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Aktualisiert: vor 37 Sekunden

Hochrangige diplomatische Gespräche in Hewlêr

vor 7 Stunden 35 Sekunden

– In der Hauptstadt der Kurdistan-Region des Irak (KRI) fanden mehrere diplomatisches Treffen statt, bei denen Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) mit dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot sowie dem KRI-Präsidenten Nêçîrvan Barzanî, über die politische und sicherheitspolitische Zukunft Syriens berieten. Ein zentrales Thema war die Rolle der Kurd:innen in einem zukünftigen, stabilen Syrien.

Bereits am Mittwoch trafen sich Ilham Ehmed, Ko-Außenbeauftragte der DAANES, und der QSD-Generalkommandant Mazlum Abdi mit Frankreichs Außenminister Barrot, um über die aktuelle Lage in Syrien und die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen in einen politischen Übergangsprozess zu sprechen.

Ein Treffen zwischen dem Oberbefehlshaber der Syrischen Demokratischen Kräfte, General Mazloum Abdi, und der Co-Vorsitzenden der Abteilung für Außenbeziehungen der Autonomen Verwaltung, Frau Ilham Ahmed, und Nechirvan Barzani. Ein weiteres Treffen brachte gestern General Mazloum… pic.twitter.com/X2ZrfRRgoa

— Partiya Yekîtiya Demokrat (@PYD_Rojava) April 24, 2025

Barrot würdigte in dem Treffen ausdrücklich die Rolle der QSD im Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und bekräftigte die Unterstützung Frankreichs für die Fortsetzung dieser Bemühungen. Er betonte die Notwendigkeit, nicht nur die militärische Sicherheit, sondern auch politische und wirtschaftliche Stabilität in Syrien zu fördern. Dabei unterstrich er, dass die aktive Beteiligung der Kurd:innen sowie anderer ethnischer und religiöser Gruppen am politischen Entscheidungsprozess essenziell sei – auch im Hinblick auf die zukünftige Verfassung Syriens.

Gespräch mit Barzanî: Kurdische Einheit im Blick

Auch das Treffen mit Nêçîrvan Barzanî am heutigen Donnerstag stand im Zeichen des Dialogs über die Situation in Syrien und die Rolle der Kurd:innen. Beide Seiten betonten die Bedeutung einer stärkeren kurdischen Einheit. Laut Angaben der QSD unterstützte Barzanî die Idee einer kurdischen Nationalkonferenz in Rojava grundsätzlich und zeigte sich offen für eine intensivere Zusammenarbeit.

Thematisiert wurden auch die anhaltende Bedrohung durch den IS sowie der künftige Umgang mit den Terrorstrukturen in der Region. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls auf das kürzlich getroffene Abkommen zwischen den QSD und der syrischen Übergangsregierung von Ahmed al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Dschaulani, dem Anführer des Dschihadistenbündnisses „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) Bezug genommen – ein Zeichen für die Komplexität der politischen Lage in Syrien.

Politische Teilhabe und wirtschaftliche Perspektiven

Ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche war die politische Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen Syriens. Die Gesprächspartner:innen waren sich einig, dass die Rechte dieser Gruppen in einer zukünftigen syrischen Verfassung gesichert sein müssten. Ebenso wurde betont, dass wirtschaftliche Maßnahmen notwendig seien, um die Lebensbedingungen insbesondere in Nord- und Ostsyrien zu verbessern.

Die Gespräche in Hewlêr (Erbil) gelten als wichtiger diplomatischer Impuls zur Förderung eines inklusiven und stabilen politischen Übergangsprozesses in Syrien – mit starker Einbindung der Kurd:innen und anderer marginalisierter Gruppen.

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/abdi-termin-fur-kurdistan-konferenz-in-rojava-steht-46018 https://anfdeutsch.com/kurdistan/ynk-chef-talabani-kritisiert-turkische-angriffe-trotz-pkk-waffenruhe-45993 https://anfdeutsch.com/kurdistan/hdk-dem-und-dbp-delegation-zu-gesprachen-in-der-kri-46041

 

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Öcalans Anwälte sprechen vor norwegischem Parlament

24. April 2025 - 18:00

Die Anwälte Ibrahim Bilmez und Cengiz Yürekli aus Abdullah Öcalans Rechtsbeistands-Team der Kanzlei Asrin sind auf Einladung der norwegischen Roten Partei (Rødt) nach Oslo gereist und halten eine Reihe von Treffen im norwegischen Parlament ab.

An einem zentralen Treffen nahmen die Abgeordneten der Roten Partei Bjørnar Moxnes, Hege Bae Nyholdt und Seher Aydar sowie Vertreter von Solidaritet med Kurdistan, dem kurdischen Dachverband NCDK und Funktionäre von Organisationen in West-, Süd- und Ostkurdistan teil. Das System der absoluten Isolation auf Imrali, die Initiativen für einen Lösungsprozess in der Türkei und die Forderungen nach Frieden wurden intensiv diskutiert.


In seiner Eröffnungsrede sprach der Rechtsanwalt Ibrahim Bilmez über den Prozess, der mit der Auslieferung Öcalans an die Türkei durch eine internationale Operation begann, und erklärte, dass das Imrali-Gefängnissystem mit internationaler Unterstützung errichtet wurde. Bilmez betonte, dass heute eine Politik der Isolation nicht nur für Abdullah Öcalan, sondern für ganz Kurdistan betrieben werde.

Der „zweite Lösungsprozess“

Er verwies auch auf die Entwicklungen, die er als „zweiten Lösungsprozess“ bezeichnete. Dass der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, Anfang Oktober den Abgeordneten der DEM-Partei bei der Wiedereröffnung des türkischen Parlaments die Hand schüttelte, Ömer Öcalans Besuch auf Imrali Ende Oktober nach 43 Monaten absoluter Kontaktsperre sowie Bahçelis gleichzeitigen Appell, „Öcalan im Parlament sprechen zu lassen“, bezeichnete Bilmez als bemerkenswert.

Im Anschluss an diese Schritte hatte eine Delegation der DEM-Partei den inhaftierten PKK-Begründer Abdullah Öcalan mehrfach zu Gesprächen auf der Gefängnisinsel treffen können, welcher schließlich in einer historischen Botschaft erneut verkündete, den Prozess der Gewalt beenden und eine legale und politische Grundlage für eine Lösung schaffen zu wollen.

Entwicklungen in Kurdistan

Der Rechtsanwalt Cengiz Yürekli gab eine Einschätzung darüber ab, wie Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ in den vier Teilen Kurdistans und im Nahen Osten aufgenommen wurde. Er nannte konkrete Beispiele für die Auswirkungen innerhalb der Regierung und der Opposition in der Türkei und betonte, dass die internationale Öffentlichkeit diesen Prozess aufmerksam verfolgen sollte.

Internationale Unterstützung

Bjørnar Moxnes, Abgeordneter der Roten Partei, erklärte, dass sie dies täten und Öcalans Aufruf zum Frieden wertvoll fänden. Offen fragte er: „Welche Art von Unterstützung erwarten Sie von uns?“

„Die kurdische Frage hat einen internationalen Charakter bekommen“, sagte Bilmez und fügte hinzu, dass die Resolution alle demokratischen und sozialistischen Kreise mit ihrer sozialen, ökologischen, Frauen- und Jugenddimension betrifft. „In diesem Zusammenhang danken wir ihnen für ihre Beiträge und ihre Unterstützung, und erwarten sie auch weiterhin“, antwortete Bilmez.

Das Treffen endete mit den Fragen der anderen Teilnehmenden und Dankesreden. Die Anwälte werden während ihres Besuchs in Oslo weiterhin an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/delegation-aus-europa-will-abdullah-Ocalan-besuchen-44482 https://anfdeutsch.com/hintergrund/genf-fur-friedensgesprache-zwischen-der-turkei-und-der-pkk-bereit-45932

 

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DEM-Partei Treffen mit Justizminister: Weiterer Austausch angekündigt

24. April 2025 - 18:00

Eine Delegation der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) traf heute in Ankara mit dem türkischen Justizminister Yılmaz Tunç zusammen. Nach dem etwa zweistündigen Gespräch gab die DEM-Partei eine Erklärung ab, in der angedeutet wurde, dass möglicherweise positive Schritte des Justizministeriums erwartet werden können. Zentrale Themen des Treffens waren die Veränderung der Isolationshaftbedingungen des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali sowie schwerwiegende Probleme des türkischen Justizsystems, hierunter insbesondere die Behandlung schwerkranker Gefangener.

Die Delegation bestand aus den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der DEM-Partei, Gülistan Kılıç Koçyiğit und Sezai Temelli, und dem stellvertretenden DEM-Parteivorsitzenden sowie Ko-Sprecher der Kommission für Recht und Menschenrechte, Öztürk Türkdoğan.

Bedingungen Abdullah Öcalans müssen verbessert werden

Die stellvertretende Vorsitzende der DEM-Partei, Gülistan Kılıç Koçyiğit, sagte, man habe über die Beiträge gesprochen, die das Ministerium zu dem aktuell möglichen Prozess für Frieden und Demokratie leisten könne.

Koçyiğit erklärte: „Unser primäres Gesprächsthema waren die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen von Herrn Abdullah Öcalan in Imrali, der mit seinem Aufruf am 27. Februar die Tür zu einer neuen Ära in der Türkei öffnete und es uns ermöglichte, eine neue Schwelle in Richtung einer demokratischen Lösung der kurdischen Frage zu nehmen.

In diesem Zusammenhang haben wir dem Minister gesagt, dass Herr Öcalan unter den Bedingungen der Isolation keinen Beitrag zu dem Prozess leisten kann, dass die Frage seiner Bedingungen die wichtigste Frage ist, um den Prozess voranzubringen, und dass diese Bedingungen ohne Wenn und Aber verbessert werden müssen. Wir werden in der nächsten Zeit Gelegenheit haben, einige Entwicklungen in dieser Hinsicht zu beobachten.“

Situation kranker Gefangener

Gülistan Kılıç Koçyiğit führte weiter aus: „Es gibt sehr ernste Probleme mit dem Justizsystem in der Türkei, und wir hatten Gelegenheit, dieses Thema umfassend zu diskutieren. Eines der wichtigsten Themen ist die Situation kranker Gefangener. Wir wissen, dass die Behandlung, der sie ausgesetzt sind, weder menschlich noch legal ist. Wir haben auch unsere Ansichten und Überlegungen zur Umsetzung der notwendigen Vorkehrungen für kranke Gefangene, zu den Berichten des Instituts für Rechtsmedizin (ATK) und zu ihrer schnellen Entlassung aus dem Gefängnis geäußert. Wir haben unsere Forderungen zu diesem Thema dargelegt.“

Während der Corona-Epidemie wurde eine gesetzliche Regelung eingeführt, die die Umstände der bedingten Entlassung regelt, hierbei jedoch „organisierte Kriminalität“ ausnimmt. Auch diese ist der DEM-Politikerin zufolge während des Treffens mit dem Minister erörtert worden. „Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass ein wirklich inklusiver und egalitärer Ansatz in Betracht gezogen werden sollte“, schloss sie ihre diesbezüglichen Ausführungen.

Das neue Justizreformpaket

Die Delegation äußerte sich besorgt über die Aufnahme einiger Artikel in das neue Justizreformpaket, darunter den Artikel über die „Begehung einer Straftat im Namen einer illegalen Organisation, ohne deren Mitglied zu sein“. Sie forderte die bedingungslose Streichung dieses Artikels und äußerte die Erwartung einer Regelung gemäß der entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichts, welches ihn zuvor abgelehnt hatte.

Gülistan Kılıç Koçyiğit erklärte, die Delegation habe zudem die Überprüfung und Demokratisierung der Verwaltungs- und Beobachtungsausschüsse gefordert, die willkürlich die Freilassung von Gefangenen verhindern. Die Delegation forderte, dass alle Entscheidungen dieser Ausschüsse nach objektiven Kriterien getroffen werden und bezeichnete sie als „zweiten Strafmechanismus“. Die Aufnahme eines entsprechenden Artikels in das neue Justizreformpaket wurde gefordert.

„Wir werden uns in der kommenden Zeit austauschen“

Im Anschluss an die Erklärung beantwortete Koçyiğit Fragen der Journalist:innen. Auf die Frage nach der Reaktion des Ministers auf die geforderten Regelungen zur Isolation Öcalans und zum Hinrichtungsgesetz sagte sie: „Wir hatten Gelegenheit, über all diese Themen zu sprechen, und der Minister hat sie aufmerksam zur Kenntnis genommen. Jede:r weiß genau, dass es viele unfaire, ungerechte und ungleiche Rechtsvorschriften gibt. Sie haben jedes von uns angesprochene Thema konzentriert aufgenommen und ihre Arbeit zugesagt. Wir werden uns in der kommenden Zeit zu diesem Thema austauschen. Wir haben auch den Kobanê-Prozess und andere Themen bewertet.“

https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-partei-trifft-justizminister-tunc-am-donnerstag-46028 https://anfdeutsch.com/aktuelles/tuncer-bakirhan-Ocalan-sieht-hoffnung-fur-friedensprozess-46023 https://anfdeutsch.com/aktuelles/abdullah-Ocalan-sendet-genesungswunsche-an-sirri-sureyya-Onder-46013

 

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Sendung Çira Report: Migrationsabkommen der EU

24. April 2025 - 18:00

Im ezidischen Sender Çira TV hat Moderatorin Ayfer Özdogan in ihrer deutschsprachigen Sendung Çira Report heute Abend den freien Journalisten und Auslandskorrespondenten Sofian Philip Naceur zu Gast. Mit ihm will sie die aktuellen Verhandlungen der Europäischen Union (EU) mit autoritäe geführten Staaten Nordafrikas zu Migrationsabkommen erörtern.

Die EU verhandelt zunehmend mit autoritär geführten Staaten in Nordafrika über Migrationsabkommen – darunter Ägypten, Tunesien und bald womöglich auch Marokko oder Libanon. Welche politischen Interessen stehen hinter diesen Vereinbarungen? Wer profitiert, und was bedeutet das für Menschenrechte, Demokratie und geopolitische Machtverhältnisse im Mittelmeerraum?

Diese und weitere Fragen stehen im Zentrum des Gesprächs mit Sofian Philip Naceur, der die Entwicklungen in der Region seit Jahren begleitet und kritisch einordnet. Ausgangspunkt ist unter anderem das jüngste Abkommen der EU mit Ägypten – ein Deal, der nicht nur dem ägyptischen Präsidenten Al-Sisi entgegenkommt, sondern auch als politischer Erfolg für die europäische Rechte gewertet werden kann.

Özdogan will in der Sendung die Dynamiken zwischen Brüssel, Kairo, Tunis und Algier ebenso beleuchten wie die Motive und Strategien hinter der migrationspolitischen Agenda der EU. Im Mittelpunkt steht die Frage: Ist Europas „Partnerschaft auf Augenhöhe“ mit postkolonialen Staaten wirklich eine Wende – oder nur ein neues Kapitel alter Machtpolitik?

Die Sendung am 24. April beginnt um 20.00 Uhr und kann live über den Stream http://www.elahmad.com/tv/kurdish-tv-online.php?id=Cira verfolgt werden, nachträglich auch über den YouTube-Kanal von Çira TV, über die Eingabe Çira Report. Zur Playlist der Sendung geht es hier entlang: https://www.youtube.com/playlist?list=PL6P1E13_gg5ke8eLPi41dRQFuIGvNBtMo

Wer selbst Interesse an einer Teilnahme an der Sendung hat und eigene Projekte vorstellen will, kann unter der E-Mail-Adresse cirarep@riseup.net Kontakt mit der Redaktion aufnehmen.

Bild © @SofianNaceur auf X

https://anfdeutsch.com/aktuelles/Cira-report-wasser-ist-leben-45886 https://anfdeutsch.com/aktuelles/Cira-report-journalistin-nele-mohlmann-zu-rojava-45735 https://anfdeutsch.com/aktuelles/Cira-fokus-zweites-kurdisches-filmfestival-dusseldorf-45965

 

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HPG: Ein türkischer Soldat getötet, zwei verletzt

24. April 2025 - 16:00

Die türkische Armee feuerte laut Angaben der Pressestelle der Volksverteidigungskräfte (HPG) 691 Geschosse aus der Luft und vom Boden auf die Medya-Verteidigungsgebiete (Südkurdistan, Nordirak) ab. Die aktuelle Erklärung umfasst den Zeitraum zwischen dem 19. und dem 23. April. In ihr wird auch bekannt gegeben, dass bei Aktionen der legitimen Selbstverteidigung seitens der HPG ein türkischer Soldat getötet und zwei weitere verletzt wurden.

Außerdem wird die Bevölkerung vor Geldeintreibern in bestimmten nordkurdischen Gemeinden gewarnt und aufgefordert, nicht auf die Forderungen einzugehen.

Luftangriffe

Trotz einseitigen Waffenstillstands, den die Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) am 1. März als Reaktion auf den Friedensaufruf von Abdullah Öcalan ausgerufen hatte, führt die türkische Armee ihre Angriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete ungemindert fort. Laut HPG-Pressestelle erfolgten in der Region Gare in den frühen Abendstunden des 22. April fünf Bombardierungen mit Kampfflugzeugen und vier weitere am Folgetag. Betroffen waren die Gebiete Girgaşê, Girê Kun und Sipîndarê.

Auch die westliche Zap-Region Şehîd Delîl war der Erklärung zufolge erneut Ziel türkischer Luftschläge. Jeweils ein Luftangriff wurde demnach sowohl am 22. wie auch am 23. April auf den Girê Bahar mit türkischen Kampfjets geflogen.

Bodenangriffe

Die Regionen Xakurke, Gare, Metîna und West-Zap wurden zudem nach HPG-Angaben zwischen dem 21. und dem 24. April mit schweren Bodenangriffen überzogen. In Xakurke schlugen demnach drei Geschosse ein, in Gare 102, in Metîna 160 und in der westlichen Zap-Region ganze 415. Die Angriffe erfolgten laut der Erklärung mit schweren Waffen, Artillerie und Haubitzen.

Reaktionen der Guerilla

Eigenen Angaben zufolge reagierten die HPG auf die Angriffe im Rahmen des legitimen Selbstverteidigungsrechts. Ein Container, der sich in einer Angriffsstellung der türkischen Armee befand, wurde in West-Zap bereits am Samstag getroffen.

Ein Überwachungs-Kamerasystem, welches Widerstandstunnel an der Westfront der Zap-Region ausspionierte, wurde am Dienstag von YJA Star-Kräften mittels Sabotagetaktik zerstört.

Die Luftverteidigungseinheit „Şehîd Axîn Mûş“ führte, ebenfalls am Dienstag, in der Region Metîna einen Angriff mit einer Kamikazedrohne gegen eine türkische Angriffsstellung in Girê Çarçel durch. Hierbei wurde ein türkischer Soldat getötet und zwei weitere verletzt.

Auch im Gebiet Girê Bahar in der Region West-Zap wurde am selben Tag eine Stellung der Angreifer getroffen.

Warnung an die Öffentlichkeit

Die Erklärung schloss mit einer Warnung an die Bevölkerung. Demnach haben die HPG Informationen erhalten, dass in den nordkurdischen Bezirken Botan, Êlih (Batman) und Dêrika Çiyayêmazî in Mêrdin, insbesondere von Geschäftsleuten und einigen Gemeindekreisen, Geld im Namen ihrer Organisation angefordert wurde. Sie stellen klar, dass keine ihrer Einheiten einen solchen Auftrag erhalten hat und äußerten die Vermutung, dass es sich bei den Geldeintreibern um Kriminelle oder um türkischen Agenten handelt. Sie riefen die Bevölkerung dazu auf, nicht auf die Forderungen einzugehen und keine Zahlungen zu tätigen.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-bericht-uber-angriffe-und-aktionen-in-sudkurdistan-46019 https://anfdeutsch.com/kurdistan/gerila-tv-zeigt-neues-aktionsvideo-46005 https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-zerstoren-turkisches-artilleriegeschutz-45997

 

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Zweites Düsseldorfer Kurdisches Filmfestival feierlich eröffnet

24. April 2025 - 14:00

Am Mittwochabend wurde das zweite Kurdische Filmfestival Düsseldorf eröffnet. Das Festival begann mit der Vorführung von „The Virgin and Child“ von Binevşa Bêrîvan. An der Eröffnungsveranstaltung nahmen zahlreiche Persönlichkeiten aus allen Bereichen des Films teil.

Im Ufa-Palast-Kino versammelten sich ab 17.00 Uhr die Filmemacher:innen. Prominente Namen wie die Regisseur:innen Binevşa Bêrîvan, Hawraz Mohamed, Olmo Couto und Ali Kemal Çınar waren ebenfalls anwesend.

An der Eröffnungsfeier nahmen Dutzende Künstler:innen und Interessierte aus unterschiedlichsten Bereichen Teil: Sänger:innen, Schriftsteller:innen, Theaterkünstler:innen, Volkskundler:innen, Dichter:innen und Musiker:innen. Unter ihnen waren auch Şemdîn, Berfîn Emektar, Cewad Merwanî, Yunis Behram, Hekîm Sefkan, Bermal Çem, Sosin, Hakan Akay, Canê, Diyar, Yılmaz Beyazgül, Sırri Ayhan und Serhad Çarnewa.

Die Eingangshalle des Ufa-Palast-Kinos war in kurdischen Farben geschmückt, und die Teilnehmenden aus allen vier Teilen Kurdistans erregten große Aufmerksamkeit.

Die Vorführung von „The Virgin and Child“ begann offiziell um 20:00 Uhr. Vor der Vorführung wurde eine kurze Ansprache im Namen der Festivalleitung gehalten, in der angekündigt wurde, dass während des Festivals insgesamt 40 Spiel- und Kurzfilme sowie Dokumentarfilme gezeigt werden würden.

Die heutigen Filme

Beim 2. Kurdischen Filmfestival Düsseldorf werden heute zwei Filme im Ufa-Palast-Kino und elf Spiel- und Kurzfilme im Metropol Kino gezeigt. Außerdem gibt es im Metropol eine Sondervorführung für Bavê Teyar. Hier ist das Programm des Tages:

Im Ufa-Palast-Kino:

20:00 Uhr: Vorführung des Films „Beriya Şevê“ unter der Regie von Ali Kemal Çınar, der für seine einzigartigen Charaktere und Filme der letzten Jahre bekannt ist. Laufzeit: 60 Minuten.

21:50 Uhr: Vorführung von „Asadur“, einem Dokumentarfilm unter der Regie von Onur Güler. Laufzeit: 50 Minuten.

Im Kino Metropol:

16:00 Uhr: Zwei Dokumentarfilme über den Völkermord von Anfal werden nacheinander gezeigt:

„980“: 27 Minuten

„Unseen Photos Of Anfal“: 27 Minuten
Der Regisseur Hawraz Mohamed von „Unseen Photos Of Anfal“ wird anwesend sein.

17:00 Uhr: Eine Reihe von Kurzfilmen wird nacheinander gezeigt:

Ziman: 8 Minuten

A Coffin For Life: 13 Minuten

Sorin: 13 Minuten

Zerya: 12 Minuten

Wahit Dream: 10 Minuten

Distant: 17 Minuten

Ezda: 14 Minuten

19:20 Uhr:

Vorführung des Dokumentarfilms „Serê Kaniyê“, Regie: Olmo Couto. Laufzeit: 60 Minuten. Der Dokumentarfilm hat seine Weltpremiere.

21.00 UHR:

Eine Sondervorführung zu Ehren des verstorbenen Theaterkünstlers Bavê Teyar, der im Januar bei einem türkischen Drohnenangriff auf den Tişrîn-Staudamm in Nordsyrien starb. Es werden drei Kurzfilme gezeigt, in denen er mitgewirkt hat:

Hat Nehat: 5 Minuten

Xweş Xeber: 4 Minuten

Kurmê Darê: 21 Minuten

Informationen zum Programm sowie alle Details zur Festivalteilnahme sind auf der offiziellen Webseite des DKFF unter www.dkff.de verfügbar.

https://anfdeutsch.com/kultur/9-kurdische-filmtage-in-leipzig-46033 https://anfdeutsch.com/aktuelles/Cira-fokus-zweites-kurdisches-filmfestival-dusseldorf-45965 https://anfdeutsch.com/kultur/2-kurdisches-filmfestival-dusseldorf-widmet-sich-rojava-widerstand-45534

 

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Frühlingsfest der Rojava-Universität

24. April 2025 - 14:00

Das dritte Frühlingsfest der Studierenden der Rojava-Universität hat gestern begonnen. Hunderte von Lehrkräften und Studierenden der Rojava-Universität und anderer Hochschulen in der Region nahmen mit großem Interesse teil. Das Festival wird jährlich an zwei Tagen im April von der Bildungseinrichtung ausgerichtet.

Rojîn Yûsif, Mitglied der Studierendenversammlung von Qamişlo, hielt die Eröffnungsrede. Sie gedachte der Gefallenen, ohne deren Opfer all die Errungenschaften – und somit auch diese feierliche Zusammenkunft an der Hochschule – nicht möglich gewesen wären.

Kreatives und vielfältiges Programm

Die Ausstellung zahlreicher von Studierenden gemalter Bilder, die künstlerische Bühnenvorführung traditioneller Volkslieder durch Stêrvan Bozo sowie ein ausladendes Buffet, welches von sieben verschiedenen Gruppen zubereitet wurde, bildeten das Programm des ersten Tages.

Maler:innen und Schriftsteller:innen stellten auf dem Festival ihre Werke vor, während Lehrkräfte und Studierende Koch-, Gedicht- und Gesangswettbewerbe organisierten. Die Ehrung der Gewinner:innen ist für heute, den letzten Tag des Festivals, angesetzt.

Hochschulbildung in der DAANES

In den Gebieten der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) gibt es drei Universitäten und mehrere Fachhochschulen. Im aktuellen Wintersemester 2024/2025 sind 4.775 Studierende an Universitäten und gleichrangigen Hochschulen eingeschrieben, die meisten davon an den Universitäten von Raqqa (595), Qamişlo (2.721) und Kobanê (1.459). Eine weitere von der nordostsyrischen Autonomieverwaltung gegründete Universität – es handelte sich um die erste – wurde 2015 in Efrîn (Afrin) eröffnet. Heute wird das Gebäude von der Türkei und ihren dschihadistischen Hilfstruppen als Hauptquartier der Besatzung genutzt.

Um das Bildungswesen in Nord- und Ostsyrien noch besser zu organisieren und inklusiv zu gestalten, wurde Ende letzten Jahres in Raqqa eine zweitätige Konferenz abgehalten. Sie fand an der Al-Sharq-Universität statt und diente der Festlegung einer Satzung für einen Dachverband der Räte der Universitäten und Fachhochschulen.

Erst kürzlich hatten die Universitäten und Hochschulen der DAANES ihren ehemaligen Studierenden, die ihr Studium zugunsten der Revolution von Rojava abgebrochen haben, die Möglichkeit eröffnet, ihren Abschluss nachzuholen.

Außerdem haben im Rahmen des politischen Annäherungsprozesses zwischen der DAANES und der Übergangsregierung in Damaskus am 13. April Gespräche über das Bildungssystem begonnen. Im Zentrum steht die Frage, welche Materialien künftig zum Einsatz kommen sollen. Es geht aber auch um die Anerkennung von Unterrichtsplänen, Lehrbüchern und Abschlüssen.

Titelbild und Video © ANHA

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/daanes-fuhrt-gesprache-uber-bildungssystem-mit-damaskus-45920 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/weitere-universitaten-bieten-ruckkehr-ins-studium-45895 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/nord-und-ostsyrien-grundet-dachverband-der-hochschulrate-44209 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/studierende-aus-efrin-wechseln-an-die-rojava-universitaet-5329

 

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Mahnwache in Straßburg: Europa muss antworten

24. April 2025 - 12:00

Die Freiheitsmahnwache, die am 25. Juni 2012 in Straßburg unter der Leitung der Initiative für die Freiheit von Abdullah Öcalan ins Leben gerufen wurde, ist in die 670. Woche gegangen. Die Aktion, die in wechselnden Gruppen von Mitgliedern der kurdischen Diaspora-Gemeinschaft und ihren Verbündeten durchgeführt wird, um die physische Freiheit des kurdischen Vordenkers und die Abschaffung des Imrali-Systems zu fordern, wurde diese Woche von einer Gruppe aus Wien übernommen. Zu der Gruppe gehören Ahmet Zirek, Ko-Vorsitzender von Civaka Azad in Österreich, sowie Mitglieder der Wiener Kurdischen Volksversammlung, Osman Ayaz, Mihemed Kobanê und Mukri Vakar.

Institutionen sollen ihre Pflichten erfüllen

Der Ko-Vorsitzende Ahmet Zirek erklärte: „Unser Ziel ist es, dass sich unser Volk um Herrn Öcalan versammelt und für seine Freiheit kämpft. Wir wollen, dass Institutionen wie das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie sprechen von Menschenrechten, doch unser Repräsentant lebt seit 26 Jahren in strenger Isolation auf der Insel Imrali. Deshalb fordern wir sie auf, ihre Pflichten zu erfüllen.“

Friedensprozess ernsthaft anstreben

Zirek wies darauf hin, dass Öcalan vor kurzem einen neuen Prozess eingeleitet hat und erklärte: „Die europäischen Staaten haben diesen Aufruf deutlich vernommen. Sie müssen ihrer Verantwortung nachkommen, um dem Aufruf von Herrn Öcalan zu folgen.“ Er führte aus, dass Abdullah Öcalans Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft nicht nur für das kurdische Volk, sondern auch für Frieden und Stabilität im Nahen Osten und in Europa sei. Dieser Prozess bringe für alle Verantwortung mit sich und seine Anforderungen müssten dringen erfüllt werden.

Der seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft befindliche politische Gefangene Abdullah Öcalan hatte am 27. Februar einen Appell für Frieden und deine demokratische Gesellschaft übermittelt, in dem er breite Perspektiven für eine friedliche kurdisch-türkische Lösung vorschlägt. Der Aufruf hatte international viel Beachtung erfahren und Hoffnungen auf ein Ende des lang anhaltenden Konflikts geweckt. Neben dringend notwendigen Rechtsreformen ist die Prozess-Beteiligung Abdullah Öcalans unter freiheitlichen Bedingungen eine grundlegende Forderung

Abschließend betonte Zirek, dass die Mahnwache so lange andauern wird, bis Herr Öcalan seine physische Freiheit erlangt hat und dass die Europäische Union (EU) diese Mahnwache ernst nehmen muss.


 

https://anfdeutsch.com/menschenrechte/strassburg-woche-669-der-mahnwache-fur-Ocalans-freiheit-45966 https://anfdeutsch.com/aktuelles/eutcc-konferenz-endet-mit-weitreichenden-forderungen-zur-kurdischen-frage-45744 https://anfdeutsch.com/aktuelles/im-europaparlament-die-turkei-muss-diese-historische-chance-nutzen-45582

 

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Der Völkermord an den Armenier:innen vor 110 Jahren

24. April 2025 - 11:00

Im April 1915 begann die osmanische Regierung mit der systematischen Ausrottung der armenischen Zivilbevölkerung. Die Verfolgungen wurden mit unterschiedlicher Intensität bis 1923 fortgesetzt, als das Osmanische Reich aufhörte zu existieren und durch die Republik Türkei ersetzt wurde.

Die armenische Bevölkerung des osmanischen Staates wurde 1915 auf etwa zwei Millionen geschätzt. Schätzungsweise eine Million war bis 1918 tot, während Hunderttausende zu heimat- und staatenlosen Flüchtlingen wurden. Bis 1923 war praktisch die gesamte armenische Bevölkerung der anatolischen Türkei verschwunden.

Ein Sultan mit absoluter Macht

Das Osmanische Reich wurde von den Türken regiert, die Länder in Westasien, Nordafrika und Südosteuropa erobert hatten. Sie praktizierten den Islam und waren ein kriegerisches Volk. Die osmanische Regierung hatte ihren Sitz in Istanbul (Konstantinopel) und wurde von einem Sultan geleitet, der mit absoluter Macht ausgestattet war.

Staatliche Diskriminierung

Die Armenier:innen, eine christliche Minderheit, lebten als Bürger:innen zweiter Klasse und unterlagen gesetzlichen Beschränkungen, die ihnen die üblichen Schutzmaßnahmen verwehrten. Weder ihr Leben noch ihr Eigentum waren sicher. Da sie nicht muslimisch waren, mussten sie außerdem diskriminierende Steuern zahlen und durften nicht an der Regierung teilnehmen. Der Status der Armenier:innen, die über das ganze Reich verstreut lebten, wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass das Gebiet des historischen Armeniens zwischen den Osmanen und den Russen aufgeteilt war.

Der Erste Weltkrieg

Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, trat das Osmanische Reich in den Dreibund mit den anderen Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn ein und erklärte Russland und seinen westlichen Verbündeten Großbritannien und Frankreich den Krieg.

Die osmanischen Armeen erlitten zunächst eine Reihe von Niederlagen, die sie 1918 durch eine Reihe leichter militärischer Siege im Kaukasus wieder wettmachten, bevor die Mittelmächte später im selben Jahr kapitulierten.

Ob auf dem Rückzug oder auf dem Vormarsch, die osmanische Armee nutzte die Gelegenheit des Krieges für eine kollaterale Massaker-Kampagne gegen die armenische Zivilbevölkerung in den Regionen, in denen der Krieg geführt wurde. Diese Maßnahmen waren Teil des vom Komitee für Einheit und Fortschritt heimlich beschlossenen und unter dem Deckmantel des Krieges durchgeführten Völkermordprogramms. Das Osmanische Komitee für Einheit und Fortschritt eine politische Organisation und Partei, die im Osmanischen Reich zwischen 1889 und 1926 aktiv war.

Ideologie des Turanismus

Diese Massaker fielen mit dem größeren Programm des Komitees zusammen, die Armenier:innen aus der Türkei und den Nachbarländern auszurotten, um ein neues panturanisches Reich zu schaffen. Der (Pan-)Turanismus ist eine pseudohistorische Ideologie, die einen gemeinsamen Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier, Mongolen und mandschu-tungusischen Völker annimmt. Die eigentliche Urheimat dieser „Turanier“ oder „turaniden Rasse“ sei Turan, eine mythische Landschaft in Zentralasien. Gleichzeitig bezeichnet Turanismus das Bestreben, diese Völker zu einer geistigen und kulturellen Einheit zusammenzufassen.

Deportationen

Im Frühjahr und Sommer 1915 wurde die armenische Bevölkerung in allen Regionen außerhalb der Kriegsgebiete aus ihren Häusern deportiert. Konvois mit Zehntausenden von Männern, Frauen und Kindern wurden Hunderte von Kilometern in die syrische Wüste getrieben.

Die Deportationen wurden als „Umsiedlungsprogramm“ getarnt. Die brutale Behandlung der Deportierten, von denen die meisten zu Fuß zu ihrem Zielort gebracht wurden, machte deutlich, dass die Deportationen hauptsächlich als Todesmärsche gedacht waren. Darüber hinaus wurden die Armenier:innen durch die Deportationspolitik chirurgisch vom Rest der Gesellschaft getrennt und große Menschenmassen ohne oder mit geringem materiellem Schaden aus den Gebieten entfernt.

Der Vertreibungsprozess diente daher auch als eine von dem Osmanischen Komitee inszenierte Gelegenheit zur Ausplünderung des materiellen Reichtums der Armenier:innen und erwies sich als eine mühelose Methode zur Enteignung ihres gesamten unbeweglichen Eigentums.

Todesmärsche

Die Regierung hatte keine Vorkehrungen für die Ernährung der deportierten Bevölkerung getroffen. Der Hungertod forderte einen enormen Tribut, ebenso wie die Erschöpfung der Alten, Schwachen und Kranken. Man verweigerte den Deportierten Nahrung und Wasser, um den Tod zu beschleunigen. Die Überlebenden, die Nordsyrien erreichten, wurden in einer Reihe von Konzentrationslagern gesammelt, von wo aus sie weiter nach Süden geschickt wurden, um unter der sengenden Sonne der Wüste zu sterben.

Durch methodisch organisierte Deportationen, systematische Massaker, vorsätzliches Aushungern und Austrocknen sowie ständige Brutalisierung reduzierte die osmanische Regierung die armenische Bevölkerung auf eine verängstigte Masse von ausgehungerten Individuen, deren Familien und Gemeinschaften mit einem Schlag zerstört wurden.

Vollständige Ausrottung

Die meisten derjenigen, die in Kriegsverbrechen verwickelt waren, entzogen sich der Justiz und viele schlossen sich der neuen nationalistischen türkischen Bewegung unter der Führung von Mustafa Kemal an. In einer Reihe von Militäraktionen gegen Russisch-Armenien im Jahr 1920, gegen die 1921 nach Kilikien in der Südtürkei zurückgekehrten Flüchtlings-Armenier:innen und gegen die griechische Armee, die 1922 Izmir besetzt hatte, wo die letzte noch intakte armenische Gemeinde in Anatolien existierte, vollendeten die nationalistischen Kräfte den Prozess der Ausrottung der Armenier:innen durch weitere Vertreibungen und Massaker.

Als die Türkei 1923 zur Republik erklärt und international anerkannt wurde, gerieten die armenische Frage und alle damit zusammenhängenden Fragen der Umsiedlung und Entschädigung in den Hintergrund und wurden bald vergessen.

Verleugnung des Völkermords durch die Republik Türkei

Insgesamt schätzt man, dass bis zu anderthalb Millionen Armenier:innen durch osmanische und türkische militärische und paramilitärische Kräfte und durch Gräueltaten ums Leben kamen, die absichtlich verübt wurden, um die armenische Bevölkerungspräsenz in der Türkei zu beseitigen.

Die überlebenden Flüchtlinge verteilten sich über die ganze Welt und siedelten sich schließlich in etwa zwei Dutzend Ländern auf allen Kontinenten der Erde an. Triumphierend über die totale Vernichtung der Armenier:innen und befreit von jeglichen Verpflichtungen gegenüber den Opfern und Überlebenden, verfolgte die türkische Republik eine Politik, die den Vorwurf des Völkermords zurückwies und leugnete, dass die Deportationen und Gräueltaten Teil eines vorsätzlichen Plans zur Ausrottung der Armenier:innen gewesen seien.

(Zusammengestellt mit Informationen des Armenian National Institute)

https://anfdeutsch.com/weltweit/volkermordgedenken-in-jerewan-41934 https://anfdeutsch.com/kultur/asadur-eine-reise-zur-verlorenen-identitat-45221 https://anfdeutsch.com/aktuelles/plattform-gegen-volkermorde-gibt-grundung-bekannt-45788

 

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Handelskammern fordern Öffnung des Handelswegs über Nisêbîn

24. April 2025 - 11:00

Elf Handels- und Börsenkammern in Nordkurdistan forderten die Wiedereröffnung der Zollkontrolle im Bezirk Nisêbîn (tr. Nusaybin) in Mêrdîn (Mardin) nach Westkurdistan, die seit 2012 vollständig geschlossen ist. In einer gemeinsamen Erklärung vor dem Zolltor forderten sie am Mittwoch seine schnellstmögliche Wiederöffnung sowohl für den Handel wie auch für den Personenverkehr.

Vertrauen als Wirtschaftsgrundlage

Als Präsident der Industrie- und Handelskammer von Amed (Diyarbakır) vertritt Mehmet Kaya branchenübergreifend die kaufmännischen und industriellen Interessen von Unternehmen und Wirtschaftsunternehmen der Region Amed. Wirtschaft wird von vielen Faktoren beeinflusst. Dementsprechend entschieden äußerte Kaya sich zum geschlossenen Grenzübergang: „Das Tor muss so schnell wie möglich geöffnet werden, um den sozialen Frieden in der Region zu stärken und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.“

Kaya wies darauf hin, dass Geschäftsleute, die mit Syrien Handel treiben wollen, durch die erforderlichen Umwege mit einer Entfernung von 1000 Kilometern hohe Kosten zu tragen hätten, und betonte noch einmal, dass die Öffnung des Tores nicht nur für die wirtschaftlichen, sondern auch für die sozialen Beziehungen wichtig sei.

„Die Wirtschaft der Region wiederbeleben“

Necdet Aktaş, Präsident der Nusaybin Commodity Exchange, wies darauf hin, dass das Zolltor auch für den Transport in den Irak von strategischer Bedeutung ist, und sagte: „Die Aufnahme des direkten Handels mit Syrien wird einen wichtigen Beitrag zu den Handelsbeziehungen zwischen der Türkei und Syrien leisten und darüber hinaus die Produktion und die Exporte in unserer Region steigern, die Abwanderung verringern, neue Märkte schaffen, die Beschäftigung erhöhen und die Wirtschaft in der Region wiederbeleben.“

Umfassende Zusammenarbeit gewünscht

Mahsum Özmen, Präsident der Industrie- und Handelskammer von Nisêbîn, erklärte, dass die Öffnung der Zollkontrolle nicht nur zur wirtschaftlichen, sondern auch zur sozialen und kulturellen Zusammenarbeit beitragen wird. Er fügte hinzu: „Deshalb erwarten wir von den Behörden in Syrien und der Türkei, dass sie die notwendigen Maßnahmen zur Öffnung des Tores ergreifen.“

Grenzziehungen

Wo auf der nordkurdischen Seite der türkisch-syrischen Staatsgrenze die Stadt Nisêbîn liegt, liegt auf der westkurdischen Seite die Stadt Qamişlo. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Anfang der 1920er-Jahre das französische Mandatsgebiet des heutigen Syriens vom Osmanischen Reich abgeteilt. Die Grenze zur heutigen Türkei verläuft in diesem Bereich entlang der Bahnlinie der Bagdadbahn. Damit wurden Qamişlo und Nisêbîn getrennt. Die Entfernung vom Qamişloer Stadtzentrum bis zum offiziellen Grenzübergang beträgt etwa einen Kilometer, auf der anderen Seite liegt unmittelbar die Stadt auf türkischem Staatsterritorium.

Grenzschließungen

Zwischen der Türkei und Syrien herrschte in der Vergangenheit ein florierender Handel. Wegen Unstimmigkeiten zwischen Baschar al-Assad und Recep Tayyip Erdoğan war der Grenzverkehr zwischen Qamişlo und Nisêbîn bereits seit 2005 immer wieder eingeschränkt. Seit dem Ausbruch der Revolution 2012 ist die Zollkontrolle nun vollständig – für Waren- sowie für Personenverkehr – durch die türkische Regierung geschlossen worden.

Verwaltung auf syrischer Seite

Mitte März diesen Jahres hatten Mazlum Abdi, Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), und der zum Interimspräsidenten Syriens ernannte HTS-Führer Ahmed al-Scharaa alias Abu Muhammad al-Dschaulani ein Abkommen zur Zukunft Syriens geschlossen. Dies enthielt auch die Vereinbarung wichtige Infrastruktur künftig gemeinsam zu verwalten, wobei Grenzübergänge explizit benannt wurden.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/marsch-zur-grenze-44875 https://anfdeutsch.com/kurdistan/defend-rojava-aktion-zwischen-nisebin-und-qamislo-44631

 

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9. Kurdische Filmtage in Leipzig

24. April 2025 - 9:00

Die neunte Auflage der Kurdischen Filmtage Leipzig findet in diesem Jahr vom 14. bis 17. Mai statt. Wie die Veranstalter:innen mitteilten, wird wieder eine Reihe von Filmen aus Kurdistan und der kurdischen Diaspora im Kino Cineding sowie im Ost-Passage Theater an der Eisenbahnstraße gezeigt. Auch ein Kurzfilmabend ist im Programm geplant.

Kurd:innen im deutschsprachigen Film

Ein besonderes Highlight ist die Vorführung des Films „Aprilkinder“, in dessen Anschluss es eine Podiumsdiskussion mit dem Regisseur Yüksel Yavuz und der Filmwissenschaftlerin und Expertin für kurdisches Kino, Dr. Özgür Çiçek, geben wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Sichtbarkeit von Kurd:innen im deutschsprachigen Film. „Aprilkinder“ wird zur Eröffnung der Filmtage im Ost-Passage Theater gezeigt – alle weiteren Beiträge laufen danach im Cineding.

Die Kurdischen Filmtage Leipzig finden nun zum neunten Mal statt und bieten jedes Jahr mit einem sorgfältig kuratierten Programm einzigartige Einblicke in die Entwicklung und Vielfalt des kurdischen Kinos – und bringen es einem breiteren Publikum näher.

Programm der Kurdischen Filmtage Leipzig 2025

Aprilkinder
DE 1998, 84 Min., Türkisch/Kurmancî/Deutsch mit deutschen UT, R: Yüksel Yavuz
14. Mai, 20.00 Uhr, Ost-Passage Theater

Mit anschließendem Podiumsgespräch zwischen Regisseur Yüksel Yavuz und Dr. Özgür Çiçek

Köy
DE 2021, 90 Min., Kurmancî/Türkisch/Deutsch mit deutschen UT, R: Serpil Turhan
15. Mai, 19.00 Uhr, Cineding

The Virgin and Child
BE 2024, 77 Min., Französisch/Kurmancî/Englisch mit englischen UT, R: Binevsa Berivan
15. Mai, 21.00 Uhr, Cineding

Drei Kurzfilme am 16. Mai, 19.00 Uhr, Cineding

* Mother Tongue
IR 2023, 46 Min., Farsi/Soranî mit englischen UT, R: Sarkew Mesgari

* Yarê
AT 2024, 19 min, Kurmancî/Arabisch mit englischen UTs, R.: Sallar Othman

* Muharrem, Der Freund
DE 2024, 23 min, Kurmancî mit englischen UTs, R.: Orkan Bayram

Name Me Lawand
GB/IE 2022, 91 Min., Englisch/Britische Gebärdensprache/Soranî mit englischen UT, R: Edward Lovelace
16. Mai, 21.00 Uhr, Cineding

Iraq's Invisible Beauty
BE 2023, 87 Min., Arabisch/Englisch/Französisch mit englischen UT, R: Jurgen Buedts, Sahim Omar Kalifa
17. Mai, 19.00 Uhr, Cineding

Berbû
SY 2022, 70 Min., Kurmancî mit englischen UT, R: Sevînaz Evdikê
17. Mai, 19.00 Uhr, Cineding

Aktuelle Informationen werden über den Instagram-Account der Kurdischen Filmtage Leipzig veröffentlicht.

https://anfdeutsch.com/kultur/2-kurdisches-filmfestival-dusseldorf-widmet-sich-rojava-widerstand-45534 https://anfdeutsch.com/kultur/kurdische-filmtage-wien-voller-erfolg-mit-vielen-filminteressierten-44234 https://anfdeutsch.com/kultur/tearing-walls-down-im-programm-der-globale-mittelhessen-43992

 

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HDK, DEM und DBP Delegation zu Gesprächen in der KRI

23. April 2025 - 20:00

Eine Delegation der DEM-Partei, der DBP und des Demokratischen Kongress der Völker (HDK) hält sich derzeit für Gespräche in der Kurdistan Region-des Irak (KRI, Nordirak) auf. Die Delegation trifft in Hewlêr (Erbil) mit politischen Parteien, Persönlichkeiten und demokratischen Massenorganisationen zusammen, um den Aufruf des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan vom 27. Februar für Frieden und eine demokratische Gesellschaft zu diskutieren.

Die Gruppe besteht aus der Ko-Sprecherin des HDK, Meral Danış Beştaş, dem Mitglied des Zentralen Parteivorstands der DEM, Serhat Eren, dem Ko-Sprecher der DBP-Diplomatiekommission, Murat Sarısaç, der DEM-Abgeordneten Saliha Aydeniz, dem Ko-Sprecher der Jugendversammlung der DEM, Rezan Kağanarslan, und dem Vertreter der DEM in Hewlêr, Murat Şen.

Sie trafen heute Vormittag mit der kurdisch-islamischen Einheitspartei Yekgirtûya Îslamî zusammen. Das Treffen im Hewlêr-Büro der Yekgirtû dauerte eine Stunde.

Dialogoffensive

Seit Ende letzten Jahres war die Imrali-Delegation der DEM-Partei zu mehreren Gesprächen auf der Gefängnisinsel Imrali, wo der PKK-Gründer Abdullah Öcalan seit 1999 in Isolationshaft gefangen ist. Bei dem dritten dieser Treffen, am 27. Februar, übermittelte der kurdische Repräsentant seinen historischen Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft. Hierin ergriff er erneut die Initiative einen Friedensprozess und eine Demokratisierung in der Türkei anzustreben. Insbesondere forderte er die Niederlegung der Waffen und rief die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter bestimmten Bedingungen zur Auflösung auf.

Diesem Aufruf vorausgegangen waren etliche Gespräche der DEM-Partei mit politischen Akteur:innen in der Türkei und in Kurdistan sowie öffentliche Versammlungen mit der kurdischen Bevölkerung in Nordkurdistan (Bakur, Türkei). Die hierin geäußerten Perspektiven und Vorschläge wurden von der Imrali-Delegation bei den Treffen auf Imrali mit Abdullah Öcalan besprochen und waren in dieser Weise Teil des Prozesses, innerhalb dessen der kurdische Vordenker den Aufruf aussprach. Seither führt die DEM-Partei den Dialog kontinuierlich weiter, um eine gemeinsame demokratische Lösung zu ermöglichen.

Die kurdische Einheit

Vielfach deutlich geworden ist in diesem Prozess, dass sowohl die Einheit der demokratischen Opposition wie auch die Einheit der kurdischen Nation wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung eines nachhaltigen Friedens und einer Demokratisierung sind. In diesem Zusammenhang sind die vielen Gespräche zu verstehen.

Nach vielen Jahrzehnten der Unterdrückung und Gewalt, in denen das kurdische Volk starkes Leid erfahren hat, sind die Bestrebungen und Bemühungen für Frieden heute umso stärker. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die kurdische Frage nicht mit Waffen und Krieg gelöst werden kann, sondern nur durch einen ernsthaften und konstruktiven Dialog. Diese Herangehensweise zeigt sich nicht nur am Beispiel Nord- und Südkurdistans, sondern auch an der Einberufung der „Konferenz zur kurdischen nationalen Haltung in Rojava“, welche am 26. April stattfinden soll.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/ynk-chef-talabani-kritisiert-turkische-angriffe-trotz-pkk-waffenruhe-45993 https://anfdeutsch.com/kurdistan/imrali-delegation-beendet-dialogoffensive-in-der-kri-45357 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/abdi-termin-fur-kurdistan-konferenz-in-rojava-steht-46018 https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-partei-trifft-justizminister-tunc-am-donnerstag-46028

 

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Erdbeben erschüttert Istanbul

23. April 2025 - 18:00

Mit Epizentrum im Marmarameers vor dem Küstenort Silivri ereignete sich heute kurz vor 13.00 Uhr Ortszeit ein Erdbeben. Laut der nationalen Katastrophenschutzbehörde AFAD betrug das Beben 6,2 auf der Richterskala. Das Epizentrum soll sich in einer Tiefe von 6,92 Kilometern befunden haben. Auch in den umliegenden Provinzen und selbst in Teilen Griechenlands und Bulgariens waren Erdstöße zu spüren. Mehrere Erdbebenforscher:innen haben mittlerweile öffentlich die Vermutung geäußert, dass ein Hauptbeben der Stärke 7 sogar noch bevorstehen könne.

Panische Reaktionen der Bevölkerung

In Istanbul rannten viele Menschen panisch aus ihren Häusern und versammelten sich auf der Straße oder suchten Parkanlagen auf. Wie das Gouverneursamt der Stadt auf der Plattform X mitteilte, seien einige „aus Panik aus der Höhe gesprungen“. Laut Behördenangaben würden 151 Verletzte in der Stadt behandelt, sie seien jedoch nicht in Lebensgefahr. Auch über Tote oder größere Sachschäden wurde bisher nicht berichtet.

Hohes Erdbebenrisiko, wenig Schutz

Istanbul ist stark erdbebengefährdet, da sich am Grund des Marmarameeres die Anatolische Platte entlang der Eurasischen Kontinentalplatte verschiebt. Wissenschaftler:innen warnen seit langem vor einem großen Beben in der dicht bebauten Metropole mit ihren über 16 Millionen Einwohner:innen.
Ein großes Erdbeben in Istanbul hätte verheerende Folgen. Es gibt viele Schwarzbauten und alte, einsturzgefährdete Häuser. Man spricht von 90.000 Hochrisikogebäuden, mit 600.000 Wohnungen. Trotz der Warnungen der Expert:innen wurden keine umfassenden Maßnahmen zur Erdbebenprävention getroffen, um die Einwohner:innen zu schützen. Statt in Erdbebenschutz zu investieren, setzt man lieber auf immer neue prestigeträchtige Bauvorhaben, wie zum Beispiel den von Umweltschützer:innen kritisierten Istanbul-Kanal.

Diese Meldung wurde aktualisiert.

Titelbild © CSEM

https://anfdeutsch.com/aktuelles/erdbeben-der-starke-5-0-in-gurgum-43517 https://anfdeutsch.com/Oekologie/erdbeben-der-starke-4-1-erschuttert-sewas-43237 https://anfdeutsch.com/hintergrund/erdbeben-beschleunigt-rad-der-korruption-und-bereicherung-36449 https://anfdeutsch.com/Oekologie/weitere-serie-von-erdbeben-erschuttert-turkei-36446

 

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Ezidische Journalistinnen: Wenn du denkst, bist du frei

23. April 2025 - 18:00

Medienschaffende spielten eine wichtige Rolle bei der Berichterstattung über den vom selbsternannten Islamischen Staat (IS) begangenen Völkermord an der ezidischen Gemeinschaft in Şengal am 3. August 2014. Seither hat sich der Jorunalismus in Şengal weiterentwickelt. Die ezidische Gemeinschaft und insbesondere ihre Frauen erheben selbst die Stimme und präsentieren sie der Öffentlichkeit. Anlässlich des 127. Tags des kurdischen Journalismus sprach die Frauennachrichtenagentur JINHA mit den beiden ezidischen Journalistinnen Emîra Zozan und Hêvîdar Şengalî über ihre Arbeit, deren Bedeutung und die akuten Angriffe auf Medienschaffende in Şengal.

Journalismus als Schutz

Emîra Zozan ist Journalistin und Mitglied der Union junger ezidischer Frauen. Die Berichterstattung aus eigener Perspektive trägt für sie eine enorme Bedeutung für Sichtbarkeit und damit auch für den Schutz. Sie sagte: „Der 22. April ist ein wichtiger Tag, dessen Name in goldenen Lettern in die Geschichte eingegangen ist. Dank der Arbeit der Gefallenen sind wir heute in Şengal Journalistinnen. Vor dem Völkermord gab es in Şengal keine Journalist:innen. Hätte es sie gegeben, wären wir nicht dem Völkermord ausgesetzt gewesen.“

„Wir werden weiterhin die Farbe und Stimme der ezidischen Gemeinschaft sein“

Die junge Medienschaffende beschrieb den Weg, wie vor Ort eigene Pressearbeiten aufgebaut wurden: „Die Journalistin Nujîyan Erhan gründete die Frauenpresse in Şengal im Jahr 2015. Am Anfang stand sie vor vielen Herausforderungen, weil unsere Gesellschaft nichts für den Journalismus getan hat. Heute ist die Frauenpresse in Şengal sehr stark, dank unserer Gefallenen und Genossinnen wie Nûjiyan.

Heute verstehen wir unsere Geschichte, die Geschichte der Frauenpresse, und unternehmen große Anstrengungen motiviert von den Gedanken und der Philosophie von Abdullah Öcalan. Obwohl gegen die Journalistinnen in Şengal ein spezieller Krieg und systematische Angriffe geführt werden, sind wir entschlossen, ihnen zu widerstehen. Viele unserer Kolleginnen wurden bisher getötet. Wir geloben, in ihre Fußstapfen zu treten und die Stimme der Wahrheit zu sein. Als Journalistinnen werden wir weiterhin die Farbe und die Stimme der ezidischen Gemeinschaft sein.“

„Wenn du denkst, bist du frei“

Nûjiyan Erhan hat vielen Frauen beigebracht, wie man Journalistin wird. „Ezidische Journalistinnen werden immer die Stimme der Frauen und ihrer Gemeinschaft sein“, sagte Emîra Zozan. „Wir sind die Schülerinnen Nûjiyans. Als Frauen müssen wir uns gegen die patriarchale Denkweise, die unsere Gesellschaft prägt, zusammenschließen. Wenn du denkst, bist du frei. Als Journalistinnen müssen wir immer denken und uns verbessern.“

Medienschaffende im Visier

Hêvîdar Şengalî, eine Reporterin von Jin TV, wünschte allen Journalist:innen einen fröhlichen kurdischen Journalismustag und sagte: „Der Journalismus hat sich in Şengal unter der Führung von Frauen seit etwa 10 Jahren entwickelt. Als ezidische Journalistinnen unternehmen wir große Anstrengungen, um der Stimme unseres Volkes Gehör zu verschaffen. Es ist bekannt, dass Journalist:innen überall verfolgt, getötet und verhaftet werden. Sie werden in Nordkurdistan verhaftet und in Rojava getötet, während sie über Zusammenstöße berichten. Auch in Şengal werden Medienschaffende zur Zielscheibe. Vor zwei Jahren wurde unser Kollege Murad bei einem Angriff auf ein Journalistenfahrzeug getötet.“

Die TV-Reporterin lässt sich nicht einschüchtern, sie weiß um die Wichtigkeit ihrer Arbeit: „Wir werden der Wahrheit nachgehen, auch wenn wir angegriffen und getötet werden. Wir machen Journalismus, indem wir in die Fußstapfen der Gefallenen Nûjiyan treten. Als Journalistinnen rufen wir alle jungen Frauen dazu auf, die Stimme der Wahrheit zu sein.“

Nûjiyan Erhan

Die Journalistin Nûjiyan Erhan hielt sich ab Frühjahr 2015 in Şengal auf, um den IS-Genozid und den Widerstand dagegen zu dokumentieren. Dabei führte sie Interviews mit Überlebenden, vor allem mit ezidischen Frauen. Zudem bildete sie Ezidinnen für die journalistische Arbeit aus. Durch einen Sniper der von der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) ausgebildeten „Roj Peschmerga“ wurde sie am 3. März 2017 in der Stadt Xanesor gezielt getötet. Seitdem hat sich der Journalismus in Şengal weiterentwickelt und es wurden Erfahrungen gesammelt, um den Stimmen der Menschen Gehör zu verschaffen.

Der Tag des kurdischen Journalismus

Die erste Ausgabe der Zeitung Kurdistan wurde vor 127 Jahren, am 22. April 1898 von Mîqdad Mîdhat Bedirxan veröffentlicht. Aufgrund der Unterdrückung durch das Osmanische Reich wurde sie in Kairo gedruckt. Von 1898 bis 1902 wurden insgesamt 31 Ausgaben der Zeitung veröffentlicht. Seit 1973 wird der 22. April als Tag des kurdischen Journalismus begangen.


Titelbild © JINHA

https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/medienschaffende-wurdigen-127-jahre-kurdische-presse-46022 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/doku-uber-die-ermordete-journalistin-nujiyan-erhan-32374 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/journalist-aziz-koyluoglu-in-qendil-beigesetzt-45307

 

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Anti-Terror-Einsatz in Camp Hol abgeschlossen

23. April 2025 - 16:00

Unter dem Kommando der Kräfte der inneren Sicherheit Nord- und Ostsyriens (Asayîş) wurde gemeinsam mit deren Frauenverband, den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) seit dem 18. April ein groß angelegter Sicherheitseinsatz durchgeführt. Die Operationen umfassten neben mehreren Bereichen des Camp Hols bei Hesekê (Kanton Cizîr) auch Ziele außerhalb des Lagers. Die Asayîş beendeten heute am sechsten Tag den Einsatz und veröffentlichten einen Bericht, der die Ergebnisse zusammenfasst.

Zuletzt erhöhte Aktivität von IS-Zellen im Camp Hol

Die von der Behörde für innere Sicherheit gestartete Sicherheitsoperation im Auffang- und Internierungslager Hol in Nordostsyrien hatte zum Ziel, gegen mutmaßliche Mitglieder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vorzugehen, die weiterhin im Lager aktiv sein sollen. Die Aktivitäten von IS-Zellen innerhalb des Lagers hätten sich zuletzt deutlich erhöht. Es sei zu mehreren Entführungs- und Angriffsversuchen auf Lagerbewohner:innen gekommen, außerdem würden gezielt humanitäre Organisationen und Sicherheitskräfte attackiert.

Festnahmen und Waffenfund

Laut der Erklärung wurden viele Teile des Lagers in Durchsuchungsmaßnahmen durchkämmt, während außerhalb des Lagers spezielle Operationen organisiert wurden. Als Ergebnis der sechstägigen Operation wurden demnach 20 IS-Mitglieder und Kollaborateure gefangen genommen, unter ihnen der 40-jährige Iraker Ibrahim Abid Abdullah, der unter dem Alias „Abu al-Azra“ bekannt ist. Abdullah wird für zahlreiche Verbrechen innerhalb des Lagers verantwortlich gemacht und soll eine zentrale Rolle in der ideologischen Indoktrinierung und militärischen Ausbildung neu rekrutierter IS-Mitglieder gespielt haben.

Die Durchsuchungen führten die Sicherheitskräfte außerdem zu einem Zelt, in dem sie drei AK-47, eine Pistole, zahlreiche Magazine sowie verschiedene militärische Ausrüstungen und Munition sicherstellten.

Massenausbruch und Angriffe verhindert

Wie die Asayîş bekannt gaben, sei ein von einer Zelle innerhalb des Lagers mit einer Zelle außerhalb des Lagers organisierter Massenfluchtversuch erfolgreich verhindert worden. Alle Mitglieder der Zelle konnten festgenommen werden. Außerdem habe der Asayîş-Frauenverband nach iegenen Angaben eine Spezialoperation gegen eine IS-Zelle durchgeführt, die mit anderen Zellen einen Angriff plante.

Resümee: Erfolgreicher Schlag gegen Terrorstruktur

Die Erklärung fügte hinzu, dass die Operation den Plänen des IS, die humanitäre Situation im Lager auszunutzen, einen schweren Schlag versetzte. Den Kampf gegen IS und die Bemühungen, die Ressourcen der Organisation zu erschöpfen, werde auch in Zukunft entschlossen von den Sicherheitskräften fortgesetzt. Die dafür notwendigen Präventivmaßnahmen würden in allen Gebieten, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, fortgeführt werden. Insbesondere forderten die Asayîş die Öffentlichkeit auf, auf verdächtige Aktivitäten zu achten und mit den Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten, wobei sie betonten, dass die öffentliche Sicherheit eine gemeinsame Verantwortung sei.

Internationaler Appell

Die Asayîş riefen zudem die internationale Gemeinschaft auf, ihrer rechtlichen und humanitären Verantwortung im Camp Hol nachzukommen, ihre im Lager festgehaltenen Staatsbürger:innen zurückzunehmen und der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) die erforderliche Unterstützung zu gewähren.

Camp Hol ist eine immense sicherheitspolitische Herausforderung

Rund 35.000 Menschen leben derzeit im Camp Hol, östlich von Hesekê. Einen großen Teil der Lagerbevölkerung machen Angehörige ehemaliger IS-Söldner aus. Wie die DAANES immer wieder benennt, ist das Lager ein Brennpunkt dschihadistischer Aktivitäten. Trotz umfassender Sicherheitsmaßnahmen, bleibt die Lage im Camp angespannt und vor allem IS-Anhängerinnen versuchen kontinuierlich Kinder und Jugedliche im Camp zu rekrutieren. Die Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien fordert seit Langem internationale Unterstützung bei der Lösung der humanitären und sicherheitspolitischen Herausforderungen vor Ort.

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/camp-hol-frauen-begrussen-operation-gegen-is-zellen-46015 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/anti-terror-einsatz-in-hol-camp-hochrangiger-is-kader-festgenommen-46011 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/camp-hol-solange-keine-sicherheit-herrscht-wird-der-einsatz-fortgesetzt-45996 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/sicherheitsoperation-im-camp-hol-geht-in-den-zweiten-tag-45986

 

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CPT muss seine Pflicht erfüllen

23. April 2025 - 14:00

Silêman Îsa Ahmed, Mitglied der Initiative Freiheit für Abdullah Öcalan in Syrien, weist dringend darauf hin, dass die Isolationshaft Öcalans gegen die Menschenrechte verstoße. Er zeigt sich insbesondere vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) enttäuscht und stellt den Sinn der intransparenten Besuche infrage: „Wir sehen keinen Sinn in ihren Besuchen, zumal der Bericht ihres letzten Besuchs in Imrali im Jahr 2022 noch immer nicht veröffentlicht wurde. Normalerweise würde das CPT seine Berichte innerhalb eines Jahres nach jedem Besuch der Öffentlichkeit vorstellen. Daher können wir jetzt sagen, dass das CPT keine Menschenrechtsinstitution mehr ist und sich dem politischen Druck gebeugt hat. Unser Vertrauen in das CPT nimmt immer mehr ab.“

Breite Kritik am CPT

Ahmed steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Erst kürzlich hatte das Komitee einen Ad-hoc-Inspektionen in mehrere türkischen Haftanstalten und Polizeirevieren durchgeführt – und Imrali dabei einmal mehr ausgelassen. Dieser Umstand verursachte große Empörung: Trotz zahlreicher internationaler Appelle ignorierte das Antifolterkomitee des Europarats damit die seit Jahren anhaltende Isolation des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Das CPT besuchte zwischen dem 7. und dem 11. April diesen Jahres zahlreiche Gefängnisse in der Türkei, ohne Imrali zu besuchen.

Das CPT äußerte sich öffentlich zur Lage von Festgenommenen im Zuge aktueller Proteste, ließ jedoch gleichzeitig die völlige Isolation von Abdullah Öcalan – der zentralen Figur in der kurdischen Frage – unkommentiert. Imrali erneut nicht zu inspizieren, wird von vielen als politisch motivierte Zurückhaltung gewertet, die dem Anspruch des CPT auf Unparteilichkeit und Menschenrechtsschutz widerspricht.


Große Erwartungen, kein Bericht

„Beim letzten Besuch des CPT gab es große öffentliche Erwartungen, aber es wurde kein Bericht über Öcalans Zustand veröffentlicht. Unsere Botschaft an das CPT lautet: Wenn Sie im Namen der Menschenrechte handeln, dann müssen Sie alle Gefängnisse umfassend und transparent untersuchen“, führte Ahmed zu dem Besuch 2022 aus. Er fand deutliche Worte für seine Kritik: „Wir erheben unsere Stimme gegenüber allen Menschenrechtsinstitutionen und den zuständigen Stellen. Es ist ihre Pflicht, die Rechte aller politischen Gefangenen zu schützen und ihre Aufgaben so zu erfüllen, dass die Menschenwürde gewahrt bleibt. Denn die Menschen akzeptieren diese Situation nicht. Überdenken Sie Ihre Pflichten und korrigieren Sie Ihre Fehler, damit die Menschen wieder Hoffnung in Sie setzen können.“

Elf Besuche seit 1999

Das CPT hat das Imrali-Gefängnis seit 1999 elf Mal besucht und in seinen Berichten betont, dass in diesem Gefängnis Folter und schwere Isolation praktiziert wurden. Es hat jedoch nie darauf bestanden, die Rechte der vier in Imrali inhaftierten Gefangenen zu schützen. Nach jedem Besuch hat es nur einen Teil der Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben. Dies liegt daran, dass das CPT ein Gefängnis nur mit einer Sondergenehmigung des türkischen Staates besuchen kann, und der Staat dem CPT in der Regel nicht gestattet, seine Berichte zu veröffentlichen.

Klare Forderung an das CPT

Dass das CPT die Gefängnisinsel überhaupt besuchen kann, liegt auch an dem öffentlichen Widerstand und Kampf. Die Menschen, die täglich auf der Straße für Öcalans physische Freiheit kämpfen, haben Druck auf das Komitee aufgebaut, aktiv zu werden. Die Forderung ist ebenso klar wie simpel: Bei jedem Gefängnisbesuch in der Türkei sollte das CPT auch Imrali besuchen, welches ein Hochsicherheitsgefängnis vom Typ F ist. Stattdessen finden ca. alle drei Jahre Visiten statt, der Besuch 2022, von dem bisher jeglicher Bericht fehlt, war der bisher letzte.

Daten der Besuche des CPT auf Imrali:

27. Februar, 2. März 1999

14. September 2001

16, 17. Februar 2003

19, 22. Mai 2007

26, 27. Januar 2010

16, 17. Januar 2013

28, 29. April 2016

Mai 2019

20, 29. September 2022

Nach 2022 fand kein weiterer Besuch statt.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/cpt-erneut-in-der-kritik-keine-inspektion-der-gefangnisinsel-imrali-45945 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/strassburg-woche-669-der-mahnwache-fur-Ocalans-freiheit-45966 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/anwaltskanzlei-asrin-permanentertausnahmezustand-auf-imrali-45746

 

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Gefängnisverwaltung verlangt Übersetzungsgebühr für kurdische Briefe

23. April 2025 - 13:00

Das Bolu-Gefängnis Typ F, das häufig wegen der Verletzung von Gefangenenrechten im Rampenlicht steht, ist erneut ins Visier der Öffentlichkeit geraten, nachdem bekannt wurde, dass das Recht des politischen Gefangenen Ihsan Balkaş auf Kommunikation willkürlich eingeschränkt wurde. Von Balkaş in seiner Muttersprache Kurdisch verfasste Briefe wurden von der Gefängnisverwaltung mit der Begründung nicht abgeschickt, dass sie „nicht verstanden“ würden. Außerdem verlangte die Verwaltung, dass er für die Übersetzung der Briefe bezahlt.

Gefangene sollen für die Übersetzung von Briefen zahlen

Berivan Barin, eine Anwältin der Vereinigung freiheitlicher Jurist:innen (ÖHD), die sich mit Ihsan Balkaş traf, erklärte, dass diese Situation eine Verletzung des Rechts auf Kommunikation und des Gleichheitsgrundsatzes darstelle und betonte, dies sei zu einem Mechanismus der Zensur geworden: „Das macht es den Gefangenen praktisch unmöglich, auf Kurdisch zu kommunizieren. Den Gefangenen, die sich die Kosten nicht leisten können, wird ihr Recht auf Kommunikation vollständig genommen.“ Sie fügte hinzu, dass die staatliche Autorität zur Überwachung der Kommunikation zu einem Zensurmechanismus geworden ist.

Gericht wies Einwände als „administrative Ermessensentscheidung“ zurück

Gefangene daran zu hindern, in ihrer Muttersprache zu schreiben, sei laut der Anwältin eine entwürdigende Behandlung. Es gelte in diesem Fall also nicht nur, das Recht auf Kommunikation zu schützen, sondern die Menschenwürde selbst.

Rechte sind keine Privilegien

„Das Recht auf Kommunikation ist kein Privileg, es ist ein Grundrecht. Die Auferlegung einer ‚Übersetzungspflicht‘ für kurdische Faxe oder Briefe durch die Verwaltung ist ein Verstoß gegen das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation, das durch Artikel 20 der Verfassung garantiert wird. Diese Praxis ist Teil eines Systems der systematischen Diskriminierung kurdischer Gefangener geworden, das von politischen Motiven angetrieben wird“, führt Barin aus.

Antrag bei Verfassungsgericht

Balkaş, dessen Briefe nicht zugestellt wurden, legte vor Gericht Einspruch gegen diese Rechtsverletzungen ein. Das erste Hohe Strafgericht von Bolu, welches den Einspruch prüfte, lehnte jedoch alle Anträge im Zusammenhang mit diesen Rechtsverletzungen ab und bezeichnete die willkürlichen Praktiken als „im Ermessen der Verwaltung liegend“.

Nach dieser Entscheidung erklärten die Anwält:innen, dass ein individueller Antrag beim Verfassungsgericht eingereicht wurde.

https://anfdeutsch.com/menschenrechte/nach-herzinfarkt-schwerkranker-gefangener-zuruck-im-gefangnis-46020 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/geldsendungen-an-gefangene-sind-kein-verbrechen-45952 https://anfdeutsch.com/aktuelles/hatimogullari-kern-des-gesprachs-mit-dem-justizminister-ist-die-demokratisierung-45947

 

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Dilan Kunt Ayan: Frieden ist noch nie durch Abwarten entstanden

23. April 2025 - 13:00

Nach dem historischen Friedensaufruf von Abdullah Öcalan im Februar trafen die Mitglieder der Imrali-Delegation der DEM-Partei, Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder, vorletzte Woche mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammen.

Dilan Kunt Ayan, Abgeordnete für Riha (tr. Urfa) von der DEM-Partei, teilte mit ANF im Interview ihre Ansichten über das Treffen. Sie sagte: „Dies ist sicherlich ein wichtiger Schritt, um den Prozess erfolgreich voranzutreiben. Leider gab es bisher keine klare Position in der Öffentlichkeit. Es ist eine wichtige Entwicklung, dass der Präsident sich direkt mit unserer Delegation getroffen hat. In der Tat können wir dies als einen verspäteten Schritt bezeichnen.“ Insbesondere stellt sie für den Erfolg eines möglichen Friedensprozesses aber die Rolle der Gesellschaft in den Vordergrund: „Wir müssen diejenigen sein, die organisieren, nicht diejenigen, die warten.“

Vertrauen braucht konkrete Schritte

Die Abgeordnete sieht neben wachsendem Optimismus auch die noch immer bestehenden Bedenken der Bevölkerung. Die direkte Beteiligung des Präsidenten habe Hoffnungen und Erwartungen bezüglich schneller und konkreter Schritte geweckt. Ayan sieht die Möglichkeit, dass das Erfolgen dieser Schritte den existierenden Optimismus in Unterstützung und Vertrauen verwandeln kann.

Um die Bedenken der Öffentlichkeit zu zerstreuen, braucht es nach der Politikerin intensive Bemühungen. Die jahrhundertelange Verleugnungspolitik des Staates, der Bruch von Waffenruhen durch die Türkei in der Vergangenheit und die mehrfache Erfahrung, dass auf eine Verhandlungsphase eine Verschärfung des Krieges und der Aggression folgte, hätten in der kurdischen Bevölkerung zu berechtigten Zweifeln geführt. Als Folge sei eine vorsichtige Haltung entstanden. Die Politikerin betonte: „Diese Bedenken wurden uns überall, wo wir hinkamen, immer wieder mitgeteilt.“

„Frieden ist noch nie durch Abwarten entstanden“

Ayan ist überzeugt, dass das Einschlagen eines demokratischen Lösungsweges insbesondere von der Gesellschaft ausgehen muss: „Doch nun ist es an der Zeit, diese Sorgen durch Kampf in Erfolg umzuwandeln. An diesem Punkt müssen die Menschen an ihre eigene Stärke glauben, insbesondere an die Stärke von Herrn Öcalan, und diesen Prozess mit ihrer eigenen Willenskraft vorantreiben. Frieden ist noch nie durch Abwarten entstanden. Er hat immer einen großen Kampf erfordert. Das gilt auch für diejenigen, die auf der Seite des Volkes und der Opposition stehen.“

Öcalan muss angemessene Bedingungen für politisches Engagement erhalten

Dies bedeute aber nicht die Verantwortung für den Prozess nur auf einer Seite zu sehen, beide Seiten müssten ihn tragen. Die wichtigste Froderung der DEM-Partei sei, „dass Herrn Öcalan die notwendigen Voraussetzungen für eine freie und aktive Teilnahme gegeben werden. Die Öffentlichkeit sieht diesen Schritt auch als einen Test der Aufrichtigkeit. Millionen Menschen fordern dies. Damit dieser Prozess in gesunder und sinnvoller Weise fortgesetzt werden kann, muss dieser Schritt ohne Verzögerung unternommen werden.

Als einer der ersten Schritte wird erwartet, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Kongress der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zusammentreten und seine internen Beratungen abhalten kann.“

Andauernder Krieg normalisiert Ungerechtigkeit

Dilan Kunt Ayan verwies auf weitere entscheidende Faktoren, wie die Normalisierung von Ungerechtigkeiten durch den andauernden Krieg. Gemeint sind hiermit willkürliche Festnahmen, Verhaftungen und die Verweigerung der Freilassung kranker Gefangener. Die unverzügliche Vorlage von Rechtsreformen im türkischen Parlament sei hierfür ein notwendiger Schritt. „Die Gesellschaft muss sehen, dass ein echter Paradigmenwechsel im Gange ist“, führte die Politikerin aus, „die Wiedereinstellung entlassener öffentlicher Bediensteter, die Beseitigung von Hindernissen für die Vereinigungsfreiheit, die Abschaffung des Systems der von der Regierung ernannten Treuhänder und die Verabschiedung umfassender, freiheitlicher und egalitärer Rechtsreformen müssen unverzüglich zur Priorität erklärt werden.“

Eine historische Verantwortung

Für einen dauerhaften Frieden, so betont Ayan, müssen alle Teile der Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Vor sowie nach dem Friedensaufruf Abdullah Öcalans seien in öffentlichen Versammlungen die Inhalte und die Tragweite des Aufrufs ebenso erläutert worden wie damit verbundene Sorgen und konkrete Schritte. Dieser Vermittlungsprozess halte weiterhin an und werde von der DEM-Partei mit großer Kraft vorangetrieben, um alle gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen und entsprechende Spezifika zu diskutieren.

Der Aufbau einer demokratischen Türkei

Ayan sagt, die Vorstellung einiger, dass „die Politiker:innen den Prozess ohnehin in die Hand nehmen“ und sie demzufolge nichts zu tun brauchten, sei völlig falsch. Das ziel sei der Aufbau einer demokratischen Türkei, weshalb die Aufgabe bei „der Gesellschaft, der Opposition und allen Einzelnen, die in diesem Land leben“ läge.

Im Mittelpunkt all dieser Diskussionen stehe die Botschaft, dass jede:r die Verantwortung für diesen Prozess übernehmen und ihn aus eigener Kraft mitgestalten muss. Die Abgeordnete beschreibt klare Schritte: „Niemand sollte sagen: ‚Was kann ich tun?‘ Jede:r sollte die Bedeutung dieses Aufrufs erklären, zu Hause, auf der Straße, am Arbeitsplatz. Wir müssen versuchen, diejenigen zu überzeugen, die noch zögern. Jede:r von uns kann etwas zu einer freien und gleichberechtigten Zukunft der Völker der Türkei beitragen.“ Auch als Partei werde dieser Weg fortgesetzt: „Wir müssen unseren Organisationsbereich so ausweiten, dass kein Haus unbesucht und kein Mensch unerreicht bleibt. Wir müssen Mechanismen schaffen, die eine soziale Organisation und kollektives Handeln ermöglichen.“

Aufruf zu Frieden und Demokratisierung

Nach mehreren Jahren der Totalisolation fanden seit Dezember letzten Jahres Besuche einer Delegation der DEM-Partei auf der Gefängnisinsel Imrali statt. Bei dem dritten Besuch der Imrali-Delegation bei Abdullah Öcalan waren neben Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder auch die Parteispitze der DEM – die Ko-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan – sowie die Rechtsanwälte Cengiz Çiçek und Faik Özgür Erol und der erfahrene Politiker Ahmet Türk vertreten.

An dem Gespräch nahmen auch die drei ebenfalls im Imrali-Gefängnis inhaftierten Mitgefangenen Öcalans, Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş teil. Gemeinsam veröffentlichten sie den „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“, der auf eine neue politische Öffnung in der Türkei abzielt.

Gespräche auch mit Regierungsebene

Im Rahmen dieses Dialogprozesses hatte die DEM-Partei auch den direkten Austausch mit der Regierung gesucht. Vorletzte Woche trafen Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan zusammen – ein seltenes, symbolträchtiges Treffen angesichts der langjährigen Spannungen zwischen Regierung und kurdischer Bewegung.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-partei-trifft-justizminister-tunc-am-donnerstag-46028 https://anfdeutsch.com/aktuelles/tuncer-bakirhan-Ocalan-sieht-hoffnung-fur-friedensprozess-46023 https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-delegation-auf-dem-weg-nach-imrali-46006

 

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Gesellschaftliches Mosaik in Syrien: Drusische Gemeinschaft

23. April 2025 - 11:00

Gemeinschaften wie die kurdische, die alawitische, drusische, ismailitische und christliche müssen sich organisieren, um ihre Existenz zu schützen und ihre Rechte im Rahmen einer neuen syrischen Verfassung zu sichern. In einer Artikelreihe werden die Vergangenheit und Gegenwart der drusischen und alawitischen Gemeinschaften in Syrien beleuchtet. Dies ist der erste Teil.

In Syrien leben heute schätzungsweise fast zwanzig verschiedene ethnische und religiöse Gemeinschaften. Neben den großen Gruppen wie Araber:innen, Kurd:innen, Drus:innen und Alawit:innen gibt es auch viele kleinere kulturelle Gemeinschaften. Gruppen wie die Assyrer-Syrer:innen, Turkmen:innen, Tscherkess:innen, Ezid:innen, Armenier:innen und Jüd:innen sind alle Teil dieses vielfältigen Mosaiks, jede mit ihren eigenen religiösen Glaubensgruppen und Traditionen.

Ethnisches und religiöses Geflecht

Das soziale Gefüge Syriens besteht aus einer muslimischen Mehrheit: Etwa 85 Prozent der Bevölkerung sind sunnitisch-muslimisch, daneben gibt es alawitische (Nusayris), schiitisch-muslimische, drusische und ismailitische Gemeinschaften. Die Christ:innen, die etwa 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen, gehören verschiedenen Konfessionen an, darunter der griechisch-orthodoxen, der syrisch-orthodoxen, der armenisch-gregorianischen und verschiedenen katholischen Gemeinschaften (Maronit:innen, syrisch-katholisch und griechisch-katholisch). Unter der christlichen Bevölkerung gibt es auch eine kleine protestantische Gemeinschaft. Darüber hinaus gibt es auch ezidische Kurd:innneen, alawitische Kurd:innen und Turkmen:innen, Jüd:innen und in gewissem Umfang Atheist:innen und Agnostiker:innen.

Wo lebt die drusische Gemeinschaft?

Die Mehrheit der drusischen Bevölkerung lebt in Syrien, Schätzungen zufolge zwischen 500.000 und 700.000. Sie sind vor allem in Suweida und Daraa (Dschabal ad-Duruz) sowie in Gebieten nahe der israelischen Grenze zu finden. Eine weitere bedeutende drusische Bevölkerungsgruppe lebt in der bergigen Chouf-Region im Libanon (ca. 250.000 bis 300.000 Menschen) und in der Gegend um Amman in Jordanien (ca. 25.000 bis 30.000 Menschen). Eine kleine drusische Gemeinschaft von weniger als 1.000 Menschen lebt auch in zwei Dörfern innerhalb der israelischen Grenzen und besitzt die israelische Staatsbürger:innenschaft. Darüber hinaus gibt es schätzungsweise 100.000 bis 150.000 Drus:innen in der Diaspora. Insgesamt gelten die Drus:innen als eine Gemeinschaft von über einer Million Menschen. Diese Zahlen beruhen auf Schätzungen und können variieren.

Künstliche staatliche Grenzen

Die Verstreutheit der drusischen Bevölkerung ist weitgehend auf die künstlichen Grenzen zurückzuführen, die nach dem Ersten Weltkrieg gezogen wurden. Historisch gesehen lebten sie in der Levante, einer kulturell und geografisch bedeutenden Region. Die Levante erstreckt sich in einem weiten Bogen vom Taurusgebirge in der Türkei über Teile des heutigen Irak, Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien, Libanon, Palästina und Israel bis hin zur Sinai-Halbinsel und dem Golf von Ägypten.

Die Levante, deren Grenzen nie eindeutig festgelegt wurden, wurde später als Provinz Damaskus bekannt. Libanon, Israel und Palästina wurden von dieser Provinz abgetrennt, und später wurde das Gebiet Palästinas geteilt, was zur Gründung des Staates Jordanien in einem Teil der Region führte. Auf diese Weise wurde das Gebiet, das einst die Provinz Damaskus umfasste, zersplittert und künstlich in die Staaten verwandelt, die heute existieren.

Ethnische Herkunft ungeklärt

Von den großen in Syrien lebenden Gruppen gibt es keine eindeutigen Informationen über die ethnische Herkunft der Drus:innen. Die meisten der verfügbaren Informationen beruhen auf Spekulationen und Legenden aus verschiedenen Quellen und stützen sich nicht auf konkrete Beweise oder verifizierte Daten.

Einige Quellen führen ihre Herkunft auf die Hethiter:innen oder die Galater:innen zurück, andere vermuten iranische Wurzeln und bringen sie mit den Perser:innen, Meder:innen (aufgrund von Ähnlichkeiten im Glaubenssystem) oder den Mazdakit:innen (Mazdakiyya) in Verbindung. In einigen Berichten werden sie mit den Phönizier:innen in Verbindung gebracht, während bestimmte jüdische Quellen behaupten, dass sie Arbeiter:innen aus Sidon waren, die sich in den Bergen des Libanon niederließen und Holzarbeiten für den Tempel Salomos verrichteten. Es gibt sogar Überlieferungen, die besagen, dass sie Nachkommen von Christ:innen sind, die nach den Kreuzzügen in der Region blieben.

Die Drus:innen selbst bekennen sich jedoch zur arabischen Identität. Dies ist auch die am meisten akzeptierte und unterstützte Ansicht. Nach dieser Sichtweise werden sie als Gruppen arabischen Ursprungs betrachtet, die sich mit den Aramäer:innen im Jemen vermischten und später aufgrund einer Flutkatastrophe in die Berge des Libanon wanderten. Mit der Ausbreitung des Islam konvertierten sie und ließen sich in diesen Bergregionen nieder, die sie zu ihrer Heimat machten.

Der drusische Glaube

Der drusische Glaube geht auf den Zweig der Sieben Imame des schiitischen Fatimidenkalifats in Ägypten zurück. Die schiitische Glaubensrichtung gliedert sich in zwei Hauptzweige: Der anatolische Schiismus erkennt die Zwölf Imame als rechtmäßig an, während die Fatimiden nur die Sieben Imame als rechtmäßig ansahen. Dieser Unterschied stellt eine grundlegende Spaltung zwischen den beiden Hauptzweigen des schiitischen Islam dar.

Das Fatimidenkalifat

Die Geschichte des Fatimidenkalifats (909-1171) ist hinsichtlich seiner Gründung recht komplex. Ursprünglich hatte es seine Wurzeln in Tunesien, aber das Staatsgebiet erstreckte sich schließlich über ein weites Gebiet, das Tunesien, Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, Palästina, Libanon, Syrien, Jordanien und sogar Mittelmeerinseln wie Sizilien, Malta, Sardinien und Korsika umfasste. Das Fatimidenkalifat war der erste schiitische Staat, der innerhalb des sunnitisch dominierten Abbasidenreiches errichtet wurde.

Als interne Aufstände und Unruhen das Kalifat zu bedrohen begannen, versuchte der abbasidische Staat mit Sitz in Bagdad, in der Region des Maghreb zu intervenieren, die unter seinem Einfluss stand. Ubaydullah, ein Anhänger des ismailitischen Zweigs des schiitischen Islam, wurde in den Maghreb geschickt, um die Unruhen zu unterdrücken. Dort angekommen, beendete Ubaydullah den schwächelnden und unabhängigen Aghlabidenstaat und übernahm die Kontrolle über viele Gebiete, um schließlich das Fatimidenkalifat zu gründen.

Da er behauptete, von Fatimah Zahra, der Tochter des Propheten Mohammed und Ehefrau Alis, abzustammen, benannte Ubaydullah seinen neuen Staat nach ihr. Die Fatimiden wollten eine schiitische Alternative zur Herrschaft der Abbasiden errichten und sicherten sich damit einen bedeutenden Platz in der politischen und konfessionellen Landschaft der islamischen Welt.

Ägypten als Zentrum der Entstehung

Das Fatimidenkalifat hatte Ägypten selbst unter seinem vierten Herrscher noch nicht in sein Territorium einbezogen. Zu dieser Zeit befand sich die Region unter der Kontrolle einer anderen Macht, den Ikhshidid:innen. Im Jahr 969 eroberte der fatimidische Militärbefehlshaber Jawhar Ägypten von den Ikhshidid:innen und machte es zum neuen Zentrum des fatimidischen Kalifats. In der späteren Hauptstadt Kairo wurden sowohl die Zitadelle al-Qahira als auch die al-Azhar-Moschee errichtet. Mit diesen Entwicklungen war der Fatimidenstaat in Ägypten offiziell gegründet.

Der drusische Glaube entstand unter der Herrschaft von al-Hakim, dem sechsten Kalifen des schiitischen Fatimidenkalifats in Ägypten, als Unterzweig der ismailitischen Strömung. Sie begann als eine von Muhammad bin Isma'il ad-Darazi, der sich selbst zum Imam erklärte, im Libanon verbreitete Doktrin. Diese Selbstverkündigung löste heftige öffentliche Reaktionen aus; 1016 wurde ad-Darazi der Ketzerei angeklagt und 1018 auf Befehl des Kalifen al-Hakim hingerichtet. Es wird angenommen, dass der Name „Drus:innen“ auf diese Figur zurückgeht.

Frühe Verfolgung

Die Struktur des Glaubens wurde später von Hamza bin Ali, dem Wesir des Kalifen al-Hakim, reorganisiert. Hamza proklamierte al-Hakim als „Herrscher im Namen Gottes“ und erklärte sich selbst zum Propheten. Seine Erklärungen lösten in Ägypten Massenproteste aus, die sich bald zu einem erbitterten Widerstand gegen das Kalifat entwickelten. Diese Aufstände wurden mit Gewalt niedergeschlagen. Auf dem Höhepunkt dieser Unruhen verschwand der Kalif al-Hakim im Jahr 1021 auf mysteriöse Weise und ist vermutlich gestorben.

Angesichts des anhaltenden Drucks zog sich Hamza in die Abgeschiedenheit zurück. Der neue Kalif, al-Zahir vom Fatimidenkalifat, setzte die drusischen Anhänger der Verfolgung aus. Viele wurden gezwungen, ihren Glauben im Verborgenen zu praktizieren. Hamza und seine Anhänger verließen schließlich Ägypten und wanderten in den Libanon aus, wo sie sich mit den verbliebenen Anhänger:innen von ad-Darazi zusammenschlossen.

Die drusischen Qaysis und Jemenit:innen

Die Drus:innen sind intern in zwei Zweige unterteilt, die als die Qaysis und die Jemenit:innen bekannt sind. Diese Aufteilung spiegelt auch eine historische Ausrichtung auf das Osmanische Reich und die Mamelucken wider. Während der Schlacht von Marj Dabiq im Jahr 1516 unterstützten die Jemeniten die Osmanen, während die Qaysis sich auf die Seite der Mamelucken stellten. In späteren Perioden blieben die Drus:innen eine durchweg problematische Gemeinschaft für die osmanische Herrschaft. Sie sind weithin für ihren kriegerischen Geist und ihre rebellische Natur bekannt.

Hochburgen des Widerstands

Sie waren die ersten, die sich dem Osmanischen Reich nach der Eroberung des ägyptischen Kalifats, später der französischen Besatzung und zuletzt dem Baath-Regime widersetzten. Die von ihnen bewohnten Regionen wurden oft zu Hochburgen des Widerstands. Die Drus:innen hissen nur selten ihre Fahne, aber wenn sie es tun, ist es ein Ruf zu den Waffen. Kurz gesagt, sie gelten als ein kriegerisches Volk.

Während des Ersten Weltkriegs gehörten die Drus:innen zu den ersten Gruppen, die sich an der Seite der arabischen Streitkräfte gegen die osmanische Herrschaft erhoben. Nachdem sie 1918 ihre Unabhängigkeit von ihr erlangt hatten, gründeten sie 1921 den Staat Suweida und später das Emirat Dschabal ad-Duruz, benannt nach dem Berg, auf dem sie lebten. Im Jahr 1936 wurde der Status des Emirats für die Drus:innen abgeschafft.

Antikoloniale Revolution in Syrien

Der rebellische Charakter der Drus:innen zeigte sich erneut, als sie im drusischen Gebirge unter der Führung von Sultan al-Atrasch die erste Flamme der syrischen Revolution entfachten, die sich gegen den französischen Kolonialismus richtete. Der Aufstand breitete sich schnell auf Damaskus und viele andere Teile Syriens aus. Infolge dieses Aufstandes wurde der Libanon von Syrien abgetrennt und zu einem unabhängigen Staat erklärt, wobei ein Teil der drusischen Bevölkerung innerhalb der libanesischen Grenzen verblieb.

Der erste Aufstand, der den Beginn des syrischen Bürgerkriegs markierte, brach in Daraa aus, das seit jeher ein Zentrum der Rebellion ist. Obwohl die anfänglichen Proteste gewaltsam niedergeschlagen wurden, breiteten sie sich schnell über das ganze Land aus und führten schließlich zum Zusammenbruch des Regimes. Der drusischen Heimat gelang es einmal mehr, ihre Eigenart zu bewahren und ihr Streben nach einem autonomen Leben nicht aufzugeben.

Die Herrschaft Assads

In den ersten Tagen der Machtübernahme von Hafez al-Assad erhielt er Unterstützung von Drus:innen, Ismailit:innen, Alawit:innen und Kurd:innen. Sein Vorgehen gegenüber diesen Gemeinschaften war jedoch auf die Aufrechterhaltung seiner Herrschaft ausgerichtet. Die Gruppen erhielten nicht den Grad an Repräsentation oder Einfluss, den sie erwarteten, was sie weitgehend von bedeutender Macht ausschloss. Die einstige Unterstützung für die Assad-Familie wandelte sich im Laufe der Zeit in Opposition.

Forderung nach Autonomie

Nach dem Sturz des Baath-Regimes weigerten sich die Drus:innen, sich der Herrschaft von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) zu unterwerfen, und begannen, ihre Forderungen nach Autonomie geltend zu machen. Die drusischen Regionen Suweida, Daraa und die Gebiete nahe der israelischen Grenze sind nach wie vor geografisch zersplittert, was einen großen Nachteil darstellt. Die Drus:innen leben in strategisch bedeutsamen und bergigen Gebieten wie den Ausläufern der von Israel besetzten Golanhöhen sowie in Kuneytra, Daraa, Damaskus und Umgebung. Sie haben sich bewusst für diese Bergregionen entschieden, um ihre kulturelle Identität zu bewahren und sich vor äußeren Bedrohungen zu schützen.

Sozialstruktur

Die Drus:innen pflegen eine sozial nach innen gerichtete Gemeindestruktur. Sie sind für ihre fortschrittliche Einstellung zur Gleichstellung der Geschlechter bekannt und halten ein hohes Maß an sozialer Parität zwischen Männern und Frauen aufrecht. In religiösen Angelegenheiten spielen die Religionsgelehrten (ulema) eine zentrale und sehr einflussreiche Rolle. Gelehrte können nur diejenigen werden, die einen langen Prozess religiöser Ausbildung und Erfahrung durchlaufen haben, und dies wird von einer geschlossenen religiösen Elite streng geregelt. In dieser Hinsicht weisen sie einige Ähnlichkeiten mit der ezidischen Gemeinschaft auf.

Ihr religiöser Glaube wird geheim gehalten und hat seine Wurzeln in einer langen und verborgenen Geschichte der klandestinen Organisation. Wer religiöser Gelehrter werden darf, wird ausschließlich vom inneren Kreis der religiösen Elite bestimmt, deren Aktivitäten vollständig nach innen gerichtet und für Außenstehende verschlossen sind. Sie werden eher als eine religiöse Minderheit denn als ethnische Gruppe wahrgenommen.

Seit dem Sturz des Baath-Regimes haben die Drus:innen eine politische Linie verfolgt, die die Autonomie unterstützt. Sie streben eine Selbstverwaltung an, die von ihren eigenen Verteidigungskräften unterstützt wird, was zu ständigen Spannungen mit der Verwaltung der HTS geführt hat. Trotz aller Versuche Israels hat die drusische Gemeinschaft ihre Distanz zum israelischen Staat gewahrt und sich nie dessen Autorität unterworfen.

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Fall Gülistan Doku: Staatsanwältin setzt neue Sonderkommission ein

23. April 2025 - 10:00

Gülistan Doku, Studentin im zweiten Jahr des Studiengangs Kinderpädagogik an der Munzur-Universität in Dersim (tr. Tunceli), gilt seit dem 5. Januar 2020 als vermisst. An diesem Tag verließ sie das Studierendenwohnheim – seither fehlt von ihr jede Spur.

Wie nun bekannt wurde, ordnete Ebru Cansu, die seit vergangenem Jahr als neue Chefanklägerin der Staatsanwaltschaft Tunceli tätig ist, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur erneuten Untersuchung des Falls an. Ziel ist es, alle im Zusammenhang mit dem Verschwinden der jungen Frau gesammelten Beweismittel erneut auszuwerten.

Der Anwalt der Familie Doku, Ali Çimen, bestätigte gegenüber Medien, dass die Ermittlungen unter Einbeziehung des gesamten Aktenmaterials wieder aufgenommen wurden. Die Arbeiten der Sonderkommission dauern an.

Die Familie und Unterstützer:innen der Vermissten hatten in den vergangenen Jahren immer wieder auf eine umfassendere und objektivere Aufklärung des Falls gedrängt. Sie werfen den Behörden Versäumnisse und Intransparenz vor. Der Hauptverdächtige, der damalige Freund von Gülistan Doku, war zeitweise festgenommen worden, wurde jedoch später wieder freigelassen.

Die Wiederaufnahme der Prüfung der Beweise weckt neue Hoffnung, dass der Fall doch noch aufgeklärt und die Umstände des Verschwindens von Gülistan Doku ans Licht gebracht werden könnten. Das Umfeld der in Amed (Diyarbakır) geborenen und zum damaligen Zeitpunkt 21 Jahre alten Kurdin glaubt, dass sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sein könnte. 

https://anfdeutsch.com/frauen/funf-jahre-dieselbe-frage-wo-ist-gulistan-doku-44902 https://anfdeutsch.com/kurdistan/aygul-doku-zu-bewahrungsstrafe-verurteilt-30401 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/mahnwache-fur-gulistan-doku-zieht-vor-justizministerium-30297

 

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