einmal einen Blick in die Foren der großen Medien. Der Doppelstandard, wenn es um Hetze geht, ist atemberaubend. Solange Leser jene Personen und Gruppen angehen, die aus Sicht der Redaktionen die „falsche“ Meinung vertreten, wird äußerst wohlwollend über Angriffe hinweggesehen. Da ist etwa von einer „Querdenkerbagage“ die Rede oder Jens Lehmann, ehemaliger Fußballtorwart der Nationalmannschaft, darf als „Depp“ bezeichnet werden.
Tja!
12. „Angst wird in unterschiedlicher Form verbreitet.“ Und weiter im Zusammenhang mit den alternativen Medien ausführend sagt er:
Zu 12: Über die Rolle der Qualitätsmedien bezüglich der Verbreitung von Angst muss man spätestens seit der Pandemie nicht mehr reden. Sie ist evident.
13. „Ich habe zweitens beim Schreiben festgestellt, dass die Zahl derer, die nur noch Meldungen glauben, die in ihrem Mind-Set passen, deutlich zunimmt.“
Zu 13: Dass Menschen oftmals jenen Meldungen und Meinungen Glauben schenken, die ihre eigene Sicht bestärken, ist ein altbekanntes Phänomen. So funktionieren Menschen. Zur Wahrheit gehört: Auch Journalisten des Mainstreams sind davon nicht ausgenommen.
Im Gegenteil. Meine Beobachtung ist: Gerade diejenigen, die in der Lage sein sollten, möglichst unvoreingenommen Informationen aufzunehmen, legen eine Engstirnigkeit gegenüber Informationen, die den eigenen Glaubensüberzeugungen, Weltbildern und „Wahrheiten“ entgegenlaufen, an den Tag, die ihresgleichen sucht — was mit ein Grund für die Existenz der alternativen Medien ist.
14. „Die Fähigkeit, oder besser die Bereitschaft, sich mit einer anderen Meinung auseinanderzusetzen, ist geschrumpft.“
Zu 14: Die Fähigkeit der großen Medien, sich mit anderen Meinungen ihrer Profession angemessen gemäß auseinanderzusetzen, scheint mir mittlerweile bei nahezu null zu liegen.
15. „Die meisten Menschen neigen dazu, dass sie gerne etwas Besonderes oder Anderes wären, sich also von anderen unterscheiden wollen.“
16. „Ich kenne die Wahrheit, die du nicht kennst, ist etwas, was viele Menschen als Alleinstellungs- oder Differenzierungsmerkmal für sich in Anspruch nehmen.“
Zu 15 und 16) Stimmt. Ein Stück Küchenpsychologie. So funktionieren Menschen eben — auch die Journalisten des Mainstreams. Das sei dazu gesagt, weil Demmel es nicht anspricht und so der Eindruck entsteht, diese Eigenschaft finde sich nur bei den Alternativen.
17. „Vor verschiedenen Meinungen braucht man eigentlich keine Angst zu haben. Verschiedene Meinungen und Bewertungenmuss eine demokratische Gesellschaft auch aushalten. In dem Fall der Alternativmedien reden wir aber sehr häufig über Lügen, Hass und Hetze.“
Zu 17: In diesen Aussagen kommt wieder einmal zum Vorschein, was Vertreter großer Medien gerne an „Argumentation“ ins Feld führen. Tenor: Selbstverständlich darf es andere Meinungen geben. Und selbstverständlich sollte man diese auch „aushalten“. Aber bei Hass und Hetze hört es auf.
Erstens: Ja, bei Hass und Hetze hört „es“ auf. Nur haben diejenigen, die gerade vorgeben, sich so sehr „gegen“ Hate Speech einzusetzen, kein Monopol auf die Definition von Hetze und sollten aufhören, mit zweierlei Maß zu messen, was den Umgang mit unliebsamen Meinungen angeht. Wie wäre es, wenn Mainstreammedien diskursvergiftende, hetzerische Begriffe wie „Schwurbler“ nicht mehr verwendet und stattdessen mit Argumenten eine sachliche Debatte ermöglicht würde?
Zweitens: Genau! Vor verschiedenen Meinungen braucht man keine Angst zu haben, verschiedene Meinungen muss eine Demokratie aushalten können. [Von Demokratie haben wir uns aber längst entfernt. Pseudo- oder Scheindemokratie wäre wohl zutreffender, in der das Wahlvieh nur noch als 'nützliche Idioten' fungiert in der trügerischen Annahme, das Volk sei der Souverän. H.S.]
Deshalb: Wie wäre es, wenn Demmel diese Feststellung einmal in Richtung der etablierten Medien sagen würde? Denn offensichtlich hat man dort Angst vor anderen Meinungen, will diese nicht aushalten. Oder wann saß, beispielsweise, beim Presseclub mal ein Journalist aus den alternativen Medien, der eine fundamental andere Ansicht vertreten hat?
Und wieder: Tja!
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Aus dem Interview ließen sich weitere Aussagen ziehen, die den vorangestellten „qualitativ“ in nichts nachstehen. Die angeführten Beispiele reichen aber aus, um zur Kritik anzusetzen: Mit einer Mischung aus Banalitäten, Plattitüden garniert mit etwas Küchenpsychologie und einem Schuss „Alltagsweisheit“ versucht Demmel, das komplexe Phänomen vom Kampf um die Deutungshoheit zu erfassen. Fast schon tragisch daran ist, dass Demmel, der sich auf seine 40-jährige Erfahrung in der Medienbranche beruft, nicht einmal ansatzweise zu erkennen scheint, dass die präsentierten Erkenntnisse die Ursachen für den „Wahrheitskampf“ nicht erfassen.
Zu dem in dem Konflikt ohnehin bereits reichlich vorhandenen „Fog of War“ erzeugen die Ausführungen des Buchautors weitere Nebelschwaden. Es ist mühselig und ermüdend, durch diesen Nebel zu gehen. Längst könnte der Blick nämlich frei sein. Längst könnte man sich als Autor, der meint, etwas zur Aufklärung in diesem Konflikt beizutragen, den Stand der medienkritischen Literatur, den Stand der Erkenntnis angeeignet haben.
Doch, und an dieser Stelle wird es einfach ärgerlich, Nichtwissen gepaart mit einer Ignoranz, die ihresgleichen sucht, sind kennzeichnend für das Lager derjenigen, die dem Mainstream zugeneigt sind.
Ulrich Teuschs „Lückenpresse“? Was soll das sein? Gibt es nicht! Und eine „Lügenpresse“ selbstverständlich erst recht nicht. Die Indexing-Hypothese, wonach sich Journalisten inhaltlich stark an den im Parlament vertretenen Meinungen orientieren? Ich bitte Sie: irrelevant. Oder: eine sozialstrukturell ausgeformte Zensur. Was soll das bitte sein?
Nicht zuletzt: die „Propaganda-Matrix“ von Michael Meyen, die Medienkritik der NachDenkSeiten, das Propaganda-Modell von Noam Chomsky, wonach Medien … nein, es reicht, es bedarf an dieser Stelle keiner weiterer Ausführungen und Erklärungen. Wenn sich jemand 40 Jahren mit den Medien auseinandergesetzt hat und in einem Interview zum Konflikt zwischen „Mainstream“ und „Alternativen“ nicht einmal die Grundzüge einer kritischen Medien- und Journalismusforschung einbringt, dann gilt wohl: Hopfen und Malz verloren … und so.
Frustrierend an der Grundhaltung, die Demmel in dem Interview erkennen lässt, ist, dass auf diese Weise eine konstruktive Diskussion unmöglich wird. Wer so tut, als wären das Wissen und die Argumente der „Gegenseite“ nicht existent, vermittelt den Eindruck, dass er an echter Aufklärung gar kein Interesse hat. Die Meinung steht fest: Die Guten, das sind die Mainstreammedien, und die Bösen, das sind die Alternativen.
Und dann wird eben auch klar, warum die Analyse in ihrer Eindimensionalität zu solch einseitigen „Erkenntnissen“ führt, sodass diese mehr zur Verdunkelung als zur Aufklärung beiträgt.
Die Aussagen 1, 2, 3, 6, 7, 8, 9, 13, 14, 15, 16, 17 und mit Einschränkungen auch 10, 11, 12 lassen sich genauso auf die Mainstreammedien und so manchen ihrer Vertreter übertragen.
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Diese Auseinandersetzung mit den 17 Punkten aus dem Interview ist gewiss nicht erschöpfend. Sie ist nur holzschnittartig gehalten. Aber auch so wird bereits deutlich, was weiter vorne in diesem Text angemerkt wurde: Es ist mühselig, so eine „Analyse“, die von Voreingenommenheit nur so strotzt, auseinanderzunehmen. Punkt für Punkt gilt es, sich durchzuarbeiten. Es gilt Aussagen zu widerlegen oder differenziert zu betrachten, die längst schon x-mal widerlegt und/oder differenziert betrachtet wurden.
Der Titel des Buches „Anderswelt“ klingt interessant, vielversprechend. Die Interviewaussagen sind das Gegenteil.
Denken wir doch mal an die großartige Arbeit des Journalisten und Soziologen Siegfried Kracauer (* 8. Februar 1889 in Frankfurt am Main; † 26. November 1966 in New York). Kennzeichnend für seine Arbeit war der ethnografische Blick. Der ethnografische Ansatz ist, das Fremde im Vertrauten zu entdecken. Wie kann ich durch einen entsprechend geschulten und klugen Blick die Mitglieder meiner eigenen Gesellschaft oder Gruppe nicht mehr nur durch die Brille des mir Vertrauten betrachten? Wie kann ich erkennen, dass in dem so Vertrauten auch zugleich eine eigene „Andersartigkeit“ liegt? Und wenn ich diese erkenne: Welche Rückschlüsse kann ich daraus ziehen? Und zwar nicht nur im Hinblick auf die Gesellschaft, auf die Gruppe, sondern auch im Hinblick auf meine eigenen Wahrnehmungen und Glaubensüberzeugungen?
Anders gesagt: Demmel wünscht man, dass er zuerst mit dem Blick des Ethnografen auf seine eigene Gruppe, auf die Angehörigen der Mainstreammedien, geblickt und ihre Verhaltensweisen, ihre Wahrnehmungs- und Denkschemata dekonstruiert hätte. Mit diesen Erkenntnissen hätte Demmel ein entsprechend kritisches Buch unter dem Titel „Anderswelt“ veröffentlichen sollen. Mit den so gewonnenen Erfahrungen wäre der größere Schritt in die „Anderswelt“ der alternativen Medien machbar gewesen. Dann wäre der Blick, der von echtem Erkenntniswillen und Erkenntnisfähigkeit geprägt ist, hoffentlich vorhanden gewesen.
Die Aufgabe wäre gewesen, diese „Anderswelt“ mit dem Blick des wahrlich kritischen Beobachters zu beleuchten, zu verstehen. Die Bedeutung dieser Medien für unsere Gesellschaft, ihre inneren Konflikte und Probleme ließen sich dann ganz anders erfassen, nämlich: Konstruktiv, das heißt im Sinne des großen Konflikts zwischen etablierten und alternativen Medien, könnte dann eine echte Aufklärung erfolgen.
Stattdessen: den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht und dann gestolpert. Das Ergebnis dieses Projekts lässt sich nun „eindrucksvoll“ in dem Krass & Konkret-Interview bestaunen.
Marcus Klöckner bitte ab hier weiterlesen und auch Video schauen
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Marcus Klöckner studierte Soziologie, Medienwissenschaften und Amerikanistik an der Philipps-Universität in Marburg. Schwerpunkte seiner Arbeit als Journalist und Autor sind Herrschafts- und Medienkritik. Zuletzt erschienen von ihm: UPDATED!!
»Versuche einer öffentlichen Hinrichtung: Der Fall Ulrike Guérot«, von Marcus Klöckner (Autor), Westend; 1. Edition (Erscheinungsdatum 12. Juni 2023), 978-3-86489-424-4, Softcover, 128 Seiten, Preis 16,00€.
»Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen: Das Corona-Unrecht und seine Täter«. Von Marcus Klöckner (Autor), Jens Wernicke (Autor), Ulrike Guérot (Vorwort), Tom-Oliver Regenauer (Nachwort), RUBIKON, broschiert, 7. November 2022, ISBN 978-3-96789-034-1, Paperpack, 208 Seiten, Preis 20,00€. Auch als Audio-CD und Kindle-Ausgabe erhältlich.
»Zombie-Journalismus: Was kommt nach dem Tod der Meinungsfreiheit?« von Marcus B. Klöckner, Rubikon, 24. August 2021, ISBN 978-3-96789-022-8, Softcover, 264 Seiten, Preis 20,00€. Auch als E-Book-Format: EPUB, 440 Seiten, Erscheinungsdatum: 24.08.2021, ISBN 978-3-96789-023-5, Preis 16,99 €.
Volle Deckung! Der Zombie-Journalismus ist da. Und wenn er Sie erwischt, sind Sie erledigt: blutleer, hirntot, Teil der Horde. Die Armee der Zombie-Journalisten ist dabei, alles zu töten, was uns lieb und teuer war: Demokratie, Grundrechte, Meinungsfreiheit. Wer das Wort "Freiheit" auch nur noch flüstert, muss befürchten, medial in Stücke gerissen zu werden.
Jeder zweite Bürger wagt es nicht einmal mehr, seine Meinung öffentlich kundzutun. Verständlich. Denn der Zombie-Journalismus wittert Menschen mit schlagendem Herzen und funktionierendem Gehirn und macht erbarmungslos Jagd auf sie. Dabei ist er ebenso stumpfsinnig wie stur und ausdauernd. Aus seinem Hals dringen Laute, die alle entfernt nach "Naaazi!" klingen. Doch im Grunde ist es ihm völlig egal, wessen Hirn er frisst. Hauptsache, es ist weg. Hauptsache, Menschlichkeit, Hoffnung und selbstständiges Denken werden ausradiert.
Mit rabenschwarzem Humor und viel Esprit rechnet Marcus Klöckner mit der ehemaligen vierten Gewalt ab und liefert einen Survival Guide für Herz und Verstand: Woran erkennt man Zombie-Journalismus? Wie vermeidet man, von Zombies gebissen zu werden, und bastelt sich eine mentale Armbrust gegen die besinnungslos angreifende Todeslegion?
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Dieser Journalismus ist eine Schande! - Marcus Klöckner im Gespräch über "Zombie-Journalismus" (Dauer 38:34 Min.)
"Das was Medien in den letzten 18 Monaten in der Pandemieberichterstattung abgeliefert haben, das hat mit wirklichem Journalismus einfach nichts zu tun", sagt Marcus Klöckner, Autor des jüngst erschienenen Buches "Zombie-Journalismus". Er konstatiert ihren Totalausfall, dessen Anfänge weit früher als in der Corona-Krise zu finden sind. Medien waren, wie er sagt, schon immer systemstabilisierend. Das schöne Bild der Medien als vierte Gewalt, als Watch-Dog der Politik, hatte nie etwas mit der tatsächlichen Realität zu tun.
Woher rührt der Totalausfall? Fragt man den Medienwissenschaftler Marcus Klöckner, so ist es ein Komplex aus Sachverhalten, die ineinander greifen. Neben Personalabbau und dem hohen Zeitdruck in Redaktionen ist vor allem ein Aspekt von zentraler Bedeutung: das sozial-strukturell geschlossene Feld, aus dem sich der journalistische Nachwuchs rekrutiert. Eine Zensurmaschinerie also, die nicht extern wirkt, sondern dem Inneren des Journalismus entspringt. Einseitigkeit, fehlende Unvoreingenommenheit und der Ausschluss bestimmter Sachverhalte, Personen oder Meinungen sind die Folgen.
Ein solches Mediensystem ist nicht mehr reformierbar, so der Journalist. Seine Hoffnung liegt in einer gesellschaftlichen Entwicklung, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt, nämlich in Bürgern, die nun erkannt haben, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen realer Realität und Medienrealität gibt, sowie in den alternativen Medien. Diese sind, wie er sagt, tatsächlich so aufgebaut wie es ein Mediensystem sein sollte: herrschaftskritisch.
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»Sabotierte Wirklichkeit: Oder: Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird.« von Marcus B. Klöckner, Westend Verlag, 14. Oktober 2019, ISBN 978-3-86489-274-5, Klappenbroschur, 240 Seiten, Preis 20,00€. Auch als E-Book-Format: EPUB, 240 Seiten, ISBN 978-3-86489-762-7, Preis 11,99€
Sagen Medien wirklich, „was ist“? Eindeutig nein! In den tonangebenden Medien ist ein kanonisierter Meinungskorridor entstanden, in dem unliebsame Fakten viel zu oft keinen Platz finden. Das Versagen der Qualitätskontrolle des Spiegel im Fall Relotius, die fehlgeleitete Berichterstattung zur Skripal-Affäre und die NATO-Reklame großer Nachrichtensendungen sind nur die prominentesten Beispiele einer grundlegenden Fehlentwicklung im Journalismus, die bereits bei der Rekrutierungs- und Ausbildungspraxis der großen Medienkonzerne beginnt.
Anhand vieler konkreter Fälle zeigt Marcus B. Klöckner, wie Medien eine verzerrte Wirklichkeit schaffen, die ähnlich der viel gescholtenen Filterblasen der „sozialen“ Medien mit der Realität oft nur noch wenig zu tun hat. Die Konsequenzen sind weitreichend – für unsere Demokratie, für uns alle.
Sagen Medien wirklich, „was ist“? Eindeutig nein! In den tonangebenden Medien ist ein kanonisierter Meinungskorridor entstanden, in dem unliebsame Fakten viel zu oft keinen Platz finden. Das Versagen der Qualitätskontrolle des Spiegel im Fall Relotius, die fehlgeleitete Berichterstattung zur Skripal-Affäre und die NATO-Reklame großer Nachrichtensendungen sind nur die prominentesten Beispiele einer grundlegenden Fehlentwicklung im Journalismus, die bereits bei der Rekrutierungs- und Ausbildungspraxis der großen Medienkonzerne beginnt.
Anhand vieler konkreter Fälle zeigt Marcus B. Klöckner, wie Medien eine verzerrte Wirklichkeit schaffen, die ähnlich der viel gescholtenen Filterblasen der „sozialen“ Medien mit der Realität oft nur noch wenig zu tun hat. Die Konsequenzen sind weitreichend – für uns alle. (Klappentext).
Inhalt:
Einleitung . . . . . . 9
1 Zensur . . . . . . 17
1.1 Zensur durch Zusammenwirken von Sozialisation und sozialer Zusammensetzung des journalistischen Feldes . . . . . . 27
1.2 Zensur durch Rekrutierungspraxis . . . . . . 47
1.3 Zensur durch berufliche Sozialisation . . . . . . 55
1.4 Zensur durch das Feld . . . . . . 58
1.5 Diskussion: Über Zensur, Gatekeeper, die Schere im Kopf und die innere Pressefreiheit . . . . . . 68
2 Medienwirklichkeit . . . . . . 77
2.1 Warnung vor Drittem Weltkrieg? Egal! Bundesregierung will Parlament nicht informieren? Unwichtig! . . . . . . 87
2.1.1 Sachverhalt A: Kollektives Ignorieren . . . . . . 88
2.1.2 Analyse: Nachrichtenauswahl Weltbild gemäß . . . . . . 89
2.1.3 Sachverhalt B: Das Oktoberfestattentat und eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung . . . . . . 92
2.1.4 Analyse: Eine Nachricht, die nicht ins Bild passt . . . . . . 95
2.1.4 Fazit Sachverhalt A und B: Wichtiges wird falsch gewichtet und präsentiert . . . . . . 99
2.2 Qualitätsmedien: Eine Falschmeldung mit offenen Armen begrüßen . . . . . . 102
2.2.1 Sachverhalt: Eilig falsch berichten . . . . . . 102
2.2.2 Analyse: Wahrheit? Unwahrheit? Hauptsache, die Meldung bedient das Narrativ . . . . . . 104
2.2.3 Fazit: Wir können den Medien nicht trauen . . . . . . 106
2.3 Kritische Berichterstattung: Solange es ein Minister sagt, wird es schon stimmen . . . . . . 109
2.3.1 Sachverhalt: Die Tat wurde angekündigt, berichten die Medien . . . . . . 109
2.3.2 Analyse: Blinde Medien ›sehen‹ durch die Augen der Behörden . . . . . . 111
2.3.3 Fazit: Auch scheinbar gesicherte Informationen sollten Mediennutzer hinterfragen . . . . . . 117
2.4 Der Spiegel, die Wirklichkeit und ein paar Märchen . . . . . . 119
2.4.1 Sachverhalt: Journalismus als Fantasieprodukt . . . . . . 120
2.4.2 Analyse: Ein ›Qualitätsjournalismus‹, der Weltbilder bedient . . . . . . 124
2.4.2 Fazit: Sagen, was «ist«, ad absurdum geführt . . . . . . 141
2.5 Das heute-journal mit Claus Kleber: simulierte Wirklichkeit im Nachrichtenjournalismus . . . . . . 142
2.5.1 Sachverhalt: Lassen wir die Invasion beginnen . . . . . . 143
2.5.2 Analyse: Psychologischer Schockmoment . . . . . . 143
2.5.3 Fazit: Untragbare Schieflagen in der Moderation . . . . . . 148
2.6 Nachbetrachtung . . . . . . 151
3 Herrschaftsnähe . . . . . . 154
3.1 Journalisten und Politiker: Weltanschaulich eng miteinander verbunden . . . . . . 156
3.2 Wir sagen, wer reden darf: Journalisten und die Macht über das Rederecht . . . . . . 182
3.3 Journalisten: Wer »umstritten« ist, bestimmen wir! Über Benennungsmacht und die Sprache der Herrschaft . . . . . . 193
3.4 Die Ausnahme: Ein Journalist, der eine kritische Frage stellt . . . . . . 206
Fazit: Wir brauchen ein neues Mediensystem . . . . . . 215
Danke! . . . . . . 222
Anmerkungen . . . . . . 223
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»Wie Eliten Macht organisieren: Bilderberg & Co.: Lobbying, Think Tanks und Mediennetzwerke« von Björn Wendt / Marcus B. Klöckner / Sascha Pommrenke / Michael Walter (Hrsg.), vsa-verlag Hamburg, 2016, ISBN 978-3-89965-696-1, 256 Seiten, Preis 19,80€.
Politikverdrossenheit und das sinkende Vertrauen in die demokratischen Institutionen sind auch ein Zeichen dafür, dass immer mehr Menschen erkennen: »Die da oben« entscheiden vieles sowieso im Alleingang. Doch wer ist »da oben«? Wer sind die Eliten und Mächtigen in unserer Gesellschaft? Welchen Einfluss üben sie auf die Politik aus? Und vor allem: Wie organisieren sie sich? Die Beantwortung dieser Fragen steht im Zentrum einer kritischen Machtstrukturforschung. Vorstellungen von einer allmächtigen Elite begegnet sie genauso skeptisch, wie sie jene Überzeugungen hinterfragt, die Macht- und Herrschaftsfragen durch einen Verweis auf das demokratische Gefüge bereits zur Genüge beantwortet sehen.
Neben einem Überblick über den Stand der Eliten- und Machtstrukturforschung behandeln die Autorinnen und Autoren den Einfluss von Wirtschaftseliten und Lobbyorganisationen auf politische Prozesse. Untersucht wird beispielsweise das Agieren der Bilderberg-Gruppe, eines Gesprächskreises von 140 Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und Medien, die sich im Jahr 2015 in einem abgeschotteten Alpen-Hotel trafen (worauf das Titelfoto des Buches verweist), sowie das Wirken von Thinktanks und Lobbygruppen wie Le Cercle und der Mont Pelerin Society. Schließlich rücken auch die Medien in den Fokus: Kommen sie ihrer Aufgabe nach, die Mediennutzer ausreichend über die »Konsensschmieden« der Mächtigen zu informieren?
Inhalt:
Hans-Jürgen Krysmanski (* 27. Oktober 1935 in Berlin; † 9. Juni 2016): Geleitwort . . . . . . . . 9
Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . 13
1. Soziologie der Machteliten: 60 Jahre »The Power Elite«
Björn Wendt: Reichtums-, Eliten- und Machtstrukturforschung: Drei Zugänge zu den oberen Rängen der Gesellschaft . . . . . . . . 17
Rainer Rilling: Auf der Suche nach der verlorenen Bourgeoisie . . . . . . . . 29
Aspekte der US-amerikanischen Elitenforschung
Barbara Wasner: Zur aktuellen Theorieentwicklung in der Elitensoziologie . . . . . . . . 44
Carmen Schmidt: Monolithische Machtelite, pluralistische Funktionseliten oder Zirkel der Macht? . . . . . . . . 53
Eine Analyse der japanischen Elite
Christian Schneickert: Das globalisierte Feld der Macht: Nationale, transnationale oder globale Eliten? . . . . . . . . 67
2. Wie Eliten Herrschaft reproduzieren: Die Struktur der (symbolischen) Machtungleichgewichte
Sascha Pommrenke: Die Herren der Welt . . . . . . . . 80
Zur Etablierten-Außenseiter-Theorie von Norbert Elias
Klarissa Lueg: Symbolische Macht . . . . . . . . 93
Ein Bourdieuscher Blick auf die Reproduktion von Privilegien am Beispiel des Bildungssystems
Thomas Dürmeier: Machtungleichgewichte gefährden die Demokratie . . . . . . . . 105
Eine Politische Intervention mit einer neuen Machtökonomik aus Sen und Bourdieu
3. Wie Eliten Macht organisieren: Bilderberg und Co. – Elitenzirkel, Thinktanks, Lobbying
Adrian Hänni: Ein Forum konservativer Machteliten im transatlantischen Raum . . . . . . . . 118
Der Cercle im Zeitalter des Kalten Kriegs
Jürgen Nordmann: Machtelite als Gelehrten-Sekte: Die Mont Pelerin Society . . . . . . . . 131
Michael Nollert: High-level Lobbying und Agenda Setting: Der European Roundtable of Industrialists . . . . . . . . 144
Aleksander Miłosz Zieliński: Mosaiksteine zu einer Archäologie der Bilderberg-Konferenzen . . . . . . . . 157
Irene Labner: Die Macht und Ohnmacht der Bilderberg-Gruppe: Lokale Erfahrungen aus Tirol . . . . . . . . 171
Michael Walter: Über die hegemonialen Praktiken der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft . . . . . . . . 184
4. Wie Eliten und Journalisten Politik machen: Medienmacht und Demokratie
Uwe Krüger: Alpha-Journalisten und ihre Netzwerke unter Macht- und Geldeliten . . . . . . . . 198
Marcus B. Klöckner: Journalisten und die Bilderberg-Konferenz . . . . . . . . 212
Nichts wissen, nichts hören, nichts sehen – und doch mittendrin sein
Rudolf Stumberger: Bilderberger ohne Bilder . . . . . . . . 226
Von Macht und Ohnmacht bei der Kontrolle der sozialen Wahrnehmung
Thomas Meyer: Eine unwiderstehliche Macht . . . . . . . . 238
Massenmedien, Journalisten-Elite und Demokratie
Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . 252
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»Medienkritik: Zu den Verwerfungen im journalistischen Feld« von Marcus B. Klöckner, Verlag Heise Medien, Februar 2016, ISBN (epub) 978-3-95788-057-4, ca. 150 Seiten, Preis 5,99€.
"In den Medien muss sich 'fast alles' ändern." Mit diesen Worten brachte der Soziologe Hauke Brunkhorst vor einem Jahr im Telepolis-Interview auf den Punkt, was kritische Mediennutzer seit geraumer Zeit ansprechen: Die Verwerfungen in den Medien sind gewaltig. Und so verwundert es nicht, dass eine Medienkritik entstanden ist, die grundsätzlicher Natur ist: Sie akzeptiert das Selbstbild, das die "großen Medien" von sich nach außen kommunizieren, nicht mehr.
Die Rolle der Medien als "Hauptwirklichkeitsdeuter" der Gesellschaft ist zerbrochen, ihr Welterklärungsmonopol ist in weiten Teilen aufgebrochen. Mediennutzer setzen sich mit der Berichterstattung teilweise im Detail auseinander, markieren die Schwachstellen und scheuen sich nicht, auf die blinden Flecke bei der Nachrichtenproduktion hinzuweisen.
Im neuen Telepolis-eBook kommen sowohl Journalisten als auch Wissenschaftler zu Wort, die mit ihren Erkenntnissen einer versachlichten und zugleich pointierten Medienkritik den nötigen Halt bieten. Wenn etwa die Medienwissenschaftlerin Cornelia Mothes zu dem Ergebnis kommt, dass Journalisten im Umgang mit Informationen längst nicht immer Objektivität als Maßstab anlegen, dann wird verständlich, dass Kritik der Mediennutzer am Objektivitätsverständnis von Journalisten nicht aus der Luft gegriffen ist.
Wenn der Politikwissenschaftler Thomas Meyer sagt, dass die große Meinungsvielfalt in der deutschen Presse Geschichte sei, dann erscheint auch die Kritik in einem anderen Licht, die ebenfalls immer wieder von einer zu einheitlichen Berichterstattung spricht.
Der Schweizer Zeithistoriker Kurt Gritsch beleuchtet die Sphären des politischen Einflusses auf die Medien und erklärt: "Im Nachrichtengeschäft geht es um Interessen, nicht um Wahrheit." Eine Medienkritik, die tiefer schaut und die Bruchstellen im journalistischen Feld aufzeigt, ist dringend notwendig. An dieser Stelle setzt das Buch an.
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»Die Vorstellung, daß alles einem blinden Zwange folge, ist weithin nur eine fatalistische Auslegung der eigenen Machtlosigkeit oder – sofern man schon in verantwortlicher politischer Stellung tätig gewesen ist – eine Form, das eigene Versagen zu bemänteln. Die andere Auffassung, daß alles auf die Verschwörung einiger unschwer feststellbarer Schurken oder auf die Taten großer Männer zurückzuführen sei, ist eine ebenso voreilige Interpretation des Tatbestandes, daß Veränderungen im Gesellschaftsgefüge bestimmten Eliten geschichtliche Chancen eröffnen, die sie wahrnehmen oder nicht wahrnehmen. Wer sich eine dieser beiden Vorstellungen zu eigen macht, indem er die Geschichte als Konspiration oder als schicksalhafte Kraft begreift, erschwert es sich, die tatsächlichen Machtverhältnisse und das Verhalten der Mächtigen zu verstehen.« (-Charles Wright Mills, * 28. August 1916 in Waco, Texas; † 20. März 1962 in Nyack, New York).
»Die soziologische Bedeutung von ›Schicksal‹ ist einfach diese: Wenn unzählige Entscheidungen getroffen werden und jede einzelne nur geringfügige Auswirkungen hat, dann ist die Gesamtwirkung aller Entscheidungen etwas, das niemand beabsichtigt hat – eben Schicksal. Doch nicht alle Epochen der Geschichte sind gleichermaßen vom Schicksal bestimmt. Wird der Kreis der einflußreichen Menschen, bei gleichzeitiger Konzentration der Machtmittel und bei unendlich vergrößerter Tragweite der Entscheidungen, immer enger, dann läßt sich der Ablauf großer Ereignisse häufig auf die Entschlüsse deutlich bestimmbarer Gruppen zurückführen. [...] Der Gedanke einer Macht-Elite besagt noch gar nichts über die Art und Weise, wie Entscheidungen gefällt werden und sich auswirken; es handelt sich nur um den Versuch einer Abgrenzung der gesellschaftlichen Bereiche, in denen Entscheidungen, welcher Art auch immer, getroffen werden: Man versucht, sich über den beteiligten Personenkreis klar zu werden.« (-Charles Wright Mills, * 28. August 1916 in Waco, Texas; † 20. März 1962 in Nyack, New York).
Inhalt:
1. "Die große Meinungsvielfalt in der deutschen Presse ist Geschichte"
Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer über Medienkritik und politische Anmaßungen von Journalisten
2. "Auch im Journalismus gibt es Herrschende und Beherrschte"
Kommunikationswissenschaftler Thomas Wiedemann über Medienforschung und das journalistische Feld
3. "In den Medien muss sich fast alles ändern"
Der Soziologe Hauke Brunkhorst über die "publikative Gewalt"
4. "Der Journalismus muss sich der Diskussion um Objektivität stellen"
Kommunikationswissenschaftlerin Cornelia Mothes über den Kampf um die Deutungshoheit und ihre Studie zur Objektivität in den Medien
5. "Wenn man den Mächtigen nach dem Maul schreibt, bekommt man die besseren Honorare"
Harald Schumann über die Medien und seine Dokumentation "Macht ohne Kontrolle - Die Troika"
6. "Studie: Medienkritik in martialischer Sprache"
Unternehmer und Manager zeigen sich über die Presse und ihre Berichterstattung empört
7. "ARD-Tagesschau: Aufnahmen mit Wirklichkeitsbruch"
Erneut muss sich das Nachrichtenflaggschiff den Vorwurf gefallen lassen, die Realität zu verzerren
8. "Der Journalismus produziert seine Kritiker und Gegner selbst"
Wolfgang Storz im Interview über seine Studie zur "Querfront" und die Entstehung einer Gegenöffentlichkeit
9. "Ein Journalismus, nahe an der Grenze zur Manipulation"
Fragwürdige Berichterstattung der Regionalpresse zum Auftritt des Schweizer Historikers Daniele Ganser - Exempel einer Medienkritik
10. "Im Nachrichtengeschäft geht es um Interessen, nicht um Wahrheit"
Der Zeithistoriker Kurt Gritsch zum Krieg in Syrien und über die Rolle der Medien
11. "Staatskritik, symbolische Macht und Herrschaftsverhältnisse"
Der Soziologe Jens Kastner über Staat und Rassismus
► Quelle: Der Artikel erschien am 02. Oktober 2021 als Erstveröffentlichung bei RUBIKON >> rubikon.news/ >> Artikel. RUBIKON versteht sich als Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung, vertreten durch den Geschäftsführer Jens Wernicke. RUBIKON unterstützen >> HIER.
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1. "JOURNALISTS AT PLAY" - Journalisten bei der Arbeit. Foto: Lisa Padilla, San Francisco native, grew up in Marin County, now living in Silicon Valley. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
2. "Don't Trust the Corporate Media" > "Vertrauen Sie nicht den Konzernmedien". (-Chris Hedges). Grafik: Helmut Schnug.
3. Meinungsjournalismus > Meinungsmüll > Weltanschauungsmüll: Im Kampf um Leser und Follower in den Seichtgebieten kommt jede rhetorische Aufspreizung und jede verbale Pirouette gerade recht. Inhaltliche Beliebigkeit und verbale Radikalisierung sind die Signatur eines informations- und kenntnisarmen Journalismus, der vor allem Meinungsmüll produziert, der sich selbst, aber zuvor die Zeitungen ruiniert, die sich ihm verschreiben. (-Rudolf Walther). Foto OHNE Textinlet: steve_a_johnson / Steve Johnson, Valparaiso/USA. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto. Bildbearbeitung (Textinlet): Helmut Schnug, Illerich.
4. Karl Wilhelm Lauterbach (* 21. Februar 1963 in Düren) ist ein deutscher Politiker, Mediziner und Gesundheitsökonom. Er ist Mitglied der SPD und seit 2005 Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Lauterbach hat sich schon in seiner Zeit als Wissenschaftler für seine gesundheitspolitischen Vorstellungen eingesetzt, u. a. als Berater der inkompetenten Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, zudem war Klabauterbach Teil im sogenannten Kompetenzteam des unsäglichen Peer Steinbrück. Tolle Referenzen.
Während der orchestrierten COVID-19-Pandemie tritt Hinterbänkler Lauterbach oft als selbsternannter Experte vor allem in Talkshows und Fernsehinterviews auf. Im ersten Halbjahr 2020 war er in den Talkshows von ARD und ZDF mit großem Abstand häufigster Gast - eine Kombination die für sich spricht. Seine Omnipräsenz ist schon ekelhaft! Bildbearbeitung: Wilfried Kahrs (WiKa).
5. Leugner. Deutschland quillt über von Leugnern. Man kann irre werden an diesem Wort. Leugnen, Leugner, Leugnerin, geleugnet, Leugnende, Leugnung, Geleugne, Geleugnetes. Ist das die Wirkung der „Einfachen Sprache“? Sind Begriffe wie Meinung, Kritik, Zweifel, Widerspruch, Erkenntnissuche, Argument, Hypothese, Opposition, Beweispflicht bereits verboten? Foto OHNE Inlet: Jeyaratnam Caniceus, Kempen. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto. Der Text wurde von Helmut S. eingearbeitet.
6. + 7. Buchcover.