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Aktualisiert: vor 45 Minuten 58 Sekunden

Junge Frauen in Berlin fordern Aufklärung des Todes von Rojin Kabaiş

24. Oktober 2025 - 13:00

In Berlin haben junge Frauen am Donnerstagabend eine Demonstration für Aufklärung im Fall der 21‑jährigen Studentin Rojin Kabaiş organisiert. Die von TekoJIN‑Berlin initiierte Kundgebung zog Teilnehmende von Gruppen wie TCŞ, Dest Dan-Hêvî Frauenrat, Nav-Berlin und mehreren feministischen Organisationen an.

Die Demonstrant:innen sammelten sich am Alexanderplatz, trugen Fotos der jungen Frau und zogen von dort zum Brandenburger Tor. Während der Veranstaltung riefen sie unter anderem die Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit).

 


Die Kindheitspädagogik-Studentin Rojin Kabaiş war am 27. September 2024 in der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) als vermisst gemeldet worden; 18 Tage später wurde ihr Leichnam am Ufer des Wansees gefunden. Ihre Angehörigen, verschiedene Berufsverbände und zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren, die Ermittlungen seien nicht transparent geführt worden; trotz Hinweisen auf ein Gewaltverbrechen hätten Behörden versucht, die Akte schnell als Suizid abzuschließen.

Die Demonstrant:innen bemängelten auch Widersprüche und Verzögerungen in den forensischen Gutachten, die in der Bevölkerung Misstrauen schürten. „Staatliche Stellen schützen die Täter“, lautete ein Vorwurf in einer der Erklärungen. Zudem wurde der Rückzug der Türkei aus der Istanbul‑Konvention als Faktor bezeichnet, der Schutzmechanismen für Frauen weiter geschwächt habe.

In Redebeiträgen wurde betont, der Tod von Rojin Kabaiş sei kein Einzelfall, sondern Teil systematischer Gewalt gegen Frauen. „Jeder Femizid ist politisch“, hieß es; die Sprecher:innen warnten zugleich, die Stimmen junger Frauen, der Kurd:innen und anderer marginalisierter Gruppen würden in der Türkei zunehmend zum Schweigen gebracht.

Zugleich riefen sie zu Solidarität und zu weiterer Organisation auf: „Gerechtigkeit entsteht durch die Solidarität der Frauen“, erklärte eine Rednerin. Sie betonte, die kurdische Jugendbewegung werde den Fall weiterhin öffentlich begleiten und eine unabhängige, transparente sowie umfassende Aufklärung verlangen.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/ihd-fordert-luckenlose-aufklarung-des-todes-von-rojin-kabais-48463 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/taxifahrer-in-wan-protestieren-fur-aufklarung-des-todes-von-rojin-kabais-48452 https://deutsch.anf-news.com/frauen/widerspruche-im-fall-rojin-kabais-dem-abgeordnete-fordert-unabhangige-untersuchung-48364

 

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Drittes Treffen zwischen Erdoğan und Imrali-Delegation geplant

24. Oktober 2025 - 11:00

Die Imrali-Delegation der DEM-Partei soll sich am 28. Oktober erneut mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan treffen. Das bestätigte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der DEM-Partei, Gülistan Kılıç Koçyiğit, in einem Interview mit dem Sender Ilke TV. Ort und Uhrzeit des geplanten Treffens sind bisher nicht bekannt.

Koçyiğit äußerte sich zurückhaltend zur Vorbereitung des Treffens und erklärte: „Sowohl unsere Imrali-Delegation als auch gegebenenfalls das Pressebüro des Präsidenten sollten die Ankündigung offiziell machen. Aber es gibt entsprechende Planungen.“

Es wäre das dritte Treffen dieser Art zwischen der Delegation der DEM-Partei und Staatschef Erdoğan. Das erste Gespräch hatte im April im Präsidentenpalast in Ankara stattgefunden. Daran nahmen die damalige Abgeordnete Pervin Buldan sowie der mittlerweile verstorbene Abgeordnete und frühere Parlamentsvizepräsident Sırrı Süreyya Önder teil.

Das zweite Treffen fand im Juli statt. Anwesend waren erneut Pervin Buldan sowie der Abgeordnete Mithat Sancar. An diesem Gespräch nahmen zudem AKP-Vizechef Efkan Ala und der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Ibrahim Kalın, teil. Die Unterredung dauerte rund eine Stunde.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/aufruf-von-abdullah-Ocalan-fur-frieden-und-eine-demokratische-gesellschaft-45431 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-nach-treffen-mit-erdogan-gegenseitiger-wille-zur-fortsetzung-des-dialogs-46981 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/treffen-zwischen-imrali-delegation-und-erdogan-beendet-45885

 

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Diskussion über Wendepunkt in der kurdischen Frage in Bonn

24. Oktober 2025 - 11:00

Unter dem Titel „Wendepunkt in Kurdistan? Die Auflösung der PKK und neue Wege zum Frieden“ fand am Donnerstagabend in Bonn eine gut besuchte Diskussionsveranstaltung statt. Etwa 40 Personen nahmen an der Debatte teil, Rednerin war Meral Çiçek von der kurdischen Frauenbewegung. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob sich im Verhältnis zwischen der Türkei und der kurdischen Bewegung eine neue politische Phase abzeichnet – insbesondere nach dem von Abdullah Öcalan formulierten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ und der Auflösung der PKK im Frühjahr 2025.

Çiçek ordnete die Entwicklungen seit Herbst 2024 als Teil eines größeren geopolitischen Wandels im Nahen Osten ein. Sie verwies darauf, dass der Auslöser der aktuellen Phase nicht ein politischer Sinneswandel der türkischen Regierung sei, sondern außenpolitischer Druck und regionale Machtverschiebungen. Vor allem die wachsende Rolle Israels und die zunehmende geopolitische Isolation der Türkei hätten zu einem Umdenken in Teilen der politischen Führung geführt, so Çiçek.

Aufruf von Ultranationalist Bahçeli

Ein möglicher Wendepunkt sei die überraschende Äußerung von MHP-Chef Devlet Bahçeli im Oktober 2024 gewesen. Der langjährige Verfechter einer harten Linie gegen die kurdische Bewegung hatte plötzlich die Möglichkeit ins Spiel gebracht, Abdullah Öcalan könne im türkischen Parlament das Ende der bewaffneten Auseinandersetzung verkünden, da er die Nationalinteressen der Türkei gefährdet sah. Nur einen Tag später durfte Öcalans Neffe und DEM-Abgeordneter Ömer Öcalan ihn auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen – der erste direkte Kontakt seit vier Jahren.

Öcalan hatte daraufhin erklärt, er sei unter den richtigen Bedingungen bereit, „den Prozess von der Ebene des Konflikts auf eine politische und rechtliche Ebene“ zu führen. In der Folge kam es zu weiteren Besuchen durch Anwält:innen und Abgeordnete der DEM-Partei. Am 1. März 2025 erklärte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand, und im Mai löste sie sich auf einem außerordentlichen Kongress offiziell auf – unter dem erklärten Ziel, den Weg für eine neue Phase der politischen Lösung freizumachen.

Bislang keine substantiellen Schritte von türkischer Seite

Çiçek betonte, dass dieser Schritt von einer tiefgreifenden ideologischen und programmatischen Transformation begleitet sei. In dem auf Imrali verfassten Manifest für Frieden und eine demokratische Gesellschaft entwickelten Öcalan und seine Mitgefangenen neue Perspektiven jenseits der bewaffneten Selbstverteidigung.

Gleichzeitig kritisierte die Referentin die türkische Regierung dafür, bislang keine substantiellen Schritte unternommen zu haben. Zwar sei im Sommer 2025 eine parlamentarische „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ gegründet worden, doch konkrete Gesetzesinitiativen blieben aus. Auch sei es widersprüchlich, dass in den Sitzungen weiterhin kein Kurdisch gesprochen werden dürfe – obwohl der Parlamentspräsident und Vorsitzende der Kommission in Amed (tr. Diyarbakır) kürzlich öffentlich ein kurdisches Gedicht vorgetragen hatte.

Aus Sicht der kurdischen Bewegung, so Çiçek, könne ein dauerhafter Frieden nur durch eine breite gesellschaftliche Beteiligung und internationalen Druck erreicht werden. „Kein Staat beginnt einen Friedensprozess aus Einsicht, sondern aus Zwang“, sagte sie. Daher müsse eine demokratische Zivilgesellschaft innerhalb der Türkei und darüber hinaus gestärkt werden.

Warnung vor Spannungen in Syrien

Ein Teilnehmer fragte, warum die Entwaffnung nicht das Ergebnis, sondern Voraussetzung des Friedensprozesses sei. Çiçek antwortete, die kurdische Bewegung wolle jeden noch so kleinen politischen Spielraum nutzen – gleichzeitig sei aber klar, dass grundlegende Rechte nicht kampflos aufgegeben würden.

Mit Blick auf Syrien warnte Çiçek vor zunehmenden Spannungen in Rojava. Die Türkei versuche dort, durch Druck auf Öcalan und die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) die Selbstverwaltung zu schwächen und eine Entwaffnung durchzusetzen. Zudem drohe eine Verschärfung des Konflikts mit der pro-türkischen Hayat Tahrir al-Sham (HTS), aus der die sogenannte Übergangsregierung hervorgegangen ist und die

Was jetzt notwendig ist

Çiçek unterstrich, dass die kurdische Bewegung ihren Aufruf nicht nur an staatliche Institutionen, sondern vor allem an die demokratische Gesellschaft richtet. Der Friedensprozess müsse „vergesellschaftlicht“ werden, um wirksam politischen Druck aufbauen zu können. Aktuell versuche die Regierungspartei AKP, eine breite Debatte durch kontrollierte Berichterstattung in den regierungsnahen Medien zu verhindern.

Zwar habe es nach dem Waffenstillstand und der Selbstauflösung der PKK zahlreiche Solidaritätsbekundungen aus der Zivilgesellschaft und von internationalen Akteuren gegeben – doch konkrete politische Unterstützung für eine Friedenslösung bleibe bislang aus.

Laut Çiçek brauche es jetzt neue Formen der Selbstorganisierung und den Aufbau einer demokratischen Front, um die kurdische Frage auf eine gesellschaftlich breite Basis zu stellen. Die kurdische Bewegung selbst befinde sich in einem Prozess der tiefgreifenden Umstrukturierung – mit dem Ziel, die Existenz des kurdischen Volkes durch demokratische Integration und nicht durch Konfrontation zu sichern.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-recht-auf-hoffnung-muss-gesetzlich-verankert-werden-48421 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ozturk-abdullah-Ocalan-fordert-politische-reformen-und-Ubergangsgesetze-48062 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/videobotschaft-von-abdullah-Ocalan-47007

 

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Ermittlungen gegen Journalistin Dilan Babat nach Beitrag zu Tod von Rojin Kabaiş

24. Oktober 2025 - 10:00

Gegen die kurdische Journalistin Dilan Babat von der Frauennachrichtenagentur JinNews ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Anlass ist ein Social-Media-Beitrag, in dem sie auf den ungeklärten Tod von Rojin Kabaiş hinwies – einer jungen Frau, die unter bislang nicht aufgeklärten Umständen ums Leben kam. Die Staatsanwaltschaft in Wan (tr. Van) wirft Babat vor, „öffentlich irreführende Informationen verbreitet“ zu haben.

Die Journalistin wurde am Donnerstag im Justizpalast in Amed vernommen. Ihre Aussage erfolgte über ein Videokonferenzsystem. Hintergrund der Ermittlungen ist ein von ihr am 21. Oktober geteilter Beitrag zu einem Artikel mit dem Titel: „Nicht untersuchte Behauptung: Gibt es Sicherheitskräfte, die ins Ausland geflohen sind?“

Laut ihrer Anwältin wurde Babat in der Vernehmung unter anderem gefragt, woher sie die Informationen habe, worauf sich ihre Einschätzung stütze, dass der Fall nicht untersucht werde, ob sie über eine Geheimhaltungsverfügung in der Causa informiert gewesen sei, und ob sie annehme, dass die Staatsanwaltschaft keine Aufklärung betreibe.

Babat erklärte, sie habe die Informationen ausdrücklich als unbelegte Behauptung veröffentlicht: „Ich habe klargemacht, dass es sich um eine zu untersuchende Aussage handelt. Wir haben die Meldung als Verdacht veröffentlicht. In einer Zeit, in der Femizide zunehmen, habe ich – auch als Frau – diese Information geteilt. Ich habe keine irreführenden Inhalte verbreitet“, sagte sie laut Aussageprotokoll. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe wies sie zurück.

Rojin Kabaiş, 21-jährige Studentin im Fach Kindheitsentwicklung in Wan, war vor einem Jahr ums Leben gekommen. Ihre Leiche war 18 Tage nach ihrem Verschwinden aus einem Wohnheim am Ufer des Wan-Sees aufgefunden worden. Die Ermittlungsbehörden stellten frühzeitig die These eines Suizids in den Raum – eine Deutung, die von der Familie von Beginn an in Zweifel gezogen wurde. Ein aktualisiertes forensisches Gutachten enthält Hinweise auf ein Gewaltverbrechen – zwei männliche DNA-Spuren wurden an sensiblen Körperstellen festgestellt.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/ihd-fordert-luckenlose-aufklarung-des-todes-von-rojin-kabais-48463 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/taxifahrer-in-wan-protestieren-fur-aufklarung-des-todes-von-rojin-kabais-48452 https://deutsch.anf-news.com/frauen/widerspruche-im-fall-rojin-kabais-dem-abgeordnete-fordert-unabhangige-untersuchung-48364

 

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HPG berichten von Militäroperationen in Nordkurdistan

24. Oktober 2025 - 10:00

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben eine Reihe von Operationen der türkischen Armee in Nordkurdistan gemeldet. Wie das HPG-Pressezentrum am Donnerstag mitteilte, fanden die Einsätze zwischen dem 14. und 19. Oktober statt.

Demnach hat das türkische Militär am 14. und 15. Oktober Operationen in der Region zwischen den Landkreisen Licê und Pasûr (tr. Kulp) in der Provinz Amed (Diyarbakır) sowie in Çewlîg (Bingöl) durchgeführt. Zeitgleich erfolgte eine großangelegte Militäroperation in der Herekol-Region in Botan.

Am 19. Oktober ereignete sich zudem eine weitere Offensive in der Besta-Region. In der Erklärung bezeichneten die HPG das Vorgehen als „Operationen gegen unsere Kräfte, die sich in einer Feuerpause befinden“. Sollte es infolge der Einsätze zu Auseinandersetzungen kommen, trage „die politische und militärische Führung der Türkei die Verantwortung für mögliche Konsequenzen“, hieß es.

Die HPG gedachten in der Mitteilung auch der Gefallenen Asya Ali und Rojger Hêlîn, die am 23. Oktober beim Anschlag Anschlag auf das türkische Rüstungsunternehmen TUSAŞ bei Ankara ums Leben kamen, sowie der Guerillakommandantin Bêrîtan Hêvî (Gülnaz Karataş), die am 25. Oktober 1992 im Südkrieg fiel. Sie bekräftigten, den eigenen Kurs „entschlossen im Sinne der Gefallenen“ fortzusetzen und deren Zielen weiterhin verpflichtet zu bleiben.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/kjk-im-gedenken-an-beritan-gemeinsam-kampfen-22358 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/nachruf-auf-asya-ali-und-rojger-helin-44043

 

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Peter McLaren: Der Frieden ist mit Öcalan gefangen

24. Oktober 2025 - 8:00

Der von Abdullah Öcalan aus seiner Isolationshaft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali heraus initiierte Prozess für „Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ erfährt weiterhin zunehmende internationale Unterstützung. Dieser Prozess hat auch dem demokratischen, ökologischen und frauenbefreienden Paradigma, das der kurdische Repräsentant und die Befreiungsbewegung Kurdistans vertreten, zu größerer Anerkennung und Sichtbarkeit verholfen.

Viele Expert:innen auf diesem Gebiet betrachten die Ideen, die auf der Perspektive von Frieden und einer demokratischen Gesellschaft basieren, als vielversprechende Alternative nicht nur für das kurdische Volk, sondern auch für die Menschen im Nahen Osten und weltweit. Einer dieser Experten ist der kanadische Pädagoge, Autor und Wissenschaftler Prof. Peter McLaren, ein führender Theoretiker auf dem Gebiet der kritischen Pädagogik.

Wir sprachen mit Prof. McLaren, der kürzlich in einer Botschaft an die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) seine Unterstützung für Öcalans Aufruf bekundete, über den Friedensprozess und die Bedeutung des Paradigmas der kurdischen Bewegung.

Ihre Botschaft zum Friedensprozess in der Türkei und Kurdistan erregte nicht nur als politische Stellungnahme Aufmerksamkeit, sondern auch als moralischer und menschlicher Appell. Was hat Sie dazu motiviert, sie zu schreiben?

Ich bin in der weiten Stille Kanadas aufgewachsen, wo der Schnee fiel wie die sanfte Ablehnung der Welt gegen den Krieg. Es gab keine Einberufungsbescheide an meiner Tür, keine Uniform, die auf dem Bett lag – nur das Echo des Mutes und der Angst anderer Männer. Dennoch war der Zweite Weltkrieg der unsichtbare Begleiter meiner Kindheit.

Mein Vater trug die Erinnerung daran in seinem Schweigen mit sich, so wie manche Männer Narben tragen. Er hatte mit den Royal Canadian Engineers in den durchnässten Schützengräben Europas gekämpft und inmitten der Trümmer Brücken gebaut. Mein Onkel Terry Goddard flog mit der 808. Staffel der Royal Navy, einem geflügelten Jäger, der das deutsche Schlachtschiff Bismarck über den grauen Atlantik verfolgte, bis der stählerne Leviathan Feuer spuckte und unter dem kalten, ewigen Meer versank.

„Sie kämpften, damit ihre Söhne es niemals müssten“

Sie kämpften, so sagten sie, damit ihre Söhne es niemals tun müssten. Und so wuchs ich in dem Glauben auf, dass Frieden kein Geschenk ist, sondern ein Erbe, das mit dem Leid anderer teuer erkauft wurde.

Als meine Zeit gekommen war, wählte ich ein anderes Schlachtfeld – das Klassenzimmer, die Straße, das Gewissen. Ich stellte mich gegen die Kriege des Imperiums, gegen den Wahnsinn von Nationen, die Herrschaft mit Schicksal verwechselten. Ich marschierte, ich sprach, ich schrieb. Ich ging dorthin, wo die Hoffnung noch den Mut hatte, sich Sozialismus zu nennen. In Venezuela, auf Einladung der Regierung von Hugo Chávez, ging ich unter denen, die von Gerechtigkeit nicht als Slogan träumten, sondern als Brot, das unter Gleichen geteilt wird.

Ein Name auf einer Liste

Darauf wurden die Mächtigen aufmerksam und bezahlten Studierende dafür, dass sie linke Professor:innen verrieten. Im Jahr 2006 erschien mein Name unter den sogenannten „Dirty Thirty“ – Professor:innen, denen vorgeworfen wurde, junge Köpfe mit subversiven Gedanken zu vergiften. Unsere Worte waren heimlich aufgezeichnet und wie Schmuggelware gemeldet worden.

Und jetzt, Jahre später, finde ich mich wieder auf einer Liste, diesmal von Charlie Kirk von Turning Point USA – einem Mann, der kürzlich in den hitzigen Querelen der Nation ermordet wurde, zu deren Spaltung er beigetragen hatte.

Den Geist des Faschismus’ bekämpfen

Solche Listen sind die Register der modernen Inquisition. Doch ich bin nicht stolz auf Verfolgung, sondern habe nur ein stilles Verständnis dafür, dass man sich den Zorn der Wohlhabenden zuzieht, wenn man sich auf die Seite der Unterdrückten stellt.

Mein Vater bekämpfte die Faschisten mit Stahl und Rauch; ich bekämpfe ihre Geister mit Worten und Zeugnissen. Beide Kämpfe dienen letztendlich demselben zerbrechlichen Traum – dass die Menschheit lernen möge, sich selbst in den Augen des anderen zu sehen, bevor es zu spät ist.

Sie sagten: „Ich bewundere den Mut derer, die Worte statt Waffen wählen.“ Warum ist die Sprache des Friedens Ihrer Meinung nach in der heutigen Welt so schwer zu hören?

Fügen wir noch eine Wahrheit hinzu, denn sie gehört zum Kern der Geschichte: Auch Worte sind Waffen. Das waren sie schon immer. Sie können tiefer verwunden als Kugeln, denn sie formen das Schlachtfeld des Geistes, bevor ein Soldat überhaupt zielt.

Imperien wurden auf Silben der Täuschung aufgebaut; Zivilisationen wurden durch ein einziges, aus Hass gesprochenes Wort zerstört. Benennen bedeutet, Macht auszuüben – einen anderen als minderwertig, als Feind, als weniger als menschlich zu definieren – bedeutet, mit der Gewalt zu beginnen, lange bevor das Schwert gezogen wird.

Die Sprache des Hasses ist nicht neu

Heute, wie in dunkleren Zeiten, entdecken Demagogen das alte Vokabular der Angst wieder. Sie schwingen Worte wie „Ungeziefer“ und „Verräter“, als wäre die Menschheit ein Fleck, der von der Erde getilgt werden muss.

Als Donald Trump verkündete: „Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und radikalen linken Schläger ausmerzen, die wie Ungeziefer innerhalb der Grenzen unseres Landes leben“, erfand er keine neue Sprache des Hasses – er wiederholte die Geister des zwanzigsten Jahrhunderts und bediente sich derselben vergifteten Quelle, die Hitlers Wahnvorstellungen nährte.

„Die Fähigkeit, andere seiner eigenen Verbrechen zu beschuldigen“

Am erschreckendsten ist vielleicht seine Ignoranz – oder sein Zynismus. Andere als Faschisten zu bezeichnen, während man selbst knietief in seinem eigenen Kult der Beschwerde und Gewalt steckt, ist nicht einfach nur Ironie, sondern moralische Blindheit, die als Waffe eingesetzt wird. Trump weiß nicht, was Faschismus bedeutet, weil der Faschismus sich selbst nicht sehen kann. Er überlebt gerade durch seine Fähigkeit, andere seiner eigenen Verbrechen zu beschuldigen.

Und so wird der Krieg der Worte zu einem Krieg um die Seele. Die Frage ist nicht nur, wer spricht, sondern wer zuhört – und wer noch daran glaubt, dass Sprache für Liebe, für Wahrheit, für die fragile Arbeit des Erinnerns genutzt werden kann, dass jeder Mensch, auch heute noch, einen Funken in sich trägt, der nicht ausgelöscht werden darf. Ja – und hier, in den leuchtenden Schaltkreisen unseres neuen Babels, hat die alte Kunst der Entmenschlichung gelernt, in Codes zu sprechen.

„Der Algorithmus belohnt diejenigen, die mit Präzision hassen“

Heute sind die Waffen nicht aus Stahl geschmiedet, sondern aus Syntax – Zeilen algorithmischer Logik, die unter der Oberfläche unserer Bildschirme summen. Bots flüstern in der Sprache der Überredung; Plattformen verstärken die Wut, weil Empörung profitabel ist. Die Maschinerie der Kommunikation ist zu einer Kathedrale aus Spiegeln geworden, die nicht die Welt so widerspiegelt, wie sie ist, sondern so, wie jede Gruppe sie sich wünscht. In diesen digitalen Katakomben ist die Wahrheit nicht mehr ein Fluss, der zwischen uns fließt – sie ist ein stehendes Gewässer, in dem nur unsere eigenen Spiegelbilder erscheinen.

Die Menschen unterhalten sich nicht mehr, sie handeln. Worte werden nicht ausgetauscht, um Verständnis zu suchen, sondern um Punkte zu sammeln, Loyalität zu signalisieren, Zugehörigkeit auf dem Marktplatz der Identitäten zu erwerben. Der Diskurs, der einst das Versprechen der Transformation barg – durch Dialog menschlicher zu werden –, wurde zu einer Darbietung von Loyalität umgestaltet. Der Algorithmus, gleichgültig und doch allmächtig, belohnt diejenigen, die am lautesten schreien, die mit Präzision hassen, die Emotionen in Daten einfließen lassen.

Empathie als Fremdsprache, Wahrheit als Gerücht

Und so finden wir uns von der Möglichkeit der Gemeinschaft ausgeschlossen. Dieselben Technologien, die die Menschheit hätten zusammenbringen können, haben stattdessen unsere Einsamkeit vervielfacht. In diesen Echokammern wird Empathie zu einer Fremdsprache und Wahrheit zu einem Gerücht, das niemand zu glauben wagt.

In einer solchen Zeit Mitgefühl zu äußern, ist an sich schon ein Akt des Widerstands. Es bedeutet, uns daran zu erinnern, dass Sprache, selbst wenn sie von Maschinen erfasst wird, immer noch ein Gefäß des menschlichen Geistes sein kann – dass Worte, einmal von ihrem Gift befreit, wieder zu Instrumenten nicht der Spaltung, sondern des Erwachens werden können.

Es ist schwierig, die Sprache des Friedens inmitten des Lärms der heutigen digitalisierten Diskurse zu hören, denn die Sprache des Friedens ist eine leise Sprache, und die Welt hat vergessen, wie man zuhört.

Die Kunst der Gemeinschaft

Inmitten des Donners der Slogans, der algorithmischen Schreiereien, des unaufhörlichen Scrollens von Empörung und Anschuldigungen spricht der Frieden in Tönen, die für die Maschinerie unserer Zeit zu leise sind. Er ist nicht im Trend, er verkauft sich nicht, er schmeichelt nicht dem Ego und verspricht keinen Sieg. Frieden ist kein Spektakel – er ist ein Flüstern zwischen Seelen. Doch dieses Flüstern geht unter im metallischen Dröhnen der heutigen Diskurse, in denen jedes Wort zu einer Waffe geschärft wird, jeder Satz zu einem Scharmützel, jedes Schweigen mit einer Niederlage verwechselt wird.

Wir leben, so scheint es, in einem Zeitalter verstärkter Geräusche und verminderter Bedeutung. Die Kommunikationsmittel haben sich vervielfacht, aber die Kunst der Gemeinschaft ist verkümmert. Worte, die einst der Heilung dienten, werden nun für die Eroberung umfunktioniert. Wir bauen digitale Türme zu Babel, von denen jeder höher in Richtung Verwirrung ragt, und je höher wir klettern, desto weniger verstehen wir einander.

Die Sprache des Friedens bleibt beharrlich

Und doch bleibt die Sprache des Friedens bestehen. Sie verweilt in den Pausen zwischen den Worten, im Atemzug vor der Antwort, im Mut, zuzuhören, ohne zum Schlag auszuholen. Sie wohnt dort, wo das Mitgefühl noch nicht gestorben ist – in einem handgeschriebenen Brief, im Wiegenlied einer Mutter, im kleinen Wunder der Vergebung.

Heute von Frieden zu sprechen, ist keine Naivität, sondern Trotz. Es bedeutet, auch jetzt noch daran zu glauben, dass die bessere Stimme der Menschheit unter dem Rauschen noch immer wartet, zitternd wie eine Kerze im Wind – zerbrechlich, ja, aber immer noch brennend.

Sehen Sie Abdullah Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ als eine Form der Politik, die auf Menschenwürde basiert?

Ich kann mich dazu nicht als Autorität äußern, da ich die Ereignisse hauptsächlich durch das verfolgt habe, was ich gelesen habe. Dennoch scheint es sich zweifellos um eine sehr würdevolle Politik zu handeln. Aus der Einsamkeit seines Gefängnisses hat Abdullah Öcalan eine Botschaft ausgesandt, die über die Hochebenen und Täler, Granatapfelhaine und felsigen Pässe Kurdistans hinweg zu hören war. Er hat seine Genoss:innen dazu aufgerufen, ihre Waffen niederzulegen und sich das Feuer des Widerstands in die Wärme des Lebens verwandeln zu lassen.

Das klingt für mich sehr würdevoll. Wie könnte es auch anders sein? Unter einem Himmel, der lange Zeit das Dröhnen von Kampfflugzeugen gehört hatte, zerbrachen Öcalans Genoss:innen ihre Waffen. Diese Handlung war weder Demütigung noch Niederlage, sondern ein Ritual der Rückeroberung.

Ich würde sogar behaupten, dass dies ein Beweis für die Würde des Lebens selbst ist! Wenn Gewehre, einst Symbole der Rebellion, zu Relikten werden und wenn einst entfremdete Stimmen beginnen, miteinander zu sprechen, kann dies alte Diskursströme aktivieren, die fragile Gefäße der Möglichkeit in sich tragen. Das ist nicht dasselbe wie eine Garantie.

Wie sollten wir in einer Zeit, in der Militarisierung und Kriegsrhetorik weltweit zunehmen, insbesondere im Nahen Osten, die konsequente Haltung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zugunsten von Frieden und Dialog verstehen?

Ich spreche als jemand, der zwischen zwei Nationen steht – als Doppelstaatsbürger Kanadas und der Vereinigten Staaten –, der nun die zweite Amtszeit von Donald Trump erdulden muss, einem Mann, der die noch verbliebenen demokratischen Grundlagen in den Vereinigten Staaten zerstört. Ich beobachte, wie er mein Heimatland attackiert, versucht, seine Wirtschaft durch Zölle zu lähmen, es unter die Herrschaft des Imperiums zu bringen und es zum einundfünfzigsten Bundesstaat zu machen.

Ich lebe in einem Land, das von Krieg träumt – das von Öl als Schicksal und von anderen Nationen als Beute spricht. Ein Land, das durch Krieg mit Venezuela einen Regimewechsel anstrebt, das zur Finanzierung der Zerstörung des Gazastreifens beiträgt, das Vernichtung als Selbstverteidigung bezeichnet und die Maschinerie des Todes in die Sprache der Freiheit hüllt. Ich habe durch bittere Erfahrungen gelernt, der Geopolitik skeptisch gegenüberzustehen – diesem Theater, in dem Macht allzu oft als Prinzip getarnt und Krieg als Tugend verkauft wird.

„Eine Dimension, die sich an das erinnert, was die Menschheit vergessen hat“

Und doch erhebt sich inmitten dieses Geschreis nach Vorherrschaft eine Stimme aus einer Gefängniszelle auf einer Insel im Marmarameer – die Stimme von Abdullah Öcalan –, die nicht von Eroberung spricht, sondern von Gewissen, nicht von Bedingungen, sondern von Gesprächen. Wenn die Welt ihre Messer wetzt, spricht er von Dialog. Wenn andere zum Krieg aufrufen, ruft er zum Erwachen auf.

In einer Zeit, in der die Welt von Militarisierung erfasst ist, klingen seine Worte fast überirdisch, als kämen sie aus einer anderen moralischen Dimension, einer Dimension, die sich an das erinnert, was die Menschheit vergessen hat. Frieden ist nicht die Abwesenheit von Konflikten; er ist ein Schöpfungswerk, eine Kultivierung des Lebens dort, wo einst der Tod herrschte. Es sind die Hände, die Mitgefühl statt Eroberung wählen, die Augen, die Würde sehen, wo andere einst nur Bedrohungen sahen, und die Herzen, die an die Möglichkeit der Versöhnung glauben.

„Öcalans Vision handelt nicht vom Sieg“

Denn Öcalans Vision, so scheint es mir, handelt nicht vom Sieg im weltlichen Sinne. Es geht um Metamorphose – die Transformation des menschlichen Geistes selbst. Freiheit ist nicht die Übernahme von Macht, sondern das Erwachen zur Verantwortung: Verantwortung gegenüber dem anderen, gegenüber den Lebenden und gegenüber den Toten, die vor der Morgendämmerung ihr Leben geopfert haben.

Frieden ist nicht die Abwesenheit von Konflikten, sondern der Mut, Kampf in Schöpfung, Feuer in Licht, Wut in Wachsamkeit und Leiden in Weisheit zu verwandeln. Und in den Dörfern und Städten, von den windgepeitschten Hochebenen bis zu den fruchtbaren Flusstälern, ist nun eine fragile Hoffnung entstanden: dass diejenigen, die einst Feinde waren, nun ohne Angst denselben Weg gehen können, dass das einst vergossene Blut Verständnis statt Trauer nähren kann.

Freiheit als geteilter Horizont

Lassen Sie uns klarstellen: Frieden ist kein Geschenk. Er ist ein Bund – eine heilige Aufgabe, ein Lied des Lebens, das mit Händen gesungen werden muss, die sich weigern zu schlagen, mit Augen, die sich weigern zu hassen, und mit Herzen, die sich weigern zu vergessen. Und im Licht dieses Bundes besteht die Hoffnung, dass der Frieden zur moralischen und spirituellen Architektur des Landes wird – unerbittlich, unbeugsam, ewig.

Frieden ist keine Unterwerfung, keine Auslöschung des Kampfes, sondern eine Verwandlung desselben: der Mut, Feuer in Licht zu verwandeln, Opfer zu ehren, ohne ihre Trauer fortbestehen zu lassen. Freiheit ist keine Waffe, die man einsetzt, sondern ein Horizont, dem man sich nähert, den alle teilen.

Für den Erfolg des Friedensprozesses hat die kurdische Seite mehrere konkrete Schritte unternommen, darunter den Vorschlag, die PKK aufzulösen. Der türkische Staat hat jedoch keine konkreten Schritte als Reaktion darauf unternommen, und Öcalan, der Hauptakteur des Prozesses, bleibt im Gefängnis. Welche Verantwortung trägt Ihrer Meinung nach der Staat?

Es gibt ernsthafte Hindernisse. Das erste Hindernis scheint das Schweigen zu sein. Öcalans Stimme erreicht uns durch eine Mauer des vom Staat auferlegten Schweigens. Er ist auf der Insel Imrali isoliert – ihm werden Besuche verweigert, ihm wird das Recht zu sprechen verweigert, sogar das Recht, in der Welt, die er zu verändern versucht, zu atmen. Und dieses Schweigen ist kein Zufall, sondern Politik. Der Staat will seine Ideen ohne sein Wirken, seine Worte ohne seine Anwesenheit. Der Frieden selbst ist zusammen mit ihm inhaftiert worden.

Das zweite Hindernis scheint die Angst vor Anerkennung zu sein. Der türkische Staat gibt seit einem Jahrhundert vor, dass die kurdische Frage ein Problem ist, das gelöst werden muss, anstatt ein Volk, das man akzeptieren muss. Selbst jetzt, wo die PKK die Entwaffnung erklärt und Öcalan die Hand zum Frieden ausstreckt, bezeichnet die Regierung dies als Sieg über den Terrorismus statt als Beginn einer Versöhnung. Die alten Reflexe bestehen fort: leugnen, kontrollieren, umbenennen, eindämmen.

Politisches Kalkül, statt Friedenswillen

Und dann ist da natürlich noch die Politik – die große Bühne, auf der all dies stattfindet.

Präsident Erdoğan betrachtet den Friedensprozess nicht als einen Akt moralischer Transformation, sondern als ein Instrument des politischen Überlebens. Angesichts der verfassungsmäßigen Amtszeitbeschränkung weiß er, dass die Unterstützung der Kurd:innen der Schlüssel zur Verlängerung seiner Herrschaft sein könnte.

Doch er ist an ein Bündnis mit der ultranationalistischen MHP gebunden – einer Partei, deren Identität gerade davon abhängt, kurdische Bestrebungen abzulehnen. So befindet er sich zwischen zwei Fronten: Wenn er sich um Frieden bemüht, riskiert er, seine Basis zu verprellen; um seine Basis zu beschwichtigen, muss er genau den Frieden unterdrücken, den er angeblich anstrebt.

Der Staat muss lernen, zuzuhören

Auch wenn er die Sprache des Friedens spricht, sprechen türkische Drohnen in Nordsyrien eine andere Sprache. Die „Operation Dawn of Freedom“ geht weiter – eine Operation, die den Konflikt über die Grenzen der Türkei hinaus ausweitet und kurdische Gruppen angreift, die laut Ankara nicht von der PKK zu unterscheiden sind. Es ist ein doppeltes Theater: Diplomatie im Inland, Zerstörung im Ausland.

Und doch hält sich Öcalans Idee trotz alledem – eine Idee der radikalen Demokratie, der von Grund auf aufgebauten Koexistenz, einer Türkei, die eines Tages vielleicht integrieren statt auslöschen wird. Damit dies jedoch geschehen kann, muss der Staat selbst eine Entwaffnung durchlaufen – nicht von Waffen, sondern von Angst, Arroganz und Verleugnung.

Ja, das größte Hindernis liegt nicht in den Bergen, nicht unter den Kurd:innen, nicht einmal in den Gefängnissen. Die Verantwortung des türkischen Staates liegt in seinem Herzen. Solange dieses Herz nicht lernt, zuzuhören – wirklich zuzuhören –, bleibt der Weg zum Frieden versperrt, und der Schlüssel zur Zukunft bleibt in der Zelle von Imrali eingeschlossen.

Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach der Friedensprozess in der Türkei für die breitere Debatte über Demokratie im Nahen Osten und weltweit?

Der Friedensprozess in der Türkei ist eine fragile Brücke der Hoffnung über einen Fluss, der durch Jahrhunderte des Konflikts geformt wurde, wo die Stimmen der Jugend möglicherweise die einzigen sind, die stabil genug sind, um die Demokratie zu tragen. Weit entfernt, jenseits des Atlantiks, erheben sich die Stimmen einer jüngeren Generation.

Laut der Critical Issues Poll (Juli-August 2025) der University of Maryland neigen 37 Prozent der jungen Amerikaner:innen zu den Palästinenser:innen, nur 11 Prozent zu den Israelis, und selbst die jüngsten Republikaner:innen brechen mit der Loyalität ihrer Ältesten [https://sadat.umd.edu/sites/sadat.umd.edu/files/August%20Poll%20082525%20FINAL.pdf]. Diese Veränderungen in der öffentlichen Meinung spiegeln das fragile Experiment der Demokratie selbst wider – einen lebendigen, atmenden Dialog, der sich unter dem Gewicht der Geschichte biegt. Ob auf den Straßen Istanbuls, in den zerstörten Gebieten Palästinas oder in den Wahlkabinen von Maryland, die Frage bleibt dieselbe:

Können wir die Brücke lange genug stabil halten, damit Empathie, Gerechtigkeit und Mut sie überqueren können, bevor der Fluss der Spaltung alles mit sich reißt?

Fortsetzung folgt…

Wer ist Peter McLaren?

Prof. Peter McLaren, ein kanadischer Pädagoge, Autor und Wissenschaftler, geboren 1948, ist einer der weltweit führenden Theoretiker auf dem Gebiet der kritischen Pädagogik. Er ist bekannt für seine marxistische Bildungstheorie, seine Kulturwissenschaften und seinen auf sozialer Gerechtigkeit basierenden Bildungsansatz.

Nach langjähriger Lehrtätigkeit in den USA war er Professor an Institutionen wie der Los Angeles University und der Chapman University. Beeinflusst von Denkern wie Karl Marx, Paulo Freire und Antonio Gramsci betrachtet McLaren Bildung nicht nur als Wissensvermittlung, sondern als Instrument gesellschaftlicher Transformation.

Mit seinen Ansätzen der „kritischen Pädagogik“ und der „revolutionären Pädagogik“ setzt er sich für die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins und die Befreiung der Lernenden ein. Seine Arbeit hat akademische Kreise in weiten Teilen der Welt beeinflusst – von Abya Yala über Europa und den Nahen Osten bis nach Asien. Sein bekanntestes Werk, Leben in Schulen (1989), gilt als Meilenstein der kritischen Pädagogik.

Foto © Juha Suoranta | CC BY-SA 4.0

https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensmutter-schlussel-zum-frieden-ist-die-freiheit-abdullah-Ocalans-48456 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/demokratischer-konfoderalismus-statt-globaler-kapitalismus-48412 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/ein-neuer-mensch-muss-entstehen-48339

 

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KRI noch immer ohne neue Regierung

23. Oktober 2025 - 21:00

Obwohl seit den Parlamentswahlen in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) am 20. Oktober 2024 bereits ein Jahr vergangen ist, ist noch immer keine Regierung gebildet worden. Sadi Ahmed Pire aus dem Politbüro der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) hat aktuell bekannt gegeben, dass zwischen der YNK und der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) nach wie vor keine Einigung über die parlamentarische Arbeit und die Regierungsbildung erzielt worden sei.

Pire erklärte, dass sich die beiden Parteien zunächst auf ein gemeinsames Verständnis darüber einigen müssten, wie die Regierung gebildet werden soll, und dass erst dann die Aktivierung des Parlaments möglich sei.

Die PDK und die YNK sind bisher zwölf Mal zusammengekommen, um das zehnte Kabinett der KRI zu bilden – bisher blieben die Gespräche ergebnislos.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/karamus-einheit-ist-der-schlussel-zur-losung-der-kurdischen-frage-47219 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/konferenz-zur-kurdischen-einheit-in-bazid-eroffnet-47263 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/endgultige-wahlergebnisse-in-kurdistan-verkundet-44093 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/chomani-die-wahlergebnisse-zementieren-den-status-quo-44001

 

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Gök: „Am 8. November Öcalans Aufruf in Köln unterstützen“

23. Oktober 2025 - 19:00

Zahlreiche Schriftsteller:innen, Medienschaffende, Politiker:innen, Kunstschaffende und Menschenrechtsaktivist:innen haben am 10. Oktober 2023 eine weltweite Kampagne gestartet, in der sie die Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan und die Gewährleistung seiner körperlichen Freiheit sowie eine politische Lösung der kurdischen Frage fordern.

Die Kampagne, die in 74 Städten weltweit gleichzeitig von Freund:innen und Verbündeten des kurdischen Volkes unter dem Motto „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ ins Leben gerufen wurde, geht nun in ihr drittes Jahr. In den letzten zwei Jahren wurden Öcalans Ideen auf den Straßen, an Universitäten und in wichtigen internationalen Zentren breit diskutiert. Auch bei Massendemonstrationen und öffentlichen Versammlungen wurde seine Freiheit gefordert. Prominente Politiker:innen, Schriftsteller:innen, Medien- und Kunstschaffende haben sich während der gesamten Kampagne globalen Initiativen angeschlossen, die diese Forderungen unterstützen.

Im Rahmen der Kampagne haben bereits zwei große Demonstrationen in Köln stattgefunden. Auch in diesem Jahr wird am 8. November um 11:00 Uhr in der Kölner Deutzer Werft wieder zu einer Kundgebung und Großdemonstration aufgerufen.

Kerem Gök, Ko-Vorsitzender der Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED), hat mit ANF über die Bedeutung und die Ziele der bevorstehenden Demonstration und Kundgebung in Köln gesprochen.

Die Kampagne „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ geht nun in ihr drittes Jahr. Was möchten Sie als KON-MED zu dieser neuen Phase sagen?

Als KON-MED sind wir sowohl eine politische als auch eine zivilgesellschaftliche Organisation. Als Institution des Volkes hat sich unsere Struktur natürlich entsprechend den Bedürfnissen, Bedingungen und Realitäten des kurdischen Volkes aufgebaut. Diejenigen, die in unserer Organisation arbeiten, haben sich auf dieser Grundlage entwickelt; ihre Praxis, ihre Perspektive und ihr Ansatz sind entsprechend geprägt.

Um welche Grundlage handelt es sich dabei? Man kann sagen, dass sie dem kurdischen Volk gehört, das trotz seiner Zugehörigkeit zu den größten staatenlosen Nationen der Welt immer noch mit einem Verbot der eigenen Sprache und einer nicht anerkannten Identität lebt. Viele waren aufgrund der Unterdrückung in ihrer Heimat gezwungen, hierher zu migrieren.

Einige Kurd:innen kamen aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland, andere, nachdem ihre Dörfer niedergebrannt worden waren, und wieder andere wurden aufgrund staatlich verhängter Strafen ins Exil geschickt.

Eine Existenz gebunden an eine ungelöste Frage

Aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet, wurden das kurdische Volk und sein Land lange Zeit systematisch und bewusst unterentwickelt gehalten. Das System versuchte, sie unwissend, unorganisiert und ohne Führung zu belassen und beutete sowohl ihre Bodenschätze als auch ihre oberirdischen Ressourcen aus, um sie zu kontrollieren. Obwohl die Bevölkerung wuchs, wurde nie eine industrielle Infrastruktur aufgebaut.

In diesem Sinne waren selbst diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen auswanderten, Opfer der kolonialistischen Denkweise, die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Druck, Vernichtungs- und Verleugnungspolitik ausübte. Dem kurdischen Volk blieb keine andere Wahl, als zu gehen. Daher sind unsere Existenz und unsere zukünftige Arbeit untrennbar mit dem Status Kurdistans und der Lösung der kurdischen Frage verbunden.

Öcalan bietet eine Alternative an

Öcalan kämpft seit vielen Jahren für den Aufbau eines gerechteren, rationaleren und freieren Systems zur Anerkennung der Rechte des kurdischen Volkes und der Freiheit aller unterdrückten Völker. Seine Freiheit steht daher für die Freiheit des kurdischen Volkes. Sie bedeutet die Ablehnung von Staatenlosigkeit, die Ablehnung von Versklavung und die Ablehnung von Vernichtung und Verleugnung.

Von unseren regelmäßigen Treffen bis zur bevorstehenden Demonstration in Köln am 8. November werden sich alle unsere diplomatischen, kulturellen, künstlerischen, ökologischen und rechtlichen Bemühungen weiterhin auf die politische Lösung der kurdischen Frage und die Freiheit von Abdullah Öcalan konzentrieren.

„Die Freiheit Öcalans ist unerlässlich für Frieden und Demokratie“

Ein weiteres entscheidendes Thema für uns ist, dass die laufenden Gespräche und Kontakte zu einem echten Verhandlungsprozess zur Lösung der kurdischen Frage und zur Gewährleistung der physischen Freiheit von Herrn Öcalan führen müssen. Sowohl das kurdische Volk als auch die europäische Gesellschaft haben Herrn Öcalan angesichts des Krieges im Nahen Osten als Verhandlungsführer anerkannt.

Als Institution betonen wir erneut unsere Forderung nach der physischen Freiheit von Herrn Öcalan und nach einem direkten Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, dem kurdischen Volk, politischen Parteien und Institutionen.

Für uns ist die Freiheit von Öcalan von entscheidender Bedeutung, sie ist unerlässlich für das kurdische Volk, für unsere Institution und für die Schaffung von Frieden und einer demokratischen Gesellschaft.

Am 8. November findet in Köln eine Demonstration statt. Können Sie etwas zu deren Bedeutung sagen?

Im Jahr 2023 wurde unter dem Namen „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ eine neue Initiative ins Leben gerufen. Sie wurde in 74 verschiedenen Städten auf fünf Kontinenten von Kreisen außerhalb der kurdischen Gemeinschaft gestartet. Dies war eine Antwort auf diejenigen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen versuchen, das Problem mit Zwangsmaßnahmen zu lösen. Die Initiative wurde durch Öcalans Paradigma motiviert.

Was wir erlebten, war eine Bewegung, in der nicht-kurdische Teile, inspiriert durch Öcalans Paradigma, die Forderung „Freiheit für Abdullah Öcalan, politische Lösung der kurdischen Frage“ stellten.

Kampagne und Demonstration als Abbild der Solidarität

Bislang haben wir im Rahmen dieser Initiative zwei Demonstrationen in Köln organisiert. Beide waren wirklich beeindruckend. Durch diese Demonstrationen wurden Botschaften an europäische Institutionen und Besatzungsstaaten übermittelt, während sich gleichzeitig ein Bild abzeichnete, in dem unser Volk und andere Völker zusammenkamen, verschiedene Farben und Kulturen sich auf gemeinsamer Basis trafen.

Wir haben gesehen, wie Öcalans Paradigma international geworden ist und welche Grenzen es erreicht hat.

Die Initiative sandte Botschaften sowohl an soziale und politische Kreise als auch an die Status-quo-Mächte der Region. Ich glaube, dass diese Kreise die Botschaften erhalten haben. Das Ausmaß der Beteiligung der Bevölkerung und die Akzeptanz Öcalans übten Druck auf bestimmte Institutionen aus und veranlassten sie, Entscheidungen zu treffen. Als Beispiel können wir die Aufnahme des „Rechts auf Hoffnung“ in die Tagesordnungen des Europarates und der Vereinten Nationen anführen.

Was unterscheidet die diesjährige Demonstration von den vorherigen?

Die diesjährige Demonstration ist sowohl anders als auch dringlich. Während frühere Demonstrationen die Aufhebung der Isolation forderten und diese Forderung teilweise erreicht wurde, erklärt dieser Marsch: Genug ist genug – Abdullah Öcalan muss aus Imrali entlassen werden.

Wir betrachten Öcalan als den Vertreter von etwa 60 Millionen Kurd:innen; den politischen Vertreter von 60 Millionen Menschen hinter vier Wänden festzuhalten, ist undemokratisch und eine Missachtung der kurdischen Rechte.

Dies ist ein Test. Wo auf der Welt kann der politische Vertreter eines Volkes oder einer Nation in Haft gehalten werden? Könnte eine solche Situation in Dänemark, den Niederlanden, Schweden oder Deutschland eintreten? Dennoch wird der kurdische politische Wille seit dem 15. Februar 1999 unter strenger Isolation in Imrali festgehalten.

„Jede Stunde, die er in Imrali bleibt, ist ein Verlust für die Demokratie“

Ein Dialog hat begonnen, und wir müssen die europäischen Institutionen, die behaupten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Rechte zu wahren, auffordern, im Einklang mit ihren Gründungsprinzipien zu handeln und ihrer Verantwortung nachzukommen, denn diese Rechte existieren innerhalb ihrer Rechtsrahmen.

Öcalan muss unverzüglich freigelassen werden. Jede Stunde, die er in Imrali bleibt, ist ein Verlust für die Demokratie. Deshalb sagen wir: Bringt Öcalan sofort aus Imrali heraus und schafft das Imrali-System ab. Niemand sollte eine Politik der Verleugnung und Auslöschung gegenüber dem kurdischen Volk betreiben; solche Politik funktioniert nicht und führt nur zu mehr Blutvergießen.

Diese Politik schadet allen Gesellschaften. Frieden muss erreicht werden. Öcalan ist eine zentrale Figur bei der Förderung von Frieden und einer demokratischen Gesellschaft für unterdrückte und ausgebeutete Völker.

Die Demonstration ist eine Beteiligung am „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“.

Was möchten Sie abschließend über die Bedeutung der Kundgebung und der Demonstration am 8. November in Köln sagen?

Am 8. November müssen wir alle unter der Avantgarde von Frauen und Jugendlichen zusammen mit anderen Gemeinschaften nach Köln gehen. Wir werden alle Institutionen und Kräfte erneut daran erinnern, dass diese Demonstration eine Willenserklärung ist, den von Abdullah Öcalan initiierten Prozess voranzutreiben und zu stärken.

Mit diesem Marsch wollen wir friedliche Methoden hervorheben und die praktische Rolle Öcalans in dem von ihm entwickelten Prozess sichtbar machen. Sein „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ vom 27. Februar war ein Aufruf sowohl zur Erreichung des Friedens mit den Staatsmächten als auch zur Demokratisierung der Gesellschaft.

„Die Teilnahme an der Demonstration bedeutet, sich seinem Aufruf anzuschließen“

Wir sind eine demokratische Organisation; wir glauben an die Lösung von Problemen durch Dialog. Öcalan hat uns den Weg für Diplomatie und Dialog bereits geebnet, er hat die Grundlage dafür geschaffen. Daher bedeutet die Teilnahme an dieser Demonstration auch, sich seinem Aufruf anzuschließen.

In diesem Sinne ist die diesjährige Demonstration anders und bedeutender als die vorherigen. Die kurdischen Frage ist nicht nur für das kurdische Volk entscheidend, sondern auch für alle Völker des Nahen Ostens. Ein dialog- und lösungsorientierter Ansatz gegenüber Kurdistan wird auch andere regionale Fragen beeinflussen.

Die Teilnahme an diesem Marsch bedeutet, Öcalans Aufruf zu unterstützen. Es ist ein entscheidender, historischer Schritt von großer Bedeutung.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demo-am-8-november-in-koln-freiheit-fur-Ocalan-als-schlussel-fur-frieden-48474 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/europaweite-teilnahme-an-demonstration-in-koln-angekundigt-48493 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-f-ruft-zur-teilnahme-an-der-demonstration-in-koln-auf-48411

 

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„Genossin Bêrîtan hat uns den Weg zur Freiheit gewiesen“

23. Oktober 2025 - 19:00

Vor 33 Jahren, am 25. Oktober 1992, ist die Guerillakommandantin Bêrîtan Hêvî (Gülnaz Karataş) in Südkurdistan gefallen. Anlässlich des Jahrestages würdigen Kämpfer:innen der Volksverteidigungskräfte (HPG) und der Verbände freier Frauen (YJA Star) ihr Andenken im Gespräch mit ANF.

Die kurdische Freiheitskämpferin Bêrîtan, eine der wegweisenden Kommandantinnen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), wurde zu einem Symbol des Frauenbefreiungskampfes und des unbeugsamen Willens kurdischer Frauen, sich niemals zu ergeben.

„Bêrîtan verkörperte die Linie der freien Frau“

YJA Star-Kämpferin Rûgeş Afrin sagte: „Zunächst gedenke ich aller Gefallenen der Revolution in der Person der Genossin Bêrîtan und verneige mich respektvoll vor ihrem Andenken. Die Genossin Bêrîtan verkörperte die Linie der freien Frau. Sie kämpfte gegen die Mentalität der männlichen Dominanz, Rückständigkeit und des feudalen Denkens und wurde zum Symbol einer historischen Haltung.

Şehîd Bêrîtan kämpfte und siegte; sie bewies, dass Frauen kämpfen können. Durch Bêrîtans Linie organisierten sich Frauen als Armee, und heute setzen wir unseren Kampf und Widerstand in diesen Bergen fort, indem wir ihren Schritten folgen.

Genossin Bêrîtan definierte auch das Maß an Schönheit im Kampf und zeigte, dass „eine Frau, die kämpft, schön und geliebt wird“. Aus diesem Grund werden wir uns auf die von Şehîd Bêrîtan geschaffene Linie der Freiheit stützen und bis zum Ende in ihre Fußstapfen treten.“


„Der Weg zur Befreiung der Frau ist der Weg der Freiheit“

„Şehîd Bêrîtan wurde zu einer Leitfigur für uns Frauen, und heute gehen wir weiter ihren Weg“, begann Arjîn Farqîn, YJA Star-Guerillera, „die Genossin Bêrîtan hat gezeigt, dass Frauen sich aus freiem Willen organisieren und kämpfen können und dass dieser Kampf Frauen schön macht. Mit ihrer Haltung hat Bêrîtan die reaktionären Mentalitäten gegenüber Frauen zerschlagen.

Als YJA Star schützen wir Frauen nicht nur, sondern sorgen auch dafür, dass sie nicht unter männlicher Herrschaft leben müssen. Alle Frauen müssen sich vereinen und ihre eigene Einheit bilden. Eine Frau kann sich nur schützen, indem sie ihre Freiheit erlangt. Der einzige Weg zur Befreiung der Frau ist, den Weg der Freiheit zu gehen, so wie es Bêrîtan getan hat.“


„Lasst uns als ezidische Frauen in die Fußstapfen Bêrîtans treten“

Die YJA Star-Kämpferin Dunya Ronahî sprach auch über die Bedeutung Bêrîtans für die ezidischen Frauen: „Der Oktober ist für uns ein sehr bedeutungsvoller Monat, weil in diesem Monat viele revolutionäre Frauen gefallen sind. Eine der Kommandantinnen, die im Oktober gefallen ist, Genossin Bêrîtan, hat uns den Weg der Freiheit gewiesen. Sie hat für alle Frauen einen wichtigen Weg geebnet, nämlich den Weg der Frauenführung.

Als ezidische Frau habe ich diesen Kampf mit eigenen Augen miterlebt. Die ezidische Gemeinschaft, insbesondere die ezidischen Frauen, wurden einst zu Sklavinnen gemacht, auf Märkten verkauft und ihre Würde wurde mit Füßen getreten, weil sie sich nicht verteidigen konnten. Aber heute haben wir durch Bêrîtans Linie unsere Identität gefunden und unseren Platz in diesem Kampf eingenommen. Durch das Vermächtnis des Widerstands, das Genossin Bêrîtan hinterlassen hat, haben wir gelernt, uns zu verteidigen.

Bêrîtans Handeln inspirierte nicht nur Frauen, sondern sogar die Peschmerga, die gegen sie kämpften; sie legten ihre Waffen nieder. Teile von Bêrîtans Waffe werden noch immer in diesen Häusern aufbewahrt. Viele Familien haben ihre Kinder nach ihr benannt. Bêrîtan ist zum Symbol der Freiheit in Kurdistan geworden. Dies ist mein Aufruf an alle ezidischen Frauen: Lasst uns in die Fußstapfen der Genossin Bêrîtan treten, denn der Weg zur Befreiung der Frauen liegt in Bêrîtans Linie der Freiheit.“

„Ein Symbol des Widerstands“

Derwêş Kazîwa, Kämpfer der HPG, würdigte Bêrîtan mit folgenden Worten: „In Kurdistan und im Nahen Osten hat das Auftauchen von Rêber Öcalan die Hoffnung der unterdrückten Völker, die in Gefangenschaft leben, wieder entfacht. Die Hegemonialmächte sahen darin eine Bedrohung ihrer eigenen Interessen. Erneut versuchten sie, die Werte der Menschheit durch unterwürfige und verräterische Kurden anzugreifen.

Auf diesem Hintergrund griffen kollaborierende kurdische Kräfte 1992 die Freiheitsbewegung in der Region Xakurke an. Ihr Ziel war es, den Willen der Freiheitsbewegung zu brechen, indem sie Frauen ins Visier nahmen. Genossin Bêrîtan zeigte, dass die apoistische Bewegung niemals besiegt werden kann, weder von regionalen Mächten noch von irgendeiner anderen Kraft.

Die Genossin Bêrîtan wurde zum Symbol des Widerstands gegen Verrat und die Linie der Sklaverei; sie durchbrach diese Linie. Indem sie Bêrîtans Weg folgten, haben kurdische Frauen ihren freien Willen offenbart. Als Freiheitskämpfer:innen geloben wir, uns nach dem Vorbild Şehîd Bêrîtans und der Guerillakämpferinnen, die ihrem Weg folgen, neu zu erfinden, und wir werden uns niemals von ihrem Kampf abwenden.“

„Heute sind Kurdinnen weltweit für ihren Kampf bekannt“

Auch für HPG-Guerillera Mîlîtan Metîn war Bêrîtan eine Kämpferin, die sich klar gegen Verrat gestellt und damit Maßstäbe gesetzt hat: „Genossin Bêrîtan hat Verrat nie akzeptiert; ihr Geist des Widerstands lebt bis heute weiter. Bêrîtan hat den Weg der Freiheit erhellt, ihn für uns geebnet, und heute folgen wir ihren Fußspuren. Şehîd Bêrîtan hat sich im Geiste der Selbstaufopferung und inspiriert von den Gedanken Rêber Öcalans von einer Klippe gestürzt, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen.

Nach ihrer Selbstaufopferung nahmen viele Frauen, die sich unserer Bewegung anschlossen, den Namen Bêrîtan an. Zuletzt folgten die Genossinnen Rojger und Asya ihren Spuren und führten ähnliche Aktionen durch.

Heute führen Frauen die Gesellschaft an, gehen auf die Straße, und die jüngsten Entwicklungen haben die führende Rolle der Frauen erneut verdeutlicht. Diese Frauen gehen den Weg der Genossin Bêrîtan. Aus diesem Grund sind Kurdinnen heute weltweit für ihren Kampf bekannt, und auch wir werden den Weg von Şehîd Bêrîtan bis zum Ende gehen.“


Bêrîtan stammte aus Dersim

HPG-Guerillero Erdal Herekol griff Bêrîtans Herkunft auf und stellte einen historischen Bezug zu kämpfenden Dersimer Frauen her: „Genossin Bêrîtan stammte aus Dersim. In ihrer Person erwachte der in den Figuren von Besê und Zarîfe verkörperte Kampf wieder zum Leben. Ihre Haltung wurde zum Symbol des Widerstands gegen die Kapitulation. Vor allem innerhalb unserer Bewegung wurde Bêrîtan zum Symbol für die Beharrlichkeit im Streben nach Freiheit.

Das Sprichwort ‚Wer kämpft, wird frei; wer frei wird, wird schön‘ fand durch die Genossin Bêrîtan seine wahre Bedeutung. Als Rêber Öcalan an sie erinnerte, sagte er: ‚Sie hat die Armeewerdung der Frauen vorangetrieben.‘ Die Frauenarmee wurde nicht nur für Bêrîtan, sondern für alle unterdrückten Frauen zu einem Leuchtfeuer der Hoffnung. Frauen, die unter männlicher Herrschaft leben, und Männer, die ein freies und gleichberechtigtes Leben an der Seite von Frauen aufbauen wollen, müssen in die Fußstapfen Şehîd Bêrîtans treten.“

„Bêrîtan kämpfte bis zum letzten Schuss“

„Ich gedenke der Genossin Bêrîtan und allen revolutionären Gefallenen am Jahrestag ihres Todes mit Respekt. Die Genossin Bêrîtan leistete Widerstand gegen die Linie der Sklaverei, und wir stützen unseren Kampf auf diesen Widerstand. Verrat ist wie Krebs; er war in der kurdischen Geschichte schon immer präsent. Die Genossin Bêrîtan kämpfte bis zum letzten Schuss gegen die Linie des Verrats und zerstörte am Ende ihre Waffe, damit sie nicht in die Hände des Feindes fiel. Durch diese selbstaufopfernde Tat wurde sie unsterblich. Şehîd Bêrîtan ist unsere Kommandantin und wir werden ihrem Weg bis zum Ende folgen“, würdigte der HPG-Kämpfer Bawer Kobanê das Andenken der Gefallenen.


„Wir werden den Kampf für ein freies Leben ausweiten“

Die YJA Star-Kämpferin Gulçîn Hîwa verbindet mit der Würdigung des Wirkens von Bêrîtan heutige Verantwortungen: „Der Oktober hat eine besondere Bedeutung für den Kampf der Frauen. Viele wegweisende Frauen, insbesondere die Genossin Bêrîtan, sind in diesem Monat gefallen. Wir sind ihre Nachfolgerinnen. Heute müssen wir als Frauen unsere Identität noch stärker leben und unseren Kampf für die physische Freiheit von Rêber Öcalan intensivieren.

Dieser Weg der Freiheit wurde uns von Rêber Öcalan eröffnet, und mit dem Geist der Genossin Bêrîtan werden wir den Kampf von den Bergen auf die öffentlichen Plätze tragen und unseren Kampf für ein freies Land, eine freie Identität und ein freies Leben ausweiten.“

Nach Bêrîtans Tod wurde die Frauenarmee gegründet

Die sagte: „Die Genossin Bêrîtan ist unsere große Kommandantin, und nach ihrem Tod wurde die Entscheidung getroffen, eine Frauenarmee zu gründen. Wir sind die Kämpferinnen von Şehîd Bêrîtan, und ihr Widerstand ist für uns von grundlegender Bedeutung. Auch heute noch sind wir Zeuginnen von Feminiziden, wie zum Beispiel dem Mord an Narin Güran. All dies sind Angriffe auf Frauen“, teilte YJA Star-Guerillera Vînda Şaho ihre Perspektiven.

„Frauen müssen jetzt ‚es reicht‘ sagen und ihren Kampf verstärken, um die männlich dominierte Mentalität zu verändern. Der einzige Weg, dies zu erreichen, ist durch Organisation. Jede Frau sollte die Ideen von Rêber Öcalan studieren, sich weiterentwickeln und organisieren. Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Frauen müssen sich die Gedanken von Rêber Öcalan zu eigen machen, den Weg von Bêrîtan gehen und ihre Freiheit erlangen.“


„Durch Bêrîtan wurde die Kraft der Frauen sichtbar“

Auch für die YJA Star-Kämpferin Azê Kurdistan trägt Bêrîtan eine besondere Bedeutung: „Die Genossin Bêrîtan führte einen vielschichtigen Kampf in der Region Xakurke. Sie spielte sowohl im Leben als auch im Kampf eine bedeutende Rolle. Wenn es heute eine Frauenarmee gibt und wenn Frauen in diesen Bergen kämpfen können, dann ist das den Bemühungen sowohl von Rêber Öcalan als auch der Gefallenen zu verdanken.

Durch die Genossin Bêrîtan wurde die Kraft der Frauen sichtbar. Wenn wir mit Bêrîtans Geist kämpfen und ihrem Weg folgen, können wir diesen Prozess zum Erfolg führen. Frauen müssen ehern an dem Kampf festhalten und sich um Rêber Öcalan vereinen. Wenn wir das schaffen, werden Frauen nicht nur in Kurdistan, sondern überall auf der Welt frei leben können.“

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/beritan-hat-den-frauen-hoffnung-gegeben-44078 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/hpg-kampfer-der-feind-wird-niemals-erfolg-haben-44007 https://deutsch.anf-news.com/frauen/mit-beritan-gegen-den-verrat-44000

 

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Ilham Ehmed: Dezentralisierung sichert Fairness und Stabilität

23. Oktober 2025 - 17:00

In der Sporthalle des Stadions von Raqqa hat eine große Frauenversammlung stattgefunden. Sie ist im Rahmen der am 12. Oktober von der kurdischen Frauenbewegung Kongra Star und dem Dachverband arabischer Frauen Zenobiya ausgerufenen internationalen Kampagne „Mit der Einheit der Frauen bauen wir ein freies, demokratisches und dezentralisiertes Syrien auf“ organisiert worden. Neben Frauenkomitees aus zivilgesellschaftlichen Organisationen und der „Afrin Social Solidarity Association“ nahmen auch die Fraueneinheiten der Inneren Sicherheit von Nord- und Ostsyrien (Asayîş) sowie Vertreterinnen politischer Parteien an der Zusammenkunft teil.

Ilham Ehmed, Ko-Außenbeauftragte der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), bewertete in ihrer Rede die politische Lage in der Region. Sie betonte, dass Syrien eine kritische Phase in seiner politischen und sozialen Geschichte durchlaufe, und unterstrich die Notwendigkeit einer demokratischen Lösung, um die Rechte aller ethnischen und religiösen Gruppen zu garantieren sowie um soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Dezentralisierung zu erreichen.

Dezentralisierung als Vereinigung

Entgegen anderslautender Behauptungen sei Dezentralisierung, so Ehmed, keine Form der Fragmentierung, sondern ein Projekt, das auf eine faire Vertretung und Vereinigung aller Komponenten abziele. Auch weltweite Erfahrungen zeigten, dass föderale, konföderale und dezentralisierte Systeme die Grundlage für politische und wirtschaftliche Stabilität bildeten.

Ehmed unterstrich, dass Dezentralisierung eine faire Vertretung von Frauen in Entscheidungsprozessen, eine gerechte Verteilung der Ressourcen unter den Städten, wirtschaftliche Entwicklung und den Schutz der kulturellen Vielfalt bedeute.

Außerdem machte die Politikerin auf die psychologische Kriegsführung gegen Frauen aufmerksam: „Sie versuchen, den Willen der Frauen zu brechen und ihre Leistungen in den sozialen Medien herabzuwürdigen. Angriffe auf die Würde von Frauen und ihren Familien sind unmoralisch. Aber wir Frauen werden unseren Kampf entschlossen fortsetzen.“

„Die Gespräche mit der Übergangsregierung verlaufen positiv“

In Bezug auf die laufenden Gespräche zwischen der DAANES und der syrischen Übergangsregierung äußerte Ehmed: „Die Gespräche verlaufen in einer positiven Atmosphäre. Unser Ziel ist es, Vereinbarungen über die Zukunft Syriens und über administrative und militärische Institutionen zu erzielen, die die Beteiligung aller Komponenten gewährleisten.“

Weiter betonte sie, dass hierbei die Integration der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in die nationale Armee ein wichtiger Schritt hin zu einer vereinten nationalen Armee sei, die alle Syrer:innen ohne Diskriminierung schütze. Auch sei die direkte Vertretung von Nord- und Ostsyrien in den staatlichen Institutionen eine unumgängliche Notwendigkeit.

Das Beharren auf Zentralisierung behindere der Politikerin zufolge die Entwicklung und schaffe Ungleichheit zwischen den Städten, weshalb sie mehr Befugnisse und Ressourcen für die lokalen Verwaltungen forderte.

Friedliche Außenbeziehungen

Neben der innenpolitischen Gestaltung der Zukunft Syriens, thematisierte Ehmed auch die Bedeutung der außenpolitischen Beziehungen. Sicherheitsgarantien für die sichere Rückkehr von Migrant:innen und Geflüchteten seien demnach unerlässlich. In diesem Bezug verurteilte die Außenbeauftragte die Besatzung und die Turkisierungspolitik der Türkei in Efrîn (Afrîn), Şehba, Girê Spî und Serêkaniyê.

„Wenn der türkische Staat es mit dem Frieden ernst meint, ist die DAANES zum Dialog bereit. Die Stabilität Syriens ist die Stabilität der Türkei und der gesamten Region. Wir wollen, dass unsere Beziehungen zu unseren Nachbar:innen auf Frieden basieren, nicht auf Besetzung oder Ausgrenzung“, konstatierte Ehmed kurz und deutlich.

Syriens Frauen kämpfen für Frieden und eine bessere Zukunft

Zum Abschluss ihrer Rede bekräftigte Ilham Ehmed die Forderung der DAANES nach einem pluralistischen, demokratischen und dezentralisierten Syrien und stellte klar: „Der Weg, um das Leiden der Syrer:innen, insbesondere der Frauen, zu beenden, führt über Frieden und Gerechtigkeit. Wenngleich sie am meisten unter Kriegen gelitten haben, sind Frauen weiterhin entschlossen, für Frieden und eine bessere Zukunft zu kämpfen.“

https://deutsch.anf-news.com/frauen/zenobiya-ein-demokratisches-syrien-braucht-aktive-frauen-48499 https://deutsch.anf-news.com/frauen/ypj-kommandantin-zu-gesprachen-mit-damaskus-integration-heisst-nicht-unterwerfung-48453 https://deutsch.anf-news.com/frauen/syrische-frauen-diskutieren-dezentralisierung-und-frauenvertretung-48413

 

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Öcalans verbotenes Interview: „Solange es einen Dialog gibt“

23. Oktober 2025 - 17:00

Der Journalist Fatih Altaylı hat im Jahr 1997 in Barelias im Libanon ein Interview mit dem seit über 25 Jahren inhaftierten Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, geführt. Das vor 28 Jahren gefilmte Interview ist damals gemäß Artikel 8 und 30 des Anti-Terror-Gesetzes verboten und daher nie ausgestrahlt worden. Nun hat die Website Özgür Düşünceler (Freie Gedanken) einen etwa 30 Minuten langen ersten Teil veröffentlicht.

In dem Interview bewertete Öcalan den Autounfall von Susurluk im Jahr 1996 (infolgedessen Medienrecherchen ein Dickicht von Raub, Erpressung, Rauschgifthandel und Mord aufdeckten, in das höchste Regierungsstellen verstrickt waren) als einen bedeutenden Wendepunkt in der türkischen Geschichte und machte auf die Aktivitäten von Banden und Drogenverbindungen innerhalb des Staates aufmerksam. Er kritisierte Attentatsversuche, zwischenstaatliche Netzwerke, Drogenhandel und die zerstörerischen Auswirkungen dieser Strukturen in der Region umfassend und verwendete dabei die Metapher „ein Staat im Staat“.

Der kurdische Repräsentant äußerte sich zu den äußerst gewaltsamen Dorfräumungen, ungelösten Morden und deren sozialen Folgen in den 1990er Jahren und beschrieb die wirtschaftlichen und sozialen Verwüstungen, unter denen die Opfer zu leiden hatten. Er beleuchtete auch die Rolle des Staates und verschiedener politischer Akteure in diesen Prozessen und argumentierte, dass Banden korrupte Beziehungen zur Politik eingegangen seien.

„Solange es einen Dialog gibt“

Einer der auffälligsten Teile des Interviews war Öcalans Aufruf zu einer Lösung: „Das Hindernis ist nicht die PKK. Der britische Premierminister sagt: ‚Wenn die IRA ihre Waffen niederlegt, sind wir offen für jede Art von Dialog.‘ Ich erkläre dies jetzt. Solange es einen Dialog gibt, werden wir morgen alle unsere Waffen niederlegen.“

Öcalan stellte den Friedenswillen des Staates in Frage und äußerte Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit der politischen Gegenparteien, da es in der Türkei keine Entscheidungsgewalt gebe.

„Lasst sie mich töten, aber lasst es Entscheidungsgewalt geben. Jetzt schieben sich alle gegenseitig die Verantwortung zu. Es gibt keine Entscheidungsgewalt. Einige sagen, es sei eine Frage der nationalen Sicherheit, andere sagen, es sei die Regierung, wieder andere sagen, es sei das Parlament, und jetzt sind auch noch Banden aufgetaucht. Es gibt keine Entscheidungsgewalt. Ich sage, lasst uns unsere Türkei lieben. Lasst uns unsere Türkei wirklich retten. Lasst uns auch die Kurd:innen retten“, konstatierte der kurdische Vordenker zwei Jahre vor seiner Verhaftung.

Der erste Teil des Interviews kann unter folgendem Link angesehen werden:

https://ozgurdusunceler.com/video.php?media_id=454

https://deutsch.anf-news.com/kultur/vejina-kurd-zeigt-bisher-unveroffentlichtes-foto-von-Ocalan-45916 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/jitem-prozesse-tuerkei-verfestigt-kultur-der-straflosigkeit-16121 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/serxwebun-veroffentlicht-Ocalans-perspektiven-zum-pkk-kongress-46554

 

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TOL nimmt bei Meskene weiteren IS-Anführer fest

23. Oktober 2025 - 17:00

In Abstimmung mit der internationalen Koalition führen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) weiterhin umfangreiche Sicherheitsoperationen gegen die Überreste der Terrororganisation IS in verschiedenen Gebieten im Nordosten Syriens durch.

Ahmed Khalaf al-Hussein festgenommen

In diesem Zusammenhang führte die QSD-Sondereinheit für militärische Operationen (TOL) am Mittwoch in der Kleinstadt Meskene (Maskanah) auf halber Strecke zwischen Aleppo und Raqqa eine präzise Sicherheitsoperation durch, die von der Internationalen Koalition koordiniert und unterstützt wurde. Im Rahmen dieser Operation gelang es der TOL, einen der prominentesten Anführer der Terrororganisation IS festzunehmen, wie das QSD-Pressezentrum am Donnerstag bekannt gab.

„Der Operation ging eine detaillierte Überwachung und Beobachtung der Bewegungen des Terroristen Ahmed Khalaf al-Hussein, einem gebürtigen Einwohner von Meskene, voraus. Unsere Einheiten stürmten sein Versteck und nahmen ihn ohne Verletzungen fest“, erklärte die QSD.

Die bsiherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass der Terrorist eine Zelle leitete, die für die Beschaffung von Ausrüstung und Materialien zur Herstellung von Autobomben verantwortlich war, um mit diesen Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung und die Selbstverteidigungskräfte zu verüben.

Erfolgreiche Operationen im Oktober

Die Operation sei, so wie vorangegangene, im Rahmen des intensiven Engagements der QSD gegen die Überreste des selbsternannten Islamischen Staats ausgeführt worden: „Im Laufe dieses Monats haben unsere Streitkräfte mehrere hochkarätige Operationen durchgeführt, die zur Zerschlagung terroristischer Zellen und zur Festnahme zahlreicher Mitglieder und Anführer der Organisation geführt haben. Die Zugriffe sind Teil der laufenden Bemühungen, Sicherheit und Stabilität in der Region zu gewährleisten.“

Abschließend kündigten die QSD an, ihren Kampf gegen den Terror unvermindert fortzuführen, „um den inneren Frieden zu wahren und das Leben der Zivilbevölkerung zu schützen“.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/tol-nimmt-ranghohen-is-anfuhrer-bei-razzia-in-tabqa-fest-48482 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zwei-qsd-mitglieder-bei-minenexplosion-in-deir-ez-zor-getotet-48471 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/erweiterte-sicherheitssitzung-in-deir-ez-zor-48410

 

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Demirtaş und Yüksekdağ unterstützen „Prozess“

23. Oktober 2025 - 15:00

Die Mitglieder der Imrali-Delegation der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Pervin Buldan und Mithat Sancar, haben die inhaftierten Politiker:innen Selahattin Demirtaş, Figen Yüksekdağ, Selçuk Mızraklı und Semra Güzel in den Gefängnissen von Edirne und Kandıra besucht. „Die Treffen konzentrierten sich hauptsächlich auf den Informationsaustausch und die Diskussion über den Friedensprozess“, hieß es in einer anschließenden schriftlichen Erklärung.

Gefangene unterstützen Prozess für Frieden und Demokratie

In der Erklärung wurde zunächst versichert, dass die Gefangenen bei hoher Moral und guter Gesundheit seien. Demirtaş habe „seine uneingeschränkte Unterstützung für den Prozess“ betont und sich bereits erklärt „auf jede erdenkliche Weise zum Erfolg des Prozesses und zur Herstellung von Frieden und Demokratie beizutragen“, hieß es weiter.

Auch Figen Yüksekdağ soll der Mitteilung zufolge „weiterhin Hoffnung auf den Aufbau von Frieden und einer demokratischen Gesellschaft“ haben und dieses Ziel nach Kräften unterstützen wollen.

Unrechtmäßige Inhaftierungen müssen enden

Abschließend geht die Erklärung auf die Unrechtmäßigkeit der Inhaftierungen ein, deren sofortige Aufhebung auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits mehrfach angeordnet wurde.

„Es gibt keinen Grund, unsere Freund:innen, deren Unschuld auch rechtlich festgestellt wurde, weiterhin in Haft zu halten. Diese eklatante Ungerechtigkeit muss unverzüglich korrigiert werden. Es ist unsere dringende Forderung und Erwartung, dass unsere Freund:innen unter freien Bedingungen an dem Marsch für Frieden und Demokratie teilnehmen dürfen“, hieß es wörtlich in der Mitteilung, die als letzten Satz die „herzlichsten Grüße“ der Gefangenen übermittelte.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-umsetzung-der-egmr-urteile-ware-wichtiger-schritt-fur-demokratisierung-48451 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-legt-gegen-egmr-urteil-zu-demirtas-berufung-ein-48286 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/anwaltskammer-amed-fordert-freilassung-von-demirtas-48265 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-fordert-vollstandige-aufklarung-der-kobane-proteste-von-2014-48261

 

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Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat Niedersachsen bei Çira Report

23. Oktober 2025 - 15:00

Immer mehr Menschen fliehen aus Kriegsgebieten, Diktaturen oder vor religiöser Verfolgung – auch nach Deutschland. Doch die politische Stimmung hat sich verändert: Grenzen werden geschlossen, neue Gesetze schränken die Rechte von Geflüchteten ein, und Abschiebungen nehmen zu – auch in Länder, die alles andere als sicher sind.

In der heutigen Ausgabe von Çira Report spricht Moderatorin Ayfer Özdogan mit Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat Niedersachsen über die aktuelle Situation von Geflüchteten in Deutschland. Caroline Mohrs wird erklären, wie Asylverfahren ablaufen und welche Hürden Menschen nach ihrer Ankunft erleben.

Besonderes Augenmerk gilt der Situation kurdischer und ezidischer Geflüchteter, der Lebensrealität von Frauen in Sammelunterkünften sowie den zunehmenden Abschiebungen in die Türkei, den Irak und nach Syrien. Mohrs berichtet von konkreten Fällen – und davon, was gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten politischer Abschottung bedeuten kann.

Das Format Çira Report beginnt um 20 Uhr und kann live über den Stream https://linktr.ee/ciratv?utm_s alternativ: https://myflixtv.com/ - https://ku.karwan.tv/cira-tv.h verfolgt werden, nachträglich auch über den YouTube-Kanal von Çira TV, über die Eingabe Çira Report. Zur Playlist der Sendung geht es hier entlang:

https://www.youtube.com/playlist?list=PL6P1E13_gg5ke8eLPi41dRQFuIGvNBtMo

Als Podcast gibt es Çira Report hier:

https://youtube.com/playlist?list=PL6P1E13_gg5ke8eLPi41dRQFuIGvNBtMo&si=1OmvA4hRdAbDEDL0

Und hier:

https://open.spotify.com/show/5qmRN9Qm5UrS1XRGwKYIdK?si=qMx6FXURSeO_gUdU4NUHug

Wer selbst Interesse an einer Teilnahme an der Sendung hat und eigene Projekte vorstellen will, kann unter der E-Mail-Adresse cirarep@riseup.net Kontakt mit der Redaktion aufnehmen.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/trotz-verfolgung-in-der-turkei-kein-schutz-in-deutschland-45339 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/30-jahriger-ezide-in-den-irak-abgeschoben-45330 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-fokus-protest-gegen-abschiebungen-von-ezid-innen-45802

 

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Acht Entlassungen aus Gefängnis von Kırşehir verweigert

23. Oktober 2025 - 13:00

Das Hochsicherheitsgefängnis Typ S von Kırşehir ist bereits im August Thema medialer Berichterstattung gewesen, nachdem Häftlinge von zunehmendem Druck, Drohungen und faschistischen Provokationen durch Verwaltung und Wachpersonal berichtet hatten. Es hieß, dass sich die Lage seit Einrichtung der Parlamentskommission zur Lösung der kurdischen Frage, verschlechtere.

Die Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen gegen Häftlinge in Gefängnissen sind ein ständiges Diskussionsthema. Nun hat sich Ömer Faruk Yazmacı, Ko-Vorsitzender des Menschenrechtsvereins (IHD) in Ankara und Mitglied der Vereinigung freiheitlicher Jurist:innen (ÖHD), am 17. Oktober mit Insassen des geschlossenen Gefängnisses Kırşehir getroffen und der Nachrichtenagentur Mezopotamya aus den Gesprächen berichtet.

Haftentlassung willkürlich verweigert

Wie Yazmacı mitteilte, sei die Freilassung von acht Häftlingen zwischen Juli und Oktober verhindert worden, obwohl diese ihre Haftstrafen vollständig verbüßt hatten. „Das Gefängnis Typ S in Kırşehir lässt niemanden frei. Es wird Reue aufgezwungen. In den Begründungen aller Häftlinge heißt es: ‚Es wurde festgestellt, dass sie keine Reue zeigen.‘“, kommentierte er die rechtswidrige Praxis.

Die betroffenen Gefangenen sind namentlich: Hüseyin Bilecan, Ebubekir Yulu, Ahmet Nas, Hacı Geciken, Cemil Ivrendi, Recep Ergülü, Mustafa Şihi und Mikail Saklı.

Rache als Motiv

Gefängnisverwaltung und Beobachtungsausschuss handelten unter dem Druck einer „Auferlegung von Reue“. Außerdem ist Yazmacı der Überzeugung, dass insbesondere Gefangene, die der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) angehören, in Gefängnissen „mit einem historischen Rachegefühl“ behandelt würden. In diesem seien die Gefängnisverwaltung und die Beobachtungsgremien zu Organen geworden, die über den Gerichten stehen und willkürlich und politisch handeln, erklärte er.

Yazmacı untermauerte seine Aussagen damit, dass Gefangenen Fragen gestellt würden wie „Wer ist Abdullah Öcalan?“, „Bereuen Sie?“ und „Nennen Sie die Feinde der Türkei“, und dass die Antworten auf diese Fragen als Grund für die Verlängerung ihrer Haftstrafen herangezogen würden.

Entlassungsentscheidungen als Gefälligkeit?

„Es ist klar, dass die Verwaltungs- und Beobachtungsausschüsse in den Gefängnissen mittlerweile extrem willkürlich vorgehen und Entlassungsentscheidungen als Gefälligkeit betrachten. Diese Ausschüsse sehen sich über den Gerichten stehend.

Es ist zu beobachten, dass viele Häftlinge diese Ausschüsse nie zu Gesicht bekommen, dass in den Entscheidungen steht, dass ein Gespräch stattgefunden habe, die Gefangenen jedoch nur den Gefängnispsychologen getroffen hätten, und dass sie während dieser Gespräche gezwungen werden, ‚Reue‘ zu zeigen, was mittlerweile zum Synonym für ein Geständnis geworden ist“, ging der Menschenrechtler ins Detail.

Absurde Gründe für Entlassungs-Verweigerung

Weiter wusste Yazmacı von den Gefangenen zu berichten, dass die Gründe, die die zuständigen Gremien für die Verweigerung von Haftentlassungen vorbrächten, absurd erscheinen. So würden Streitigkeiten, die in Telefongesprächen der Gefangene mit ihren Familien abgehört wurden, ebenso ins Feld geführt wie die Unterstellung einer „mangelnden Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ oder der Vorwurf, nicht ausreichend zu lesen.

Isolations- und Folterbedingungen in türkischen Haftanstalten

Seit zwei Jahren werden in der Türkei Dutzende politische Gefangene in sogenannte S- und Y-Typ-Gefängnisse verlegt. Hochsicherheitsanstalten mit nahezu vollständiger Isolation. Betroffene berichten von 23 Stunden täglicher Einzelhaft in kleinen, schlecht belüfteten Zellen, ohne ausreichendes Licht und menschlichen Kontakt. Menschenrechtsorganisationen und Jurist:innen bewerten diese Haftbedingungen als Form der Folter, da sie gezielt psychische und physische Zermürbung bewirken.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/hungerstreik-gegen-isolationshaft-in-der-turkei-48489 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/bericht-systematische-menschenrechtsverletzungen-in-turkischen-gefangnissen-48175 https://deutsch.anf-news.com/frauen/sermin-demirdags-haftentlassung-zum-siebten-mal-abgelehnt-48486 https://deutsch.anf-news.com/frauen/pilot-gefangnis-fur-rechtsbruch-schwere-vorwurfe-gegen-frauengefangnis-sincan-48348

 

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Wird sich in Syrien der Weg zur Demokratie öffnen?

23. Oktober 2025 - 12:00

Durch die Vermittlung der USA fanden in Damaskus Treffen zwischen der Übergangsregierung, den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) statt. Es wurde berichtet, dass diese Gespräche in einer positiveren Atmosphäre stattfanden als frühere Treffen.

Zuvor zog sich die Regierung von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) in letzter Minute aus den geplanten Gesprächen in Paris zurück. Dieser Rückzug erfolgte unter dem Einfluss und der Intervention der türkischen Regierung, da die Vereinigten Staaten, Frankreich und das Vereinigte Königreich voraussichtlich teilgenommen und als Garanten für ein Abkommen fungiert hätten.

Die türkische Regierung lehnte dies entschieden ab und übte Druck auf die Regierung in Damaskus aus, den Prozess zu stoppen, um zu verhindern, dass die kurdische Frage eine internationale Dimension und formelle Garantien erhält. Infolgedessen kamen die Verhandlungen zwischen Damaskus und der DAANES zum Stillstand.

Die Türkei will keine Vermittlung durch Dritte

Später traf sich der Außenminister von Damaskus zweimal mit Ilham Ehmed. Die türkische Regierung bestand, wie so oft in der Türkei, auf einem Ansatz nach dem Motto „Lasst uns das unter uns lösen“. (Diese Treffen führten zu keinem Ergebnis.) Die türkische Regierung hat sich sowohl in den Gesprächen mit Imrali als auch mit den Vertreter:innen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) stets gegen die Anwesenheit einer dritten Partei ausgesprochen.

Sie lehnt externe Beobachtung entschieden ab, da es bei Beteiligung solcher Dritter oder Garanten schwieriger wird, Vereinbarungen zu leugnen oder nach Belieben zurückzunehmen. Die Türkei hat in dieser Hinsicht umfangreiche Erfahrungen, sie hat zahlreiche Verhandlungen mit der PKK geführt, aber jedes Mal einseitig Waffenstillstände gebrochen, Gespräche abgebrochen und die Kriegshandlungen wieder aufgenommen. Sie ist bestrebt, diesen Vorteil und diesen Handlungsspielraum bis zum Ende zu bewahren.

Kein politischer Status für die Kurd:innen

Jetzt bildet der türkische Staat seine verbündeten HTS-Kräfte mit dem gleichen Ziel aus und leitet sie an: zu verhindern, dass die Kurd:innen politischen Status erlangen, und zu verhindern, dass die kurdische Frage sowohl von nationalen als auch von internationalen Akteur:innen offiziell anerkannt wird.

Immer wenn Beamte in Damaskus Gespräche mit der QSD oder der DAANES aufnehmen, werden sofort alle Alarmsysteme in Ankara aktiviert. Entweder eilen türkische Beamte nach Damaskus oder sie laden die Behörden in Damaskus vor, als wären sie ihre eigenen Provinzgouverneure.

Die Türkei agiert aus Angst

Trotz der Aufrechterhaltung der täglichen Beziehungen fühlen sie sich immer noch unwohl und misstrauisch und sind ständig nervös aus Angst, dass Damaskus den Kurd:innen bestimmte Versprechungen machen könnte. Hätten sie die Macht dazu, würden sie den Vereinigten Staaten und Europa sagen: „Begrüßt die Kurd:innen nicht, geht keine Beziehungen zu ihnen ein.“

Sie haben solche Erklärungen schon oft abgegeben, Verhandlungen geführt und unermüdlich daran gearbeitet, diese Position durchzusetzen, aber es ist ihnen nie gelungen, vollständige Akzeptanz zu erreichen. Als es ihnen nicht gelang, diese Entwicklungen zu stoppen, richteten sie ihren Druck auf HTS, verstärkten ihren Einfluss und hielten die Organisation unter strenger Kontrolle.

Taktik der Spaltung geht bisher nicht auf

Während der türkische Staat in Syrien eine blockierende und störende Rolle spielt, verstärkt er gleichzeitig den Druck auf Imrali im eigenen Land, um dort Unterstützung zu erhalten. Die QSD und die DAANES sind weiterhin einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Die Türkei versucht, einen Konflikt zwischen Kurd:innen und Araber:innen zu provozieren, und setzt alle Formen destruktiver und destabilisierender Aktivitäten fort, aber dies ist nicht so einfach zu erreichen, wie sie hofft.

Aus dieser Perspektive versucht die Türkei, Abdullah Öcalans Bemühungen um Frieden und Lösung zu nutzen und diesen Prozess auf Syrien auszuweiten. Da Öcalan jedoch nicht gemäß ihren Erwartungen handelt, wurden keine Fortschritte in Richtung Frieden und einer politischen Lösung in der Türkei erzielt. Die Regierung hat keine konkreten Schritte unternommen und hält Öcalan weiterhin als Geisel fest.

Trügerische Stimmung

Wir wiederholen und betonen diese Punkte, um davor zu warnen, sich zu sehr von der positiven Stimmung aus Damaskus mitreißen zu lassen. Es gibt immer noch eine Kraft, die alles zunichte machen kann. Obwohl türkische Beamte manchmal aus taktischen Gründen eine sanfte, diplomatische Sprache verwenden, folgen auf solche Äußerungen immer giftige Erklärungen und Drohungen seitens des Verteidigungsministeriums.

Die türkischen Medien sind voll von kriegstreiberischen Figuren, monströsen Persönlichkeiten, die im Fernsehen mit Stöcken herumfuchteln. Viele dieser Kommentatoren, die Blutvergießen verherrlichen und provokative Haltungen an den Tag legen, treten mit Titeln wie „Professor“ oder „Experte“ auf. Solange diese Cheerleader, die die türkische Armee anfeuern und vor ihr hermarschieren, sich in der Öffentlichkeit so rücksichtslos verhalten dürfen, ist es ratsam, nicht übermäßig hoffnungsvoll zu werden oder sich mitreißen zu lassen. Ihre Fäden werden von irgendwoher gezogen; sie handeln nicht aus eigenem Antrieb.

Einseitig herrscht permanente Gesprächsbereitschaft

Die QSD und die DAANES haben kontinuierlich nach Wegen gesucht, das Abkommen vom 10. März umzusetzen, und waren stets zum Dialog bereit; sie haben Gespräche nie vermieden. Alle Entscheidungen der anderen Seite waren jedoch einseitig. Sie haben sich geweigert, andere in die Regierungsführung oder den Wiederaufbau einzubeziehen, und stattdessen ein monolithisches und übermäßig zentralisiertes System geschaffen.

Der Kern des Problems liegt in ihrer Mentalität und Weltanschauung. Sie wollen kein demokratisches Syrien und bestehen darauf, dass sich die QSD und die DAANES diesem unterwerfen. Der türkische Staat unterstützt und ermutigt sie in dieser Haltung.

Werden die Bemühungen der USA anhalten?

Die Vereinigten Staaten haben Maßnahmen in Bezug auf Gaza ergriffen, die zu einem Waffenstillstand geführt haben. Washington strebt nun an, die Ruhe in der Region wiederherzustellen und seine Aufmerksamkeit auf Mächte wie den Iran zu richten. In Syrien wurde zwar das Baath-Regime gestürzt, doch die Instabilität hält an, und Massaker an alawitischen und drusischen Gemeinschaften geben Anlass zur Sorge.

Aus diesem Grund versuchen die USA, Syrien unter Kontrolle zu bringen und in ihren Einflussbereich zu ziehen. Aus dieser Perspektive zeigen sie Beharrlichkeit darin, den Dialog mit den QSD zu fördern und die bestehende Vereinbarung umzusetzen. Wie konsequent diese Bemühungen bleiben werden und zu welchen Ergebnissen sie führen könnten, ist noch ungewiss. Es ist schwierig, definitive Vorhersagen zu treffen, denn es liegt noch ein langer Weg vor uns.

Optimismus wäre fehl am Platz

Wie bereits erwähnt, ist die Anerkennung der QSD, die in ihrer Region verbleibt und die lokale Bevölkerung verteidigt, eine positive Entwicklung. Allerdings wurde noch keine endgültige Vereinbarung erzielt, und die Verhandlungen dauern noch an. Daher wäre es verfrüht zu sagen: „Die Vereinbarung ist abgeschlossen, das Problem ist gelöst.“ Die Bevölkerung und die relevanten Akteur:innen müssen vorsichtig und wachsam bleiben und dürfen sich nicht von Optimismus mitreißen lassen.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-und-damaskus-verhandeln-uber-deeskalation-in-aleppo-48473 https://deutsch.anf-news.com/frauen/ypj-kommandantin-zu-gesprachen-mit-damaskus-integration-heisst-nicht-unterwerfung-48453 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/hemo-qsd-integration-nur-mit-anerkennung-aller-gruppen-48433 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/endlich-trifft-erdogan-seinen-freund-trump-48107

 

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Prozess wegen PKK-Mitgliedschaft in Stuttgart

23. Oktober 2025 - 10:00

Die Hauptverhandlung in einem Strafprozess wegen „mitgliedschaftlicher Beteiligung“ an der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) startet am 6. November am Oberlandesgericht Stuttgart (OLG). Angeklagt ist ein 38 Jahre alter Kurde türkischer Staatsangehörigkeit, der bereits im März dieses Jahres festgenommen worden ist.

Übliche „Tatvorwürfe“

In dem unter Vorsitz der Richterin Manuela Haußmann geführten Staatsschutzverfahren wird dem kurdischen Aktivisten vorgeworfen, von Mitte 2021 bis März 2024 verschiedene „Gebiete“ der PKK in Deutschland geleitet zu haben, so beispielsweise Freiburg. Auch für Berlin und den „PKK-Sektor Nord“ soll er von Juli 2023 bis März 2024 verantwortlich gewesen sein.

In der Anklageschrift vom 7. Juli dieses Jahres wird aufgeführt, dass der 38-Jährige schließlich nach einem Auslandsaufenthalt seit Dezember 2024 bis zu seiner Festnahme in leitender Funktion in Stuttgart sowie im „Sektor Süd 2“ aktiv gewesen sein soll. Die konkreten Taten, die ihm hierbei vorgeworfen werden, sind aus anderen Verfahren wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft bereits bekannt: Er soll Veranstaltungen und Demonstrationen organisiert haben.

Vom Grundrecht zum kriminellen Akt

Diese konkreten Taten sind in Deutschland – eigentlich – durch das Grundgesetz garantierte politische Freiheiten: die Versammlungsfreiheit (GG Art. 8) und die Organisationsfreiheit (GG Art. 9). Da dem Angeklagten jedoch unterstellt wird, diese Tätigkeiten „im Namen der PKK“ ausgeführt zu haben, wird sein vermeintliches Handeln vom Grundrecht zum kriminellen Akt.

Diese Form der Kriminalisierung kurdischen Engagements in Deutschland wird seit dem Inkrafttreten des Betätigungsverbots der PKK 1993 von der Justiz mit besonderer Hingabe verfolgt und seit jeher von linken Aktivist:innen als diskriminierendes Vorgehen scharf kritisiert.

Prozesseröffnung

Der 7. Strafsenat des OLG hat die Anklage jedenfalls am 3. September zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Prozess soll am 6. November um 9.30 Uhr im OLG Stuttgart (Prozessgebäude Stammheim (OPS), Saal 2, Asperger Straße 47, 70439 Stuttgart) beginnen. Bis Ende März kommenden Jahres sind 32 weitere Verhandlungstermine angesetzt. Für dieses Jahr sind sind dies: 13.11., 19.11., 3.12., 10.12, 11.12., 17.12. und 18.12. um je 9.30 Uhr.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/nihat-asut-aus-u-haft-in-hamburg-entlassen-48427 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/pkk-prozess-in-hamburg-entscheidung-zur-haftprufung-verschoben-48401 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdischer-aktivist-abdullah-Ocalan-in-heilbronn-freigelassen-48258 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/der-fall-kenan-ayaz-ist-ein-fall-transnationaler-unterdruckung-48238

 

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Mahnwache in Genf geht in die 248.

23. Oktober 2025 - 10:00

Die Mahnwache vor dem Gebäude der Vereinten Nationen (UN) für die physische Freiheit von Abdullah Öcalan geht in die 248. Woche. Aktivist:innen riefen zu einer starken Beteiligung an der Demonstration auf, die am 8. November in Köln stattfinden soll.

Die Demokratische Kurdische Gemeinde in der Schweiz (CDK-S) ruft jeden Mittwoch zu einem Protest vor dem Gebäude der Vereinten Nationen (UN) in Genf auf. Die seit dem 25. Januar 2021 wöchentlich stattfindende Mahnwache geht mit ihrer Forderung nach der physischen Freiheit des Gründers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, nun in die 248. Woche.

Die Versammlung dieser Woche, die in einem Zelt auf dem Platz der Nationen, wo sich das UN-Büro befindet, abgehalten wurde, ist mit einer Schweigeminute zum Gedenken an Bêrîtan Hêvî (Gülnaz Karataş), Stêrk Serdar (Zozan Dozdar Haran), Xebat Karaz (M. Yusuf Şık) und Rizgar Serhildan (Reşit Çetinkaya), die im kurdischen Freiheitskampf gefallen sind, eröffnet.


Ramazan Kızılkurt erklärte im Namen des Aktionskomitees, dass Abdullah Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ vom 27. Februar ein Aufruf zur Verantwortung sei, und fügte hinzu: „Wir bekräftigen hiermit unser Versprechen, dieser Verantwortung nachzukommen.“

„Die Angriffe gehen weiter“

Auch der Ko-Vorsitzende des Demokratischen Kurdischen Gemeindezentrums in Genf (CDK-GE), Osman Tekin, richtete seine Worte an die versammelten Menschen. Er erläuterte hierbei das anhaltende Isolations- und Folterregime auf Imrali, der türkischen Gefängnisinsel, auf der der kurdische Repräsentant Abdullah Öcalan seit 27 Jahren in politischer Geiselhaft gefangen gehalten wird.

Der Aktivist forderte internationale Institutionen auf, „ihrer Verantwortung nachzukommen“ und sagte: „Trotz des Aufrufs von Rêber Öcalan zu Frieden und einer demokratischen Lösung gehen die Angriffe weiter. Diese Angriffe richten sich sowohl gegen sein Manifest als auch gegen die Hoffnung der Menschen auf Frieden.“

Tekin erklärte abschließend, dass auch die in Genf lebenden Kurd:innenen sich in großer Zahl an der Demonstration „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ am 8. November in Köln beteiligen werden.

Die Dauermahnwache in Genf

Jeden Mittwoch veranstalten Aktivist:innen vor dem UN-Gebäude in Genf eine Protestaktion, um die Freilassung des inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zu fordern. Die Aktion wird im Rahmen der „Zeit für Freiheit“-Kampagne (ku. Dem dema azadiyê ye) durchgeführt und richtet sich gegen die Isolation der kurdischen Führungspersönlichkeit auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, die türkischen Besatzungsangriffe auf Kurdistan, die Massaker in kurdischen Gebieten und das Schweigen der UN.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demo-am-8-november-in-koln-freiheit-fur-Ocalan-als-schlussel-fur-frieden-48474 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/mahnwache-in-genf-Ocalans-freiheit-ist-voraussetzung-fur-frieden-47807 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/mahnwache-in-genf-fordert-dialogprozess-46920

 

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Yusufoğlu: Mit Werten und Prinzipien gegen Spezialkriegs-Methoden

23. Oktober 2025 - 8:00

Während kontinuierlich versucht wird, die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) mal als Vertretung der Regierung mal als der Opposition darzustellen, repräsentiere diese vielmehr einen „dritten politischen Weg“, wie DEM-Parteiratsmitglied Ünal Yusufoğlu im Gespräch mit ANF erklärt. Immer wieder werde sie daher zum Ziel von Attacken auf verschiedensten Ebenen.

Während er im zweiten Teil bereits darauf eingegangen ist, wie die Inszenierung einer Spannung zwischen Selahattin Demirtaş und Abdullah Öcalan zum Scheitern gebracht wird, geht Yusufoğlu im dritten Interviewteil auf weitere Methoden des Spezialkriegs ein und umreißt die Strategien der DEM-Partei für die neue politische Periode.

Die DEM-Partei steht auf der Seite der Unterdrückten

Die Angriffe auf die DEM-Partei finden von allen Seiten statt. Nicht nur parteiinterne Spannungen würden anvisiert, sondern auch die Spaltung der Opposition und der demokratischen Kräfte in der Türkei insgesamt, meint Yusufoğlu. Das Vorgehen, das seitens der Regierung aktuell gegen die CHP gezeigt werde, verurteile die DEM-Partei seit Beginn als rechtswidrig. Der kurdischen Bewegung seien derlei Maßnahmen, wie Zwangsverwaltung und willkürliche Inhaftierungen, seit dreißig Jahren aus eigener Erfahrung bekannt. Die derzeitige Regierungspolitik ziele darauf ab, „die Opposition zu eliminieren, zu spalten, zu schwächen und zu verwirren“ und richte sich aktuell „am intensivsten gegen die CHP“.

Entsprechend ihrer politische Ausrichtung stehe die DEM-Partei auch angesichts dieser Repressionen auf Seiten all derjenigen, „die unter Druck, Unterdrückung oder Angriffen leiden“ und dies „im Gegensatz zu anderen Parteien“ unabhängig davon, wer sie sind. Alle Partei-Organe der DEM auf allen Ebenen hätten ihre Haltung zu den Angriffen auf die CHP und auf andere Fälle von Zwangsverwaltung wiederholt und eindeutig zu Ausdruck gebracht, so Yusufoğlu.

Mangelnde Positionierung der DEM-Partei?

Äußerungen, die der DEM-Partei vorwerfen, ihre Haltung gegenüber den Angriffen auf die CHP sei nicht ausreichend gewesen, und die eine Mobilisierung der gesamten Basis forderten, entgegnet Ünal Yusufoğlu: „Lassen Sie mich Folgendes betonen: Solidarität ist gegenseitig, und eine Vorgehensweise entsteht aus einem gemeinsamen Verständnis.

Wir wissen, dass unsere Ko-Vorsitzenden und der Vorsitzende der CHP in dieser Frage einen Konsens erzielt haben. Wir glauben auch, dass es einen gesunden Informationsfluss gibt. Ich bin zuversichtlich, dass die CHP-Führung die Entschlossenheit und Aufrichtigkeit der DEM-Partei in dieser Frage anerkennt. Die Aussagen von Özgür Özel spiegeln dies ebenfalls wider.

„Die CHP hat das System geprägt“

Ich muss jedoch sagen, dass derzeit eine ernsthafte Wahrnehmungskampagne im Gange ist, die darauf abzielt, eine Konfrontation zwischen der DEM-Partei und der CHP herbeizuführen. Natürlich sind wir nicht verpflichtet, jede Erklärung der CHP zu akzeptieren, genauso wie die CHP nicht verpflichtet ist, jede Erklärung von uns zu akzeptieren. Wir sind verschiedene Parteien.

Tatsächlich sind wir eine Partei, die weit über das bestehende System hinausgeht. Die CHP hingegen ist einer der Hauptbestandteile dieses Systems. Wir wollen dieses System ändern, aber wir wollen auch alle Denkweisen ändern, die es geschaffen haben. Die CHP gehört zu denen, die die Denkweise dieses Systems geprägt haben.

Natürlich werden wir die CHP kritisieren und uns gegen ihre falsche Politik stellen, genauso wie wir uns gegen die Politik der AKP oder jeder anderen Partei stellen werden. Aber wenn eine Partei an der Macht eine andere Partei verfolgt, die sich ihr widersetzt, wenn diese Partei die AKP ist, dann werden wir uns dagegen stellen, und wir werden dies auch weiterhin tun.“

Methoden des Spezialkriegs

Hinter den Attacken auf die DEM-Partei, die Opposition und die demokratischen Kräfte in der Türkei erkennt Yusufoğlu Methoden des Spezialkriegs, die darauf abzielen, „die Opposition und alle ihre Strukturen zu schwächen, um die Forderung nach einer demokratischen Gesellschaft, das Projekt der Neuordnung der Türkei, das Zusammenleben der Völker und die Neugestaltung des kurdisch-türkischen Friedens und der Beziehungen zu vereiteln“.

In diesem Bezug benennt der DEM-Politiker klar die Mitverantwortung der DEM-Partei für die Inhaftierung von Figen Yüksekdag und Selahattin Demirtaş sowie für das System der Zwangsverwaltungen. „Die Denkweise, die besagt: ‚Es ist verfassungswidrig, aber wir werden mit Ja stimmen‘, gehört zur CHP. Es ist die CHP, die den Treuhändern die Tür geöffnet und damit den Interessen der Regierung gedient hat“, so sein diesbezüglicher Wortlaut.

Werte und Prinzipien der DEM-Partei

Gleichzeitig stellt der Politiker klar, dass die vergangenen Handlungen der CHP nicht dazu führen würden, dass die DEM-Partei zu den aktuellen Angriffen auf die Oppositionspartei schweigt. Dies sei ein grundlegender Unterschied der DEM zu anderen Parteien, unterstreicht Yusufoğlu, sie verfolge keine Idee des Auge-um-Auge, sondern hätte klare Werte und Prinzipien: „Weil wir an Demokratie, Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit glauben, werden wir uns natürlich gegen Angriffe auf diese Prinzipien wehren.“

„Der Prozess muss mit Öcalan diskutiert werden“

Die DEM-Partei werde, zeigt sich der Politiker sicher, ihre ganze Kraft einsetzen, um den Prozess in seinem „natürlichen Verlauf“ voranzutreiben, alle Kräfte der Türkei in den Prozess einzubeziehen und die „Friedensfront gegen die Kriegsfront zu stärken“.

Yusufoğlu schloss seine Ausführungen wie folgt: „Wir hoffen, dass der Prozess seinem natürlichen Verlauf folgt. Das bedeutet, dass die im Parlament gebildete Kommission Gesetze zu den Rechten und Freiheiten verabschieden und sie der Generalversammlung vorlegen sollte. Es bedeutet auch, diesen Prozess gründlich mit Herrn Öcalan zu diskutieren und zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen. Die Ansichten und Vorschläge von Herrn Öcalan entgegenzunehmen und seine Perspektiven zu berücksichtigen, muss zu den ersten Schritten gehören.

Die Lösung einer existenziellen Frage

Nicht nur das: Während alle Dynamiken der Türkei in diesen Prozess einbezogen werden, muss die wichtigste Maßnahme die Demokratisierung der Türkei und die Entstehung einer Denkweise sein, die auf eine befreiende Lösung der kurdischen Frage ausgerichtet ist. Wir hoffen, dass sich sowohl in der Regierung als auch in der Opposition eine Haltung und ein Diskurs entwickeln werden, die Angriffen von außen sowie innen standhalten und solche Druckversuche überwinden können. Dies ist der zentrale Schwerpunkt all unserer Diskussionen.

Wir sagen, dass sich die gesamte Politik im Einklang mit dem von Herrn Öcalan vorgestellten Projekt für die neue Periode aktualisieren muss. Das ist die Zukunft der Türkei. Die oft als ‚Überleben der Türkei‘ bezeichnete Frage, ein Ausdruck, den ich nicht mag, ihn aber der Klarheit halber verwenden muss, wird hier im Wesentlichen gelöst.

„Die Friedensfront gegen die Kriegsfront stärken“

Deshalb werden wir sensibel und beharrlich dafür sorgen, dass der Prozess weitergeht, und wir werden alle unsere Ressourcen gegen jede negative Entwicklung mobilisieren. Könnte der Prozess gestört werden? Das ist möglich. Aber wie auch immer das Ergebnis aussehen mag, wir werden auf Frieden bestehen.

Wir werden uns bemühen, alle Teile der türkischen Gesellschaft in diesen Prozess einzubeziehen und eine starke öffentliche Meinung zu bilden, die gemeinsam gegen Krieg und eine Politik der Sicherheit um jeden Preis vorgeht. Wir beabsichtigen, die Opposition, demokratische Massenorganisationen, Gewerkschaften, Frauen, Jugendliche, Akademiker und Schriftsteller, einfach alle, um diesen Prozess herum zu vereinen und eine Friedensfront gegen die Kriegsfront zu organisieren.

Wir hoffen, dass es nicht so weit kommt, dass die Türkei keine neuen Verluste erleidet und dass wir das Notwendige getan haben.“

https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/yusufoglu-dem-partei-vertritt-weder-opposition-noch-regierung-48497 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/yusufoglu-hauptakteur-in-friedensprozess-ist-Ocalan-nicht-die-dem-partei-48446 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/hatimogullari-warnt-vor-ruckschritten-im-friedensprozess-48478

 

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Zenobiya: Ein demokratisches Syrien braucht aktive Frauen

22. Oktober 2025 - 21:00

Die Frauenunion Zenobiya in Tabqa hat vor ihrem lokalen Hauptsitz eine Presseerklärung bezüglich der aktuellen Situation und Zukunftsperspektiven für ein demokratisches Syrien abgehalten. Verschiedene Vertreterinnen der Institutionen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), der Stiftung der Freien Frauen in Syrien (WJAS), des Jineolojî-Forschungszentrums und sowie Zenobiya-Mitglieder haben an der Verkündung teilgenommen.

Der Dachverband arabischer Frauen „Zenobiya“, der bisher schwerpunktmäßig in den Gebieten der DAANES arbeitet, hat am 12. Oktober in Kooperation mit der kurdischen Frauenbewegung Kongra Star eine globale Frauenkampagne unter dem Titel „Mit der Einheit der Frauen bauen wir ein freies, demokratisches und dezentralisiertes Syrien auf“ ausgerufen.

Die Frauenrevolution schützen

Ziel der neuen Kampagne ist es, die Welt auf das basisdemokratische, geschlechtergerechte und ökologische Gesellschaftsmodell aufmerksam zu machen, dass in der DAANES praktiziert wird. Dies soll zeigen, „dass ein demokratisches und dezentralisiertes Syrien, geführt von Frauen und nicht von ausländischen Plänen geprägt, der Weg zu echtem Frieden ist“, heißt es in dem Kampagnen-Aufruf und weiter:

„Denn Frauen überall wissen, dass das Patriarchat Gesellschaften zerstört und dass weibliche Führung Leben, Gleichheit und Frieden bringt. Wenn wir gemeinsam und über Grenzen hinweg unsere Stimme erheben, stärken wir die Frauen in Rojava und Syrien und schützen ihre Revolution. Denn globale Solidarität macht es Regimen und Besatzungsmächten schwerer, die Stimmen der Frauen zum Schweigen zu bringen.“

Die Kampagne ist nach einem dreistufigen Plan aufgebaut und zielt darauf ab, ein pluralistisches, demokratisches und dezentralisiertes Syrien unter aktiver Beteiligung von Frauen aufzubauen.

Im Andenken Hevrîn Xelefs

Im Rahmen der öffentlichen Verlesung der Presseerklärung bekräftigte Zenobiya, dass die aktive Beteiligung von Frauen eine Notwendigkeit für den Aufbau einer demokratischen Zukunft Syriens darstelle. Necah El Hisên, Zenobiya-Mitglied in Tabqa, erklärte:

„Die Stimme der Frauen ist die Stimme des Friedens. Ein neues Syrien kann ohne die aktive Beteiligung von Frauen nicht aufgebaut werden. Wir verneigen uns voller Respekt vor dem Geist von Hevrîn Xelef, einer Gefallenen für den Frieden, die für ein gerechtes und demokratisches Land gekämpft hat, und vor allen syrischen Frauen.“

https://deutsch.anf-news.com/frauen/frauenbewegungen-in-syrien-einigen-sich-auf-gemeinsame-agenda-48042 https://deutsch.anf-news.com/frauen/frieden-schaffen-patriarchat-entwaffnen-bundesweites-treffen-von-women-defend-rojava-48353 https://deutsch.anf-news.com/frauen/1-800-briefe-an-abdullah-Ocalan-aus-cizire-48383

 

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