«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
„Vejîna Kurd“: Dokumentarserie über 50-jährigen Widerstand
Die erste Folge der 90-teiligen Dokumentarserie „Ji qirkirinê ber bi jiyana azad ve – Vejîna Kurd“ (dt. Titel: „Vom Völkermord zum freien Leben – Die kurdische Auferstehung“) über die Entstehung und Entwicklung der kurdischen Befreiungsbewegung wird am Mittwochabend auf Stêrk TV ausgestrahlt. Die Zeitung Yeni Özgür Politika hat mit Amed Pîran von der Dokumentations-Kommune Gulistan Tara gesprochen, die das Werk produziert hat.
Wie entstand die Dokumentations-Kommune Gulistan Tara?
Der ununterbrochene Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung, der sich nunmehr über fünf Jahrzehnte erstreckt, war bereits Gegenstand zahlreicher Dokumentarfilme. Besonders erwähnenswert ist die in den 2000er Jahren produzierte Doku „Ateşten Tarih“ (Geschichte aus Feuer), die als umfassende Darstellung der PKK-Geschichte gilt. Doch die sich wandelnden politischen Umstände, der technologische Fortschritt und das heutige Niveau des kurdischen Freiheitskampfes machten eine zeitgemäße und umfassendere Dokumentation dieser Geschichte notwendig. Die Dokumentations-Kommune Gulistan Tara wurde genau zu diesem Zweck gegründet: um den kurdischen Befreiungskampf anhand historischer Quellen, Zeitzeug:innenberichte und visueller Archive systematisch aufzuarbeiten.
Das Ziel war, bisher meist individuell produzierte Dokumentarfilme unter einem gemeinsamen Dach zu bündeln und die kurdische Dokumentationsarbeit organisatorisch und inhaltlich auf ein neues Niveau zu heben. So soll mit Hilfe von Wahrheit, Wissen und Dokumentation, getragen von der Kraft des Visuellen, die kollektive Erinnerung gestärkt, Erlebtes verewigt und ein Beitrag zur korrekten Geschichtsschreibung geleistet werden. Die Doku will den Kampf in allen vier Teilen Kurdistans sowie in der Diaspora aufzeigen – fundiert, belegt, für die gesamte Menschheit zugänglich.
Wie entstand die Idee zur Doku, wann begann die Vorbereitung und wie lange dauerte sie? Wer war beteiligt?
Die Vorbereitungen begannen Ende 2017. Bereits zuvor hatte Abdullah Öcalan die Notwendigkeit einer solchen Dokumentation thematisiert. Auch wenn „Ateşten Tarih“ wichtige Grundlagen schuf, war aufgrund der fortwährenden Entwicklung der Bewegung ein neues Projekt notwendig. Das ursprüngliche Team bestand aus neun Personen, wuchs jedoch im Laufe der Zeit entsprechend den Anforderungen.
Die Arbeit ging weit über Recherche hinaus und umfasste Interviews, Dreharbeiten, Reenactments und technische Produktionen. Da viele historische Ereignisse nicht bildlich dokumentiert sind, wurden szenische Nachstellungen an Originalschauplätzen gedreht. Daran beteiligt waren Kameraleute, Ton- und Synchronsprecher:innen, Colorist:innen, Übersetzer:innen und visuelle Designer:innen. Gefilmt wurde in Kurdistan, der Türkei, Iran, Irak, Syrien, verschiedenen europäischen Ländern sowie Russland. Insgesamt wirkten rund 100 Personen am Projekt mit.
Welchen Zeitraum behandelt die Serie „Kurdische Auferstehung“?
Die Dokumentation besteht aus drei Staffeln. Die erste Episode der ersten Staffel beleuchtet die historischen Umstände, unter denen die PKK entstand. In der zweiten Folge steht die Führungsrolle Abdullah Öcalans im Fokus – denn die PKK ist seit ihrer Gründung stark von seiner Persönlichkeit geprägt. Es folgen Episoden über seine Kindheit, Jugend, Bildung, Begegnung mit dem Sozialismus und erste politische Organisierungsversuche. Die Entwicklung der Gründungsgruppe ab 1973 bis zur Offensive vom 15. August 1984 wird ebenfalls detailliert und anhand von Zeitzeugnissen dargestellt.
Was unterscheidet diese Doku von bisherigen Filmen über die PKK-Geschichte?
Diese neue Serie hebt sich besonders durch den Umfang, die Vielfalt der Zeugenaussagen und den riesigen Archivbestand ab. Erstmals werden nicht nur Gründungsmitglieder der PKK befragt, sondern auch Menschen aus Abdullah Öcalans Familie, Freundeskreis und Umfeld – mit bisher unveröffentlichtem Material und szenischen Darstellungen. Wir sehen Fotos von Öcalan als 21-Jähriger in Amed (tr. Diyarbakır), Berichte über seine Familie, seine Schulzeit, seine Zeit an den Universitäten in Istanbul und Ankara, seine Inhaftierung und Gespräche mit Zeitgenossen.
Auch die erste Gruppe von 1973, Friedensphasen, Dokumente über Gespräche mit Staatsvertretern und Konferenzen, Aussagen zentraler Akteur:innen wie Cemil Bayık oder Duran Kalkan, persönliche Aufzeichnungen und Einschätzungen Öcalans sind Teil der Serie. Zeug:innen ergänzen sich dabei gegenseitig, wodurch eine sehr dichte und chronologische Erzählweise möglich wird.
Welche Quellen wurden genutzt?
Eine umfangreiche Archivrecherche bildete die Grundlage. Zentrale Quellen waren die Schriften, Aufzeichnungen, Briefe, Reden und visuellen Materialien von Abdullah Öcalan selbst. Die Archive der PKK, KCK, PAJK sowie Fotos und Videos aus den militärischen Phasen (HRK, ARGK, HPG) wurden ebenfalls geöffnet.
Zeitungen wie Serxwebûn, Berxwedan, Dengê Kurdistan oder die erste HRK-Zeitschrift Peşmerge wurden analysiert. Auch internationale Medien, sowie Zeitungen und Archive aus der Türkei, lieferten wichtige Informationen. Ein besonderer Beitrag kam von den Familien der Gefallenen, deren Fotos, Biografien und Geschichten gesammelt wurden. Auch das Archivmaterial von Med TV, Roj TV, Stêrk TV und Rojavas neuen TV-Sendern floss in die Doku ein.
Zudem wurden Recherchen des Chronik-Teams der PKK in der Türkei und im Libanon integriert. Archive von Mexmûr und Şengal sowie frei zugängliche Online-Quellen wurden ebenfalls ausgewertet. Besonders wertvoll waren auch private Sammlungen und persönliche Dokumente von Zeitzeug:innen.
Mit wie vielen Personen wurden Interviews geführt?
Geplant waren rund 650 Interviews, durchgeführt wurden über 400. Mehr als 30 Interviewpartner:innen verstarben vor oder während den Dreharbeiten. Manche Interviews wurden direkt in der Doku verwendet, andere als ergänzendes Material archiviert.
Da Abdullah Öcalan nicht selbst teilnehmen konnte – wie wurde dieser Mangel ausgeglichen?
Aufgrund seiner Inhaftierung war ein direktes Interview mit Öcalan nicht möglich. Doch da er seine Lebensgeschichte und politischen Analysen in zahlreichen Schriften, Tonaufnahmen und Interviews dokumentiert hat, konnten seine Aussagen dennoch umfassend eingebunden werden. Er selbst ist somit einer der wichtigsten Erzähler der Doku. Vor allem seine Einschätzungen nach dem internationalen Komplott von 1999 spielen eine zentrale Rolle. Fehlende visuelle Aufnahmen wurden durch szenische Darstellungen ergänzt, wobei stets eine objektive, historisch korrekte Darstellung im Vordergrund stand.
Wie entstand die Musik zur Doku?
Die Musik wurde in Kooperation mit Art Medya Produktion entwickelt. Das Team, das bereits „Ateşten Tarih“ vertont hatte, war auch diesmal beteiligt. Unter der Leitung von Hakan Akay entstand ein speziell für den 50. Jahrestag der PKK gegründetes Orchester mit Musiker:innen aus aller Welt. Neun bedeutende Lieder aus der PKK-Geschichte wurden neu arrangiert und eingespielt. Die Mischung aus Kampf, Schmerz, Hoffnung und Stolz spiegelt sich in einem emotional dichten Soundtrack wider. Das positive Echo auf die Trailer zeigt, dass die Musik die Atmosphäre der Zeit wirkungsvoll transportiert.
Wo und in welchen Sprachen wird die Doku veröffentlicht?
Die Erstausstrahlung erfolgt am 2. April auf Stêrk TV (kurdische Version) und am 4. April auf Medya Haber (türkische Version), jeweils nach den Hauptnachrichten. Eine Stunde später sind die Episoden auf dem YouTube-Kanal der Dokumentations-Kommune einsehbar.
Jeden Mittwoch erscheint eine neue Folge auf Kurdisch, jeden Freitag auf Türkisch. Die englische Version ist in Vorbereitung, ebenso Übersetzungen ins Arabische und Soranî. Ziel ist es, die Serie in möglichst viele Sprachen zu übertragen.
Gab es besondere Herausforderungen während der Produktion? Oder einen besonders bewegenden Moment?
Besonders schmerzhaft war es, wenn geplante Interviewpartner:innen verstarben – entweder noch vor dem Gespräch oder kurz danach. Ein Beispiel ist Sakine Arat, eine wichtige Zeitzeugin der Gefängnisjahre, deren Tod tief berührte.
Auch das Überzeugen von Zeug:innen war nicht einfach – viele fürchteten politische Repressionen. Die Recherche in Archiven, das Sichten von Hunderttausenden Fotos und Dokumenten, war mit enormem Aufwand verbunden. In Kriegsgebieten wie den Bergen, Südkurdistan oder Rojava zu drehen, bedeutete eine direkte Gefahr für das Team. Doch die Überzeugung, der Wahrheit verpflichtet zu sein, war die stärkste Motivation.
Sind weitere Projekte geplant?
Ja. Die Dokumentations-Kommune Gulistan Tara wird weitere Projekte umsetzen – sowohl lange Serien als auch kürzere Dokus mit zwei bis drei Folgen. Zudem wird der YouTube-Kanal ein zentrales Archiv für bisherige kurdische Dokumentarfilme sein – ein Ort, an dem sich die Geschichte der kurdischen Freiheitsbewegung konzentriert erleben lässt.
https://anfdeutsch.com/kultur/vom-volkermord-zum-freien-leben-die-kurdische-auferstehung-feiert-premiere-45754 https://anfdeutsch.com/kultur/dokumentations-kommune-veroffentlicht-trailer-zu-vejina-kurd-45540 https://anfdeutsch.com/kultur/dokumentations-kommune-gulistan-tara-gegrundet-45481
Überraschender Familienbesuch auf Imrali
Nach jahrelanger Kommunikationssperre ist es im Hochsicherheitsgefängnis auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali zu einem seltenen Familienbesuch gekommen. Neben Abdullah Öcalan, der als führende Persönlichkeit der kurdischen Freiheitsbewegung gilt, empfingen auch seine Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş Besuch von ihren Angehörigen.
Anlass der Genehmigung ist das muslimische Zuckerfest. Öcalan traf seinen Neffen, den Parlamentsabgeordneten der DEM-Partei Ömer Öcalan, sowie seinen Bruder Mehmet Öcalan. Ömer Hayri Konar und Hamili Yıldırım erhielten ebenfalls Besuch von ihren Brüdern und Veysi Aktaş konnte seine Schwester sehen.
Seltene Ausnahme in langjähriger Isolationspolitik
Seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen, Anwält:innen und internationale Gremien die vollständige Isolierung Öcalans und seiner Mitgefangenen. So konnte Abdullah Öcalan seit 2014 nur sieben Mal mit seiner Familie sprechen. Der letzte Kontakt vor dem jetzigen Besuch fand im Oktober 2024 statt – nach über 44 Monaten kompletter Kommunikationssperre. Auch damals durfte er ausschließlich seinen Neffen Ömer Öcalan im Rahmen eines Familienbesuchs treffen.
Die Gefangenen Konar und Aktaş, die seit März 2015 auf Imrali inhaftiert sind, konnten insgesamt lediglich vier Familienbesuche wahrnehmen – einschließlich des heutigen Tages. Yıldırım wurde in dieser Zeit sogar nur dreimal der Kontakt zu Angehörigen erlaubt.
Noch gravierender ist die Situation im Hinblick auf anwaltliche Unterstützung: Während Öcalan innerhalb von 14 Jahren nur fünf Mal von seinen Anwält:innen besucht werden durfte (zuletzt im August 2019), wurden Konar, Yıldırım und Aktaş seit ihrer Inhaftierung überhaupt kein einziger Anwaltsbesuch gewährt.
Juristische Kritik und internationale Appelle
Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die Öcalan und seine drei Mitgefangenen juristisch vertritt, veröffentlichte vergangene Woche einen umfassenden Bericht zur Situation im Hochsicherheitsgefängnis auf Imrali in den letzten vier Monaten. Demnach seien allein in diesem Zeitraum 52 Anträge auf Familien- und Anwaltsbesuche unbeantwortet geblieben. In den Report, der auch an das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) ging, wurde eine sofortige Untersuchung der Zustände auf Imrali gefordert.
Aufruf zu Frieden und demokratischer Lösung
Der Besuch fällt in eine Zeit erneuter politischer Bewegung rund um die kurdische Frage. Die Imrali-Delegation der DEM-Partei hatte am 28. Dezember 2024, am 22. Januar sowie am 27. Februar die Insel besucht. Beim letzten dieser Treffen veröffentlichte Abdullah Öcalan gemeinsam mit seinen Mitgefangenen einen Appell für „Frieden und eine demokratische Gesellschaft“. Die Delegation betonte, dass eine politische Lösung der kurdischen Frage nicht ohne die Einbindung Öcalans und der kurdischen Bevölkerung möglich sei. Seither wartet die kurdische Seite auf entsprechende Schritte der Regierung.
Ein Besuch mit Signalwirkung?
Beobachter:innen werten die Genehmigung des Besuchs als ungewöhnliches politisches Signal – möglicherweise im Kontext internationaler Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei und wachsender innenpolitischer Spannungen. Ob der Besuch ein Einzelfall bleibt oder eine Wende in der Imrali-Politik der Regierung hin zu einem möglichen Dialogprozess darstellt, bleibt offen.
https://anfdeutsch.com/hintergrund/sabri-ok-turkischer-staat-ignoriert-Ocalans-friedensaufruf-45767 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/anwaltskanzlei-asrin-permanentertausnahmezustand-auf-imrali-45746 https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-vorsitzender-wirft-justizminister-ahnungslosigkeit-vor-45634 https://anfdeutsch.com/hintergrund/die-kurdische-frage-und-die-demokratisierung-der-turkei-45648
Feminizid in Amed: 37-Jährige von Ehemann ermordet
In der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) ist ein Feminizid verübt worden. Die 37-jährige Dilan Aslan wurde in ihrem Zuhause im Stadtteil Rezan (Bağlar) von ihrem Ehemann ermordet. Der Täter stellte sich kurz nach der Tat selbst bei der Polizei. Während die Ermittlungen gegen ihn noch laufen, wurde der Leichnam der Frau zur Obduktion in das gerichtsmedizinische Institut überführt.
Der Mord an Dilan Aslan reiht sich ein in eine lange Liste geschlechtsspezifischer Tötungen in der Türkei. Allein im Jahr 2024 wurden laut der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (Kadın Cinayetlerini Durduracağız Platformu) über 390 Frauen von Männern ermordet. Die meisten Täter stammen aus dem direkten Umfeld der Opfer: (Ex-)Partner, Familienangehörige oder Ehemänner. Die Dunkelziffer der tatsächlichen Feminizide dürfte deutlich höher liegen, da mehr als 250 weitere Frauen auf verdächtige Weise tot aufgefunden wurden.
Systematische Gewalt gegen Frauen
Der Fall von Dilan Aslan ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer strukturellen und tief verankerten patriarchalen Gewalt. Frauenorganisationen und Menschenrechtsaktivist:innen kritisieren seit Jahren die mangelnde staatliche Bereitschaft, Frauen vor Gewalt zu schützen. Häufig bleiben Anzeigen folgenlos, Schutzanordnungen werden ignoriert, und Täter können mit milden Urteilen oder Straffreiheit rechnen.
Besonders drastisch war der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention im Jahr 2021 – ein internationales Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Die Konvention hat zum Ziel, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, Opfer zu schützen und Täter konsequent zu verfolgen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan begründete den Austritt unter anderem mit dem Schutz traditioneller Familienwerte – ein Argument, das Frauenrechtler:innen als Deckmantel für staatlich legitimierte Frauenfeindlichkeit kritisieren.
Ein traditionelles Familienbild als Gefahr
Der türkische Staat fördert seit Jahren ein konservatives, patriarchales Familienbild, das Frauen in erster Linie als Ehefrauen und Mütter sieht. Aussagen von Regierungsvertreter:innn, wonach Frauen „ihre wahre Erfüllung im Muttersein finden“, oder die Behauptung, dass Gleichstellung „unnatürlich“ sei, verstärken gesellschaftliche Rollenbilder, in denen Gewalt gegen Frauen häufig verharmlost oder gerechtfertigt wird.
Zudem fehlt es an institutioneller Unterstützung: Frauenhäuser sind rar, staatliche Beratungsstellen unterfinanziert, und Polizisten und Richter sind oftmals nicht ausreichend für den Umgang mit häuslicher Gewalt sensibilisiert.
Forderung nach konsequentem Schutz und gesellschaftlichem Wandel
Frauenrechtsorganisationen fordern seit Jahren: Feminizide sind keine Einzelfälle – sie sind politisch. „Der Mord an Dilan Aslan ist ein weiterer Beweis dafür, dass es in der Türkei nicht nur um individuelle Gewalt geht, sondern um ein strukturelles Problem, das durch politische Untätigkeit und ideologische Rückschritte gefestigt wird“, erklärte die Frauenplattform Amed. „Wir brauchen nicht nur härtere Strafen, sondern ein Umdenken auf allen Ebenen – in der Politik, der Justiz, der Gesellschaft. Solange patriarchale Gewalt nicht beim Namen genannt wird, wird sich nichts ändern.“
Foto: Anti-Feminizid-Protest in Hamburg, Juli 2024 © ANF
https://anfdeutsch.com/frauen/16-femizide-in-der-turkei-im-februar-45468 https://anfdeutsch.com/frauen/Uber-hundert-festnahmen-nach-feministischem-nachtmarsch-45533 https://anfdeutsch.com/frauen/fast-400-feminizide-in-der-turkei-44886
Demo-Aufruf: Für einen gerechten Frieden in Kurdistan
Die Freie Kurdische Gemeinde Berlin e.V. – auch Nav-Bel – ruft zu einer Demonstration mit dem Titel „Für einen gerechten Frieden in Kurdistan – Türkische Angriffskriege stoppen!“ auf. Die Veranstaltung finden nach Angaben der Organisation am 10. April in Berlin statt, Treffpunkt ist um 13 Uhr das Brandenburger Tor. Zu den Hintergründen des Protests heißt es in einem Aufruf:
Am 27. Februar 2025 schuf Abdullah Öcalan mit seinem Friedensappell einen historischen Moment – eine Chance, den jahrzehntelangen Konflikt zu beenden und den Weg für eine demokratische Gesellschaft in der Türkei und Kurdistan zu ebnen. Die Arbeiterpartei Kurdistans folgte Öcalans Aufruf und verkündete am 1. März einen Waffenstillstand, der bis heute einseitig geblieben ist.
Keine Änderung in der türkischen Politik gegenüber Kurd:innen
Öcalans Aufruf fand international positive Resonanz. In einer Erklärung des Auswärtigen Amtes am 27. Februar wurde nicht nur der Friedensprozess begrüßt, sondern auch die Bereitschaft zur Unterstützung mit den Worten geäußert: „Als Bundesregierung stehen wir bereit, zu tun, was wir können, um einen solchen Prozess zu unterstützen.“ Ein wichtiges Statement, das die Hoffnungen auf eine politische Lösung dieses jahrzehntelangen Konflikts gestärkt hat.
Nun ist die türkische Regierung am Zug. Sie muss entschlossene Schritte in Richtung eines gerechten und dauerhaften Friedens unternehmen. Es ist an der Zeit, die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei in Kurdistan zu beenden und den Dialog für eine friedliche Lösung zu eröffnen.
Doch leider hat sich seit dem 27. Februar nichts an der türkischen Politik gegenüber den Kurd:innen geändert. Weder die Forderung der PKK, dass Öcalan als Schlüsselfigur seine Führungsrolle in diesem Prozess frei ausüben kann, noch die militärischen Angriffe wurden gestoppt. Im Gegenteil – die Isolationshaft gegen Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali dauert weiterhin an.
Öcalans Aufruf bietet eine historische Chance
Daher appellieren wir als Kurd:innen in Deutschland an die Bundesregierung und erinnern sie an ihr Versprechen, diesen Friedensprozess zu unterstützen. Öcalans Aufruf bietet eine historische Chance – den ersten Schritt hat er selbst getan, indem er zur Auflösung der PKK und zur Beendigung des bewaffneten Kampfes aufrief. Die PKK hat darauf mit einem einseitigen Waffenstillstand geantwortet.
Die Bundesregierung kann ihre Einflussmöglichkeiten im Europarat, in der Europäischen Union und den Vereinten Nationen nutzen – vor allem aber durch ihre bilateralen wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zur Türkei. Gleichzeitig muss sie auch innenpolitisch einen Kurswechsel vollziehen: Das Verbot der PKK aufzuheben wäre ein klares Zeichen für eine neue, friedensorientierte Politik. Wenn der PKK-Waffenstillstand begrüßt wird und die Organisation bereits zum neunten Mal seit 1993 ihre Bereitschaft zum Frieden erklärt hat, dann muss auch in Berlin ein Umdenken stattfinden.
Die jüngsten Proteste gegen die Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters haben uns allen erneut gezeigt, wie wichtig Demokratie für die Menschen in der Türkei ist. Hunderttausende haben sich gegen Unterdrückung und für demokratische Rechte eingesetzt. Gerade deshalb ist die Botschaft Öcalans heute aktueller denn je: Eine friedliche und gerechte Lösung kann es nur geben, wenn die Rechte aller Menschen in der Türkei respektiert und die Demokratie gestärkt werden.
Deutschland soll für Lösung konstruktive Rolle spielen
Wir laden alle ein, mit uns gemeinsam für ein Ende des türkischen Angriffskrieges und für einen gerechten Frieden in Kurdistan einzutreten. Gemeinsam wollen wir die deutsche Bundesregierung auffordern, eine konstruktive Rolle im Sinne eines dauerhaften Friedens zu spielen.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/aufruf-von-abdullah-Ocalan-fur-frieden-und-eine-demokratische-gesellschaft-45431 https://anfdeutsch.com/aktuelles/pkk-stimmt-Ocalan-aufruf-zu-und-verkundet-waffenstillstand-45444 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/anwaltskanzlei-asrin-permanentertausnahmezustand-auf-imrali-45746
Über 40 Medienschaffende in der Türkei im Gefängnis
Auch in diesem Jahr verbringen Dutzende Journalist:innen das islamische Zuckerfest hinter Gefängnismauern. Nach Angaben der NGO Dicle Fırat (DFG) und der Vereinigung kurdischer Journalistinnen aus Mesopotamien (MKG) befinden sich derzeit mindestens 42 Medienschaffende in türkischen Gefängnissen – darunter zehn Frauen.
Die Repressionen gegen kritische Berichterstattung nehmen in der Türkei weiter zu. Besonders im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Operation der türkischen Behörden gegen die Istanbuler Stadtverwaltung und die Verhaftung des Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu gerieten zahlreiche Journalist:innen ins Visier der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum vom 19. bis 23. März wurden 13 Wohnungen von Journalist:innen durchsucht, zwölf Medienschaffende vorübergehend festgenommen, sieben von ihnen zunächst inhaftiert. Nach juristischen Einsprüchen wurden diese wieder freigelassen.
„Wir werden unsere Stifte nicht niederlegen“
Die MGK-Vorsitzende Roza Metina kritisierte die anhaltenden Angriffe auf die Pressefreiheit. Sie verweist insbesondere auf den Fall der inhaftierten Chefredakteurin der feministischen Frauennachrichtenagentur Jin News, Öznur Değer, die im Februar nach einer Hausdurchsuchung festgenommen wurde. Ihr Prozess soll am 22. Mai beginnen.
„Seit Jahren nutzt die AKP-Regierung die Justiz als Repressionsmittel gegen die freie Presse“, sagte Metina. „Man will Journalist:innen zum Schweigen bringen und ihre unabhängige Arbeit unterbinden. Doch unser stärkster Widerstand ist, weiter mit Stift und Kamera zu arbeiten.“
„Hinter Gittern statt auf der Straße“
Metina betonte, dass insbesondere viele Kolleginnen das Fest im Gefängnis verbringen: „Dabei sollten sie draußen sein – mit der Kamera in der Hand, in einem freien Umfeld journalistisch tätig. Laut unserem Monatsbericht von Februar befinden sich aktuell zehn Frauen aufgrund ihrer Arbeit unrechtmäßig in Haft. Sie sitzen hinter Gittern, weil sie Korruption, Ungerechtigkeit und Unterdrückung öffentlich gemacht haben.“
Der einzige Weg, dieser Entwicklung zu begegnen, sei eine stärkere Organisierung innerhalb der Journalist:innenschaft: „Zuletzt wurden bei Protesten gegen die Repression in Istanbul Kolleg:innen geschlagen und festgenommen. Wer zuvor zu den Übergriffen auf kurdische Pressevertreter:innen geschwiegen hat, wird nun selbst zum Ziel staatlicher Gewalt. Daher müssen wir solidarisch zusammenstehen und unbeirrt an der Wahrheit festhalten. Wir fordern Freiheit für alle inhaftierten Journalist:innen.“
Türkei: Gefängnis für Medienschaffende
Die Türkei gehört laut internationalen Pressefreiheits-Rankings regelmäßig zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalist:innen weltweit. Besonders betroffen sind kurdische und regierungskritische Medienhäuser. Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen kritisieren seit Jahren die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit im Land.
https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/djv-kritisiert-festnahmen-von-medienschaffenden-in-der-turkei-45766 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/zwei-journalistinnen-in-der-turkei-festgenommen-45743 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/schwedischer-journalist-in-turkei-inhaftiert-45753 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/dfg-dusteres-bild-der-pressefreiheit-in-der-turkei-45482
Türkei: Inhaftierte Studierende fordern Generalstreik
Nach den Massenprotesten gegen die Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu sind zahlreiche Studierende inhaftiert worden. Einige von ihnen, die derzeit in der Frauenvollzugsanstalt Marmara festgehalten werden, haben sich nun mit einer Botschaft aus dem Gefängnis zu Wort gemeldet. Trotz der Repression zeigen sie sich entschlossen, den Widerstand fortzusetzen – und fordern die Ausweitung des akademischen Boykotts zu einem landesweiten Generalstreik.
„Arbeiter und Studierende müssen gemeinsam kämpfen“
„Wir rufen die Arbeiter:innen auf, gemeinsam mit den Studierenden zu kämpfen“, heißt es in der Erklärung der inhaftierten Studierenden. Aufgewachsen unter den repressiven, verbotsorientierten und wirtschaftlich belastenden Bedingungen der AKP-Regierung, fordern viele junge Menschen mittlerweile offen einen grundlegenden Wandel. Besonders die Studierenden – an vorderster Front der Proteste – lassen sich trotz Massenverhaftungen nicht zum Schweigen bringen.
Einer der bekanntesten Fälle ist Seçil Murtazaoğlu, eine Studentin der Chemietechnik im zweiten Jahr an der Technischen Universität Istanbul (ITU). Sie wurde am 24. März bei einer Razzia in ihrer Wohnung festgenommen, als sie sich gerade auf eine Boykottaktion im Istanbuler Stadtteil Beşiktaş vorbereitete. Zunächst wurde sie unter Auflagen freigelassen, später jedoch unter fragwürdigen Umständen erneut festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Seitdem sitzt sie im Block C-8 der Marmara-Frauenvollzugsanstalt.
„Unsere Inhaftierung dient der Einschüchterung“, erklärt Murtazaoğlu. „Aber wir lassen uns nicht brechen. Unser Weg ist der des Widerstands – und niemand kann uns davon abbringen. Den Frühling werden wir, die Jugend, bringen.“ Sie fordert, dass der akademische Boykott in einen landesweiten Generalstreik überführt wird, und ruft gezielt Arbeiter:innen zur Unterstützung auf.
„Mit organisierter Solidarität zum Erfolg“
Auch Tutku Kırcalı, Psychologiestudentin an der Boğaziçi-Universität und ebenfalls inhaftiert, betont: „Nur mit einem Generalstreik können wir dem Boykott Nachdruck verleihen.“ Kırcalı war bereits zum 1. Mai 2024 inhaftiert worden und sieht die aktuellen Repressionen als Teil einer länger andauernden Politik der Einschüchterung. „Das Regime versucht, ein Klima der Angst zu erzeugen – doch die Proteste rund um die Absetzung Imamoğlus haben gezeigt: Diese Mauer kann durchbrochen werden.“
Kırcalı erinnert an die Kraft gesellschaftlicher Bewegungen und zieht Parallelen zum Gezi-Aufstand von 2013: „Die Regierung fürchtet nichts mehr als eine neue landesweite Erhebung. Deshalb versucht sie, die Köpfe der Bewegung – besonders uns Studierende – zum Schweigen zu bringen. Doch das wird ihr nicht gelingen. Unser Kampf lässt sich nicht wegsperren.“
„Draußen wie drinnen: der Kampf geht weiter“
Auch Studierende der Universität Istanbul, die derzeit ebenfalls in der Marmara-Haftanstalt festgehalten werden, meldeten sich zu Wort. „Wir sind hier in Solidarität und Widerstand verbunden. Unsere Moral ist gut. Die eigentliche Gefahr ist das Schweigen angesichts von Unrecht“, heißt es in ihrer Botschaft. „Die Unterstützung von draußen gibt uns Kraft. Die Kriminalisierung unseres Protests wird uns nicht einschüchtern. Wir sind junge Menschen, die sich nicht unterdrücken lassen.“
Zum Abschluss senden sie ein Signal an ihre Kommiliton:innen und Unterstützer:innen: „Bleibt standhaft. Lasst uns gemeinsam und Schulter an Schulter kämpfen. Wir sehen uns auf den Straßen – in Solidarität!“
https://anfdeutsch.com/aktuelles/hunderttausende-bei-kundgebung-in-istanbul-45758 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/turkischer-Arztebund-ruft-zur-dokumentation-von-folterfallen-auf-45759 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/djv-kritisiert-festnahmen-von-medienschaffenden-in-der-turkei-45766
Newroz in Frankfurt: SPD-Politiker setzen Zeichen der Solidarität
Die diesjährige Newroz-Feier auf dem Rebstockgelände in Frankfurt zog weit mehr als 50.000 Menschen an. Unter den Gästen befanden sich auch die SPD-Politiker Kaweh Mansoori und Armand Zorn, die mit persönlichen Botschaften an die kurdische Gemeinschaft traten.
Ein Fest des Aufbruchs und der Solidarität
Kaweh Mansoori, Verkehrsminister Hessens, betonte die symbolische Bedeutung des Newroz-Festes: „Ich wünsche allen vor allem ein gutes, fröhliches Newroz-Fest. Das Fest steht ja für den Aufbruch, für Zuversicht, für Frieden – und letztlich auch dafür, dass sich Völker gegen Unterdrückung erheben.“ Besonders für die kurdische Gemeinschaft sei das Fest von großer Bedeutung, so Mansoori weiter. Es sei ihm wichtig gewesen, auch in diesem Jahr persönlich vor Ort zu sein.
Der in Gießen geborene Politiker mit iranischen Wurzeln hob die friedliche und vielfältige Atmosphäre hervor: „Ich freue mich, dass so viele Menschen hier nach Frankfurt gekommen sind, um friedlich zu feiern.“ Es sei ein wichtiges Zeichen in Zeiten globaler Spannungen. Mansoori betonte zudem das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das auch für das kurdische Volk gelten müsse.
Zorn: „Newroz ist ein Fest der Hoffnung“
Auch Armand Zorn würdigte die Bedeutung des Festes. „Das Newroz ist ein Fest der Hoffnung, des Lichtes, der Solidarität und des Miteinanders“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Gleichzeitig erinnerte er an all jene Menschen weltweit, die das Fest nicht frei und in Sicherheit begehen können: „Ein Tag wie heute ist auch ein Anlass, unsere Solidarität auszustrahlen und Kraft sowie Hoffnung in die Welt zu senden.“
Appell Öcalans „starker Schritt“
Zorn nahm auch Bezug auf den Friedensappell des in der Türkei inhaftierten PKK-Mitbegründers Abdullah Öcalan: „Das war ein starker Schritt. Nun liegt es an der türkischen Regierung, diesen Schritt anzunehmen und den Weg des Friedens weiterzugehen.“ Hinsichtlich der EU-Beitrittsperspektive der Türkei unterstrich Zorn die Bedeutung demokratischer und rechtsstaatlicher Kriterien.
Deutschland als Brückenbauer
Zorn sieht für Deutschland eine mögliche vermittelnde Rolle in der Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts, betonte jedoch die Grenzen dieses Einflusses: „Wir sollten nicht glauben, dass wir aus Frankfurt oder Berlin heraus alle Probleme der Welt lösen können. Wichtig ist, Angebote zu machen – in der Hoffnung, dass sie auch angenommen werden.“
Zum Abschluss würdigte Zorn die kurdische Gemeinschaft als besonders solidarisch und engagiert: „Ich finde das sehr inspirierend, wie leidenschaftlich sie sich für ihre Sache einsetzen. Und bitte: genauso weitermachen.“
https://anfdeutsch.com/aktuelles/newroz-in-frankfurt-setzt-kraftvolles-zeichen-fur-freiheit-und-einheit-45760
Newroz in Wien: Tausende fordern Freiheit für Abdullah Öcalan
In der österreichischen Hauptstadt Wien versammelten sich am Sonntag Tausende Kurd:innen und Unterstützer:innen zur traditionellen Newroz-Feier. Das Fest, das den kurdischen Neujahrsbeginn markiert, stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Forderung nach der Freilassung von Abdullah Öcalan, dem seit 1999 inhaftierten Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung.
Organisiert wurde die Veranstaltung von DEM-KURD in der Wiener Gasometer-Halle unter dem Motto „Freie Gesellschaft und freie Führung“. Die bunt geschmückte Veranstaltungshalle war mit Plakaten, Fahnen und Transparenten versehen, auf denen unter anderem „Newroz Pîroz Be“ und „Demokratische Gesellschaft – Freier Vorsitzender“ zu lesen war.
Politische Botschaften und kulturelle Vielfalt
Die Feierlichkeiten begannen mit einer Schweigeminute im Gedenken an die Gefallenen der kurdischen Freiheitsbewegung. Im Anschluss riefen Redner:innen und Aktivist:innen dazu auf, das Jahr 2025 zum Jahr der Freiheit für Abdullah Öcalan zu machen.
Die Ko-Vorsitzenden der zivilgesellschaftlichen Organisation Civaka Azad, Ahmet Zirek und Dilek Karahan, erinnerten in ihrer Ansprache an historische Persönlichkeiten des kurdischen Widerstands und betonten die Bedeutung von Öcalans Friedensaufruf. Dieses politische Manifest, so Karahan, biete eine „historische Chance zur Beendigung des Krieges und zur Demokratisierung unterdrückter Völker“.
Auch Zübeyde Zümrüt, Ko-Vorsitzende des europäischen Dachverbands KCDK-E, hob die zentrale Rolle Öcalans hervor: „Dieser Newroz muss der Newroz der Freiheit für Öcalan werden“, sagte sie mit Blick auf die Bedeutung des diesjährigen Festes.
Idris Baluken: „Ein erster Schritt in eine freie Zukunft“
Besonders emotional war die Rede des kurdischen Politikers Dr. Idris Baluken, der die Feier als „starken Ausdruck kollektiver Hoffnung und Widerstandskraft“ würdigte. Er betonte, dass „diese Newroz-Feier nicht nur das Ende eines Jahrhunderts der Unterdrückung markiert, sondern zugleich der erste Schritt in eine demokratische, freie und friedliche Zukunft des kurdischen Volkes ist“.
In seiner Rede erinnerte er auch an die in der Türkei inhaftierten Politiker:innen Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ und sandte Grüße an alle politischen Gefangenen. Mit deutlichen Worten kritisierte er die andauernde Isolation Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali: „Wäre es den zuständigen Stellen ernst mit einem Dialog, könnten wir heute hier eine direkte Newroz-Botschaft von Abdullah Öcalan verlesen.“
[album=20876]
Unterstützung aus der Wiener Politik
Ein klares Zeichen der Solidarität kam auch aus der österreichischen Politik: Ernst Woller (SPÖ), Präsident des Wiener Landtags, nahm an der Veranstaltung teil und erklärte: „Newroz steht für Hoffnung und Freiheit – Werte, die wir alle teilen.“ Er sprach sich offen für die Freilassung Öcalans aus und betonte dessen Rolle in einem möglichen Friedensprozess.
Musik, Tanz und Gemeinschaft
Neben politischen Reden wurde das Newroz-Fest von einem vielfältigen kulturellen Programm begleitet. Musiker:innen wie Hozan Simar, Azad Bedran und Ali Jiyan sorgten mit traditionellen kurdischen Liedern für ausgelassene Stimmung. Govend-Tänze, Fahnen mit dem Porträt Öcalans und lautstarke Rufe wie „Bijî Serok Apo“ („Es lebe der Vorsitzende Apo“) rundeten das Fest ab.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch die Kinderbuchkampagne „Eine Million Bücher, eine Million Kinder“ der Musikinitiative Ma Music, sowie Stände zahlreicher Frauen-, Jugend-, und linker Organisationen. Mitglieder des Islamverbands Civaka Îslamiya Kurdistan (CÎK) verteilten anlässlich des muslimischen Zuckerfestes Süßigkeiten an die Gäste.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/newroz-in-frankfurt-setzt-kraftvolles-zeichen-fur-freiheit-und-einheit-45760 https://anfdeutsch.com/kurdistan/kck-wurdigt-newroz-feiern-als-historisch-45704 https://anfdeutsch.com/kultur/newroz-feier-in-dusseldorf-45700
Demokratischer Syrienrat lehnet neues Kabinett ab
Nach der Kritik der Selbstverwaltung hat sich auch der Demokratische Syrienrat (MSD) ablehnend zur Bildung des neuen Übergangskabinetts in Damaskus geäußert. Das Gremium wirft der syrischen Regierung vor, mit der Kabinettszusammensetzung bestehende ausgrenzende Strukturen zu zementieren, statt einen Weg zu umfassender politischer Teilhabe und nationaler Versöhnung zu ebnen.
„Die neu ernannte Regierung spiegelt weder die politische noch die gesellschaftliche Vielfalt Syriens wider“, heißt es in einer Erklärung des MSD. Stattdessen sei erneut eine „einseitige Struktur“ geschaffen worden, die die politische Realität des Landes nicht widerspiegelt. Zwar seien einige Technikraten aufgenommen worden, doch die Grundstruktur der Regierung bleibe klar ideologisch und exklusiv geprägt.
Besonders kritisch bewertet der Demokratische Syrienrat das nahezu völlige Fehlen weiblicher Repräsentanz in der neuen Regierung. Nur eine Frau wurde in das 22-köpfige Kabinett berufen: Hind Kabawat wird als Ministerin für Soziales und Arbeit zuständig sein. Frauen, die im syrischen Bürgerkrieg schwere Lasten getragen hätten – durch Flucht, Gewalt, Verluste und politische Ausgrenzung – würden erneut übergangen. „Ein inklusives Regierungskonzept kann ohne die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen nicht glaubwürdig sein“, so der MSD.
Die Erklärung hebt hervor, dass nur ein Regierungssystem, das auf echter nationaler Partnerschaft beruhe und alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte einbeziehe, den Weg für eine stabile Zukunft ebnen könne. Die Fortsetzung symbolpolitischer Gesten und einseitiger Entscheidungen ohne echte Teilhabe führe dagegen nur zu weiteren Blockaden im Friedensprozess.
Deutliche Kritik äußerte der Syrienrat auch am Verfahren der Regierungsbildung: Seit der Einsetzung des sogenannten Dialogkomitees habe die Regierung in Damaskus kein echtes Interesse an Beteiligung und Vielfalt erkennen lassen. Diese Praxis zeige, dass es sich nicht um einen wirklichen Übergangsprozess mit dem Ziel einer politischen Erneuerung handle. Der MSD rief daher alle nationalen Kräfte in Syrien auf, gemeinsam an einem neuen politischen Weg zu arbeiten – jenseits ausgrenzender Machtpolitik: „Syrien braucht nicht mehr vom Alten, sondern neue Lösungen, die auf Dialog, Konsens und gleichberechtigter Repräsentation beruhen.“
Titelfoto: MSD-Sitzung am 18. Februar 2024 in Hesekê | Handout via MSD-Pressedienst
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/daanes-lehnt-neues-Ubergangskabinett-ab-45770 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/neue-Ubergangsregierung-in-syrien-45761 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/igfm-warnt-vor-islamisierung-und-gewalt-in-syrien-45755
Gedenken an die Gefallenen am Tişrîn-Staudamm
In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien wurde das diesjährige Zuckerfest erneut im Zeichen des Gedenkens und der Solidarität begangen. Während vielerorts traditionell die Friedhöfe für Gefallene besucht und Kerzen an den Gräbern entzündet wurden, war dies für die Menschen am Tişrîn-Staudamm in diesem Jahr nicht möglich. Stattdessen organisierten sie am Abend des Feiertags einen Fackelmarsch, um ihrer gefallenen Angehörigen und Weggefährt:innen zu gedenken und ein Zeichen der Einheit zu setzen.
Seit dem 8. Januar leisten Menschen aus der Region an der strategisch wichtigen Talsperre Tişrîn Widerstand gegen die wiederholten Angriffe der türkischen Armee und ihr nahestehender islamistischer Milizen. Der Staudamm, der am Euphrat liegt, ist nicht nur von großer infrastruktureller Bedeutung, sondern auch ein Symbol des Widerstands gegen Besatzung und Gewalt.
In einer Region, in der kaum eine Familie vom Verlust durch Krieg verschont geblieben ist, ist das Gedenken an die Gefallenen tief in der gesellschaftlichen Kultur verankert. Etwa 14.000 Menschen haben in Nordostsyrien ihr Leben im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), die Al-Nusra-Front und gegen die türkische Besatzung verloren. Entsprechend gehört es zur Tradition, an hohen Feiertagen wie dem Zuckerfest die Gräber dieser Gefallenen zu besuchen, Blumen niederzulegen und Kerzen oder Fackeln zu entzünden. Dabei werden Süßigkeiten verteilt, und man wünscht sich gegenseitig Frieden und Hoffnung.
Die Menschen am Tişrîn-Staudamm, die sich derzeit in einer Phase des aktiven Widerstands befinden, konnten die Gräber ihrer Angehörigen nicht persönlich aufsuchen. In einem stillen, aber kraftvollen Akt des Gedenkens veranstalteten sie einen nächtlichen Fackelmarsch auf dem Gelände der Talsperre. Die flackernden Lichter der Fackeln wurden dabei zu Symbolen des Gedenkens, der Entschlossenheit und der Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft. „Unsere Herzen sind bei unseren Gefallenen“, erklärte eine Teilnehmerin der Mahnwache. „Auch wenn wir ihre Gräber heute nicht besuchen können, tragen wir ihr Andenken in uns weiter. Ihr Opfer ist unser Kompass in Zeiten der Unsicherheit.“
Mit dem Fackelmarsch sendeten die Teilnehmer:innen auch eine klare Botschaft der Einheit: Trotz der ständigen Bedrohung von außen lasse sich die Bevölkerung Nordostsyriens nicht spalten. Der Ruf nach Frieden und Freiheit werde auch an einem von Krieg gezeichneten Ort wie Tişrîn laut und hörbar – besonders an einem Tag, der im Zeichen von Hoffnung und Zusammenhalt steht. Das diesjährige Zuckerfest in Nordostsyrien war damit nicht nur ein religiöser Feiertag, sondern auch ein Tag des kollektiven Erinnerns, des Widerstands und der stillen Hoffnung auf ein Ende von Besatzung und Gewalt.
Fotos © ANHA
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/asayis-kampfer-bei-angriff-auf-tisrin-damm-getotet-45763 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/turkische-armee-setzt-luftterror-am-tisrin-damm-fort-45610 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/neue-gruppe-ubernimmt-tisrin-wache-45557
DAANES lehnt neues Übergangskabinett ab
Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat sich kritisch zur Ernennung des neuen Übergangskabinetts in Damaskus geäußert. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung wirft die Autonomieverwaltung der Zentralregierung vor, erneut die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt des Landes zu ignorieren und damit die Hoffnungen auf einen demokratischen Wandel zu enttäuschen.
Neue Machthaber setzen Kurs von Assad fort
Die Erklärung verweist darauf, dass die Bevölkerung Syriens seit Jahren unter einer „einseitigen und ausgrenzenden Regimeführung“ leide. Diese habe große Teile der Gesellschaft von politischen Prozessen ausgeschlossen und das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Die in der Hauptstadt Damaskus am Samstagabend vorgestellte neue Regierung setze diesen Kurs fort, heißt es in der Stellungnahme. Eine inklusive Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen sei erneut ausgeblieben.
Neuerliche Ignoranz der ethnischen und kulturellen Vielfalt Syrien
„Erneut wurden die Erwartungen der Bevölkerung nach einer pluralistischen und demokratischen Ordnung enttäuscht“, heißt es weiter. Die Kabinettsbildung ignoriere einmal mehr „die ethnische und kulturelle Vielfalt Syriens“, was die bestehenden Probleme nicht lösen, sondern nur vertiefen könne. Das neue Kabinett besteht aus 22 Minister:innen. Es löst die Übergangsregierung ab, die nach dem Sturz Baschar al-Assads durch die vom selbsternannten Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa gegründete „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) im Dezember die Staatsgeschäfte übernommen hatte.
Dschihadisten behalten Schlüsselpositionen
Viele der Kabinettmitglieder sind Dschihadisten aus den Reihen von HTS, einige von ihnen waren bereits Teil der vorherigen Übergangsregierung. So bleibt Asaad al-Schaibani Außenminister und Murhaf Abu Qasra Verteidigungsminister Ein weiterer HTS-Dschihadist, Anas Chattab, der bisher als Geheimdienstchef fungiert hatte, ist nun Innenminister. Erstmals wurde zudem eine Frau in die Regierung berufen: Hind Kabawat wird als Ministerin für Soziales und Arbeit zuständig sein. Sie gehört der christlichen Minderheit in Syrien an. Auch ein Druse und ein Alawit gehören dem Kabinett an.
DAANES will Entscheidungen von Damaskus nicht umsetzen
Die DAANES betont, dass sie sich nicht verpflichtet sehe, Entscheidungen einer solchen Regierung umzusetzen. „Keine Regierung, die die Vielstimmigkeit und die multikulturelle Struktur Syriens nicht widerspiegelt, kann das Land erfolgreich führen oder einen Ausweg aus der Krise bieten“, so die Erklärung. Die Fortsetzung vergangener Fehler führe unweigerlich zu neuem Leid für die Bevölkerung. Im Mittelpunkt der Kritik steht die aus Sicht der Selbstverwaltung fehlende Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen in den politischen Prozess. Gerade im Zuge des seit 2011 andauernden Konflikts habe die Bevölkerung Syriens einen grundlegenden Wandel gefordert. Der Ruf nach Mitbestimmung, Gleichheit und Gerechtigkeit dürfe nicht erneut übergangen werden.
„Kein Teil der Bevölkerung darf die Macht monopolisieren“
Die Erklärung endet mit einem Appell an die Regierung in Damaskus, die Weichen für eine inklusive und gerechte Zukunft zu stellen: „Unser Ziel ist der Aufbau eines gemeinsamen und demokratischen Syriens, in dem alle Bürgerinnen und Bürger gleiche Rechte haben. Kein Teil der Bevölkerung darf die Macht monopolisieren. Nur eine Regierung, die alle Völker, Religionsgemeinschaften und gesellschaftlichen Gruppen einschließt, kann eine tragfähige politische Lösung ermöglichen.“
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/neue-Ubergangsregierung-in-syrien-45761 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/igfm-warnt-vor-islamisierung-und-gewalt-in-syrien-45755 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/breite-ablehnung-in-nordostsyrien-gegen-neue-verfassung-45597
Internationalistisches Fest am 1. Mai in Stuttgart
Wie es in den letzten Jahren bereits Tradition geworden ist, findet auch dieses Jahr am 1. Mai im und um das Linke Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart ein internationalistisches Fest statt. Neben kulinarischen Köstlichkeiten für Groß und Klein wird ein buntes Bühnenprogramm geboten, teilt das Festkomitee des selbstverwalteten und politischen Hausprojekt mit. „Es gibt die Möglichkeit, das Linke Zentrum, seine Räumlichkeiten und die dort beheimateten Initiativen kennen zu lernen ebenso die Möglichkeit, auf dem Straßenfest in der Taubenstraße zu Essen und zu Trinken zu entspannen, sich zu unterhalten oder dem Bühnenprogramm zu lauschen“, so das Zentrum.
Der 1. Mai ist der internationale Kampftag der Arbeiter:innenklasse. Dieser Tag beginnt für die Aktivist:innen aus dem Linken Zentrum mit einer antikapitalistischen Beteiligung an der Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), an die sich die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration anschließt. Diese Demonstration führt durch die Straßen Stuttgarts in den Stuttgarter Süden. Im Anschluss an diese Demonstration öffnet ab 15 Uhr das Linke Zentrum Lilo Herrmann seine Türen. Die Taubenstraße wird für den Straßenverkehr gesperrt und mit Biergarnituren, Zelten, Infotischen und gemütlichen Sitzmöglichkeiten möbliert. Auch einen Spiel-, Tobe- und Kreativbereich für Kinder soll es geben.
„Neben einem vielfältigen Kuchenbuffet und süßen Leckereien für unser kleinen Gäste gibt es auch ein Angebot an verschiedenen deftigen Speisen. Unser Sortiment von verschiedenen heißen und kalten Getränken wird für Erfrischung sorgen. Auf der Bühne gibt es eine moderierte Zusammenstellung von kulturellen, musikalischen und politischen Beiträgen. Unter anderem werden sich einige der Initiativen, die sich im Linken Zentrum organisieren vorstellen und Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit erläutern“, heißt es in der Ankündigung.
Im Linken Zentrum erwarte die Besucher:innen neben diversen politischen, kulinarischen und kulturellen Angeboten die Möglichkeit, das Zentrum kennen zu lernen und an einer Hausführung teilzunehmen. Marc Weber vom Festkomitee fasst zusammen: „Wir freuen uns auf ein gelungenes Fest im Linken Zentrum Lilo Herrmann und auf der angrenzenden Straße. Durch das internationalistische Fest für Groß und Klein bieten wir die Möglichkeit, den ersten Mai entspannt und politisch ausklingen zu lassen.“
Foto: Internationalistisches Fest am 1. Mai 2024 © Linken Zentrum Lilo Herrmann
https://www.linkeszentrumstuttgart.org/ueber-uns/selbstverstaendnis/
Vater von Gefallenen fordert Schritte zur Lösung der kurdischen Frage
Hesin Erkol hat im bewaffneten Kampf in Kurdistan zwei seiner Kinder verloren. Bis heute wartet er darauf, dass der türkische Staat ihm ihre Leichen aushändigt. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Mezopotamya äußerte sich Erkol über den Schmerz des Verlusts, die politische Verantwortung des Staates und seine Hoffnung auf eine friedliche Lösung der kurdischen Frage – insbesondere im Lichte des jüngsten Friedensappells von Abdullah Öcalan.
Die Leichen wurden nicht übergeben
Die Familie Erkol engagiert sich seit den 1980er Jahren für die kurdische Befreiungsbewegung. Mercan Erkol, deren Nom de Guerre Berîtan Tolhildan lautete, schloss sich 2007 den Verbänden freier Frauen (YJA Star) an. Ihr Bruder Sercan Erkol, bekannt als Şoreş Zewkî, folgte ihr 2013 und ging zu den Volksverteidigungskräften (HPG).
Mercan Erkol starb im Oktober 2017 bei Gefechten im nordkurdischen Pasûr (tr. Kulp). Obwohl ihre Identität etwa eineinhalb Jahre später offiziell bestätigt wurde, ist ihre Leiche bis heute nicht der Familie übergeben worden. Die Begründung: fehlende amtliche Dokumente. Sercan Erkol kam im November 2023 in der Serhed-Region ums Leben. Auch seine Leiche wird der Familie vorenthalten.
Sercan Erkol (l.) und Mercan Erkol © Ruken Polat / Mazlum Engindeniz / MA
„Wir haben Hoffnung durch Öcalans Aufruf“
Trotz des tiefen Schmerzes äußert sich Hesin Erkol hoffnungsvoll über den Friedensaufruf, den Abdullah Öcalan am 27. Februar dieses Jahres aus der Haft auf der Gefängnisinsel Imrali heraus veröffentlicht hatte. „Dieser Aufruf hat uns Hoffnung gegeben“, sagt Erkol. „Unsere Gesellschaft muss das richtig verstehen. Es geht nicht nur um einen Waffenstillstand – es geht um einen echten Wandel, um Frieden.“
Öcalans Botschaft, die zur demokratischen Lösung der kurdischen Frage und zur Beendigung des bewaffneten Kampfes aufruft, sei international beachtet worden und ein Zeichen des politischen Willens zur Verständigung. „Wenn ihm zugehört wird, kann das Blutvergießen in der Türkei enden“, betont Erkol.
„Der Staat muss handeln“
Kritisch äußert sich Erkol über das Verhalten des türkischen Staates. „Seit dem Aufruf gab es keine Reaktion, keinen Schritt in Richtung Frieden“, sagt er. Dabei habe die PKK mit ihrem einseitigen Waffenstillstand bereits signalisiert, auf den Vorschlag Öcalans einzugehen. Erkol fordert daher: „Der Staat muss die ausgestreckte Hand ergreifen. Konkrete und ehrliche Schritte sind notwendig.“
Die Forderung nach einer Freilassung Öcalans steht für ihn dabei im Zentrum: „Seine Freiheit ist der Schlüssel zur Lösung der Probleme in der Türkei. Öcalan hat sich stets für Frieden und Freiheit eingesetzt.“
Ein Appell an Gesellschaft und Politik
Abschließend ruft Erkol die gesamte Gesellschaft dazu auf, die Worte Öcalans ernst zu nehmen: „Es muss endlich eine Lösung für die kurdische und die türkische Frage gefunden werden. Der Krieg muss ein Ende haben, die Rechte der Kurd:innen müssen anerkannt werden.“
https://anfdeutsch.com/kurdistan/leiche-von-hpg-kampfer-lag-jahrelang-im-anonymen-grab-43965 https://anfdeutsch.com/kurdistan/guerillafriedhof-im-gabar-gebirge-zerstort-42882 https://anfdeutsch.com/aktuelles/verschleppte-guerillaleichen-unter-gehweg-begraben-19293
Sabri Ok: „Türkischer Staat ignoriert Öcalans Friedensaufruf“
Sabri Ok, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), hat im Interview mit dem kurdischen Sender Stêrk TV scharfe Kritik an der türkischen Regierung geübt. Ein Monat nach Abdullah Öcalans Friedensmanifest sei keinerlei Schritt seitens des Staates erfolgt. Ok fordert konkrete Maßnahmen und betont, dass eine Entwaffnung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nur unter Öcalans Leitung denkbar sei.
Staat tut so, als ob Friedensaufruf nie stattgefunden hat
Im Mittelpunkt der Aussagen Oks stand der „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“, den der PKK-Begründer Abdullah Öcalan am 27. Februar auf der Gefängnisinsel Imrali veröffentlicht hatte, auf der er sich seit 1999 in politischer Geiselhaft befindet. „Öcalan hat sich mit diesem Manifest nicht nur an das kurdische Volk, sondern an die gesamte türkische Gesellschaft, die internationale Gemeinschaft und insbesondere an den türkischen Staat gewandt“, betonte Ok. Die PKK habe daraufhin am 1. März einseitig einen Waffenstillstand ausgerufen und damit ihre Bereitschaft zur Deeskalation signalisiert. „Doch der türkische Staat tut so, als ob dieser Aufruf nie stattgefunden hätte“, kritisierte Ok.
Öcalans Rolle zentral für Kongress und Entwaffnung
Besonders deutlich wurde Ok in der Debatte um eine mögliche Entwaffnung der PKK. Immer wieder werde gefordert, die PKK solle ihren Kongress einberufen und die Waffen niederlegen. „Aber ohne Öcalan ist das unmöglich“, stellte Ok klar. Nur Öcalan könne einen solchen historischen Schritt anleiten. „Wer soll den Kongress einberufen, wer kann den Kämpfer:innen, die im Namen Öcalans einen Eid abgelegt haben, befehlen, die Waffen niederzulegen?“, fragte Ok rhetorisch. Eine Lösung sei nur unter der Voraussetzung von Öcalans physischer Freiheit möglich, so Ok weiter.
Keine Umsetzung politischer Zusagen
Zugleich warf Ok der Regierung vor, gemachte Zusagen nicht einzuhalten. Obwohl Gespräche mit verschiedenen Parteien über gesetzliche und politische Änderungen geführt worden seien, sei seither nichts geschehen. „Nicht einmal eine positive Stellungnahme wurde abgegeben“, kritisierte er. Stattdessen beschränke sich die Regierung darauf, weiterhin von der PKK die Entwaffnung zu fordern, ohne selbst Verantwortung zu übernehmen.
Internationale Unterstützung für Öcalans Aufruf
Der KCK-Vertreter betonte, dass Öcalans Friedensaufruf international positiv aufgenommen worden sei – unter anderem von den Vereinten Nationen, der EU, den USA, Wissenschaftler:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Daraus leitet Ok die Notwendigkeit ab, die Kampagne für Öcalans physische Freiheit auf ein neues Niveau zu heben. „Diese Bewegung muss ununterbrochen weitergeführt und besser organisiert werden“, so Ok.
Repression gegen Opposition: „CHP zeigt späte Einsicht“
Mit Blick auf die jüngsten Repressionen gegen die größte Oppositionspartei CHP – darunter die Verhaftung und Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu und die Einsetzung von Zwangsverwaltern in mehreren Kommunen – zeigte sich Ok einerseits kritisch, andererseits verständnisvoll. Die Haltung der CHP sei „spät, aber wichtig“. Die Partei erkenne nun am eigenen Leib, wie sich staatliche Repression anfühle, während sie lange zu den Angriffen auf kurdische Strukturen geschwiegen habe.
Gesellschaftlicher Widerstand wächst
Ok sieht dennoch ein wachsendes Potenzial für politischen Wandel. Die Gesellschaft stehe angesichts der zunehmenden staatlichen Unterdrückung kurz vor dem Ausbruch. „Die Menschen haben lange geschwiegen, doch jetzt sagen sie: Es reicht“, erklärte er. Insbesondere der Protest von Akademiker:innen und Studierenden sowie die aktive Rolle von Frauen und Jugendlichen zeige, dass sich ein breiter gesellschaftlicher Widerstand formiere.
Am Ende richtet Sabri Ok einen Appell an alle demokratischen Kräfte: „Wenn alle gemeinsam für die Demokratisierung der Türkei, für die Rechte des kurdischen Volkes und für die Freiheit Öcalans eintreten, kann Geschichte geschrieben und verändert werden.“
https://anfdeutsch.com/menschenrechte/anwaltskanzlei-asrin-permanentertausnahmezustand-auf-imrali-45746 https://anfdeutsch.com/aktuelles/aufruf-von-abdullah-Ocalan-fur-frieden-und-eine-demokratische-gesellschaft-45431 https://anfdeutsch.com/aktuelles/eutcc-konferenz-endet-mit-weitreichenden-forderungen-zur-kurdischen-frage-45744 https://anfdeutsch.com/hintergrund/bese-hozat-ohne-Ocalans-freiheit-kein-fortschritt-im-friedensprozess-45719 https://anfdeutsch.com/hintergrund/bayik-erfolg-von-Ocalan-aufruf-hangt-von-schritten-der-turkei-ab-45607
DJV kritisiert Festnahmen von Medienschaffenden in der Türkei
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Medienschaffende verurteilt. DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster sagte, willkürliche Verhaftungen von Journalist:innen seien in der Türkei traurige Routine geworden. Dass nun auch ausländische Korrespondent:innen inhaftiert würden, sei eine neue Eskalationsstufe.
Das verdeutliche die Nervosität von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. „Die Wahrheit kann jedoch nicht unterdrückt werden. Wir Journalist:innen beobachten genau, was in der Türkei geschieht, und lassen uns nicht zum Schweigen bringen“, so Beuster.
Repression gegen Medien
Die türkischen Behörden gehen derzeit verstärkt gegen Medien vor, die über die Proteste im Land berichten. Ausgelöst wurden die Proteste durch die Verhaftung und spätere Absetzung des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu. Einem inhaftierten schwedischen Journalisten wird PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen. Ein Reporter der britischen BBC wurde nach seiner Festnahme abgeschoben.
https://anfdeutsch.com/aktuelles/proteste-in-der-turkei-historische-chance-fur-demokratisierung-45742 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/zwei-journalistinnen-in-der-turkei-festgenommen-45743 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/dfg-dusteres-bild-der-pressefreiheit-in-der-turkei-45482
KCK erinnert an Qazî Mihemed und Mahir Çayan
Zum Todestag zweier bedeutender Persönlichkeiten des kurdischen und türkischen Widerstands hat die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) eine Erklärung veröffentlicht. Darin gedenkt sie Qazî Mihemed, dem Gründer der Komara Kurdistanê (Republik Kurdistan), sowie Mahir Çayan, führender Kopf der revolutionären Linken in der Türkei. Beide gelten als historische Wegbereiter des Widerstands gegen koloniale Unterdrückung.
Am 30. März jährt sich der Todestag von Mahir Çayan und seinen Genossen, die 1972 in Kızıldere von türkischen Sicherheitskräften getötet wurden. Nur einen Tag später, am 31. März, wurde 1947 Qazî Mihemed – Präsident der kurzlebigen Republik Kurdistan – gemeinsam mit seinen Weggefährten durch das iranische Regime hingerichtet. Aus diesem Anlass veröffentlichte die KCK einen Nachruf, in dem sie die bleibende Bedeutung beider Persönlichkeiten für die kurdische Freiheitsbewegung und den revolutionären Kampf in der Türkei betont.
Bedeutende und wertvolle Anführer der kurdischen Geschichte
„Qazî Mihemed und die Gefallenen von Kızıldere werden mit ihrer Erinnerung in unserem Kampf weiterleben“, lautet der Titel der Mitteilung des KCK-Exekutivrats. Darin heißt es weiter: „Wir gedenken Qazî Mihemed und seiner Weggefährten, die als bedeutende und wertvolle Anführer der kurdischen Geschichte gelten, mit Respekt und Dankbarkeit. Ihr Patriotismus, Mut, ihre Tapferkeit und Opferbereitschaft haben ihnen einen festen Platz in der Geschichte gesichert.“
Republik Kurdistan ein Symbol des Freiheitswillens
Die Erklärung hebt die Bedeutung der am 22. Januar 1946 in Mahabad ausgerufenen Komara Kurdistanê hervor, die trotz ihrer kurzen Existenz einen wichtigen historischen Wendepunkt im Kampf des kurdischen Volkes gegen koloniale Unterdrückung dargestellt habe: „Obwohl sie unter dem Angriff hegemonialer und kolonialistischer Mächte schnell zerschlagen wurde, bleibt die Republik Kurdistan ein Symbol des Widerstands und des Freiheitswillens.“
Besonders hervorgehoben wird Qazî Mihemeds Standhaftigkeit gegenüber Repression und Gewalt: „Dass er und seine Mitstreiter trotz drohender Hinrichtung ihre Haltung nicht aufgaben, prägt bis heute die Tradition des Widerstands in Kurdistan. Der Çarçira-Platz, wo sie hingerichtet wurden, hat sich tief in das kollektive Gedächtnis des kurdischen Volkes eingebrannt.“
Historisches Erbe
Auch Mahir Çayan und seine Genossen, die im Dorf Kızıldere (heute Ataköy) ums Leben kamen, würdigt die KCK in ihrer Erklärung als historische Figuren des Widerstandes: „Die revolutionäre Haltung von Mahir Çayan, einer der führenden Köpfe der sozialistischen Bewegung in der Türkei, hat nicht nur dieser Bewegung eine entscheidende Dynamik verliehen, sondern auch den Grundstein für das Bewusstsein gemeinsamer Kämpfe der unterdrückten Völker gelegt.“
Die KCK verweist in diesem Zusammenhang auf den PKK-Gründer Abdullah Öcalan, der den Kampf von Mahir Çayan und zwei weiterer bedeutender Persönlichkeiten des Widerstands in der Türkei, Deniz Gezmiş und Ibrahim Kaypakkaya, stets als wichtigen Teil der gemeinsamen Befreiungstradition betrachtet habe. „Der heutige Stand der gemeinsamen Kampfstrategie und des Verständnisses eines gleichberechtigten und freien Zusammenlebens der Völker ist ein direktes Ergebnis dieses historischen Erbes“, heißt es weiter.
Öcalan-Aufruf Fortsetzung des Kampfes für ein gemeinsames Leben
Die KCK schließt mit einem klaren Appell: „Unsere Überzeugung ist, dass die wahre Treue zu Mahir Çayan und seinen Gefährten nur durch die Weiterentwicklung der gemeinsamen Freiheitsstrategie und des solidarischen Lebens der Völker erreicht werden kann. Der Aufruf von Abdullah Öcalan für Frieden und eine demokratische Gesellschaft ist nichts anderes als die Fortsetzung des Kampfes, für den Mahir, Deniz und Ibrahim ihr Leben gaben – für eine Demokratische Republik und ein freies Land.“
https://anfdeutsch.com/aktuelles/kck-gedenkt-qazi-mihemed-und-seiner-freunde-41611 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kck-erinnert-an-das-kizildere-massaker-41601 https://anfdeutsch.com/hintergrund/aus-eigener-kraft-vor-77-jahren-wurde-die-komara-kurdistane-ausgerufen-35995
Grabbesuch bei Vedat Aydın: „Die Täter sind bekannt“
Aus Anlass des Zuckerfestes wurde des kurdischen Politikers Vedat Aydın gedacht, der am 5. Juli 1991 in Amed (tr. Diyarbakır) von der staatlichen Todesschwadron JITEM verschleppt und zwei Tage später ermordet aufgefunden wurde. Sein Leichnam lag verstümmelt an einer Landstraße in der Provinz Xarpêt (Elazığ).
Die Gedenkveranstaltung fand am Grab Aydın auf dem Friedhof am Merdîn-Tor der Stadtmauer von Amed statt und wurde vom Solidaritätsverein der Familien von Gefallenen (MEBYA) organisiert. Zahlreiche Persönlichkeiten aus der kurdischen Politik nahmen teil, darunter auch die Ko-Oberbürgermeister:innen Serra Bucak und Doğan Hatun.
„Die Täter sind bekannt“
Die Zeremonie begann mit einer Schweigeminute und Gebeten. In ihrer Rede erinnerte Şükran Aydın, die Witwe Vedat Aydıns, an das Leid des kurdischen Volkes und verwies auf die Vielzahl der sogenannten „Verschwundenen“ in der Türkei. „Seit mehr als drei Jahrzehnten besuchen wir jedes Jahr die Gräber“, sagte sie. „Es gibt tausende Fälle von Verschwindenlassen – und die Täter sind bekannt. Uns interessiert nicht, wer die Waffe in der Hand hielt, sondern wer den Befehl gab. Diese müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Şükran Aydın © MA
Aydın forderte eine offizielle Anerkennung der staatlichen Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit und eine Entschuldigung gegenüber den betroffenen Familien – gesetzlich verankert durch das Parlament. Zudem rief sie zur Einheit aller Kurd:innen in den vier Teilen Kurdistans auf und verwies auf den Aufruf von Abdullah Öcalan vom 27. Februar für Frieden und einem demokratischen Miteinander.
„Ein Kampf, der weiterlebt“
Oberbürgermeisterin Serra Bucak würdigte Vedat Aydın als eine Symbolfigur des kurdischen Freiheitskampfes. „Der Kampf um Demokratie und Freiheit hat viele Leben gekostet“, sagte Bucak. „Wir gedenken Vedat Aydın und all jenen, die für diese Ideale ihr Leben gaben.“
Halide Türkoğlu, Sprecherin des Frauenrats der DEM-Partei, erinnerte daran, dass die Ermordung Aydıns eine gezielte Attacke auf die kurdische demokratische Bewegung war. „Sein Kampf lebt in Millionen weiter“, betonte sie. „Die patriarchale, militaristische Gewalt hat ihr Ziel nicht erreicht. Wir werden nicht vergessen – und wir werden Rechenschaft fordern. Der Tag der Freiheit und des Friedens ist nicht mehr fern.“
Auch Gülşen Özer, Ko-Vorsitzende des Provinzverbands der DEM in Amed, betonte die Kontinuität der kurdischen Bewegung. „Seit hundert Jahren leisten die Kurd:innen Widerstand“, sagte sie. „Wir folgen dem Weg, den Vedat Aydın und viele andere mit ihrem Leben geebnet haben.“
Die Veranstaltung endete mit dem Niederlegen von Nelken am Grab des ermordeten Politikers – ein stilles, aber kraftvolles Zeichen des kollektiven Gedenkens und der anhaltenden Forderung nach Gerechtigkeit.
https://anfdeutsch.com/menschenrechte/sieg-der-straflosigkeit-mord-an-vedat-aydin-verjahrt-27180 https://anfdeutsch.com/kurdistan/am-grab-von-vedat-aydin-hoffen-auf-hellere-zeiten-42573 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/samstagsmutter-erinnern-an-hasan-ocak-45682
Asayîş-Kämpfer bei Angriff auf Tişrîn-Damm getötet
Der Asayîş-Kämpfer Fadî Elî ist bei einem Angriff der türkisch-dschihadistischen Besatzung in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien getötet worden. Das gab die Generalkommandantur der Behörde für innere Sicherheit (Asayîş) am Sonntag in einem Nachruf bekannt. Demnach kam der Kämpfer gestern bei einem „feindlichen Beschuss“ des südlich von Kobanê gelegenen Tişrîn-Staudamms ums Leben.
Fadî Elî war Jahrgang 2001 und wurde in der kurdischen Efrîn-Region geboren, die seit 2018 von der Türkei und ihren islamistischen Partnern besetzt ist. Die Asayîş würdigte ihren Gefallenen als „Symbol für Standhaftigkeit und Mut“. „Er übernahm bis zum letzten Moment die Verantwortung, die Werte der Freiheit zu verteidigen. Als Kräfte der inneren Sicherheit Nord- und Ostsyriens fühlen wir uns Fadî Elî tief verbunden. Wir folgen seinen Spuren, bis wir den Sieg errungen haben, für den er gekämpft hat.“
Türkisch-Dschihadistische Besatzungsoffensive am Euphrat
Seit dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Baschar al-Assad Anfang Dezember versucht die Türkei zusammen mit ihrer Proxytruppe „Syrische Nationalarmee“ (SNA) – eine Koalition bewaffneter Dschihadistenmilizen, die auf Initiative der türkischen Regierung als Nachfolgerin der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) ins Leben gerufen und ausgerüstet wurde – die Verteidigungskräfte der Selbstverwaltung östlich des Euphrat-Flusses zu drängen. Primäres Ziel der Angreifer ist es, die Kontrolle über die strategisch wichtige Tişrîn-Talsperre und die Qereqozax-Brücke zu gewinnen und sich einen Weg nach Kobanê freizukämpfen. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) halten mit einer Gegenoffensive gegen die Einnahme beider Übergänge und der Besetzung weiterer Gebiete in der Autonomieregion. Die Asayîş unterstützt sie dabei.
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/turkische-angriffe-in-nord-und-ostsyrien-fordern-hunderte-zivile-opfer-45721 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/asayis-mitglied-bei-is-anschlag-in-raqqa-getotet-45609 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/drei-sna-soldner-bei-gefechten-am-tisrin-damm-getotet-45703
Unverminderte Angriffe auf Medya-Verteidigungsgebiete
Ungeachtet des am 1. März von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ausgerufenen Waffenstillstands setzt die Türkei ihre Angriffe gegen die Medya-Verteidigungsgebiete fort. Darauf weisen die Volksverteidigungskräfte in einer von ihrer Pressestelle am Sonntag herausgegebenen Bilanz zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Region hin.
In ihrer Erklärung wünschen die HPG zunächst ein gesegnetes Zuckerfest und betonen, dass der Beschuss der Guerillagebiete in Südkurdistan durch die türkische Armee über den gesamten Ramadan „auf eine eskalierende Weise“ verübt wurde. Zu den jüngsten Angriffen heißt es, dass Ziele in den Regionen Gare, Zap und Metîna in den vergangenen drei Tagen mindestens zwölf Mal von Kampfflugzeugen bombardiert worden sind.
Im selben Zeitraum verzeichneten die HPG nach eigenen Angaben mehr als tausend Einschläge von Granaten verschiedenen Kalibers. Getroffen wurden demnach Gebiete in Xakurke, Metîna und Zap. Am schwersten waren die Widerstandsmassive Girê Bahar und Girê Amêdî, die an der Westfront der Zap-Region liegen, betroffen. Dort gingen dem Bericht zufolge rund 870 Geschosse nieder.
„Unsere Kräfte haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um sich gegen diese Angriffe zu verteidigen“, so die HPG weiter. Zu den Details heißt es, dass zwischen dem 27. und 29. März drei Angriffe auf die Tunnelanlage im Girê Amêdî mit dem Einsatz automatischer Schusswaffen mittleren Kalibers beantwortet wurden. In einem Fall wurde die Aktion von Kämpferinnen der Verbände freier Frauen (YJA Star) ausgeführt.
https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-melden-massiven-beschuss-von-guerillagebieten-45745 https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-ununterbrochene-angriffe-auf-guerillagebiete-45701 https://anfdeutsch.com/aktuelles/pkk-stimmt-Ocalan-aufruf-zu-und-verkundet-waffenstillstand-45444
Neue Übergangsregierung in Syrien
Syriens islamistischer Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hat die Bildung einer neuen Regierung verkündet, die den Umbau des Landes weiter vorantreiben soll. Er wolle einen „starken und stabilen Staat“ aufbauen, sagte Al-Scharaa bei der Vorstellung seines 23-köpfigen Kabinetts am Samstagabend. Es löst die selbsternannte Interimsregierung ab, die nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad im Dezember die Staatsgeschäfte übernommen hatte.
Die Bildung der neuen syrischen Regierung sei die „Erklärung unseres gemeinsamen Willens, einen neuen Staat aufzubauen“, betonte al-Schaara im Palast des Volkes in der Hauptstadt Damaskus. Man wolle die staatlichen Institutionen auf der Grundlage von „Verantwortung und Transparenz“ neu errichten. Die zentralen Posten besetzte er mit Vertrauten: Außenminister Asaad al-Schaibani und Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, die der bisherigen Übergangsregierung angehörten, behalten ihre Posten.
Ein weiterer früherer HTS-Dschihadist, Anas Chattab, der bisher als Geheimdienstchef fungiert hatte, ist nun Innenminister. Raed al-Saleh, Chef der Rettungsorganisation Weißhelme, gehört nun ebenfalls dem neuen Kabinett an. Er wurde Minister für Notfall- und Katastrophenmanagement. Erstmals wurde zudem eine Frau in die Regierung berufen: Hind Kabawat wird als Ministerin für Soziales und Arbeit zuständig sein. Sie gehört der christlichen Minderheit in Syrien an.
Der Alawit Jarub Badr übernimmt das Amt des Verkehrsministers. Amgad Badr, der der drusischen Gemeinschaft angehört, wird dem Landwirtschaftsressort vorstehen. Das Energieressort leitet der frühere Regierungschef des HTS-Protektorats Idlib, Mohammed al-Baschir, der die bisherige Übergangsregierung anführte. Ein Premier wurde nicht ernannt. Es wird erwartet, dass der selbsternannte Interimspräsident al-Scharaa die Arbeit des Kabinetts leitet.
Al-Scharaas islamistische Miliz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) und mit ihr verbündete Gruppierungen hatten am 8. Dezember das Assad-Regime gestürzt. Sie lösten das alte Parlament und die ehemalige Regierungspartei Baath auf und setzten die Verfassung von 2012 außer Kraft. Ende Januar ließ sich al-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernennen. Mitte März unterzeichnete er eine Verfassungserklärung für eine fünfjährige Übergangsperiode nach dem Sturz Assads.
Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hatte den Verfassungsentwurf al-Scharaas abgelehnt und kritisiert, er wolle eine zentralistische Herrschaft etablieren. Das Papier legt unter anderem fest, dass allein der Präsident die Exekutivgewalt ausübt. Die alawitische Minderheit in Syriens Küstenregionen fürchtet sich nach den Massakern in den vergangenen Wochen mit etwa 2.000 Toten vor weiterer Verfolgung. Auch die drusische Gemeinschaft beobachtet den Kurs des Übergangspräsidenten mit Skepsis.
https://anfdeutsch.com/menschenrechte/igfm-warnt-vor-islamisierung-und-gewalt-in-syrien-45755 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/breite-ablehnung-in-nordostsyrien-gegen-neue-verfassung-45597 https://anfdeutsch.com/frauen/verfassungsentwurf-fur-syrien-treibt-frauen-auf-die-strasse-45602