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Aktualisiert: vor 14 Stunden 32 Minuten

Krankengeld trotz Lücke: Prognose zählt nicht, nur ärztliche Feststellung

16. Oktober 2025 - 18:48

Eine ärztliche Prognose über den weiteren Verlauf einer Erkrankung und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit entscheidet nicht über den Anspruch auf Krankengeld. Sie ist keine Bescheinigung über eine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit. (S 19 KR 959/13)

Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit

Der Betroffene arbeitete zuletzt als Staplerfahrer. Er erkrankte arbeitsunfähig an Gastroenteritis und einem Wirbelsäulenleiden. Eine ärztliche Untersuchung zeigte Bandscheibenvorfälle. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis; bis zum Kündigungstag zahlte er das Arbeitsentgelt weiter.

Voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit

Ein behandelnder Arzt schrieb den Betroffenen voraussichtlich bis zum 30.06.2013 arbeitsunfähig. Dem lag eine Diagnose wegen akuter Gastroenteritis und Wirbelsäulensyndrom zugrunde. Der Erkrankte gab an, er habe sich am 20.06.2013 zur Behandlung zur Praxis des Arztes begeben. Diese sei jedoch außerplanmäßig geschlossen gewesen.

Am 01.07.2013 schrieb der Arzt die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 15.07.2013 fort. Eine weitere Folgebescheinigung verlängerte die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis zum 18.08.2013. Zu einem letzten Besuch beim Hausarzt am 16.09.2013 erschien der Betroffene nicht mehr, weil er, seinen Worten zufolge, nicht wusste, wie er diesen finanzieren solle.

Grund dafür war eine Mitteilung der Krankenkasse, er sei nicht mehr versichert.

Krankenkasse will kein weiteres Krankengeld zahlen

Die Krankenkasse teilte dem Erkrankten mit, er habe keinen Anspruch auf Krankengeld. Der behandelnde Arzt habe nur bis zum 30.06.2013 Arbeitsunfähigkeit attestiert; erst am 01.07.2013 sei erneut eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden.

„Um die Mitgliedschaft aufrechtzuerhalten, hätte die Arbeitsunfähigkeit am 30.06.2013 ärztlich attestiert werden müssen.“ Die Krankenkasse wies darauf hin, dass mit dem Ende der Mitgliedschaft am 30.06.2013 auch Sachleistungen wie ärztliche Behandlungen entfielen.

Widerspruch wegen fehlender Schuld

Der Betroffene legte Widerspruch ein und machte geltend, er habe nicht wissen können, dass die Arztpraxis am 20.06.2013 geschlossen gewesen sei, und er habe die Vertretung vor 18.00 Uhr nicht mehr erreichen können.

Weitere Arbeitsunfähigkeit

Eine Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenkasse begutachtete den Betroffenen am 09.07.2013. Sie stellte Arbeitsunfähigkeit fest mit den Diagnosen „sonstige Krankheiten der Wirbelsäule“ und „sonstige chronisch obstruktive Lungenkrankheit“.

Zudem hatte sie den Eindruck einer Alkoholkrankheit und hielt eine Prüfung für ein Berufsverbot als Staplerfahrer für nötig. Das Gutachten stützte damit die tatsächliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit.

Krankenkasse weist Widerspruch zurück

Die Krankenversicherung wies den Widerspruch zurück. Es habe am 01.07.2013 kein Versicherungsverhältnis mehr bestanden und damit auch kein Anspruch auf Krankengeld. Beim „Weiterbestehen von Arbeitsunfähigkeit“ hätte die Bescheinigung spätestens am Tag der prognostizierten Fortdauer erfolgen müssen.

Es geht vor Gericht

Der Erkrankte klagte vor dem zuständigen Sozialgericht. Dort wiederholte er, dass er nicht gewusst habe, dass die Hausarztpraxis geschlossen gewesen sei. Selbst wenn er zur Vertreterpraxis gekommen wäre, hätte die Vertretung ihn nur bis Sonntag krankschreiben können.

Anspruch auf Krankengeld besteht weiter

Die Richter entschieden, dass der Kläger weiterhin einen Anspruch auf Krankengeld hatte. Dieser Anspruch sei wirksam entstanden und habe nicht geendet, obwohl die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 01.07.2013 ausgestellt worden sei.

Es geht um tatsächliche Arbeitsunfähigkeit – nicht um Prognosen

Gesetzlich muss jemand arbeitsunfähig erkrankt sein und ein Arzt diese Arbeitsunfähigkeit feststellen, damit Krankengeld gezahlt wird. Der Betroffene war in der gesamten Zeit arbeitsunfähig erkrankt – wegen seines Wirbelsäulenleidens, einer Alkoholproblematik, der Entzündung im Magen-Darm-Trakt und weiterer gesundheitlicher Einschränkungen.

Das MDK-Gutachten vom 09.07.2013 zeigte sogar eine funktionelle Verschlechterung; die Einschränkungen bestanden nach Mitteilung des Sachverständigen bereits am 05.04.2013. Entscheidend ist die ärztliche Feststellung der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit; eine vorausschauende ärztliche Einschätzung („Prognose“) über die Dauer ist dafür keine Voraussetzung.

Fehlerhafte Mitteilung der Krankenkasse

Die Mitteilung der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft des Betroffenen am 30.06.2013 ende und er ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen mehr erhalte, war nach Ansicht der Richter fehlerhaft.

Die Mitgliedschaft kann bei Krankengeldbezug fortbestehen; maßgeblich ist die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit mit ärztlicher Feststellung. Die falsche Information der Kasse habe dazu geführt, dass der Betroffene nach dem 16.09.2013 seinen Arzt nicht mehr aufgesucht habe.

Kein Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Für die Richter gab es keinen Zweifel daran, dass die Arbeitsunfähigkeit die gesamte Zeit über bestand. Die Erkrankungen hielten nicht nur an, sondern verstärkten sich teilweise. Wichtig: Die gesetzlich notwendige ärztliche Feststellung ist nicht mit einer bloßen Prognose gleichzusetzen.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient regelmäßig als Nachweis der ärztlichen Feststellung – eine lückenlose Kette bloßer Prognosen ist hingegen nicht erforderlich.

Rechtliche Einordnung

Anspruch/Entstehung: Der Krankengeldanspruch entsteht am Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (u. a. § 44, § 46 SGB V).
Mitgliedschaft: Bei Krankengeld kann die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung fortbestehen (u. a. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V).

Praxis heute (eAU): Die Übermittlung erfolgt inzwischen in der Regel elektronisch (eAU). Materiell bleibt es dabei: Entscheidend ist die ärztliche Feststellung der tatsächlichen AU; eine Prognose über die Dauer ist keine Anspruchsvoraussetzung.

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So lange musst Du arbeiten damit Du wieder Krankengeld bekommst

16. Oktober 2025 - 18:45

Wenn nach insgesamt 78 Wochen Lohnersatz der Krankenkasse das Krankengeld endet, spricht man von der Aussteuerung. Viele Betroffene fragen sich dann, ob – und vor allem wann – sie nochmals Anspruch auf diese Leistung haben.

Die Antwort zeigt sich im Sozialgesetzbuchs V (SGB V): Entscheidend sind die sogenannte Blockfrist von drei Jahren und ein sechsmonatiger Zeitraum, in dem man wieder arbeitsfähig und versicherungspflichtig beschäftigt war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

78 Wochen innerhalb einer starren Blockfrist

Krankengeld beginnt in der Regel nach sechs Wochen Entgeltfortzahlung und wird dann längstens 72 Wochen innerhalb eines rollierenden Drei‑Jahres‑Fensters gezahlt, der Blockfrist.

Die Frist startet mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit wegen einer bestimmten Krankheit; für jede neue Erkrankung beginnt eine eigene Frist. Dadurch können mehrere Blockfristen parallel laufen, sie verlängern sich jedoch nicht, wenn während einer bestehenden Krankschreibung weitere Diagnosen hinzukommen.

Was „Aussteuerung“ praktisch bedeutet

Ist das Limit von 78 Wochen innerhalb der Blockfrist ausgeschöpft, ruht der Anspruch – nicht nur bis zum nächsten Arzttermin, sondern bis er nach den gesetzlichen Vorgaben neu entstehen kann. Wer weiterhin arbeitsunfähig ist, rutscht häufig in das Arbeitslosengeld I nach § 145 SGB III (Nahtlosigkeitsregelung) oder beantragt eine Erwerbsminderungsrente.

Erst wenn man wieder arbeitsfähig wird oder eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt, kann der Weg zum Krankengeld erneut offenstehen.

Zwei Wege zurück zum Krankengeld

Ein neuer Anspruch entsteht sofort, wenn die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer völlig anderen Diagnose beruht. Stellt der Arzt jedoch dieselbe Krankheit fest, gelten strengere Bedingungen: Die ursprüngliche Blockfrist muss abgelaufen sein und zusätzlich greift die „Sechs‑Monats‑Regel“ des § 48 Abs. 2 SGB V.

Die Sechs‑Monats‑Regel

Paragraf 48 Absatz 2 verlangt, dass zwischen dem Ende der vorherigen Krankheitsepoche und der neuen Arbeitsunfähigkeit ein Zeitraum von mindestens sechs Monaten liegt, in dem der Betroffene nicht wegen dieser Krankheit krankgeschrieben war und in dieser Zeit entweder erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

“Es reicht also nicht, lediglich gesund zu sein; es muss auch wieder eine beitragspflichtige Beschäftigung oder eine aktive Arbeitslosen‑Meldung bestehen”, rät der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.

Muss man sechs Monate am Stück arbeiten?

Nein. Weder das Gesetz noch die Rechtsprechung fordern einen lückenlosen Halbjahresblock. Entscheidend ist einzig die Summe von sechs Kalendermonaten ohne Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung, in denen zugleich ein Versicherungspflichtverhältnis mit Krankengeldanspruch bestand.

Dies kann sich aus mehreren kürzeren Beschäftigungsphasen zusammensetzen, solange Unterbrechungen nicht durch eine neue Krankschreibung wegen der alten Diagnose überlagert werden.

Welche Beschäftigungsformen zählen?

Gewertet werden alle sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten, auch Teilzeit‑ und Minijob‑Arbeit, sofern der Tarif der Krankenkasse einen Krankengeldanspruch umfasst.

Gleichgestellt ist die Meldung bei der Arbeitsagentur außerhalb der Nahtlosigkeitsregelung, da man dort als „vermittelbar“ gilt. Zeiten in Reha‑Einrichtungen, in denen Übergangsgeld gezahlt wird, verlängern die Wartefrist nicht; sie werden wie Krankengeld‑Tage in die Blockfrist eingerechnet.

Sonderfall Selbstständige und freiwillig Versicherte

Freiwillig Versicherte und Selbstständige können den Krankengeldanspruch nur nutzen, wenn sie einen entsprechenden Wahltarif abgeschlossen haben. Für sie zählt eine Phase von sechs Monaten tatsächlicher Beitragspflicht mit Krankengeldanspruch; reine Ruhezeiten in freiwilligen Tarifen ohne Krankengeld reichen nicht aus.

In jedem Fall muss die erneute Erkrankung nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums eintreten.

Aktuelle Neuerungen 2025 beim Krankengeld

Seit 1. Januar 2025 liegt der maximale Tagessatz des Krankengeldes bei 128,63 Euro.

Die Anhebung knüpft an die gestiegene Beitragsbemessungsgrenze und wirkt sich auf alle laufenden sowie neuen Ansprüche aus, ohne jedoch die Blockfrist‑Logik zu verändern.

Parallel dazu erfolgt der gesamte AU‑Nachweis inzwischen elektronisch, sodass Fehlzeiten lückenlos dokumentiert bleiben – auch das kann bei der Sechs‑Monats‑Frist eine Rolle spielen.

Wieder Krankengeld nach dem Krankengeld ist machbar

Wieder Krankengeld zu erhalten ist machbar, aber nur unter klaren Bedingungen. Wer nach Aussteuerung mindestens sechs Monate ohne Krankschreibung wegen derselben Diagnose arbeitet oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und dabei versicherungspflichtig bleibt, hat mit Beginn der nächsten Dreijahres‑Blockfrist erneut Anspruch auf 6 Wochen Lohnfortzahlung und bis zu 72 Wochen Krankengeld.

Wichtig sind eine lückenlose Dokumentation, das bewusste Vermeiden krankheitsbedingter Unterbrechungen in der Wartezeit und eine rechtzeitige Rückkehr in ein beitragspflichtiges Beschäftigungs‑ oder Vermittlungsverhältnis.

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Schwerbehinderung: Trotz GdB 100 & Rollstuhl – Gericht kippt Merkzeichen „H“

16. Oktober 2025 - 18:33

GdB 100, mehrere Merkzeichen, Rollstuhlnutzung – und trotzdem kein „H“ für Hilflosigkeit. Mit diesem Befund hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Az. L 12 SB 440/24, Entscheidung vom 9. Mai 2025) die Berufung einer Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist ein Weckruf: Wer „H“ will, muss die tägliche, erhebliche Hilfe bei Grundverrichtungen belegen – bloße Rollstuhlnutzung oder ein Pflegegrad 3 reichen nicht.

Worum ging es?

Die 1974 geborene Klägerin hatte bereits GdB 100 sowie die Merkzeichen G, B und aG. Sie begehrte zusätzlich das Merkzeichen „H“. Ärztliche Unterlagen bescheinigten u. a. chronische Schmerzen, Funktionseinschränkungen, zeitweise stationäre Aufenthalte – und die Nutzung eines Rollstuhls, auch in der Wohnung.

Dennoch verneinten bereits das Sozialgericht und zuvor ein anderer LSG-Senat die Hilflosigkeit im Rechtssinn. Begründung: Zu wenig objektivierbare, täglich wiederkehrende Hilfebedarfe bei Grundverrichtungen; die Klägerin sei in vielen Bereichen weitgehend selbstständig.

Der rechtliche Maßstab – verständlich erklärt

„Hilflos“ ist, wer dauerhaft und täglich für eine Reihe (regelmäßig mindestens drei) häufig und regelmäßig wiederkehrender Verrichtungen Hilfe braucht – und zwar in erheblichem Umfang. Gemeint sind Grundverrichtungen wie Körperpflege, Ernährung, Mobilität, Kommunikation/Antrieb, nicht aber Hausarbeit.

Auch Anleitung/Überwachung zählt, wenn sie ständig bereitstehen muss. Als Regelbeispiele gilt „H“ u. a. bei Blindheit oder Querschnittslähmung sowie bei anderen Behinderungen, die dauernd und ständig – auch in der Wohnung – einen Rollstuhl erfordern. Diese Beispiele greifen aber nur, wenn die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind.

Wichtig: Der Pflegegrad ist kein Automatismus. Pflegegrad 3 signalisiert zwar erhebliche Einschränkungen, lässt für „H“ aber oft noch nicht auf den nötigen umfangreichen täglichen Hilfebedarf schließen. Starke Indizwirkung besteht eher ab Pflegegrad 4/5.

Warum scheiterte die Klägerin?

Das Gericht stellte – gestützt auf Sachverständigengutachten und eigene Angaben der Klägerin – eine deutliche Diskrepanz fest: subjektiv sehr hohe Einschränkungen, objektiv aber ein beachtliches psychosoziales Funktionsniveau.

Transfers (Rollstuhl Sitz/Untersuchungsliege), An- und Auskleiden, Essen/Trinken sowie eigenständige Alltagsorganisation seien weitgehend möglich. Selbst eine tägliche Schwimmbadnutzung, Vereinsaktivität und eigenständiger Behördenkontakt wurden dokumentiert. Damit fehlte es an der für „H“ erforderlichen Häufigkeit und Erheblichkeit der Hilfeleistungen.

Was zählt – und was nicht? Zählt für „H“ Zählt nicht / reicht nicht Tägliche Hilfe bei Körperpflege, Ankleiden, Toilette, Nahrungsaufnahme, Transfers, Wohnungsverlassen Hauswirtschaft (Putzen, Kochen, Einkaufen) Mehrere Grundverrichtungen jeden Tag und in erheblichem Umfang (i. d. R. deutlich über bloß “knapp 1 Stunde”) Gelegentliche oder tagesformabhängigeUnterstützung Ständige Anleitung/Überwachung (z. B. bei Sturz-, Orientierungs-, Antriebsproblemen) Allgemeine Schmerzangaben ohne objektive Funktionsbefunde Dauernde Rollstuhlpflicht auch in der Wohnung – medizinisch klar belegt Rollstuhlnutzung ohne Nachweis der dauernden Notwendigkeit Konsistente Befunde, Berichte, Pflegedokumentationen Pflegegrad 3 allein oder unkritische Übernahme bloßer Selbstauskünfte Was bedeutet das Urteil für Betroffene?

Das LSG sendet eine klare Botschaft: Hilflosigkeit ist ein Funktions-, kein Etikettenbegriff. Entscheidend ist der Alltag, nicht die Diagnoseliste. Wer „H“ beantragt oder im Widerspruch durchsetzen möchte, sollte gezielt den täglichen Hilfebedarf bei Grundverrichtungen dokumentieren – konkret, regelmäßig, nachvollziehbar.

So stärken Sie Ihren Antrag – ohne Umwege:

Führen Sie konsequent Tagesprotokolle: Halten Sie fest, wer Ihnen wobei hilft, wie oft und wie lange die Unterstützung nötig ist und aus welchem Grund – etwa wegen Sturzgefahr, fehlender Feinmotorik oder Antriebslosigkeit.

Sorgen Sie außerdem für ärztliche Funktionsberichte statt bloßer Diagnosen: Entscheidend ist, was ohne Hilfe nicht gelingt, zum Beispiel Transfers, An- und Auskleiden, Intimhygiene oder die Essensaufnahme – jeweils einzeln und konkret beschrieben. Prüfen Sie pflegefachliche Einschätzungen kritisch: Wurden Fremdangaben plausibilisiert und passen die Bewertungen zu den dokumentierten Abläufen im Alltag?

Achten Sie strikt auf Konsistenz: Ihre Angaben gegenüber Medizinischem Dienst, behandelnden Ärzten, Pflegekasse, Versorgungsamt und Gericht sollten deckungsgleich sein; Widersprüche kosten Glaubwürdigkeit. Und berufen Sie sich auf Regelbeispiele nur dann, wenn die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen – etwa eine dauernde Rollstuhlpflicht, die auch in der Wohnung besteht.

Einordnung

Die Revision wurde nicht zugelassen – das unterstreicht die Signalwirkung: GdB 100 und Rollstuhl sind keine Eintrittskarte für „H“. Wer wirklich täglich und erheblich Hilfe braucht, kann „H“ erreichen – aber nur mit harter, alltagsnaher Beweisführung.

Für Beratungsstellen, Betroffene und Angehörige ist dieses Urteil daher weniger eine Hürde als eine präzise Landkarte, wie Anträge künftig erfolgreich aufgebaut werden sollten.

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Schwerbehinderung: Höhere Pauschbeträge 2025 bei Behinderung bereits ab GdB 20 – mit Tabelle

16. Oktober 2025 - 18:30

Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen werden als Freibeträge vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Alle Menschen, die einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 20 haben, erhalten ihn.

Wie hoch ist der Pauschbetrag?

Der Pauschbetrag richtet sich nach dem Grad der Behinderung. Er beginnt beim GdB 20 mit 384 Euro pro Jahr, liegt beim GdB 30 bei 620 Euro, beim GdB 40 bei 860 Euro, beim GdB 50 bei 1.140 Euro, beim GdB 60 bei 1.440 Euro und beim GdB 70 bei 1.780 Euro.

Dann steigt er beim GdB 80 auf 2.120 Euro, beim GdB 90 auf 2.460 Euro und endet schließlich beim GdB 100 bei 2.840 Euro.

Unabhängig vom Grad der Behinderung gibt es bei den Merkzeichen H, Bl und Tbl einen Pauschbetrag von 7.400 Euro.

Tabelle Pauschbeträge

Diese Pauschbeträge bei Schwerbehinderung galten bis 2020:

  • GdB 25-30: 310 Euro
  • GdB 35-40: 430 Euro
  • GdB 45-50: 570 Euro
  • GdB 55-60: 720 Euro
  • GdB 65-70: 890 Euro
  • GdB 75-80: 1.060 Euro
  • GdB 85-90: 1.230 Euro
  • GdB 95-100: 1.420 Euro
  • Merkzeichen H oder Bl: 3.700 Euro
  • Pflegegrad 4 oder 5: 3.700 Euro
Pauschbeträge 2025 bei einer Schwerbehinderung als Tabelle

Seit 2021 gelten höhere Pauschalbeträge, die wir in dieser Tabelle zeigen:

Grad der Behinderung Betrag 20 384 Euro 30 620 Euro 40 860 Euro 50 1.140 Euro 60 1.440 Euro 70 1.780 Euro 80 2.120 Euro 90 2.460 Euro 100 2.840 Euro Menschen, die „hilflos“ oder blind oder taubblind sind (Merkzeichen H, Bl, TBl im Schwerbehindertenausweis) 7.400 Euro Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder 5 7.400 Euro Gibt es immer den ganzen Pauschbetrag?

Der jeweilige Pauschbetrag wird immer in voller Höhe ausgezahlt, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen während des gesamten Jahres gegeben waren. Im Zweifel wird “aufgerundet”, das heißt: Verringert oder erhöht sich der Grad der Behinderung innerhalb des Jahres, gilt immer der höchste GdB.

Wie viel Steuern werden erstattet?

Wie viel Steuern den Betroffenen erstattet werden, die ihre Behinderung beim Finanzamt nachweisen, hängt vom Steuersatz und Einkommen ab. Wer weniger verdient, spart durch den Pauschbetrag weniger Steuern als jemand, der besser verdient. Wer überhaupt keine Einkommenssteuer zahlt, der hat auch nichts vom Pauschbetrag.

Warum gibt es den Pauschbetrag?

Der Pauschbetrag soll Mehrkosten ausgleichen, die die Betroffenen durch ihre Behinderung haben. Dazu gehören zum Beispiel Hilfe beim Kochen, Einkaufen und Putzen, der Aufwand für Pflege, oder das Geld, das für Waschen ausgegeben wird.

Es müssen keine Belege gebracht werden

Pauschbetrag kommt von Pauschale. Eine Pauschale ist ein festgesetzter Geldbetrag, mit dem eine Leistung ohne eine spezifische Angabe abgegolten wird. Deshalb verlangt das Finanzamt keine Belege dafür, welche Ausgaben die Betroffenen tatsächlich hatten.

Für die Betroffenen kann das bedeuten, dass sie für die Aufwendungen, die der Pauschbetrag abedecken soll, in Wirklichkeit mehr ausgeben – oder aber weniger.

Gibt es Alternativen?

Betroffene können den Pauschbetrag angeben, müssen es aber nicht. Stattdessen können sie auch ihre realen Kosten in der Einkommnenssteuer anführen.

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Das läuft in der Steuererklärung unter außergewöhnliche Belastungen. Im Unterschied zum Pauschbetrag müssen hier Belege geliefert werden, um die Kosten nachzuweisen. Diese außergewöhnliche Belastung wird nur bis zu einer bestimmten Grenze von der Steuer abgezogen.

Wann ist es sinnvoll, die Kosten einzeln aufzuführen?

Betroffene sollten die Kosten nur dann als außergewöhnliche Belastungen einzeln und mit Belegen aufführen, wenn diese in ihrer Summe den Pauschbetrag überschreiten.

Liegen die tatsächlichen Kosten aber unter dem Pauschbetrag, dann ist dieser die bessere Option. Auch wenn sie dem Pauschbetrag entsprechen, erspart es Arbeit, die festgesetzte Summe in Anspruch zu nehmen als jeden Posten einzeln aufzuführen.

Wo wird der Pauschbetrag eingefordert?

In der jährlichen Erklärung zur Einkommnenssteuer können Betroffene den Pauschbetrag in der Anlage “Außergewöhnliche Belastungen / Pauschbeträge” geltend machen. Sie müssen ihren Grad der Behinderung angeben, falls vorhanden Merkzeichen im Ausweis, und die Gültigkeit des Nachweises.

Was erkennt das Finanzamt als Nachweis an?

Das Finanzamt akzeptiert als Nachweis den Schwerbehindertenausweis und den Feststellungsbescheid des Grades der Behinderung (in der Regel durch das zuständige Versorgungsamt).

Lohnsteuerermäßigung statt Einkommnenssteuer

Lohnabhängig Beschäftigte müssen den Pauschbetrag nicht notwendig in der Einkommenssteuererklärung angeben. Sie können vielmehr beim Finanzamt eine Lohnsteuerermäßigung beantragen und ihre Behinderung als Abzugsmerkmal eintragen. Der Pauschbetrag geht dann bei der Lohnabrechnung direkt von der Lohnsteuer ab, die Betroffenen bekommen dann direkt jeden Monat einen höheren Nettolohn.

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Rente: GKV Zusatzbeitrag könnte auf 2,9 % steigen – oder sogar um 50%?

16. Oktober 2025 - 17:52

Sie sollen künftig deutlich mehr zuzahlen – für Medikamente, Klinikaufenthalte und Therapien. Gesundheitsministerin Nina Warken denkt offen über eine pauschale Erhöhung aller GKV-Zuzahlungen um 50 % nach.

Zeitgleich rechnet der GKV-Schätzerkreis für 2026 mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 2,9 %. Beides trifft Rentnerinnen, Rentner und Haushalte mit wenig Geld besonders hart.

Zuzahlungen: Was konkret auf Versicherte zukäme

Die heute geltenden Sätze stehen seit 2004. Versicherte zahlen 10 % des Preises, mindestens 5 € und höchstens 10 € pro Packung bzw. je Verordnung; im Krankenhaus 10 € je Tag (maximal 28 Tage im Jahr). Diese Regeln sind im SGB V verankert.

Warken lässt nun prüfen, alle Zuzahlungen um 50 % anzuheben. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien entspräche das 15 % des Preises, mindestens 7,50 € und höchstens 15 € pro Packung. Im Krankenhaus stiege die Pauschale auf 15 € am Tag. Ein Beschluss steht noch aus.

Zuzahlungen betreffen nicht nur Medikamente und Klinik. Eigenanteile fallen auch bei Heilmitteln (z. B. Physiotherapie), Hilfsmitteln (z. B. Gehhilfen, Hörgeräte) sowie Fahrkosten zu notwendigen Behandlungen an – jeweils mit eigenen, gesetzlich geregelten Obergrenzen.

Für Zahnersatz gilt das System der Festzuschüsse: Die Kasse trägt einen festen Anteil, der Rest bleibt als Eigenanteil. Härtefallregelungen können diesen Eigenanteil senken, wenn das Einkommen niedrig ist. Steigen die Zuzahlungen pauschal, verteuern sich diese Bereiche spürbar.

Leistung Heute Im Gespräch Medikamente (Rx) 10 % · min. 5 € · max. 10 € 15 % · min. 7,50 € · max. 15 € Krankenhaus 10 €/Tag (max. 28 Tage/Jahr) 15 €/Tag (max. 28 Tage/Jahr) Finanzlage: Zusatzbeitrag 2026 soll auf 2,9 % steigen

Der GKV-Schätzerkreis hat die Zahlen für 2026 vorgelegt. Ergebnis: Rechnerisch braucht es +0,4 Punkte beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag – auf 2,9 %. Beim Ausgabenpfad 2026 gab es kein Einvernehmen: BMG/BAS erwarten 369,0 Mrd. €, der GKV-Spitzenverband 369,5 Mrd. €.

Die Festsetzung des Durchschnittswerts erfolgt durch das Ministerium bis 1. November 2025 per Bekanntmachung. Jede Kasse legt ihren kassenindividuellen Zusatzbeitrag weiterhin selbst fest.

Wichtig: Der rechnerische Durchschnitt sagt nichts über Ihre persönliche Kasse. Viele Krankenkassen liegen über dem Durchschnitt, um Rücklagen wieder aufzufüllen.

Bereits heute erheben die Kassen im Mittel rund 2,94 %. Für Versicherte kann es sich daher lohnen, die Beitragssätze zu vergleichen und bei Bedarf zu wechseln.

Politischer Rahmen: Sparpaket – aber reicht das?

Das Bundeskabinett hat ein Sparpaket beschlossen, das die Klinikvergütungen dämpft und Verwaltung sowie Innovationsfonds kürzt. Ziel sind Einsparungen von bis zu 1,8 Mrd. € und stabilere Beiträge 2026. Aus den Ländern kommt Kritik, Kliniken warnen vor Zusatzdruck. Ob die Effekte ausreichen, bleibt offen.

Union und SPD haben zugleich angekündigt, die Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung 2026 stabil zu halten. Höhere Zuzahlungen würden dieses Ziel flankieren. Der politische Spagat bleibt: Entlastung bei den Beitragssätzen versus höhere Eigenanteile der Patientinnen und Patienten.

Streitpunkt „versicherungsfremde Leistungen“: Kassen klagen

Die Kassen fordern seit Jahren, versicherungsfremde Leistungen vollständig aus Steuern zu finanzieren. Gemeint sind Ausgaben, die nicht die Solidargemeinschaft der Beitragszahlenden tragen sollte, etwa Leistungen für staatliche Aufgaben oder gesamtgesellschaftliche Anliegen.

Besonders die Gesundheitskosten von Bürgergeld-Beziehenden seien unterdeckt. Der GKV-Spitzenverband hat daher eine Klage über rund 10 Mrd. € jährlich gegen den Bund auf den Weg gebracht. Ziel ist eine verlässliche Finanzierung über den Bundeshaushalt.

Rentnerinnen und Rentner: Was die Erhöhung bedeuten würde

Viele Ruheständler leben von festen Einkommen. Steigen Zuzahlungen und Zusatzbeiträge gleichzeitig, wächst der finanzielle Druck. Beispiel Medikament: Kostet eine Packung 60 €, zahlen Sie heute 6 €; bei 50 % Aufschlag lägen 9 € an.

Bei längeren Klinikaufenthalten summieren sich 15 € pro Tag rasch. Wer bereits knapp wirtschaftet, spürt das sofort. (Die geplanten Werte sind noch nicht beschlossen.)

Für Rentnerinnen und Rentner gilt zudem: In der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) teilen sich Rentenversicherung und Versicherter den allgemeinen Beitragssatz; den Zusatzbeitrag tragen Rentner allein. Die Pflegeversicherung zahlen Rentner ebenfalls allein.

Eine Erhöhung des Zusatzbeitrags wirkt daher unmittelbar auf die Nettorente. Wer freiwillig gesetzlich versichert ist, sollte prüfen, ob die Voraussetzungen für die KVdR erfüllt werden. Der Wechsel senkt oft die laufende Belastung.

Rechtliche Schutzmechanismen: Ihre Belastungsgrenze

Zuzahlungen enden an der Belastungsgrenze. Sie beträgt 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens des Haushalts, für schwerwiegend chronisch Kranke 1 %. Erreichen Sie die Grenze, kann die Kasse für den Rest des Jahres befreien. Wichtig: Quittungen sammeln, Nachweise geordnet einreichen, ggf. eine Vorausbefreiung beantragen.

Rechenbeispiel: Eine Rentnerin mit 1.200 € Bruttorente im Monat hat 14.400 € im Jahr. 2 % davon sind 288 €. Als chronisch Kranke läge die Grenze bei 144 €. Erstattungen gibt es nicht automatisch – Sie müssen aktiv werden.

So gehen Sie vor:
Beantragen Sie bei Ihrer Kasse eine Belastungsgrenzen-Befreiung. Legen Sie Einkommensnachweise und die gesammelten Quittungen vor (Apotheke, Praxis, Klinik). Fragen Sie nach der Möglichkeit einer Vorauszahlung bis zur Belastungsgrenze.

Dann stellt die Kasse unmittelbar eine Befreiungskarte für den Rest des Jahres aus. Das verhindert Nachzahlungen und entlastet Ihr Budget sofort.

Kassenwechsel: Fristen und Sonderkündigung

Wenn Ihre Kasse den Zusatzbeitrag erhöht, haben Sie ein Sonderkündigungsrecht. Die Kündigung muss bis zum Ende des Monats, in dem der neue Satz wirksam wird, bei der bisherigen Kasse eingehen. Der Wechsel zur neuen Kasse erfolgt in der Regel zum übernächsten Monat.

Unabhängig davon gilt die allgemeine Bindungsfrist: Wer zu einer Kasse wechselt, bleibt in der Regel zwölf Monate gebunden – außer es greift wieder ein Sonderkündigungsrecht. Achten Sie darauf, dass die neue Kasse Leistungsschwerpunkte anbietet, die Sie wirklich benötigen (z. B. Disease-Management-Programme, Präventionskurse, Bonusmodelle).

Einordnung: Mehr Eigenanteile statt höherer Beitragssatz?

Die Regierung will Beitragssätze 2026 stabilisieren. Höhere Zuzahlungen würden dieses Ziel flankieren, verschieben die Last aber direkt zu den Patientinnen und Patienten. Aus Sicht vieler Kassen löst das die strukturellen Probleme nicht.

Entscheidend wird sein, ob zu kurzfristigen Sparschritten verlässliche Strukturreformen kommen – etwa bei Klinikfinanzierung, Arzneimittelsteuerung und versicherungsfremden Leistungen. Bis zur endgültigen Entscheidung gilt:

Belastungsgrenzen nutzen, Angebote vergleichen, Fristen beachten. So vermeiden Sie unnötige Mehrkosten – selbst wenn Zuzahlungen und Zusatzbeiträge steigen.

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Bürgergeld: Jobcenter stoppt Bürgergeld trotz sehr kurzer Frist

16. Oktober 2025 - 17:32

Das Jobcenter kann Leistungen wegen fehlender Mitwirkung auch dann versagen, wenn die Frist, um die geforderten Unterlagen einzureichen, nur zwei Wochen beträgt. Darüber hinaus richtet sich die von der Behörde gesetzte Frist am Einzelfall aus und nicht nach einem festen Schema. So entschied das Sozialgericht Augsburg zugunsten eines Jobcenters. (S 2 AS 308/23).

Jobcenter fordert Unterlagen, um Antrag zu prüfen

Eine Frau beantragte Bürgergeld für sich und ihr minderjähriges Kind beim zuständigen Jobcenter. Die Behörde forderte sie daraufhin schriftlich zur Mitwirkung auf und schickte ihr eine Liste mit Unterlagen, die sie vorlegen müsste.

Behörde erinnert an Mitwirkung

Das Schreiben enthielt die Mitteilung: „Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie keine Leistungen erhalten.“

Laut Gericht hatte sie die Unterlagen bis zur Verhandlung nicht eingereicht. Sie sagte einen Vorsprachetermin telefonisch ab und hatte danach keinen Kontakt mit dem Jobcenter, um diese Angelegenheit zu klären.

Jobcenter versagt Leistungen

Das Jobcenter versagte ihr die beantragten Leistungen und begründete dies damit, dass es nicht im Machtbereich der Behörde liege, Antragsvordrucke vollständig und richtig auszufüllen, zu unterschreiben oder Nachweise zu Bedarfen oder Einnahmen von Dritten einzuholen, um die Einkommens- und Vermögenssituation einzuschätzen.

Ohne Unterlagen keine Prüfung

Das Jobcenter könne den Antrag ohne die geforderten Unterlagen nicht prüfen, und es seien keine Gründe ersichtlich, warum sie die Unterlagen nicht eingereicht habe. Im Ermessen der Behörde könnten ihr die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung versagt werden. Dies sei jetzt der Fall, bis die vollständigen Unterlagen eingereicht seien.

Betroffene sagt, sie habe die Unterlagen eingesandt

Die Betroffene teilte dem Jobcenter daraufhin telefonisch mit, dass sie die angeforderten Unterlagen bereits per Post zugeschickt habe. Das Jobcenter antwortete schriftlich, die Unterlagen seien bisher nicht eingegangen und teilte der Frau mit, sie solle diese einreichen, um die Versagung zu prüfen. Die Unterlagen gingen weiterhin nicht ein.

Neuer Antrag, fehlende Unterlagen

Die Frau stellte einen neuen Antrag. Dieser enthielt lediglich drei der geforderten Unterlagen. Die Betroffene erklärte, da sie diese Formulare bereits geschickt habe, brauche sie diese noch einmal. Das Jobcenter übersandte daraufhin noch einmal sämtliche Formulare und eine Liste der geforderten Unterlagen. Die Frau legte diese wieder nicht vor.

Klage wegen kurzer Frist

Die Betroffene erhob Klage vor dem Sozialgericht Augsburg. Sie begründete diesen damit, dass der Versagungsbescheid mehrfach rechtswidrig sei. Erstens sei die einmalige Aufforderung zur Mitwirkung innerhalb von zwei Wochen keine angemessene Frist.

Betroffene sieht keine wirksame Aufforderung zur Mitwirkung

Da also keine wirksame Aufforderung zur Mitwirkung bestanden habe, sei auch der Versagungsbescheid nichtig. Zweitens habe das Jobcenter das Ermessen nicht zutreffend ausgeübt. Auch deshalb sei der Bescheid rechtswidrig.

Betroffene hält Belehrung für unzureichend

Zudem habe der Bescheid keine Belehrung über die Möglichkeit der Versagung enthalten. Eine Rechtsfolgenbelehrung müsse auf den konkreten Fall zugeschnitten sein. Auch dies hätte gefehlt.

Viele Unterlagen seien nicht vorhanden gewesen, und sie hätte diese erst anderweitig beschaffen und übersenden müssen. Dies sei in der gesetzten Frist nicht möglich gewesen, und diese sei nicht ausreichend gewesen.

Richter halten Frist für ausreichend

Das Sozialgericht Augsburg wies die Klage als unbegründet ab. Es gebe kein Schema für eine ausreichende Frist, um Unterlagen einzusenden. Die geforderten Unterlagen hätten bei der Betroffenen zu Hause sein müssen. Auch bei einer Vielfalt von Unterlagen hätten diese also innerhalb der zwei Wochen übersandt werden können.

Zudem sei es ohne Weiteres möglich, eine Fristverlängerung zu bekommen. Sie habe jedoch bis zum genannten Termin nicht reagiert.

Eine nochmalige Abmahnung sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Richter sehen sich durch Klägerin selbst bestätigt

Außerdem habe die Klägerin behauptet, sie hätte die Unterlagen bereits vollständig per Post an das Jobcenter geschickt. Die Behörde habe dies als nicht zutreffend erklärt, doch aus dieser Aussage sei ersichtlich, dass es der Klägerin sehr wohl möglich gewesen sei, die Unterlagen zusammenzustellen.

Rechtsfolgenbelehrung ist einfach verständlich

Die Rechtsfolgenbelehrung sei einfach verständlich und ausreichend gewesen, um der Betroffenen konkret zu vermitteln, dass sie bei mangelnder Vorlage der Unterlagen keine Leistungen erhalten werde.

Was bedeutet dieses Urteil für Betroffene?

Dieses Urteil zeigt gleich mehrere Punkte auf, die Sie bei einem Antrag auf Bürgergeld beachten müssen. Wenn Sie geforderte Unterlagen in einer gesetzten Frist nicht zusammenstellen können, dann müssen Sie dies dem Jobcenter mitteilen. Eine Frist zu verlängern sei in aller Regel möglich. Verstreicht eine Frist jedoch ohne Reaktion, dann haben Sie schlechte Karten.

Dies gilt auch dann, wenn Sie eine Frist für nicht ausreichend halten. Auf die Dauer einer vom Jobcenter gesetzten Frist gibt es keinen allgemeinen Rechtsanspruch, den Sie für Ihren Einzelfall einfordern könnten.

Hier widersprach sich die Betroffene. Einerseits behauptete sie, sie hätte die Unterlagen eingeschickt, und andererseits begründete sie das Fehlen von Unterlagen mit der kurzen Frist. Gesetzt den Fall, dass sie wirklich die Dokumente per Post geschickt hatte, dann wäre es ein Fehler, dies ohne Beleg zu tun.

Unterlagen sollten Sie dem Jobcenter grundsätzlich mit Nachweis schicken, also per Einschreiben mit Unterschrift oder zumindest per Einwurf. Das bestätigt dann zumindest die Sendung.

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Krankenkasse darf bei Schulden nicht einfach Gesundheitskarte gleich sperren

16. Oktober 2025 - 15:16

Geraten Krankenversicherte mit ihren Kassenbeiträgen in den Rückstand, muss die Krankenkasse auf das drohende Ruhen des Leistungsanspruchs und die damit verbundenen konkreten Folgen hinweisen. Bereits in den Mahnschreiben an den Versicherten muss auf den Umfang des eingeschränkten Leistungsanspruchs hingewiesen werden, entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in einem am Donnerstag, 16. Oktober 2025, veröffentlichten Beschluss (Az.: L 5 KR 265/25 B ER).

Bei einem Ruhen des Leistungsanspruchs ist die Sperrung der elektronischen Gesundheitskarte des Versicherten zudem unzulässig, so die Münchener Richter.

Im Streitfall ging es um eine freiwillig Versicherte der Techniker Krankenkasse. Diese geriet mit ihren Krankenkassenbeiträgen in den Rückstand.

Krankenkasse muss bei Beitragsrückstand vor konkreten Folgen warnen

Die Krankenkasse verlangte in einem Mahnschreiben rückständige Beiträge mitsamt Säumniszuschlägen in Höhe von 4.436 Euro zurück. Andernfalls müsse der Leistungsanspruch der Krankenkasse eingeschränkt werden. Erst wenn der Betrag beglichen werde oder die Voraussetzungen für einen Bürgergeld- oder Sozialhilfebezug vorliegen, könne wieder ein voller Anspruch auf Krankenkassenleistungen bestehen.

Als die Versicherte den offenen Gesamtbetrag nicht zurückzahlte, wurde das Ruhen des Leistungsanspruchs angeordnet. In dem entsprechenden Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass lediglich Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten wie Diabetes oder Krebs, Untersuchungen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft oder bei akuten Erkrankungen oder Schmerzen bezahlt würden. Darüber hinaus wurde ihre TK-Gesundheitskarte gesperrt.

Die Versicherte beantragte gegen das Ruhen des Versicherungsschutzes eine einstweilige Anordnung – und hatte Erfolg.

LSG München: Gesundheitskarte darf nicht gesperrt werden

Sowohl vor dem Sozialgericht Augsburg als nun auch vor dem LSG hatte die Versicherte Erfolg. Die Krankenkasse habe in ihrer Mahnung über die Beitragsrückstände nicht ausreichend auf die konkreten Folgen des ruhenden Leistungsanspruchs, sondern nur auf „Einschränkungen“ hingewiesen, so das LSG. Es fehlte der Hinweis, dass trotz der Rückstände weiter Früherkennungsleistungen, Leistungen zur Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Leistungen bei akuten Erkrankungen und Schmerzen weiter gewährt werden.

Erst im Bescheid sei auf die konkreten Folgen des Ruhens des Leistungsanspruchs hingewiesen worden.

Schließlich habe die Krankenkasse zu Unrecht die TK-Gesundheitskarte gesperrt. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage, stellte das LSG klar.

Eine Sperrung der Gesundheitskarte sei nur bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses, bei einem Kartenverlust oder einem Krankenkassenwechsel möglich. Um einen möglichen Missbrauch der Gesundheitskarte vorzubeugen, könne die Kasse Angaben zum Ruhen des Leistungsanspruchs auch auf der Karte eintragen lassen. fle

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Erwerbsminderungsrente: Diese Kriterien beim Gutachten haben besonders Einfluss

16. Oktober 2025 - 14:49

Wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beantragen, entscheidet vor allem das medizinische Gutachten darüber, ob die Rentenversicherung Ihnen eine Rente anerkennt oder nicht. Deshalb ist es für sie von enormer Bedeutung, welche Kriterien ein fundiertes Gutachten erfüllen muss, wie und ob Sie es beeinflussen können und auf welche Punkte Sie achten müssen, um ein verzerrtes Gutachten anzuzweifeln.

Welche Elemente enthält das medizinische Gutachten?

In ein fundiertes Gutachten spielen unterschiedliche Faktoren hinein. Zum einen sind dies die bestehenden medizinischen Ergebnisse und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Das sind gewissermaßen die harten Fakten.

Ebenso wichtig sind indessen ihre persönlichen Angaben und ihre Krankengeschichte, Aussagen von Zeugen wie Verwandten, Freunden, Bekannten und Kollegen.

Erst im Gesamtbild zeigt sich, ob Sie zum Zeitpunkt des Antrags voll oder teilweise erwerbsgemindert sind, also weniger als drei beziehungsweise sechs Stunden pro Tag arbeiten können.

Gibt es nur ein Gutachten?

Eine Erwerbsminderung zu bewerten ist komplex. Nur selten reicht ein einzelnes Gutachten aus, um darüber zu entscheiden. Das ist besonders bei eindeutigen körperlichen Einschränkungen der Fall.

Meist liegen jedoch bereits mehrere medizinische Gutachten vor, die unterschiedliche Bereiche der Leistungsfähigkeit erfassen. Zusätzlich beauftragt in der Regel das zuständige Sozialgericht einen weiteren Gutachter, um offene Fragen zu klären.

Wenn die Leiden, wegen denen sie eine Erwerbsminderung beantragen, unterschiedliche Bereiche des Körpers und / oder der Psyche umfassen, dann bewerten jeweilige Fachärzte die Einschränkungen in ihrem Gebiet.

Leiden Sie zum Beispiel unter Rückenbeschwerden infolge eines Bandscheibenvorfalls sowie an einer Arthrose im Knie und haben außerdem wiederkehrende Depressionen? Dann müssten sowohl ein Orthopäde / eine Orthopädin wie auch ein Psychiater / Psychotherapeut jeweils ein Gutachten schreiben, wie sich die entsprechenden Leiden auswirken.

Das Gutachten muss ein Mediziner ausstellen?

Ein Sachverständigen-Gutachten hat nur dann Bedeutung, wenn ein Sachverständiger es erstellt. Sachverständige sind Ärzte oder Ärztinnen, und das in der Regel mit fachlicher Spezialisierung.

Allerdings spielen beim Bewerten einer Erwerbsminderung auch Gutachten Ihrer behandelnden Hausärzte oft eine erhebliche Rolle, auch wenn diese Allgemeinmediziner sind.

Denn diese kennen Ihren Krankheitsverlauf, sind mit Ihnen auf Tuchfühlung und können so Details schildern, die den zugezogenen Spezialisten unbekannt sind.

Gutachten können sich widersprechen

Eine Erwerbsminderung zu beurteilen ist nicht immer einfach. Verschiedene Gutachten kommen oft zu unterschiedlichen Ergebnissen – aus diversen Gründen. Betroffene haben bisweilen den Verdacht, dass die im Auftrag der Rentenversicherung tätigen Sozialmediziner tendenziell zugunsten der Rentenversicherung urteilen und deshalb oft keine Erwerbsminderung erkennen, obwohl diese angebracht ist.

Das muss nicht immer nur ein subjektiver Eindruck sein. Richter an Sozialgerichten entscheiden in nicht wenigen Fällen gerade bei psychischen Erkrankungen zugunsten der Antragsteller, weil Einschätzungen der Sozialmedizin ihnen unglaubwürdig erscheinen.

Was sollte ein Gutachten enthalten?

Ein typisches Gutachten enthält erstens die persönlichen Daten des Antragstellers, also Name, Geburtsdatum, Adresse und Kontaktdaten. Notwendig ist dann die Krankengeschichte. Diese sollte alle medizinisch wichtigen Geschehnisse umfassen, und dies in einer Chronologie, um den Verlauf der Krankheit zu beurteilen.

Auch Vorerkrankungen und frühere Verletzungen gehören zu dieser Krankengeschichte, und ebenso vergangene Ergebnisse medizinischer Untersuchungen und Therapien.

Die Befunde sind das Gerüst

Der harte Kern eines Gutachtens sind schließlich die medizinischen Befunde auf der Basis ärztlicher Untersuchungen und medizinischer Tests. Dazu können auch Laborergebnisse und bildgebende Verfahren gehören.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Notwendig für ein Gutachten sind zudem die Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit der letzten Monate oder sogar der letzten Jahre. Denn bei einer Erwerbsminderung geht es nicht nur und nicht einmal vorrangig um die Diagnose der jeweiligen Erkrankung.

Es geht vielmehr wesentlich um die Arbeitsfähigkeit. Wiederholte und lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit wegen den Leiden, die der Erwerbsminderung zugrunde liegen, beeinflusst deshalb stark die medizinisch objektive Einschätzung.

Einschätzung der Berufsfähigkeit und der arbeitsbezogenen Einschränkungen

Die Gutachter müssen die tatsächliche Berufsfähigkeit einschätzen. Dazu reicht es nicht, die Beschwerden und die Diagnose allein vorzulegen, sondern die Fachleute müssen die Fähigkeiten und Einschränkungen im beruflichen Zusammenhang vorliegen.

Bei der Einschätzung der Erwerbsminderung ist dies ein bedeutendes Kriterium. Erwerbsminderung bedeutet nämlich, auf dem gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt keine volle Leistung mehr erbringen zu können.
Wenn Sie jedoch bestimmte Arbeiten noch in Vollzeit ausüben können, sind sie offiziell nicht erwerbsgemindert. Die Gutachter müssen also untersuchen, ob Sie für bestimmte Arbeit noch tauglich sind.

Die Prognose

Eine Erwerbsminderung ist nur dann gültig, wenn der Zustand bereits seit mindestens sechs Monaten anhält. Zudem spielt die Prognose über die Entwicklung der Krankheit hinein. Wenn die Heilung klar voranschreitet, dann bedeutet das zumindest, dass die Erwerbsminderung nur befristet gilt. Nach Ablauf der Frist müssen Sie einen Neuantrag stellen.

Ebenso gilt: Wenn die Prognose zeigt, dass eine Besserung nicht möglich ist, dann spricht das für eine unbefristete Gewährung der Rente.

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Zu viele Krankheitstage? Ab wann darf der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen?

16. Oktober 2025 - 13:49

Immer wieder wird Rechtsanwalt und Arbeitsrechtler Christan Lange aus Hannover diese Frage gestellt: Wie hoch ist die Zahl „erlaubter“ Krankheitstage pro Jahr?

“Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Obergrenze an Krankheitstagen, die Beschäftigte „ausschöpfen“ dürften”, sagt Lange. Entscheidend ist vielmehr allein, ob eine ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit vorliegt – und welche Rechtsfolgen sich daraus für Entgelt, Sozialleistungen und das Arbeitsverhältnis ergeben.

Wer über Krankheitszeiten spricht, sollte deshalb präziser fragen: Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen knüpfen sich an kurze und lange Erkrankungen – und ab wann droht eine Kündigung?

Arbeitsunfähigkeit statt „Zulässigkeit“: der rechtliche Rahmen

Die Frage lautet nicht „wie viele Tage sind erlaubt“, sondern „liegt Arbeitsunfähigkeit vor?“. Für den Nachweis genügt – je nach betrieblicher Regel – die unmittelbare Anzeige gegenüber dem Arbeitgeber; ab dem vierten Kalendertag ist regelmäßig eine ärztliche Bescheinigung erforderlich, wobei der Arbeitgeber die Vorlage auch früher verlangen darf.

Eine numerische Jahreshöchstgrenze existiert nicht. Die maßgeblichen Regeln finden sich im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) und im Sozialgesetzbuch.

Sechs Wochen Lohnfortzahlung: was wirklich gilt

Zu Beginn einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zahlt der Arbeitgeber grundsätzlich bis zu sechs Wochen das Gehalt weiter. Diese Frist gilt je „Erkrankungsfall“ und wird bei derselben Krankheit durch eine zwölfmonatige Betrachtung begrenzt.

Tritt eine neue, andere Erkrankung auf oder liegt zwischen zwei Phasen derselben Erkrankung ein hinreichender Abstand, kann ein neuer Anspruch entstehen. Für die Berechnung handelt es sich um 42 Kalendertage, Sonn- und Feiertage eingeschlossen; Detailfragen richten sich nach den §§ 187 ff. BGB.

Wenn die Kasse übernimmt: Krankengeld, Blockfrist und Aussteuerung

Endet die Lohnfortzahlung, springt für gesetzlich Versicherte das Krankengeld ein. Es wird wegen derselben Krankheit längstens 78 Wochen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums gezahlt; die ersten sechs Wochen der Lohnfortzahlung zählen dabei mit.

Diese „Blockfrist“ beginnt mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Nach Ausschöpfen der 78 Wochen („Aussteuerung“) stellen sich regelmäßig Fragen der weiteren Absicherung – etwa Wiedereingliederung, Arbeitslosengeld oder Erwerbsminderungsrente. Verlässliche Informationen liefern Krankenkassen und Verbraucherorganisationen.

BEM als Pflicht und Chance: betriebliches Eingliederungsmanagement

“Kumulieren sich Arbeitsunfähigkeitszeiten auf mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres – ununterbrochen oder wiederholt –, muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten”, sagt der Arbeitsrechtler.

Ziel ist, Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, erneuter Ausfall vermieden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das ist keine bloße Formalie: Das BEM ist gesetzlich verankert und spielt in Kündigungsschutzprozessen eine gewichtige Rolle, weil es mildere Mittel zur Kündigung auslotet.

Kündigung wegen Krankheit: die dreistufige Prüfung der Gerichte

Eine Kündigung „wegen Krankheit“ ist nur unter engen Voraussetzungen wirksam. “Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts arbeitet mit einer dreistufigen Prüfung: Zunächst bedarf es einer negativen Gesundheitsprognose, also objektiver Tatsachen, die weitere Ausfälle im bisherigen Umfang erwarten lassen. Sodann müssen die prognostizierten Fehlzeiten zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führen”, sagt der Anwalt.

Schließlich sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, “die etwa Dauer der Betriebszugehörigkeit, Ursache und Vorhersehbarkeit der Ausfälle sowie mögliche Umsetzungen berücksichtigt. Ohne negative Prognose und ohne spürbare betriebliche Belastung scheitert eine krankheitsbedingte Kündigung regelmäßig”.

Langzeiterkrankung versus häufige Kurzerkrankungen: unterschiedliche Maßstäbe

Die Praxis unterscheidet zwei problematische Muster. Bei einer durchgehenden Langzeiterkrankung kann eine negative Prognose leichter anzunehmen sein, wenn auf absehbare Zeit nicht mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist; zugleich kann der Arbeitgeber die Folgen besser planen, was in der Interessenabwägung ins Gewicht fällt.

Bei häufigen Kurzerkrankungen wiegen die kurzfristigen, schwer kompensierbaren Störungen des Betriebsablaufs oft schwerer. Für die Prognose blicken Gerichte nicht auf starre Grenzwerte, sondern auf die Ausfallgeschichte der letzten Jahre.

Orientierend ist dabei häufig ein Zeitraum von bis zu drei Jahren; häufiger wird diskutiert, ob jeweils mehr als sechs Wochen pro Jahr erreicht wurden. Das sind jedoch keine gesetzlichen Schwellen, sondern richterrechtliche Anhaltspunkte, die je Einzelfall zu füllen sind.

Keine Mathematik, sondern Einzelfall: was Prognose wirklich heißt

Die Frage, ob Fehlzeiten „zu viel“ sind, lässt sich nicht durch bloßes Zählen beantworten. Maßgeblich ist, ob die Ursachen der Ausfälle in Zukunft voraussichtlich fortwirken.

Liegt eine einheitliche, therapierbare Ursache vor, kann eine belegte Behandlung die negative Prognose durchbrechen. Handelt es sich dagegen um wechselnde, voneinander unabhängige Kurzzeiterkrankungen, kann gerade die Unvorhersehbarkeit eine ungünstige Prognose stützen. All das wird im Prozess konkret zu belegen sein; der Arbeitgeber trägt die Darlegungslast für Prognose und betriebliche Belastung, während Beschäftigte Gegenfakten – etwa Behandlungserfolge oder geänderte Arbeitsbedingungen – vortragen können.

Praktische Konsequenzen für Beschäftigte und Betriebe

Für Beschäftigte bedeutet das: Es geht nicht darum, eine vermeintliche „Grenze“ nicht zu überschreiten, sondern darum, medizinische Befunde sauber zu dokumentieren, dem Arbeitgeber Ausfallgründe korrekt anzuzeigen und – wo sinnvoll – das BEM konstruktiv zu nutzen.

Wer längere oder wiederholte Ausfälle hat, sollte frühzeitig ärztliche Maßnahmen und Reha-Wege prüfen; solche Schritte sind nicht nur gesundheitlich geboten, sie beeinflussen auch die rechtliche Prognose. Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, BEM-Verfahren ernsthaft zu führen, Belastungen konkret zu dokumentieren und zumutbare Alternativen zur Kündigung zu prüfen. So lassen sich Eskalationen vermeiden – und Prozesse bestehen, wenn sie sich nicht vermeiden lassen.

Fazit: Die richtige Frage stellen

„Wie viele Krankheitstage sind erlaubt?“ ist die falsche Leitfrage. Richtig ist: Arbeitsunfähigkeit ist rechtlich geregelt, nicht kontingentiert. Finanziell gilt die klare Staffel von Lohnfortzahlung und Krankengeld; arbeitsrechtlich entscheidet eine dreistufige Prüfung über die Wirksamkeit einer Kündigung – mit BEM als wichtigem Korrektiv.

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Bürgergeld: Das Jobcenter darf Kindern, die zeitweise im Internat wohnen, nicht das Sozialgeld kürzen

16. Oktober 2025 - 13:24

Minderjährige Zwillinge, die zeitweise in einem Internat der Förderschule wohnen, haben Anspruch auf Sozialgeld in ungekürzter Höhe
Das Jobcenter darf minderjährigen Kindern, welche zeitweise im Internat wohnen, nicht das Sozialgeld kürzen, denn sie bilden mit ihren Eltern – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft.

Eine abweichende Festlegung der Bedarfe gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist auch mangels entsprechender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ausgeschlossen.

Das gibt das Landessozialgericht Sachsen mit 2 Hammer Urteilen bekannt.

Kurzbegründung und Sachverhalt

Sie bilden mit ihren Eltern auch – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft, denn mit dem Rechtsinstitut der temporären Bedarfsgemeinschaft soll ein zusätzlicher Bedarf gedeckt werden, weshalb dieses Rechtsinstitut nicht leistungseinschränkend angewandt werden kann.

Der personelle Bezugspunkt des Rechtsinstituts der temporären Bedarfsgemeinschaft, der Aufenthalt des Kindes bei einem Elternteil, fehlt für die Zeiten der Internatsunterbringung.

Minderjährige Kinder ( hier Zwillinge ), die zeitweise in einem Internat wohnen, werden wegen des Aufenthaltsbestimmungsrechtes als Teil der elterlichen Personensorge für minderjährige Kinder dem Haushalt der Eltern zugerechnet.

LSG Sachsen bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur temporären Bedarfsgemeinschaft

Dabei betont das Sächsische Landessozialgericht ( LSG Sachsen), dass das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung das Institut der temporären Bedarfsgemeinschaft nicht angewandt hat, wenn sich ein Kind für bestimmte Zeiten in einem Internat aufgehalten hat.

Das Bundessozialgericht hat lediglich bei volljährigen Kindern geprüft, ob das Kind dem Haushalt der Eltern angehört. Anspruchs- oder bedarfsmindernd hat es in keinem Falle Leistungen anderer Sozialleistungsträger, die im Zusammenhang mit der internatsmäßigen Unterbringung der Kinder standen, berücksichtigt.

Die Zwillinge haben durchgehend dem Haushalt ihrer Mutter angehört

Dem stehe auch – nicht entgegen, dass sie sich tageweise während des Besuchs der Fördererschule in internatsmäßiger Unterbringung befunden hätten. Denn das Internat habe lediglich der Ermöglichung des Schulbesuches gedient, nicht aber die Funktion des elterlichen Haushalts übernommen.

Eine nur temporäre Bedarfsgemeinschaft habe nicht vorgelegen, weil es nur einen Haushalt, nämlich den in der Familienwohnung gegeben habe.

Für eine Ausweitung des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts der temporären Bedarfsgemeinschaft auch auf Fallkonstellationen mit einem nicht umgangsbedingten Aufenthaltswechsel eines Kindes bestehe kein Anlass.

Eine abweichende Festlegung der Bedarfe gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist mangels entsprechender ausdrücklicher gesetzliche Regelung ausgeschlossen, so ausdrücklich die Richter.

Rechtstipp mit anderer Auffassung:

Bei minderjährigen Kindern, die im Internat untergebracht gewesen seien und sich nur zeitweise im Elternhaus aufhielten, sei bereits mehrfach das Vorliegen einer temporären Bedarfsgemeinschaft angenommen worden (z. B. Bay. LSG – L 7 BK 5/12 – oder SG Karlsruhe – Az. S 16 AS 1115/08).

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

1. Diese Rechtsprechung ist eindeutig zu begrüßen, auch wenn sie schon zu Zeiten von Hartz IV sehr umstritten war. Aber das Landessozialgericht bestätigt meine schon zu Hartz IV vertretende Auffassung mit Hinweis auf das SG Chemnitz.

2. So urteilte ein Gericht schon zu Hartz IV Zeiten, dass auch während des Aufenthaltes in einem Heim der Sohn Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seiner Mutter ist und – keine temporäre Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vorliege ( so ausdrücklich SG Chemnitz, Urteil vom 27.02.2013 – S 14 AS 112/12 – ; ebenso bei Internatsunterbringung unter der Woche – SG Kiel, Urt. v.19.09.2013 – S 31 AS 1261/11; anderer Auffassung SG Potsdam, Urteil vom 18.04.2012, Az. S 35 AS 3511/09 ).

3. Grundvoraussetzung für eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und Kind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein gemeinsamer Haushalt. Ein Haushalt stellt sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (vgl nur BSG vom 14.3.2012 – B 14 AS 17/11 R -).

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Gleiche Krankheit mit Unterbrechung und wieder Krankengeld

16. Oktober 2025 - 12:31
Gleiche Krankheit mit Unterbrechung: Wie lange gibt es Krankengeld – und wann beginnt der Anspruch neu?

Wer länger krank ist, steht schnell vor einer juristischen Detailfrage: Was passiert mit dem Krankengeld, wenn dieselbe Erkrankung zwischendurch unterbrochen scheint – etwa durch eine Phase der Arbeitsfähigkeit, Entgeltfortzahlung oder den Bezug anderer Leistungen?

Die Antwort hängt an zentralen Begriffen wie „dieselbe Krankheit“, Blockfristen und der Sechs-Monats-Regel. Dieser Beitrag ordnet die Regeln verständlich ein und zeigt, worauf es in der Praxis ankommt.

Grundprinzip: 78 Wochen pro Erkrankung innerhalb von drei Jahren

Für dieselbe Krankheit ist der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich auf höchstens 78 Wochen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums begrenzt. Diese Frist läuft ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit. Tritt während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert das die Bezugsdauer nicht. Rechtsgrundlage ist § 48 SGB V.

In der Praxis wird oft von „72 Wochen Krankengeld“ gesprochen. Der Hintergrund: Die ersten sechs Wochen übernimmt regelmäßig der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung; diese Zeit wird auf die 78 Wochen angerechnet, sodass die Kasse typischerweise noch rund 72 Wochen Krankengeld auszahlt.

Blockfristen: Wie Unterbrechungen gezählt werden

Die Dreijahresbetrachtung erfolgt über sogenannte Blockfristen. Mit der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit beginnt eine Kette aufeinanderfolgender Drei-Jahres-Blöcke.

Alle Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit innerhalb der jeweiligen Blockfrist werden zusammengerechnet – auch wenn zwischenzeitlich gearbeitet wurde oder eine AU-Phase endet und später wieder beginnt. Eine bloße Unterbrechung „setzt die Uhr“ nicht automatisch zurück.

Wichtig ist zudem § 48 Abs. 3 SGB V: Zeiten, in denen der Krankengeldanspruch ruht oder das Krankengeld versagt wurde, werden wie Bezugszeiten mitgezählt.

Das betrifft insbesondere Phasen mit Entgeltfortzahlung, Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld – sie fallen unter die Ruhensregel des § 49 SGB V und „verbrauchen“ somit Tage innerhalb der 78-Wochen-Grenze.

„Dieselbe Krankheit“: Nicht der ICD-Code entscheidet, sondern das einheitliche Krankheitsgeschehen

Ob Unterbrechungen zusammenzurechnen sind, hängt daran, ob medizinisch-rechtlich weiterhin „dieselbe“ Krankheit vorliegt. Maßgeblich ist ein einheitliches Krankheitsgeschehen mit innerem Zusammenhang; reine Diagnoseschlüssel sind dafür nicht allein ausschlaggebend.

Das Bundessozialgericht und anerkannte Kommentare stellen auf den ursächlichen Zusammenhang ab, der auch mit Zwischenphasen ohne Beschwerden fortbestehen kann.

Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert dies – wie erwähnt – die 78-Wochen-Grenze nicht. Kommt es später erneut allein wegen der früher hinzugetretenen Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit, werden die damaligen Zeiten als Vorerkrankungszeit angerechnet; die Kassen konkretisieren das mit Beispielen im gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände.

Unterbrechung durch Arbeit, Entgeltfortzahlung oder andere Leistungen

Viele Betroffene meinen, eine Phase der Arbeitsfähigkeit „pausiere“ den Zähler. Tatsächlich zählen in der Blockfrist alle AU-Zeiten wegen derselben Krankheit zusammen; ob dazwischen kurz gearbeitet wurde, ändert nichts an der Höchstdauer. Zeiten, in denen der Anspruch ruht – etwa Entgeltfortzahlung, Übergangsgeld, Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld – werden gesetzlich wie Krankengeldzeiten mitgerechnet. Das führt dazu, dass eine längere Krankheitsgeschichte auch ohne lückenlosen Krankengeldbezug die 78-Wochen-Grenze erreichen kann.

Unterbrechung durch Bescheinigungs-Lücken: Was gilt seit der eAU?

Grundsätzlich muss die Arbeitsunfähigkeit für den jeweiligen Zeitraum ärztlich festgestellt sein. Seit 2021 übermitteln Vertragsärzte die AU elektronisch an die Krankenkassen (eAU).

Wichtige Entlastung: Nach aktueller Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darf die Krankenkasse den Anspruch nicht allein deshalb verneinen, weil die elektronische Meldung verspätet eingegangen ist oder die Übermittlung aus Gründen scheiterte, die nicht beim Versicherten liegen. Die Meldeobliegenheit der Versicherten ist hier weitgehend entfallen.

Neustart trotz gleicher Krankheit: Die Sechs-Monats-Regel

Ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit entsteht nach Erreichen der 78 Wochen erst wieder, wenn in der Zwischenzeit bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. § 48 Abs. 2 SGB V verlangt, dass die versicherte Person bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit wieder mit Krankengeldanspruch versichert ist und mindestens sechs Monate lang wegen dieser Krankheit nicht arbeitsunfähig war, während sie in diesem Zeitraum erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

Das Gesetz verlangt keine ausdrückliche „am-Stück“-Formulierung; in der Beratungspraxis wird nicht auf eine ununterbrochene Sechs-Monats-Kette bestanden, entscheidend ist die Erfüllung beider Merkmale im Umfang von insgesamt sechs Monaten.

Praxisbeispiel: Längere Rückenbeschwerden mit Pausen

Eine Arbeitnehmerin ist wegen Bandscheibenbeschwerden sechs Wochen arbeitsunfähig und erhält Entgeltfortzahlung. Danach bezieht sie mehrere Monate Krankengeld. Sie wird wieder arbeitsfähig, arbeitet drei Monate und fällt dann wegen derselben Rückenproblematik erneut aus.

Obwohl eine Phase der Arbeitsfähigkeit dazwischenlag, läuft die ursprüngliche Blockfrist weiter. Die ersten sechs Wochen des ersten Ausfalls sind bereits auf die 78 Wochen angerechnet, die folgenden Krankengeldzeiträume addieren sich.

Ein echter „Neustart“ für dieselbe Krankheit wäre erst möglich, wenn nach Aussteuerung mindestens sechs Monate ohne AU wegen dieser Krankheit vergingen und in dieser Zeit Erwerbstätigkeit oder Arbeitsverfügbarkeit bestand.

Mehrere Diagnosen: Wenn eine andere Krankheit später allein Arbeitsunfähigkeit auslöst

Kommt zu einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert das die Höchstdauer nicht. Löst die zweite Krankheit später allein die Arbeitsunfähigkeit aus, wird bei der Beurteilung der Vorerkrankungszeiten differenziert: Zeiten, in denen beide Krankheiten zusammen oder abwechselnd zur AU führten, können auf die jeweilige Blockfrist angerechnet werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben hierfür detaillierte Fallkonstellationen veröffentlicht, an denen sich die Kassen orientieren.

Fazit: Unterbrechungen ändern selten die Bezugsgrenze – entscheidend sind Blockfrist und Status

Unterbrechungen im Verlauf – ob durch Arbeit, Entgeltfortzahlung, andere Leistungen oder technische Meldeprobleme – ändern an der 78-Wochen-Grenze für dieselbe Krankheit in der aktuellen Blockfrist meist nichts. Zentrale Stellschrauben sind die Einordnung als „dieselbe Krankheit“, die Anrechnung ruhender Zeiten sowie – nach Aussteuerung – die strengen Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 SGB V für einen Neuanspruch.

Wer seinen Fall rechtssicher prüfen möchte, sollte Belege zu allen AU-Zeiten, Beschäftigungs- und Leistungsphasen sammeln und die konkrete Krankengeschichte gegenüber der Kasse sauber dokumentieren. Die gesetzlichen Leitplanken liefern § 48 und § 49 SGB V sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung und Verwaltungspraxis.

Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall. Bei Grenzfällen lohnt eine individuelle Prüfung – etwa zur Frage, ob tatsächlich „dieselbe Krankheit“ vorliegt oder ob Zeiten korrekt angerechnet wurden.

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Krankengeld: MDK der Krankenkassen stoppt oftmals Weiterzahlung

16. Oktober 2025 - 12:20

Krankenkassen verweigern Betroffenen oft die Fortzahlung von Krankengeld, oft unter Berufung auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK). Doch wie rechtskonform ist ein solches Vorgehen? Welche Rechte haben Krankengeld-Berechtigte, und wie können sie sich wehren?

Darf die Krankenkasse das Krankengeld einfach einstellen?

Grundsätzlich darf eine Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld nur einstellen, wenn dafür eine rechtliche Grundlage besteht.

In einem aktuellem Fall wurde dies mit einem MDK-Gutachten begründet, das auf Aktenlage erstellt wurde – ohne vorherige Anhörung des Betroffenen oder Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Dies widerspricht jedoch geltendem Sozialrecht, sagt der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.

Laut dem hessischen Landessozialgericht ist es nämlich unzulässig, eine solche Entscheidung allein auf Basis einer Aktenlage zu treffen, ohne den Versicherten anzuhören.

Noch klarer wird diese Verpflichtung in einem Rundschreiben des Bundesversicherungsamts. Darin wird explizit festgehalten, dass Versicherte vor einer Entscheidung ausreichend Zeit bekommen müssen, um Stellung zu nehmen.

“Außerdem hat ein Widerspruch aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass die Krankenkasse die Zahlung nicht sofort einstellen darf”, mahnt der Experte.

Wie sollten Betroffene reagieren, wenn die Krankenkasse nicht mehr zahlt?

Der erste Schritt in einer solchen Situation sollte der Widerspruch gegen den Bescheid der Krankenkasse. Dieser muss schriftlich erfolgen und sollte zumindest kurz begründen, warum die Entscheidung unzulässig erscheint. Es reicht in der Regel aus, auf das Fehlen einer Anhörung oder die fehlende Rücksprache mit dem behandelnden Arzt hinzuweisen.

Zusätzlich ist es wichtig, die eigene Arbeitsunfähigkeit weiterhin ärztlich dokumentieren zu lassen.

Der behandelnde Arzt sollte dem Versicherten eine ausführliche Stellungnahme ausstellen, die die medizinische Notwendigkeit einer fortgesetzten Arbeitsunfähigkeit belegt. “Dies ist insbesondere wichtig, um die Argumentation gegenüber der Krankenkasse zu untermauern”, so Anhalt.

Betroffene sollten außerdem darauf achten, dass sie ihre Rechte kennen. Eine Krankenkasse darf Versicherte nicht ohne Weiteres an andere Sozialleistungsträger wie die Arbeitsagentur verweisen, nur weil dies wirtschaftlich vorteilhafter für sie ist. Die Zahlung von Krankengeld ist ein gesetzlich geregelter Anspruch, der nicht willkürlich verweigert werden darf.

Warum handeln Krankenkassen so?

Die wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen spielen bei solchen Entscheidungen eine zentrale Rolle. Krankengeldzahlungen belasten die Kassen finanziell, besonders wenn ein Versicherter langfristig arbeitsunfähig bleibt.

In vielen Fällen versuchen Krankenkassen daher, Betroffene in andere Systeme wie die Erwerbsminderungsrente oder das Arbeitslosengeld zu drängen. Dies kann für den Versicherten jedoch erhebliche Nachteile bedeuten, da diese Leistungen oft mit niedrigeren Zahlungen verbunden sind oder den Weg zurück ins Erwerbsleben erschweren.

Das Verhalten der Krankenkassen mag aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar sein, ist jedoch rechtlich und ethisch fragwürdig. Versicherte haben das Recht, auf Grundlage klarer medizinischer Fakten behandelt zu werden, und nicht nach den finanziellen Interessen der Krankenkassen.

Medizinischen Dienst agiert im Sinne der Krankenkassen

Der MDK erstellt im Auftrag der Krankenkassen Gutachten, die oft ausschlaggebend für die Entscheidung sind, ob Krankengeld weitergezahlt wird oder nicht.

Kritisch ist, dass “diese Gutachten häufig nach Aktenlage erstellt werden, ohne dass der MDK den Versicherten persönlich untersucht oder den behandelnden Arzt befragt”, so Anhalt. Dies führt dazu, dass die tatsächliche gesundheitliche Situation des Versicherten nicht immer korrekt eingeschätzt wird.

Im vorliegenden Fall hat der MDK offenbar eine “Spontanheilung” des Betroffenen angenommen – eine Einschätzung, die weder durch eine persönliche Untersuchung noch durch Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gestützt wurde. Solche Entscheidungen wirken auf Außenstehende oft willkürlich und untergraben das Vertrauen in die Neutralität des MDK.

Welche Konsequenzen hat ein Widerspruch?

Der Widerspruch gegen einen Bescheid zur Einstellung des Krankengeldes hat in der Regel aufschiebende Wirkung.

Das bedeutet, dass die Krankenkasse die Zahlung zunächst fortsetzen muss, bis über den Widerspruch entschieden wurde. Dies gibt Betroffenen die notwendige Zeit, um medizinische Nachweise und juristische Unterstützung einzuholen.

Sollte die Krankenkasse den Widerspruch ablehnen, bleibt den Versicherten der Klageweg. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine Klage in der Regel keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Betroffene müssen dann gegebenenfalls Leistungen bei der Arbeitsagentur beantragen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dies unterstreicht die Bedeutung einer fundierten Argumentation im Widerspruchsverfahren.

Im beschriebenen Fall konnte ein Widerspruch helfen und dazu führen, dass das Krankengeld weitergezahlt werden musste.  Ein frühzeitiger Widerspruch, eine gute medizinische Dokumentation und juristischer Beistand können  helfen, den Anspruch auf Krankengeld durchzusetzen.

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Schwerbehinderung: So kannst Du deinen Grad der Behinderung von 30 auf 50 erhöhen

16. Oktober 2025 - 12:02

Wer seinen Grad der Behinderung von 30 auf 50 anheben möchte, zielt auf die Schwelle zur Schwerbehinderteneigenschaft. Ab einem GdB von 50 können ein Schwerbehindertenausweis beantragt und umfassende Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden.

Rechtsgrundlage für Feststellung und Änderung des GdB ist § 152 SGB IX; die medizinische Bewertung richtet sich nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Die VersMedV enthält die verbindlichen Begutachtungsgrundsätze und sieht vor, dass der GdB in Zehnerschritten die Teilhabebeeinträchtigung beschreibt – unabhängig von der Krankheitsursache.

Was der Sprung auf GdB 50 bedeutet

Der Unterschied zwischen einem GdB von 30 und 50 ist juristisch bedeutsam: Mit 50 beginnt die Schwerbehinderteneigenschaft und damit die Möglichkeit, den Ausweis zu erhalten. Behörden und Landesämter erläutern, dass der Ausweis erst ab einem festgestellten GdB von mindestens 50 ausgestellt wird.

Widerspruch, Neufeststellung oder Überprüfung

Welche Route sinnvoll ist, hängt von der Verfahrensgeschichte ab. Liegt ein noch junger Bescheid vor, mit dem man nicht einverstanden ist, kommt der fristgebundene Widerspruch in Betracht. In der Regel beträgt die Widerspruchsfrist einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids; bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung kann sie sich verlängern.

Ist die Frist verstrichen oder hat sich der Gesundheitszustand verschlechtert, ist der richtige Weg der Antrag auf Neufeststellung (oft auch Änderungs- oder umgangssprachlich „Verschlimmerungsantrag“ genannt). Ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X kann darüber hinaus ältere, rechtswidrige Bescheide angreifen.

Der Änderungs- bzw. Neufeststellungsantrag in der Praxis

Der Antrag wird bei der für den Wohnort zuständigen Feststellungsbehörde (Versorgungsamt, Landesamt für Soziales oder eine gleichgestellte Stelle) gestellt; vielerorts ist das inzwischen online möglich. Für die Bearbeitung fallen in der Regel keine Gebühren an.

Entscheidend ist, neue oder verschlimmerte Gesundheitsstörungen konkret zu benennen und aktuelle medizinische Unterlagen beizufügen oder die Behörde zu ermächtigen, Befundberichte bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten einzuholen.

Ohne Schweigepflichtentbindung kann die Behörde medizinische Akten nicht beiziehen.

Wie bewertet wird: VersMedV, Diagnosen und der „Gesamt-GdB“

Die Begutachtung folgt bundesweit einheitlich der VersMedV. Sie enthält für viele Krankheitsbilder Orientierungswerte und beschreibt, welche Funktionsbeeinträchtigungen welchen GdB rechtfertigen. Maßgeblich sind nicht Diagnoselisten, sondern die Auswirkungen im Alltag und auf die Teilhabe; am Ende wird ein Gesamt-GdB gebildet. Die Begutachtungsgrundsätze sind für die Behörden verbindlich.

Ablauf, Dauer und was bei Funkstille hilft

Nach Antragseingang holt die Behörde in der Regel Befundberichte ein; in Einzelfällen kann auch eine eigene ärztliche Untersuchung veranlasst werden. Bleibt eine Entscheidung lange aus, eröffnet § 88 SGG die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage: Nach sechs Monaten ohne Bescheid bzw. nach drei Monaten ohne Widerspruchsbescheid kann die gerichtliche Bescheidung eingefordert werden.

Rechtsmittel: Vom Bescheid bis vor Gericht

Fällt der Bescheid niedriger aus als erhofft, kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Lehnt auch die Widerspruchsbehörde ab, steht die sozialgerichtliche Klage offen. Die Klagefrist beträgt in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

Gleichstellung als Brücke im Arbeitsleben

Wer „nur“ einen GdB von 30 oder 40 hat, kann sich bei der Bundesagentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen, wenn ohne die Gleichstellung der Arbeitsplatz gefährdet ist oder eine Einstellung scheitert. Die Gleichstellung bringt viele arbeitsrechtliche Schutzrechte mit sich, ersetzt jedoch nicht alle Nachteilsausgleiche, die erst mit GdB 50 gelten. Sie ist oft eine sinnvolle flankierende Maßnahme, während die Erhöhung des GdB betrieben wird.

Nach der Erhöhung: Ausweis und Nachteilsausgleiche

Wird der GdB mit 50 oder höher festgestellt, kann der Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Er dient im Alltag als Nachweis für Nachteilsausgleiche, die sich je nach Bundesland und Merkzeichen unterscheiden.

Einige Länder weisen darauf hin, dass die Steuerverwaltung künftig automatisiert informiert wird: In Berlin etwa ist ab 1. Januar 2026 die elektronische Übermittlung des GdB an das Finanzamt vorgesehen.

Typische Stolpersteine – und wie man sie vermeidet

In vielen Verfahren scheitert die GdB-Erhöhung nicht am materiellen Anspruch, sondern an der Beweisführung. Wer nur Diagnosen aufzählt, ohne die konkreten funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar zu belegen, macht es den Gutachterinnen und Gutachtern schwer.

Hilfreich sind aktuelle, aussagekräftige Befunde, die die Einschränkungen bei Gehen, Heben, Konzentration, Belastbarkeit oder sozialer Teilhabe greifbar machen. Zu beachten ist außerdem, dass im Neufeststellungsverfahren der gesamte Gesundheitszustand erneut bewertet werden kann; selten führt das auch zu niedrigeren Werten, wenn frühere Annahmen nicht mehr belegt sind.

Praxisfall: Vom GdB 30 zum GdB 50 in Niedersachsen

Herr K., 52 Jahre alt, Maschinenführer aus Hannover, hat seit 2022 einen festgestellten Grad der Behinderung von 30. Grundlage waren damals chronische Rückenbeschwerden nach einem Bandscheibenvorfall sowie eine leichte depressive Episode.

Mit dem GdB 30 war er arbeitsrechtlich nicht als schwerbehindert anerkannt, nutzte aber bereits innerbetriebliche Entlastungen. 2024 verschlechterte sich seine Situation deutlich: Nach einer zweiten Operation traten anhaltende radikuläre Schmerzen, Taubheitsgefühle im rechten Bein und eine spürbar reduzierte Belastbarkeit auf.

Parallel wurde ein insulinpflichtiger Diabetes diagnostiziert; die depressive Symptomatik verstärkte sich trotz Therapie.

Der erste Versuch – und warum er scheitert

Im September 2024 stellte Herr K. beim zuständigen Landesamt einen Antrag auf Neufeststellung. Er fügte den Operationsbericht und zwei aktuelle MRT-Befunde bei. Im Alltag konnte er jedoch nur noch etwa 300 bis 500 Meter am Stück gehen, schwer heben war kaum möglich, langes Stehen provozierte Schmerzen, die Konzentration ließ im Schichtbetrieb rasch nach.

Diese funktionellen Einschränkungen standen in den eingereichten Unterlagen kaum greifbar. Die Behörde holte einen knappen Hausarztbericht ein und ließ es dabei bewenden.

Im Dezember 2024 erhielt Herr K. einen Bescheid, der den bisherigen GdB 30 bestätigte. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass „keine wesentliche Änderung“ erkennbar sei.

Widerspruch mit neuer Strategie

Herr K. legte fristgerecht Widerspruch ein. Er verließ sich diesmal nicht allein auf Diagnosetitel, sondern dokumentierte die konkreten Auswirkungen im Alltag und im Beruf.

Ein Schmerztherapiezentrum erstellte ein ausführliches funktionelles Leistungsprofil: Gehen nur unter Schmerzen möglich, maximale Gehstrecke ohne Pause unter 400 Metern, Heben und Tragen über fünf Kilogramm nicht durchführbar, sitzende Tätigkeiten nur in kurzen Intervallen von 20 bis 30 Minuten, häufige Lagewechsel erforderlich.

Ein neurologischer Befund bestätigte Sensibilitätsstörungen und eine Schwäche in der Fußhebung. Die Psychotherapeutin bescheinigte eine mittelgradige Depression mit deutlichen Einschränkungen der Belastbarkeit, Schlafstörungen und erhöhter Fehleranfälligkeit.

Der Diabetologe dokumentierte schwankende Werte trotz leitliniengerechter Behandlung mit mehreren Unterzuckerungen im Frühdienst.

Unterstützung im Arbeitsleben: Gleichstellung als Brücke

Parallel beantragte Herr K. bei der Bundesagentur für Arbeit die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen. Der Arbeitgeber legte dar, dass der Arbeitsplatz im stehenden Maschinenbetrieb ohne dauerhafte Anpassungen gefährdet sei.

Bereits im November 2024 wurde die Gleichstellung bewilligt. Damit gewann Herr K. Kündigungsschutz und bessere Chancen auf betriebliche Anpassungsmaßnahmen, während das Widerspruchsverfahren weiterlief.

Die medizinische Neubewertung

Im Februar 2025 forderte die Widerspruchsbehörde ergänzend eine versorgungsärztliche Stellungnahme an. Auf Grundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze wurden die einzelnen Beeinträchtigungen nicht nur diagnosen-, sondern funktionsbezogen eingeordnet.

Für die Wirbelsäulenproblematik mit neurologischer Ausfallerscheinung wurden die höheren Orientierungswerte herangezogen, die depressive Störung wurde als mittelgradig mit anhaltenden Leistungs- und Teilhabeeinschränkungen bewertet, der Diabetes als behandlungsintensiv mit relevanten Alltagsrisiken eingestuft.

In der Gesamtschau ergab sich kein reines „Addieren“ einzelner Werte, sondern eine wertende Bildung des Gesamt-GdB: Die wechselnden Schmerzspitzen, die nachgewiesene Gehstreckenbegrenzung, die kognitive Ermüdung und die metabolischen Schwankungen verstärkten sich wechselseitig. Die versorgungsärztliche Stellungnahme schlug deshalb einen Gesamt-GdB von 50 vor.

Der Erfolgsbescheid und seine Folgen

Im März 2025 half die Behörde dem Widerspruch ab und stellte rückwirkend zum Antragsmonat September 2024 einen GdB von 50 fest. Ein zusätzliches Merkzeichen wurde in diesem Fall nicht vergeben, weil die Voraussetzungen dafür nicht hinreichend belegt waren.

Herr K. beantragte umgehend den Schwerbehindertenausweis. Im Betrieb konnten nun formell fünf zusätzliche Urlaubstage gewährt und der besondere Kündigungsschutz umgesetzt werden.

Mit der Schwerbehinderteneigenschaft wurde außerdem der steuerliche Pauschbetrag relevant; der Personalbereich passte die Lohnsteuermerkmale nach Vorlage des Ausweises entsprechend an. Gemeinsam mit dem Betriebsarzt und dem Integrationsfachdienst wurden konkrete Maßnahmen vereinbart: ein höhenverstellbarer Arbeitsplatz mit Sit-Stand-Dynamik, Taktwechsel im Schichtplan, ein Lastenhandling unter fünf Kilogramm sowie regelmäßige Kurzpausen.

Was den Ausschlag gab

Nicht die Menge der Unterlagen, sondern ihre Aussagekraft war entscheidend. Der erste Antrag blieb im Diagnoseraster stecken. Im Widerspruch überzeugten schließlich die präzisen Beschreibungen der Alltags- und Berufsfolgen, die konsistente Befundlage aus mehreren Fachrichtungen und ein Arbeitsplatzprofil, das die praktische Relevanz der Einschränkungen belegte.

Die systematische Übertragung dieser Funktionsdaten in die Logik der versorgungsmedizinischen Bewertung ermöglichte die schlüssige Gesamtwürdigung. Die früh beantragte Gleichstellung hielt die Erwerbsbiografie stabil, bis der höhere GdB rechtskräftig war.

Lehren für Betroffene

Wer eine Erhöhung von 30 auf 50 anstrebt, sollte die eigene Gesundheitslage nicht nur als Liste von Diagnosen verstehen, sondern als Summe konkreter Funktionsverluste. Alltag, Beruf und Therapieaufwand müssen greifbar werden, idealerweise durch strukturierte ärztliche Stellungnahmen, objektivierbare Tests und eine klare Beschreibung des Arbeitsplatzes.

Kommt es zunächst zur Ablehnung, kann ein gut begründeter Widerspruch die Tür öffnen. Die Gleichstellung kann parallel helfen, akute Risiken im Job während des laufenden Verfahrens abzufedern.

Fazit

Der Weg vom GdB 30 zum GdB 50 ist kein Formularakt, sondern ein rechtlich und medizinisch geprägtes Verfahren. Wer die richtige Strategie wählt, Fristen wahrt, die VersMedV-Logik versteht und seine Beeinträchtigungen gut dokumentiert, verbessert seine Chancen spürbar.

Wo der Schutz im Job akut benötigt wird, kann die Gleichstellung die Lücke bis zur Schwerbehinderteneigenschaft schließen. Bei ausbleibender Entscheidung stehen mit Widerspruch, Klage und notfalls Untätigkeitsklage durchsetzungsstarke Instrumente bereit.

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Bürgergeld: Wie und wann stelle ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde im Jobcenter?

16. Oktober 2025 - 11:50

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde richtet sich nicht gegen eine Entscheidung, sondern gegen das Verhalten einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters des Jobcenters – etwa wegen unhöflicher Behandlung, fehlender Erreichbarkeit oder wiederholter Terminprobleme.

Sie zielt auf dienstrechtliche oder organisatorische Konsequenzen und auf Verbesserungen im Ablauf, nicht auf die Änderung eines Bescheids. Von der Fachaufsichtsbeschwerde (Überprüfung einer fachlichen Entscheidung) und vom förmlichen Widerspruch (Rechtsbehelf gegen einen Bescheid) ist sie strikt zu trennen.

Diese Abgrenzung ist wichtig, weil nur der Widerspruch eine Entscheidung rechtlich überprüft und – je nach Rechtslage – aufschiebende Wirkung entfalten kann. Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerden sind dagegen formlos und fristfrei, aber ohne Rechtsbehelfswirkung.

Der richtige Weg im Jobcenter: Leitung und Kundenreaktionsmanagement

Adressat einer Dienstaufsichtsbeschwerde ist in der Praxis die Geschäftsführung des örtlichen Jobcenters. Viele Jobcenter unterhalten dafür ein Kundenreaktionsmanagement (KRM) als zentrale Beschwerdestelle, das Rückmeldungen entgegennimmt und den Vorgang an die Leitung weiterleitet.

Die Bundesagentur für Arbeit beschreibt das KRM als eigenständige Anlaufstelle; zahlreiche Jobcenter verweisen ausdrücklich auf dieses Verfahren.

Wichtig: Eine Eingabe beim KRM ersetzt keinen Widerspruch.

Wer beaufsichtigt wen? Unterschiedliche Zuständigkeiten je Jobcenter-Typ

Jobcenter sind entweder gemeinsame Einrichtungen von Bundesagentur für Arbeit und Kommune (gE) oder zugelassene kommunale Träger (Optionskommunen, zkT). In gemeinsamen Einrichtungen teilen sich BA und Kommune die Aufgaben und Aufsicht; in Optionskommunen liegt die Verantwortung bei der Kommune, die ihrerseits der Landesaufsicht untersteht.

Für die konkrete Beschwerde bleibt die erste Anlaufstelle die Leitung des jeweiligen Jobcenters; eine Eskalation kann – je nach Struktur – in Richtung Regionaldirektion der BA bzw. kommunaler Aufsicht führen.

Wann eine Dienstaufsichtsbeschwerde sinnvoll ist

Sinnvoll ist sie bei Problemen mit dem dienstlichen Auftreten: abwertende Kommunikation, unangemessene Tonlage, nicht nachvollziehbare Terminabsagen, mangelnde Barrierefreiheit im Umgang oder diskriminierende Behandlung.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellt hierfür sogar Muster und Hinweise bereit, betont aber ebenfalls die Trennung zu förmlichen Rechtsbehelfen gegen Bescheide.

Wann sie nicht ausreicht: Der Widerspruch gegen Bescheide

Geht es um einen Bescheid – etwa die Höhe des Bürgergeldes, Sanktionen oder Aufhebungen –, ist der Widerspruch der richtige Weg. Im Sozialrecht beträgt die Frist in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe; ist die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft oder fehlt sie, gelten verlängerte Fristen. Die Monatsfrist ist strikt, daher sollten Betroffene parallel zum Beschwerdeweg immer prüfen, ob ein Widerspruch erforderlich ist.

Form und Inhalt: So verfassen Sie eine wirksame Beschwerde

Rechtlich ist die Dienstaufsichtsbeschwerde formlos – sie kann schriftlich oder elektronisch eingereicht werden. Damit sie zügig bearbeitet werden kann, empfiehlt sich ein strukturiertes Schreiben an die Geschäftsführung bzw. das KRM des Jobcenters.

Darin sollten Datum, Ort und beteiligte Personen genannt, der Sachverhalt nüchtern und chronologisch dargestellt und ein konkretes Ziel benannt werden, etwa ein klärendes Gespräch oder eine Entschuldigung. Es schadet nicht, eine angemessene Frist für eine Rückmeldung zu nennen und Kopien relevanter Unterlagen beizufügen.

Begleitung zum Termin: Beistand nach § 13 SGB X

Wer ein Gespräch im Jobcenter führen muss, darf eine Vertrauensperson als Beistand mitnehmen. Das Sozialverfahrensrecht regelt ausdrücklich, dass das Vorgetragene des Beistands als von der betroffenen Person geäußert gilt, solange diese nicht widerspricht. Das kann in belastenden Situationen deeskalieren und hilft, Inhalte später korrekt zu rekonstruieren.

Ablauf nach Eingang: Was das Jobcenter mit Ihrer Beschwerde macht

Üblicherweise prüft die Leitung den Vorgang, hört die betroffene Stelle an und veranlasst – wenn erforderlich – organisatorische oder personalrechtliche Maßnahmen. Viele Jobcenter dokumentieren Beschwerden zentral im KRM und geben eine Rückmeldung. Man sollte sich jedoch bewusst sein: Eine Dienstaufsichtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung und ändert keine Bescheide.

Wer eine Verwaltungsentscheidung anfechten will, muss fristgerecht Widerspruch einlegen; über Widersprüche ist in der Regel binnen drei Monaten zu entscheiden, sonst kommt eine Untätigkeitsklage in Betracht.

Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden

Ein häufiger Fehler ist, eine Beschwerde an die Stelle eines Widerspruchs zu setzen und dadurch Fristen zu versäumen. Ebenfalls kontraproduktiv sind pauschale Vorwürfe ohne belastbare Darstellung des Geschehens.

Besser ist eine sachliche, gut belegte Schilderung, die klar macht, welches Ergebnis Sie erwarten. Wer unsicher ist, kann parallel Beratung in Anspruch nehmen und – falls eine Entscheidung betroffen ist – den Widerspruch fristwahrend kurz begründen und später vertiefen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Herr M. aus Hannover hat am 2. September um 10:30 Uhr einen Termin im Jobcenter. Seine Sachbearbeiterin spricht ihn in scharfem Ton an, unterstellt Versäumnisse und verweigert ihm die Mitnahme eines Beistands, obwohl dieser vor dem Raum wartet.

Herr M. beendet das Gespräch, notiert unmittelbar danach Datum, Uhrzeit, Raum, Namen der Beteiligten und die Kernaussagen. Zu Hause fasst er den Ablauf neutral und chronologisch zusammen.

Am nächsten Tag sendet er eine Dienstaufsichtsbeschwerde per E-Mail an das Kundenreaktionsmanagement der Geschäftsstelle. Im Betreff benennt er den Anlass und das Datum.

Im Text schildert er sachlich den Verlauf, fügt die Einladung zum Termin und seine Gesprächsnotizen als Anlagen bei, nennt den Beistand als Zeugen und bittet um Prüfung sowie eine Rückmeldung bis zu einem konkreten Datum. Als Ziel formuliert er einen respektvollen Umgang und die Zusicherung, künftig einen Beistand mitnehmen zu können.

Zwei Tage später erhält er einen Sanktionsbescheid wegen angeblicher „fehlender Mitwirkung“.

Weil es dabei um eine Entscheidung geht, legt er separat und fristgerecht Widerspruch ein. Nach zehn Tagen meldet sich die Teamleitung, entschuldigt sich für den Ablauf und bestätigt, dass intern nachgeschult wurde.

In der Akte wird vermerkt, dass Herr M. Beistand mitführen darf. Über den Widerspruch entscheidet die Fachabteilung unabhängig von der Beschwerde.

Beispiel, wie ein Beschwerdebrief klingen kann

„Sehr geehrte Damen und Herren, am [Datum] hatte ich um [Uhrzeit] einen Termin bei [Name/Team]. Während des Gesprächs kam es aus meiner Sicht zu folgendem Vorfall: [präzise, chronologisch, ohne Bewertungen]. Ich empfinde dies als unangemessen und nicht dienstleistungsorientiert. Ich bitte um Prüfung des Vorgangs und um eine Rückmeldung bis [Datum], wie künftig ein respektvoller Umgang sichergestellt wird. Für Rückfragen erreichen Sie mich unter [Kontakt]. Mit freundlichen Grüßen, [Name], BG-/Kundennummer: [Nummer].“

Besonderheiten in Optionskommunen

In Optionen-Kommunen ist die Kommune Trägerin des Jobcenters. Beschwerden laufen auch hier zunächst an die Geschäftsführung des Jobcenters; eine weitere Aufsicht liegt jedoch bei kommunalen bzw. Landesstellen. Informationen zur Organisationsstruktur der Jobcenter liefert das Bundesarbeitsministerium; daraus ergeben sich die möglichen Eskalationswege jenseits der örtlichen Ebene.

Fazit: Beschwerde und Rechtsbehelf bewusst trennen

Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist das Mittel der Wahl, wenn es um das dienstliche Verhalten geht – niedrigschwellig, formlos und geeignet, Abläufe zu verbessern. Wer eine Entscheidung ändern will, braucht den Widerspruch innerhalb der Frist. Im Zweifel können beide Wege parallel gegangen werden: höflich, klar und mit Blick auf das konkrete Ziel

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Wohngeld und Rente: Rentner haben jetzt mehr Anspruch – ganze Tabelle 2025

16. Oktober 2025 - 11:36

Rentnerinnen und Rentner können unter bestimmten Voraussetzungen Wohngeld beantragen. Wer nämlich eine Rente bezieht liegt oft nur knapp über der Schwelle zur Grundsicherung. In diesem Beitrag zeigen wir alle Berechtigungsvoraussetzungen auf.

Was ist Wohngeld und wer kann es beantragen?

Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss, der darauf abzielt, die Wohnkosten für Bürger mit geringem Einkommen zu senken. Dabei können sowohl Mieter als auch Eigenheimbesitzer diesen Zuschuss beantragen.

Wer ist berechtigt?

Die Berechtigung für Wohngeld hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Einkommen: Hierzu zählen die Rente, Kapitalerträge und eventuelle Nebeneinkünfte.
  • Wohnort: Die Höhe der Miete oder die Belastung bei Eigenheimen spielt eine entscheidende Rolle.
  • Haushaltsgröße: Die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen beeinflusst die Höhe des Wohngeldes.
Wohngeld und Existenzminimum

Rentner/innen, die als Alleinstehende eine Rente unter 1000 Euro netto bekommen, kriegen kein Wohngeld, sondern fallen unter die staatliche Grundsicherung für Rentner/innen.

Ab wann gibt es Wohngeld für Rentner?

Wohngeld erhalten also Betroffene, die über dem Existenzminimum leben, aber unter der (von monatlicher Mietstufe und Bruttokaltmiete abhängigen) Einkommensgrenze.

Je höher die Bruttorente ist, desto kleiner ist der Anspruch auf Wohngeld. Die Einkommensgrenze liegt bei einer Rente von brutto 1772 Euro.

Darüber wird kein Wohngeld mehr ausbezahlt. Damit bekommen auch Rentner/innen Wohngeld, die über der Standardrente von 1620,92 Euro pro Monat liegen, 45 Jahre durchschnittlich verdient und Beiträge eingezahlt haben.

Wohngeld und Eigentum

Wer Wohngeld beantragt, das nach dem monatlichen Renteneinkommen berechnet wird, darf als einzelner Mensch ein Schoneigentum von 60.000 Euro behalten, bei einem Zweipersonen-Haushalt bleiben 80.000 Euro unberücksichtigt.

Beispielrechnung zur Veranschaulichung

Hier ein konkretes Beispiel, das sich an der Berechnung des Bundesbauministeriums orientiert:

  • Monatliche Bruttorente: 860,00 Euro
  • Werbungskostenpauschbetrag: -8,50 Euro
  • Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (10%): -85,15 Euro
  • Monatliches Gesamteinkommen: 766,35 Euro
  • Zu zahlende monatliche Bruttokaltmiete: 335,00 Euro
  • Errechnetes Wohngeld: 250,00 Euro

Zusätzlich kann ein Anspruch auf den Grundrentenfreibetrag bestehen, sofern in der Rente ein Grundrentenzuschlag enthalten ist.

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Wie hoch ist das Wohngeld? Durchschnittliche Höhe und Anpassungen

Im Durchschnitt beträgt das Wohngeld aktuell etwa 370 Euro pro Monat. Diese Summe kann jedoch je nach Wohnort und individuellen Lebensumständen variieren.

Eine Anpassung der Höchstbeträge und des allgemeinen Leistungsniveaus ist für Januar 2025 vorgesehen.

Diese Anpassung erfolgt gemäß § 43 Wohngeldgesetz und soll sicherstellen, dass die Unterstützungsleistungen den aktuellen Lebenshaltungskosten entsprechen.

Wer ist berechtigt, Wohngeld zu erhalten?

Mit der Reform des Wohngeldgesetzes, die Anfang 2023 in Kraft trat, wurde der Kreis der Wohngeldberechtigten erheblich erweitert.

Rund zwei Millionen Haushalte mit geringem Einkommen haben seitdem Anspruch auf das sogenannte Wohngeld-Plus.

Zu dieser Gruppe gehören auch viele Rentner, die zuvor aufgrund ihrer Rentenhöhe keinen Anspruch hatten.

Wohngeldgesetz

Die Reform des Wohngeldgesetzes brachte mehrere bedeutende Änderungen mit sich:

  • Erhöhung des Wohngeldes: Das durchschnittliche Wohngeld stieg um 180 Euro auf etwa 370 Euro pro Monat.
  • Heizkostenpauschale: Eine nach der Anzahl der Personen im Haushalt gestaffelte Heizkostenpauschale wurde eingeführt.
  • Klimakomponente: Diese Komponente soll finanzielle Belastungen durch klimabedingte Sanierungen abmildern.
Wie hoch darf die Rente sein, um Wohngeld zu erhalten? Faustformel zur Berechnung der Berechtigung

Eine einfache Faustformel besagt, dass Rentner, die eine Rente in Höhe des Mindestlohns beziehen, in der Regel Anspruch auf Wohngeld haben. Dies entspricht etwa 2.080 Euro brutto monatlich.

In der folgende Tabelle können Sie sehen, ob sie einen Anspruch – trotz Rente – auf das Wohngeld haben.

Für die Berechnung des Wohngeldanspruchs ist es wichtig, in welcher Stadt bzw. in welcher Region man lebt. Denn die Berechnung speist sich aus Lebenshaltungskosten und Mietstufen.

So hat die Stadt Leipzig zum Beispiel die Mietstufe 2 und die Stadt Frankfurt am Main die Stufe VI. Die Mietstufen der Kommunen sind hier einsehbar.

Wohngeld-Tabelle für alleinlebende Rentner Mietenstufe Monatliches Höchsteinkommen (2024 / 2025) Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente 2024 Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente 2025 I 1.372 € / 1.443 € 476,60€ 490,60€ II 1.405 € / 1.477 € 521,60€ 537,60€ III 1.435 € / 1.509 € 567,20€ 537,60€ VI 1.466 € / 1.541 € 620,60€ 640,60€ V 1.492 € / 1.568 € 669,60€ 691,60€ VI 1.516 € / 1.593 € 720,60€ 744,60€ VII 1.542 € / 1.619 € 780,60€ 806,60€

 

Wohngeld für Rentner-Ehepaare Mietenstufe Monatliches Höchsteinkommen (2024 / 2025) Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente 2025 I 1.854 € / 1.953 € 587,40€ 604,40€ II 1.896 € / 1.996 € 641,40€ 660,40€ III 1.936 € / 2.037 € 697,40€ 718,40€ VI 1.976 € / 2.080 € 762,40€ 786,40€ V 2.009 € / 2.114 € 821,40€ 847,40€ VI 2.041 € / 2.147 € 883,40€ 912,40€ VII 2.074 € / 2.181 € 955,40€ 987,40€

 

Wohngeld-Tabelle für 3 Pers. im Haushalt Mietenstufe Monatliches Höchsteinkommen (2024 / 2025) Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente 2025 I 2.316 € / 2.453 € 700,80€ 720,80€ II 2.365 € / 2.504 € 763,80€ 786,80€ III 2.411 € / 2.552 € 830,80€ 856,80€ VI 2.458 € / 2.600 € 907,80€ 936,80€ V 2.497 € / 2.640 € 977,80€ 1.008,80€ VI 2.534 € / 2.678 € 1.052,80€ 1.086,80€ VII 2.572 € / 2.717 € 1.136,80€ 1.174,80€

 

Wohngeld für vier 4 Mitglieder im Haushalt: Mietenstufe Monatliches Höchsteinkommen (2024 / 2025) Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente Höchstbetrag für Wohngeld inkl. Heiz- und Klimakomponente 2025 I 3.132 € / 3.324 € 816,20€ 840,20€ II 3.197 € / 3.391 € 891,20€ 918,20€ III 3.256 € / 3.452 € 969,20€ 998,20€ VI 3.318 € / 3.516 € 1.057,20€ 1.090,20€ V 3.370 € / 3.570 € 1.141,20€ 1.178,20€ VI 3.419 € / 3.619 € 1.227,20€ 1.267,20€ VII 3.470 € / 3.671 € 1.327,20€ 1.371,20€

 

Faktoren, die das Einkommen beeinflussen

Das zu berücksichtigende Einkommen setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, darunter:

  • Nettoeinkommen: Dazu zählen auch Mieteinnahmen und Einnahmen aus der betrieblichen Altersvorsorge.
  • Abzugsfähige Beträge: Hierzu gehören unter anderem 10 Prozent für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie 20 Prozent, wenn Einkommenssteuerpflicht besteht.
  • Sonderfreibeträge: Etwa 800 Euro für jedes Haushaltsmitglied mit Schwerbehinderung oder Pflegebedürftigkeit.
Weitere Voraussetzungen und Sonderfälle Wohngeld für Eigenheimbesitzer

Auch Rentner mit einem selbst genutzten Eigenheim können Wohngeld in Form eines Lastenzuschusses beantragen. Dieser Zuschuss kann für Instandhaltungskosten oder Kreditzinsen verwendet werden und trägt somit zur finanziellen Entlastung von Eigenheimbesitzern bei.

Wohngeld für vermögende Rentner

Vermögen wird bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt. Liegt das Vermögen über 60.000 Euro, besteht in der Regel kein Anspruch auf Wohngeld. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich diese Grenze um 30.000 Euro.

Wohngeld für schwerbehinderte Rentner

Rentner mit einer Schwerbehinderung können zusätzliche Freibeträge bei der Einkommensberechnung geltend machen. Bei einem Behinderungsgrad von 100 Prozent beträgt der Freibetrag 1.800 Euro.

Auch bei Pflegebedürftigkeit oder einem anerkannten Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent gibt es entsprechende Freibeträge.

Wohngeld bei Grundsicherung

Rentner, die Anspruch auf Grundsicherung haben, können kein Wohngeld beantragen, da die Grundsicherung bereits die Kosten für Miete und Heizung abdeckt.

Welche zusätzlichen Unterstützungen gibt es? Heizkostenzuschuss

Seit der Neuregelung des Wohngelds gibt es einen Heizkostenzuschuss, um die gestiegenen Energiekosten abzufedern. Dieser Zuschuss wird nach Haushaltsgröße gestaffelt und automatisch ausgezahlt.

Haushaltsmitglieder Entlastung der Heizkosten aufgrund der CO2-Bepreisung Dauerhafte Heizkomponente Gesamtbetrag 1 14,40 € 96 € 110,40 € 2 18,60 € 124 € 142,60 € 3 22,20 € 148 € 170,20 € 4 25,80 € 172 € 197,80 € 5 29,40 € 196 € 225,40 € für jedes weitere Haushaltsmitglied 3,60 € 24 € 27,60 € Klimakomponente

Die Klimakomponente soll verhindern, dass die Mieten durch energetische Sanierungen oder energieeffizienten Neubau zu stark ansteigen.

Welche Unterlagen werden für den Wohngeldantrag benötigt? Vorbereitende Dokumente

Vor der Antragstellung sollten folgende Unterlagen bereitgestellt werden:

  • Wohngeldantrag
  • Nachweis über die Wohnkosten: Mietvertrag oder Kontoauszug
  • Einkommensnachweis: Rentenbescheid
  • Mietvertrag
Zusätzliche Unterlagen für Eigenheimbesitzer

Für Eigenheimbesitzer, die einen Lastenzuschuss beantragen:

  • Eigentumsnachweis: Kaufvertrag oder Grundbuchauszug
  • Dokumentation über Kredite
  • Wohnflächenberechnung
  • Hausgeldabrechnung: Bei Eigentumswohnungen
  • Grundabgabenbescheid
Wichtiger Hinweis zur Antragstellung

Wenn Sie bereits Wohngeld beziehen, erhalten Sie zunächst das Wohngeld-Plus automatisch, bis der laufende Bewilligungszeitraum endet. Danach muss das Wohngeld-Plus neu beantragt werden.

Leben mehrere Personen im Haushalt, kann nur eine Person den Wohngeldantrag stellen.

Wie lange ist der Bewilligungszeitraum für Wohngeld?

Der Anspruch auf Wohngeld gilt ab dem Monat, in dem Sie den Antrag einreichen. Bei Bewilligung erhalten Sie in der Regel über 12 Monate hinweg den Zuschuss.

Wenn Sie nach Ablauf des Bewilligungszeitraums weiter Wohngeld in Anspruch nehmen wollen, müssen Sie einen Weiterleistungsantrag stellen. Für eine lückenlose Zahlung sollten Sie diesen möglichst zwei Monate vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes einreichen.

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Rentenabschlag verhindert: Bundessozialgericht streicht Abschläge aus gekürzter Rente

16. Oktober 2025 - 11:25

Die Frage, ob Abschläge aus einer vorzeitig bezogenen Rente lebenslang „kleben bleiben“, beschäftigt seit Jahren Betroffene, Berater und Gerichte.

Zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) zeigen wichtige Leitplanken: Der 13. Senat stellte klar, dass eine spätere Regelaltersrente nicht mit Abschlägen belastet werden darf, wenn ein Haftpflichtversicherer die zuvor bezogene vorzeitige Altersrente vollständig an den Rentenversicherungsträger erstattet hat.

Ende 2024 präzisierte der 5. Senat die Grenze für Fälle mit vorgelagerter Erwerbsminderungsrente – ohne Erstattung bleibt es bei Abschlägen. Zusammen zeigen die Urteile, wann der Zugangsfaktor wieder „auf 1,0“ springt – und wann nicht.

Abschläge verschwinden, wenn die vorgezogene Altersrente vollständig erstattet wurde

Ausgangspunkt war ein Versicherter, der nach einem Unfall von März 2006 bis Mai 2010 eine vorgezogene Altersrente mit einem Zugangsfaktor von 0,847 bezog. Beim Übergang in die Regelaltersrente führte die Rentenversicherung diesen abgesenkten Faktor fort – obwohl die vorzeitige Rente dem Träger im Wege des Regresses vollständig durch den Haftpflichtversicherer ersetzt worden war.

Das BSG hob die Fortschreibung auf und entschied: Für die bereits „verbrauchten“ Entgeltpunkte gilt ausnahmsweise wieder der volle Zugangsfaktor 1,0. Die Richter begründeten dies mit einer planwidrigen Regelungslücke und einer analogen Anwendung von § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB VI. Wirtschaftlich entspreche die vollständige Erstattung dem Fall, dass die Rente „nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen“ wurde; die Versichertengemeinschaft werde nicht belastet.

Rechtliche Einordnung: Zugangsfaktor, Entgeltpunkte und der Rechtsgedanke hinter § 77 SGB VI

Der Zugangsfaktor steuert, in welchem Umfang Entgeltpunkte beim Monatsbetrag einer Rente berücksichtigt werden. Wer eine Altersrente vorzeitig in Anspruch nimmt, akzeptiert dauerhaft eine Minderung – pro Monat 0,003 unter 1,0.

Dieses System soll unterschiedliche Bezugsdauern fair ausgleichen und vorgezogene Rentenbezüge solidarisch abbilden. Der 13. Senat betont jedoch, dass dieser Ausgleichsgedanke ins Leere läuft, wenn der Rentenversicherungsträger die vorzeitig gezahlten Leistungen vollständig ersetzt bekommt.

Dann fehlt die zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft, die die Absenkung ursprünglich rechtfertigt; folgerichtig ist der Zugangsfaktor im Ergebnis wieder auf 1,0 anzuheben.

Die Entscheidung 2024: Ohne Erstattung der EM-Rente bleibt der Abschlag

Im Urteil vom 19. Dezember 2024 hatte das BSG eine andere Ausgangslage zu bewerten: Die Klägerin bezog vor der Regelaltersrente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Abschlägen. Der Haftpflichtversicherer erstattete später zwar entgangene Beiträge, nicht aber die an die Klägerin gezahlte EM-Rente selbst.

Die Frau verlangte dennoch eine abschlagsfreie Regelaltersrente. Der 5. Senat wies die Revision zurück: Ohne vollständige Erstattung der zuvor gezahlten Rentenleistung bleibt es bei der gesetzlich angeordneten „Perpetuierung“ des einmal geminderten Zugangsfaktors in der Folgerente. Eine analoge Anwendung der 2017 entwickelten Grundsätze scheidet aus, weil der finanzielle Nachteil der Versichertengemeinschaft fortbesteht.

Verhältnis der beiden Urteile: Leitplanke und Grenze desselben Rechtsgedankens

Beide Entscheidungen folgen demselben dogmatischen Pfad: Maßgeblich ist, ob die Versichertengemeinschaft wirtschaftlich belastet wird. 2017 entfiel diese Belastung, weil der Haftpflichtversicherer die vorgezogene Altersrente komplett erstattet hatte. 2024 blieb sie bestehen, weil die Erwerbsminderungsrente nicht erstattet wurde; die bloße Ersetzung entgangener Beiträge reicht nicht aus.

Damit ist der Rechtsgedanke präzise konturiert: Nur eine vollständige Erstattung der tatsächlich gezahlten Rentenleistung eröffnet die Möglichkeit, den abgesenkten Zugangsfaktor in der anschließenden Regelaltersrente wieder auf 1,0 anzuheben.

Offene Flanke – aber kein Freifahrtschein: Gilt die Analogie auch bei erstatteter EM-Rente?

Der 5. Senat musste nicht entscheiden, ob die 2017 entwickelten Erwägungen bei einer vollständig erstatteten Erwerbsminderungsrente in gleicher Weise greifen würden.

Die Entscheidungsgründe deuten an, dass eine solche Gleichbehandlung in der Literatur befürwortet wird und dogmatisch möglich sein kann, wenn ein echter Leistungsregress die Rentenzahlungen vollständig ausgleicht. Verbindlich klargestellt ist das für EM-Fälle jedoch nicht; gesichert ist nur die verneinende Antwort, wenn die Erstattung der Rentenleistung fehlt.
Rewis

Praxisrelevanz: Worauf Betroffene und ihre Berater konkret achten sollten

Für Versicherte, die aufgrund eines fremdverschuldeten Ereignisses eine Rente vor der Regelaltersgrenze beziehen mussten, ist der Regress gegen den Schädiger zentral. Entscheidend ist, ob der Haftpflichtversicherer die konkret gezahlte Rente – nicht nur Beiträge oder Teilpositionen – vollständig an den Rentenversicherungsträger erstattet hat.

Nur dann wird der spätere Übergang in die Regelaltersrente ohne fortwirkende Abschläge möglich. In allen anderen Konstellationen bleibt der verminderte Zugangsfaktor grundsätzlich erhalten, weil das Gesetz die Vorteile und Nachteile unterschiedlicher Bezugsdauern dauerhaft „fortschreibt“. Die Fallprüfung ist dabei streng eins-zu-eins: Es zählt die tatsächlich geleistete Erstattung, nicht der hypothetische oder gescheiterte Regress.

Einordnung für die Beratungspraxis

Für Rentenberater und Rechtsanwälte folgt daraus ein klares Prüfprogramm im Einzelfall: Zunächst ist festzustellen, welche Rentenart vor der Regelaltersrente bezogen wurde und in welcher Höhe der Zugangsfaktor gemindert war.

Sodann ist aufzuklären, ob und in welchem Umfang der Rentenversicherungsträger im Rahmen des Sozialleistungsregresses Zahlungen vom Haftpflichtversicherer erhalten hat. Liegt eine vollständige Erstattung der vorzeitig gezahlten Rentenleistung vor, sollte die Festsetzung eines ungeminderten Zugangsfaktors für die Regelaltersrente verlangt und mit Verweis auf die BSG-Rechtsprechung begründet werden. Fehlt es daran, ist eine abschlagsfreie Regelaltersrente regelmäßig nicht durchsetzbar.

Fazit

„Von wegen Rentenabschlag“ gilt nur dort, wo die Rentenkasse wirtschaftlich nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft belastet wurde. Das BSG hat 2017 eine planwidrige Lücke geschlossen und die analoge Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB VI zugelassen, wenn die vorzeitig gezahlte Altersrente vollständig erstattet wurde.

2024 hat das Gericht die Gegenrichtung markiert: Ohne Erstattung der vorangegangenen Rentenleistung – hier der Erwerbsminderungsrente – bleibt der abgesenkte Zugangsfaktor in der Regelaltersrente bestehen.

Für Betroffene bedeutet das: Der Schlüssel zur abschlagsfreien Regelaltersrente nach vorzeitigem Rentenbezug ist der nachweislich vollständige Leistungsregress.

Quellenhinweise: BSG, Urteil vom 13.12.2017 – B 13 R 13/17 R (ausführliche Begründung, inkl. Analogie zu § 77 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB VI); beck-aktuell zur gleichen Entscheidung; BSG, Urteil vom 19.12.2024 – B 5 R 9/23 R.

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Ex-Bundessozialgerichtsrichter: Totalsanktionen im Bürgergeld seien verfassungskonform

16. Oktober 2025 - 10:10

Die Diskussion um härtere Sanktionen im Bürgergeld erhält neue Dynamik. Der frühere Sozialrichter Rainer Schlegel, ehemals am Bundessozialgericht tätig, kommt in einem im Auftrag der arbeitgeberfinanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellten Gutachten zu dem Schluss, dass vollständige Bürgergeld-Leistungskürzungen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Grundgesetz vereinbar sein können.

Diese Einschätzung stützt die Linie der Bundesregierung, die im Rahmen einer „Neuen Grundsicherung“ verschärfte Sanktionsinstrumente vorsieht, und stellt sich zugleich in Spannung zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019, das den Sanktionsrahmen damals eng begrenzte.

Menschenwürde, Existenzminimum und Sozialstaat

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen zwei verfassungsrechtliche Grundpfeiler: die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz sowie das Sozialstaatsprinzip.

Aus beiden Prinzipien leitet sich das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ab. Sanktionen in der Grundsicherung bewegen sich seit jeher in diesem Spannungsfeld: Sie sollen Mitwirkungspflichten durchsetzen und Fehlanreize vermeiden, dürfen dabei aber weder das physische noch das soziokulturelle Existenzminimum dauerhaft unterschreiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 betonte, dass Kürzungen nur verhältnismäßig, zeitlich begrenzt und mit Rücksicht auf Härtefälle zulässig sind. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob Totalsanktionen – also das vollständige Streichen von Leistungen – überhaupt verfassungskonform gestaltet werden können, der neuralgische Punkt der aktuellen Debatte.

Aussage des Gutachtens: „Können“ statt „Müssen“

Schlegels Gutachten setzt genau hier an. Es arbeitet mit einem konditionalen Befund: Totalsanktionen könnten verfassungsgemäß sein. Entscheidend seien die konkrete Ausgestaltung, strenge Voraussetzungen und ein enges Raster von Verfahrensgarantien. Hervorgehoben wird die Konstellation alleinstehender Leistungsberechtigter, bei denen – so die These – eine vollständige Leistungskürzung in Extremfällen in Betracht kommen könne.

Das „Können“ ist dabei nicht bloße semantische Nuance, sondern die juristische Schlüsselformel: Verfassungskonformität hängt danach nicht von der politischen Willensbekundung, sondern von der praktischen Ausgestaltung des Sanktionsregimes ab, etwa von klaren Zumutbarkeitsregeln, einer individualisierten Prüfung, effektiven Rechtsbehelfen, Härtefallklauseln und der Sicherung existenzieller Bedarfe in außergewöhnlichen Situationen.

Aus der Praxis: Würde und Wirklichkeit

Deutliche Kritik kommt aus der Beratungspraxis. Der Bürgergeld-Experte Detlef Brock vom Portal „gegen-hartz“ lehnt Totalsanktionen entschieden ab. Sein Einwand zielt auf die menschenrechtliche und sozialpolitische Dimension: Vollständige Leistungskürzungen untergraben die Würde des Menschen, deren Unantastbarkeit nicht relativiert werden dürfe.

Jenseits der normativen Ebene verweist der Einwand auf absehbare soziale Folgewirkungen: Notlagen, Überschuldung, gesundheitliche Belastungen und Obdachlosigkeit sind im Sanktionskontext keine abstrakten Risiken, sondern reale Gefahren, die sich mit der Tiefe und Dauer einer Kürzung erfahrungsgemäß verschärfen.

Und das Bundesverfassungsgericht?

Letztlich muss das Bundesverfassungsgericht erneut zum Schiedsrichter werden müssen. Es wird zu klären haben, ob und in welcher Ausgestaltung vollständige Leistungskürzungen mit Menschenwürde, Sozialstaatsprinzip und dem Recht auf ein Existenzminimum vereinbar sind.

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Nach Rentenurteil: Ansonsten legaler Steuertrick kostet Witwenrente

16. Oktober 2025 - 9:46

Wie stark Steuerrecht und Sozialrecht auseinanderlaufen können, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (BSG). Eine Schaustellerin muss mehr als 12.600 Euro ihrer Witwenrente erstatten, weil steuerliche Verlustvorträge bei der sozialrechtlichen Einkommensanrechnung unberücksichtigt bleiben.

Für Betroffene ist das weitreichend: Was in der Einkommensteuer sinnvoll ist, kann bei der Rente zum Bumerang werden. Das BSG hat diese Trennlinie am 22. Februar 2024 klar gezogen (Az. B 5 R 3/23 R).

Der Fall: Gewinne, die „steuerlich verschwinden“, sozialrechtlich aber zählen

Die Klägerin, Jahrgang 1952, bezieht seit 1992 eine Hinterbliebenenrente. Zwischen 2007 und 2016 erwirtschaftete sie aus ihrem Gewerbe Gewinne, die das Finanzamt mit Verlustvorträgen aus Vorjahren vollständig verrechnete. Sozialrechtlich änderte das nichts: Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) rechnete die Gewinne als Einkommen an, ohne die steuerlichen Verlustvorträge gegenzurechnen, und verlangte über 12.600 Euro zurück.

Der Rechtsweg führte über das Sozialgericht Potsdam und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bis zum BSG – erfolglos für die Witwe. Das höchste Sozialgericht bestätigte, dass die Rückforderung rechtmäßig ist, weil nur das tatsächlich verfügbare Einkommen zählt, nicht dessen steuerliche Gestaltung.

BSG: Maßgeblich ist die reale wirtschaftliche Lage

Die Kasseler Richter machten deutlich: Ein von der Finanzverwaltung anerkannter Verlustvortrag bleibt bei der Bestimmung des anzurechnenden Arbeitseinkommens für die Witwenrente außen vor. Hinterbliebenenversorgung soll den aktuellen Lebensunterhalt sichern; Verlustvorträge bilden aber Vergangenes ab und verzerren die Gegenwart.

Deshalb dürfen sie die sozialrechtliche Einkommensanrechnung nicht mindern. Damit betont das BSG die Schutzfunktion des Sozialrechts und schließt ein „Steuerschlupfloch“ für die Rentenberechnung aus.

Der Rechtsrahmen: Wie die Einkommensanrechnung funktioniert

Rechtsgrundlage der Anrechnung ist § 97 SGB VI in Verbindung mit § 18a SGB IV. Danach wird Einkommen – dazu zählen insbesondere Erwerbseinkommen, Erwerbsersatzleistungen und Vermögenseinkünfte – auf Witwen-, Witwer- und Erziehungsrenten angerechnet. Entscheidend ist das für denselben Zeitraum tatsächlich erzielte monatliche Einkommen. Steuerliche Größen wie Verlustvorträge gehören nicht zum sozialrechtlichen Einkommensbegriff.

Wichtig ist der Freibetrag: Anrechenbar ist nur der Teil des bereinigten Einkommens, der den Freibetrag übersteigt. Der Freibetrag entspricht dem 26,4-fachen des aktuellen Rentenwerts und erhöht sich je waisenrentenberechtigtem Kind um das 5,6-fache des Rentenwerts. Vom übersteigenden Betrag werden 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Das schützt Erwerbstätigkeit und verhindert, dass schon geringe Zuverdienste die Rente vollständig aufzehren.

Zur Einordnung: Von Juli 2025 bis Juni 2026 liegt der allgemeine Freibetrag – wegen des Rentenwerts von 40,79 Euro – bei 1.076,86 Euro im Monat; je waisenrentenberechtigtem Kind kommen 228,42 Euro hinzu. Erst das, was darüber liegt, reduziert die Witwen- oder Witwerrente zu 40 Prozent.

Steuerlich richtig, rentenrechtlich riskant: Warum der Verlustvortrag hier nicht hilft

Steuerrechtlich glättet der Verlustvortrag die Steuerlast über mehrere Jahre: Frühere Verluste werden mit späteren Gewinnen verrechnet, sodass Einkommensteuer sinkt oder entfällt. Das BSG stellt jedoch klar, dass die Rentenversicherung die gegenwärtige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit betrachtet. Gewinne, die im Betrachtungszeitraum tatsächlich geflossen sind, gelten als Einkommen – auch wenn sie im Steuerbescheid „untergehen“.

Eine Übernahme der steuerlichen Verlustlogik ins Sozialrecht würde die Zielsetzung der Hinterbliebenenrente verfehlen und zu ungerechtfertigten Zahlungen führen, so das Gericht.

Folgen für Selbstständige

Besonders betroffen sind Selbstständige mit schwankenden Ergebnissen. Wer Gewinne erzielt, muss damit rechnen, dass diese trotz früherer Verluste sozialrechtlich voll als Einkommen zählen. Das kann Nachforderungen oder Rückforderungen nach sich ziehen, wenn die DRV erst im Nachhinein von den Gewinnen erfährt.

Für die Praxis heißt das: Einkünfte zeitnah und vollständig mitteilen, Liquiditätsreserven für mögliche Erstattungen einplanen und bei der steuerlichen Verlustnutzung immer die sozialrechtliche Perspektive mitdenken. Das gilt auch für Konstellationen mit mehreren Einkunftsarten, denn § 18a SGB IV sieht eine Zusammenrechnung vor.

Einordnung im System: Zweck der Hinterbliebenenversorgung

Hinterbliebenenrenten ersetzen den Unterhalt, der durch den Tod des Versicherten wegfällt. Das Anrechnungsmodell mit Freibetrag und 40-Prozent-Quote soll zwei Ziele ausbalancieren: die Sicherung des Lebensunterhalts und die Anerkennung eigener Erwerbstätigkeit.

Dies erklärt, warum sich die Berechnung am aktuellen Rentenwert orientiert und jährlich mit der Rentenanpassung fortgeschrieben wird – und warum rein steuerliche Korrekturgrößen wie Verlustvorträge außen vor bleiben.

Rentenerhöhung 2026 und was sie für die Anrechnung bedeutet

Zum 1. Juli 2025 sind die Renten um 3,74 Prozent gestiegen; der aktuelle Rentenwert beträgt seitdem 40,79 Euro. Offizielle Zahlen für die Anpassung 2026 liegen im Oktober 2025 noch nicht vor; sie werden erfahrungsgemäß erst im Frühjahr veröffentlicht.

In Medien und Modellrechnungen kursieren derzeit Prognosen im Korridor um rund 3,3 Prozent. Maßgeblich sind Lohnentwicklung und gesetzliche Formel; Abweichungen sind üblich. Für Hinterbliebene ist dabei vor allem relevant: Steigt der Rentenwert, steigt automatisch auch der Freibetrag, der die Einkommensanrechnung abfedert.

Parallel arbeitet die Politik an strukturellen Fragen. Das sogenannte „Rentenpaket 2025“ der Bundesregierung sieht unter anderem eine Verstetigung des Rentenniveaus bei 48 Prozent vor; Details und Finanzierung sind politisch umstritten. Diese Debatte berührt das hier behandelte BSG-Thema nicht unmittelbar, zeigt aber, dass Rentenrecht und Lohnentwicklung – und damit auch die Freibeträge – in Bewegung bleiben.

Fazit: Saubere Trennung – und klare Konsequenzen

Das BSG hat die Trennlinie zwischen Steuerrecht und Sozialrecht unmissverständlich markiert: Für die Witwenrente zählt, was im Betrachtungszeitraum tatsächlich als Einkommen zur Verfügung steht. Steuerliche Verlustvorträge mindern diesen Wert nicht. Für Hinterbliebene – besonders für Selbstständige – ist das ein deutlicher Hinweis, steuerliche Optimierung und sozialrechtliche Anrechnung nicht zu verwechseln.

Wer Gewinne erzielt, sollte frühzeitig prüfen, wie sich diese auf die Rente auswirken, ob Freibeträge ausgeschöpft sind und ob Rücklagen für mögliche Rückforderungen nötig werden. So lässt sich verhindern, dass ein legitimes Steuersparmodell in der Rentenversicherung zur teuren Überraschung gerät.

Hinweis: Maßgeblich sind die gesetzlichen Regelungen (§ 97 SGB VI i. V. m. § 18a SGB IV) und die aktuelle Rechtsprechung des BSG.

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Rente: Bundesregierung beschließt Aktivrente – Welche Rentner besonders profitieren und wer leer ausgeht

16. Oktober 2025 - 9:28

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf für eine neue Aktivrente beschlossen. Der Entwurf soll noch in diesem Jahr im Bundestag beraten und verabschiedet werden, damit das Gesetz zum 1. Januar 2026 in Kraft treten kann.

Mit der Aktivrente verfolgt die Regierung ein doppeltes Ziel: Zum einen sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, einen konkreten finanziellen Anreiz erhalten, weiter im Beruf zu bleiben.

Zum anderen soll die Aktivrente dazu beitragen, den absehbaren Arbeitskräftemangel in vielen Branchen zu mildern. Der Ansatz setzt ausdrücklich auf Erwerbsarbeit im Rentenalter und kombiniert steuerliche Entlastung mit beibehaltener sozialer Absicherung.

Kern des Entwurfs ist eine monatliche Steuerfreistellung von 2.000 Euro auf Arbeitslohn und Gehalt für Personen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben und weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Der darüber hinausgehende Teil des Verdienstes bleibt ganz normal einkommensteuerpflichtig.

Gleichzeitig bleibt die Pflicht zur Absicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestehen. Für die Rentenversicherung gilt eine Besonderheit: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber führen weiterhin ihren Beitragsanteil ab, während Aktivrentnerinnen und Aktivrentner selbst keine Pflichtbeiträge zahlen müssen. Sie können auf freiwilliger Basis einzahlen, um zusätzliche Ansprüche zu erwerben. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung fallen nicht an.

Anspruchsberechtigte und Ausschlüsse

Die Aktivrente ist gezielt auf eine bestimmte Gruppe zugeschnitten. Profitieren können ausschließlich Personen, die die Regelaltersgrenze überschritten haben und in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Ausgeschlossen sind Beamtinnen und Beamte sowie Gewerbetreibende, Freiberufler und Selbstständige. Gleiches gilt für Erwerbstätige in der Land- und Forstwirtschaft. Rentnerinnen und Rentner mit einer vorgezogenen Altersrente sind zunächst nicht einbezogen; sie können die Aktivrente erst nutzen, sobald sie ihre persönliche Regelaltersgrenze erreicht haben.

Die eng gefasste Zielgruppe soll sicherstellen, dass der steuerliche Impuls dort ankommt, wo zusätzliche Arbeitsstunden am wahrscheinlichsten mobilisiert werden können: in regulären, beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.

Nettoeffekte und Sozialabgaben

Für die Praxis bedeutet die Steuerfreistellung, dass bis zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.000 Euro keine Einkommensteuer anfällt. Überschreitungen dieser Schwelle werden wie gewohnt versteuert. Unberührt von der Steuerregelung ist die Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die sich weiterhin am Bruttoarbeitsentgelt orientiert. Dadurch bleibt die soziale Absicherung gewährleistet.

Die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entfallen auf Arbeitnehmerseite, können aber freiwillig geleistet werden; der Arbeitgeberanteil wird in jedem Fall fällig. In Summe entsteht so ein spürbarer Nettoeffekt, insbesondere bei Verdiensten oberhalb eines Minijobs, der bereits heute einkommensteuerfrei ist. Wer beispielsweise regelmäßig mehr als die Minijob-Grenze verdient, profitiert vom steuerfreien Grundbetrag, während die bekannten Abzüge aus der Kranken- und Pflegeversicherung planbar bleiben.

Was bedeutet das im Zusammenhang mit der Altersrente und dem Rentenaufschub

Die Aktivrente ist ausdrücklich unabhängig davon konzipiert, ob bereits eine Altersrente bezogen wird oder der Rentenbeginn aufgeschoben wurde. Wer den Rentenbezug hinauszögert, erhält weiterhin die schon heute geltende jährliche Rentensteigerung von sechs Prozent für den Aufschub.

Zusätzlich können freiwillige Beiträge, die während der Aktivrente entrichtet werden, die künftige Rentenhöhe weiter erhöhen. Damit kombiniert der Entwurf zwei Anreizrichtungen: kurzfristig mehr Netto aus Erwerbsarbeit und langfristig höhere Rentenansprüche bei freiwilliger Einzahlung oder Aufschub.

Keine Anrechnung auf die Rente, kein Progressionsvorbehalt

Ein zentrales Detail ist die fehlende Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Altersrente. Seit 2023 gibt es bei Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Das schafft Planungssicherheit für Beschäftigte im Rentenalter: Der Bezug der Altersrente bleibt ungekürzt, unabhängig davon, wie viel hinzuverdient wird.

Ebenfalls wichtig ist der Verzicht auf den Progressionsvorbehalt. Die steuerfreie Aktivrente erhöht somit nicht mittelbar den Steuersatz auf andere steuerpflichtige Einkünfte. Diese Konstruktion stärkt die Transparenz und verhindert, dass der Steuervorteil an anderer Stelle wieder aufgezehrt wird.

Fiskalische Auswirkungen

Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten aufgrund der Steuerfreistellung jährliche Mindereinnahmen für den Staat zwischen 800 Millionen Euro und 1,4 Milliarden Euro.

Diese Größenordnung zeigt den Spagat, den der Entwurf lösen will: Der Staat verzichtet auf Einnahmen, um zusätzliche Erwerbstätigkeit älterer Menschen anzureizen und damit Produktivitäts- und Wertschöpfungspotenziale zu heben.

Ob die fiskalischen Effekte durch höhere Beschäftigung, zusätzliche Sozialbeiträge und indirekte Steuern teilweise kompensiert werden, wird maßgeblich davon abhängen, wie stark die Aktivrente tatsächlich Arbeitsangebot und Arbeitsstunden im Rentenalter erhöht.

Wer konkret profitiert

Besonders profitieren jene, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze in einem regulären Beschäftigungsverhältnis weiterarbeiten und über ein Einkommen verfügen, das die Schwelle eines Minijobs übersteigt. Für sie wirkt der steuerfreie Betrag von 2.000 Euro monatlich als direkter Nettohebel. Personen in Minijobs bleiben hingegen unverändert steuerfrei, sodass der Zusatznutzen der Aktivrente dort geringer ins Gewicht fällt.

Für Beamtinnen und Beamte sowie für Selbstständige ergeben sich aus dem Entwurf zunächst keine Vorteile, solange ihre Einkünfte nicht unter die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung fallen.

Ob sich dies im parlamentarischen Verfahren ändert, hängt nicht zuletzt von der Bewertung der rechtlichen Bedenken und vom politischen Willen zur breiteren Ausgestaltung ab.

Arbeitsmarktpolitische Bedeutung

Die Aktivrente adressiert einen strukturellen Trend: eine alternde Bevölkerung bei gleichzeitig hoher Nachfrage nach Fach- und Arbeitskräften. Indem der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler gestaltet wird, könnten Unternehmen Erfahrungswissen länger halten und Engpässe überbrücken.

Gleichzeitig setzt der Entwurf Anreize, die mit der Lebensrealität vieler Älterer korrespondieren, die häufig in Teilzeit oder flexibel weiterarbeiten möchten. Entscheidend wird sein, ob betriebliche Praxis, Tarifverträge und Personalpolitik die neuen Optionen tatsächlich aufgreifen und attraktive, altersgerechte Arbeitsbedingungen schaffen.

Die steuerliche Entlastung ist dabei ein Baustein, ersetzt aber nicht die Notwendigkeit guter Arbeit, passender Arbeitszeiten und gesundheitsförderlicher Arbeitsplätze.

Rechtliche Fragen und Gleichbehandlungsgrundsatz

Der Entwurf wirft rechtliche Fragen auf, insbesondere mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Steuerfreistellung soll ausschließlich für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gelten, während Beamtinnen und Beamte sowie Selbstständige von der Regelung ausgenommen sind.

Kritiker sehen darin eine potenziell ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Sollte diese Kritik verfangen, wären Nachsteuerungen denkbar, etwa durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs oder durch alternative, statusübergreifende Fördermechanismen. Bis zur Verabschiedung ist daher mit intensiven fachlichen Debatten über verfassungs- und steuerrechtliche Implikationen zu rechnen.

Offene Punkte im Gesetzgebungsverfahren

Mit der Kabinettsentscheidung ist der politische Kurs gesetzt, die konkrete Ausgestaltung bleibt jedoch bis zur Verabschiedung offen. Im parlamentarischen Verfahren könnten Definitionen präzisiert, Schwellenwerte angepasst oder der Kreis der Anspruchsberechtigten nachgeschärft werden.

Ebenso ist denkbar, dass flankierende Evaluationsklauseln eingeführt werden, um die Wirkung der Aktivrente auf Beschäftigung, Staatsfinanzen und die soziale Sicherung systematisch zu messen und bei Bedarf nachzusteuern. Die Debatte über Gleichbehandlung, fiskalische Tragfähigkeit und arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit wird für die endgültige Fassung des Gesetzes maßgeblich sein.

Fazit

Der Gesetzentwurf zur Aktivrente ist ein gewichtiger Schritt hin zu mehr Erwerbsbeteiligung im Rentenalter. Die Kombination aus steuerlicher Entlastung, beibehaltener sozialer Absicherung und der Möglichkeit freiwilliger Rentenbeiträge zielt auf planbare, attraktive Rahmenbedingungen für Weiterarbeit nach der Regelaltersgrenze.

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Rente: Der neue Rentenausweis ist so Bares wert

16. Oktober 2025 - 9:26

Der neue Rentenausweis im Scheckkartenformat bringt viele Vorteile für Rentnerinnen und Rentner. Er ermöglicht ihnen ermäßigte Preise bei kulturellen Veranstaltungen wie Theater- und Kinobesuchen sowie im öffentlichen Nahverkehr.

Darüber hinaus erkennen immer mehr Geschäfte und Restaurants die Bedeutung der älteren Generation und bieten spezielle Rabatte an. Der Rentenausweis dient dabei als einfacher und verlässlicher Nachweis des Rentnerstatus. In diesem Artikel stellen wir einige der Vorteile vor.

Dr. Utz Anhalt: Der neue Rentenausweis: Warum er “Bares” wert ist Der neue Rentenausweis

Der neue Rentenausweis im Scheckkarten-Format wird gemeinsam mit dem Begrüßungsschreiben an neue Rentnerinnen und Rentner verschickt. Verantwortlich für diesen Service ist der Renten Service der Deutschen Post AG, der auch die Auszahlung der Renten übernimmt.

Der neue Rentenausweis ersetzt den bisherigen Papierausweis, der aus dem Rentenbescheid ausgeschnitten werden musste.

Neben der praktischen Scheckkartenform beinhaltet der Rentenausweis wichtige Informationen wie den Namen, das Geburtsdatum und die Rentenversicherungsnummer des Inhabers. Diese Daten ermöglichen die persönliche und eindeutige Zuordnung des Ausweises.

Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr

Rentner, die sich ausweisen, bekommen in vielen Orten Deutschland reduzierte Tickets im öffentlichen Nahverkehr. Manchmal sind die Monats- oder Jahreskarten günstiger, in anderen Städten fahren Rentner an speziellen Wochentagen mit ermäßigtem Preis.

Wichtig: Diese Regeln unterscheiden sich von Stadt zu Stadt und von Verkehrsunternehmen zu Verkehrsunternehmen. Fragen Sie deshalb bei sich vor Ort nach, ob hier Vergünstigungen für Sie möglich sind und fragen Sie auch am jeweiligen Ort, wenn Sie anderswo unterwegs sind.

Die Münchner MVG zum Beispiel stellt für Rentner eine IsarCard65 zur Verfügung. Diese bringt 10,00 Euro bis über 100,00 Euro weniger Kosten – je nach Tarif.

Die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn bietet eine Senioren BahnCard an, die allerdings nicht an den Rentenausweis, sondern an das Alter geknüpft ist. Wenn Sie die 65 erreicht haben, dann können Sie die BahnCard 25 in der zweiten Klasse für 38,90 Euro nutzen – statt für 59,90. Das galt zumindest 2023.

Kunst und Kultur

Diverse Museeen, Festsivals, Kulturveranstaltungen, Konzerte, Theater und Opern haben spezielle Vergünstigungen für Menschen, die ihren Rentenausweis zeigen. Das kann bei Opernaufführungen und Sonderausstellungen in Museen eine deutliche Erleichterung bringen.

Manche kulturelle Institutionen bieten sogar freie Tage für Rentner an oder erlassen diesen bei bestimmten Veranstaltungen den Eintritt ganz.

Parks und Gärten

Auch manche Parks, botanische oder zoologische Gärten haben einen Extrapreis für Rentner mit Rentenausweis oder sogar kostenlosen Eintritt.

Prozente in Handel und Gastronomie

Manche Shops haben für Rentner mit Rentenausweis besondere Rabatte auf spezielle Produkte oder einen bestimmten Service. Das unterscheidet sich von Geschäft zu Geschäft. Nachfragen lohnt sich.

Rentnerausweis in der Europäischen Union

Der deutsche Rentenausweis wird in den anderen EU-Ländern meist anerkannt. Auch hier gibt es häufig Ermäßigungen in den genannten Bereichen wie öffentlichem Nahverkehr, Kulturveranstaltungen oder auch beim Sport.

Vergessen Sie also Ihren Rentenausweis im Urlaub nicht. Da viele Menschen auf Reisen weit mehr öffentliche Verehrsmittel benutzen als im Alltag zuhause und in viel mehr Museen, botanische Gärten oder Theater gehen als daheim, bleibt mehr Geld in der Reisekasse.

Banken und Finanzen

Auch bei Banken sollten Sie unbedingt nachfragen. Viele Banken haben Spezialangebote für Rentner, die sich ausweisen können und nehmen zum Beispiel weniger Gebühren für das Führen eines Girokontos.

Volkshochschulen

Volkshochschulen und andere außerschulische Bildungsträger bieten Kurse, Seminare und andere- Veranstaltungen für Rentner oft zu einem niedrigerem Preis an. Wer im Alter gerne noch dazulernt, muss dafür weniger tief in die Tasche greifen als in jüngeren Jahren.

Gesundheit und Wellness

Gerade für alte Menschen ist es wichtig, etwas für die Gesundheit zu tun, zu schwimmen oder in die Sauna zu gehen. Schwimmbäder und Saunen bieten oft Rabatte für Rentner an. Dabei geht es nicht immer um den Rentenpass.

Die Freizeiteinrichtungen der Center Parcs bieten zum Beispiel Ermäßigung an für Menschen, die älter sind als 55 Jahre.

Vergünstigungen in Hotels

Viele Hotels haben Vergünstigungen für Senioren. Es lohnt sich nachzufragen, da diese Rabatte gewöhnlich nicht öffentlich ausgeschrieben werden. Best Western Hotels allerdings geben in allen ihren Häusern einen Rabatt von 15 Prozent für alle Gäste ab 55 Jahren.
Der Rentenausweis kommt automatisch

Kein Antrag notwendig

Ab 2020 muss ein Rentenausweis nicht mehr beantragt werden. Mit dem Beginn der Rente erhalten die Betroffenen ihn vom Renten Service der Deutschen Post AG. Wer noch nicht den neuen Rentenausweis hat, wendet sich an die Deutsche Rentenversicherung.

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