«Mit Brigitte Bardot verschied eine starke und unabhängige Frau, die es nicht nötig hatte, sich dem Zeitgeist unterzuordnen oder sich gar – wie leider viele deutsche Prominente – zur Systemnutte machen zu lassen, und die solches auch in der Not nicht getan hätte. Die einfach zu sich stand und standhaft war. Ein schönes Zitat von ihr als Abschluss: ‹Früher habe ich mit meinem Hintern schockiert, jetzt schockiere ich mit meinen Büchern (Meinungen). Das ist das Gleiche!›» (– Nachruf der Seite https://publikum.net/).
GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp
Wohngeld bei Pflege im Haushalt: Ein Anspruch, der oft übersehen wird
Viele Wohngeldbezieher pflegen Angehörige in der eigenen Wohnung und geraten dadurch finanziell unter Druck. Wohngeldstellen behandeln Pflege im Haushalt dennoch häufig wie einen Nachteil und kürzen oder verweigern Leistungen. Diese Praxis widerspricht dem Zweck des Wohngeldrechts und benachteiligt Menschen, die Verantwortung übernehmen.
Pflege im Haushalt verändert die Ausgangslage beim WohngeldPflege erhöht laufende Belastungen spürbar und verändert die Wohn- und Einkommenssituation eines Haushalts. Das Wohngeldrecht soll genau diese Belastungen abfedern, wenn das Einkommen nicht reicht. Wer pflegt, steht daher rechtlich nicht schlechter, sondern oft unter besonderem Schutz.
Pflegegeld ist kein Einkommen im WohngeldrechtPflegegeld dient der Organisation und Sicherstellung der Pflege, nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt. Es zählt beim Wohngeld grundsätzlich nicht als Einkommen, solange es zweckgebunden verwendet wird. Wer Pflegegeld erhält, verliert seinen Wohngeldanspruch nicht allein durch diese Zahlung.
Freibeträge schützen pflegende HaushalteDas Wohngeldrecht kennt Freibeträge, um besondere Belastungen auszugleichen. Pflegebedürftigkeit im Haushalt kann das anrechenbare Einkommen deutlich senken. Viele Wohngeldstellen übersehen diese Schutzmechanismen und kürzen Ansprüche zu Unrecht.
Pflege verändert die Haushaltskonstellation rechtlichLebt eine pflegebedürftige Person im Haushalt, muss die Behörde genau prüfen, wie sie wohngeldrechtlich einzuordnen ist. Nicht jede Person zählt automatisch voll als Haushaltsmitglied mit eigenem Einkommen. Fehler bei dieser Einordnung führen regelmäßig zu ungerechtfertigt niedrigen Bewilligungen oder Ablehnungen.
Das sollten Sie prüfenSie sollten sorgfältig prüfen, wie die Wohngeldstelle Pflegegeld in Ihrer Berechnung behandelt hat. Taucht das Pflegegeld vollständig als Einkommen auf, liegt häufig ein klarer Rechen- oder Rechtsfehler vor. Ebenso wichtig ist die Frage, ob Freibeträge wegen Pflegebedürftigkeit korrekt berücksichtigt wurden oder vollständig fehlen.
Darüber hinaus sollten Sie kontrollieren, wie die Behörde die Haushaltsmitglieder eingeordnet hat. Pflegebedürftige Angehörige dürfen nicht automatisch wie voll leistungsfähige Haushaltsmitglieder behandelt werden. Auch die angesetzten Wohn- und Nebenkosten verdienen besondere Aufmerksamkeit, da Pflege regelmäßig zusätzlichen Platz- und Kostenbedarf verursacht.
So reagieren Sie auf ungerechtfertigte Ablehnung Ihres AntragsSie sollten eine ungerechtfertigte Ablehnung niemals einfach hinnehmen. Ein fristgerechter Widerspruch zwingt die Wohngeldstelle, den Bescheid vollständig neu zu prüfen und die Berechnung offenzulegen. Bereits dieser Schritt führt häufig dazu, dass Fehler korrigiert und Ansprüche anerkannt werden.
Im Widerspruch sollten Sie klar benennen, wo die Behörde Pflegegeld, Freibeträge oder die Haushaltszusammensetzung falsch bewertet hat. Verlangen Sie eine nachvollziehbare Neuberechnung und lassen Sie sich nicht mit pauschalen Begründungen abspeisen. Je konkreter und sachlicher Sie argumentieren, desto größer ist der Druck auf die Behörde, den Fehler zu korrigieren.
Modell Axel: Pflege des Vaters und falsche EinkommensanrechnungAxel pflegt seinen Vater mit Pflegegrad 3 in der gemeinsamen Wohnung und erhält Pflegegeld. Die Wohngeldstelle rechnet dieses Pflegegeld vollständig als Einkommen an und kürzt den Anspruch erheblich. Nach Widerspruch erkennt die Behörde den Fehler und bewilligt deutlich höheres Wohngeld.
Modell Marius: Pflegebedürftige Mutter als HaushaltsfalleMarius nimmt seine pflegebedürftige Mutter bei sich auf, um Heimkosten zu vermeiden. Die Wohngeldstelle rechnet ihr Einkommen pauschal dem Haushalt zu, ohne die tatsächliche Belastung zu berücksichtigen. Nach erneuter Prüfung erhält Marius Wohngeld, weil die ursprüngliche Einordnung rechtswidrig war.
Modell Laura: Pflege reduziert die ErwerbstätigkeitLaura reduziert ihre Arbeitszeit, um ihren Partner zu pflegen, und verliert einen erheblichen Teil ihres Einkommens. Die Wohngeldstelle lehnt dennoch ab und ignoriert den Pflegekontext. Eine Neuberechnung zeigt, dass gerade die Pflege den Wohngeldanspruch auslöst.
Modell Yoana: Pflegebedürftiges Kind im HaushaltYoana pflegt ihr schwerbehindertes Kind zu Hause und trägt erhöhte Wohn- und Nebenkosten. Die Behörde rechnet pauschal und blendet die besondere Belastung aus. Nach Korrektur steigt das Wohngeld deutlich an.
Modell Amira: Pflege als Grund für falsche AblehnungAmira versorgt ihre Großmutter rund um die Uhr und zahlt hohe Wohnkosten. Die Wohngeldstelle lehnt mit Verweis auf angeblich zu hohes Einkommen ab. Nach rechtlicher Prüfung erkennt die Behörde den Anspruch an.
Warum Wohngeldstellen Pflege oft falsch bewertenWohngeldstellen arbeiten mit vereinfachten Berechnungsmodellen und standardisierten Prüfschemata. Pflege passt nicht in diese Raster und wird deshalb häufig falsch eingeordnet. Die Folge sind systematische Fehlentscheidungen zulasten pflegender Haushalte.
Warum Sie sich gegen falsche Entscheidungen wehren solltenFehlerhafte Wohngeldbescheide lassen sich korrigieren. Ein Widerspruch zwingt die Behörde, Pflegegeld, Freibeträge und Haushaltszusammensetzung neu zu bewerten. Viele Bescheide kippen erst, wenn Betroffene ihre Rechte aktiv einfordern.
Prüfcheckliste: So prüfen Sie Ihren Wohngeldbescheid richtigPrüfen Sie zuerst, ob die Wohngeldstelle Ihr gesamtes Einkommen korrekt erfasst hat und ob alle Angaben vollständig übernommen wurden. Achten Sie besonders darauf, ob Pflegegeld fälschlich als Einkommen angerechnet wurde, obwohl es zweckgebunden ist. Bereits dieser Fehler allein kann den Bescheid rechtswidrig machen.
Einkommen korrekt erfasst und richtig bewertet?Kontrollieren Sie, ob alle Einkommensarten richtig eingeordnet wurden und keine Zahl doppelt oder pauschal angesetzt ist. Pflegegeld, einmalige Leistungen oder zweckgebundene Zahlungen dürfen nicht wie normales Einkommen behandelt werden. Fehler an dieser Stelle wirken sich unmittelbar auf die Höhe oder den Bestand des Wohngeldes aus.
Freibeträge vollständig berücksichtigt?Prüfen Sie, ob alle gesetzlichen Freibeträge in die Berechnung eingeflossen sind. Pflegebedürftigkeit im Haushalt, reduzierte Erwerbstätigkeit wegen Pflege oder besondere Belastungen müssen das anrechenbare Einkommen senken. Fehlen diese Abzüge, fällt das Wohngeld oft zu niedrig aus oder wird zu Unrecht abgelehnt.
Haushaltszusammensetzung richtig eingeordnet?Schauen Sie genau, wie die Wohngeldstelle Ihren Haushalt definiert hat. Nicht jede pflegebedürftige Person darf automatisch wie ein voll leistungsfähiges Haushaltsmitglied behandelt werden. Fehler bei der Haushaltszuordnung gehören zu den häufigsten Ursachen für falsche Bescheide.
Wohn- und Nebenkosten korrekt angesetzt?Werfen Sie einen genauen Blick auf die angesetzten Wohn- und Nebenkosten. Pflege verursacht häufig zusätzlichen Platzbedarf, höhere Heizkosten oder steigende Nebenkosten, die berücksichtigt werden müssen. Werden diese Kosten gekürzt oder pauschal angesetzt, stimmt die Berechnung in vielen Fällen nicht.
Begründung nachvollziehbar und rechnerisch überprüfbar?Lesen Sie zuletzt die Begründung des Bescheids kritisch. Bleibt sie pauschal, unverständlich oder ohne konkrete Zahlen, fehlt häufig eine ordnungsgemäße Einzelfallprüfung. In diesem Fall sollten Sie den Bescheid nicht akzeptieren, sondern überprüfen und gegebenenfalls anfechten lassen.
FAQ: Wohngeld und Pflege im HaushaltZählt Pflegegeld als Einkommen beim Wohngeld?
Nein, Pflegegeld ist zweckgebunden und grundsätzlich kein Einkommen.
Verliere ich Wohngeld, wenn ich jemanden pflege?
Nein, Pflege kann den Anspruch sogar stärken.
Muss eine pflegebedürftige Person immer zum Haushalt zählen?
Nein, das hängt von der tatsächlichen Wohn- und Versorgungssituation ab.
Lohnt sich ein Widerspruch bei Ablehnung?
Ja, besonders bei Pflegekonstellationen treten häufig Fehler auf.
Kann Wohngeld rückwirkend angepasst werden?
Ja, wenn die Behörde falsch gerechnet oder rechtlich falsch bewertet hat.
Pflege im Haushalt ist kein privates Hobby, sondern gesellschaftlich unverzichtbare Arbeit. Das Wohngeldrecht soll pflegende Menschen schützen und nicht zusätzlich belasten. Wer Bescheide prüft, Fehler benennt und sich wehrt, sichert sich die Unterstützung, die ihm zusteht.
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Bürgergeld: Partner haftet bei falschen Angaben gegenüber dem Jobcenter
Der 5. Senat des Landessozialgerichts Sachsen gibt mit einem wegweisendem Urteil bekannt, dass auch bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Partner für die falschen Angaben seines Partners haftet – hier Verschweigen von Erwerbseinkommen des Partners, welcher selbst nicht hilfebedürftig nach dem SGB 2 war. Eine Zurechnung des Verschuldens kommt allein aufgrund einer Duldungsvollmacht in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 08.12.2020 – B 4 AS 46/20 R -).
Verschwiegenes Einkommen führt zur Erstattung von 4300 € an das JobcenterWer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hätte.
Rechtsgrundlage ist hier – allein § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB XDer Senat ist hier zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugin die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Bewilligung grob fahrlässig nicht erkannt hatte.
Die Würdigung stützt sich auf folgende, ineinandergreifende Feststellungen: Zitat“1. Die Aussage der Zeugin erweist sich als widersprüchlich und interessengeleitet. Sie behauptete, sämtliche Lohn- und Kontoauszüge stets selbst bei beim Beklagten eingereicht und den Kläger nie in die Mitwirkung eingebunden zu haben. Tatsächlich wurden die Verdienstbescheinigungen des Klägers für den streitigen Zeitraum erstmals mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 16. April 2018 vorgelegt.
2. Weiterhin zeigte die Zeugin Erinnerungslücken dort, wo ein Vergessen lebensfremd erscheint. Sie vermochte weder anzugeben, weshalb sie ihre eigene Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg zurückgenommen hatte, noch wieso sie den deutlichen Anstieg der bewilligten Leistungen gegenüber früher nicht bemerkte – obwohl es um eine Rückforderung von über 4.000 € ging und die Ereignisse erst wenige Jahre zurücklagen.
3. Demgegenüber bekundete sie detailliertes Wissen, sobald es ihr vorteilhaft erschien. So erinnerte sie sich zwar an die Leistungsablehnung für Juni/Juli 2017 wegen Lohneinkommens, verneinte aber jede Kenntnis vom Zusammenhang zwischen Einkommen und Leistungsanspruch. Dies ist nicht plausibel und spricht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Einlassungen.
Das Gericht betont und stellt fest, dass die Zeugin den Berechnungsfehler des Jobcenters monatelang verschwiegen hatDie Zeugin unternahm Monate nichts, um dem Jobcenter auf den offensichtlichen Berechnungsfehler hinzuweisen. Ein derartiges Ignorieren klarer Indizien übersteigt einfache Fahrlässigkeit deutlich.
Sie hätte den Widerspruch zwischen Einkommen, Ablehnungs- und Bewilligungsbescheid sowie den sprunghaft gestiegenen Zahlungen ohne Weiteres realisieren und den Leistungsträger informieren müssen. Das Gericht bewertet dieses Verhalten mithin als grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X.
Diese grob fahrlässige Unkenntnis muss sich der Kläger (Partner ) im Rahmen der Vertretungsregeln zurechnen lassen (§ 13 Abs. 1 SGB X)Denn er wusste und billigte, dass die Zeugin für ihn gegenüber dem Beklagten auftrat und die Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft verwaltete.
Eine Verschuldenszurechnung nach allgemeinen Regeln (§§ 166, 278 BGB ) unter volljährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft kommt in den Fällen einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht oder – was hier ausscheidet – einer gesetzlichen Vertretung in Betracht.
Die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht kann ausdrücklich erteilt werden, aber auch konkludent in Form einer sog. Duldungsvollmacht.
Duldungs- und Anscheinsvollmacht des Vertreters der Bedarfsgemeinschaft beim BürgergeldDas setzt aber voraus, dass das vertretene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Kenntnis vom Verhalten des Vertreters hat und dies stillschweigend duldet. Denn wer es duldet, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht dessen Verhalten zurechnen lassen, selbst wenn er keinen Bevollmächtigungswillen gehabt hatte.
Es besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2020, B 4 AS 46/20 R – ).
Dieser Rechtsgedanke findet auch im Sozialrecht AnwendungAbweichendes folgt auch nicht daraus, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit eine Wertung beinhaltet (vgl. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X).
Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn entsprechend dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB erstreckt sich auch im Zivilrecht auf die rechtserheblichen Versäumnisse seines Beauftragten in Fällen, in denen der positiven Kenntnis u.a. die grob fahrlässige Unkenntnis gleichsteht (sog. “Kennen müssen”).
Der Geschäftsherr soll auch in dieser Fallkonstellation keine (rechtlichen) Vorteile daraus ziehen, dass er einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut hat.
Diese Erwägung gilt gleichermaßen in Bezug auf die das Vertrauen schützende Regelung in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Auch insoweit besteht keine Veranlassung, denjenigen, der für sich durch einen Dritten handeln lässt, besser zu stellen als denjenigen, der selbst handelt.
Eine ausdrückliche Vollmachtserteilung des Klägers für die Zeugin, in seinem Namen Leistungen zu beantragen, liegt hier nicht vor. Eine Zurechnung des Verschuldens kommt allein aufgrund einer Duldungsvollmacht in Betracht.
Anmerkung vom Experten für Sozialrecht Detlef BrockSozialleistungsbetrug: Wer die Vollmacht nicht widerruft, haftet, so das Landessozialgericht Niedersachsen – Bremen Az. L 11 AS 330/22.
Zurechnung des Verschuldens eines Bevollmächtigten dem Vollmachtgeber bzgl. der nicht erfolgten Abmeldung der Familie aus dem Leistungsbezug.
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SPD-Mitglieder planen Aktionstag gegen Bürgergeld-Verschärfung
Der Widerstand gegen die sog. Neue Grundsicherung erreicht eine neue Phase. Innerhalb der SPD formiert sich offenbar wachsender Unmut gegen die geplanten Verschärfungen beim Bürgergeld. Nach dem Erreichen der ersten formalen Hürde bereiten die Initiatorinnen nun einen bundesweiten Aktionstag vor, um öffentlichen Druck zu erzeugen. Ziel ist es, deutlich zu machen, dass die Reform nicht nur parteiintern, sondern gesellschaftlich auf Ablehnung stößt.
Parteiinternes Bündnis stellt sich offen gegen den KursMehrere SPD-Politikerinnen aus unterschiedlichen Landesverbänden tragen den Protest gemeinsam. Sie weisen den Vorwurf zurück, es handele sich um eine Randposition, und verweisen auf breite Unterstützung aus der Parteibasis. Der Konflikt entwickelt sich damit zu einer Grundsatzfrage sozialdemokratischer Politik.
Die geplanten Verschärfungen werden von den Kritikern als “direkter Angriff auf den Sozialstaat” bewertet. Die Grundsicherung verliere ihren Charakter als Existenzschutz und werde zu einem Instrument des Drucks. Wer Leistungen kürzt, “gefährdet nicht abstrakte Zahlen, sondern die nackte Existenz von Menschen”.
Leistungskürzungen beim Bürgergeld bedeuten in der Praxis weniger Geld für Lebensmittel, Strom und Miete. Kritiker warnen, dass verschärfte Sanktionen Menschen systematisch in Hunger und Wohnungsverlust treiben können. Die Reform nehme diese Folgen bewusst in Kauf.
Besonders scharf fällt die Kritik aus, weil die Verschärfungen auch Menschen treffen, die krank, psychisch belastet oder anderweitig eingeschränkt sind. Sanktionen setzen voraus, dass alle Leistungsbezieher gleichermaßen handlungsfähig sind. Diese Annahme ignoriert die Realität vieler Betroffener und wirkt besonders grausam gegenüber Hilflosen.
Prominente Unterstützung aus Partei und ArbeitsgemeinschaftenZahlreiche bekannte Parteimitglieder und innerparteiliche Zusammenschlüsse unterstützen das Mitgliederbegehren. Tausende Unterschriften zeigen, dass die Kritik nicht vereinzelt bleibt. Der Widerstand gewinnt damit an politischem Gewicht.
Für ein erfolgreiches Mitgliederbegehren müssen innerhalb weniger Monate rund 70.000 SPD-Mitglieder zustimmen. Gleichzeitig schreitet das parlamentarische Verfahren voran. Die Gefahr besteht, dass die Reform beschlossen wird, bevor die innerparteiliche Entscheidung fällt.
Die Unterstützung ist ausschließlich digital möglich. Frühere technische Probleme haben den Prozess bereits erschwert und das Misstrauen verstärkt. Die Initiatorinnen hoffen nun auf einen reibungslosen Ablauf.
Parteiführung verteidigt Verschärfungen trotz KritikDie Parteispitze hält an der Reform fest und weist den innerparteilichen Widerstand zurück. Sie spricht von notwendigen Anpassungen und warnt vor falschen politischen Signalen. Der Bruch zwischen Führung und Basis vertieft sich damit weiter.
Was sich bei der Grundsicherung konkret verschärfen sollGeplant sind noch schnellere und noch härtere Sanktionen bei angeblichen Pflichtverletzungen. Leistungskürzungen sollen noch früher greifen und noch weniger Spielraum lassen. Kritiker sehen darin einen Anschlag auf das grundgesetzliche Prinzip der menschenwürdigen Existenzsicherung – also einen offenen Verfassungsbruch.
Breite Mobilisierung außerhalb der SPDDer Protest beschränkt sich längst nicht auf Parteikreise. Sozialverbände, Erwerbsloseninitiativen, Juristen sowie Sozial- und Arbeitsexperten warnen geschlossen vor den Folgen der Reform. Sie sehen grundlegende soziale und rechtliche Standards in Gefahr.
Wichtigster Kritikpunkt ist die Vorstellung, Druck führe automatisch zu Integration in Arbeit. Fachleute halten dem entgegen, dass Armut, Krankheit und fehlende Perspektiven nicht durch Sanktionen verschwinden. Die Reform setze auf Härte statt auf Hilfe.
Mit dem geplanten Aktionstag wollen die Initiatorinnen den Protest sichtbar machen. Sie setzen darauf, dass öffentlicher Druck Abgeordnete zum Umdenken bewegt. Der Widerstand richtet sich nicht nur gegen einzelne Regelungen, sondern gegen eine Politik, die soziale Härte normalisiert.
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Rente mit 63: Diese Jahrgänge können jetzt in die Rente gehen
„Rente mit 63“ klingt nach einer klaren Sache: 63. Geburtstag, Antrag stellen, Rente. Die Realität ist seit Jahren allerdings komplizierter, als manche Rentenberater behaupten. Wer heute wissen will, ob er „jetzt“ in die Rente gehen kann, muss zwei Fragen sauber trennen: Geht es um die abschlagsfreie Altersrente nach 45 Versicherungsjahren oder um einen Rentenbeginn ab 63 mit dauerhaften Abschlägen nach 35 Versicherungsjahren?
Warum die „Rente mit 63“ oft kein Rentenbeginn mit 63 mehr istAls die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte eingeführt wurde, konnten viele Versicherte tatsächlich mit 63 Jahren ohne Abzüge in den Ruhestand, sofern 45 Jahre an anrechenbaren Zeiten zusammenkamen. Inzwischen gilt das aber nur noch für sehr alte Jahrgänge. Für die Geburtsjahrgänge ab 1953 wird das frühestmögliche Alter Jahr für Jahr angehoben, bis für den Jahrgang 1964 und jünger ein einheitliches Mindestalter erreicht ist.
Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt darauf hin, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 “so nicht mehr existiert und der Jahrgang 1961 beispielsweise erst mit 64 Jahren und 6 Monaten abschlagsfrei über diese Rentenart in den Ruhestand kann”.
45 Jahre ohne Abschlag und 35 Jahre mit AbschlagDie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist die Variante, die nach 45 Versicherungsjahren früher und ohne Abschläge möglich ist. Sie kann nicht „noch früher“ gegen Abzüge vorgezogen werden; wer das Mindestalter nicht erreicht, hat über diese Rentenart schlicht keinen Anspruch.
Daneben steht die Altersrente für langjährig Versicherte. Dafür reichen 35 Versicherungsjahre. Sie kann weiterhin ab 63 begonnen werden, allerdings mit dauerhaften Abschlägen. Diese Abschläge sind nicht kosmetisch, sondern wirken lebenslang – und sie steigen, je weiter der persönliche Rentenbeginn vor dem regulären Rentenalter liegt.
Diese Jahrgänge können im Dezember 2025 abschlagsfrei früher in Rente gehenStand Dezember 2025 ist bei der abschlagsfreien Altersrente nach 45 Versicherungsjahren die Altersgrenze für die jüngeren Jahrgänge längst über 63 hinausgewachsen. Für die Jahrgänge rund um 1960 und 1961 ist entscheidend, ob das jeweils maßgebliche Mindestalter bereits erreicht wurde – und zwar nicht nur nach Jahrgang, sondern am Ende nach Geburtsmonat.
Für den Geburtsjahrgang 1960 liegt das Mindestalter bei 64 Jahren und 4 Monaten. Das bedeutet: Wer 1960 geboren ist und die 45 Jahre erfüllt, kann spätestens im Laufe des Jahres 2025 abschlagsfrei in diese Rentenart wechseln, weil auch die jüngsten 1960er (mit Geburtstag im Dezember) das erforderliche Alter bis Frühjahr 2025 erreichen.
Für den Geburtsjahrgang 1961 beträgt das Mindestalter 64 Jahre und 6 Monate. Damit verschiebt sich der mögliche Rentenbeginn für viele Betroffene in das zweite Halbjahr 2025 oder ins Jahr 2026.
Ein Beispiel zeigt dies: Wer im März 1961 geboren wurde, wird im September 2025 64 Jahre und 6 Monate alt und kann ab diesem Zeitpunkt – bei erfüllten 45 Jahren – in die abschlagsfreie Rente wechseln. Wer dagegen im November 1961 geboren ist, erreicht 64 Jahre und 6 Monate erst im Mai 2026.
Der nächste Jahrgang steht bereits vor der Tür: Für 1962 Geborene liegt die Altersgrenze bei 64 Jahren und 8 Monaten. Praktisch heißt das, dass die frühesten Rentenbeginne für 1962er ab Herbst 2026 möglich sind, abhängig vom Geburtsmonat.
Für 1963 Geborene sind es 64 Jahre und 10 Monate, für 1964 und jünger gilt für diese abschlagsfreie Frühform ein Mindestalter von 65 Jahren.
Was bei den 45 Jahren zählt – und was viele überraschtOb die 45 Jahre erreicht werden, ist die zweite große Hürde. „45 Jahre gearbeitet“ trifft als Faustformel oft zu, aber rechtlich wird die Wartezeit aus bestimmten rentenrechtlichen Zeiten gebildet.
Dazu gehören typischerweise Pflichtbeiträge aus Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit. Auch Minijobs können beitragen, wenn Beiträge gezahlt wurden, wobei die Konstellation des Minijobs darüber entscheidet, wie stark die Monate zählen. Zeiten der Kindererziehung und Berücksichtigungszeiten bis zum zehnten Geburtstag eines Kindes können ebenfalls einfließen, ebenso Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege sowie Wehr- und Zivildienst.
Ein häufiger Streitpunkt ist Arbeitslosigkeit. Grundsätzlich können Zeiten mit Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Allerdings greift kurz vor Rentenbeginn eine Sperre: Sozialleistungen der Agentur für Arbeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählen im Regelfall nicht mit.
Eine Ausnahme gibt es, wenn der Leistungsbezug durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurde. Das Bundessozialgericht hat diese gesetzliche Konstruktion in seiner Rechtsprechung und Öffentlichkeitsarbeit immer wieder hervorgehoben. Für Betroffene ist das deshalb heikel, weil eine vermeintlich „kleine“ Lücke am Ende die 45 Jahre reißen kann – und damit der ganze Plan „abschlagsfrei früher raus“ scheitert.
Überraschend ist auch, dass freiwillige Beiträge nicht automatisch die Wartezeit von 45 Jahren füllen. Sie werden nur mitgezählt, wenn mindestens 18 Jahre Pflichtbeiträge vorhanden sind. Umgekehrt zählen bestimmte Zeiten ausdrücklich nicht, etwa Pflichtbeiträge aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe.
Auch Zeiten aus Versorgungsausgleich nach Scheidung oder aus Rentensplitting werden für die 45 Jahre nicht berücksichtigt. Wer seinen Versicherungsverlauf länger nicht geprüft hat, sollte hier besonders sorgfältig hinschauen, weil Missverständnisse schnell teuer werden.
Wenn 63 trotzdem geht: Die Rente nach 35 Jahren und die lebenslangen AbschlägeFür viele Versicherte ist der rentennahe „Ausweg“ nicht die abschlagsfreie 45-Jahre-Rente, sondern die Altersrente für langjährig Versicherte nach 35 Jahren. Sie kann ab 63 begonnen werden – auch für jüngere Jahrgänge – aber dann greift der Abschlag: pro Monat, den der Rentenbeginn vorgezogen wird, werden 0,3 Prozent abgezogen, dauerhaft. Bei einem Vorziehen um vier Jahre sind das 48 Monate, also 14,4 Prozent weniger Rente.
Gerade im Jahr 2025 ist das für den Jahrgang 1962 relevant, weil diese Versicherten ihren 63. Geburtstag erreichen. Wer die 35 Jahre erfüllt und den Schritt erwägt, sollte nüchtern rechnen: Ein früherer Rentenbeginn kann finanziell passen, wenn gesundheitliche Gründe, fehlende Jobperspektiven oder familiäre Pflegeaufgaben eine Rolle spielen.
Er kann aber auch ein langfristiger Einkommensverzicht sein, der sich über Jahrzehnte auswirkt. Das gilt umso mehr, weil mit einem früheren Ausscheiden oft auch Beitragsjahre wegfallen, die die spätere Rente erhöht hätten.
Hinzuverdienst: Früher in Rente und trotzdem weiterarbeitenEin weiterer Punkt, der sich in vielen Gesprächen noch nicht herumgesprochen hat: Die Grenzen beim Hinzuverdienst wurden in den letzten Jahren deutlich gelockert.
Für vorgezogene Altersrenten gilt seit 1. Januar 2023, dass unabhängig von der Höhe des Hinzuverdienstes eine Altersrente in voller Höhe bezogen werden kann. In der Praxis eröffnet das neue Mischmodelle: Teilzeit weiterarbeiten, nebenbei Rente beziehen, den Übergang gleitender gestalten.
Gleichzeitig ist Vorsicht sinnvoll, weil steuerliche Effekte, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sowie die Frage, ob sich zusätzliche Beiträge noch rentensteigernd auswirken, im Einzelfall unterschiedlich ausfallen können.
So wird aus einem Rentenplan ein sauberer RentenbeginnDie wichtigste organisatorische Regel lautet: Keine Rente ohne Antrag. Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, den Rentenantrag etwa drei Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn zu stellen, damit es nicht zu Zahlungslücken kommt. Wer knapp plant, riskiert, dass Unterlagen fehlen oder Zeiten geklärt werden müssen – und dann verzögert sich der Start.
Mindestens ebenso wichtig ist die Kontenklärung.
Wer seinen Versicherungsverlauf prüft, findet nicht selten Lücken, unklare Ausbildungszeiten, fehlende Kindererziehungszeiten oder nicht zugeordnete Beschäftigungsabschnitte. Diese Themen lassen sich oft nachträglich klären, aber nicht immer ohne Aufwand. Je näher der Rentenbeginn rückt, desto weniger Zeit bleibt, Nachweise zu beschaffen. Für viele ist das kostenlose Beratungsangebot der Rentenversicherung der beste Schritt, bevor endgültige Entscheidungen fallen.
FazitWer im Dezember 2025 über „Rente mit 63“ nachdenkt, sollte sich nicht vom Schlagwort leiten lassen. Abschlagsfrei früher in Rente gehen können in dieser Phase vor allem Versicherte der Jahrgänge 1960 und – je nach Geburtsmonat – bereits Teile des Jahrgangs 1961, sofern die 45 Jahre anrechenbarer Zeiten erreicht sind.
Für viele andere ist der früheste Zugang ab 63 nur über die 35-Jahre-Rente möglich – dann allerdings mit lebenslangen Abschlägen. Die sichere Route führt über einen aktuellen Versicherungsverlauf, eine realistische Einschätzung der anrechenbaren Zeiten und eine rechtzeitige Antragstellung.
QuellenDeutsche Rentenversicherung, „Altersrenten für langjährig und besonders langjährig Versicherte“ (Anrechenbare Zeiten, Ausschlüsse, Abschläge, Hinzuverdienst, Antragsempfehlung).
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Rente: Fehler im Rentenbescheid – Bestandskräftig heißt nicht für immer
Ein Rentenbescheid wird bestandskräftig, wenn Widerspruchsfrist und Klagefrist vorbei sind. Damit ist der Bescheid aber nicht automatisch richtig.
Genau für diese Fälle gibt es den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X: Die Deutsche Rentenversicherung muss einen bestandskräftigen Bescheid erneut prüfen, wenn er von Anfang an rechtswidrig war – etwa weil Zeiten fehlten, falsch bewertet wurden oder die Berechnung auf einem unvollständigen Sachverhalt beruhte.
Der Antrag lohnt sich nicht, um „nochmal zu reden“, sondern wenn sich ein konkreter Fehler benennen und belegen lässt – und dadurch dauerhaft oder rückwirkend mehr Rente herauskommen kann.
Dann lohnt sich der Antrag trotz Bestandskraft besonders häufigEin Überprüfungsantrag hat in der Praxis hauptsächlich dann Substanz, wenn eine dieser Lagen vorliegt:
1) Im Versicherungsverlauf fehlen Zeiten – und genau das drückt die Rente bis heute
Fehlende oder falsch zugeordnete Zeiten sind der Klassiker, weil sie nicht nur eine Nachzahlung betreffen, sondern oft den monatlichen Betrag dauerhaft. Häufige Fehlerfelder sind Kindererziehung, Pflege, Schul-/Ausbildungszeiten, Krankengeld-/Reha-Zeiten, Arbeitslosigkeit, Minijobs bzw. Beschäftigungszeiten mit fehlenden Meldungen oder falsch erfassten Entgelten sowie Auslandszeiten.
Entscheidend ist der Kern: Die Zeit existierte damals, wurde aber im Bescheid nicht oder falsch verarbeitet. Dann war der Bescheid bereits bei Erlass rechtswidrig.
2) Es gibt neue Belege zu alten Tatsachen
Oft scheitert Rente nicht am Recht, sondern an Nachweisen. Tauchen später Unterlagen auf (Arbeitgeber-Bestätigungen, Zeugenerklärungen, Pflegekassenbestätigungen, Ausbildungsnachweise), kann § 44 SGB X die Tür wieder öffnen – weil der ursprüngliche Bescheid auf einem unvollständigen Sachverhalt beruhte.
3) Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler im Bescheid sind plausibel darstellbar
Auch wenn alle Zeiten im Verlauf stehen, kann die Berechnung falsch sein (falsche Bewertung, falscher Zugangsfaktor, falsche Anrechnung). Ein Überprüfungsantrag lohnt sich hier vor allem, wenn sich der Fehler anhand der Bescheidanlagen sauber „greifen“ lässt: Wo genau weicht die DRV vom korrekten Rechenweg ab, und welcher Mehrbetrag ergibt sich?
4) Sonderfall Rentenrecht: BVerfG oder ständige BSG-Rechtsprechung kippen die bisherige Praxis
Bei Renten gibt es zusätzlich eine rentenrechtliche Sonderregel, die relevant werden kann, wenn eine Vorschrift im Nachhinein durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde oder das Bundessozialgericht sie in ständiger Rechtsprechung anders auslegt als die Rentenversicherung. Das ist kein Alltagsfall, aber als Begründungsanker für eine Überprüfung wichtig, wenn genau solch ein Bruch in der Auslegung vorliegt.
Die entscheidende Grenze: Nachzahlung ist meist nur vier Kalenderjahre rückwirkend möglichDer größte Praxisfehler ist die falsche Erwartung, die DRV müsse „bis Rentenbeginn“ nachzahlen. Bei laufenden Geldleistungen wird die Rückwirkung in der Regel auf vier Jahre begrenzt, und zwar kalenderjährlich. Wer den Antrag früh stellt, sichert häufig ein zusätzliches Jahr im Rückwirkungsfenster.
Rechenbeispiel, das über Geld entscheidetGeht der Überprüfungsantrag noch im Jahr 2025 bei der DRV ein und führt zur Rücknahme, umfasst das rückwirkende Fenster typischerweise die Jahre ab 01.01.2021. Geht der Antrag erst 2026 ein, beginnt das Fenster typischerweise ab 01.01.2022. In Fällen mit spürbarer monatlicher Differenz kann ein verlorenes Kalenderjahr schnell vierstellige Beträge kosten.
Welche Unterlagen zwingend in den Antrag müssen – damit die DRV nicht abwinktFormell ist ein Überprüfungsantrag zwar nicht kompliziert. Praktisch scheitert er oft daran, dass die DRV keinen konkreten Angriffspunkt erkennt. Deshalb gehören in einen tragfähigen Antrag immer drei Bausteine:
Erstens: eindeutige Bescheid-Zuordnung. Versicherungsnummer, Datum des Rentenbescheids, idealerweise Geschäftszeichen. Ohne das landet der Antrag schnell in einer allgemeinen Prüfung ohne Fokus.
Zweitens: konkrete Fehlerbehauptung. Nicht „die Rente ist zu niedrig“, sondern „Zeit X fehlt / ist falsch bewertet / Entgelt Y ist nicht berücksichtigt / Berechnungspunkt Z weicht ab“.
Drittens: Belege genau zu diesem Fehler. Keine Diagnoselisten, keine Lebensgeschichten, sondern Nachweise, die die DRV unmittelbar in den Versicherungsverlauf oder die Berechnung einarbeiten kann.
Kurzformular, das in der Praxis funktioniertEs wird die Überprüfung des Rentenbescheids vom … nach § 44 SGB X beantragt. Der Bescheid ist rechtswidrig, weil … (konkret: fehlende Zeit/falsche Bewertung/Rechenfehler). Es wird um Neuberechnung und Erlass eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids gebeten. Belege: … (Anlage 1–…).
Belege: Welche Nachweise passen zu welchem Fehlerbild
Fehlende Beschäftigungszeiten / falsches Entgelt: Lohnabrechnungen, SV-Nachweise, Arbeitgeberbescheinigung, gegebenenfalls Zeugenerklärungen.
Kindererziehungszeiten/Zuordnung: Geburtsurkunde(n), Nachweise zum Haushalt/Erziehung, gegebenenfalls Erklärung zur Zuordnung.
Pflegezeiten: Bestätigung/Bescheide der Pflegekasse, Zeitraum-Nachweise, Angaben zur Pflegeperson.
Schule/Studium/Ausbildung: Schul-/Immatrikulationsbescheinigungen, Zeugnisse, Ausbildungsnachweise.
Krankengeld/Reha/Übergangsgeld/Arbeitslosigkeit: Bescheide der Krankenkasse/Agentur, Reha-Unterlagen mit Zeiträumen.
Auslandszeiten: Nachweise ausländischer Träger, Beschäftigungs-/Versicherungszeiten, Formularverkehr im jeweiligen Abkommen.
Typische Ablehnungsgründe – und wie sie vorab entschärft werdenDie DRV lehnt Überprüfungsanträge häufig mit dem Tenor ab, es liege kein konkreter Anhaltspunkt für Rechtswidrigkeit vor. Das passiert hauptsächlich bei Anträgen ohne präzisen Fehlerpunkt oder ohne belastbare Belege.
Ein zweiter Klassiker ist die Enttäuschung über die Rückwirkung: Selbst bei anerkanntem Fehler wird nicht automatisch alles nachgezahlt, wenn die vier Kalenderjahre überschritten sind.
FAQKann ein Überprüfungsantrag die Rente auch verschlechtern?
Theoretisch kann eine vollständige Prüfung auch Fehler zulasten des Versicherten finden. In der Rentenpraxis steht bei Anträgen auf Mehrleistung jedoch der geltend gemachte Fehler im Vordergrund; trotzdem sollte der Antrag nur mit sauberem, belegtem Angriffspunkt gestellt werden.
Gibt es für den Überprüfungsantrag eine Frist?
Der Antrag selbst ist nicht an eine klassische Monatsfrist gebunden. Die finanzielle Rückwirkung ist aber regelmäßig auf vier Kalenderjahre begrenzt.
Reicht es, „Neuberechnung“ zu verlangen?
Ein bloßer Neuberechnungswunsch ohne konkreten Fehlerpunkt ist häufig zu dünn. Erfolgsentscheidend ist die Kombination aus Fehlerbeschreibung und passenden Nachweisen.
Muss der Bescheid beigefügt werden?
Rechtlich nicht zwingend, praktisch dringend. Ohne Bescheidanlagen fehlt die Grundlage, um den Fehler schnell nachzuvollziehen.
Was ist, wenn nur Unterlagen fehlen, die DRV aber eigentlich hätte ermitteln können?
Auch dann kann § 44 SGB X greifen, wenn die Entscheidung auf einem unvollständigen Sachverhalt beruhte. Entscheidend bleibt, dass die fehlende Tatsache den Rentenanspruch tatsächlich verändert.
Spielt neue BSG-Rechtsprechung eine Rolle?
Bei Renten kann eine abweichende höchstrichterliche Auslegung in ständiger Rechtsprechung oder eine verfassungsgerichtliche Entscheidung in besonderen Konstellationen eine Überprüfung stützen.
Quellenübersicht
- Deutsche Rentenversicherung: rvRecht (Gemeinsame Rechtliche Anweisungen) zu § 44 SGB X.
- Deutsche Rentenversicherung: rvRecht zu § 100 SGB VI (u. a. Abs. 4 – Sonderregel bei BVerfG/ständiger BSG-Rechtsprechung).
- Deutsche Rentenversicherung: Expertenforum zur Vier-Jahres-Rückwirkung nach § 44 SGB X.
- Fachbeitrag zur Berechnung der Vier-Jahres-Rückwirkung nach § 44 Abs. 4 SGB X (Kalenderjahresprinzip).
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Jobcenter rechnet 75 Euro Stromzuschuss an das Bürgergeld an und scheitert
Als die Energiepreise stiegen, suchten viele Kommunen nach schnellen Entlastungen für ihre Einwohner. Die Stadt Kassel entschied sich 2022 für einen unkompliziertes Zuschuss: das „Einwohner-Energie-Geld“ (EEG). Pro Person wurden einmalig 75 Euro ausgezahlt, auf Antrag, ohne Rückzahlungspflicht und ausdrücklich als kurzfristige Hilfe gedacht.
Was als pragmatische Unterstützung begann, mündete für eine leistungsberechtigte Familie in einen Konflikt mit dem Jobcenter Kassel. Denn dort wurde die Zahlung als anrechenbares Einkommen bewertet – mit unmittelbarer Folge: Das Bürgergeld beziehungsweise damals noch Leistungen der Grundsicherung wurden gekürzt.
Warum das Jobcenter kürzteJobcenter prüfen bei Zuflüssen grundsätzlich, ob es sich sozialrechtlich um Einkommen handelt. In Kassel argumentierte die Behörde, das EEG diene im Ergebnis demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II, also der Sicherung des Lebensunterhalts. Deshalb müsse die Einmalzahlung die staatliche Leistung mindern.
Die betroffene Familie hielt dagegen, dass es sich um eine zweckbezogene kommunale Entlastung handele, die gerade nicht dazu gedacht sei, die Grundsicherung zu ersetzen. In der ersten Instanz blieb sie vor dem Sozialgericht Kassel ohne Erfolg. Erst die Berufung brachte die Wende.
Das Urteil aus Darmstadt: Kleine Einmalzahlungen sind nicht automatisch EinkommenDas Hessische Landessozialgericht hob die Kürzung auf und stellte klar, dass das Kasseler EEG im konkreten Fall nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Dabei stellte das Gericht auf zwei Gesichtspunkte ab, die für die Praxis entscheidend sind.
Zum einen betonte es den Charakter der Leistung als Zuwendung, auf die rechtlich keine Verpflichtung bestand. Die Stadt habe freiwillig gehandelt und die Zahlung breit an die Bevölkerung gerichtet. Zum anderen ging es um die tatsächliche Wirkung auf die finanzielle Lage: Eine Einmalzahlung darf die Grundsicherung nicht schon deshalb mindern, weil sie irgendwo im Alltag „hilft“. Maßgeblich ist, ob sie die Lage so verbessert, dass staatliche Leistungen daneben nicht mehr gerechtfertigt wären.
Als Richtschnur nennt das Gericht eine Schwelle von zehn Prozent des jeweiligen Regelbedarfs. Wenn eine Einmalzahlung über mehrere Monate entlasten soll, ist sie gedanklich auf diesen Zeitraum aufzuteilen. Selbst bei einer Verteilung allein auf das Winterquartal 2022 blieb das EEG nach Auffassung des Gerichts unter dieser Grenze. Die Konsequenz: Die Zahlung blieb „on top“, eine Kürzung war unzulässig.
Bemerkenswert ist die Nuance, dass das Gericht die Anrechnung nicht als „grob unbillig“ bewertete, weil das Jobcenter gestiegene Heizkosten übernommen habe und höhere Regelsätze seit 2023 auch Strompreissteigerungen abfedern sollten. Entscheidend war am Ende dennoch die geringe Höhe des Zuschusses im Verhältnis zum Regelbedarf und damit seine begrenzte Bedeutung für die wirtschaftliche Gesamtlage.
Was das für Betroffene bedeutetDas Urteil stärkt Leistungsberechtigte überall dort, wo Kommunen oder andere Stellen mit kleinen, einmaligen Entlastungen auf Krisen reagieren. Die Entscheidung macht deutlich, dass ein pauschaler Reflex „Zufluss gleich Einkommen“ nicht trägt, wenn der Betrag im Verhältnis zum Existenzsicherungsniveau schlicht zu gering ist, um eine echte Verbesserung zu begründen.
Gleichzeitig setzt das Gericht keine Blanko-Regel für jede Sonderzahlung. Je nach Ausgestaltung, Zweck und Höhe kann eine Zuwendung anders zu bewerten sein. Die Botschaft lautet daher weniger „Alles bleibt anrechnungsfrei“, sondern: Bei kleinen Beträgen und klarer Krisenentlastung sind Kürzungen rechtlich angreifbar, wenn die Zahlung die Lage nicht spürbar verändert.
Revision: Warum der Fall noch nicht endgültig entschieden istMit der Berufungsentscheidung ist die Rechtsfrage nicht abschließend geklärt. Das Verfahren ist beim Bundessozialgericht anhängig. Dort geht es grundsätzlich darum, ob einmalige kommunale Energiekostenzuschüsse wie das Kasseler EEG als Einkommen im Sinne des SGB II zu behandeln sind. Eine Entscheidung hätte Signalwirkung über den Einzelfall hinaus, weil sie Maßstäbe für ähnliche Programme anderer Städte setzen könnte.
QuellenPressemitteilung des Hessischen Landessozialgerichts (15.08.2024) zum Urteil „Einwohner-Energie-Geld ‘on top’“ und zur Zehn-Prozent-Orientierung.
Sozialgerichtsbarkeit Hessen
Bundessozialgericht, anhängige Rechtsfrage zum Verfahren B 4 AS 26/24 R (Einwohner-Energie-Geld Kassel als Einkommen nach § 11 SGB II).
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Schwerbehinderung: Anspruch auf sensomotorische Einlagen durchgesetzt
Ein Fall vor dem Bundessozialgericht zeigt, wann Sie Anspruch auf ein Hilfsmittel haben und woran dieser Anspruch scheitern kann. Es zeigt aber auch, welche Fehler Schwerbehinderte vermeiden können, um das entsprechende Hilfsmittel zu erhalten.
Eine schwerbehinderte Frau beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für propriozeptive bzw. sensomotorische Einlagen. Diese sollten Schmerzen lindern, die Stand- und Gangsicherheit verbessern und so die Teilhabe am Alltag ermöglichen. Die Kasse lehnte ab – der Fall ging bis vor das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 12.06.2025, B 3 KR 12/23 R).
Warum die Krankenkasse nicht zahlen wollteDie Krankenkasse argumentierte, dass es sich bei den beantragten Einlagen nicht um ein anerkanntes Hilfsmittel, sondern um eine besondere therapeutische Methode handele. Für diese fehle ein ausreichender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis, wie ihn das Sozialgesetzbuch verlangt. Zudem seien herkömmliche orthopädische Einlagen bereits bewilligt worden.
Schwere gesundheitliche Einschränkungen im AlltagDie Betroffene leidet seit Jahren unter einer schweren neurologischen und orthopädischen Beeinträchtigung, die ihre Gehfähigkeit massiv einschränkt. Bereits kurze Wege führten zu starken Schmerzen, Unsicherheit beim Stehen und einem hohen Sturzrisiko, wodurch sie im Alltag ständig auf Unterstützung angewiesen war.
Warum Standardhilfsmittel nicht ausreichtenHerkömmliche orthopädische Einlagen halfen ihr nach eigener Darstellung kaum, weil sie lediglich stützten, aber keine aktive Rückmeldung an Muskeln und Nervensystem gaben. Die sensomotorischen Einlagen sollten genau hier ansetzen: Sie sollten durch gezielte Reize die Muskelspannung regulieren und so das Gehen stabilisieren.
Teilhabe statt KomfortNach Angaben der Klägerin hätte sich mit diesen Einlagen ihre Mobilität spürbar verbessert, was ihr mehr Selbstständigkeit ermöglicht hätte – etwa beim Einkaufen oder bei Arztbesuchen. Für sie stand deshalb nicht Bequemlichkeit, sondern die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Mittelpunkt ihres Antrags.
Die Entscheidung des GerichtsDas BSG folgte der Krankenkasse und versagte die Kostenübernahme. Die Richter stellten klar: Die gesetzliche Krankenversicherung schuldet nur Hilfsmittel, die unmittelbar einen Behinderungsausgleich bewirken oder eine anerkannte medizinische Funktion erfüllen. Im konkreten Fall sah das Gericht die Einlagen eher als Behandlungsmethode, denn als klassisches Hilfsmittel.
Wo die Klägerin scheiterteAusschlaggebend war, dass keine belastbaren Studien vorlagen, die den Nutzen der sensomotorischen Einlagen eindeutig belegten. Außerdem konnte nicht nachgewiesen werden, dass die beantragten Einlagen über das hinausgingen, was bereits mit Standardhilfsmitteln erreichbar war. Damit fehlte die rechtliche Grundlage für eine Kostenübernahme.
Wann ein Anspruch bestanden hätteEin Anspruch hätte bestanden, wenn die Einlagen als anerkanntes Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V gegolten hätten. Das wäre etwa der Fall gewesen, wenn sie nachweislich und unmittelbar eine Körperfunktion ausgeglichen hätten – oder wenn der Gemeinsame Bundesausschuss ihren Nutzen als medizinisch anerkannt bewertet hätte. Auch eine eindeutige ärztliche Begründung, warum Standardhilfsmittel nicht ausreichen, hätte die Chancen erhöht.
Hilfsmittel beantragen – Darauf müssen Sie achtenGerade bei Hilfsmitteln, die die gesetzliche Krankenkasse nicht listet, kann die ärztliche Begründung den Ausschlag geben, ob die Versicherung die Kosten trägt. Ein bloßes Rezept reicht allerdings in der Regel nicht aus, um einen Anspruch durchzusetzen. Wichtig für den Antrag ist eine ausführliche ärztliche Begründung, aus der klar hervorgeht, welche konkreten Funktionsausfälle bestehen und warum genau dieses Hilfsmittel notwendig ist.
Abgrenzung zur Therapie klar darstellenBetroffene sollten darauf achten, dass das beantragte Hilfsmittel nicht als Behandlungsmethode, sondern als unmittelbarer Behinderungsausgleich dargestellt wird. Je stärker der Fokus auf Alltag, Mobilität und Selbstständigkeit liegt, desto größer sind die Erfolgsaussichten.
Standardhilfsmittel vorher prüfenKrankenkassen verlangen regelmäßig, dass zunächst einfachere oder günstigere Standardhilfsmittel ausprobiert werden. Wer darlegen kann, dass diese im konkreten Fall nicht ausreichen oder ungeeignet sind, verbessert seine rechtliche Position erheblich.
Gutachten und Unterlagen vollständig einreichenAlle medizinischen Unterlagen, Befunde und Stellungnahmen sollten von Anfang an vollständig eingereicht werden. Nachträgliche Ergänzungen sind zwar möglich, verzögern das Verfahren aber häufig oder schwächen die Argumentation.
Widerspruchsfristen einhaltenWird der Antrag abgelehnt, bleibt nur wenig Zeit: Der Widerspruch muss in der Regel innerhalb eines Monats eingelegt werden. Wer diese Frist versäumt, verliert oft die Chance auf eine gerichtliche Überprüfung.
Alternative Kostenträger prüfenWenn die Krankenkasse nicht zuständig ist, kann unter Umständen die Eingliederungshilfe nach SGB IX oder ein anderer Leistungsträger einspringen. Gerade bei Hilfsmitteln zur Teilhabe lohnt sich dieser zusätzliche Blick.
Die Grenze zwischen Hilfsmittel und TherapieDas Urteil zeigt eine Linie der Sozialgerichte: Hilfsmittel ja – neue oder umstrittene Therapien nein. Für Betroffene ist diese Abgrenzung oft schwer nachvollziehbar, entscheidet aber darüber, ob die Kasse zahlt oder nicht. Genau hier verlieren viele Verfahren vor Gericht.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu HilfsmittelnWas gilt rechtlich als Hilfsmittel?
Ein Hilfsmittel gleicht eine Behinderung unmittelbar aus oder mildert ihre Folgen, ohne primär therapeutisch zu wirken.
Muss die Wirksamkeit bewiesen sein?
Ja. Die Krankenkasse darf eine Kostenübernahme ablehnen, wenn der medizinische Nutzen nicht wissenschaftlich anerkannt ist.
Reicht ein ärztliches Rezept aus?
Nein. Ein Rezept ist wichtig, ersetzt aber nicht den Nachweis, dass es sich um ein notwendiges Hilfsmittel handelt.
Was kann ich bei Ablehnung tun?
Widerspruch einlegen, ärztliche Begründungen nachreichen und prüfen lassen, ob andere Rechtsgrundlagen – etwa die Eingliederungshilfe – greifen.
Das Urteil macht deutlich, wie streng Gerichte beim Anspruch auf Hilfsmittel sind. Schwerbehinderung allein reicht nicht, entscheidend ist die rechtliche Einordnung des beantragten Produkts. Wer Hilfsmittel durchsetzen will, braucht klare medizinische Nachweise, eine saubere Abgrenzung zur Therapie – und im Zweifel einen langen Atem.
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Krankenkasse wegen Krankengeld am Telefon: Vorsicht vor dieser Fangfrage
Wenn Krankengeld läuft, klingelt bei vielen Versicherten irgendwann das Telefon: Die Krankenkasse meldet sich, der Ton ist freundlich, der Anlass wirkt harmlos. Genau hier liegt das Risiko. Telefonate sind schwer beweisbar, Aussagen rutschen schnell in Selbsteinschätzungen oder Prognosen – und beides kann später als Hinweis auf Belastbarkeit interpretiert werden. Krankengeld-Bezieher sollten vor allem bei Fangfragen richtig reagieren, da sonst der Anspruch gefährdet sein könnte.
Warum die Krankenkasse anruft – und was dahinterstecken kannKontakt kann zwei unterschiedliche Hintergründe haben. Einerseits gibt es Beratungs- oder Unterstützungsangebote rund um Reha, Wiedereingliederung oder organisatorische Abläufe. Solche Angebote können sinnvoll sein, sind aber grundsätzlich freiwillig; aus einer Ablehnung oder aus dem Wunsch nach ausschließlich schriftlicher Kommunikation dürfen keine Nachteile „konstruiert“ werden.
Andererseits gibt es die formelle Leistungsbearbeitung: Die Kasse prüft, ob die Voraussetzungen für Krankengeld weiter vorliegen und ob Unterlagen vollständig sind.
Diese Prüfung ist legitim – sie muss aber zweckgebunden, nachvollziehbar und dokumentierbar erfolgen. Wenn die Kasse Informationen benötigt, ist der rechtssichere Weg eine konkrete, schriftliche Anforderung mit Zweck, Rechtsgrundlage und Frist.
Anruf ist nicht gleich Datenerhebung: wo die Grenze verläuftEin Anruf als Kontaktaufnahme ist nicht automatisch problematisch. Kritisch wird es, wenn das Gespräch in eine Abfrage sensibler Informationen kippt, etwa Diagnose, Medikation, Befunde, Therapieinhalte oder eine eigene Einschätzung, ob und wann wieder gearbeitet werden kann.
Solche Inhalte gehören nicht in ein spontanes Telefonat. Wenn überhaupt etwas am Telefon geklärt werden soll, dann nur eng begrenzt und ohne Gesundheitsdetails – und nur, wenn klar ist, was erfasst und wie es dokumentiert wird.
Was mitgeteilt werden muss: erforderliche Fakten statt KrankengeschichteBeim Krankengeld zählen primär formale und zeitliche Tatsachen, nicht die Erzählung der Erkrankung. Erforderlich sind typischerweise Nachweise und Fakten, die den Anspruch unmittelbar betreffen: AU-Zeiträume und deren Fortbestehen, Krankenhaus- oder Reha-Zeiten, sowie die tatsächliche Wiederaufnahme der Arbeit.
Auch Angaben zum Versicherungs- und Beschäftigungsverhältnis können relevant sein, soweit sie Berechnung und Anspruch betreffen.
Nicht erforderlich – und telefonisch besonders riskant – sind detaillierte medizinische Angaben wie Diagnose, Medikamente, konkrete Befunde oder Therapieschritte. Wenn medizinische Klärung notwendig wird, ist dafür das vorgesehene Verfahren da; dort werden Daten gezielt und nur im erforderlichen Umfang verarbeitet.
Die typischen Fallen: „Freundlich“ heißt nicht „harmlos“Problematische Gespräche beginnen selten mit Druck, sondern mit Einladungen zur Selbsteinschätzung. „Wie geht es heute?“ oder „Könnte es nächste Woche wieder gehen?“ klingt unverbindlich, schiebt aber die Verantwortung auf spontane Aussagen.
Wer in solchen Momenten aus Höflichkeit „Besser“ sagt, liefert eine verwertbare Kurzformel ohne Kontext. Ähnlich heikel sind Fragen, die private Umstände ausleuchten. Auch hier gilt: Wenn die Kasse etwas für anspruchsrelevant hält, soll sie es schriftlich konkretisieren – nicht im Small Talk abfragen.
Sichere Reaktion in der Praxis: Kontrolle zurückholen, ohne zu eskalierenDer wichtigste Schritt ist, Tempo herauszunehmen und die Kommunikation auf einen überprüfbaren Kanal zu lenken. Ein Rückruf über die offizielle Nummer der Krankenkasse (nicht über eine im Gespräch genannte Durchwahl) klärt Identität und verhindert Überrumpelung. Danach ist eine klare Linie sinnvoll: keine medizinischen Details am Telefon, keine Prognosen, schriftliche Kommunikation.
Ein Satz genügt oft: „Bitte senden Sie mir Ihr Anliegen schriftlich mit Zweck und Rechtsgrundlage. Zu medizinischen Details mache ich keine telefonischen Angaben. Maßgeblich ist die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit.“
Wichtig ist außerdem die Dokumentation. Ein kurzes eigenes Gesprächsprotokoll mit Datum, Uhrzeit, Name/Funktion und Kernaussagen schützt vor späteren Verdrehungen.
Wenn im Telefonat Angaben aufgenommen wurden, kann zusätzlich verlangt werden, dass die Kasse eine schriftliche Gesprächsnotiz bzw. das Protokoll übermittelt oder die erfassten Angaben bestätigt.
Was passiert, wenn am Telefon gar nicht reagiert wird?Die Angst, das Nicht-Abheben könne sofort Krankengeld kosten, ist in dieser Pauschalität unbegründet. Rechtsfolgen wegen fehlender Mitwirkung setzen regelmäßig voraus, dass die Mitwirkung konkret schriftlich verlangt wird, eine Frist gesetzt wird und auf mögliche Folgen hingewiesen wird.
Ein Telefonat ersetzt diese Verfahrensschritte nicht. Das praktische Risiko entsteht erst dann, wenn formelle Schreiben ignoriert werden, die nachvollziehbar erklären, welche Unterlagen für die Entscheidung benötigt werden.
Datenschutz und Akte: Wissen, was gespeichert istGesundheitsdaten sind besonders geschützt und dürfen nur zweckgebunden und in dem Umfang verarbeitet werden, der für den Leistungszweck erforderlich ist. Wer den Eindruck hat, dass zu viel gefragt wird, sollte Einwilligungen zum Telefonkontakt prüfen, schriftliche Kommunikation festlegen, Telefonate protokollieren und bei Bedarf den Datenschutzbeauftragten der Krankenkasse einschalten.
Zusätzlich ist es in Konfliktfällen sinnvoll, Auskunft darüber zu verlangen, welche Daten und Gesprächsvermerke in der Akte gespeichert wurden, um unklare oder missverständliche Notizen frühzeitig zu korrigieren.
Tabelle: Häufige Fragen im Telefonat – und sichere Antworten ohne Selbstsabotage Typische Frage/Strategie Sichere, knappe Antwort „Wie geht es heute? Das klingt besser.“ „Zum Gesundheitszustand gibt es keine telefonischen Auskünfte. Maßgeblich ist die ärztliche Feststellung.“ „Wann geht es wieder arbeiten? Nächste Woche?“ „Prognosen gebe ich telefonisch nicht ab. Änderungen ergeben sich aus ärztlichen Unterlagen.“ „Was genau liegt vor?“ „Medizinische Details bleiben vertraulich. Bitte schriftlich konkretisieren mit Zweck und Rechtsgrundlage.“ „Welche Medikamente? Welche Behandlung?“ „Zu Therapie- und Medikationsfragen mache ich keine telefonischen Angaben.“ „Dann notiere ich, dass es aufwärts geht.“ „Bitte keine Interpretationen aufnehmen. Es gilt die ärztliche Feststellung.“ „Nur kurz: Waren Sie unterwegs?“ „Private Umstände bespreche ich nicht telefonisch. Falls erforderlich, bitte schriftlich konkretisieren.“ FazitKrankengeld ist eine Anspruchsleistung mit klaren Verfahrensregeln – und genau diese Regeln sind der beste Schutz. Wer Telefonate auf Identitätsprüfung und Kanalsteuerung reduziert, medizinische Inhalte ausklammert, keine Prognosen abgibt, schriftliche Anforderungen verlangt und die Aktenlage im Blick behält, minimiert das Risiko, dass aus einem „freundlichen Gespräch“ ein belastender Aktenvermerk wird.
FAQMuss am Telefon geantwortet werden?
Eine allgemeine Pflicht, am Telefon Auskunft zu geben, besteht nicht. Der sichere Standard ist schriftliche Kommunikation, insbesondere bei sensiblen Inhalten.
Welche Angaben sind wirklich notwendig?
Erforderlich sind vor allem Nachweise und Tatsachen zum Anspruch: AU-Zeiträume, Reha/Stationärzeiten, tatsächliche Arbeitsaufnahme sowie berechnungsrelevante Daten zum Versicherungs- und Beschäftigungsverhältnis.
Dürfen Diagnose und Medikation abgefragt werden?
Detaillierte medizinische Angaben gehören regelmäßig nicht in ein Telefonat mit der Sachbearbeitung. Medizinische Klärung erfolgt über vorgesehene Verfahren und nur im erforderlichen Umfang.
Kann Krankengeld wegen „Nichtmitwirkung“ gestoppt werden, wenn Telefonate ignoriert werden?
Rechtsfolgen wegen fehlender Mitwirkung setzen regelmäßig ein formelles, schriftliches Vorgehen voraus (konkrete Anforderung, Frist, Hinweis auf Folgen). Telefonisches Schweigen ersetzt diese Schritte nicht.
Was ist der beste Sofortsatz, um Kontrolle herzustellen?
„Bitte schriftlich mit Zweck und Rechtsgrundlage. Zu medizinischen Details mache ich keine telefonischen Angaben. Maßgeblich ist die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit.“
Quellenübersicht
- Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS): Hinweise/Rundschreiben zum Krankengeld-Fallmanagement und zur Freiwilligkeit der Beratung nach § 44 Abs. 4 SGB V
- Verbraucherzentrale Hamburg: Hinweise zu telefonischen Nachfragen der Krankenkasse beim Krankengeld und zur Einwilligung/Protokollierung
- Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI): Informationen zur Datenverarbeitung durch Krankenkassen,
- Zweckbindung/Begrenzung nach § 284 SGB V
- Sozialgesetzbuch I: § 66 (Versagung/Entziehung wegen fehlender Mitwirkung)
- Sozialgesetzbuch V: § 44 (Krankengeld) sowie Regelungen zur Einbindung des Medizinischen Dienstes
Der Beitrag Krankenkasse wegen Krankengeld am Telefon: Vorsicht vor dieser Fangfrage erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Die 8-Stunden-Falle im Pflegegeld senkt den Anspruch
Wer zu Hause pflegt, rechnet oft in Tagen. Wie viele Tage Verhinderungspflege sind noch übrig, wie viele Wochen Entlastung lassen sich im Kalender unterbringen, wo liegt die nächste Auszeit. Genau diese Denkweise führt in der Praxis jedoch immer wieder in Konflikte mit der Pflegekasse – und nicht selten auch in Streit in der Familie.
Denn die Verhinderungspflege wird zwar umgangssprachlich häufig als „Tage-Leistung“ betrachtet, tatsächlich ist sie vor allem eine Budget-Leistung: Entscheidend ist, wie viel Geld aus dem Jahresbetrag bereits verbraucht wurde. Der Blick auf die verbleibenden „Tage“ kann ein trügerisches Sicherheitsgefühl erzeugen.
Die Ursache liegt in einer Regel, die simpel klingt, aber weitreichende Folgen hat: die Unterscheidung zwischen stundenweiser und tageweiser Ersatzpflege anhand der Acht-Stunden-Grenze. Sie beeinflusst nicht nur, wie die Pflegekasse die Inanspruchnahme auf die zeitliche Höchstdauer anrechnet, sondern auch, wie das Pflegegeld in dieser Zeit weiterläuft.
Wer das nicht sauber auseinanderhält, riskiert, dass das Budget im Laufe des Jahres leise verschwindet, während die „Tage“ auf dem Papier kaum weniger werden.
Was als stundenweise Ersatzpflege gilt – und warum die Acht-Stunden-Marke so viel auslöstIn der Verhinderungspflege geht es darum, eine private Hauptpflegeperson zu entlasten, wenn sie vorübergehend ausfällt – etwa wegen Urlaub, Krankheit, dringender Termine oder schlicht, weil die Belastung eine Pause verlangt. Diese Entlastung kann durch einen ambulanten Dienst, eine Einzelpflegekraft, Freunde, Nachbarn oder Angehörige übernommen werden.
Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 ist Verhinderungspflege grundsätzlich vorgesehen; bei Pflegegrad 1 gibt es keinen Anspruch, dort kommen andere Instrumente wie der Entlastungsbetrag in Betracht.
Die Praxis dreht sich häufig um kurze Einsätze: jemand übernimmt zwei Stunden am Nachmittag, ein Dienst kommt für drei Besuche, eine Betreuungskraft ermöglicht den Arzttermin der Pflegeperson.
Solche Einsätze werden dann als stundenweise Verhinderungspflege behandelt, wenn die Hauptpflegeperson an einem Kalendertag weniger als acht Stunden verhindert ist.
Das wirkt zunächst wie eine Formalität, ist aber die Tür zu einer besonderen Logik: Bei stundenweiser Verhinderungspflege wird zwar Geld aus dem Jahresbudget eingesetzt, die Inanspruchnahme wird jedoch nicht als „Tag“ auf die zeitliche Höchstdauer gerechnet. Anders gesagt: Das Konto wird belastet, die Tagezählung bleibt oft unangetastet.
Sobald die Hauptpflegeperson an einem Tag mindestens acht Stunden ausfällt, spricht man praktisch von tageweiser Verhinderungspflege. Dann wird die Nutzung auf die zeitliche Höchstdauer angerechnet.
Seit den Reformen, die zum 1. Juli 2025 umgesetzt wurden, ist diese Höchstdauer im Regelfall auf bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr angehoben worden. In vielen Köpfen hat sich allerdings weiterhin das alte Raster aus „sechs Wochen“ festgesetzt – ein weiteres Detail, das den Überblick erschwert, wenn mit veralteten Annahmen geplant wird.
Pflegegeld: Voll, halb oder ausnahmsweise ganzDie zweite Ebene der Acht-Stunden-Falle betrifft das Pflegegeld. Viele Familien verlassen sich darauf, dass das Pflegegeld „einfach weiterläuft“. Das stimmt in dieser Pauschalität nicht. Bei tageweiser Verhinderungspflege wird das Pflegegeld für die betreffenden Tage typischerweise nur zur Hälfte weitergezahlt.
Das ist für Haushalte, die das Pflegegeld fest für laufende Kosten eingeplant haben, ein spürbarer Effekt. Er wird häufig erst bemerkt, wenn die Abrechnung da ist oder wenn im Folgemonat die Überweisung niedriger ausfällt.
Bei stundenweiser Verhinderungspflege, also bei einer Verhinderung von weniger als acht Stunden am Tag, bleibt das Pflegegeld in der Regel ungekürzt. Das ist auf den ersten Blick ein Vorteil. Es ist aber zugleich ein Grund, weshalb stundenweise Einsätze so oft genutzt werden: Sie sind alltagsnah, sie lassen sich flexibel einbauen, und sie wirken finanziell weniger einschneidend. Genau diese Attraktivität erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass über viele kleine Einsätze hinweg das Jahresbudget schneller verbraucht wird, als es die „Tage“ vermuten lassen.
Hinzu kommt eine Ausnahme, die häufig übersehen wird und bei mehrtägigen Zeiträumen eine Rolle spielt: In der Praxis wird das Pflegegeld am ersten und am letzten Tag einer Verhinderungspflege-Phase vielfach in voller Höhe gezahlt, während es dazwischen hälftig läuft. Wer nur die Grundregel „tageweise gleich halbes Pflegegeld“ im Kopf hat, versteht sonst später die Abrechnungslogik nicht – und interpretiert Abweichungen als Fehler.
Der gemeinsame Jahresbetrag: Seit 2025 ein Topf für zwei LeistungenSeit dem 1. Juli 2025 gilt für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege ein gemeinsamer Jahresbetrag. Damit wurde ein System abgelöst, in dem beide Leistungen getrennte Budgets hatten und Übertragungen nur unter bestimmten Bedingungen möglich waren. Für die Praxis bedeutet das: Es gibt einen Gesamtbetrag, der flexibel entweder für Verhinderungspflege oder für Kurzzeitpflege eingesetzt werden kann – je nachdem, was die Situation erfordert.
Für das Kalenderjahr 2026 ist diese Änderung besonders wichtig, weil 2026 das erste volle Jahr ist, in dem dieser gemeinsame Jahresbetrag ohne Übergangskonstellationen über zwölf Monate verfügbar ist. Das macht die Jahresplanung einerseits leichter, weil weniger umgewidmet und umgerechnet werden muss.
Es verschärft andererseits den Budgetfokus: Wer etwa nach einem Krankenhausaufenthalt Kurzzeitpflege nutzt, reduziert damit automatisch den finanziellen Spielraum für spätere Verhinderungspflege – und umgekehrt.
Die öffentliche Kommunikation rund um die Reform betont zwar Vereinfachung und Flexibilität. In der Realität bleibt aber eine Aufgabe unverändert: Familien müssen wissen, wie viel aus dem Topf bereits abgerechnet wurde. Wer nur „Tage“ oder „Wochen“ betrachtet, sieht eine wichtige Kennzahl nicht, nämlich den fortlaufenden Geldabfluss.
Warum stundenweise Einsätze das Konto schneller leeren als erwartetDie Acht-Stunden-Falle zeigt sich besonders deutlich in typischen Alltagsmustern. Viele Angehörige organisieren Entlastung nicht als zwei Wochen am Stück, sondern als regelmäßige kurze Auszeiten: ein freier Vormittag pro Woche, zwei Nachmittage im Monat, zusätzliche Unterstützung, wenn Termine anstehen. Jeder einzelne Einsatz wirkt überschaubar, und weil keine „Tage“ angerechnet werden, entsteht leicht das Gefühl, man habe noch reichlich Reserve.
Finanziell kann diese Reserve trotzdem rasch verschwinden. Professionelle Einsätze werden häufig nach Stunden oder Leistungskomplexen abgerechnet, und je nach Region und Anbieter summieren sich die Beträge schnell. Das Jahresbudget ist dann irgendwann ausgeschöpft, obwohl im zeitlichen Raster noch fast alles offen scheint.
Der Konflikt folgt häufig in zwei Stufen: Zuerst wird die Verfügbarkeit des Budgets überschätzt, später wird die Entlastung plötzlich teurer oder muss privat finanziert werden. In angespannten Pflegesituationen ist genau dieser Bruch ein Risiko, weil er Organisation und Belastung zugleich verschärft.
Die Falle wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass Abrechnungen nicht immer unmittelbar sichtbar werden. Manche Familien reichen Belege gesammelt ein, manche Dienste rechnen zeitverzögert ab.
Wer sein Budget nur aus dem Bauchgefühl heraus verfolgt, bekommt die Entwicklung erst spät zu fassen. Gerade weil die zeitliche Höchstdauer bei stundenweiser Nutzung nicht „mitläuft“, fehlt ein intuitiver Warnhinweis. Das System signalisiert keinen Verbrauch in „Tagen“, obwohl das Geld längst fließt.
Stolperstellen bei der Abrechnung: Dokumentation, Angehörige, NachweiseEin weiterer Aspekt, der die Verwirrung verstärkt, ist die Abrechnungspraxis – vor allem dann, wenn nicht ein Pflegedienst, sondern eine Privatperson einspringt. Grundsätzlich gilt: Erstattet werden nachgewiesene, notwendige Kosten der Ersatzpflege.
In der Praxis heißt das: Es braucht Belege, nachvollziehbare Zeitangaben und eine klare Zuordnung zu den Tagen und Stunden, an denen die Hauptpflegeperson verhindert war. Bei stundenweiser Verhinderungspflege wird häufig ein Stundennachweis verlangt, damit die Acht-Stunden-Grenze geprüft werden kann.
Besonders sensibel wird es, wenn nahe Angehörige die Ersatzpflege übernehmen. Dann ist die Erstattung nach gängiger Praxis in der Regel begrenzt, häufig orientiert sie sich am Pflegegeld und fällt deutlich niedriger aus als bei professionellen Anbietern. Bestimmte Auslagen wie Fahrtkosten oder Verdienstausfall können zwar zusätzlich erstattungsfähig sein, müssen aber belegt werden. Ohne saubere Dokumentation führt das schnell zu Kürzungen oder Rückfragen – und damit zu Frust auf allen Seiten.
Auch die zeitliche Einordnung kann in der Realität schwieriger sein als im Erklärtext. Relevant ist nicht, wie lang „jemand da war“, sondern wie lange die Hauptpflegeperson am jeweiligen Kalendertag tatsächlich verhindert war. Wer beispielsweise am Abend ausfällt und am nächsten Morgen ebenfalls, kann in eine Konstellation geraten, in der auf zwei Kalendertage verteilt abgerechnet wird.
Solche Details sind selten der Grund für große Summen, sie sind aber häufig der Grund für Missverständnisse, wenn sich Familien und Pflegekasse über die Einordnung als stundenweise oder tageweise streiten.
2026 rückt eine neue Frist ins BlickfeldZur Budget- und Zeitlogik kommt ab 2026 ein weiterer Faktor hinzu, der Planung und Ordnung wichtiger macht: Für die Kostenerstattung der Verhinderungspflege gelten nach aktuellen Informationen deutlich verkürzte Abrechnungsfristen. Demnach sollen Leistungen ab 2026 grundsätzlich nur noch für das laufende und das unmittelbar vorherige Kalenderjahr erstattet werden können. Wer Belege zu lange liegen lässt, riskiert, dass Ansprüche verfallen.
Diese Frist wirkt wie ein Detail, verändert aber die Praxis spürbar. Bisher haben manche Familien Rechnungen über längere Zeit gesammelt, gerade wenn mehrere kleine Einsätze im Jahr stattfinden. Wenn die Abrechnung künftig enger getaktet werden muss, wird Ordnung zu einem Teil der finanziellen Absicherung.
Für die Acht-Stunden-Falle bedeutet das zusätzlich: Wer ohnehin den Überblick über den Budgetverbrauch behalten muss, sollte auch die Einreichung zeitnah organisieren, um nicht durch Formalien Geld zu verlieren.
Jahresplanung 2026: Wie Familien den Überblick behaltenFür 2026 lautet die wichtigste Lehre: Die Planung darf nicht bei „Tagen“ stehen bleiben. Sinnvoll ist eine doppelte Betrachtung, die Zeit und Geld parallel im Blick behält. Zeitlich ist wichtig, ob Einsätze als stundenweise oder tageweise gelten, weil davon abhängt, ob die Inanspruchnahme auf die Höchstdauer angerechnet wird und wie das Pflegegeld weiterläuft.
Geldlich ist entscheidend, wie viel aus dem gemeinsamen Jahresbetrag bereits verplant oder abgerechnet ist – und zwar unabhängig davon, ob „Tage“ verbraucht wurden.
In der Praxis hilft es, die Verhinderungspflege nicht nur als Entlastung zu verstehen, sondern als Budget, das über das Jahr verteilt werden muss. Wer regelmäßig stundenweise Unterstützung nutzt, kann diese Entlastung weiterhin sinnvoll einsetzen, sollte aber früh im Jahr grob überschlagen, wie sich die Kosten entwickeln, wenn dieses Muster zwölf Monate so weiterläuft. Wer im Sommer eine mehrtägige Auszeit plant, sollte berücksichtigen, dass tageweise Verhinderungspflege nicht nur Budget kostet, sondern auch das Pflegegeld während dieser Zeit typischerweise reduziert. Und wer absehen kann, dass Kurzzeitpflege möglicherweise gebraucht wird, sollte einplanen, dass beides aus demselben Topf finanziert wird.
Die Acht-Stunden-Grenze bleibt dabei der Dreh- und Angelpunkt der Alltagslogik: Sie entscheidet darüber, ob die Pflegekasse einen Tag „zählt“ und ob das Pflegegeld gekürzt wird. Genau deshalb ist sie so konfliktträchtig.
Familien, die diese Systematik früh verstehen und ihre Inanspruchnahme dokumentieren, vermeiden nicht nur böse Überraschungen, sondern oft auch jene Diskussionen, die entstehen, wenn die Aussage „Wir haben doch noch so viele Tage“ auf die Realität „Das Budget ist fast aufgebraucht“ trifft.
QuellenBundesgesundheitsministerium: „Verhinderungspflege (Urlaubs-/Krankheitsvertretung)“ – Informationen zu Anspruch, Pflegegeld und Ausblick auf die Reform (u. a. Anhebung der Höchstdauer, Wegfall der Vorpflegezeit, gemeinsamer Jahresbetrag).
Der Beitrag Die 8-Stunden-Falle im Pflegegeld senkt den Anspruch erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Rente: Freiwillige Beiträge zählen nicht – Gericht lehnt Grundrente ab
Wer lange in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, erwartet oft, dass auch der Grundrentenzuschlag greift. Ein Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zeigt jedoch, warum diese Erwartung gerade bei ehemaligen Selbstständigen häufig scheitert:
Freiwillige Beiträge zählen in vielen Fällen nicht als Grundrentenzeiten. Ohne mindestens 33 Jahre (396 Monate) Grundrentenzeiten gibt es keinen Zuschlag.
Der Fall: Handwerkerin, viele Beitragsmonate – aber zu wenig GrundrentenzeitenDie Klägerin (Jahrgang 1956) bezog seit 2020 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und beantragte 2024 die Berücksichtigung eines Grundrentenzuschlags. Sie verwies auf ihren langen Versicherungsverlauf und zahlreiche Beitragsmonate.
Die Rentenversicherung lehnte ab und rechnete nur 216 Monate als Grundrentenzeiten an – statt der erforderlichen 396 Monate. Entscheidend war zweierlei:
In der früheren Pflichtversicherung als Handwerkerin wurden wegen der damals gewählten Beitragszahlung nur bestimmte Monate berücksichtigt; später kamen hauptsächlich freiwillige Beiträge nach Befreiung von der Versicherungspflicht hinzu, die nach der gesetzlichen Systematik nicht als Grundrentenzeiten zählen.
Das Landessozialgericht bestätigte diese Sicht und wies die Berufung zurück.
Was das Urteil praktisch bedeutet: Beitragszeit ist nicht gleich GrundrentenzeitDas Urteil eignet sich als Orientierung, weil es ein verbreitetes Missverständnis auflöst: Für den Grundrentenzuschlag reicht es nicht, „viele Jahre“ Beiträge gezahlt zu haben. Maßgeblich ist, ob die Monate zu den gesetzlich definierten Grundrentenzeiten gehören.
Für Renten, die ab 2021 beginnen oder bei Bestandsrenten ab 2021 neu berechnet werden, gilt als Einstiegshürde: mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten. Bei Bestandsrenten wird der Zuschlag ab 2021 über die Übergangsregelung ermittelt – die 33 Jahre bleiben aber die zwingende Mindestgrenze.
Warum freiwillige Beiträge regelmäßig nicht helfen – bestätigt durch das BSGDas Landessozialgericht stützt sich ausdrücklich auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts. Das Bundessozialgericht hat im Juni 2025 entschieden, dass der Ausschluss von freiwilligen Beitragszeiten, die nicht als Pflichtbeiträge gelten, verfassungsgemäß ist.
Begründung: Pflichtversicherung und freiwillige Versicherung unterscheiden sich strukturell – etwa bei Bindung an Beitragspflichten und der typischen Beitragsdichte. Der Gesetzgeber durfte den steuerfinanzierten Zuschlag gezielt an langjährige Pflichtbeitragszeiten knüpfen.
Für die Praxis heißt das: Selbst sehr lange Phasen freiwilliger Einzahlung können beim Grundrentenzuschlag „leer laufen“, wenn sie nicht ausnahmsweise als Pflichtbeiträge gelten oder als gleichgestellte Zeiten eingeordnet werden.
So lässt sich der eigene Anspruch besser einschätzen: Prüfung am Versicherungsverlauf ansetzenFür die Einordnung ist eine klare Prüflogik entscheidend: Nicht „Jahre insgesamt“ zählen, sondern die Monate in den richtigen Kategorien. Die erste Frage lautet deshalb, ob im Versicherungsverlauf genügend Monate als Grundrentenzeiten ausgewiesen oder aus den Monatsarten ableitbar sind.
Liegt die Summe erkennbar deutlich unter 396 Monaten, scheitert der Zuschlag regelmäßig bereits an der Mindestzeit – unabhängig davon, wie lang die Erwerbsbiografie insgesamt war.
Warum das Verfahren ebenfalls ein Signal istDas Landessozialgericht hat die Berufung per Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Gerichte nach der höchstrichterlichen Linie kaum Spielraum sehen, freiwillige Beitragszeiten über den Grundrentenzuschlag „hineinzurechnen“.
FAQ zum Urteil und zur typischen Fallgruppe „freiwillig Versicherte“Worum ging es konkret?
Um den Grundrentenzuschlag zu einer Altersrente. Die Klägerin erreichte nach der gesetzlichen Einordnung nicht die erforderlichen 33 Jahre Grundrentenzeiten.
Warum reichen jahrzehntelange Beitragszahlungen nicht automatisch?
Weil der Zuschlag an bestimmte Monatsarten geknüpft ist. Freiwillige Beiträge zählen häufig nicht, wenn sie nicht als Pflichtbeiträge gelten oder gleichgestellt sind.
Ist das rechtlich „angreifbar“ wegen Gleichbehandlung?
Nach der aktuellen höchstrichterlichen Linie nicht. Das Bundessozialgericht hält den Ausschluss bestimmter freiwilliger Beitragszeiten für verfassungsgemäß.
Was ist die wichtigste Zahl, die über alles entscheidet?
Die Mindestzeit von 33 Jahren Grundrentenzeiten, also 396 Kalendermonate.
Welche Gruppe ist besonders gefährdet, leer auszugehen?
Menschen mit langen Phasen freiwilliger Versicherung – etwa nach Befreiung von Versicherungspflichten – weil genau diese Monate beim Grundrentenzuschlag oft nicht mitzählen.
Quellenübersicht
- Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.12.2025 – L 2 R 2362/25
- Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2025 – B 5 R 3/24 R
- Bundessozialgericht, Pressemitteilung zur Entscheidung (Grundrente und freiwillige Beiträge)
- § 76g SGB VI (Grundrentenzuschlag/Grundrentenzeiten)
- § 307e SGB VI (Zuschlag für Bestandsrenten ab 01.01.2021)
- Deutsche Rentenversicherung: FAQ zur Grundrente/Grundrentenzuschlag
Der Beitrag Rente: Freiwillige Beiträge zählen nicht – Gericht lehnt Grundrente ab erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
So viel bleibt bei 1500 Euro Brutto-Rente übrig
Wenn von „1500 Euro Rente“ die Rede ist, geht es in der Regel um die Bruttorente nach der jährlichen Rentenanpassung. Für viele Rentnerinnen und Rentner ist aber nicht die Bruttozahl entscheidend, sondern der Betrag, der tatsächlich überwiesen wird. Und selbst dieser Zahlbetrag ist noch nicht automatisch das, was langfristig „nach Steuern“ übrig bleibt. Denn die Einkommensteuer wird bei Renten meist nicht monatlich einbehalten, sondern entsteht – je nach persönlicher Situation – erst mit der Steuererklärung und dem späteren Steuerbescheid.
Was sich seit Juli 2025 konkret verändertZum 1. Juli wurden die gesetzlichen Renten in Deutschland regelmäßig angepasst. Für 2025 bedeutet das eine Erhöhung der Renten um 3,74 Prozent. Wer ab Juli 2025 auf 1500 Euro Bruttorente kommt, liegt damit häufig in einer Konstellation, in der die Rente bis Juni noch niedriger war und durch die Anpassung auf diesen Wert gestiegen ist.
Zusätzlich fällt 2025 eine Besonderheit ins Gewicht, die viele erst auf der Juli-Abrechnung sehen: In der sozialen Pflegeversicherung werden Beitragssatzänderungen bei Renten nicht immer zeitgleich ab Januar technisch umgesetzt. Für Juli 2025 wurde deshalb ein einmalig höherer Abzug für die Pflegeversicherung beschrieben, um rückwirkende Unterschiede auszugleichen. Das kann den Juli-Zahlbetrag spürbar drücken, auch wenn die Bruttorente gerade gestiegen ist.
Was von 1500 Euro sofort abgeht: Kranken- und PflegeversicherungBei den meisten gesetzlich krankenversicherten Rentnerinnen und Rentnern werden Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und zur Pflegeversicherung direkt von der Rente einbehalten. Diese Abzüge bestimmen den Betrag, der monatlich überwiesen wird, deutlich stärker als eine mögliche Einkommensteuer.
In der gesetzlichen Krankenversicherung setzt sich der Beitrag aus dem allgemeinen Beitragssatz und dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag zusammen. Für die Beispielrechnung wird mit dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag gearbeitet. Bei Renten trägt der Rentenversicherungsträger den halben Krankenversicherungsbeitrag, weshalb Rentnerinnen und Rentner effektiv „ihre Hälfte“ von der Rente abgezogen bekommen.
Bei der Pflegeversicherung ist die Logik für viele überraschend: Hier gibt es in der Regel keinen hälftigen Anteil durch den Rentenversicherungsträger; der Beitrag wird grundsätzlich aus der Rente einbehalten. Je nach Familiensituation kann außerdem ein Zuschlag für Kinderlose greifen. Und für Juli 2025 kann der Pflegeversicherungsabzug einmalig höher ausfallen als in den Folgemonaten.
Beispiel: 1500 Euro Bruttorente – wieviel Nettorente?Bei 1500 Euro Bruttorente ergibt sich für die Krankenversicherung ein Abzug von 128,25 Euro im Monat. In der Pflegeversicherung ist seit August 2025 ein Beitragssatz von 3,6 Prozent als laufender Abzug beschrieben, was bei 1500 Euro 54,00 Euro entspricht. Damit läge der Zahlbetrag ab August – noch ohne Berücksichtigung einer späteren Einkommensteuer – bei rund 1317,75 Euro.
Im Juli 2025 war ein einmalig höherer Pflegeversicherungsabzug. In der beschriebenen Standardkonstellation wären das 4,8 Prozent, also 72,00 Euro. Bei gleichbleibendem Krankenversicherungsabzug ergab sich im Juli ein Zahlbetrag von rund 1299,75 Euro. Kinderlose müssen zusätzlich mit dem Zuschlag rechnen; dann fällt der Pflegeversicherungsabzug entsprechend höher aus und der Zahlbetrag sinkt noch einmal.
Diese Juli-Delle wirkt auf viele irritierend, weil sie zeitlich mit der Rentenanpassung zusammenfällt. Unterm Strich kann die Bruttorente zwar steigen, der überwiesene Betrag im Juli aber trotzdem hinter dem Vormonat zurückbleiben oder nur wenig zulegen, wenn der einmalige Pflegeversicherungsabzug dagegenläuft.
Tabelle: Bruttorente vs. Nettorente Bruttorente (monatlich) Nettorente (monatlich, nach KV/PV, ohne Einkommensteuer) 1.000,00 € 878,50 € 1.200,00 € 1.054,20 € 1.250,00 € 1.098,13 € 1.500,00 € 1.317,75 € 1.750,00 € 1.537,38 € 2.000,00 € 1.757,00 € 2.500,00 € 2.196,25 €Hinweis: Die Werte sind eine Beispielrechnung für gesetzlich Krankenversicherte in der KVdR mit allgemeinem Beitragssatz 14,6 Prozent plus durchschnittlichem Zusatzbeitrag 2,5 Prozent (Rentneranteil jeweils hälftig) sowie Pflegeversicherung 3,6 Prozent ab August 2025, ohne Kinderlosenzuschlag und ohne Beihilfe. Eine mögliche Einkommensteuer ist nicht enthalten, weil sie in der Regel nicht monatlich einbehalten wird.
Wie die Einkommensteuer bei Renten funktioniertDass Renten grundsätzlich einkommensteuerpflichtig sind, bedeutet nicht automatisch, dass tatsächlich Einkommensteuer gezahlt werden muss. Entscheidend ist das „zu versteuernde Einkommen“ im Kalenderjahr. Hier wirken Freibeträge und abziehbare Ausgaben, allen voran Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Bei der gesetzlichen Rente kommt die nachgelagerte Besteuerung hinzu. Der steuerpflichtige Anteil hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab. Für Neurentnerinnen und Neurentner steigt dieser Anteil seit einer Gesetzesänderung langsamer. Für einen Rentenbeginn im Jahr 2025 werden 83,5 Prozent der Rente als steuerpflichtig beschrieben; zugleich wird erläutert, dass die vollständige Besteuerung grundsätzlich erst für Rentenbeginne ab 2058 erreicht wird. Wer vorher in Rente geht, behält einen individuellen Rentenfreibetrag.
Wichtig ist dabei ein Detail, das die Steuerlast mit den Jahren verändern kann: Der Rentenfreibetrag wird als fester Eurobetrag festgeschrieben und bleibt nominal unverändert, auch wenn die Rente durch spätere Rentenanpassungen steigt.
Dadurch werden spätere Rentenerhöhungen steuerlich vollständig erfasst, weil der Freibetrag nicht mitwächst. In der Praxis kann genau das dazu führen, dass Rentnerinnen und Rentner irgendwann steuerpflichtig werden, obwohl sie es in den ersten Rentenjahren noch nicht waren.
Wie viel Einkommensteuer fällt bei 1500 Euro Rente typischerweise an?Für eine belastbare Aussage braucht es immer die persönlichen Daten: Rentenbeginn, Familienstand, Kirchensteuerpflicht, weitere Einkünfte, Krankenkasse, außergewöhnliche Belastungen und mehr. Trotzdem lässt sich für eine häufige Standardsituation eine seriöse Größenordnung angeben.
In einer Modellrechnung mit 1500 Euro Bruttorente pro Monat, ohne weitere Einkünfte, als Alleinstehende oder Alleinstehender, gesetzlich kranken- und pflegeversichert, ergibt sich zunächst eine Jahresbruttorente von 18.000 Euro.
Bei Rentenbeginn im Jahr 2025 wären davon 83,5 Prozent steuerpflichtig, also 15.030 Euro. Davon gehen bei der Steuer noch Pauschalen und vor allem die abziehbaren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab. Rechnet man mit den oben beschriebenen laufenden Sozialabzügen, landet das zu versteuernde Einkommen in dieser Konstellation nur knapp über dem Grundfreibetrag.
Das Ergebnis ist meist eine sehr niedrige Einkommensteuer. In der genannten Modellrechnung liegt die tarifliche Einkommensteuer für das Jahr grob in einer Größenordnung von unter 100 Euro. Umgerechnet auf den Monat entspricht das weniger als zehn Euro. Solange keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte hinzukommen, ist „nach Steuern“ also häufig nicht der große Einschnitt, den die Schlagzeile vermuten lässt. Der größere Hebel für das Monatseinkommen sind die Sozialabzüge.
Das kann sich aber rasch ändern, wenn zusätzlich etwa Betriebsrenten, Mieteinnahmen, Kapitalerträge oberhalb der Pauschbeträge oder eine weiterlaufende Beschäftigung hinzukommen. Dann steigt das zu versteuernde Einkommen spürbar, und damit auch die Einkommensteuer.
Warum viele die Steuer erst mit Verzögerung merkenBei Renten gibt es üblicherweise keinen monatlichen Lohnsteuerabzug wie bei Beschäftigten. Die Steuerpflicht entsteht dennoch, wird aber häufig erst über die Steuererklärung und den Steuerbescheid konkret. Wer dann nachzahlen muss, empfindet das oft als plötzliche Belastung, obwohl sie wirtschaftlich bereits im laufenden Jahr entstanden ist.
Wer regelmäßig nachzahlen muss, kann vom Finanzamt zu Einkommensteuer-Vorauszahlungen herangezogen werden. Das verteilt die Steuerlast über das Jahr, verändert aber nichts daran, wie hoch die Rente monatlich ausgezahlt wird. Für die persönliche Liquiditätsplanung ist dieser Unterschied wichtig.
Welche Faktoren die Rechnung deutlich verschiebenOb bei 1500 Euro Rente tatsächlich Einkommensteuer anfällt und wie hoch sie ausfällt, hängt besonders stark am Rentenbeginn. Wer schon viele Jahre Rente bezieht, hat zwar einen festgeschriebenen Rentenfreibetrag, aber die Rentenerhöhungen seit dem Startjahr erhöhen den steuerpflichtigen Teil.
Das kann im Zeitverlauf die Steuerpflicht auslösen, obwohl der Beginn steuerlich noch unkritisch war. Umgekehrt kann ein früherer Rentenbeginn auch einen größeren prozentualen Freibetrag bedeuten, was die Steuerlast senkt, solange keine hohen Zusatz-Einkünfte hinzukommen.
Auch der Familienstand wirkt stark: Bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren kann das Splitting die Einkommensteuer deutlich reduzieren, wenn die Einkünfte unterschiedlich verteilt sind. Kirchensteuerpflicht kann die Belastung erhöhen, ebenso hohe zusätzliche Einkünfte. Kosten für Krankheit und Pflege, anerkannte Behinderungen oder bestimmte haushaltsnahe Dienstleistungen können die Steuerlast hingegen mindern, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Bei den Sozialabzügen gibt es ebenfalls große Unterschiede. Wer privat krankenversichert ist, hat andere Zahlungswege und teils andere Zuschüsse; der Betrag „auf dem Konto“ kann dadurch höher wirken, obwohl später private Beiträge zu zahlen sind. Wer beihilfeberechtigt ist, kann bei der Pflegeversicherung abweichende Abzüge haben. Und wer als kinderlos gilt, muss in der Pflegeversicherung mit Zuschlag rechnen.
Wie Rentnerinnen und Rentner ihre persönliche Netto-Rente verlässlich abschätzen könnenDie Rentenmitteilungen und Abrechnungen enthalten die einbehaltenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und zeigen damit, was tatsächlich überwiesen wird. Für die Steuer ist zusätzlich die Jahresmeldung des Rentenversicherungsträgers relevant, weil sie die Jahresbruttorente, den steuerpflichtigen Anteil und wichtige Bescheinigungen enthält. Wer wissen will, ob eine Steuererklärung nötig ist oder ob eine Nachzahlung droht, kommt an einer Jahresbetrachtung nicht vorbei.
Gerade rund um die Jahresmitte – mit Rentenanpassung und möglichen Sondereffekten bei Beiträgen – ist es sinnvoll, den Blick vom einzelnen Monat zu lösen und die Werte auf das ganze Jahr hochzurechnen. Das verhindert Fehlinterpretationen, wenn der Juli-Auszahlbetrag durch Einmaleffekte niedriger ausfällt als erwartet.
QuellenDeutsche Rentenversicherung: Rentenanpassung zum 1. Juli 2025 (Erhöhung um 3,74 Prozent). Deutsche Rentenversicherung: Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von Rentnerinnen und Rentnern, Rechenlogik mit allgemeinem Beitragssatz und durchschnittlichem Zusatzbeitrag.
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Grad der Behinderung bei Essstörungen: Wann ein GdB anerkannt wird
Wer durch Ess-Störungen wie Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating im Alltag erheblich eingeschränkt ist, kann diese Einschränkungen als Behinderung anerkennen lassen. Maßgeblich ist ein Antrag auf Feststellung des Grads der Behinderung, denn erst dieses Verfahren klärt, ob und in welcher Höhe ein GdB festgestellt wird.
Schwerbehinderung beginnt ab einem GdB von 50Ab einem Grad der Behinderung von 50 liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor. In diesem Fall kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden, der den Zugang zu rechtlich geregelten Nachteilsausgleichen und Unterstützungsleistungen eröffnet.
Ess-Störung allein begründet noch keine BehinderungDie Diagnose einer Ess-Störung reicht für sich genommen nicht aus. Eine Behinderung liegt erst dann vor, wenn die Erkrankung zu dauerhaften Teilhabeeinschränkungen führt und zentrale Lebensbereiche wie Arbeit, Ausbildung, Wohnen oder soziale Beziehungen spürbar beeinträchtigt.
Teilhabe entscheidet über die AnerkennungEntscheidend ist, wie stark die Ess-Störung die selbstbestimmte Lebensführung einschränkt. Wer dauerhaft weniger belastbar ist, sich aus dem sozialen Leben zurückzieht oder beruflich nicht mehr voll einsetzbar bleibt, erfüllt häufig die Voraussetzungen für einen anerkannten GdB.
So wird der Grad der Behinderung festgestelltDas zuständige Versorgungsamt bewertet die gesundheitlichen Auswirkungen anhand ärztlicher Unterlagen. Da Ess-Störungen nicht ausdrücklich benannt sind, orientiert sich die Bewertung an vergleichbaren psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen mit ähnlichen Folgen für den Alltag.
Psychische Auswirkungen prägen häufig die GdB-HöheEss-Störungen gehen regelmäßig mit erheblichen psychischen Belastungen einher. Je stärker diese die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die berufliche Einsatzfähigkeit und die sozialen Beziehungen einschränken, desto höher fällt der GdB aus.
Welche Ess-Störungen wirken sich auf den GdB ausEss-Störungen können, besonders bei schweren Fällen, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich beeinträchtigen, was die Definition eines Grades der Behinderung darstellt. Das gilt für Magersucht ebenso wie für Bulimie, für Binge-Eating und auch für das Vermeiden von Nahrung. Zudem gehen Ess-Störungen sehr häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher und haben körperliche Folgen, die die die Teilhabe weiter einschränken.
Magersucht (Anorexia nervosa) und schwere EinschränkungenMagersucht führt häufig zu ausgeprägter Unterernährung mit gravierenden körperlichen und psychischen Folgen. Kreislaufprobleme, Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, Osteoporose, Hormonstörungen sowie starke Ängste und Zwänge können die Teilhabe dauerhaft einschränken und einen hohen GdB begründen.
Bulimie und die Folgen von KontrollverlustBulimie belastet den Körper durch wiederholte Essanfälle und kompensatorisches Verhalten. Elektrolytstörungen, Herzrhythmusprobleme und anhaltende Schuld- und Schamgefühle beeinträchtigen oft Arbeitsfähigkeit und soziale Stabilität.
Binge-Eating-Störung mit körperlichen FolgeerkrankungenDie Binge-Eating-Störung geht mit unkontrollierten Essanfällen ohne Gegenmaßnahmen einher. Starkes Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und depressive Symptome wirken sich gemeinsam auf die Bewertung des GdB aus.
Atypische Ess-Störungen und vergleichbare BelastungenAuch atypische Ess-Störungen können relevant sein, wenn sie ähnliche Auswirkungen haben wie die klassischen Formen. Entscheidend bleibt nicht die Bezeichnung, sondern das Ausmaß der Einschränkungen im täglichen Leben.
ARFID und massive Vermeidung von NahrungBei der vermeidend-restriktiven Essstörung schränken extreme Abneigungen oder Ängste die Nahrungsaufnahme stark ein. Mangelernährung, soziale Isolation und eingeschränkte Selbstversorgung können auch bei Erwachsenen einen GdB rechtfertigen.
Psychische Krankheiten sind oft mit Ess-Störungen verbundenEss-Störungen treten selten isoliert auf und gehen häufig mit weiteren psychischen Erkrankungen einher. Andere psychische Erkrankungen können sowohl die Ursache wie auch eine Folge der Ess-Störung sein. Diese Begleiterkrankungen verstärken die Teilhabeeinschränkungen und prägen die GdB-Bewertung wesentlich mit.
Borderline und EssverhaltenBei einer emotionalen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus verstärken Impulsivität, innere Spannungen und instabile Beziehungen das gestörte Essverhalten. Essanfälle, Selbstschädigung und starke Stimmungsschwankungen erschweren Arbeit und soziale Bindungen erheblich.
Depressionen und Ess-StörungenDepressionen begleiten Ess-Störungen besonders häufig und verschärfen deren Verlauf. Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und sozialer Rückzug können die selbstständige Lebensführung deutlich einschränken.
Bipolarität, Zwangs- und AngststörungenAuch bipolare Störungen beeinflussen das Essverhalten spürbar. Wechsel zwischen depressiven und manischen Phasen führen zu Instabilität, Kontrollverlust und erhöhter beruflicher sowie sozialer Gefährdung.
Bei Zwangsstörungen bestimmen rigide Regeln und Rituale den Alltag. Kalorienzwänge, Kontrollhandlungen und starre Essregeln binden Zeit und Energie und schränken Flexibilität und Teilhabe ein.
Angststörungen verstärken Ess-Störungen durch Vermeidungsverhalten und dauerhafte innere Anspannung. Die Angst vor Essen, Gewichtszunahme oder sozialer Bewertung führt häufig zu Isolation und Rückzug.
Körperliche Folgen fließen eigenständig in die Bewertung einEss-Störungen verursachen häufig zusätzliche körperliche Schäden. Herzprobleme, Nierenleiden, Osteoporose, hormonelle Funktionsstörungen oder sexuelle Funktionsstörungen können jeweils einen eigenen Einzel-GdB rechtfertigen, wenn sie den Alltag messbar beeinträchtigen.
So entsteht der Gesamt-GdBAusgangspunkt ist die schwerste Beeinträchtigung. Das Amt bildet den Gesamt-GdB nicht durch ein schlichtes Zusammenzählen einzelner Einschränkungen. Ausgangspunkt ist immer die Funktionsstörung mit den schwersten Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe.Weitere Erkrankungen erhöhen den GdB nur bei Mehrbelastung
Zusätzliche Erkrankungen wirken sich nur dann erhöhend aus, wenn sie die Einschränkungen im Alltag tatsächlich verstärken und nicht bereits in der Hauptstörung enthalten sind. Psychische Begleiterkrankungen werden dabei meist gemeinsam bewertet
Depressionen, Zwänge oder emotionale Instabilität fließen bei Ess-Störungen häufig in eine gemeinsame Bewertung ein und erhöhen den Gesamt-GdB nur bei eigenständigen Zusatzbelastungen.
Körperliche Folgeschäden können den Gesamt-GdB anhebenErhebliche körperliche Schäden wie Herzprobleme oder Osteoporose können den Gesamt-GdB erhöhen, wenn sie die Belastbarkeit oder Selbstversorgung zusätzlich einschränken. Entscheidend ist dabei immer die tatsächliche Einschränkung im Alltag
Maßgeblich ist die konkrete Wirkung aller Beeinträchtigungen im täglichen Leben, nicht die Anzahl der Diagnosen. Entscheidend für einen Grad der Behinderung sind die Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe, die Ursache für diese hat weniger Bedeutung.
Hinweise zur gezielten Begründung des Antrags bei Ess-StörungenAlltagseinschränkungen konkret beschreiben: Viele Betroffene nennen nur Diagnosen, nicht aber die tatsächlichen Auswirkungen. Entscheidend ist, wie stark Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Rückzug oder Arbeitsausfälle den Alltag bestimmen.
Psychische Belastungen offen darstellenEss-Störungen gehen häufig mit der Tendenz einher, seelische Probleme zu verharmlosen. Dies ist oft sogar eine wesentliche Ursache der Erkrankung sowie ein Teil des Krankheitsbildes. Gerade Bulimie dient oft dazu, ursächliche Probleme nicht zu benennen, sondern zu verheimlichen. Ängste, Schuldgefühle, Zwänge oder depressive Phasen müssen jedoch im Antrag klar benannt werden.
Körperliche Folgen nicht aus Scham verschweigenGerade bei Bulimie werden körperliche Auswirkungen oft verborgen. Kreislaufprobleme, Elektrolytstörungen, Zahn- oder Speiseröhrenschäden sowie Herzrhythmusstörungen gehören in den Antrag.
Dies fällt schwer, da gerade Bulimie-Betroffene diese Folgen nicht nur vor anderen, sondern auch sich selbst gegenüber oft systematisch leugnen. Es ist aber notwendig, diese Leiden dem Versorgungsamt ehrlich mitzuteilen.
Therapieverlauf und Behandlungsbedarf schildernAngaben zu stationären Aufenthalten, ambulanten Therapien, Rückfällen oder Therapieabbrüchen zeigen, dass die Erkrankung dauerhaft besteht. Diese Dauerhaftigket ist wichtig, damit die Behörde einen Grad der Behinderung anerkennt.
Einschränkungen im Berufsleben greifbar machenReduzierte Arbeitszeiten, häufige Fehlzeiten, Leistungsabfälle oder Konflikte am Arbeitsplatz sollten konkret beschrieben werden. Rückzug, Isolation und die Vermeidung gemeinsamer Mahlzeiten schränken die soziale Teilhabe erheblich ein und sind für die Bewertung zentral.
Eigene Schilderung ernst nehmenGerade bei Ess-Störungen ist eine eigene Darstellung des Alltags unabdingbar. Betroffene organisieren ihr tägliches Leben rund um die Erkrankung bis hin zu kleinsten Ritualen. Die Krankheit schränkt also ihren Alltag in diversen Lebensbereichen ein, die eine ärztliche Untersuchung nicht erfassen kann.
Die persönliche Darstellung der Betroffenen ergänzt also notwendig ärztliche Unterlagen. Wer beschönigt oder verschweigt, riskiert eine zu niedrige Feststellung des GdB.
Praxisbeispiele aus dem AlltagStefanie lebt seit Jahren mit Magersucht und kann ihren Beruf nur noch eingeschränkt ausüben. Die psychischen Belastungen führen zu einem anerkannten GdB von 50, auch ohne weitere anerkannte psychiatrische Diagnosen.
Düzen kämpft mit Bulimie und schweren Depressionen. Das Amt stellt einen GdB von 60 fest, da Erwerbstätigkeit und soziale Beziehungen gefährdet sind und die Krankheit sie erheblich in ihrem Alltag einschränkt.
Lina leidet an einer Binge-Eating-Störung mit starkem Übergewicht und Herzproblemen. Die Kombination der Folgen führt zu einem Gesamt-GdB von 40.
Thorsten entwickelt infolge seiner Ess-Störung anhaltende Potenzstörungen und zieht sich sozial zurück. Das Amt erkennt eine relevante Behinderung an. Marek lebt mit einer Ess-Störung und Autismus. Aufgrund erheblicher sozialer Anpassungsschwierigkeiten setzt das Amt einen hohen Gesamt-GdB fest.
FAQ zum Grad der Behinderung bei Ess-StörungenWird jede Ess-Störung als Behinderung anerkannt?
Nein, entscheidend sind die konkreten Auswirkungen auf Alltag und Teilhabe.
Ab wann gilt eine Schwerbehinderung?
Ab einem GdB von 50.
Werden psychische und körperliche Folgen zusammen bewertet?
Ja, jedoch ohne einfache Addition.
Ist ein GdB Voraussetzung für Eingliederungshilfe?
Nein, Eingliederungshilfe ist auch ohne festgestellten GdB möglich.
Kann der GdB später erhöht werden?
Ja, bei einer nachweisbaren Verschlechterung.
Ess-Störungen können eine anerkannte Behinderung darstellen, wenn sie die gesellschaftliche Teilhabe dauerhaft einschränken. Entscheidend ist nicht die Diagnose, sondern die Gesamtheit der psychischen und körperlichen Folgen. Ab einem GdB von 50 besteht Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis und auf wichtige Nachteilsausgleiche.
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Schulden können für Schuldner verjähren – mit kurzer und längerer Fristen
Falsche Entscheidungen, schwere Krankheiten oder Arbeitslosigkeit können schnell zu Schulden führen, die sich im Laufe der Zeit immer weiter anhäufen. Die Betroffenen suchen dann nach Möglichkeiten, die Schulden wieder loszuwerden. Grundsätzlich können Schulden auch verjähren. “Die Verjährungsfristen sind je nach Art der Schuld unterschiedlich”, betont Rechtsanwalt Christian Lange aus Hannover.
Grundsätzlich können Schulden auch verjährenSchulden können grundsätzlich verjähren. Die Verjährungsfristen sind je nach Art der Schuld sehr unterschiedlich. Es kommt auf die Schuld an:
Für allgemeine Inkassoschulden gelten andere Verjährungsfristen als beispielsweise für Steuerschulden. “Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schulden tatsächlich einfach verjähren, eher gering”, betont Lange.
Das liegt unter anderem daran, dass alle Vorgänge wie Stundungen, Ratenzahlungen und Ähnliches zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen. Außerdem gebe es kaum Gläubiger, die offene Posten einfach vergessen. Das komme zwar vor, sei aber sehr selten, so Lange.
Wann beginnt die Verjährung von Schulden?Um die Verjährungsfrist zu berechnen, muss man wissen, wann die ursprüngliche Forderung entstanden ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob der Anspruch tituliert ist. Ein solcher Titel entsteht beispielsweise durch einen Vollstreckungsbescheid.
Wird gegen den Vollstreckungsbescheid nicht fristgerecht Einspruch eingelegt, wird er rechtskräftig. Als Vollstreckungstitel stellt er amtlich fest, dass dem Gläubiger der im Bescheid festgestellte Anspruch zusteht. Die Forderung kann dann praktisch nicht mehr angefochten werden.
Nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) können Forderungen nach 3 Jahren verjähren. Liegt also eine titulierte Forderung vor, tritt die Verjährung erst nach 30 Jahren ein (§ 197 BGB)!
Die allgemeine Verjährungsfrist endet nach drei Jahren in der Regel am 31. Dezember des Jahres, in dem die Schuld beglichen werden sollte.
Unterschiedliche Fristen VerjährungWie erwähnt, existieren unterschiedlich Fristen bei der Verjährung. Es kommt immer auf die Schuldenarten und die Umstände an.
Inkasso-SchuldenFür Inkassoschulden gelten im Allgemeinen keine Besonderheiten. Wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist und der Schuldner nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Mahnung oder Zahlungserinnerung erhält, kann der Schuldner schriftlich auf die abgelaufene Verjährungsfrist hinweisen. Die Schuld muss dann nicht mehr bezahlt werden.
Schulden bei der KrankenkasseAuch bei den Krankenkassen können Schulden auflaufen, wenn Beiträge nicht gezahlt wurden. Hier verjähren die Forderungen nach vier Jahren. Wer jedoch nachweislich zahlungsfähig war, muss mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren rechnen.
Komplizierte SteuerschuldenBei Steuerschulden sind sehr viele unterschiedliche Faktoren zu beachten. Die Zahlungsverjährung im Steuerrecht beträgt grundsätzlich fünf Jahre (§ 228 AO). Diese Regelung gilt für beide Seiten, also für das Finanzamt und den Steuerschuldner.
Von der Zahlungsverjährung ist jedoch die Festsetzungsverjährung zu unterscheiden. Bei Steuerschulden sollte immer ein Fachanwalt für Steuerrecht hinzugezogen werden, rät Lange. Denn es kommt auf jedes Detail an, um die richtige Strategie zu entwickeln.
Gläubiger erhalten fast immer einen TitelLiegt ein vollstreckbarer Titel vor, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Gläubiger werden daher immer versuchen, einen Titel zu erwirken.
Außerdem beginnt die Verjährungsfrist immer wieder neu, wenn innerhalb dieser 30 Jahre z.B. Teilzahlungen geleistet werden. Die Frist verlängert sich auch, wenn der Gerichtsvollzieher eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung beantragt und versucht, die offenen Forderungen einzutreiben.
Fazit: Ist es die richtige Strategie, auf die Verjährung der Forderung zu setzen?
Sollten Schulden verjähren? Es ist sehr selten, dass Schulden einfach verjähren. Außerdem ist es ein “riskantes Spiel”, innerhalb der Verjährungsfristen darauf zu hoffen, dass der Gläubiger die ausstehenden Forderungen nicht eintreibt. Zudem sind die Verjährungsfristen mit 3 bis 30 Jahren sehr lang.
Um Schulden loszuwerden, sind die Verjährungsfristen also eher ungeeignet, auch wenn es immer wieder vorkommt, dass Schulden “einfach verjähren”. Betroffene sollten sich stattdessen an eine Schuldnerberatungsstelle wenden.
Die Experten können beispielsweise außergerichtliche Einigungen mit den Gläubigern treffen und so die Schuldenlast senken.
Ist die Schuldenlast zu hoch, kann eine Privatinsolenz dabei helfen, sich nach drei Jahren von den Schulden zu befreien.
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Auch Einzel-GdBs können zur Schwerbehinderung mit Grad der Behinderung 50 führen
Mehrere Einzel-GdB können zu einer Schwerbehinderung mit dem Grad der Behinderung 50 führen. Das urteilte das Sozialgericht Aurich.
Der GdB 50 ist deshalb so wichtig, weil sich dadurch weitere Nachteilsausgleiche ergeben, die das erschwerte Leben mit einer Behinderung erleichtern sollen. Was aber war der Hintergrund der Klage und wie war der Richterspruch? Das erläutern wir in diesem Artikel.
Der verhandelte FallDer 1963 geborene Kläger leidet seit einem Teilverlust des Dickdarms an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, die mit einem GdB von 30 bewertet wurde.
Zusätzlich wurde vom Versorgungsamt ein Einzel-GdB von 30 für die Lungenfunktionseinschränkung festgestellt. Ferner wurde dem Kläger ein Einzel-GdB von 20 wegen Schlafapnoe zuerkannt.
In einem Widerspruchsbescheid stellte das Versorgungsamt lediglich einen Gesamt-GdB von 40 fest, woraufhin der Kläger Klage erhob.
Entscheidung des GerichtsDas Sozialgericht Aurich (Az. S 4 SB 154/21) hat entschieden, dass die beiden überwiegenden Funktionsbeeinträchtigungen in ihren Auswirkungen völlig unabhängig voneinander sind und sich auf unterschiedliche Bereiche des täglichen Lebens des Klägers auswirken.
Aufgrund dieser Feststellung wurde dem Kläger ein Gesamt-GdB von 50 zuerkannt, was die Schwerbehinderteneigenschaft zur Folge hat.
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– Rente wegen Erwerbsminderung oder wegen Schwerbehinderung?
Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen, da die Schwerbehinderteneigenschaft zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Unter anderem können Betroffene mit einem Gesamt-GdB von 50 zwei Jahre früher als üblich ohne Abzüge Rente beanspruchen.
Weitere Vorteile neben dem früheren Renteneintritt ohne Abschläge sind:
- Besonderer Kündigungsschutz
- Reduzierung der Einkommenssteuer um 1.140 Euro
- Zusatzurlaub von 5 Tagen bei einer 5-Tage-Woche
- Ermäßigung von Eintrittspreisen, je nach Institution
Weitere Nachteilsausgleiche ergeben sich durch zusätzliche Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis.
Grundsatzentscheidung des GerichtsDas Urteil des Sozialgerichts geht über den Einzelfall hinaus. Es stellt fest, dass in der Regel davon auszugehen ist, dass zwei führende Einzel-GdB von 30 die Annahme der Schwerbehinderteneigenschaft rechtfertigen. Diese Grundsatzentscheidung könnte in Zukunft Auswirkungen auf ähnlich gelagerte Fälle haben und als Präzedenzfall dienen.
Die Bedeutung des Urteils für BetroffeneDas Urteil unterstreicht einmal mehr, dass ein höherer GdB in der Regel vor Gericht durchgesetzt werden kann. Während die Versorgungsämter häufig bei ihrer ursprünglichen Feststellung bleiben, führt eine unabhängige Überprüfung, wie in diesem Fall vor dem Sozialgericht Aurich, häufig zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Dies ist insbesondere für Menschen relevant, die eine Schwerbehinderung ab dem Grad der Behinderung anstreben.
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Der Beitrag Auch Einzel-GdBs können zur Schwerbehinderung mit Grad der Behinderung 50 führen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Ab 2026 mehr Krankengeld möglich: Höchstbetrag wird angehoben
Ab 2026 liegt das Höchstkrankengeld bei 135,63 Euro pro Kalendertag (brutto). Das ist die rechnerische Obergrenze, wenn das beitragspflichtige Arbeitsentgelt an der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der Kranken- und Pflegeversicherung von 5.812,50 Euro im Monat liegt oder darüber.
Für Betroffene ist in der Praxis jedoch meist nicht der Höchstwert entscheidend, sondern ob der Auszahlbetrag plausibel ist und ob sich die Berechnung im Bescheid sauber nachvollziehen lässt.
Warum der Höchstwert 2026 steigtKrankengeld wird aus dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt berechnet, allerdings nur bis zur BBG. Wer mehr verdient, wird für die Krankengeldberechnung so behandelt, als läge das Entgelt nur bei der BBG. Steigt die BBG, steigt automatisch auch die Obergrenze des Krankengeldes.
Genau deshalb ist 2026 für viele ein Jahr, in dem der Höchstwert erstmals deutlich in Berechnungsblättern auftaucht, während die Auszahlung trotzdem niedriger wirken kann, weil sie mit Abzügen und Deckeln arbeitet.
Mini-Rechenweg: So entsteht die Zahl 135,63 EuroDie Obergrenze ergibt sich aus einer Standardrechnung. Grundlage ist die BBG KV/PV 2026 von 5.812,50 Euro monatlich. Diese wird auf einen Kalendertag umgerechnet, indem typischerweise durch 30 geteilt wird; daraus werden 193,75 Euro pro Tag.
Auf diesen Tageswert werden 70 Prozent angewendet, weil Krankengeld höchstens 70 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts betragen darf. Das ergibt 135,625 Euro, gerundet 135,63 Euro pro Kalendertag als Brutto-Obergrenze.
Der wichtigste Prüfpunkt: Brutto-Krankengeld ist nicht der AuszahlbetragDer Höchstwert ist ein Bruttobetrag. Ausgezahlt wird in der Regel weniger, weil vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und zur Pflegeversicherung einbehalten werden.
Das Krankengeld selbst ist in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei; die Mitgliedschaft läuft weiter, aber auf diese Leistung werden üblicherweise keine Krankenversicherungsbeiträge erhoben. Zusätzlich ist Krankengeld grundsätzlich steuerfrei, kann aber über den Progressionsvorbehalt später den Steuersatz auf andere Einkünfte erhöhen.
Dieser Effekt zeigt sich nicht in der Krankengeldabrechnung, sondern gegebenenfalls erst im Steuerbescheid.
So lassen sich die relevanten Werte im Bescheid findenViele Krankenkassen fügen ein Berechnungsblatt bei oder nennen die Rechengrößen im Bescheidtext. Relevant sind Begriffe wie „Regelentgelt (kalendertäglich)“ oder „Regelentgelt pro Kalendertag“ als Brutto-Basis. Daneben steht häufig „Nettoarbeitsentgelt (kalendertäglich)“ oder „Nettoarbeitsentgelt pro Kalendertag“, das für die 90-Prozent-Grenze maßgeblich ist.
Anschließend sollte „Krankengeld (kalendertäglich)“ auftauchen, also das Brutto-Krankengeld pro Tag. Danach folgen im Idealfall die Abzüge, meist ausgewiesen als Beiträge zur RV, ALV und PV, und am Ende steht der Auszahlbetrag, häufig als „Zahlbetrag“ oder „Auszahlbetrag“ bezeichnet.
Wenn diese Kette nicht erkennbar ist, sollte eine detaillierte Berechnungsdarstellung angefordert werden, denn ohne Rechenkette lässt sich kaum prüfen, ob ein Fehler vorliegt.
Konkretes Mini-Rechenbeispiel: So lässt sich der Bescheid nachbauenEin typischer Normalfall unterhalb der BBG kann so aussehen: Monatsbrutto 3.000 Euro und Monatsnetto 2.100 Euro. Vereinfacht wird beides auf kalendertäglich umgerechnet, indem durch 30 geteilt wird; daraus werden 100,00 Euro brutto pro Tag und 70,00 Euro netto pro Tag. Nun greift die Deckelprüfung: 70 Prozent vom Brutto wären 70,00 Euro, 90 Prozent vom Netto wären 63,00 Euro.
Weil die Netto-Grenze niedriger ist, läge das Brutto-Krankengeld in diesem Beispiel bei 63,00 Euro pro Kalendertag. Von diesen 63,00 Euro werden anschließend typischerweise Beiträge zur Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung abgezogen; wie hoch der Zahlbetrag genau ausfällt, hängt von den im Einzelfall anzuwendenden Beitragssätzen ab. Entscheidend ist, dass der Bescheid diese Abzugskette transparent ausweist.
Einmalzahlungen: Wann es bei der Krankengeldhöhe besonders oft knalltEinmalzahlungen wie Bonus, Prämien oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld führen häufig zu Rückfragen, weil sie in Entgeltmeldungen und Bemessungen zu Verschiebungen führen können.
Kritisch wird es vor allem dann, wenn eine Einmalzahlung zeitlich in den Bemessungszeitraum fällt oder wenn der Arbeitgeber eine Korrektur- oder Nachmeldung abgibt, nach der die Krankenkasse neu rechnet.
Bei Gutverdienern kommt zusätzlich der BBG-Effekt hinzu: Wer ohnehin an der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sollte prüfen, ob korrekt gedeckelt wurde, denn Einmalzahlungen erhöhen das Krankengeld nicht automatisch, wenn bereits die Obergrenze erreicht ist.
Ein praktischer Ansatz ist, zunächst zu kontrollieren, ob sich im Bescheid das Regelentgelt gegenüber der letzten Lohnabrechnung unerwartet verändert; genau dort liegt häufig die Ursache.
Häufige Irrtümer, die schnell auszuräumen sindViele Konflikte entstehen aus falschen Vergleichen. Der Höchstwert ist kein Netto-Betrag, sondern eine Brutto-Obergrenze. Außerdem kommt nicht zwingend „70 Prozent vom Brutto“ heraus, weil die 90-Prozent-Netto-Grenze früher greifen kann.
Die 30-Tage-Systematik ist kein Rechenfehler, sondern Teil der üblichen Umrechnung auf Tageswerte. Und schließlich wird keine Einkommensteuer vom Krankengeld abgezogen; der steuerliche Effekt läuft, wenn überhaupt, später über den Progressionsvorbehalt.
Welche Unterlagen für eine saubere Prüfung erforderlich sindFür eine Prüfung reichen meist die letzten Lohnabrechnungen vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die Entgeltbescheinigung beziehungsweise Entgeltmeldung des Arbeitgebers an die Krankenkasse, das Krankengeld-Berechnungsblatt oder der Bescheid mit den Tageswerten und, falls Einmalzahlungen eine Rolle spielen, die Abrechnung dieser Zahlung inklusive Zeitraum.
Mit diesen Unterlagen lässt sich die Entgeltbasis nachvollziehen und die Berechnung Schritt für Schritt abgleichen.
Was bei der Krankenkasse konkret angefordert werden kann, wenn die Rechnung nicht passtWenn sich eine Abweichung nicht erklären lässt, hilft eine gezielte Anforderung statt allgemeiner Kritik. Sinnvoll ist eine schriftliche Bitte um die angesetzten Werte für das Regelentgelt und das Nettoarbeitsentgelt jeweils kalendertäglich, um den zugrunde gelegten Zeitraum und um die Information, ob und an welcher Stelle die Kappung über 70 Prozent brutto oder 90 Prozent netto vorgenommen wurde.
Zusätzlich sollten die Abzüge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung mit den angesetzten Beitragssätzen benannt werden, ebenso die vollständige Rechenkette bis zum Zahlbetrag.
Erst damit wird die Berechnung prüfbar, und es lässt sich erkennen, ob ein Zeitraum, eine Meldung oder eine Kappung falsch gesetzt wurde.
FAQ: Höchst-Krankengeld 2026 kurz erklärtGilt 135,63 Euro pro Tag für alle?
Nein. 135,63 Euro pro Kalendertag ist die Brutto-Obergrenze und wird nur erreicht, wenn das beitragspflichtige Entgelt an der Beitragsbemessungsgrenze der Kranken- und Pflegeversicherung liegt oder darüber.
Warum kommt weniger aufs Konto als „Krankengeld pro Tag“ im Bescheid steht?
Der Tageswert ist in der Regel brutto. Von diesem Betrag werden typischerweise Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abgezogen. Der Zahlbetrag ergibt sich erst danach.
Was bedeutet „70 Prozent brutto, maximal 90 Prozent netto“?
Es greifen zwei Deckel: höchstens 70 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts und zugleich höchstens 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Maßgeblich ist der niedrigere Wert.
Welche Angaben im Bescheid sind für die Prüfung entscheidend?
Wichtig sind „Regelentgelt (kalendertäglich)“, „Nettoarbeitsentgelt (kalendertäglich)“, „Krankengeld (kalendertäglich)“, die Abzüge (RV/ALV/PV) und der daraus abgeleitete „Zahlbetrag“.
Können Einmalzahlungen (Bonus, Weihnachtsgeld) das Krankengeld verändern?
Ja, vor allem wenn sie in den Bemessungszeitraum fallen oder der Arbeitgeber Korrekturen/Nachmeldungen übermittelt. Wer ohnehin an der Beitragsbemessungsgrenze liegt, erreicht dadurch aber nicht automatisch mehr als den Höchstwert.
Wird Krankengeld besteuert?
Krankengeld ist grundsätzlich steuerfrei, kann aber über den Progressionsvorbehalt später den Steuersatz auf andere Einkünfte erhöhen.
Quellenübersicht
- Verband der Ersatzkassen (vdek): Angaben zum Höchstkrankengeld 2026
- Bundesregierung: Rechengrößen und Beitragsbemessungsgrenzen 2026, BBG KV/PV 5.812,50 Euro monatlich
- Informationsseiten einzelner Krankenkassen zur Krankengeldberechnung, zur kalendertäglichen Systematik, zu Abzügen sowie zum Progressionsvorbehalt
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Bürgergeld: Jobcenter verhängen häufig falsche Fristen
Falsche Fristen beim Bürgergeld sind ein unterschätztes Risiko. Beim Bürgergeld können Fristen nämlich über Leistungen, Kürzungen oder komplette Zahlungslücken entscheiden. Nicht jede von ihnen ist indessen rechtlich zulässig oder überhaupt erfüllbar.
Wer sie ungeprüft hinnimmt, riskiert Ansprüche und / oder Sanktionen des Jobcenters, obwohl rechtlich kein Fehlverhalten vorliegt. Ihre Rechte zu kennen ermöglicht Ihnen Selbstverteidigung und im Ernstfall sogar das Existenzminimum.
Fristen des Jobcenters sind verhandelbar – Untätigkeit nicht. Wer strukturiert prüft und reagiert, verhindert Sanktionen und sichert seine Ansprüche.
Welche Fristen das Jobcenter überhaupt setzen darfFristen müssen realistisch, nachvollziehbar und am Einzelfall orientiert sein. Das Jobcenter darf keine Termine setzen, die eine sachgerechte Reaktion faktisch unmöglich machen. Dennoch arbeiten viele Schreiben mit pauschalen Zeitvorgaben, die den tatsächlichen Aufwand ignorieren.
Manche Fristen liegen im Ermessen des Jobcenters, andere sind zwingend vorgeschrieben. Wenn Sie gesetzlich vorgeschriebene Fristen nicht einhalten, entfallen die mit dem jeweiligen Bereich verbundenen Ansprüche.
Fristen beim Bürgergeld1. Bürgergeld wird frühestens ab dem Monat der Antragstellung gezahlt. Diese Frist ist zwingend und lässt keine rückwirkende Zahlung zu. Schon ein verspäteter Antrag kostet einen vollen Monatsanspruch.
2. Gegen Bescheide gilt eine Frist von einem Monat ab Zugang. Nach Fristablauf wird der Bescheid bestandskräftig, selbst wenn er fehlerhaft ist. Eine spätere Korrektur ist dann regelmäßig ausgeschlossen.
3. Änderungen bei Einkommen, Vermögen, Umzug oder familiären Verhältnissen müssen unverzüglich gemeldet werden. Das Gesetz nennt keine feste Tageszahl, in der Praxis gelten jedoch wenige Tage als angemessen. Verspätete Meldungen führen häufig zu Rückforderungen.
4. Für Mitwirkungsaufforderungen existiert keine starre Tagesfrist. Maßgeblich ist, ob die Frist angesichts des konkreten Aufwands zumutbar ist. Fristen, die objektiv nicht einzuhalten sind, entfalten keine rechtliche Wirkung.
5. Einladungen müssen so rechtzeitig erfolgen, dass eine Teilnahme realistisch möglich ist. Kurzfristige Termine ohne sachlichen Grund sind angreifbar. Auch hier gilt der Grundsatz der Zumutbarkeit.
6. Für Entscheidungen gilt eine maximale Bearbeitungsfrist von sechs Monaten. Bei existenzsichernden Leistungen besteht jedoch eine Pflicht zur zügigen Entscheidung. Langes Liegenlassen von Anträgen ist unzulässig.
Warum Jobcenter dennoch zu kurze Fristen setzenJobcenter arbeiten mit standardisierten Textbausteinen und automatisierten Abläufen. Individuelle Umstände bleiben dabei oft unberücksichtigt. Der daraus entstehende Zeitdruck trifft einseitig die Leistungsberechtigten.
Eine Frist ist dann unzulässig, wenn sie den tatsächlichen Beschaffungsaufwand außer Acht lässt. Kontoauszüge, ärztliche Unterlagen oder Vermieterbescheinigungen sind nicht binnen weniger Tage verfügbar. Objektive Unmöglichkeit ist keine Pflichtverletzung.
Dann haben Sie Recht auf eine FristverlängerungEine Fristverlängerung steht Ihnen zu, wenn Sie die geforderten Unterlagen objektiv nicht innerhalb der gesetzten Zeit beschaffen können. Das gilt insbesondere bei Abhängigkeit von Banken, Vermietern, Ärzten oder Behörden. Auch verspäteter Zugang oder krankheitsbedingte Einschränkungen begründen einen Anspruch auf Verlängerung.
Sie müssen das Jobcenter unverzüglich über das Hindernis informieren. Ein nachvollziehbarer Hinweis genügt, ein Beweis der Unmöglichkeit ist nicht erforderlich. Ab diesem Zeitpunkt darf das Jobcenter die Frist nicht einfach weiterlaufen lassen.
Folgen bei verweigerter FristverlängerungKürzt das Jobcenter dennoch Leistungen, liegt der Fehler nicht bei Ihnen. Sanktionen oder Leistungseinstellungen auf Grundlage objektiv unzumutbarer Fristen sind angreifbar. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Mitwirkung angezeigt und die Verlängerung ausdrücklich verlangt haben.
Praxisbeispiel: Norbert und die Drei-Tage-FristNorbert soll innerhalb von drei Tagen mehrere Monate Kontoauszüge vorlegen. Seine Bank benötigt dafür mehr als eine Woche. Das Jobcenter stoppt dennoch die Leistung wegen angeblich fehlender Mitwirkung.
Praxisbeispiel: Klara und die VermieterbescheinigungKlara erhält eine Frist von fünf Tagen für eine Mietbescheinigung. Der Vermieter reagiert aber erst nach zwei Wochen. Das Jobcenter wertet dies als Fristversäumnis, obwohl Klara keinen Einfluss hatte.
Praxisbeispiel: Ulf und der verspätete ZugangUlf erhält ein Schreiben erst kurz vor Fristende. Eine sachgerechte Reaktion ist nicht mehr möglich. Das Jobcenter stellt trotzdem Leistungen ein.
Warum Leistungskürzungen oft auf falschen Fristen beruhenJobcenter orientieren sich häufig ausschließlich am formalen Fristablauf. Die zwingend erforderliche Prüfung der Zumutbarkeit unterbleibt. So entstehen Kürzungen ohne tragfähige Grundlage.
Ignorierte Hindernisse im EinzelfallVerspäteter Postzugang, Abhängigkeit von Dritten oder gesundheitliche Einschränkungen bleiben unberücksichtigt. Unmöglichkeit wird wie Weigerung behandelt. Das ist rechtsfehlerhaft. Bürgergeld-Leistungen werden gekürzt oder eingestellt, obwohl keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt. Die Ursache liegt nicht im Verhalten der Betroffenen, sondern in der Fristsetzung selbst.
Rechtliche Argumentation gegen zu kurze FristenZu kurze Fristen verstoßen gegen den Grundsatz der Zumutbarkeit. Das Jobcenter muss prüfen, ob eine Handlung innerhalb der gesetzten Zeit objektiv möglich war. Fehlt diese Möglichkeit, ist die Frist rechtswidrig.
Sie machen geltend, dass die Frist nicht erforderlich war, weil eine Verlängerung möglich gewesen wäre. Eine Maßnahme ist unverhältnismäßig, wenn mildere Mittel zur Verfügung standen.
So trennen Sie Unmöglichkeit von WeigerungSie stellen klar, dass Sanktionen nur bei schuldhafter Pflichtverletzung zulässig sind. Objektive Unmöglichkeit schließt Schuld aus. Eine Kürzung ist dann rechtswidrig.
Sie argumentieren, dass die Frist Ihnen keine echte Möglichkeit zur Stellungnahme ließ. Damit verkürzt das Jobcenter Ihr rechtliches Gehör unzulässig.
Sie weisen darauf hin, dass Fristen erst mit Zugang beginnen. War die Frist bei Zustellung faktisch abgelaufen, lag keine wirksame Fristsetzung vor.
Wie Sie sich gegen unzulässige Fristen wehrenSofort reagieren und Fristverlängerung verlangen: Sobald Sie erkennen, dass eine Frist objektiv nicht einhaltbar ist, reagieren Sie unverzüglich schriftlich. Benennen Sie die Gründe und verlangen Sie ausdrücklich eine Fristverlängerung. Stellen Sie klar, dass keine Weigerung, sondern eine tatsächliche Unmöglichkeit vorliegt.
Widerspruch gegen Kürzung oder Leistungseinstellung einlegenKürzt oder stoppt das Jobcenter dennoch Leistungen, legen Sie innerhalb eines Monats Widerspruch ein. Begründen Sie, dass die Frist unzumutbar war und keine schuldhafte Pflichtverletzung vorlag. Arbeiten Sie den Zusammenhang zwischen Fristsetzung, Unmöglichkeit und Kürzung heraus.
Entsteht durch die Kürzung eine existenzielle Notlage, beantragen Sie gerichtlichen Eilrechtsschutz. Das Gericht kann die vorläufige Weiterzahlung anordnen, bis über den Widerspruch entschieden ist. Dieser Schritt sichert den Lebensunterhalt.
Bewahren Sie alle Schreiben, Versandnachweise und Antworten auf. Diese Unterlagen belegen Ihre Mitwirkung. Ohne Dokumentation droht eine falsche Bewertung Ihres Verhaltens.
Warum Sie sich gegen zu kurze Fristen wehren solltenZu kurze Fristen sind kein Versehen, sondern ein wirksames Druckmittel. Wer sie hinnimmt, akzeptiert eine Rechtsverletzung mit unmittelbaren finanziellen Folgen. Jede unwidersprochene Frist erhöht das Risiko weiterer Kürzungen.
Ein Rechtsbeistand ist dann sinnvoll, wenn das Jobcenter trotz rechtzeitiger Mitteilung und begründeter Fristverlängerung Leistungen kürzt oder einstellt. Spätestens bei einer ablehnenden Widerspruchsentscheidung verschiebt sich das Verfahren auf eine rechtliche Ebene, in der Fehler schwer wiegen.
Drohen Mietrückstände, Stromsperren oder Krankenversicherungslücken, ist rechtliche Hilfe dringend erforderlich. In Eilverfahren entscheidet juristische Präzision über die vorläufige Sicherung des Existenzminimums.
Stellt das Jobcenter Unmöglichkeit als Weigerung dar, geht es um mehr als Fristen. Dann entscheidet die rechtliche Einordnung über den Bestand von Kürzungen. In solchen Fällen ist fachkundige Unterstützung angezeigt.
Checkliste: Fristen des Jobcenters richtig prüfen und absichernSie prüfen den Zugangstag, die Fristlänge und die reale Beschaffbarkeit. Sie reagieren schriftlich, verlangen Verlängerung und dokumentieren jeden Schritt.
1. Zugang des Schreibens exakt feststellenDatum und Uhrzeit des tatsächlichen Zugangs festhalten. Maßgeblich ist nicht das Datum des Schreibens, sondern der Zeitpunkt, zu dem es Ihnen tatsächlich zugegangen ist. Umschlag aufbewahren (Poststempel, Zustellart dokumentieren). Bei Einwurf-Einschreiben oder Zustellung durch Boten: Zustellvermerk sichern. Bei elektronischer Zustellung: Zeitpunkt des Abrufs dokumentieren. Ohne nachweisbaren Zugang beginnt keine wirksame Frist.
2. Art der Frist rechtlich einordnenNicht jede Frist ist gleich verbindlich.
Gesetzliche Fristen (z. B. Widerspruchsfrist) sind strikt einzuhalten.
Behördlich gesetzte Fristen (z. B. zur Vorlage von Unterlagen) sind grundsätzlich verlängerbar
„Bitte bis …“-Fristen haben oft keinen Rechtscharakter
Prüfen Sie, welche Rechtsgrundlage genannt ist. Ob Rechtsfolgen bei Fristversäumnis konkret benannt sind. Ob eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist. Unklare oder nicht begründete Fristen sind angreifbar.
3. Fristlänge konkret berechnenFristbeginn: regelmäßig der Tag nach dem Zugang
Fristende: exakt berechnen (Wochenenden und Feiertage berücksichtigen)
Achtung bei kurzen Fristen (z. B. 7 oder 10 Tage)
Dokumentieren Sie: Beginn und Ende der Frist mitsamt Besonderheiten (Feiertage, Krankheit, Ortsabwesenheit). Rechenfehler gehen im Zweifel zulasten des Leistungsberechtigten – daher schriftlich festhalten.
4. Reale Beschaffbarkeit der Unterlagen prüfenFristen sind nur dann wirksam, wenn die verlangten Unterlagen realistisch beschaffbar sind.
Prüfen Sie konkret: Welche Unterlagen genau verlangt werden. Ob diese bereits vorliegen oder erst beschafft werden müssen. Ob Dritte beteiligt sind (Arbeitgeber, Banken, Ärzte).
Bewerten Sie: Zeitaufwand, Abhängigkeit von Dritte sowie objektive Unmöglichkeit innerhalb der Frist. Unmögliche Fristen sind rechtswidrig.
5. Schriftlich reagieren – niemals schweigenDenken Sie daran: Schweigen wird als Pflichtverletzung gewertet.Reagieren Sie immer schriftlich, selbst wenn Sie die Unterlagen noch nicht beibringen können. Inhaltlich: Zugang bestätigen. Frist benennen. Sachlich begründen, warum eine fristgerechte Vorlage nicht möglich ist, konkret Verlängerung verlangen (neues Datum vorschlagen).
Form:Nachweisbare Übermittlung (Fax mit Sendebericht, Einschreiben, Online-Portal mit Screenshot). Keine telefonischen Absprachen ohne Bestätigung.
6. Fristverlängerung aktiv beantragenEine Fristverlängerung ist kein Gnadenakt, sondern regelmäßig geboten, wenn: Unterlagen nicht sofort verfügbar sind, Dritte involviert sind, Krankheit oder andere Hinderungsgründe vorliegen
Achten Sie darauf, die Verlängerung vor Fristablauf zu beantragen, einen neuen Termin konkret zu benennen, sowie um schriftliche Bestätigung zu bitten. Eine beantragte Verlängerung unterbricht faktisch den Vorwurf der Untätigkeit.
FazitUnzulässige Fristen sind ein stilles Kürzungsmittel beim Bürgergeld. Wer Fristen prüft, rechtzeitig reagiert und seine Rechte konsequent nutzt, schützt sich vor rechtswidrigen Leistungseinstellungen und unnötigem Druck durch das Jobcenter.
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Bürgergeld: Jobcenter wollen in die Wohnung – Dr. Utz Anhalt erteilt deutliche Ansage dazu
Wenn der Außendienst des Jobcenters an der Wohnungstür klingelt, beginnt für viele Bürgergeld-Beziehende ein Moment großer Verunsicherung. Der Außendienst will überprüfen, ob die Angaben im Antrag stimmen – vor allem, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, die den Regelsatz reduzieren würde.
Gesetzlich stützen sie sich auf § 20 Sozialgesetzbuch X. Er erlaubt Ermittlungen, sobald „Erkenntnisse anderer Behörden oder Dritter“ Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben nahelegen. Schon die anonyme Nachbarschaftsanzeige kann daher als begründeter Verdacht genügen, um den Außendienst loszuschicken.
Dr. Utz Anhalt macht klare Ansage an das Jobcenter Dürfen Ermittler des Jobcenters einfach die Wohnung betreten?“Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes gilt auch gegenüber Jobcentern”, betont der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt. “Ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung haben Ermittler kein Hausrecht.”
Wer die Tür nicht öffnet, verhält sich also nicht rechtswidrig. Problematisch ist allerdings ein zweiter Paragraf: § 60 Sozialgesetzbuch I verpflichtet Leistungsberechtigte mitzuwirken.
Verweigern Sie den Zutritt, kann das Jobcenter eine fehlende Mitwirkung behaupten und Leistungen mindern – eine besonders heikle Gratwanderung, weil die Behörde damit Druck ausüben darf, obwohl ihr keine hoheitliche Befugnis zum Eindringen zusteht.
Wie lässt sich die Mitwirkungspflicht erfüllen, ohne die Privatsphäre preiszugeben?Zugleich beides zu wahren – Grundrechtsschutz und Mitwirkung – erfordert Fingerspitzengefühl. Wer einen Verdacht sofort mit Unterlagen, Zeugenaussagen oder eidesstattlichen Versicherungen entkräftet, demonstriert Kooperationsbereitschaft, ohne Ermittler in die Wohnung lassen zu müssen.
Kommt es dennoch zum Besuch, sollten Betroffene selbst einen Zeugen bestimmen. Ein Fachanwalt für Sozialrecht ist ideal, akzeptiert wird aber ebenso ein sachkundiger Freund oder eine Beraterin eines Sozialverbands. “Der Zeuge protokolliert, ob die Kontrolleure Grenzen überschreiten oder unzulässige Schlussfolgerungen ziehen. Auch Ermittler treten meist zu zweit auf, um sich später gegenseitig zu bestätigen – ohne Gegengewicht entsteht leicht ein Beweisnotstand”, sagt der Experte.
Welche Grenzen gelten während eines Hausbesuchs?“Ein erteiltes Betretungsrecht ist kein Freibrief für Durchsuchungsaktionen. Ermittler müssen jede geöffnete Schranktür, jede Schublade, jedes Zimmer einzeln erbitten”, warnt Anhalt.
Wird dies verweigert, hat der Wunsch Vorrang; ein Weiterwühlen wäre Hausfriedensbruch. Wer das Gefühl hat, dass intime Sphären verletzt werden – etwa wenn in Unterwäscheschubladen von Minderjährigen gekramt wird – kann den Besuch jederzeit abbrechen und die Wohnung räumen lassen.
“Die Behörde darf den Abbruch höchstens als Mitwirkungsmangel werten”, sagt Anhalt. “Ein strafrechtlich relevantes Eindringen liegt aber schon dann vor, wenn Kontrolleure nach dem erteilten Stopp weiter Räume durchsuchen.”
Wann spricht das Gesetz von einer Bedarfsgemeinschaft?Der häufigste Streitpunkt bleibt die Frage, ob mehrere Personen wirklich dauerhaft und gemeinsam wirtschaften. Verheiratete oder eingetragene Partner im selben Haushalt gelten unmittelbar als Bedarfsgemeinschaft; das Gleiche vermutet die Behörde bei Eltern mit erwerbsfähigen Kindern unter 25.
Schwieriger wird es bei unverheirateten Paaren oder WG-ähnlichen Konstellationen.
Jobcenter nehmen gern automatisch eine Bedarfsgemeinschaft an, wenn beide Partner mindestens ein Jahr zusammenleben oder ein gemeinsames Kind haben. Diese Praxis ist jedoch keine feste Rechtsnorm.
Sozialgerichte haben wiederholt klargestellt, dass Dauerhaftigkeit und gegenseitiges Einstehen füreinander konkret nachzuweisen sind. Allein die gemeinsame Waschmaschine, der geteilte Kühlschrank oder der Möbelkauf „per Kopf“ reichen nicht, um das Kriterium des gemeinsamen Wirtschaftens zu erfüllen.
“Entscheidend ist vielmehr, ob Ausgaben und Einkommen tatsächlich zusammengelegt werden und ob im Notfall finanzielle Verantwortung füreinander übernommen wird”, mahnt der Sozialrechtsexperte.
Wie wirkt sich eine Bedarfsgemeinschaft auf den Regelsatz aus?Bürgergeld wird in sechs Regelbedarfsstufen bewilligt. Alleinstehende in Stufe 1 erhalten seit 1. Januar 2025 unverändert 563 Euro monatlich.
Wer als Teil einer Bedarfsgemeinschaft in Stufe 2 geführt wird, bekommt pro Erwachsene nur 506 Euro. Der Anreiz für die Behörde, eine Bedarfsgemeinschaft festzustellen, ist somit erheblich. Umso wichtiger ist es, die tatsächlichen Lebens- und Finanzverhältnisse rechtssicher zu dokumentieren.
Welche Beweise helfen im Konfliktfall mit dem Jobcenter?Betroffene haben das Recht, nach erfolgloser Ermittlung den Namen des Hinweisgebers zu erfahren, wenn sich der Verdacht als haltlos erweist. “Verweigert das Jobcenter die Auskunft, kann das Sozialgericht zur Herausgabe verpflichten – ein wirksames Mittel gegen böswillige Denunziation”, bestätigt Anhalt.
Daneben schützen Zeitzeugenprotokolle, Kontoauszüge mit strikt getrennten Zahlungsströmen und schriftliche Vereinbarungen über Kostenbeteiligungen.
Anhalt gibt noch einen Tipp: “Wer eine Wohnung teilt, ohne eine Paarbeziehung zu führen, sollte Quittungen einzeln ausstellen und Barzahlungen quittieren lassen, um gemeinsame Wirtschaftstätigkeit widerlegen zu können.”
Warum kann ein Untermietvertrag Druck aus dem Kessel nehmen?
Ein schlichter Untermietvertrag erweist sich oft als eleganteste Lösung. Er dokumentiert gegenüber der Behörde, dass zwischen den Bewohnenden ein Miet- und kein Lebensgemeinschaftsverhältnis besteht.
Wer einer Partnerin oder einem Freund ein Zimmer untervermietet, legt darin Miete, Nebenkosten und Pflichten fest. Kommt das Jobcenter später mit dem Vorwurf der Bedarfsgemeinschaft, genügt meist der Blick in den Vertrag, um die Annahme zu widerlegen.
Denn wer in einem zivilrechtlichen Mietverhältnis steht, kann nicht zugleich ohne weiteres in der solidarischen Einstehgemeinschaft leben, die das Gesetz als Bedarfsgemeinschaft definiert.
Wie geht es weiter, wenn das Jobcenter Leistungen kürzt?Fallen Sanktionen wegen angeblich fehlender Mitwirkung oder weil eine Bedarfsgemeinschaft konstruiert wurde, sind Widerspruch und einstweiliger Rechtsschutz die nächsten Schritte. Binnen eines Monats sollte schriftlicher Widerspruch eingelegt werden.
Weist das Jobcenter ihn zurück, steht der Klageweg zum Sozialgericht offen. Wird der Lebensunterhalt konkret gefährdet, ordnen Gerichte häufig im Eilverfahren die Weiterzahlung in voller Höhe an, bis der Sachverhalt geklärt ist. Schnelligkeit ist dabei entscheidend, denn der Regelsatz deckt lediglich das Existenzminimum.
Selbstbewusstsein statt OhnmachtEin Hausbesuch des Jobcenters ist kein rechtsfreier Raum. Wer seine Wohnungstür öffnet, behält trotzdem das Hausrecht und kann Grenzen ziehen. Zugleich verlangt das Sozialrecht Mitwirkung in zumutbarem Umfang. Informierte Bürgergeld-Bezieher finden die Balance zwischen Kooperation und Selbstschutz, wenn sie Verdachtsmomente zügig ausräumen, Zeugen hinzuziehen, unzulässige Durchsuchungen stoppen und Rechtsbehelfe ausschöpfen.
Mit juristisch wasserdicht getrennten Finanzen – gegebenenfalls untermauert durch einen Untermietvertrag –läuft das Jobcenter am Ende oft ins Leere, und das verbriefte Grundrecht auf eine menschenwürdige Existenz bleibt gewahrt.
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Pflegegeld 2026: Volles Entlastungsbudget jetzt richtig nutzen
2026 ist für viele Pflegehaushalte besonders, weil es für viele das erste Kalenderjahr ist, in dem das Entlastungsbudget vom 1. Januar bis 31. Dezember komplett planbar ist. Genau deshalb lohnt sich eine klare Routine, die das Budget über zwölf Monate kontrollierbar macht.
Warum 2026 das entscheidende Jahr istSeit dem 1. Juli 2025 sind Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege in einem gemeinsamen Topf gebündelt. 2025 war ein Übergangsjahr: Leistungen aus dem ersten Halbjahr 2025 konnten den Jahresrahmen beeinflussen, wodurch der Überblick für viele Haushalte kaum sauber zu halten war.
2026 ist dagegen das erste Jahr, in dem der Jahresbetrag ohne „Halbjahres-Effekt“ als echtes Jahresbudget funktioniert. Das erleichtert die Rechnung – aber nur, wenn Sie konsequent mit dem Kalenderjahr, dem Leistungszeitraum und der Abrechnungsquelle arbeiten.
Anspruch besteht grundsätzlich ab Pflegegrad 2, die Nutzung erfolgt kalenderjährlich, und Verhinderungspflege ist seit Juli 2025 in der Dauer auf bis zu acht Wochen erweitert; gleichzeitig entfiel die frühere Vorpflegezeit. Das sind die Eckpfeiler, auf denen Ihr Jahresplan 2026 steht.
2026 sauber planen – die 3-Schritte-Routine, die am Jahresende spartWer 2026 „sauber“ plant, führt das Entlastungsbudget wie ein Konto, nicht wie eine lose Belegsammlung. Dafür reichen drei Schritte, die Sie einmal aufsetzen und dann nur noch fortschreiben.
Erstens notieren Sie zum Jahresstart den Startsaldo: 3.539 Euro als Jahresrahmen und ein klarer Aktenvermerk „Kalenderjahr 2026“.
Zweitens erfassen Sie jede Inanspruchnahme in einer Zeile, unabhängig davon, ob Sie selbst Unterlagen bekommen: Leistungsart (Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege), Leistungszeitraum (von/bis), Betrag und wer abgerechnet hat (Sie oder Leistungserbringer direkt).
Drittens machen Sie einen festen Abgleichrhythmus: einmal pro Quartal fordern Sie eine aktuelle Übersicht bei der Pflegekasse an oder lassen sich die bisherigen Abrechnungen bestätigen, damit Direktabrechnungen nicht „unsichtbar“ bleiben und erst Monate später als Schock auftauchen.
Gerade bei Kurzzeitpflege ist das Gegenteil typisch: Einrichtungen rechnen häufig direkt mit der Pflegekasse ab. Bei Ihnen taucht dann nur der Eigenanteil auf, während der pflegebedingte Anteil längst über das Entlastungsbudget gelaufen ist.
Wenn Sie den Restbetrag prüfen, dürfen Sie daher nie nur mit Ihren Ordnern rechnen, sondern müssen die Kassenübersicht als Maßstab nehmen – sonst fehlt Ihnen der größte Budgetposten.
Die 8-Stunden-Falle: Warum Ihr Budget sinkt, aber Ihre „Tage“ nichtEin häufiger Grund für Streit und Verwirrung ist die Unterscheidung zwischen stundenweiser und tageweiser Ersatzpflege. Wenn die Pflegeperson an einem Tag weniger als 8 Stunden verhindert ist, gilt stundenweise Ersatzpflege.
Dann wird zwar Geld aus dem Jahresbetrag verbraucht, es erfolgt aber keine Anrechnung auf die Höchstdauer, und das Pflegegeld läuft für diesen Tag in der Regel voll weiter.
Das bedeutet praktisch: Sie können viele stundenweise Einsätze haben, ohne dass Ihnen „Tage“ abgezogen werden – finanziell kann der Topf trotzdem schnell schrumpfen.
Fällt die Pflegeperson 8 Stunden oder länger aus, wird tageweise gerechnet. Dann wird die Nutzung auf die Höchstdauer angerechnet; außerdem wird das Pflegegeld während dieser Tage typischerweise hälftig weitergezahlt.
Für die Jahresplanung 2026 heißt das: Wer nur auf „verbleibende Tage“ schaut, übersieht oft den entscheidenden Engpass – nämlich den Geldverbrauch.
Angehörige als Ersatzpflege: Wo sich 2026 besonders häufig Geld verliertSobald nahe Angehörige oder Personen aus dem Haushalt einspringen, gelten besondere Grenzen. In der Praxis führt das zu zwei gegensätzlichen Fehlerbildern: Entweder wird zu viel erwartet („voller Tagessatz wie beim Dienst“), oder es wird zu wenig erstattet, weil belegbare Aufwendungen nicht geltend gemacht wurden.
Für den Artikel reicht eine klare Leitlinie: Die Vergütung an nahe Angehörige ist gedeckelt, zusätzlich können notwendige Aufwendungen wie Fahrtkosten oder Verdienstausfall erstattungsfähig sein – solange der Jahresbetrag insgesamt nicht überschritten wird und die Nachweise stimmen.
Wenn 2026 das erste volle Jahr ist, in dem Haushalte solche Einsätze über Monate verteilen, summieren sich kleine Dokumentationslücken schnell zu realem Geldverlust.
So prüfen Sie den Verbrauch wirklich – in einer Reihenfolge, die Streit vermeidetWenn Sie die Kasse oder einen Leistungserbringer prüfen, gehen Sie in dieser Reihenfolge vor, weil sie objektiv ist und sofort zeigt, wo die Abweichung entsteht.
Zuerst nageln Sie das Kalenderjahr fest. Sie prüfen immer pro Kalenderjahr; bei Rechnungen über den Jahreswechsel müssen die Leistungstage eindeutig getrennt sein, sonst verschiebt sich Verbrauch zwischen zwei Jahren und der Restbetrag wirkt falsch.
Dann klären Sie die Leistungsart je Vorgang. Auch wenn es „ein Topf“ ist, muss jede Position nachvollziehbar als Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege erkennbar sein, inklusive Leistungszeitraum.
Danach machen Sie die Abrechnungsquelle sichtbar. Die entscheidende Frage lautet: Wurde das direkt abgerechnet, ohne dass Sie es als Rechnung sehen? Gerade 2026, wenn Sie über zwölf Monate planen, ist dieser Punkt die häufigste Ursache für unerklärlich sinkende Restbeträge.
Zum Schluss markieren Sie, ob der Einsatz stundenweise oder tageweise war. Das ist der Prüfpunkt, der erklärt, warum Budget verschwindet, obwohl „Tage“ scheinbar bleiben.
Mini-Rechenbeispiel: Warum 2026 ohne Quartalsabgleich schnell unübersichtlich wirdStart 2026: 3.539 Euro.
Im Februar rechnet eine Einrichtung nach einer Kurzzeitpflege-Phase direkt mit der Kasse 1.420 Euro ab. Im Frühjahr nutzen Sie sechs Mal stundenweise Ersatzpflege, jeweils 4 Stunden, insgesamt 24 Stunden à 35 Euro, also 840 Euro. Stand danach: 1.279 Euro Rest.
Genau solche Effekte summieren sich über zwölf Monate. Wer 2026 als erstes volles Budgetjahr ohne regelmäßigen Abgleich führt, merkt die 1.420 Euro aus der Direktabrechnung oft erst, wenn es zu spät ist, um Widersprüche, Zuordnungsfehler oder doppelte Zeiträume noch sauber zu klären.
Mustertext: So fordern Sie die Verbrauchsübersicht an, die Sie für 2026 brauchen„Bitte übermitteln Sie mir eine Übersicht über alle im Kalenderjahr 2026 abgerechneten Leistungen im Rahmen des gemeinsamen Jahresbetrags (Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege), jeweils mit Leistungszeitraum, Leistungsart, Betrag und Leistungserbringer. Zusätzlich bitte ich um eine fallbezogene Aufschlüsselung aller Abrechnungen, die Leistungserbringer direkt mit Ihnen abgerechnet haben. Ich benötige die Unterlagen zur Prüfung des bereits verbrauchten Anteils und des aktuellen Restanspruchs.“
Für den Fokus ist wichtig: Sie verlangen nicht „Informationen beliebiger Art“, sondern genau die Daten, die eine Jahresplanung erst möglich machen.
Der schnelle Jahrescheck im Herbst: Was Sie bis Ende 2026 nicht verpassen solltenWer den Fokus „2026 als erstes volles Jahr“ ernst nimmt, sollte im vierten Quartal noch einmal besonders streng prüfen: Welche Beträge sind tatsächlich bis dahin abgerechnet, welche Leistungen hängen als Nachreichung noch in der Luft, und ob der Restbetrag real ist oder nur scheinbar, weil Abrechnungen verzögert kommen. Das schützt vor dem typischen Dezember-Problem: Sie planen mit einem Restbudget, das wenige Wochen später durch verspätete Direktabrechnungen zusammenschmilzt.
Kurz-FAQ
Muss ich Verhinderungspflege beantragen?
Wer Streit vermeiden will, klärt vorab mit der Pflegekasse, dokumentiert Zeitraum und Ersatzpflegeperson und hält Nachweise bereit. Nachträgliche Einreichungen sind praktisch möglich, aber fehleranfällig, wenn Details später bestritten werden.
Warum sieht meine Rechnung anders aus als der Budgetverbrauch?
Weil bei Kurzzeitpflege häufig direkt abgerechnet wird und bei Ihnen nur Eigenanteile landen. Der Budgetverbrauch steht dann in der Kassenübersicht, nicht zwingend in Ihrem Ordner.
Warum habe ich noch „Tage“, aber kaum noch Geld?
Weil stundenweise Einsätze Geld verbrauchen, aber nicht auf die Höchstdauer angerechnet werden. Der Topf kann leer sein, obwohl rechnerisch noch „Tage“ möglich wirken.
Was ist der wichtigste Planungsschritt für 2026?
Nicht am Jahresende rechnen, sondern quartalsweise abgleichen: Kalenderjahr, Leistungszeitraum, Leistungsart, Direktabrechnung und stundenweise/tageweise – das ist die Kontrolllogik, die zwölf Monate trägt.
- Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Gemeinsamer Jahresbetrag/Entlastungsbudget ab 1. Juli 2025, Eckpunkte zur Verhinderungs- und Kurzzeitpflege
- Hinweise/Informationsmaterialien der Pflegekassen und Verbände zur Umsetzung des gemeinsamen Jahresbetrags, Abrechnung und Auskunft gegenüber Versicherten
- Verbraucherzentralen: Praxisinformationen zu Verhinderungspflege, stundenweise/tageweise Abgrenzung, Pflegegeld-Auswirkungen, Ersatzpflege durch Angehörige und Aufwendungsersatz
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Drei häufige Fehler bei der Feststellung einer Schwerbehinderung – Tue das nicht
Wer heute in Deutschland einen Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung stellt, bewegt sich in einem Verfahren, das auf den ersten Blick klar wirkt, in der Praxis aber erstaunlich oft an Details scheitert.
Viele Ratsuchende kommen erst dann zur Beratung, wenn sich Fehler im Antrag bereits verfestigt haben und nur noch mühsam zu korrigieren sind.
Was der Schwerbehindertenausweis rechtlich festhält – und was nichtDie umgangssprachliche Rede vom „Schwerbehindertenausweis“ verdeckt, dass es im Kern um einen Verwaltungsakt geht: Die zuständige Behörde stellt auf Antrag den Grad der Behinderung fest und erlässt dazu einen Bescheid. Rechtsgrundlage ist das Sozialgesetzbuch IX; wer einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 hat und die weiteren Voraussetzungen erfüllt, gilt im Sinne des Gesetzes als schwerbehindert.
Die Regeln für die Bewertung liefert die Versorgungsmedizin-Verordnung mit ihren versorgungsmedizinischen Grundsätzen, die die Beeinträchtigung der Teilhabe nach Zehnergraden einordnet.
Entscheidend ist dabei ein Punkt, der in der öffentlichen Wahrnehmung häufig untergeht: Diagnosen allein „zählen“ nicht, wenn sie sich nicht in alltagsrelevanten Funktionsbeeinträchtigungen niederschlagen.
Das lässt sich in Behördeninformationen sehr klar wiederfinden: Maßgeblich ist das Ausmaß von Funktionsausfällen; Gesundheitsstörungen ohne Funktionsausfall wirken sich nicht auf den Grad der Behinderung oder auf gesundheitliche Merkmale aus, die Nachteilsausgleiche eröffnen.
Aus diesem Grund ist es oft zu kurz gedacht, den Ausweis als allgemeines „Plus“ zu betrachten. Viele Erleichterungen hängen nicht am bloßen Status, sondern an zusätzlichen Feststellungen zu gesundheitlichen Merkmalen – häufig bekannt über die sogenannten Merkzeichen. Sie entscheiden etwa darüber, ob im Alltag Vorteile im öffentlichen Nahverkehr, steuerliche Entlastungen oder bestimmte Parkerleichterungen erreichbar sind.
Fehler, die in der Beratung immer wieder auftauchenDer Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt schildert drei Missgeschicke, die in der Beratungspraxis auffällig häufig vorkommen. Sie wirken banal, weil sie weniger mit komplizierter Paragrafenlektüre zu tun haben als mit Vorbereitung, Kommunikation und einer realistischen Erwartung an das Verfahren. Gerade deshalb treffen sie viele.
Wenn am Ende die Frage steht: „Und was bringt mir das jetzt?“Der erste Fehler beginnt nicht im Formular, sondern im Ziel. In Beratungen wird offenbar immer wieder erreicht, dass ein Schwerbehindertenstatus anerkannt wird – notfalls über Widerspruch oder vor Gericht. Und dennoch kommt am Ende die verblüffte Nachfrage, wofür das Ergebnis im Alltag überhaupt genutzt werden kann. Dass diese Frage nicht selten erst nach einem langen Verfahren gestellt wird, ist mehr als eine Anekdote; sie zeigt ein strukturelles Missverständnis.
Denn der Nutzen ist stark abhängig von der Lebenssituation. Wer noch im Arbeitsleben steht, kann durch die Anerkennung – je nach Konstellation – beispielsweise bessere Schutzrechte oder arbeitsrechtliche Nachteilsausgleiche erhalten.
Wer bereits im Ruhestand ist, erlebt dagegen häufig, dass der praktische Effekt kleiner ausfällt, wenn keine zusätzlichen gesundheitlichen Merkmale festgestellt werden. Eine spürbare Entlastung kann dann eher im Steuerrecht liegen, etwa über den Behinderten-Pauschbetrag, der sich nach dem Grad der Behinderung staffelt und bei einem GdB von 50 derzeit mit 1.140 Euro angesetzt wird.
Ein Antrag ist nicht automatisch „besser als keiner“. Er kann Aufwand bedeuten, er kann Zeit binden, er kann Erwartungen aufbauen – und er kann, wenn er ohne klaren Zweck gestellt wird, am Ende enttäuschen.
In der Beratung lautet deshalb die pragmatische Vorfrage: Gibt es realistische Aussichten auf die Feststellung solcher gesundheitlicher Merkmale, die im Alltag tatsächlich zu spürbaren Nachteilsausgleichen führen? Erst mit dieser Perspektive wird aus einem abstrakten Status ein Instrument, das konkret hilft.
Das Verfahren steht und fällt mit Arztberichten – nicht mit einem großen UntersuchungsterminDer zweite Fehler betrifft eine verbreitete Annahme: Viele erwarten nach Antragstellung eine klassische Begutachtung durch einen Amtsarzt, ähnlich wie man es aus anderen sozialrechtlichen Verfahren kennt oder zumindest vermutet. Im Schwerbehindertenrecht läuft es in der Praxis jedoch oft anders.
Behörden greifen typischerweise auf die vorhandenen medizinischen Unterlagen zurück, fordern Berichte bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten an und werten diese aus; wie schnell ein Bescheid ergehen kann, hängt ausdrücklich davon ab, wie vollständig der Antrag ist und wie schnell die genannten Stellen antworten.
Damit verschiebt sich das Risiko: Nicht die Fähigkeit, bei einem Untersuchungstermin „gut zu wirken“, entscheidet, sondern die Qualität dessen, was schriftlich vorliegt. Und hier entsteht nach der Erfahrung aus der Beratung ein typisches Problem.
Ärztliche Befundberichte beschreiben häufig Diagnosen und Symptome, aber nicht zwingend die Folgen für die Teilhabe im Alltag. Genau das ist jedoch das, was für die Bewertung des Grades der Behinderung und möglicher gesundheitlicher Merkmale gebraucht wird: Welche Tätigkeiten sind nicht mehr möglich? Welche Wege sind nur unter Schmerzen oder gar nicht zu bewältigen? Was wurde bereits behandelt, mit welchem Erfolg, und wo bleiben Einschränkungen dauerhaft bestehen?
In dem Moment, in dem solche Informationen fehlen oder unpräzise bleiben, wird es für die Sachbearbeitung schwieriger, die tatsächliche Tragweite einzuordnen.
Hinzu kommt ein rein praktischer Aspekt, den Behörden selbst indirekt bestätigen: Verzögerungen entstehen, wenn Arztpraxen Befundanforderungen spät beantworten oder Unterlagen nicht vollständig vorliegen.
Wer eigene aktuelle Unterlagen beifügt, kann ein Verfahren beschleunigen, weil weniger nachgefordert werden muss.
Im Alltag bedeutet das: Der Antrag ist kein „einmal abschicken und warten“-Vorgang, sondern ein Prozess, bei dem die Schnittstelle zur Arztpraxis eine der häufigsten Engstellen ist.
Der Neufeststellungsantrag kann nach hinten losgehen – besonders vor der RenteDer dritte Fehler ist besonders heikel, weil er eine intuitive Logik bedient, wie Anhalt betont: Wenn sich eine Krankheit verschlimmert, scheint ein Antrag auf höhere Einstufung naheliegend. Tatsächlich setzt ein Änderungs- oder Neufeststellungsantrag aber regelmäßig eine umfassende Neubewertung in Gang – und damit auch die Möglichkeit, dass die Behörde am Ende zu einem niedrigeren Grad der Behinderung kommt als zuvor. Sozialverbände weisen ausdrücklich auf dieses Risiko hin und raten in bestimmten Lebenslagen zu großer Vorsicht.
Die Brisanz steigt, wenn der Schwerbehindertenstatus für die Altersrente eingeplant ist. Die Altersrente für schwerbehinderte Menschen verlangt unter anderem einen festgestellten GdB von mindestens 50 sowie die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren; fällt der GdB unter diese Schwelle, steht diese Rentenart nicht mehr offen.
Wer kurz vor dem geplanten Renteneintritt eine Neubewertung anstößt, kann sich – im ungünstigen Fall – selbst die Grundlage entziehen, auf der die vorgezogene Altersrente beruht. Genau deshalb warnen Verbände davor, eine Neufeststellung „aus Prinzip“ zu betreiben, ohne dass die Verschlechterung dauerhaft, gut dokumentiert und im Verfahren belastbar darstellbar ist.
Hier wird deutlich, dass das Schwerbehindertenrecht nicht nur medizinische, sondern auch zeitliche und strategische Fragen berührt. Ein Verfahren kann dauern; gleichzeitig kann sich die persönliche Lage verändern. Wer sich in dieser Phase unberaten in eine Neubewertung begibt, geht nicht nur das Risiko einer Herabstufung ein, sondern auch das Risiko, dass ein langer Streit die eigene Planung belastet.
Warum diese drei Punkte zusammenhängenDie drei Missgeschicke wirken auf den ersten Blick unabhängig voneinander. In der Praxis greifen sie ineinander. Wer ohne klares Ziel startet, wird den Antrag eher „irgendwie“ ausfüllen und das Verfahren sich selbst überlassen.
Wer den Stellenwert der Arztberichte unterschätzt, merkt oft erst bei einer Ablehnung, dass entscheidende Informationen fehlen. Wer schließlich bei einer Neufeststellung nur auf „mehr Grad der Behinderung“ hofft, übersieht, dass ein Antrag immer auch eine erneute Gesamtschau auslösen kann.
Das Verfahren ist dabei keineswegs willkürlich. Es ist regelgebunden, es beruht auf gesetzlichen Vorgaben und auf Bewertungsmaßstäben, die in der Versorgungsmedizin-Verordnung beschrieben sind.
Zugleich wird sichtbar, wie stark die Entscheidung an der Darstellung der alltagsbezogenen Funktionsbeeinträchtigungen hängt. Wer das verstanden hat, erkennt auch, warum eine gut vorbereitete Antragstellung weniger mit „Tricks“ zu tun hat als mit präziser Dokumentation und einer realistischen Einschätzung der eigenen Lage.
Was vor der Antragstellung geklärt sein sollteAus dem Script lässt sich eine Art Prüfroutine ableiten, die ohne juristische Fachsprache auskommt. Sie beginnt mit dem Nutzen: Welche konkreten Verbesserungen im Alltag sind überhaupt zu erwarten, und hängen diese eher am GdB oder an zusätzlichen gesundheitlichen Merkmalen?
Sie geht weiter mit dem Risiko: Wird durch den Antrag eine Neubewertung ausgelöst, die zu einer Verschlechterung der eigenen Rechtsposition führen kann, etwa weil bestehende Feststellungen überprüft werden?
Und sie endet bei der medizinischen Seite: Liegt eine ärztliche Einschätzung vor, die die tatsächlichen Einschränkungen im Alltag nachvollziehbar beschreibt und die Entwicklung des Gesundheitszustands plausibel macht?
Wer diese Fragen in Ruhe beantwortet, hat noch keinen Bescheid – aber er reduziert die Wahrscheinlichkeit, in genau jene typischen Fallen zu laufen, die Beratungsstellen regelmäßig beschäftigen. Und er gewinnt etwas, das im Sozialrecht oft wichtiger ist als Tempo: Verlässlichkeit in der eigenen Planung.
QuellenSozialgesetzbuch IX, § 2 (Definition schwerbehinderter Mensch). Sozialgesetzbuch IX, § 152 (Feststellung der Behinderung, Ausweise).
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73 Stunden nach Zugang der Kündigung – Diese Frist ist jetzt wichtig für die Abfindung
Eine Kündigung wird von vielen Arbeitnehmern als endgültige Niederlage wahrgenommen. Tatsächlich markiert sie häufig erst den Beginn eines rechtlich relevanten Prozesses.
In diesem Prozess können Sie die Höhe einer Abfindung ebenso beeinflussen wie Ihre zukünftige Position bei Bewerbungen, Sie können finanziell profitieren und den Übergang in die nächste Beschäftigung erleichtern.
Mit dem Zugang der Kündigung verschiebt sich die Ausgangslage: Der Arbeitgeber muss seine Entscheidung rechtfertigen, der Arbeitnehmer erhält einklagbare Rechte. Ob daraus ein Nachteil oder eine Verhandlungsposition entsteht, entscheidet allein das Verhalten in den ersten Wochen.
Sofortige Blockade der KündigungswirkungDie Kündigungsschutzklage ist kein formaler Akt, sondern ein gezielter Eingriff in das Machtgefüge. Mit ihrer fristgerechten Einreichung verhindern Sie, dass die Kündigung automatisch wirksam wird. Solange das Verfahren läuft, ist rechtlich offen, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet wurde. Diese Unsicherheit ist der zentrale Hebel auf Arbeitnehmerseite.
Volle Beweislast beim ArbeitgeberAb Klageeinreichung liegt die Darlegungs- und Beweislast vollständig beim Arbeitgeber. Er muss konkret darlegen, warum die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, formell korrekt erfolgte und verhältnismäßig war. Interne Entscheidungsprozesse, Leistungsbewertungen, Abmahnungen oder Sozialauswahlkriterien werden überprüfbar und damit angreifbar. Pauschale Vorwürfe oder nachgeschobene Begründungen reichen nicht aus.
Erzwingung eines kosten- und risikoreichen VerfahrensDie Klage zwingt den Arbeitgeber in ein strukturiertes Gerichtsverfahren. Dieses verursacht Anwaltskosten, bindet Personalressourcen und erzeugt ein reales Verlustrisiko. Führungskräfte müssen Stellung nehmen, interne Abläufe werden offengelegt. Je länger das Verfahren dauert, desto größer wird der wirtschaftliche und organisatorische Druck.
Geschwindigkeit vor AusarbeitungFür die Wirksamkeit der Klage ist allein ihre rechtzeitige Einreichung entscheidend. Eine detaillierte Begründung ist zunächst nicht erforderlich. Strategisch ist es sinnvoll, zunächst fristwahrend zu klagen und die Argumentation später auszuarbeiten. Jede Verzögerung schwächt die Position; jede schnelle Klage verschiebt sie.
Öffnung des VerhandlungsraumsIn der Praxis enden die meisten Kündigungsschutzverfahren nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Vergleich. Abfindung, Zeugnis, Freistellung und Beendigungsdatum werden erst durch den Klagedruck verhandelbar. Die Klage dient damit weniger der Rückkehr in den Betrieb als der wirtschaftlichen und reputativen Absicherung.
Typische Fehler bei der KlageeinreichungEin häufiger Fehler ist das Abwarten auf Gespräche oder Angebote. Jede Verzögerung verkürzt faktisch den Handlungsspielraum. Ebenso verbreitet ist der Irrtum, ein Widerspruchsschreiben an den Arbeitgeber sichere Rechte. Das ist falsch: Nur die Klage beim Arbeitsgericht wahrt die Frist.
Problematisch ist auch der Versuch, vor Klageeinreichung „alles klären zu wollen“. Wer erst Beweise sammelt, Gespräche führt oder rechtliche Bewertungen abwartet, riskiert den Fristablauf. Inhaltliche Ergänzungen sind jederzeit möglich – eine versäumte Frist nicht.
Ein weiterer strategischer Fehler ist die vorschnelle Preisgabe der eigenen Ziele. Wer früh signalisiert, dass er ohnehin nicht zurückkehren will oder „nur eine Abfindung“ anstrebt, schwächt seine Verhandlungsposition erheblich.
Die ersten 73 Stunden nach Zugang der KündigungStunde 0–6
Zugangstag und Uhrzeit exakt festhalten. Umschlag aufbewahren, Zustellart dokumentieren. Schriftform prüfen (Originalunterschrift).
Stunde 6–24
Arbeitsvertrag, Abmahnungen, Beurteilungen und Zeugnisse sichern. Relevante E-Mails, Kalender, Chatverläufe archivieren. Gedächtnisnotizen zu Gesprächen und Vorgängen anfertigen.
Stunde 24–48
Kündigungsschutzklage vorbereiten oder einreichen – auch ohne Begründung. Keine Gespräche mit dem Arbeitgeber führen. Keine Aufhebungs- oder Abgeltungsvereinbarungen unterschreiben.
Stunde 48–73
Arbeitssuchendmeldung bei der Agentur für Arbeit (spätestens drei Tage nach Kenntnis vom Enddatum). Beweismittel strukturieren. Eigene Strategie festlegen, aber nicht kommunizieren.
Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Maßgeblich ist der tatsächliche Eingang, nicht das Absendedatum. Wird die Frist versäumt, gilt die Kündigung kraft Gesetzes als wirksam – selbst wenn sie objektiv rechtswidrig war.
Weder Widersprüche beim Arbeitgeber noch anwaltliche Schreiben hemmen die Frist. Gespräche oder Vergleichsverhandlungen ebenfalls nicht. Eine nachträgliche Zulassung ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich und praktisch schwer durchsetzbar.
Der Gütetermin – taktisch zerlegtDer Gütetermin ist keine rechtliche Prüfung, sondern ein strukturiertes Positions- und Druckgespräch. Das Gericht testet nicht die Wahrheit, sondern die Standfestigkeit. Entscheidend ist nicht, wer recht hat, sondern wer glaubhaft signalisiert, das Verfahren durchzuhalten.
Phase 1: PositionsfestlegungDer Richter eröffnet meist mit einer offenen Frage oder einer neutralen Zusammenfassung. Ziel ist nicht Überzeugung, sondern Einordnung. Ruhig bleiben, knapp antworten, keine Rechtfertigungen, keine Zahlen.
Phase 2: Vorläufige EinschätzungDas Gericht äußert häufig eine vorsichtige Einschätzung. Diese ist kein Urteil, sondern ein Verhandlungsinstrument. Zustimmung nur abstrakt, keine Detaildiskussion. Unsicherheit nicht auflösen.
Phase 3: Erstes VergleichsangebotDas erste Angebot ist immer ein Test. Es ist regelmäßig niedrig. Taktisch richtig ist die sachliche Ablehnung ohne Gegenforderung. Wer hier verhandelt, signalisiert Vergleichsdruck.
Phase 4: Gerichtlicher DruckHinweise auf Kosten, Dauer und Risiken richten sich faktisch vor allem an den Arbeitgeber. Dieser Druck wirkt nur, wenn er nicht abgefedert wird. Keine Beschwichtigung, keine Eile signalisieren.
Phase 5: Vertagung oder WendepunktKommt kein Vergleich zustande, ist das kein Scheitern. Häufig verbessern Arbeitgeber ihre Angebote erst nach dem Gütetermin, wenn klar wird, dass kein schneller Ausstieg möglich ist.
Vergleichs-Checkliste für den Abschluss vor dem ArbeitsgerichtWenn es zu einem Abschluss vor dem Arbeitsgericht kommt, müssen Sie zahlreiche Punkte prüfen, bevor Sie diesem zustimmen sollten. Hier ein in zehn Bereiche gegliederte Checkliste, mit der Sie erkennen, ob die wichtigen Fragen geklärt sind.
1. Abfindung – sauber, klar, belastbar- Bruttobetrag eindeutig beziffert (keine Spannen, keine Formeln)
- Fälligkeit klar geregelt (konkretes Datum oder Ereignis)
- Zahlungsweg festgelegt (Überweisung, Konto)
- Keine Rückzahlungsklauseln
- Keine Verrechnung mit angeblichen Forderungen
- Keine Kopplung an Zeugnis oder sonstige Bedingungen
- Konkretes Beendigungsdatum festgelegt
- Abgleich mit Arbeitslosengeld-Ansprüchen
- Sperrzeitrisiko berücksichtigt
- Sozialversicherungsrechtliche Folgen geprüft
- Restlaufzeit bewusst verlängert, wenn vorteilhaft
Ein falsch gewähltes Beendigungsdatum kann mehr kosten als eine zu niedrige Abfindung.
3. Freistellung – bezahlt und eindeutig- Bezahlte Freistellung ausdrücklich geregelt
- Unwiderruflich oder widerruflich klar benannt
- Anrechnung von Urlaub und Überstunden eindeutig
- Keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung
- Zugriff auf E-Mail, Systeme, Unterlagen geregelt
Unklare Freistellung erzeugt Nachforderungen und Streit – Eindeutigkeit schützt.
4. Arbeitszeugnis – Wortlaut fixieren- Qualifiziertes Endzeugnis vereinbart
- Gesamtnote ausdrücklich festgelegt
- Schlussformel konkret geregelt
- Keine „wohlwollend, wahrheitsgemäß“-Floskeln ohne Inhalt
- Wortlaut als Anlage oder verbindlich beschrieben
- Zeugnis vor Auszahlung der Abfindung fällig
Ein gutes Zeugnis wirkt länger als jede Abfindung.
5. Urlaub, Überstunden, Boni- Resturlaub ausdrücklich abgegolten oder genommen
- Überstunden geregelt (Auszahlung oder Abgeltung)
- Variable Vergütung, Boni, Provisionen einbezogen
- Zielvereinbarungen berücksichtigt
- Keine stillschweigenden Verfallsannahmen
Was nicht geregelt ist, gilt im Zweifel als erledigt – zu Lasten des Arbeitnehmers.
6. Wettbewerbs-, Verschwiegenheits-, Rückgabeklauseln- Keine nachträglichen Wettbewerbsverbote
- Verschwiegenheit nur gesetzlich üblich
- Keine Vertragsstrafen
- Rückgabe von Arbeitsmitteln klar terminiert
- Keine Schuldanerkenntnisse
Jeder zusätzliche Absatz kann neue Risiken schaffen.
7. Kosten und Steuern- Gerichtskostenregelung klar
- Anwaltskosten korrekt berücksichtigt
- Steuerhinweis zur Abfindung (Fünftelregelung)
- Keine steuerlich problematischen Gestaltungen
Ein formell schlechter Vergleich kann steuerlich teuer werden.
8. Sozialrechtliche Absicherung- Formulierungen zur Vermeidung von Sperrzeiten
- Keine Aussagen zu Eigenkündigung oder Fehlverhalten
- Neutraler Beendigungstatbestand
- Unterstützende Formulierungen für Arbeitsagentur
Sozialrechtliche Nebenwirkungen werden oft unterschätzt – zu Unrecht.
9. Generalquittung – mit Maß- Ansprüche klar benannt
- Keine pauschale „Erledigung aller denkbaren Ansprüche“
- Ausnahmen (z. B. Zeugnis, Abfindung, Altersversorgung) explizit
- Keine unbekannten oder zukünftigen Ansprüche ausgeschlossen
Eine zu weit gefasste Generalquittung vernichtet Rechte.
10. Schlussprüfung vor Zustimmung- Vergleich vollständig vorgelesen oder geprüft
- Keine offenen Punkte oder mündlichen Zusagen
- Keine Eile durch Gericht oder Gegenseite
- Folgewirkungen verstanden
- Bewusste Entscheidung – kein Druck
Ein gerichtlicher Vergleich ist endgültig. Korrekturen sind praktisch ausgeschlossen.
Abfindung, Zeugnis und ZukunftEine Abfindung ist kein Anspruch, sondern das Ergebnis von Risiko. Ohne Klage kein Risiko, ohne Risiko kein Vergleich. Zeugnisse werden häufig erst unter Klagedruck verhandelbar. Im Vergleich lassen sich Formulierungen verbindlich festschreiben – mit langfristiger Wirkung auf Bewerbungen und Karriere.
Auch gegenüber der Arbeitsagentur wirkt eine Klage. Sie dokumentiert fehlendes Einverständnis mit der Beendigung und kann bei Sperrzeiten relevant sein.
Checkliste: Kündigungsschutzklage strukturiert vorbereitenJe besser Sie Ihre Kündigungsschutzklage planen und umsetzen, desto besser ist Ihre Ausgangslage für das folgende Verfahren und umso größer sind Ihre Chancen, am Ende als Sieger herauszugehen.
Formalien einhalten und überprüfen- Zugangstag und -uhrzeit der Kündigung dokumentiert
- Originalkündigung mit Unterschrift geprüft
- Zustellart festgehalten (Post, Bote, Einwurf, Übergabe)
- Drei-Wochen-Frist berechnet
- Klage rechtzeitig beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht
- Arbeitssuchendmeldung bei der Agentur für Arbeit vorgenommen
- Arbeitsvertrag und Nachträge gesichert
- Abmahnungen, Beurteilungen, Zielvereinbarungen gesammelt
- Zeugnisse und relevante E-Mails archiviert
- Keine Gespräche mit dem Arbeitgeber geführt
- Keine Aufhebungs-, Abgeltungs- oder Vergleichsvereinbarungen unterschrieben
- Keine Ziele oder Kompromissbereitschaft offengelegt
- Entscheidung getroffen: Rückkehr offenhalten oder Vergleich anstreben
- Angriffspunkte identifiziert (Formfehler, Abmahnungen, Sozialauswahl etc.)
- Geduld und Durchhaltefähigkeit eingeplant
1. Muss ich eine Kündigungsschutzklage einreichen, auch wenn ich nicht zurückkehren will?
Ja. Die Klage dient nicht der Rückkehr, sondern der rechtlichen Überprüfung der Kündigung. In der Praxis geht es meist um Abfindung, Zeugnis und saubere Beendigungsbedingungen. Ohne Klage verzichten Sie auf diese Gestaltungsmöglichkeiten.
2. Bekomme ich automatisch eine Abfindung, wenn ich klage?
Nein. Einen automatischen Anspruch gibt es kaum. Abfindungen entstehen regelmäßig durch Vergleich, wenn der Arbeitgeber das Prozessrisiko vermeiden will. Dieses Risiko entsteht nur durch Klage.
3. Kann ich die Klage auch ohne vollständige Begründung einreichen?
Ja. Für die Fristwahrung genügt eine formale Klage. Die inhaltliche Ausarbeitung kann später erfolgen. Entscheidend ist allein, dass die Klage innerhalb von drei Wochen beim Gericht eingeht.
4. Ist der Gütetermin schon die entscheidende Verhandlung?
Nein. Der Gütetermin dient der Positionsbestimmung und dem Druckaufbau. Viele Arbeitgeber verbessern ihre Angebote erst danach, wenn klar wird, dass kein schneller Vergleich möglich ist.
5. Was passiert, wenn ich die Drei-Wochen-Frist verpasse?
Dann gilt die Kündigung kraft Gesetzes als wirksam – selbst wenn sie rechtswidrig war. Das Gericht prüft den Fall inhaltlich nicht mehr. Nachträgliche Korrekturen sind nur in seltenen Ausnahmefällen möglich.
Eine Kündigung beendet nicht automatisch Rechte, sie aktiviert sie. Wer untätig bleibt, überlässt dem Arbeitgeber die Kontrolle. Wer klagt, zwingt zur Rechtfertigung, erzeugt Druck und gewinnt Gestaltungsspielraum. Im Arbeitsrecht entsteht Stärke nicht aus Empörung, sondern aus Konsequenz.
Der Beitrag 73 Stunden nach Zugang der Kündigung – Diese Frist ist jetzt wichtig für die Abfindung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.