«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp


Neue Studie zeigt bittere Realität von Bürgergeld-Beziehern
Die jüngste Studie des Paritätischen Gesamtverbandes zur sozialen Lage von Bürgergeldbeziehenden zeichnet ein Bild, das in seiner Konkretion erschüttert:
Entbehrung ist für viele nicht abstrakte Statistik, sondern tägliche Erfahrung. Die Befunde verdichten sich zu einer klaren Message: Trotz Erhöhungen der Regelbedarfe in den Jahren 2023 und 2024 können Millionen Menschen Grundbedürfnisse nicht zuverlässig decken.
Die Debatte über Sanktionen trifft damit auf eine soziale Wirklichkeit, in der selbst das zweite Paar Schuhe oder eine vollwertige Mahlzeit keine Selbstverständlichkeit sind.
Ein Befund mit Alltagsszenen statt abstrakter QuotenDie Studie berichtet, dass 2024 etwa jede zweite Person im Bürgergeld in materieller Entbehrung lebt – ein Vielfaches im Vergleich zu Haushalten ohne Bürgergeldbezug. Sichtbar wird das in Alltagsszenen: Wer überraschende Ausgaben von 1.250 Euro nicht stemmen kann, verschiebt notwendige Reparaturen oder greift zu teuren Ratenkäufen.
Wenn mehr als die Hälfte kaputte Möbel nicht ersetzen kann, verliert ein Zuhause an Funktionalität und Würde. Wenn knapp ein Drittel nicht einmal gelegentlich mit Freundinnen und Freunden essen oder trinken gehen kann, wird soziale Teilhabe zur Ausnahme.
Besonders drastisch sind die Zahlen zur Grundversorgung: Rund 31 Prozent der Betroffenen können sich nicht jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten; knapp 17 Prozent verfügen nicht über ein zweites Paar Schuhe. Diese Beispiele stehen für eine strukturelle Unterversorgung, die weit über individuelle Lebensstile hinausweist.
Die wachsende ArmutslückeDie Studie konzentriert sich besonders auf die wachsende Armutslücke – die Differenz zwischen verfügbarem Einkommen und der Armutsgrenze, die in Deutschland regelmäßig bei 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) veranschlagt wird.
Für Alleinlebende nennt die Studie eine Schwelle von 1.381 Euro monatlich; den Betroffenen fehlen dazu im Schnitt fast 500 Euro. Diese Lücke ist in den vergangenen Jahren gewachsen: Lag sie 2010 noch bei 308 Euro, betrug sie 2023 bereits 474 Euro.
Die Tendenz ist damit eindeutig aufwärts gerichtet – ein Hinweis darauf, dass das Sicherheitsnetz systematisch an Kaufkraft und gesellschaftliche Standards verliert.
Erhöhungen, die nicht ankommen: Inflation als stille KürzungZwar wurden die Regelbedarfe 2023 und 2024 jeweils deutlich – um mehr als zehn Prozent – angehoben. Doch die Preisentwicklung der Jahre 2021 bis 2023 hat diese nominalen Zuwächse weitgehend aufgezehrt. Die Expertise beziffert den Kaufkraftverlust bei einem Singlehaushalt in dieser Zeit auf bis zu 1.012 Euro.
Real bedeutet das: Was auf dem Papier wie eine Entlastung aussieht, kompensiert lediglich die verteuerten Lebenshaltungskosten. Eine spürbare Verbesserung der finanziellen Spielräume ist nicht eingetreten. Wenn nun für 2025 und 2026 faktische Nullrunden im Raum stehen, droht die Armutslücke erneut größer zu werden – mit Konsequenzen für Ernährung, Wohnen und soziale Teilhabe.
„Skandal“ oder „Notwendigkeit“? Die politische KonfliktlinieDie politische Debatte ist zugespitzt. Während die Bundesregierung Verschärfungen und strengere Sanktionsmöglichkeiten erörtert, mahnt der Paritätische an, die Realität der Betroffenen ernst zu nehmen. Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Rock spricht von einem „Skandal“, dass Millionen Menschen nicht einmal das Nötigste hätten.
Hinter dieser Wortwahl steht ein verfassungsrechtlicher Anspruch: Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern – nicht nur biologisch, sondern so, dass gesellschaftliche Teilhabe möglich bleibt. Die Studie bezweifelt, dass die aktuell bemessenen Leistungen diesem Auftrag gerecht werden.
Kinder in Armut: Verlorene Chancen im frühen LebenBesonders gravierend ist der Blick auf Kinder und Jugendliche. Rund zwei Millionen Minderjährige wachsen nach Angaben des Paritätischen in Haushalten auf, in denen die Mittel für Ernährung, Kleidung, Bildung und soziale Aktivitäten nicht reichen.
Das hat Folgen, die über die Gegenwart hinausreichen: Wer früh Mangel erlebt, hat schlechtere Chancen in Schule und Ausbildung, verpasst Gelegenheiten und trägt das Risiko, Armut als Erwachsenenrealität fortzuschreiben. Bildungspakete und Einmalhilfen lindern Notlagen punktuell, ersetzen aber keine verlässliche Grundsicherung, die alltägliche Bedarfe abdeckt.
Was „materielle Entbehrung“ messbar machtMaterielle Entbehrung ist mehr als ein Einkommensindikator. Erfasst werden konkrete Einschränkungen im Lebensalltag: Kann ein Haushalt die Wohnung angemessen warm halten? Gibt es Rückstände bei Miete, Strom oder Heizung? Reicht das Geld für ausgewogene Ernährung, für notwendige Anschaffungen, für kleine soziale Aktivitäten?
Indem die Studie diese Dimensionen zusammenführt, zeigt sie, wo die Lücken tatsächlich aufklaffen. Die Aussagekraft liegt gerade in der Verbindung von Statistik und Lebenspraxis: Zahlen werden nicht abstrakt, sondern als verpasste Mahlzeiten, verschlissene Möbel oder unbeheizte Zimmer sichtbar.
Von der Ausnahme zur Regel: Das Abkoppeln vom WohlstandszuwachsEin weiterer Befund betrifft die langfristige Entwicklung: Während die preisbereinigten Nettoeinkommen anderer Haushalte über Jahrzehnte gewachsen sind, verharren die Regelbedarfe real betrachtet nahe dem Niveau der späten 1990er Jahre.
Damit entsteht ein Auseinanderdriften zwischen gesellschaftlichem Standard und dem, was Grundsicherung leistet. Wer dauerhaft an der Untergrenze lebt, leidet nicht nur materiell, sondern auch symbolisch: Armut wird zur Erfahrung des Nicht-Dazugehörens. Dass Bürgergeldbeziehende nennenswert häufiger Zahlungsrückstände verzeichnen und die Wohnung nicht ausreichend heizen können, ist Ausdruck dieser Abkopplung.
Sanktionen in Zeiten des Mangels: Wirksamkeit und NebenwirkungenDie Diskussion über strengere Sanktionen setzt voraus, dass Fehlanreize das zentrale Problem seien.
Die Expertise hält dem entgegen, dass die Mittel vieler Haushalte schon für das Notwendige nicht reichen. Sanktionen, so die Kritik, könnten in dieser Lage vor allem destabilisierend wirken, weil sie ohnehin knappe Budgets weiter verknappen.
Auch integrationspolitisch ist fraglich, ob zusätzliche Druckinstrumente den Weg in Arbeit erleichtern, wenn parallel Mittel für Mobilität, Kleidung oder digitale Teilhabe fehlen. Dagegen steht das politische Argument, Verbindlichkeit im Leistungsbezug zu sichern. Beides lässt sich nicht gegeneinander ausspielen, ohne die empirische Ausgangslage zu beachten.
Was jetzt zu prüfen wäre: Bemessung, Indexierung, TeilhabeDie Studie plädiert für eine strukturelle, dauerhafte Anhebung der Regelbedarfe. Der Prüfauftrag an die Politik reicht darüber hinaus. Erstens stellt sich die Frage einer robusteren, transparenten Bemessung, die reale Warenkörbe und Mindeststandards abbildet.
Zweitens rückt eine dynamische, inflationsfeste Indexierung in den Blick, die Kaufkraftschwankungen zeitnah ausgleicht.
Drittens geht es um die Architektur der Leistungen selbst: Wohnkosten, Energie, Gesundheit, Mobilität und digitale Infrastruktur haben sich verteuert – ohne angemessene Berücksichtigung drohen Lücken, die einzelne Erhöhungen wieder auffressen.
Viertens muss Kinderarmut als eigener Schwerpunkt verstanden werden; Investitionen in frühe Bildung, Ernährung und Teilhabe sind sozial- wie fiskalpolitisch rational.
Ein sozialstaatlicher StresstestAm Ende steht ein sozialstaatlicher Stresstest. Das Bürgergeld soll Menschen in schwierigen Lebenslagen Sicherheit und Perspektiven geben. Es sichert offenkundig das Überleben, aber nach Einschätzung der Expertise zu selten ein Leben in Würde und Teilhabe.
Das ist nicht nur eine Frage von Empathie, sondern von Verfassung und Vernunft. Wo Mangel an Basalem zur Regel wird, verliert der Sozialstaat an Legitimation. Die vorliegenden Zahlen liefern der Politik die Grundlage, gegen zu steuern.
Der Beitrag Neue Studie zeigt bittere Realität von Bürgergeld-Beziehern erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Keine Strandspaziergänge am Meer für Bürgergeld-Betroffene
Das Bürgergeld soll das Existenzminimum sichern. Es soll praktisch nur vor dem Verhungern bewahren. Aber wie sieht es mit der einfachen sozialen und soziokulturellen Teilhabe aus? Wer zum Beispiel an der Nordsee wohnt, kommt oft nicht an den Strand, ohne Eintritt zu zahlen. Davon berichtet eine Betroffene, die an der Nordsee wohnt.
Arme Menschen vom Strandspaziergang ausgeschlossenAn Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei hat sich eine Bürgergeld-Bezieherin gewandt. Sie wohnt an der Nordsee:
“Wenn ich an den Strand wollte, um am Wasser spazieren zu gehen, kostet es jedesmal 2,80€. Auch für „ Arme.“ Deshalb waren mein Hund und ich auch noch nie da. Bitte fassen Sie das nicht als Gejammer auf. Es ist nur eine der Realitäten, wie arme Menschen ausgeschlossen werden. Leise und subtil. Sie kennen das ja ganz genau, nur deshalb traue ich mich, es Ihnen zu schreiben. Natürlich ist ein Strandspaziergang nicht existenziell. Aber dass man nicht dazu gehört begegnet Armen eben sehr oft. Stellen Sie sich einmal vor, eine Bürgergeldfamilie die hier wohnt, möchte mit Ihren Kindern auch mal an den Strand. 10€ für einen Spaziergang am Wasser? Das kann sich keiner leisten.”
Natürlich gehört der Strandspaziergang nicht zu den existenziellen Lebensbedürfnissen. Aber es gehört zur Teilhabe am Leben, vor allem wenn man vor Ort wohnt.
Verweigerter Zugang ignoriert Urteil des BundesverfassunsgerichtsVielerorts, vor allem in touristischen Zentren, werden Gebühren erhoben. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2017 (AZ: 10 C 7.16) entschieden, dass der freie Zugang zum Strand gewährleistet sein muss. Auch für Menschen, die Sozialleistungen wie das Bürgergeld beziehen.
Das Urteil besagt, dass wenn eine kommunale Tochtergesellschaft Menschen den Zugang zu Strandbereichen verweigert, auf die sie einen Rechtsanspruch haben, diese Menschen von der Kommune verlangen können, dass sie die Tochtergesellschaft per Bescheid anweist, den Zugang zu gewähren.
Das Gericht betonte auch, dass das Grundgesetz das Recht des Einzelnen auf freien Zugang zum Strand schützt, z.B. zum Spazierengehen, Baden und Wattwandern. Dieses Recht kann durch Verordnungen eingeschränkt werden, allerdings nur auf bestimmten Wegen und in ungenutzten Strandbereichen.
Darüber hinaus wurde klargestellt, dass die Nutzung von Strandflächen als Strandbad mehrere zusammenhängende Einrichtungen erfordert, deren Nutzung durch das Eintrittsgeld abgegolten ist. Das Aufstellen einzelner sanitärer Anlagen oder Abfallbehälter reicht nicht aus.
An die Gemeinde wenden und notfalls verklagenBetroffene, die in der Nähe des Meeres wohnen, können sich also an die Gemeinde wenden und auf das Urteil verweisen. Wird der kostenlose Zugang dennoch verweigert, haben die Betroffenen gute Chancen, ihr Recht einzuklagen.
Der Beitrag Keine Strandspaziergänge am Meer für Bürgergeld-Betroffene erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Wer 2026 in Rente gehen kann – Tabelle
Das Jahr 2025 biegt auf die Zielgerade ein. Damit stellt sich für viele die Frage, wer im kommenden Jahr 2026 den Schritt in die Altersrente gehen kann – und zu welchen Bedingungen. Wir erklären den maßgeblichen Stichtag für die eigene Rente für den Rentenbeginn und zeigen Beispiele, welche Jahrgänge 2026 anspruchsberechtigt sind und wann Abschläge anfallen.
Der Stichtag: Wann beginnt die Rente tatsächlich?Die Altersrente beginnt immer mit dem ersten Tag des Monats, der auf die Vollendung des maßgeblichen Lebensalters folgt. „Vollendung“ meint dabei den Tag vor dem Geburtstag. Wer beispielsweise am 15. Mai 1963 geboren ist, vollendet das 63. Lebensjahr am 14. Mai 2026 und kann folglich ab dem 1. Juni 2026 eine entsprechende Altersrente beziehen, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
Eine rechtliche Besonderheit gilt für Personen, die am ersten Tag eines Monats geboren wurden: Sie vollenden das maßgebliche Lebensjahr bereits am letzten Tag des Vormonats. Wer am 1. Mai 1963 geboren ist, erreicht das 63. Lebensjahr somit am 30. April 2026 und könnte die Rente bereits ab dem 1. Mai 2026 erhalten.
Diese Stichtags-Regelung ist für alle Rentenarten identisch – Unterschiede bestehen jedoch in der jeweiligen Altersgrenze und bei den erforderlichen Versicherungszeiten.
Regelaltersrente: ohne Abschläge, mit ansteigender AltersgrenzeDie Regelaltersrente ist die klassische, abschlagsfreie Altersrente. Sie setzt lediglich eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren voraus. Abschläge gibt es hier nicht. Allerdings steigt die Regelaltersgrenze je nach Geburtsjahrgang schrittweise an.
Im Jahr 2026 erreichen jene Versicherten die Regelaltersgrenze, die zwischen dem 2. Oktober 1959 und dem 1. August 1960 geboren wurden. Für den Jahrgang 1959 liegt die Regelaltersgrenze bei 66 Jahren und 2 Monaten, für 1960 geborene bei 66 Jahren und 4 Monaten.
Die Praxis zeigt, wie entscheidend der Monatswechsel ist: Wer im November 1959 Geburtstag hat (der 1. November ausgenommen), kann ab dem 1. Februar 2026 die Regelaltersrente beziehen.
Bei einem Geburtstag im Januar 1960 (ebenfalls nicht am 1.) ergibt sich ein Rentenbeginn zum 1. Juni 2026. Wer im August 1960 geboren wurde (den 1. August ausgenommen), erreicht das maßgebliche Alter zwar noch im Dezember 2026; die Zahlung der Regelaltersrente beginnt in diesem Fall aber erst am 1. Januar 2027, weil das maßgebliche Lebensalter bereits vor Monatsende erreicht sein muss.
Tabelle: Wer 2026 in Rente gehen kann Wer 2026 warum in Rente gehen kann Wer? Warum (Altersgrenze & Voraussetzungen) Regelaltersrente: Geburtsdaten 2.10.1959–1.8.1960 Erreichen 2026 die jeweilige Regelaltersgrenze (Jg. 1959: 66 Jahre + 2 Monate; Jg. 1960: 66 Jahre + 4 Monate). Mindestens 5 Beitragsjahre. Abschlagsfrei. Rentenbeginn jeweils ab dem Monat nach der Altersvollendung. Altersrente für besonders langjährig Versicherte: Geburtsdaten 2.6.1961–1.4.1962 Erreichen 2026 die maßgebliche Altersgrenze (Jg. 1961: 64 Jahre + 6 Monate; Jg. 1962: 64 Jahre + 8 Monate). Mindestens 45 Versicherungsjahre. Abschlagsfrei. Beispiel: 2.6.1961 → Rentenbeginn ab 1.1.2026; 1.4.1962 → ab 1.12.2026. Altersrente für langjährig Versicherte: Geburtsdaten 2.12.1962–1.12.1963 Vollenden 2026 das 63. Lebensjahr. Mindestens 35 Versicherungsjahre. Mit Abschlag bei Start mit 63 (Jg. 1962: 13,2 %; Jg. 1963: 13,8 %). Der Abschlag verringert sich um 0,3 Prozentpunkte pro späterem Monat. Altersrente für schwerbehinderte Menschen: Geburtsdaten 1.1.1964–1.12.1964 Frühestmöglicher Beginn ab 62 Jahren ist ab 2026 erreicht. Mindestens 35 Versicherungsjahre und anerkannte Schwerbehinderung. Bei frühestem Start Abschlag 10,8 %. Reduktion um 0,3 Prozentpunkte je späterem Monat. Sonderfall: am 1. eines Monats Geborene (alle Rentenarten) Rechtliche Altersvollendung bereits am letzten Tag des Vormonats; dadurch kann der Rentenbeginn einen Monat früher liegen, sofern alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Altersrente für besonders langjährig Versicherte: früher, aber ohne AbschlagWer 45 Versicherungsjahre nachweisen kann, hat die Möglichkeit, zwei Jahre vor der jeweiligen Regelaltersgrenze in Rente zu gehen – ebenfalls ohne Abschläge. 2026 erreichen dieses maßgebliche Lebensalter insbesondere die Jahrgänge vom 2. Juni 1961 bis zum 1. April 1962. Für 1961 Geborene liegt die Altersgrenze bei 64 Jahren und 6 Monaten, für 1962 Geborene bei 64 Jahren und 8 Monaten.
Auch hier gilt die Stichtagsregel: Eine Person mit Geburtstag am 2. Juni 1961 erreicht das maßgebliche Alter am 1. Dezember 2025 und kann die Rente ab dem 1. Januar 2026 beziehen.
Wer am 1. April 1962 geboren wurde, vollendet die erforderlichen 64 Jahre und 8 Monate am 30. November 2026; der Rentenbeginn fällt damit auf den 1. Dezember 2026. Entscheidend ist in jedem Fall, dass die 45 Jahre mit anrechenbaren Zeiten tatsächlich zusammenkommen.
Altersrente für langjährig Versicherte: ab 63 – mit spürbaren AbschlägenDie Altersrente für langjährig Versicherte ermöglicht den Rentenbeginn bereits mit 63 Jahren, unabhängig vom Geburtsmonat. Vorausgesetzt sind 35 Versicherungsjahre. Anspruch auf diese Rentenart haben 2026 diejenigen, die zwischen dem 2. Dezember 1962 und dem 1. Dezember 1963 geboren wurden. Der Preis für den früheren Rentenstart sind jedoch dauerhafte Abschläge, deren Höhe sich nach dem Abstand zur jeweiligen Regelaltersgrenze richtet.
Für den Jahrgang 1962, der regulär mit 66 Jahren und 8 Monaten in die abschlagsfreie Regelaltersrente gehen würde, beträgt der Abschlag bei einem Rentenbeginn exakt mit 63 Jahren 13,2 Prozent.
Für 1963 Geborene, deren Regelaltersgrenze bei 66 Jahren und 10 Monaten liegt, sind es 13,8 Prozent. Der Mechanismus dahinter ist linear: Pro Monat, den man vor der eigenen Regelaltersgrenze in Rente geht, fällt ein Abschlag von 0,3 Prozentpunkten an.
Wer den Start hinausschiebt – also etwa nicht genau mit 63, sondern einige Monate später beginnt –, reduziert den Abschlag entsprechend.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen: 2026 ist das Zielalter erreichtFür Versicherte mit anerkanntem Grad der Behinderung und einer Wartezeit von 35 Jahren eröffnet die Altersrente für schwerbehinderte Menschen den frühestmöglichen Weg in den Ruhestand. 2026 markiert hierbei eine Zäsur: Erstmals ist das sogenannte Zielalter erreicht.
Ab 2026 kann diese Rentenart frühestens mit 62 Jahren in Anspruch genommen werden. Damit kommen im Jahr 2026 diejenigen zum Zug, die zwischen dem 1. Januar 1964 und dem 1. Dezember 1964 geboren wurden.
Wer den frühestmöglichen Termin nutzt, muss mit einem Abschlag von 10,8 Prozent rechnen. Wird der Rentenbeginn hinausgeschoben, verringert sich der Abschlag um 0,3 Prozentpunkte je Monat. Maßgeblich sind neben dem Alter die formalen Voraussetzungen der Schwerbehinderung sowie die anrechenbaren Versicherungszeiten.
Mehr als nur das Alter: Welche Voraussetzungen zusätzlich zählenDer Zeitpunkt des Rentenbeginns hängt nicht allein vom Geburtstag ab. Ebenso entscheidend sind die erforderlichen Wartezeiten – fünf Jahre für die Regelaltersrente, 35 Jahre für die Altersrente für langjährig Versicherte und für schwerbehinderte Menschen, 45 Jahre für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. In die Wartezeiten fließen neben Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung oder Selbstständigkeit häufig auch Zeiten ein, die nicht auf den ersten Blick präsent sind, etwa Kindererziehungszeiten oder bestimmte Zeiten der Pflege.
Welche Zeiten im Detail zählen und wie sie nachgewiesen werden, lässt sich der persönlichen Rentenauskunft entnehmen.
Hilfreich ist zudem ein Blick in den Rentenbeginnrechner der Deutschen Rentenversicherung. Er bildet die Stichtagslogik ab und zeigt den frühest- und spätestmöglichen Rentenbeginn für den individuellen Jahrgang. Wer seine Optionen belastbar bewerten möchte – insbesondere mit Blick auf Abschläge, Hinzuverdienst oder die Kombination unterschiedlicher Rentenarten –, sollte eine kostenfreie Beratung in einer Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung vereinbaren und die eigene Versicherungsbiografie prüfen.
2026 bringt Klarheit – die Strategie entscheidetOb Regelaltersrente ohne Abschläge, der abschlagsfreie Vorzug für besonders langjährig Versicherte, der flexible, aber abschlagsbewehrte Weg ab 63 oder der frühestmögliche Start für schwerbehinderte Menschen: 2026 eröffnet je nach Jahrgang und Versicherungsverlauf unterschiedliche Pfade in den Ruhestand. Ausschlaggebend sind der genaue Stichtag, die persönlichen Versicherungszeiten und die Bereitschaft, Abschläge in Kauf zu nehmen oder den Rentenbeginn zu verschieben.
Der Beitrag Wer 2026 in Rente gehen kann – Tabelle erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Rente: Wann kommt die Mütterrente 3 und wie hoch wird sie sein?
Die sogenannte Mütterrente 3 ist keine eigene Rente, sondern eine bessere rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Derzeit werden für Kinder, die ab 1992 geboren wurden, bis zu 36 Monate Kindererziehungszeit und damit bis zu drei Entgeltpunkte angerechnet. Für vor 1992 geborene Kinder sind es bislang bis zu 30 Monate beziehungsweise bis zu 2,5 Entgeltpunkte. Die Mütterrente III soll diese Lücke schließen.
Was die Mütterrente III konkret vorsiehtVerabredet ist, dass für vor 1992 geborene Kinder künftig ebenfalls bis zu 36 Monate anerkannt werden. Das entspricht einem zusätzlichen halben Jahr Erziehungszeit pro Kind – also einem halben Entgeltpunkt.
Damit würden Eltern von vor 1992 geborenen Kindern vollständig den Eltern jüngerer Jahrgänge gleichgestellt.
Der Mehrbetrag bemisst sich am aktuellen Rentenwert. Seit 1. Juli 2025 liegt er bei 40,79 Euro pro Entgeltpunkt; ein halber Punkt entspricht damit derzeit rund 20,40 Euro monatlich. Dieser Betrag verändert sich mit künftigen Rentenanpassungen.
Gesetzesstand im Herbst 2025Die Bundesregierung hat die Mütterrente III im Rahmen des „Rentenpakets 2025“ beschlossen; der Gesetzentwurf befindet sich im parlamentarischen Verfahren.
Am 26. September 2025 hat der Bundesrat Stellung genommen, der Bundestag beriet Mitte Oktober darüber. Ein endgültiger Beschluss lag bis zum 20. Oktober 2025 noch nicht vor.
Ab wann sie gilt – und ab wann sie ausgezahlt wirdDie Koalition plant das Inkrafttreten zum 1. Januar 2027. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) weist jedoch darauf hin, dass die tatsächliche Auszahlung wegen umfangreicher IT-Umstellungen voraussichtlich erst 2028 starten kann.
Für den Fall eines späteren Zahlbeginns ist eine rückwirkende Auszahlung für 2027 vorgesehen. Hintergrund ist die technisch aufwendige Neuberechnung von über zehn Millionen Rentenkonten und die Abstimmung mit anderen Sozialleistungen.
Muss ein Antrag auf Mütterrente gestellt werden?Nach dem aktuellen Entwurfsstand soll die Umsetzung weitgehend automatisch erfolgen. Wer bereits eine Rente bezieht, muss grundsätzlich nichts beantragen; die DRV passt die Rente nach der Programmumstellung von Amts wegen an.
Wer noch keine Rente bezieht, erhält die zusätzlichen Zeiten im Rahmen der nächsten Kontenklärung beziehungsweise spätestens bei Rentenantragstellung berücksichtigt.
Wer profitiert – und in welcher Größenordnung?Anspruchsberechtigt ist das erziehende Elternteil; die Regelung gilt ausdrücklich auch für Väter. Perspektivisch könnten rund zehn Millionen Rentnerinnen und Rentner profitieren.
Pro vor 1992 geborenem Kind erhöht sich die Rente um den Wert eines zusätzlichen halben Entgeltpunkts, derzeit also um etwa 20,40 Euro brutto monatlich. Mit zukünftigen Rentenanpassungen ändert sich dieser Betrag entsprechend.
Tabelle: Wie hoch wird die Mütterrente sein? Auswirkung der Mütterrente III nach Kinderzahl (Basis: 0,5 Entgeltpunkte je Kind; Rentenwert ab 1. Juli 2025: 40,79 € je Entgeltpunkt) Anzahl der Kinder Monatlicher Zuschlag (brutto) 1 20,40 € 2 40,79 € 3 61,19 € 4 81,58 € 5 101,98 €Hinweis: Beträge gerundet; gelten je vor 1992 geborenem Kind. Künftige Rentenanpassungen verändern die Euro-Werte entsprechend.
Anrechnung auf andere Leistungen und WechselwirkungenDie Mütterrente III ist Teil der gesetzlichen Rente. Sie kann deshalb – je nach individueller Situation – auf andere Sozialleistungen wie Grundsicherung oder Wohngeld angerechnet werden.
Auch bei Hinterbliebenenrenten sind Wechselwirkungen möglich. Solche Effekte werden mit Umsetzung der Reform geprüft und gegebenenfalls rückwirkend neu berechnet.
Finanzierung und KostenDie jährlichen Mehrkosten der Mütterrente III werden auf rund fünf Milliarden Euro geschätzt. Geplant ist eine Finanzierung aus Steuermitteln über den Bundeszuschuss an die Rentenversicherung, da es sich um eine nicht beitragsgedeckte, gesamtgesellschaftliche Leistung handelt.
Was Betroffene jetzt tun könnenAuch wenn die Auszahlung voraussichtlich erst 2028 beginnt, lohnt es sich, das eigene Rentenkonto im Blick zu behalten. Wer Kindererziehungszeiten noch nicht anerkennen ließ, sollte die Kontenklärung vornehmen.
Für bereits anerkannte Zeiten gilt: Die DRV wird nach Inkrafttreten und technischer Umsetzung automatisch nachberechnen – die Nachzahlung für 2027 ist vorgesehen, falls die Auszahlung erst später starten kann.
Fazit
Die Mütterrente III kommt politisch – aber sie braucht Zeit. Ziel ist die vollständige Gleichstellung aller Eltern bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten. Rechtsgrundlage und Startdatum werden im laufenden Gesetzgebungsverfahren final festgelegt.
Nach heutigem Stand soll die Regelung ab 1. Januar 2027 gelten; erste Auszahlungen erwartet die DRV realistisch erst 2028 – mit Rückwirkung für 2027. Für Betroffene bedeutet das: keine Eile beim Antrag, aber Aufmerksamkeit für die eigene Kontenklärung und die spätere automatische Anpassung der Rente.
Der Beitrag Rente: Wann kommt die Mütterrente 3 und wie hoch wird sie sein? erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Krankengeld trotz fehlender AU-Bescheinigung
Wenn die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld aus anderen Gründen ablehnt, ändert das keine im Nachhinein eingereichte Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung. Deshalb ist es sinnlos, nach dem Ende des Krankengeldes weitere AUBs abzuliefern. So urteilte das Sozialgericht Augsburg (S 2 KR 365/21).
Krankschreibung nach Ende des Krankengeldes ist sinnlosEine durchgehende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit hat einen hohen Beweiswert und gibt in der Regel den Ausschlag dafür, ob die gesetzliche Krankenversicherung Krankengeld auszahlt.
Das gilt allerdings nicht, wenn dieselbe Krankenkasse das Krankengeld bereits aus anderen Gründen rechtwidrig verweigerte. Dann besteht keine Notwendigkeit, nach der Ablehnung eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung nachzuweisen.
Krankengeld bis zum HöchstanspruchDer Betroffene erkrankte am 07.10.2019 arbeitsunfähig und erhielt ab diesem Zeitpunkt Krankengeld. Sein Arbeitsverhältnis endete am 10.10.2019. Die Krankenkasse stellte fest, dass das Krankengeld am 24.10.2020 endete, da dann der Höchstanspruch der Dauer erreicht sei.
Der Betroffene erhob Widerspruch, und die Krankenkasse gab diesem teilweise statt. Sie teilte ihm mit, die Höchstdauer sei erst am 04.04.2021 erreicht und er bekäme Krankengeld bis zum 20.11.2020.
Kein weiterer KrankengeldanspruchDie Krankenkasse vertrat den Standpunkt, dass über den 20.11.2020 hinaus kein Anspruch auf Krankengeld bestehe, denn nur bis dahin hätte ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Spätestens am 23.11.2020 hätte eine neue AU vorliegen müssen. Eine solche hätte der Betroffene jedoch erst ab dem 21.02.1021 vorgelegt.
Erneuter WiderspruchDer Erkrankte legte erneut Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass die Krankenkasse rechtswidrig festgestellt hätte, dass der Anspruch auf Krankengeld am 24.10.2020 ende. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass er die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachweisen müsse.
Keine Krankschreibung wegen ArbeitslosengeldesHier sei die Situation jedoch eine besondere. Der Fehler der Krankenkasse und die lange Dauer der Bearbeitung hätten den Betroffenen gezwungen, sich frühzeitig arbeitslos zu melden, um über das Ende des Krankengeldes hinaus Mittel zum Lebensunterhalt zu beziehen. Er sei davon ausgegangen, kein Arbeitslosengeld zu erhalten, wenn er weitere Krankmeldungen vorlege.
Kein Hinweis der KrankenkasseDas Verfahren hätte sich über den 20.11.2020 hingezogen ohne einen Hinweis der Krankenkasse, dass er wegen fehlender AU-Bescheinigungen kein Krankengeld über den 20.11.2020 bekäme. Auch die Abhilfeentscheidung hätte suggeriert, dass das Krankengeld bis zum 04.04.2021 laufe.
Es geht vor GerichtDie Krankenkasse wies den Widerspruch zurück mit der gleichbleibenden Begründung, dass er die Arbeitsunfähigkeit hätte lückenlos nachweisen müssen.
Nach Auslaufen des Krankengeldes habe kein Versicherungsverhältnis mit Krankengeldanspruch mehr bestanden.
Deshalb ging der Betroffene vor das Sozialgericht Augsburg, um seinen Anspruch auf fortlaufendes Krankengeld durchzusetzen.
Chronische LungenerkrankungDer Kläger machte geltend, dass er seit 2019 an einer COPD-Erkrankung leide, einer chronischen Krankheit der Lunge. Die Krankenkasse habe diese fälschlich mit einer vorhergehenden Herzerkrankung gleichgesetzt.
Erst mit dem Bescheid vom 13.01.2021 habe die Krankenversicherung richtig mitgeteilt, dass ihm wegen seiner Lungenerkrankung grundsätzlich Krankengeld bis zum 04.04.2021 zustehe.
Gezwungen, Arbeitslosengeld zu beantragenWegen der fehlerhaften Berechnung des Krankengeldes sei er gezwungen gewesen, einen Antrag auf Arbeitslosengeld bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Diese hätte den Antrag bis April 2021 ebenfalls nicht bearbeitet.
Es hätte also objektiv eine Arbeitsunfähigkeit wegen der COPD bestanden. Er hätte aber gedacht, dass er kein Arbeitslosengeld bekäme, wenn er krankgeschrieben sei.
Da Hinweise gefehlt hätten, dass er bei fehlenden durchgängigen AU-Bescheinigungen kein Krankengeld über den 20.11.2020 gezahlt werde, mache er Krankengeld bis zum 04.04.2021 geltend.
Die Richter entscheiden gegen die KrankenkasseDie Richter erklärten: „Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Klage ist in vollem Umfang begründet.“ Der Kläger hat demnach Anspruch auf Krankengeld bis zum 04.04.2021.
Wenn die Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankengeld ablehnte, gebe es für den Versicherten keinen Sinn, weitere AU-Bescheinigungen einzureichen. Das sei unabhängig davon, ob eine Arbeitsunfähigkeit aus Rechtsgründen bestehe.
Zu Unrecht habe die Krankenversicherung den Höchstanspruch des Krankengeldes auf den 24.10.2020 begrenzt. Es hätte für den Versicherten dann keinen Sinn ergeben, weitere AU-Bescheinigungen vorzulegen, und dies spreche nicht gegen seinen Anspruch.
Die Beweisaufnahme zeige deutlich, dass der Betroffene bis zum 04.04.2021 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Die Krankenversicherung müsse es bis zu dieser Höchstdauer zahlen.
Der Beitrag Krankengeld trotz fehlender AU-Bescheinigung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
EM-Rente: Urlaubsanspruch trotz voller Erwerbsminderungsrente
Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Abgeltung von Urlaubstagen, obwohl er zuvor über Jahre hinweg arbeitsunfähig war und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz und entschied für den Arbeitnehmer. (5 Sa 212/23).
Teamleiter erkranktDer Betroffene hatte als Teamleiter Finanzen in einem Unternehmen gearbeitet. Er erkrankte schwer, erhielt eine anerkannte Schwerbehinderung und wurde voll erwerbsgemindert. Er bezog eine volle und befristete Erwerbsminderungsrente.
Er war lange krank und bezog die Rente, trotzdem bestand sein Arbeitsverhältnis formal weiter.
Nachdem er mehrere Jahre arbeitsunfähig gewesen war, kündigte er eigenständig. Danach forderte er von seinem Arbeitgeber die Auszahlung seiner angesammelten Urlaubsansprüche.
Insgesamt handelte es sich um 79 Urlaubstage, die er zuvor nicht in Anspruch genommen hatte. Die beanspruchte Summe belief sich auf 20.900,00 Euro.
Arbeitgeber weigert sichDer Arbeitgeber lehnte es ab, Urlaubsansprüche für die Zeit der Erwerbsminderung auszuzahlen. Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung laufe der Sinn des Urlaubs ins Leere. Dieser diene dazu, sich von der Arbeit zu erholen. Er könne also keinen Urlaub ansammeln, wenn er arbeitsfähig sei.
Der Betroffene ging vor das Arbeitsgericht, um seinen Anspruch durchzusetzen. Hier argumentierte der Arbeitgeber zunächst weiterhin, es könne überhaupt keinen Urlaubsanspruch geben.
Selbst wenn jedoch formal ein Anspruch bestehe, handle es sich um Rechtsmissbrauch. Denn der Arbeitnehmer habe nur gekündigt, um sich die Urlaubstage auszahlen zu lassen.
Urlaub ist laut Arbeitgeber verfallenDer gesetzliche Mindesturlaub sei verfallen, da der Arbeitgeber wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht zur Urlaubsnahme hätte bewegen können. Der zusätzliche vertragliche Urlaub sei verfallen, weil der Betroffene diesen nicht wie vorgeschrieben bis zum 31. März des Folgejahres genommen habe.
Der gesetzliche Mehrurlaub für Menschen mit Schwerbehinderung sei für 2020 verfallen, weil das Unternehmen erst verspätet von der Schwerbehinderung erfahren habe.
Arbeitsgericht gibt zum Großteil dem Arbeitnehmer RechtDas Arbeitsgericht Mainz bestätigte in weiten Teilen den Arbeitnehmer. Allerdings billigte es ihm nur eine Auszahlung von 16.407,51 Euro zu. Denn der vertragliche Mehrurlaub für 2020 und 2021 sei tatsächlich am 31. März des Folgejahres verfallen.
Arbeitgeber legt Berufung einDer Arbeitgeber legte Berufung vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein und bestand darauf, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Auszahlung des Urlaubs habe. Die Berufung scheiterte.
Es kommt nur auf das Arbeitsverhältnis anDie Richter am Landesarbeitsgericht stellten klar, dass es für einen Anspruch auf Urlaub nur darauf ankomme, ob das Arbeitsverhältnis bestehe, nicht aber auf die tatsächliche Arbeitsfähigkeit. Dabei verwiesen die Richter auf mehrere einschlägige Urteile des Europäischen Gerichtshofes.
Urlaubsanspruch gilt auch für LangzeiterkrankteDer Urlaubsanspruch gelte also ausdrücklich auch für Langzeiterkrankte. Der Zweck des Urlaubs, sich von der Arbeit zu erholen, stehe dem nicht entgegen. Eine Eigenkündigung sei zudem kein Rechtsmissbrauch. Ansprüche wahrzunehmen, die sich aus dem Urlaubsrecht ergeben, stelle keinen Missbrauch dar, und das gelte auch, wenn das Motiv die finanzielle Entschädigung sei.
Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen ist nicht verfallenDie Richter erkannten ebenso wie die Vorinstanz an, dass der Anspruch für den vertraglichen Zusatzurlaub für 2020 und 2021 verfallen war. Beim Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen wiesen sie den Arbeitgeber zurecht.
Der Arbeitnehmer hätte diesen, ihm zustehen Urlaub, nicht nehmen können, da dies objektiv wegen Arbeitsunfähigkeit unmöglich war. Das Unternehmen könne sich also nicht auf fehlende Information berufen, denn diese spiele nur dann eine Rolle, wenn es den Urlaub hätte ermöglichen können.
Da das Landesarbeitsgericht mehr Urlaubstage als nicht abgelaufen sah als die Vorinstanz, sprach es dem Arbeitnehmer 16.199,82 Euro zu, die der Arbeitgeber ihm zahlen musste.
Der Beitrag EM-Rente: Urlaubsanspruch trotz voller Erwerbsminderungsrente erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Sozialhilfe und Eingliederungshilfe: Gericht gibt endlich veraltete Rechtsauffassung auf
Sozialamt muss 11.530 € für das selbst beschaffte Rollstuhlfahrrad als soziale Teilhabe zahlen. Damit gibt das Gericht endlich die veraltete Rechtsauffassung auf.
Ein Rollstuhlfahrrad fördert die soziale Teilhabe, indem es Menschen im Rollstuhl und ihren Begleitern gemeinsame Mobilität und Ausflüge ermöglicht, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt und die Lebensqualität verbessert. Durch die Kombination von Rollstuhl und Fahrrad können sie selbstständig oder gemeinsam Ausflüge unternehmen, an sozialen Aktivitäten teilnehmen und so leichter in das gesellschaftliche Leben integriert werden.
Kein Ausschluss familiärer Aktivitäten von der EingliederungshilfeEin Schwerstbehinderter mit Pflegerad 5, welcher bei seinen Eltern lebt, hat Anspruch auf ein Rollstuhlfahrrad mit E-Antrieb im Rahmen der Förderung der Teilhabe zum Leben in der Gemeinschaft bei Intensivierung der familiärer Kontakte ( LSG NRW, Urteil vom 15.05.2025 – L 9 SO 177/24 – ).
Nutzt ein Schwerstbehinderter und seine Eltern das Rollstuhlstuhlrad nicht nur, um bestimmte Ziele zu erreichen, sondern es geht ihnen auch um das Radfahren und das damit verbundene Naturerlebnis an sich, ist dieses Bedürfnis vom Sozialamt im Rahmen der Eingliederungshilfe anzuerkennen.
Mit einem wirklich Hammer Urteil gibt der 9.Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ( LSG NRW, Urt. v. 15.05.2025 – L 9 SO 177/24 – ) bekannt, dass ein Schwerstbehinderter mit Pflegegrad 5 Anspruch auf Übernahme seiner Kosten für das selbst beschaffte Rollstuhlfahrrad mit E-Antrieb (Opair) durch den Sozialhilfeträger hat im Rahmen der Eingliederungshilfe ( §§ 113 Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ).
Leistungen zur sozialen Teilhabe umfassen – HilfsmittelDer Anspruch gegen die Behörde auf Zahlung der 11.530 € für die Anschaffung des Rollstuhlfahrrades ist – als sozialer Teilhabeanspruch nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX begründet. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe umfassen – Hilfsmittel -, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen.
Das Rollstuhlfahrrad soll zum Behinderungsausgleich beitragenDas Rollstuhlfahrrad soll die fehlende Fähigkeit des Klägers, aus eigener Kraft mobil zu sein, namentlich mit dem Fahrrad zu fahren, kompensieren und damit zum Behinderungsausgleich beitragen. Teilhabeziele, wie insbesondere Einkaufs-, Freizeit- und Besuchsfahrten, unterfallen denen der sozialen Teilhabe iSv § 113 Abs. 1 SGB IX.
Dazu gehören Leistungen zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung, und zwar sowohl gemeinschaftliche Aktivitäten als auch individuelle Aktivitäten, seien sie sozial, sportlich, kulturell, kreativ, bildend oder rekreativ (BSG Urteil vom 12.12.2023 – B 8 SO 9/22 R).
Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten können zur sozialen Teilhabe erforderlich seinZum Beispiel, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich ist und die Fahrten gerade deshalb unternommen werden (BSG Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 24.04.2024 – L 12 SO 189/23 – ).
Die für das Rollstuhlfahrrad notwendigen Kosten sind behinderungsbedingt, denn ohne die Behinderung wäre der Kläger zur Vervollständigung seiner Mobilität im dargestellten Sinne nicht auf ein Rollstuhlfahrrad angewiesen.
Die Versorgung des Klägers mit dem Rollstuhlfahrrad ist notwendig iSv § 4 Abs. 1 SGB IXIn welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein Mensch mit Behinderungen am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner angemessenen Wünsche (§ 104 Abs. 2 SGB IX) nach den Umständen des Einzelfalls (BSG Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R).
Maßstab für berechtigte, dh angemessene und den Gesetzeszwecken und -zielen entsprechende Wünsche (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) bzw. unverhältnismäßige Mehrkosten (§ 104 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) sind die Bedürfnisse eines nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen (BSG Urteil vom 19.05.2022 – B 8 SO 13/20 R).
Der Kläger bzw. seine Eltern haben sich für das Radfahren entschieden, um auf diese Weise an der Gesellschaft teilzuhaben. Dieser Wunsch ist angemessen, denn er entspricht einem weit verbreiteten Bedürfnis.
Nach der Rechtsprechung des BSG hat das Bewusstsein für die Bedeutung von ausreichender Bewegung für die allgemeine Gesundheit erheblich zugenommen, ist verbreitet als selbstverständlich anerkannt und findet – auch jenseits explizit sportlicher Betätigung – entsprechenden Ausdruck (BSG Urteil vom 18.04.2024 – B 3 KR 13/22 R).
Im Hinblick auf diese Verbreitung des Fahrradfahrens geht der Wunsch des Klägers nicht über die Bedürfnisse eines nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen hinaus.
Verweis auf Fahrten mit dem vorhandenen PKW der Eltern unzumutbarDer Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, die Fahrten mit dem vorhandenen PKW der Eltern und ggf. ergänzend mit dem Rollstuhl zurückzulegen. Der Transport mit dem Auto ist keine vergleichbare Leistung iSv § 104 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX. Der Kläger und seine Eltern nutzen das Rollstuhlstuhlrad nicht nur, um bestimmte Ziele zu erreichen, es geht ihnen auch um das Radfahren und das damit verbundene Naturerlebnis an sich.
Dieses Bedürfnis ist anzuerkennen.
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock1. Dieses Urteil ist wirklich zu begrüßen, denn der 9. Senat gibt endlich seine veraltete Rechtsauffassung auf, wonach galt: Keine Förderung der Teilhabe zum Leben in der Gemeinschaft bei Intensivierung der familiärer Kontakte – LSG NRW Az. L 9 SO 303/13).
2. Kein Ausschluss familiärer Aktivitäten von der Eingliederungshilfe – in diesem Sinne auch LSG NRW Az. L 12 SO 189/23 – und ganz aktuell BSG, Urteil vom 27.02.2025 – B 8 SO 10/23 R –
3. Es ist mir als Sozialrechtler aber auch gerade als Mensch immer wieder ein Bedürfnis solche Hammer – Entscheidungen bekannt zu geben, gerade, um Behinderten und Kranken, aber auch Vereinen und anderen sozialen Einrichtungen zu helfen.
Der Beitrag Sozialhilfe und Eingliederungshilfe: Gericht gibt endlich veraltete Rechtsauffassung auf erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Bürgergeld: Betriebskostenguthaben ist erst mit der Gutschrift des Jobcenters zu berücksichtigen
Bezüglich der Anrechnung des Guthabens kommt es insoweit weder auf den Zeitpunkt der Erstellung der Betriebskostenabrechnung oder auf den Zeitpunkt des Zugangs der Betriebskostenabrechnung noch auf den Zeitpunkt der Verbuchung im Mieterkonto (so aber: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.06.2020, L 28 AS 1466/14; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil, L 31 AS 1871/19 – ) an.
Im Falle einer Rückzahlung eines Guthabens ist auf den Monat der Zahlung und nicht auf den Monat der Erstellung der Abrechnung (und/oder dem Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Mieterkonto) abzustellen.
Ein Betriebskostenguthaben stellt weder mit dem Zugang der Nebenkostenabrechnung noch ab der Buchung auf dem Mieterkonto bereits zugeflossenes Einkommen dar.
Erst die Buchung auf dem Girokonto bewirkt einen Zufluss von EinkommenWird das Guthaben auf das Girokonto des Leistungsempfängers ausgezahlt, liegt erst mit der Buchung auf demselben der maßgebliche Zufluss vor.
Nach alledem war erst mit der Überweisung des Betriebskostenguthabens auf das Girokonto des Klägers ein Wertzuwachs festzustellen. Dieses Guthaben stand ihm in jenem Monat zur Deckung seiner Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als „bereites Mittel“ zur Verfügung und war mithin im Folgemonat – wie vom Jobcenter gemäß § 22 Abs. 3 SGB II berücksichtigt – bedarfsmindernd anzurechnen.
So aktuell bekannt gegeben vom heutigem Tage vom Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Urteil vom 30.04.2025 – L 18 AS 147/24 – .
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef BrockDie Sprungrevision wurde zugelassen. Diese Rechtsfrage ist mehr wie umstritten.
Trotzdem hat das Bundessozialgericht inzwischen wie folgt entschieden:
Dass allein mit der Gutschrift auf dem Mieterkonto grundsätzlich nicht der Einkommenszufluss einhergeht, hat das Bundessozialgericht (BSG) zwischenzeitlich in mehreren Urteilen angenommen, in denen stets als Zuflusszeitpunkt der Zeitpunkt der Verrechnung mit der laufenden Miete oder der Auszahlung auf das Konto des Leistungsempfängers abgestellt worden sei und gerade nicht auf den Monat der Abrechnung bzw. des Zuganges derselben bzw. der Verbuchung auf dem Mieterkonto (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 7/20 R -; BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 8/20 – ).
Die In der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, die „Haben“-Buchung eines Betriebskostenguthabens in einem vom Vermieter für die Mietsache geführten „Mietkonto“ bewirke bereits einen Wertzuwachs beim Mieter (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2020 – L 31 AS 1871/19 -, in diesem Sinne wohl auch das Urteil vom 2. Juni 2020 – L 28 AS 1466/14 -) überzeugte hier den 18. Senat des LSG BB nicht.
Der Beitrag Bürgergeld: Betriebskostenguthaben ist erst mit der Gutschrift des Jobcenters zu berücksichtigen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Bürgergeld: Hohe Kontaktdichte mit Jobcentern für mehr Sanktionen
Die Umgestaltung des Bürgergeldes zu einer „neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“ sorgt für weiter für berechtigte Unruhe. Die neue Ausrichtung heißt: weg von Vertrauen und Qualifizierung, hin zu engerer Steuerung, Vorgaben und mehr Sanktionen.
Vom Bürgergeld zur „neuen Grundsicherung“Anders als in der Bürgergeldlogik, in der mit der Abschaffung des generellen Vermittlungsvorrangs und mit Qualifizierung ein Integrationsweg ermöglicht wurde, soll nun wieder Leistungsbeziehende “auf Teufel komm raus” in jeder Stelle vermittelt werden.
Ersttermin mit Rechtsfolgen: Früh startender DruckNeu ist der Ton bereits beim Einstieg in das Verfahren. Künftig soll die erste Einladung nach Antragstellung ausdrücklich mit Rechtsfolgenbelehrung versehen sein.
Damit verschiebt sich der Charakter des Erstgesprächs deutlich. Was bisher als potenzialorientierter Auftakt ohne Sanktionsdruck gedacht war, wird zu einem rechtlich gerahmten Pflichttermin.
Die Praxisrelevanz ist erheblich: Fällt schon der erste Kontakt unter sanktionsbewehrte Mitwirkungspflichten, steigt die Bedeutung formaler Einladungen, Erreichbarkeiten und Nachweise. Für Leistungsberechtigte wird es damit wichtiger denn je, Fristen, Wegezeiten, Krankheit und Hindernisgründe lückenlos zu dokumentieren.
Kooperationsplan oder Verwaltungsakt: Rückkehr der EingriffslogikDer Kooperationsplan war im Bürgergeld als „weiches“ Instrument gedacht: gemeinsames Arbeiten auf Augenhöhe, rechtlich unverbindlich, dafür flexibel.
Das neue Konzept sieht vor, dass, wenn ein Kooperationsplan nicht zustande kommt, die Jobcenter die Pflichten per Verwaltungsakt festsetzen – inklusive Rechtsmittel- und Rechtsfolgenbelehrung. Damit wird aus einem Kommunikationsinstrument ein regelhartes Zwangsinstrument
Praktisch bedeutet das eine Rückkehr zu Mustern, die man aus früheren Eingliederungsvereinbarungen kennt: Pflichten können einseitig auferlegt werden, Widerspruchs- und Klageverfahren werden wahrscheinlicher.
Sozialrechtlich ist wichtig, ob der Übergang vom unverbindlichen Plan zum verbindlichen Verwaltungsakt tragfähig konstruiert wird. Inhalt, Bestimmtheit und Zumutbarkeit der auferlegten Pflichten werden zur Streitfrage. Für die Jobcenter steigt der Begründungsaufwand, für Betroffene die Notwendigkeit, jeden Punkt sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls fristgerecht anzugreifen.
Sanktionen und Leistungseinstellungen: harte Kante statt StufenmodellBesonders umstritten ist die geplante Abkehr vom erst jüngst eingeführten Stufenmodell bei Sanktionen. Künftig sollen bei Meldeversäumnissen nach dem zweiten verpassten Termin unmittelbar 30 Prozent vom Regelbedarf einbehalten werden.
Bleibt auch ein dritter Termin ungenutzt, soll die Geldleistung vollständig entfallen; im Folgemonat droht – bei weiterem Ausbleiben – die komplette Einstellung sämtlicher Leistungen, einschließlich der Kosten der Unterkunft.
Bei „Pflichtverletzungen“ außerhalb von Meldefällen ist ebenfalls direkt eine Minderung um 30 Prozent vorgesehen. Wer eine Arbeitsaufnahme verweigert, muss mit einer Streichung der Geldleistung rechnen; die Kosten der Unterkunft sollen direkt an Vermieter gezahlt werden.
Diese Linie stellt das Verhältnis zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erneut auf die Probe. Das Gericht hatte 2019 Sanktionen grundsätzlich auf 30 Prozent begrenzt und vollständige Entzüge nur in eng auszulegenden Ausnahmekonstellationen offengelassen.
Entscheidend wird sein, ob die konkrete Ausgestaltung Härtefälle, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinreichend berücksichtigt und ob die Verwaltungspraxis die verfassungsrechtlichen Leitlinien wahrt.
Schon kleine Formfehler können in einem strikt sanktionsorientierten System erhebliche Folgen haben – für Behörden und Betroffene gleichermaßen.
Erwerbsfähigkeit mit unklarer DefinitionDie Ankündigung, den Erwerbsfähigkeitsbegriff „realitätsnäher“ zu definieren, ist schlagwortstark, aber inhaltlich vage. Gemeint sein könnte eine schärfere Abgrenzung zwischen SGB II und anderen Sicherungssystemen, etwa der Erwerbsminderungsrente oder Hilfen nach dem SGB XII.
Ebenso denkbar ist eine differenziertere Bewertung psychischer und physischer Einschränkungen im Hinblick auf zeitliche Belastbarkeit, Tätigkeitsprofile und Integrationsperspektiven.
Gerade hier lauern Konflikte. Gesundheitsdaten sind besonders sensibel; ihre Erhebung, Verarbeitung und Bewertung erfordern klare rechtliche Grundlagen, qualifiziertes Fachpersonal und wirksame Datenschutzvorkehrungen.
Wenn Jobcenter-Mitarbeiter „im Umgang mit psychischen Erkrankungen“ geschult werden, kann das Brücken bauen – oder neue Kontrollfantasien befeuern. Vertrauen entsteht nicht durch Diagnostik light, sondern durch verlässliche Schnittstellen zu Medizin und Rehabilitation sowie durch das Prinzip „so viel Hilfe wie nötig, so wenig Zwang wie möglich“.
Höhere Kontaktdichte für mehr SanktionenFür Langzeitarbeitslose ist eine „deutlich höhere Kontaktdichte“ geplant. Dahinter steckt die Idee, mit engmaschiger Betreuung und konkreten Angeboten den Wiedereinstieg zu beschleunigen. Ob dieses Versprechen eingelöst werden kann, hängt an zwei Bedingungen: an verfügbaren, passenden Integrationsangeboten und an ausreichenden Personalkapazitäten in den Jobcenter.
Da beides illosorisch ist, wird aus der “hohen Kontaktdichte” ein Mittel zur schnellen Sanktion. Um so mehr Termine vergeben werden, um so mehr Sanktionen und Einsparungen die Folge.
Clustering nach ArbeitsmarktnäheLeistungsbeziehende sollen stärker nach Arbeitsmarktnähe „geclustert“ werden, um die Intensität der Betreuung auszurichten. Solche Segmentierungen existieren faktisch schon lange.
Neu ist der Anspruch, daraus eine systematische Steuerungslogik abzuleiten.
Wer wie und warum in ein Cluster fällt, muss nachvollziehbar sein, und es braucht realistische Wechselpfade zwischen den Gruppen. Es werden sich Etiketten verfestigen , die mehr über Verwaltungslogik als über individuelle Chancen aussagen.
Eltern mit Kindern unter drei Jahren: Pflicht zur Beratung, Pflicht zur Integration?
Mütter und Väter kleiner Kinder sollen bereits ab dem ersten Geburtstag zur einer Beratung verpflichtend eingeladen werden. Tun sie das nicht, drohen Sanktionen.
Alleinstehende: Vollzeit als neuer StandardBesonders aufmerksam macht die Ankündigung, alleinstehende Leistungsberechtigte stärker in Vollzeitbeschäftigung zu lenken. Vollzeit als Standard passt nicht für alle Lebenslagen. Gesundheitliche Einschränkungen, fehlende Mobilität, regionale Arbeitsmärkte und die Qualität der angebotenen Jobs spielen eine Rolle. Integration um jeden Preis birgt das Risiko instabiler Erwerbsbiografien mit schnellen Rückfällen in den Leistungsbezug.
Vermittlungsvorrang „altersdifferenziert“Der Vermittlungsvorrang soll zurückkehren, aber altersdifferenziert gelten. Unter 30-Jährige sollen vorrangig qualifiziert werden, wenn dies für eine nachhaltige Integration erfolgversprechend erscheint.
Hohe Wohnkosten und „unbürokratische Lösungen“: Risiko ObdachlosigkeitBesonders sensibel ist die Ankündigung, bei unverhältnismäßig hohen Unterkunftskosten die Karenzzeit entfallen zu lassen und „unbürokratische Lösungen“ zu finden.
In der Praxis entscheidet die Abgrenzung zwischen noch akzeptabler Miete und „unverhältnismäßig“ über existentielle Fragen. Unbürokratisch darf nicht heißen, dass ohne belastbaren Einzelfallmaßstab Leistungen gekürzt werden.
Korrekte Angemessenheitsgrenzen, Übergangsfristen, aktive Umzugshilfen und Schutz vor Wohnungslosigkeit sind aber unverzichtbar, ansonsten ist dies nicht verfassungskonform.
Mehr Kontrolle, mehr DatenaustauschVerschärfte Maßnahmen gegen Schwarzarbeit, eine stärkere Arbeitgeberhaftung, eine klarere Fassung des Arbeitnehmerbegriffs im Kontext der Freizügigkeit und erweiterter Datenaustausch – die Missbrauchsbekämpfung wird ausgebaut. Legitimation und Verhältnismäßigkeit hängen hier an der Fehlerquote..
Pauschale Verdachtslogiken fördern Stigmatisierung und erzeugen Kollateralschäden bei korrekt handelnden Leistungsbeziehenden und Unternehmen.
Temporäre Bedarfsgemeinschaften: Entlastung oder neue Schieflage?Die Abschaffung temporärer Bedarfsgemeinschaften soll Bürokratie reduzieren. Künftig erhält der hauptsächlich betreuende Elternteil den vollen Regelbedarf, für den umgangsberechtigten Elternteil ist ein pauschalierter Mehrbedarf vorgesehen.
Der Beitrag Bürgergeld: Hohe Kontaktdichte mit Jobcentern für mehr Sanktionen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Rente: Rentensplitting statt Witwenrente – Wann sich die unbekannte Option richtig lohnt
Viele Paare kennen die Hinterbliebenenrente – aber kaum jemand das Rentensplitting. Dabei kann die Aufteilung der in der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte ein strategisches Instrument sein: Sie schafft zwei eigenständige Renten – und kann sich vor allem dann lohnen, wenn die spätere Witwen-/Witwerrente wegen Einkommen gekürzt würde oder bei Wiederheirat wegfällt.
Was ist Rentensplitting – und was passiert genau?Beim Rentensplitting werden nur die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften (Entgeltpunkte) gleichmäßig auf beide Partner verteilt. Der Partner mit den höheren Anwartschaften gibt die Hälfte des Unterschieds an den anderen ab.
Ergebnis: Beide stehen so da, als hätten sie während der Ehe identische Punkte gesammelt. Wichtig: Wer sich für das Splitting entscheidet, hat später keinen Anspruch mehr auf Witwen-/Witwerrente – die Entscheidung ist verbindlich.
Wer darf das – und ab wann?Zulässig ist das Rentensplitting für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, wenn
- die Ehe nach dem 31.12.2001 geschlossen wurde oder
- die Ehe bereits am 31.12.2001 bestand und beide Partner nach dem 1.1.1962 geboren sind.
Zusätzlich müssen beide Partner jeweils mindestens 25 Jahre rentenrechtliche Zeiten (z. B. Beitragszeiten, Kindererziehungszeiten) im Versicherungskonto haben. Die gemeinsame Erklärung ist frühestens sechs Monate vor Erreichen der Regelaltersgrenze des jüngeren Partners möglich.
Verstirbt ein Partner, kann der Hinterbliebene innerhalb von 12 Monaten noch allein das Splitting wählen – dann statt einer Witwen-/Witwerrente.
Splitting oder Witwenrente – der zentrale UnterschiedRentensplitting: Teilt nur die Ehezeit-Ansprüche; beide bekommen dauerhaft eigene (unabhängige) Renten. Diese bleiben auch bei Wiederheirat bestehen.
Witwen-/Witwerrente: Bemisst sich am gesamten Versicherungsverlauf des Verstorbenen (55 % “große” Witwen-/Witwerrente; 60 % nach “altem Recht”) – wird aber auf eigenes Einkommen angerechnet (40 % vom Netto oberhalb Freibetrag) und endet bei Wiederheirat gegen Abfindung.
Schnellvergleich
Aspekt Kurzvergleich (RS = Rentensplitting, WR = Witwen-/Witwerrente) Grundlage RS: Entgeltpunkte nur aus der Ehezeit. WR: Bemisst sich an der gesamten Rente des Verstorbenen. Entscheidung RS: Einmalig und verbindlich zu erklären. WR: Kein aktiver Verzicht nötig. Anrechnung Einkommen RS: Keine Anrechnung. WR: 40 % des Netto über Freibetrag (ab 1.7.2025: 1.076,86 €, + 228,42 € je waisenrentenberechtigtem Kind). Wirkung bei Wiederheirat RS: Bleibt unverändert bestehen. WR: Entfällt; Abfindung möglich. Typischer Nutzen RS: Stärkt die eigene Rente bei ungleichen Erwerbsbiografien. WR: Oft höher, wenn der Verstorbene sehr viele Entgeltpunkte hatte und das eigene Einkommen gering ist. Für wen lohnt sich Splitting?Tendenziell lohnt sich das Rentensplitting vor allem dann, wenn der geringer verdienende Partner deutlich weniger Entgeltpunkte gesammelt hat und ohne Splitting nur eine niedrige eigene Rente zu erwarten wäre.
Zusätzlich spricht vieles dafür, wenn eigene Einkünfte – etwa aus einer eigenen Rente, Erwerbstätigkeit oder Vermietung – die spätere Witwen-/Witwerrente voraussichtlich spürbar kürzen würden. Auch bei absehbarer oder zumindest denkbarer Wiederheirat ist das Splitting attraktiv, weil die Hinterbliebenenrente in diesem Fall wegfiele, die eigenständige – durch Splitting gestärkte – Rente aber bestehen bleibt.
Nicht zuletzt kann das Verfahren helfen, fehlende Wartezeiten für die eigene Altersrente oder eine Erziehungsrente zu erfüllen und damit überhaupt erst einen Rentenanspruch zu sichern.
Für wen lohnt sich Splitting nicht?Eher ungünstig ist das Rentensplitting, wenn der verstorbene oder voraussichtlich zuerst versterbende Partner außergewöhnlich viele Entgeltpunkte aufgebaut hat und das eigene Einkommen niedrig ist – in solchen Fällen fällt die große Witwen-/Witwerrente meist deutlich höher aus als der Zugewinn durch das Splitting.
Ebenso lohnt es selten, wenn beide Partner während der Ehezeit in etwa gleich viele Punkte gesammelt haben, weil dann kaum Umverteilung stattfindet. Und schließlich scheidet das Splitting aus, wenn die erforderlichen 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten nicht erreicht werden.
Rechenbeispiele aus der PraxisBeispiel 1: Klassisches Einverdiener-Modell – Splitting bringt Unabhängigkeit
Ehezeit 20 Jahre. In dieser Zeit sammelt A 30, B 10 Entgeltpunkte. Differenz 20, davon Hälfte = 10 gehen von A zu B. Ergebnis: Beide haben aus der Ehezeit je 20 Punkte.
Angenommen, außerhalb der Ehezeit hat A weitere 15, B weitere 5 Punkte.
Ohne Splitting: A 45 EP, B 15 EP.
Mit Splitting: A 35 EP, B 25 EP.
Bei aktuellem Rentenwert 40,79 € (bundeseinheitlich seit 1.7.2025) ergibt das brutto etwa:
Ohne Splitting: A ≈ 1.835 €, B ≈ 612 €
Mit Splitting: A ≈ 1.427 €, B ≈ 1.020 €
Das Paareinkommen bleibt ähnlich, aber B gewinnt dauerhafte Eigenständigkeit – und verliert keine Rente bei Wiederheirat, weil es keine Hinterbliebenenrente benötigt.
Beispiel 2: Hohe eigene Rente – Witwenrente wird später gekürztC hätte (ohne Splitting) eine eigene Altersrente von 1.400 € brutto; D stirbt und hinterlässt (gedacht) eine Rente von 2.200 € brutto. Die große Witwenrente läge grundsätzlich bei 55 % = 1.210 €.
Aber: Auf die Witwenrente wird C’s Einkommen angerechnet. Freibetrag (1.7.2025–30.6.2026): 1.076,86 €. Vom Netto über dem Freibetrag werden 40 % abgezogen. Bei typisierten Abzügen kann die Witwenrente so um dreistellige Beträge schrumpfen – im Extrem sogar auf 0 €, wenn das eigene Einkommen hoch genug ist.
In solchen Konstellationen kann Splitting attraktiver sein, weil es eine unabhängige Rente schafft, die nicht einkommensgeprüft wird.
Beispiel 3: „Nachträgliches“ Splitting statt WitwenrenteE stirbt. F hätte Anspruch auf Witwenrente, überlegt aber: eigenes gutes Einkommen, Wiederheirat möglich. F kann innerhalb von 12 Monaten nach dem Todesfall einseitig das Splitting wählen – die Ehezeit-Punkte werden dann geteilt, statt Hinterbliebenenrente.
Das ist vor allem sinnvoll, wenn F wegen Anrechnung ohnehin wenig oder keine Witwenrente bekäme. Achtung: Die Wahl ist endgültig, ein Zurück zur Witwenrente gibt es dann nicht.
Häufige Missverständnisse – kurz geklärt“Splitting ist nur bei Scheidung möglich.” Falsch: Das ist der Versorgungsausgleich. Rentensplitting ist eine gemeinsame Entscheidung (oder nach Tod einseitig) ohne Scheidung.
“Mit Splitting verliert man immer Geld.” Nein. Es kommt auf Punkteverteilung, Einkommen und Lebensplanung (Wiederheirat!) an. Die DRV empfiehlt ausdrücklich eine individuelle Probeberechnung.
“Witwenrente wird nicht angerechnet.” Doch: 40 % des Nettoeinkommens oberhalb Freibetrag (2025/26: 1.076,86 €).
Splitting ist kein Geheimtipp – aber ein scharfes WerkzeugDas Rentensplitting ist keine pauschale Empfehlung, sondern eine strategische Wahl: Es lohnt sich besonders, wenn Einkommensanrechnung die Witwen-/Witwerrente später deutlich drückt, Wiederheirat im Raum steht oder eigenständige Ansprüche gestärkt werden sollen.
Wer dagegen niedriges eigenes Einkommen hat und der (künftige) Partner sehr viele Entgeltpunkte, fährt mit der klassischen Hinterbliebenenrente oft besser. Unbedingt vorab über die DRV eine individuelle Vergleichsberechnung anfordern – und erst dann entscheiden.
Der Beitrag Rente: Rentensplitting statt Witwenrente – Wann sich die unbekannte Option richtig lohnt erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: Rückwirkender GdB – So bekommt man nach Jahren noch Steuervorteile
Wenn der Bescheid zu niedrig oder fehlerhaft war: So lässt sich der Grad der Behinderung korrigieren – oft auch rückwirkend.
Viele Betroffene kennen das: Der Feststellungsbescheid des Versorgungsamts fällt niedriger aus als die eigene Lebensrealität. Wer einen zu niedrigen GdB (Grad der Behinderung) oder fehlende Merkzeichen erhält, steht damit jedoch nicht am Ende.
Mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X können rechtswidrige Alt-Bescheide gekippt und rückwirkende Ansprüche gesichert werden – mit Wirkung etwa für Steuern, Merkzeichen und Nachteilsausgleiche. Wir zeigen, wie das geht, welche Fristen gelten und worauf es taktisch ankommt.
Was § 44 SGB X erlaubt – und was nicht§ 44 SGB X ist die „Korrekturschraube“ des Sozialrechts: Rechtswidrige, nicht begünstigende Verwaltungsakte müssen auf Antrag zurückgenommen werden. Das gilt auch für Feststellungsbescheide zum GdB und zu Merkzeichen.
Die Behörde prüft dabei den damaligen Sach- und Rechtsstand – nicht den heutigen. Wichtig: Geldleistungen können regelmäßig nur für maximal vier Jahre rückwirkend nachgezahlt werden.
Bei reinen Feststellungen (z. B. GdB, Merkzeichen) ist die rückwirkende Feststellung demgegenüber möglich, wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen bereits damals vorlagen und dies nachweisbar ist.
Rückwirkung konkret: GdB, Merkzeichen, Steuern & Co.Eine rückwirkende GdB- oder Merkzeichen-Feststellung ist vor allem dann wertvoll, wenn daran Nachteilsausgleiche hängen.
Dazu zählen insbesondere steuerliche Vorteile (Behinderten-Pauschbetrag, außergewöhnliche Belastungen), kraftfahrzeugsteuerrechtliche Vergünstigungen sowie Ermäßigungen und Nachteilsausgleiche im Alltag (z. B. ÖPNV-Freifahrt mit Wertmarke, Parkerleichterungen bei aG/B/G, Zusatzurlaub und besonderer Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis).
Nicht alles wirkt jedoch automatisch rückwärts. Entscheidend ist, welche Leistung betroffen ist und welches Gesetz die Rückwirkung zulässt.
Schneller Überblick Bereich Rückwirkung möglich? / Besonderheiten GdB-Feststellung Ja. Rückwirkende Feststellung denkbar, wenn medizinisch belegt (Befunde, Arztberichte) und der Gesundheitszustand bereits damals die entsprechende Bewertung rechtfertigte. Merkzeichen (z. B. G, aG, H, Bl, RF) Ja, grundsätzlich. Voraussetzung: die jeweiligen gesundheitlichen Kriterien waren im beantragten Zeitraum erfüllt. Praktischer Nutzen variiert, da manche Nachteilsausgleiche nur für die Zukunftgewährt/erstattet werden. Steuern (Behinderten-Pauschbetrag, Kfz-Steuervergünstigungen) Oft ja. Der Feststellungsbescheid (GdB/Merkzeichen) fungiert als Grundlagenbescheid; steuerliche Vorteile können bei offener Steuerfestsetzung nachträglich berücksichtigt werden. Grenzen: Festsetzungsverjährung beachten. Geldleistungen aus dem Sozialrecht Begrenzt. Vierjahresfrist: Nachzahlungen maximal für die letzten vier Jahre (gerechnet ab Jahresbeginn des Antragsjahres). Arbeitsrechtliche Schutzrechte (z. B. besonderer Kündigungsschutz, Zusatzurlaub) Eher prospektiv. Wirken grundsätzlich für die Zukunft ab Feststellung/Anzeige der Schwerbehinderung gegenüber dem Arbeitgeber. Überprüfungsantrag oder Neufeststellung – was ist der richtige Weg?Der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ist der richtige Weg, wenn der frühere Bescheid bereits bei Erlass fehlerhaft war – etwa weil medizinische Befunde ignoriert wurden oder die Versorgungsmedizin-Verordnung falsch angewandt wurde.
Ziel ist dann die Rücknahme des Alt-Bescheids und eine rückwirkende, oft höhere Feststellung. Demgegenüber kommt ein Neufeststellungs- bzw. Änderungsantrag infrage, wenn sich der Gesundheitszustand erst später verschlechtert hat oder neue Leiden hinzugekommen sind; seine Wirkung entfaltet sich grundsätzlich ab Antragstellung in die Zukunft, ohne Rückgriff auf die Vergangenheit.
Praxis-Tipp: Wer unsicher ist, kann beides kombinieren – Überprüfung für die Vergangenheit und Neufeststellung für Gegenwart und Zukunft.
Fristen, Nachweise, TaktikEs gibt keine starre Antragsfrist: Ein Überprüfungsantrag ist grundsätzlich zeitlich unbegrenzt möglich, für Geldleistungen gilt jedoch die Vierjahresgrenze.
Maßgeblich für diese Rechenregel ist der Beginn des Jahres, in dem der Antrag eingeht; von dort werden vier Jahre rückwärts betrachtet – ältere Zeiträume bleiben bei Geldleistungen außen vor.
Für eine rückwirkende GdB- oder Merkzeichen-Feststellung sind zeitnahe medizinische Belege entscheidend, etwa Arztbriefe, Reha- oder Klinikberichte, Diagnosen und Befundberichte; je näher die Nachweise am strittigen Zeitraum liegen, desto besser.
Im Antrag sollte der Zielzeitraum klar benannt werden – also ab welchem Datum GdB oder Merkzeichen rückwirkend gelten sollen – und dies kurz begründet sowie mit Beweismitteln untermauert werden.
Lehnt die Behörde ab, stehen Widerspruch und anschließend Klage vor dem Sozialgericht offen; gerade bei Rückwirkungsfragen kommt es häufig auf die Versorgungsmedizin-Verordnung und eine saubere medizinische Substantiierung an.
Steuern: So sichern Sie sich rückwirkende VorteileWird der GdB später rückwirkend festgestellt oder erhöht, lassen sich in vielen Fällen Steuervorteile nachträglich geltend machen – etwa der Behinderten-Pauschbetrag (je nach GdB gestaffelt), Kfz-Steuervergünstigungen bei bestimmten Merkzeichen oder außergewöhnliche Belastungen. Praktisch bedeutet das:
Einkommensteuer: Für noch offene/beschwerdefähige Veranlagungszeiträume kann das Finanzamt den Bescheid ändern und den Pauschbetrag oder Mehraufwendungen berücksichtigen.
Festsetzungsverjährung beachten. Wer auf Nummer sicher gehen will, stellt parallel einen schlichten Änderungsantrag beim Finanzamt und verweist auf den (angekündigten) oder bereits vorliegenden Feststellungsbescheid mit Rückwirkungsdatum.
Kfz-Steuer: Liegen die entsprechenden Merkzeichen (z. B. H, Bl oder aG) rückwirkend vor, kommen auch steuerliche Vergünstigungen rückwirkend in Betracht. Hier gilt: Bescheid und Zeitraum exakt benennen, Erstattungsantrag stellen.
Häufige Missverständnisse„Rückwirkung heißt: alles wird nachgezahlt.“ – Falsch. Feststellungen (GdB/Merkzeichen) können rückwirkend sein; Geldleistungen aber regelmäßig nur vier Jahre.
„Ohne alte Befunde geht’s trotzdem.“ – Meist nein. Die Rückwirkung lebt von medizinischer Dokumentation. Wer keine Unterlagen hat, sollte Behandler um Aktenauszüge bitten.
„Ich muss warten, bis ich neue Befunde habe.“ – Nicht zwingend. Antrag jetzt stellen, Belege nachreichen – so sichert man früh den Rückwirkungszeitraum.
Der Überprüfungsantrag ist ein starkes Werkzeug gegen zu niedrige oder fehlerhafte GdB-Bescheide. Wer früh handelt, den Zielzeitraum klar bezeichnet und medizinisch sauber belegt, kann nicht nur den GdB und Merkzeichen korrigieren, sondern häufig auch rückwirkende Vorteile sichern – insbesondere bei Steuern. Entscheidend sind Taktik, Timing und Unterlagen.
Der Beitrag Schwerbehinderung: Rückwirkender GdB – So bekommt man nach Jahren noch Steuervorteile erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: Mehr Vorteile fürs Wohnen für Menschen mit Schwerbehinderung
Menschen mit Schwerbehinderung haben Anspruch auf Nachteilsausgleiche, die ihnen ermöglichen sollen, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dazu gehören Sonderregelungen im Beruf, bei der Steuer und auch beim Wohnen.
Wir zeigen Ihnen, welche Sonderregelungen Sie als Menschen mit Schwerbehinderung beim Wohnen in Anspruch nehmen können und worauf Sie achten müssen.
Niedrigere Schwelle beim WohngeldMenschen mit Schwerbehinderung, die über wenig Einkommen verfügen und deshalb berechtigt sind, Wohngeld zu erhalten, bekommen niedrig schwelliger Wohngeld als Menschen ohne Schwerbehinderung.
Ihnen wird nämlich ein Freibetrag von 1.800 Euro beim Jahres-Brutto-Einkommen abgezogen, der nicht für den Anspruch auf Wohngeld angerechnet wird.
Die Voraussetzung ist entweder ein Grad der Behinderung von 100 oder aber aber ein Grad der Behinderung von mindestens 50. Im zweiten Fall müssen die Betroffenen aber außerdem pflegebedürftig sein und sich in häuslicher oder teilstationärer Kurzpflege befinden.
Tabelle: Zuschüsse fürs Wohnen bei Schwerbehinderung Zuschuss / Leistung (Träger / Rechtsgrundlage) Konditionen 2025 – Betrag, Zweck, wer bekommt’s Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (Pflegekasse, § 40 Abs. 4 SGB XI) Bis 4.180 € pro Maßnahme ab 01.01.2025, ohne Einkommensprüfung, für Menschen mit Pflegegrad 1–5; bei mehreren Pflegebedürftigen im Haushalt kumulativ bis 16.720 €möglich; erneute Förderung bei veränderter Pflegesituation. Für barrierearme Umbauten (z. B. Dusche, Türverbreiterung, Rampen). Wohnungshilfe(gesetzliche Unfallversicherung, § 41 SGB VII) Bedarfsdeckende Kostenübernahme im Einzelfall nach Arbeitsunfall/Berufskrankheit: Umbau, Umzug, Bereitstellung von Wohnraum für Pflegekraft; auch Beschaffung/Anpassung behindertengerechten Wohnraums. Kein Pauschalbetrag – richtet sich nach Bedarf. Leistungen für Wohnraum(Eingliederungshilfe, § 77 SGB IX) Zuschüsse/Darlehen für Beschaffung, Umbau, Ausstattung, Erhaltungbehinderungsgerechten Wohnraums – einkommens-/vermögensabhängig. Freibeträge 2025 angehoben (z. B. Vermögensfreibetrag 67.410 €). Umfang nach individuellem Bedarf Wohnungshilfen des Integrationsamts(Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe, § 22 SchwbAV) Für beschäftigte schwerbehinderte Menschen (Begleitende Hilfe im Arbeitsleben): Zuschüsse/Zinszuschüsse/Darlehen zur Beschaffung/Anpassung der Wohnung oder Umzug (z. B. näher am Arbeitsplatz). Einzelfallprüfung; Zuständigkeit je nach Reha-Träger. Wohngeld (allgemein, nicht speziell behindertenspezifisch) Zuschuss zu Miet-/Belastungskosten bei geringem Einkommen. Zum 01.01.2025 +15 % / ca. +30 € mtl. im Durchschnitt (Wohngeld-Plus dynamisiert). Kann auch Haushalten mit behinderten Personen helfen. Landes-/Kommunalprogramme (Beispiele) NRW: Förderdarlehen mit Tilgungsnachlass bis 50 % für Wohnraum für Menschen mit (Schwer-)Behinderungen ⇒ faktischer Zuschussanteil. Bayern: leistungsfreies Baudarlehen bis 10.000 € für behindertengerechte Anpassung (effektiv Zuschusscharakter). Verfügbarkeit & Konditionen je Bundesland/Kommunen. Hinweis KfW (Bund): „Barrierereduzierung – Investitionszuschuss 455-B“ 2025 nicht beantragbar (eingestellt). Aktuell nur der KfW-Kredit 159 (zinsgünstig, kein Zuschuss).Optional je nach Situation: In der Sozialhilfe (SGB XII) können in Einzelfällen höhere Unterkunftskosten anerkannt bzw. übernommen werden, wenn behinderungsbedingt mehr Wohnfläche/Anpassung nötig ist (Ermessens-/Einzelfallentscheidung der Träger)
Mehrbedarf bei SchwerbehinderungDas Wohngeld selbst ist für Menschen mit Schwerbehinderung in vielen Fällen höher als für Menschen ohne Schwerbehinderung. Wer schwerbehindert und voll erwerbsgemindert ist sowie drittens das Merkzeichen G im Ausweis hat (erheblich gehbehindert), kann 17 Prozent mehr Wohngeld beanspruchen.
Erwerbsfähige Schwerbehinderte in einer Eingliederungshilfe haben sogar Anspruch auf 35 Prozent mehr Wohngeld.
Barrierefreies WohnenSchwerbehinderte Mieter können ihre Wohnung barrierefrei umbauen, wenn das für den Vermieter zumutbar ist. Hier handelt es sich nicht um eine Gefälligkeit des Vermieters, sondern er muss dem barrierefreien Umbau zustimmen, falls dies für ihn keine unzumutbare Belastung darstellt.
Betroffene können bei verschiedenen Stellen Unterstützung für einen barrierefreien Umbau der Wohnung bekommen, unter anderem von der Pflegeversicherung. Viele Finanzinstitute bieten in solchen Fällen günstige Kredite an.
Die Pflegeversicherung zahlt bis zu 4.180 Euro pro Jahr und Person für barrierefreie Umbauarbeiten, und bei mehreren Menschen mit Schwerbehinderung, die gemeinsam wohnen, sogar bis zu 16. 720 Euro pro Jahr.
Solche Umbauten reichen vom Einbau eines Treppenlifts bis zum Einbau zusätzlicher Geländer, sie umfassen unter anderem barrierefreie Badezimmer und Badewannenlifte, den Einbau von niedrigeren Lichtschaltern und den Abbau von Schwellen und anderen Erschwernissen im Wohnbereich.
Was müssen Sie beachten?Die Pflegeversicherung zahlt nur, wenn Sie dem Umbau zugestimmt hat. Sie müssen also die Umbaumaßnahmen beantragen, bevor Sie damit beginnen, ansonsten müssen Sie die Kosten selbst tragen.
SteuervergünstigungenDer barrierefreie Umbau lässt sich von der Einkommenssteuer absetzen, wenn das Finanzamt diesen als außergewöhnliche Belastung akzeptiert. Die eigene Schwerbehinderung oder die eines Familienmitglieds in der Wohnung muss dabei nachgewiesen sein, und der Umbau muss aufgrund der Behinderung erfolgen.
Die Kosten für den Umbau müssen Sie belegen. Erfahrungsgemäß schaut das Finanzamt geanu hin, wenn es eine solche außergewöhnliche Belastung von der Steuer abrechnet.
Erschwerte Kündigung der WohnungEs gibt für Menschen mit Behinderung zwar keinen gesetzlichen Schutz vor einer Kündigung der Wohnung, Sie haben aber gute Chancen, wenn Sie sich auf die Härteklausel berufen. Der Vermieter darf Ihnen nicht kündigen, wenn ein Auszug aus der Wohnung für Sie eine besondere Härte darstellen würde.
Eine fehlende alternative barrierefreie Wohnung, die Integration in ein Netzwerk des jeweiligen Pflegedienstes, eine besondere Schulform oder ein behindertengerechter Arbeitsplatz in der Nähe Ihrer Wohnung kann eine solche besondere Härte rechtfertigen.
In manchen Fällen steht hier das Recht eines Menschen mit Schwerbehinderung auf eine barrierefreie Wohnung sogar über dem berechtigten Eigenbedarf des Vermieters.
Der Beitrag Schwerbehinderung: Mehr Vorteile fürs Wohnen für Menschen mit Schwerbehinderung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Bürgergeld: Gericht stoppt Jobcenter – Nur verfügbares Geld darf angerechnet werden
Wenn Teile des Lohns direkt an den Insolvenztreuhänder gehen, zählen sie beim Bürgergeld nicht als Einkommen. Das hat das Bayerische Landessozialgericht klargestellt.
Für Betroffene mit Lohnpfändung oder Privatinsolvenz ist das ein wichtiges Signal: Jobcenter dürfen nur Mittel berücksichtigen, die tatsächlich im Haushalt ankommen und frei verfügbar sind.
LSG Bayern: Gepfändeter Lohn ist kein anrechenbares EinkommenIm Verfahren vor dem LSG Bayern stritt eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Jobcenter um die Anrechnung von Einkommen. Der Partner der Mutter arbeitete, befand sich aber in der Insolvenz. Sein Arbeitgeber überwies den pfändbaren Lohnanteil unmittelbar an den Treuhänder. Das Jobcenter rechnete dennoch das volle Nettoeinkommen an und lehnte Bürgergeld ab.
Die Richter stoppten diese Praxis: Beträge, die in der Restschuldbefreiung nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten sind, stellen kein anrechenbares Einkommen nach § 11 SGB II dar. Entscheidend ist, ob Geld als „bereites Mittel“ zur Verfügung steht. Das verneinten die Richter, weil der gepfändete Anteil den Betroffenen nie zufloss. (Az. L 11 AS 232/22, Urteil vom 27.11.2024).
„Bereite Mittel“: Nur Verfügbares darf angerechnet werdenDer Grundsatz ist einfach: Einkommen zählt nur, wenn Sie es tatsächlich nutzen können. Das Bundessozialgericht und die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit betonen diese Linie seit Jahren. Gepfändete Lohnanteile sind rechtlich gebunden. Sie dienen der Schuldentilgung und stehen dem Lebensunterhalt nicht bereit. Damit scheidet eine Anrechnung aus.
Jobcenter-Praxis: Konsequenzen für laufende und künftige BescheideDie Entscheidung wirkt weit über den Einzelfall hinaus. Jobcenter müssen prüfen, welche Zahlungen auf dem Konto der Bedarfsgemeinschaft ankommen. Nur diese Beträge sind als Einkommen zu berücksichtigen. Abzüge, die der Arbeitgeber vor Auszahlung vornimmt und direkt an den Treuhänder überweist, sind außen vor.
Für Betroffene bedeutet das: Falsch berechnete Bescheide lassen sich angreifen. Wichtig sind Nachweise, etwa Lohnabrechnungen und Schreiben des Treuhänders, die die Abführung der pfändbaren Teile dokumentieren. Ein Widerspruch kann sich lohnen.
Medienberichte und Urteilsbesprechungen haben die Kernaussage des LSG zuletzt bestätigt und für die Praxis aufbereitet.
Pfändungsfreigrenzen und P-Konto: Das gilt seit Juli 2025Zum 1. Juli 2025 sind die Pfändungsfreigrenzen gestiegen. Der unpfändbare Grundbetrag liegt bei 1.555 Euro, gesetzlich auf 1.559,99 Euro aufgerundet. Beim Pfändungsschutzkonto (P-Konto) beträgt der Grundfreibetrag seit dem 1. Juli 2025 1.560 Euro pro Monat. Diese Werte helfen, die tatsächliche Verfügbarkeit des Einkommens zu bestimmen.
Regelbereich Aktueller Grundfreibetrag* Pfändung nach ZPO (§ 850c) 1.559,99 € monatlich P-Konto-Grundfreibetrag 1.560 € monatlich*Beträge erhöhen sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen. Details ergeben sich aus der Pfändungstabelle.
Mitwirkung: Was das Jobcenter verlangen darf – und was nichtDas LSG wies auch die Argumentation zurück, der Schuldner müsse die Abführung stoppen oder den Freibetrag anheben lassen. In der Insolvenz ist die Abtretung der pfändbaren Bezüge zwingend. Eine „Rücknahme“ dieser Abtretung ist nicht vorgesehen.
Eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenze nach § 850f ZPO kommt nur bei gesetzlichen Unterhaltspflichten in Betracht. Fehlt eine solche Pflicht, bleibt der Freibetrag unverändert. Daraus folgt: Betroffene verletzen keine Mitwirkungspflichten, wenn sie die Abführung nicht verhindern können.
So setzen Sie Ihren Anspruch durchPrüfen Sie Ihren Bescheid sorgfältig, wenn Ihr Lohn gepfändet wird oder eine Insolvenz läuft. Werden gepfändete Beträge als Einkommen angerechnet, sollten Sie aktiv werden: Legen Sie fristgerecht Widerspruch ein und stützen Sie sich dabei auf den Grundsatz der „bereiten Mittel“.
Fügen Sie Ihrem Schreiben Nachweise bei, etwa Lohnabrechnungen, Unterlagen des Treuhänders und den Pfändungsbeschluss. Verlangen Sie zugleich eine Neuberechnung, denn maßgeblich ist nur der tatsächlich zugeflossene und frei verfügbare Lohn.
Wie Sie die Argumentation des LSG in der Praxis nutzen, zeigen Urteilszusammenfassungen und Fachportale. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie rechtlichen Rat ein oder lassen Sie den Bescheid prüfen.
Einordnung: Klare Leitplanken für die GrundsicherungDie Entscheidung stärkt den Nachranggrundsatz des SGB II, ohne Betroffene doppelt zu belasten. Wer Schulden abbaut, darf dafür nicht beim Existenzminimum bestraft werden. Das LSG schafft hier Rechtssicherheit. Jobcenter erhalten zugleich klare Leitplanken: Anzurechnen ist nur, was den Haushalt wirklich erreicht – nicht, was rechtlich gebunden ist.
Der Beitrag Bürgergeld: Gericht stoppt Jobcenter – Nur verfügbares Geld darf angerechnet werden erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Krankengeld: Urlaub während der Krankschreibung – das ist erlaubt
Wer länger krankgeschrieben ist und Krankengeld erhält, hat oft nur einen Wunsch: raus aus dem Alltag, Kraft tanken. Doch darf man während des Krankengeldbezugs verreisen – und wenn ja, wohin, wie lange, mit welchen Auflagen? Der rechtliche Rahmen ist klarer, als viele denken. Gleichzeitig drohen empfindliche Folgen, wenn Regeln missachtet werden.
Grundsatz: Urlaub trotz Krankengeld ist möglich – aber nicht grenzenlosWährend einer attestierten Arbeitsunfähigkeit ist Erholung nicht verboten. Entscheidend ist, dass die Reise den Heilungsverlauf nicht behindert und die formalen Spielregeln eingehalten werden. Innerhalb Deutschlands ist keine ausdrückliche Genehmigung der Kasse vorgeschrieben. Wer jedoch ins Ausland möchte, braucht in aller Regel ein Okay der Krankenkasse – sonst kann der Anspruch ruhen und Zahlungen stoppen.
Das folgt aus § 16 SGB V: Ohne Zustimmung ruht Krankengeld während eines Auslandsaufenthalts; mit Zustimmung kann es weiterlaufen. Das Bundessozialgericht hat zudem betont, dass Kassen Reisen innerhalb der EU nicht pauschal untersagen dürfen, wenn keine Missbrauchs- oder Gesundheitsrisiken bestehen.
Inland, EU, Drittstaaten: So unterscheiden sich die Anforderungen Wohin? Brauche ich eine Genehmigung? Inland (Deutschland) Nein, aber: erreichbar bleiben (Post, Telefon), lückenlose AU-Folgebescheinigungen sichern, medizinische Termine wahrnehmen. EU/EWR/Schweiz Ja, Zustimmung der Krankenkasse. Diese ist zu erteilen, wenn die Reise medizinisch unbedenklich ist und kein Missbrauchsverdacht besteht. Drittstaaten (außerhalb EU/EWR/CH) Regel: Zustimmung notwendig, sonst Ruhen. In der Praxis strenger geprüft (Erreichbarkeit/Behandlung), Zustimmung seltener – aber möglich. Der Weg zur Genehmigung: So klappt’s mit der KasseWer während des Krankengeldbezugs verreisen möchte, sollte frühzeitig einen Antrag bei der Krankenkasse stellen und dabei den geplanten Zeitraum, das Reiseziel sowie erreichbare Kontaktmöglichkeiten benennen. Hilfreich: Viele Kassen bieten dafür kurze Online-Formulare oder Hotlines an.
Dem Antrag sollte eine ärztliche Einschätzung beigefügt werden – ein knappes Attest reicht in der Regel aus („Reise medizinisch vertretbar; Reha-Effekt möglich; Behandlung kann fortgeführt werden.“). Wichtig ist außerdem, die laufende Behandlung sicherzustellen: Notwendige Therapien und Arzttermine dürfen nicht ausfallen; bei längerer Abwesenheit ist eine Versorgung am Urlaubsort zu organisieren.
Schließlich muss die Erreichbarkeit gewährleistet sein – etwa durch Nachsendeauftrag oder Briefkastenservice – damit auf Schreiben der Kasse kurzfristig reagiert und Termine des Medizinischen Dienstes zuverlässig wahrgenommen werden können.
Melde- und Mitwirkungspflichten: Diese Punkte sind entscheidendFür den sicheren Bezug von Krankengeld ist eine lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung unerlässlich: Folge-AUs müssen rechtzeitig vorliegen, andernfalls endet der Anspruch. Auch die elektronische Übermittlung (eAU) befreit nicht davon, Fristen exakt einzuhalten.
Teilen Sie der Krankenkasse stets aktuelle Adress- und Kontaktdaten mit – inklusive Reiseadresse, Handy- und E-Mail-Kontakt sowie, falls vorhanden, der behandelnden Praxis am Urlaubsort –, damit Einladungen des Medizinischen Dienstes zuverlässig zugestellt werden und Sie erreichbar sind.
Änderungen der Reise wie Verlängerungen, Zielwechsel oder medizinische Zwischenfälle sind unverzüglich zu melden. Bewahren Sie außerdem Belege sorgfältig auf, etwa Atteste, Terminbestätigungen und Quittungen über notwendige Behandlungen am Urlaubsort.
Risiken bei Verstößen: Wenn Krankengeld ruht, endet – oder zurückgefordert wirdWer ohne Zustimmung ins Ausland fährt oder Mitwirkungspflichten verletzt, riskiert viel:
- Ruhen/Einstellung der Zahlung ab Beginn der ungenehmigten Auslandsabwesenheit.
- Rückforderung bereits gezahlter Beträge bei rechtswidrigem Bezug (z. B. fehlende Zustimmung, fehlende AU-Fortschreibung).
- Versagung/Entziehung weiterer Leistungen bei fehlender Mitwirkung (z. B. Nichtwahrnehmen MD-Termin).
- Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit: Unpassende Reiseaktivitäten (Riskosport bei Rückenleiden, Partyurlaub bei Burn-out) können zu Nachfragen, MD-
- Begutachtungen und Leistungskürzungen führen. Kassen dürfen Reisen nicht pauschal verbieten, dürfen aber prüfen und bei konkreten Anhaltspunkten eingreifen.
Krankenkassen wägen den Gesundheitsschutz und die Überprüfbarkeit der AU gegen das Erholungsinteresse ab. Maßgeblich sind:
- Medizinische Vertretbarkeit (Attest),
- Fortführung der Behandlung,
- Erreichbarkeit/Terminsicherung,
- Missbrauchsverdacht (z. B. „Arbeitsersatzurlaub“).
Gerade bei EU-Reisen hat das BSG die Rechte von Versicherten gestärkt: Liegen keine Zweifel an der AU und kein Missbrauchsverdacht vor, ist die Zustimmung zu erteilen. Das ist ein deutliches Signal gegen pauschale Verbote – allerdings kein Freifahrtschein.
FazitUrlaub während des Krankengeldbezugs ist möglich – und kann sogar zur Genesung beitragen. Wer jedoch unbedacht ins Ausland reist oder formale Pflichttritte ignoriert, riskiert Zahlungsstopp und Rückforderungen.
Mit ärztlichem Okay, rechtzeitiger Kassen-Zustimmung (insbesondere in der EU) und guter Erreichbarkeit steht einer Erholungsreise meist nichts im Weg. Die Devise lautet: Transparenz statt Risiko.
Der Beitrag Krankengeld: Urlaub während der Krankschreibung – das ist erlaubt erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: Massenhaft falsche GdB-Bescheide – Wichtiges Urteil – Gericht mahnt Versorgungsämter
Die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) entscheidet darüber, welche Nachteilsausgleiche bei einer Behinderung bzw. Schwerbehinderung gewährt werden. Sie entscheidet aber nicht nur über steuerliche Vorteile und Nachteilsausgleiche, sondern auch über den Zugang zu bestimmten Rentenleistungen und anderen sozialen Vergünstigungen.
Daher ist es wichtig, dass die zuständigen Behörden den GdB korrekt und sorgfältig ermitteln. Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe deckt erhebliche Mängel in diesem Verfahren auf und mahnt die Versorgungsämter zur Einhaltung ihrer gesetzlichen Pflichten an.
Wie kam es zu dem Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe?Ein Antragsteller beantragte die Anerkennung eines höheren GdB. Die zuständige Versorgungsverwaltung setzte diesen jedoch lediglich auf 30 fest. Der Antragsteller war mit dieser Einschätzung nicht einverstanden und legte Widerspruch ein.
Er argumentierte, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen weitreichender seien und eine höhere Einstufung gerechtfertigt wäre. Doch die Behörde blieb bei ihrer Entscheidung und lehnte den Widerspruch ab, ohne eine weitere medizinische Untersuchung anzuordnen. Daraufhin klagte der Betroffene vor dem Sozialgericht Karlsruhe.
Welche Mängel stellte das Sozialgericht Karlsruhe fest?Das Gericht bemängelte in seinem Urteil vom 14. April 2020 (Aktenzeichen: S 12 SB 3113/19) die mangelnde Sachaufklärung durch die Behörde. Es stellte fest, dass die Entscheidung allein auf Basis von Befundberichten und Akten getroffen wurde, ohne dass eine notwendige medizinische Begutachtung veranlasst worden war. Dies sei rechtswidrig, da bei unklarer oder unzureichender Aktenlage eine umfassende Untersuchung erforderlich sei. Besonders kritisch wurden folgende Punkte gesehen:
1. Die Versorgungsverwaltung führte keine eigenständige sozialmedizinische Untersuchung durch.
2. Die Gesamtbeeinträchtigung des Antragstellers wurde nicht ausreichend berücksichtigt.
3. Notwendige Beweismittel wurden nicht eingeholt.
Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte zu einer erneuten Prüfung unter Einbeziehung einer medizinischen Begutachtung. Die Urteilsbegründung war deutlich: Die Behörde dürfe sich nicht auf die Gerichte verlassen, um ihre gesetzliche Sachaufklärungspflicht nachträglich zu erfüllen.
Ist fehlerhafte GdB-Bewertung ein strukturelles Problem?Das Urteil wirft grundsätzliche Fragen zur Praxis der Versorgungsverwaltungen auf. Insbesondere in Baden-Württemberg scheint es systematische Ermittlungsdefizite zu geben. Das Sozialgericht Karlsruhe kritisierte die Behördenpraxis, GdB-Feststellungen rein auf Basis von Aktenlagen vorzunehmen. Dies sei eine fehleranfällige Vorgehensweise, die den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Tatsächlich gibt es immer wieder gerichtliche Entscheidungen, die diese Verwaltungspraxis beanstanden und eine genauere Prüfung fordern.
Was bedeutet das Urteil für Betroffene?Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe sendet eine klare Botschaft: Die GdB-Feststellung muss sorgfältig erfolgen und darf nicht auf unzureichender Prüfung basieren. Wer sich durch eine fehlerhafte Entscheidung benachteiligt fühlt, sollte Widerspruch einlegen und notfalls den Klageweg beschreiten.
In vielen Fällen haben Antragsteller gute Chancen auf eine höhere Einstufung, wenn die Behörde ihre Ermittlungspflichten nicht erfüllt hat. Dieses Urteil könnte daher weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Versorgungsverwaltungen haben und dazu beitragen, dass GdB-Feststellungen künftig fairer und genauer erfolgen.
Der Beitrag Schwerbehinderung: Massenhaft falsche GdB-Bescheide – Wichtiges Urteil – Gericht mahnt Versorgungsämter erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: LSG NRW kippt alte Praxis – Sozialamt muss 11.530 Euro zahlen
Ein Rollstuhlfahrrad fördert die soziale Teilhabe, indem es Menschen im Rollstuhl und ihren Begleitern gemeinsame Mobilität und Ausflüge ermöglicht. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und verbessert die Lebensqualität. Durch die Kombination von Rollstuhl und Fahrrad können Betroffene selbstständig oder gemeinsam Ausflüge unternehmen, an sozialen Aktivitäten teilnehmen und so leichter in das gesellschaftliche Leben integriert werden.
Kein Ausschluss familiärer Aktivitäten von der EingliederungshilfeLSG NRW 15.05.2025: Anspruch trotz familiärer Nutzung bestätigt
Ein schwerstbehinderter Mensch mit Pflegegrad 5, der bei seinen Eltern lebt, hat Anspruch auf ein Rollstuhlfahrrad mit E-Antrieb im Rahmen der Förderung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – insbesondere zur Intensivierung familiärer Kontakte (LSG NRW, Urteil vom 15.05.2025 – L 9 SO 177/24).
Nutzen ein Schwerstbehinderter und seine Eltern das Rollstuhlfahrrad nicht nur, um bestimmte Ziele zu erreichen, sondern auch wegen des Radfahrens und des damit verbundenen Naturerlebnisses an sich, ist dieses Bedürfnis vom Sozialamt im Rahmen der Eingliederungshilfe anzuerkennen.
Sozialamt muss zahlen: 11.530 € für Rollstuhlfahrrad (Opair) mit E-AntriebMit einem wirklich „Hammer“-Urteil stellt der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Urt. v. 15.05.2025 – L 9 SO 177/24) klar: Ein Schwerstbehinderter mit Pflegegrad 5 hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für ein selbst beschafftes Rollstuhlfahrrad mit E-Antrieb (Opair) durch den Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 113 Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Rechtsgrundlage: §§ 113 Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 S. 1 SGB IX – Hilfsmittel der sozialen TeilhabeLeistungen zur sozialen Teilhabe umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Der Anspruch gegen die Behörde auf Zahlung von 11.530 € für die Anschaffung des Rollstuhlfahrrads ist als sozialer Teilhabeanspruch nach §§ 113 Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX begründet.
Behinderungsausgleich in der Praxis: Mobilität, Freizeit- und BesuchsfahrtenDas Rollstuhlfahrrad soll die fehlende Fähigkeit des Klägers kompensieren, aus eigener Kraft mobil zu sein – insbesondere Fahrrad zu fahren – und damit zum Behinderungsausgleich beitragen. Teilhabeziele wie Einkaufs-, Freizeit- und Besuchsfahrten fallen unter die soziale Teilhabe im Sinne des § 113 Abs. 1 SGB IX.
BSG 12.12.2023: Freizeitgestaltung als Teilhabeleistung anerkannt
Dazu gehören Leistungen zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung, sowohl gemeinschaftliche als auch individuelle Aktivitäten – sozial, sportlich, kulturell, kreativ, bildend oder rekreativ (BSG, Urteil vom 12.12.2023 – B 8 SO 9/22 R).
Dies gilt etwa dann, wenn auf andere Weise ein Erleben üblicher gesellschaftlicher Kontakte außerhalb der Familie und das Erlernen entsprechender Umgangsformen nicht hinreichend möglich ist und die Fahrten gerade deshalb unternommen werden (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2024 – L 12 SO 189/23).
Die notwendigen Kosten für das Rollstuhlfahrrad sind behinderungsbedingt, denn ohne die Behinderung wäre der Kläger zur Vervollständigung seiner Mobilität im dargestellten Sinne nicht auf ein Rollstuhlfahrrad angewiesen.
Notwendig i.S.v. § 4 SGB IX: Individuelle Bedürfnisse und angemessene WünscheDie Versorgung des Klägers mit dem Rollstuhlfahrrad ist notwendig im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX. In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein Mensch mit Behinderungen am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, hängt von seinen individuellen Bedürfnissen ab – unter Berücksichtigung seiner angemessenen Wünsche (§ 104 Abs. 2 SGB IX) und der Umstände des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R).
Maßstab des BSG: Bedürfnisse eines nicht behinderten ErwachsenenMaßstab für berechtigte, also angemessene und den Gesetzeszwecken entsprechende Wünsche (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) bzw. für unverhältnismäßige Mehrkosten (§ 104 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) sind die Bedürfnisse eines nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen (BSG, Urteil vom 19.05.2022 – B 8 SO 13/20 R).
Der Kläger bzw. seine Eltern haben sich für das Radfahren entschieden, um auf diese Weise an der Gesellschaft teilzuhaben. Dieser Wunsch ist angemessen, denn er entspricht einem weitverbreiteten Bedürfnis. Nach der Rechtsprechung des BSG hat das Bewusstsein für die Bedeutung ausreichender Bewegung für die allgemeine Gesundheit erheblich zugenommen, ist verbreitet anerkannt und findet – auch jenseits explizit sportlicher Betätigung – entsprechenden Ausdruck (BSG, Urteil vom 18.04.2024 – B 3 KR 13/22 R).
Angesichts der weiten Verbreitung des Fahrradfahrens geht der Wunsch des Klägers nicht über die Bedürfnisse eines nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen hinaus.
Radfahren statt Auto: Warum der Pkw keine vergleichbare Leistung istDer Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, Fahrten mit dem Pkw der Eltern und gegebenenfalls ergänzend mit dem Rollstuhl zurückzulegen. Der Transport mit dem Auto ist keine vergleichbare Leistung im Sinne von § 104 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX.
Der Kläger und seine Eltern nutzen das Rollstuhlfahrrad nicht nur, um bestimmte Ziele zu erreichen; es geht ihnen auch um das Radfahren selbst und das damit verbundene Naturerlebnis. Dieses Bedürfnis ist anzuerkennen.
Neue Rechtsauffassung des 9. Senats: Bedeutung für die EingliederungshilfeAnmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock
- Dieses „Hammer“-Urteil ist wirklich zu begrüßen, denn der 9. Senat gibt endlich seine veraltete Rechtsauffassung auf, wonach galt: Keine Förderung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bei Intensivierung familiärer Kontakte (LSG NRW, Az. L 9 SO 303/13).
- Kein Ausschluss familiärer Aktivitäten von der Eingliederungshilfe – in diesem Sinne auch LSG NRW, Az. L 12 SO 189/23 – und ganz aktuell BSG, Urteil vom 27.02.2025 – B 8 SO 10/23 R.
Einordnung von Detlef Brock: Signalwirkung und Hilfe für Betroffene - Es ist mir als Sozialrechtler, aber auch als Mensch, ein Anliegen, solche Hammer-Entscheidungen bekannt zu machen – um Behinderten und Kranken, aber auch Vereinen und anderen sozialen Einrichtungen zu helfen.
Der Beitrag Schwerbehinderung: LSG NRW kippt alte Praxis – Sozialamt muss 11.530 Euro zahlen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Bürgergeld: Hartes Signal vom Gericht – Kein Bürgergeld bei Verlustgeschäft
Klarstellung des LSG Nordrhein-Westfalen: Ein Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bürgergeld, wenn er seine Hilfebedürftigkeit nicht mit aller Wahrscheinlichkeit nachweist (§ 9 SGB II). Gleiches gilt, wenn das auf den Hilfebedarf anzurechnende Einkommen nach § 9 Abs. 1, § 11 SGB II gerichtlich nicht feststellbar ist.
Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nicht feststellbar – Pflicht zu getrennten Einkommensnachweisen bei mehreren selbstständigen TätigkeitenDer Antragsteller hätte seine Betriebsausgaben den jeweiligen Betriebseinnahmen aus seinen drei Tätigkeiten – Flugticketverkauf, Schreibbüro und Hausverwaltung – eindeutig zuordnen müssen. Das ist erforderlich, weil es im SGB II keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren selbstständigen Tätigkeiten gibt (kein horizontaler Verlustausgleich).
So wird dem Nachranggrundsatz der Einkommensanrechnung Rechnung getragen.
Einkommen soll vorrangig den Lebensunterhalt sichern. Es gilt zu verhindern, dass mit öffentlichen Mitteln eine Einkommensart mit überwiegenden Verlusten aufrechterhalten wird; eine unwirtschaftliche Tätigkeit ist zu beenden.
Wird eine verlustreiche Tätigkeit trotzdem fortgeführt, soll sie nicht mittelbar über den Abzug der Verluste von den Einnahmen einer anderen Einkommensart finanziert werden.
Die Beendigung einer verlustbringenden Tätigkeit wird auch dann erwartet, wenn innerhalb derselben Einkommensart mehrere Tätigkeiten ausgeübt werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 17/15 R).
Sowohl das Jobcenter als auch im gerichtlichen Verfahren wurde der Kläger mehrfach aufgefordert, getrennte EKS für seine selbstständigen Tätigkeiten (Schreibbüro, Flugticketverkauf, Immobilienverwaltung) vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen. Eine Ermittlung des anrechenbaren Einkommens ist dem Senat daher nicht möglich.
Hinweis des Gerichts: Mitwirkungspflichten bei der Beantragung von BürgergeldNur der Kläger ist in der Lage, die erforderlichen Angaben zu machen. Weigert sich der Antragsteller im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, geht dies zu seinen Lasten, wenn seine Bedürftigkeit – und damit seine Leistungsberechtigung – nicht festgestellt werden kann.
Ist nicht feststellbar, dass oder in welcher Höhe der Bedarf durch Einkommen gedeckt ist, bleiben die Angaben zum Einkommen unvollständig. Hat der Antragsteller damit nicht in erforderlicher Weise an der Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt, sind Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit nicht zu bewilligen.
Fazit:1. Das SGB II lässt bei der Berechnung des für die Leistungsgewährung maßgeblichen Einkommens aus mehreren selbstständigen Tätigkeiten oder Gewerbebetrieben keinen horizontalen Verlustausgleich zu (BSG vom 17.02.2016 – B 4 AS 17/15 R).
2. Die objektive Beweislast für das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit liegt beim Antragsteller (vgl. etwa BSG vom 29.11.2022 – B 4 AS 64/21 R).
Der Beitrag Bürgergeld: Hartes Signal vom Gericht – Kein Bürgergeld bei Verlustgeschäft erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Rente: Renten-Stopp droht ab Ende November – Für diese Rentner gilt es
Seit dem 17. Oktober 2025 ist die Frist für den diesjährigen Lebensnachweis abgelaufen. Wer seine Bestätigung nicht rechtzeitig an den Renten Service der Deutschen Post geschickt oder digital übermittelt hat, riskiert eine Aussetzung der Rentenzahlung ab Ende November.
Die gute Nachricht: Sie können den Zahlungsstopp noch abwenden – wenn Sie jetzt konsequent handeln.
Lebensnachweis 2025: Was jetzt giltDie Deutsche Post (Renten Service) fordert jedes Jahr von vielen Rentenbeziehenden mit Wohnsitz im Ausland einen Lebensnachweis an. Für 2025 nennt der Renten Service als Abgabefrist den 17. Oktober. Wer bereits Anfang September erinnert wurde, hatte bis dahin noch keinen Nachweis erbracht; die erste interne Stichtagsprüfung lag Mitte August.
Wird der Nachweis nicht fristgerecht eingereicht, wird die Auszahlung zum Monatsende nach Fristablauf gestoppt. In der Praxis bedeutet das: bleibt der Nachweis aus, erfolgt keine Zahlung mehr zum 30. November bzw. für den Dezember-Zahltermin. Diese Verfahrensweise ist in offiziellen Informationen der Rentenversicherung und deutscher Auslandsvertretungen dokumentiert.
Rechtliche Grundlage: Warum Zahlungen ausgesetzt werdenDer Renten Service darf Renten aussetzen, wenn Auszahlungsvoraussetzungen nicht gesichert sind. § 15 der Renten Service-Verordnung regelt die Zahlungseinstellung; dabei kann die Deutsche Rentenversicherung Bund mit dem Renten Service Fälle vereinbaren, in denen ohne Einzelauftrag gestoppt wird – dazu zählt das Lebensnachweisverfahren für Auslandsrenten.
Ziel ist, unberechtigte Zahlungen zu vermeiden, wenn der Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen nicht feststeht.
Dabei handelt es sich nicht um eine „Strafe“, sondern um eine gesetzlich gedeckte Sicherungsmaßnahme. Nachträglich erbrachte Nachweise führen zur Wiederaufnahme der Zahlung; ausstehende Beträge werden nachgezahlt.
Wer den Lebensnachweis abgeben muss – und wer nichtWenn Sie in Deutschland wohnen und Ihr Konto in Deutschland führen, müssen Sie in der Regel keinen Lebensnachweis einreichen. Anders sieht es regelmäßig bei Rentenbeziehenden mit Wohnsitz im Ausland aus.
Diese erhalten jährlich Post (inklusive Formular und QR-Code) und sollen die Bestätigung leisten – wahlweise digital oder per Papierformular.
Hinweis zur Verunsicherung: Meldungen, wonach in Deutschland lebende Rentnerinnen und Rentner pauschal einen Lebensnachweis vorlegen müssen, wurden von der Deutschen Rentenversicherung ausdrücklich richtiggestellt. Betroffen ist vor allem der Auslandsbezug.
So stoppen Sie die Aussetzung: Handeln in drei SchrittenZeit ist jetzt der entscheidende Faktor. Je schneller der Nachweis ankommt, desto eher wird nicht gestoppt – oder der Stopp schnell wieder aufgehoben.
1. Lebensnachweis sofort nachreichen. Nutzen Sie den digitalen Weg über das Verfahren „Digitaler Lebensnachweis“ (DLN), oder senden Sie die unterschriebene Lebensbescheinigung im Original an:
Deutsche Post AG, Niederlassung Renten Service, 04078 Leipzig. Der digitale Weg beschleunigt die Prüfung. Fax oder E-Mail reichen nicht.
2. Bestätigung durch berechtigte Stelle einholen. Das Papierformular muss persönlich unterschrieben und von einer amtlichen Stelle bestätigt werden (z. B. Behörde, Notariat, deutsche Auslandsvertretung, Krankenkasse je nach Land). Auswärtige Ämter beschreiben das Vorgehen und die nötigen Dokumente.
3. Kontakt aufnehmen und Status melden. Informieren Sie Ihre Rentenversicherung, dass der Nachweis digital übermittelt oder per Post unterwegs ist. Für Rückfragen stellt das Auswärtige Amt Kontaktwege zum Renten Service bereit. Geben Sie stets Ihre Renten- oder Referenznummer an.
Wenn die Zahlung bereits ruht: Was dann passiertWird die Rente wegen fehlendem Nachweis vorübergehend nicht überwiesen, lebt der Anspruch nach Bestätigung wieder auf. Ausgesetzte Beträge werden nachgezahlt. Maßgeblich für die technische Umsetzung ist immer das Monatsende. Das Verfahren folgt klaren internen Vorgaben der Rentenversicherung zum Rentenzahlverfahren.
„Vernetzte“ Länder: Warum trotzdem ein Nachweis fällig sein kannIn einigen Staaten tauschen Behörden Daten elektronisch aus. Trotzdem kann ein Lebensnachweis verlangt werden, wenn es Unklarheiten gibt, z. B. bei abweichenden Personen- oder Kontodaten. Entscheidend bleibt: Die Zahlungsvoraussetzungen müssen zweifelsfrei vorliegen. Entsprechende Hinweise geben deutsche Auslandsvertretungen.
Fristen, die Sie kennen solltenDie jährliche Versendung der Unterlagen erfolgt in der Regel zwischen Mitte Juni und Ende Juli zusammen mit der Rentenanpassung. Eine Erinnerung folgt Anfang September, wenn bis Mitte August noch nichts eingegangen ist.
Bleibt der Nachweis bis Mitte Oktober aus, wird die Zahlung zum 30. November angehalten. Diese Taktung ist in Materialien der Rentenversicherung und in amtlichen Hinweisen der Auslandsvertretungen beschrieben.
Typische Fehler – und wie Sie sie vermeidenFalscher Versandweg: Fax oder E-Mail sind unzulässig. Senden Sie das Original oder nutzen Sie DLN.
Fehlende Bestätigung: Unterschrift allein genügt nicht. Es braucht eine Bestätigung durch eine autorisierte Stelle.
Verspätete Reaktion: Auch wenige Tage entscheiden. Geht der Nachweis kurz nach Fristende ein, lässt sich der Stopp oft noch verhindern.
Wenn Sie im Ausland leben und Post zum Lebensnachweis erhalten haben, reagieren Sie sofort. Reichen Sie den Nachweis digital oder im Original nach und informieren Sie parallel Ihre Rentenversicherung.
So erhöhen Sie die Chance, dass die Zahlung nicht unterbrochen wird – oder zügig wieder anläuft und rückwirkend gutgeschrieben wird.
Der Beitrag Rente: Renten-Stopp droht ab Ende November – Für diese Rentner gilt es erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
5 häufig unbekannte Vorteile bei einer Schwerbehinderung
Beschäftigte mit einer anerkannten Schwerbehinderung (GdB ≥ 50) – und in vielen Punkten auch Gleichgestellte (GdB 30/40 mit Bescheid der Agentur für Arbeit) – verfügen über besondere Schutzrechte im Arbeitsleben. Der Überblick zeigt, was 2025 gilt, wo häufige Missverständnisse liegen und wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen.
Besonderer Kündigungsschutz: ab wann er greift und was er bedeutetEine Kündigung gegenüber schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten ist grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung des Integrations- bzw. Inklusionsamts wirksam. Der Schutz gilt erst nach sechs Monaten ununterbrochener Beschäftigung im Betrieb.
Erfasst sind ordentliche, außerordentliche und Änderungskündigungen; bei befristeten Verträgen ist das Ablaufen der Befristung keine Kündigung, hier ist keine Zustimmung nötig.
Der Schutz greift auch, wenn die Schwerbehinderung offenkundig ist oder der Feststellungs-/Gleichstellungsantrag mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde und später positiv beschieden wird. Arbeitgeber müssen vor einer Kündigung regelmäßig prüfen, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch Anpassungen möglich ist und frühzeitig Präventionsmöglichkeiten (§ 167 Abs. 1 SGB IX) nutzen.
Zusatzurlaub und Befreiung von Mehrarbeit: was genau zustehtSchwerbehinderte Beschäftigte (nicht: Gleichgestellte) erhalten eine zusätzliche Urlaubswoche pro Jahr, also 5 Arbeitstage bei der 5-Tage-Woche (§ 208 SGB IX). Wird die Schwerbehinderteneigenschaft erst im laufenden Jahr festgestellt, entsteht der Anspruch anteilig je vollem Monat (Zwölftelung).
Ein Verfall kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber rechtzeitig über Urlaubsansprüche und Fristen belehrt hat.
Von Mehrarbeit werden schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte auf Verlangen freigestellt (§ 207 SGB IX). „Mehrarbeit“ meint Zeiten über 8 Stunden werktäglich im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, nicht bloß Überstunden über der persönlichen Regelarbeitszeit.
Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung: Anpassungen mit ZumutbarkeitsgrenzeArbeitgeber müssen Arbeitsplätze, Arbeitsorganisation und ggf. Arbeitszeiten behinderungsgerecht ausgestalten, soweit dies erforderlich und zumutbar ist (§ 164 Abs. 4 SGB IX). Dazu gehören technische Arbeitshilfen, Umsetzungen oder die Anpassung von Aufgaben.
Für Umbauten und Hilfsmittel stehen Fördermittel (z. B. Integrationsamt, Reha-Träger) zur Verfügung. In Betrieben mit Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist diese einzubeziehen; das verbessert erfahrungsgemäß die Lösungssuche.
Teilzeit aus gesundheitlichen Gründen: wann der Anspruch bestehtSchwerbehinderte Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Arbeitszeitverkürzung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist (§ 164 Abs. 5 SGB IX). In der Praxis wird der Bedarf meist ärztlich belegt. Der Anspruch steht unter dem Zumutbarkeitsvorbehalt – betriebliche Gründe können ausnahmsweise entgegenstehen.
Gleichgestellte haben diesen besonderen SGB-IX-Anspruch nicht; sie können jedoch über das allgemeine Teilzeitrecht (TzBfG) reduzieren, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Eine einseitige, formlose Arbeitszeitänderung „ab morgen“ gibt es nicht – erforderlich ist eine beantragte und gewährte Reduktion.
Früher in Rente: Altersrente für schwerbehinderte MenschenWer einen GdB ≥ 50 hat und 35 Versicherungsjahre erfüllt, kann die Altersrente für schwerbehinderte Menschen beziehen. Für Jahrgänge 1964 und jünger gilt: abschlagsfrei mit 65, frühestens mit 62 bei Abschlägen (max. 10,8 %). Für Jahrgänge 1952–1963 gelten stufenweise Übergangsregeln. Gleichgestellte haben keinen Anspruch auf diese Rentenart.
Seit 1. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten aufgehoben; ein Zuverdienst ist grundsätzlich unbegrenzt möglich.
Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber und Ausgleichsabgabe 2024/2025Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen mindestens 5 % davon mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Wird die Quote nicht erfüllt, fällt eine Ausgleichsabgabe je unbesetztem Pflichtplatz und Monat an.
Für das Erhebungsjahr 2024 (fällig zum 31. März 2025) gelten 140 €/245 €/360 €/720 € je nach Erfüllungsquote, die höchste Stufe (720 €) betrifft Betriebe mit 0 % Beschäftigung.
Für das Erhebungsjahr 2025 (fällig zum 31. März 2026) steigen die Sätze auf 155 €/275 €/405 €/815 €. Die Abgabe hebt die Beschäftigungspflicht nicht auf; ein „Freikauf“ ist nicht möglich. Für kleinere Arbeitgeber bestehen Sonderregeln.
Bewerbung und Offenlegung: Rechte im VerfahrenGrundsätzlich besteht keine Pflicht, eine Behinderung im Bewerbungsverfahren offenzulegen. Eine Offenbarung ist nur erforderlich, wenn Einschränkungen die Eignung für die konkrete Tätigkeit wesentlich betreffen. Ein generelles Fragerecht des Arbeitgebers existiert nicht; zulässig sind nur arbeitsplatzbezogene Fragen bei berechtigtem Interesse (z. B. Arbeitsschutz, zwingende Anforderungen).
Wichtig für den öffentlichen Dienst: Schwerbehinderte und Gleichgestellte, die die Mindestanforderungen erfüllen, sind grundsätzlich zum Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 165 SGB IX). Dafür muss die Eigenschaft rechtzeitig in der Bewerbung erkennbar sein. Ausnahmen gelten nur bei offensichtlicher Nichteignung oder in besonderen Konstellationen (z. B. bestimmte kirchliche Arbeitgeber).
So setzen Beschäftigte ihre Rechte praktisch durchIm Arbeitsalltag bewährt es sich, frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebs-/Personalrat und – bei Konflikten – das Integrationsamt einzubinden. Wer Anpassungen oder Teilzeit benötigt, sollte gezielt beantragen und medizinische Unterlagen beifügen.
Bei drohender Kündigung ist Zeit entscheidend: Anträge auf Feststellung der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung sollten möglichst vor Zugang der Kündigung gestellt werden; die Drei-Wochen-Marke ist hier regelmäßig ausschlaggebend. Kommt es zu Auseinandersetzungen, können Präventions- oder BEM-Verfahren Lösungen eröffnen und die Position im Verfahren vor dem Integrationsamt stärken.
Kurz zusammengefasst:
Kündigungsschutz nach 6 Monaten, Zusatzurlaub nur mit GdB ≥ 50, Mehrarbeit auf Verlangen abwählbar (auch für Gleichgestellte), Anpassungen mit Zumutbarkeitsgrenze, Teilzeit bei gesundheitlicher Notwendigkeit, Schwerbehindertenrente ab 62 (mit Abschlag) oder 65 (abschlagsfrei), keine Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten seit 2023 und höhere Ausgleichsabgabe seit 2024/2025.
Der Beitrag 5 häufig unbekannte Vorteile bei einer Schwerbehinderung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: Behörde gab nur GdB 10 – Richter erhöhen auf Gesamt GdB 60
Schlafapnoe bezeichnet Atmungsstörungen während des Schlafes, bei denen kurzfristig der Atem stillsteht. Diese Erkrankung führt zu Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit.
Schlafapnoe kann allein dann einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 rechtfertigen, wenn eine notwendige nasale Überdruckbeatmung (CPAP) objektiv nicht durchführbar ist (z. B. bei unvermeidbaren Leckagen in Bauchlage). Regelfall bei behandelbarer Schlafapnoe ist hingegen ein Einzel-GdB von 20.
Ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zeigt, wie schwierig es ist, die ärztlichen Befunde zu werten. Statt eines GdB von 10 wie das beklagte Landratsamt, stellten die Richter einen GdB von 50 fest. (L 8 SB 3405/18). Der Einzel-GdB 50 wurde dabei ausdrücklich erst ab dem 07.05.2019 anerkannt.
Betroffener beantragt höheren GdB wegen SchlafapnoeDer Betroffene hatte einen anerkannten Grad der Behinderung von 30 wegen einer seelischen Störung und Depression, einer Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen sowie Herzschwäche, Bluthochdruck und arterieller Verschlusskrankheit.
Dazu kam dann noch ein Schlafapnoe-Syndrom. Er gab gegenüber dem für die Versorgung zuständigen Landratsamt an, dass er mit Maske kaum länger als zwei Stunden schlafen könne. Das Amt zog einen Befundbericht eines Schlafmediziners hinzu und lehnte es danach ab, einen höheren Grad der Behinderung festzustellen.
Betroffener sieht SchwerbehinderungDer Betroffene legte Widerspruch ein. Er argumentierte, er erfülle die Voraussetzungen der Schwerbehinderung. Das Amt hätte seine Schlafapnoe nicht angemessen bewertet.
Da er grundsätzlich auf dem Bauch schlafe, sei eine nächtliche Beatmung erheblich erschwert. Darum sei ein Grad der Behinderung von 50 anzuerkennen – allein für die Schlafapnoe.
Das Amt wies den Widerspruch zurück. Die Schlafapnoe sei lediglich mit einem Grad der Behinderung von zehn zu bewerten, und dies ändere nichts am Gesamtgrad.
Klage vor dem SozialgerichtDaraufhin klagte der Mann vor dem Sozialgericht Stuttgart. Hier erklärte er, dass sich die Beschwerden nicht durch eine Maske beheben ließen. Da er auf dem Bauch schlafe, verrutsche die Maske ständig und sei nicht zu gebrauchen. Allein ein Grad der Behinderung von 50 sei angemessen.
Ein Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Suchtmedizin und Notfallmedizin schrieb ein Gutachten für das Gericht. Demnach leide der Betroffene an Reizhusten, einem hochgradigen hyperreaktiven Bronchialsyndrom, an periodischen Beinbewegungen im Schlafen (PLM – Periodic Limb Movement) sowie an einem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom.
Die bevorzugte Bauchlage mache eine Therapie mit Maske nicht möglich. Die Schlafapnoe sei als mittelgradig einzustufen, und ohne durchführbare Therapie liege der Grad der Behinderung bei 50.
Sozialgericht: Schlafapnoe nur mit GdB 30 – Gesamt-GdB 40
Die Richter hielten zwar den vom Landratsamt anerkannten Grad der Behinderung von zehn für die Schlafapnoe für zu gering, einen Grad der Behinderung von 50 aber für zu hoch.
Begründung: Es liege kein mittleres oder schwergradiges Schlafapnoe-Syndrom im maßgeblichen Sinne vor und eine Nasenüberdruckbeatmung (CPAP) sei nicht objektiv und vollständig ausgeschlossen. Folge: Einzel-GdB 30 für die Schlafapnoe, Gesamt-GdB 40.
Berufung vor dem LandessozialgerichtDer Mann legte vor dem Landessozialgericht Berufung ein, und diese führte zum Erfolg. Im Unterschied zu der vorigen Instanz hielten die Richter es für erwiesen, dass eine nasale Überdruckbeatmung (Maske) nicht durchführbar sei. Maßgeblich war die objektive Dokumentation im Schlaflabor vom 06./07.05.2019; die Anerkennung eines Einzel-GdB 50 gilt ab dem 07.05.2019.
Richter erkennen Schwerbehinderung anFür ein Schlafapnoe-Syndrom sei dann ein Einzelgrad der Behinderung von 50 anzuerkennen, wenn bei einem Bauchlagen-Schläfer eine Maskenbeatmung ohne Leckagen objektiv nicht möglich ist. Das sei hier der Fall. Auch die depressive Störung wirke sich negativ auf das Schlafverhalten aus.
Im Wechselspiel mit den anderen Beschwerden sei ein Gesamt-GdB von 60 festzustellen. Wichtig für Betroffene: Wer eine CPAP-Maske grundsätzlich benötigt, diese aber aus objektiven Gründen nicht nutzen kann, sollte entsprechende Schlaflabor-Befunde beibringen und auf die VersMedV (B 8.7) verweisen.
Der Beitrag Schwerbehinderung: Behörde gab nur GdB 10 – Richter erhöhen auf Gesamt GdB 60 erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.