ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur

ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur  Feed abonnieren
ANFDeutsch
Aktualisiert: vor 3 Minuten 37 Sekunden

Festival in Kerkûk zur Bedeutung der kurdischen Sprache

15. Oktober 2025 - 18:00

Verwaltungs- und Bildungsbeamt:innen in Kerkûk (Kirkuk) organisierten zusammen mit kurdischen Lehrkräften und Schüler:innen ein Festival mit dem Titel „Errungenschaften und die neue Etappe der Rückkehr zur Muttersprache“ (Destkeft û Qonaxa Nû ya ji bo Vegera li Zimanê Dayîkê). Auf der lokalen Veranstaltung haben die Bedeutung der kurdischen Sprache und die Zukunft der Muttersprachenbildung im Zentrum der Ansprachen gestanden.

Das Festival begann mit der Rezitation der Hymne „Ey Reqîb“ und einer Schweigeminute zum Gedenken an die Gefallenen. Anschließend erklärte der für die kurdische Bildung in Kerkûk zuständige Lehrer Kameran in seiner Rede: „Wir sind stolz auf unsere Erfolge im Bereich der kurdischen Bildung und auf die Leistungen unserer Schüler:innen. Unsere Lehrkräfte werden diese Erfolge in kürzester Zeit noch weiter ausbauen.“

Kulturelle Beiträge und Preisverleihung

Auf Kamerans Rede folgte eine Diashow über die Arbeit im Bereich des kurdischen Sprachunterrichts in der Stadt und Grundschüler:innen betraten die Bühne, um künstlerische Darbietungen vorzuführen. Zwei Schülerinnen lasen Gedichte vor, die sie selbst geschrieben hatten, was das Publikum mit lautstarkem Applaus honorierte.

Die Reden und Veranstaltungen während des gesamten Festivals unterstrichen die Bedeutung der kurdischen Sprache in den Bereichen Identität, Kultur und Bildung. Am Ende des Programms verlieh die kurdische Bildungsbehörde von Kerkûk ausgewählten Lehrkräften und Schüler:innen Leistungs- und Ehrenauszeichnungen.

https://deutsch.anf-news.com/kultur/wan-unsere-sprache-ist-unsere-rote-linie-48395 https://deutsch.anf-news.com/kultur/anatolische-kurd-innen-bewahren-ihre-sprache-47801 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/aktionen-fur-anerkennung-der-kurdischen-sprache-46435 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kck-gratuliert-zum-tag-der-kurdischen-sprache-46299

 

Kategorien: Externe Ticker

Al-Mihbash: „Eine militärische Lösung ist keine Option mehr“

15. Oktober 2025 - 17:00

Abid Hamid al-Mihbash, der stellvertretende Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats (MSD), bestätigte, dass die jüngsten Treffen zwischen den Sicherheits- und Militärkomitees der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Übergangsregierung in Damaskus „im Wesentlichen erfolgreich und fruchtbar“ gewesen seien, und betonte das Bekenntnis zu einem dezentralisierten Syrien.

Die Zukunftspartei Syriens hat am Mittwoch südlich der Stadt Raqqa eine Versammlung abgehalten, an der neben Vertreter:innen ziviler und militärischer Institutionen auch der Exekutivrat des Kantons Raqqa, Dutzende Einwohner:innen, Scheichs und Stammesführer teilgenommen haben.

„Eine militärische Lösung ist keine Option mehr“

Das Treffen begann mit einer Schweigeminute zu Ehren der Gefallenen. Anschließend gab Abid Hamid al-Mihbash einen Überblick über die Entwicklungen im politischen Prozess und die laufenden Verhandlungen zwischen der DAANES und der Übergangsregierung in Damaskus.

Al-Mihbash stellte klar, dass das Treffen mit der amerikanischen Delegation unter der Leitung des US-Sonderbeauftragten für Syrien, Thomas Barrack, positiv verlaufen sei und zur Bildung von zwei Sicherheits- und Militärkomitees geführt habe, welche Damaskus besucht und sich mit der Übergangsregierung getroffen hätten. Der Verhandlungsprozess gehe beidseitig in die richtige Richtung. Insbesondere sagte Al-Mihbash, dass eine militärische Lösung als Option nicht mehr in Betracht komme.

Faire Selbstvertretung in einem dezentralisierten Staat

„In Nord- und Ostsyrien haben wir qualifizierte Menschen, die in der Lage sind, das Land zu regieren und an der Regierungsführung mitzuwirken. Unsere Forderung gilt jedoch nicht Positionen oder Macht, sondern einer fairen Vertretung Nord- und Ostsyriens im Rahmen eines dezentralisierten Staates“, bekräftigte der MSD-Vertreter die politische Agenda der DAANES.

Er vertrat die Ansicht, dass der Sturz des Regimes von Baschar al-Assad den ersten Schritt in der syrischen Revolution darstellte, dass aber der Weg zum Aufbau eines „partizipativen demokratischen Syriens für alle seine Bestandteile“ noch lang sei. Er betonte, dass die Revolution „noch nicht vorbei ist und nicht enden wird, bis ihre Ziele vollständig erreicht sind“.

Demokratische Einheit Syriens

Das frühere Regime habe „tiefe Wunden in der Erinnerung der Syrer:innen hinterlassen und massive Zerstörungen verursacht, deren Wiederaufbau Jahre kontinuierlicher Arbeit erfordern wird“, kritisierte Mihbash. Demgegenüber müsse der Zugang zur Regierungsführung und Verwaltung heute über die Wahlurne erfolgen. Der Politiker stellte klar: „Die Legitimität geht vom Volk aus, das seine Vertreter:innen im Parlament, in der Regierung und sogar im Präsidialamt wählt.“

Er erklärte, dass die DAANES große Opfer gebracht habe und an ihrer Vision festhalte, „einen demokratischen, pluralistischen, dezentralisierten Staat und eine einzige nationale Armee, die alle Syrer:innen vertritt“, aufzubauen.

Verhalten der Nachbarstaates besorgniserregend

Al-Mihbash äußerte sich besorgt über den wachsenden Einfluss der Türkei nach dem Sturz des Regimes sowie über die Ausweitung der israelischen Besatzung auf neue Gebiete und bezeichnete dies als „Bedrohung für die Einheit Syriens und die Unabhängigkeit seiner nationalen Entscheidungen“.

Er wies darauf hin, dass „auf jede Verhandlungsrunde zwischen der Delegation Nord- und Ostsyriens und der Übergangsregierung ein Besuch von Damaskus in Ankara oder umgekehrt folgt“, was darauf hindeute, dass die Türkei in diesem Zusammenhang Druck auf Damaskus ausübt.

Verbesserung durch internationale Begleitung

In diesem Zusammenhang bestätigte Al-Mihbash, dass die DANNES sowohl die Vereinigten Staaten wie auch Frankreich gebeten habe, als Garanten in den Verhandlungen zu fungieren, was auch tatsächlich geschehen sei und zu einem verbesserten Verlauf der Gespräche beigetragen habe.

Zu den konkreten Ergebnissen der Verhandlungen gehörte laut Al-Mihbash beispielsweise die Durchführung von Grund- und Sekundarabschlussprüfungen in Nord- und Ostsyrien, was die Belastung für Schüler:innen und ihre Familien erheblich verringert hat.

Al-Mihbash bekräftigte, dass das Projekt der DAANES nicht auf eine Teilung abziele, sondern auf die Verwirklichung von Demokratie und Gerechtigkeit in ganz Syrien, und sagte: „Unser Ziel ist nicht nur Nord- und Ostsyrien, sondern eine Demokratie, die das gesamte Land umfasst, ohne jemanden auszuschließen.“

Vor diesem Hintergrund warnte er auch vor der Gefahr, die von den Ereignissen in der Stadt Suweida und den Küstengebieten ausgehe, bekräftigte die Unterstützung für die Forderungen der Bevölkerung von Suweida „innerhalb des nationalen Rahmens“ und betonte, dass „alle Syrer:innen Mitwirkende bei der Erreichung des Erfolgs sind“.

Al-Mihbash schloss seine Ausführungen mit der Betonung, dass „das syrische Volk über die Zukunft Syriens entscheidet, nicht diejenigen, die eine Region befreien oder eine andere kontrollieren“, und forderte die arabischen Stämme auf, ein Faktor der Stabilität und Einheit zu sein und sich weder an konfessionellen noch an ethnischen Konflikten zu beteiligen.

Bilder © ANHA Agency

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-delegation-schliesst-gesprache-mit-Ubergangsregierung-in-damaskus-ab-48367 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/nordostsyrische-delegation-zu-sicherheits-und-militarfragen-in-damaskus-48357 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/annaherung-zwischen-selbstverwaltung-und-Ubergangsregierung-bei-treffen-in-damaskus-48283

 

Kategorien: Externe Ticker

Wan: „Unsere Sprache ist unsere rote Linie“

15. Oktober 2025 - 17:00

In Wan (tr. Van) findet derzeit ein zweitägiger Strategieworkshop zur Zukunft der kurdischen Sprache statt, den die Plattform Demokratischer Institutionen (DEKUP) in Kooperation mit mehreren kurdischen Sprach- und Kulturorganisationen organisiert hat. Unter dem Motto „Her dem Kurdî, her der Kurdî“ („Immer Kurdisch, überall Kurdisch“) diskutieren Vertreter:innen unterschiedlichster gesellschaftlicher Bereiche konkrete Strategien und politische Leitlinien für die Stärkung der kurdischen Sprache.

Dilbihar: „Die kurdische Sprache ist unsere rote Linie“

In der Eröffnungsrede widmete Heval Dilbihar, Mitglied des Vorbereitungskomitees des Workshops, die Zusammenkunft Abdullah Öcalan und den Gefallenen der kurdischen Freiheitsbewegung. Er zitierte Öcalan mit den Worten „Sprache ist für eine Nation so wichtig wie Wasser und Brot“ und betonte, dass die Muttersprache für den sozialen Fortschritt von grundlegender Bedeutung sei.

In diesem Zusammenhang müsse der kurdischen Sprache endlich ein offizieller Status zuerkannt werden, so Dilbihar: „Wir wissen, dass es weder Frieden noch Ruhe geben wird, solange die kurdische Sprache nicht anerkannt ist und Kurdisch nicht als Muttersprache unterrichtet wird. Deshalb ist die kurdische Sprache unsere rote Linie.“

Es brauche dauerhafte Strategien und Mechanismus, um die kurdische Sprache zu etablieren und die Situation aufzulösen, dass sie zum Gegenstand von Kritik werde.


Heval Dilbihar (DEKUP)

Schwerpunkte der erste beiden Panels

Der Schwerpunkt des ersten Panels lag auf der Verbindung zwischen dem Kampf für die kurdische Sprache und dem Paradigma der Freiheitsbewegung und der demokratischen Nation, während sich die Vorträge des zweiten Panels thematisch auf die Verbindung mit den lokalen Verwaltungen und der Selbstverwaltung sowie diesbezügliche Leitlinien konzentrierte.

Colemergî: „Wenn du deine Sprache nicht wertschätzt, wirst du verschwinden“

In der ersten Sitzung sagte der Autor İhsan Colemergî: „Der Kampf um die Vorherrschaft und Unterwerfung von Völkern beginnt mit Kultur und Sprache. Wenn du nicht schreibst, wirst du verschwinden, und dein Volk wird mit dir verschwinden. Als vor 400.000 Jahren das Land der Sumerer erobert wurde, waren ihre Sprache und Kultur besonders betroffen.“

Anders als deominierende regionale Mächte, beanspruchten die Kurd:innen ihre Sprache nicht ausreichend, stellte der Autor fest. Fehlende Wertschätzung der eigenen Sprache gegenüber führe jedoch zum Verschwinden der Identität.

„Erinnern wir uns an die Worte von Ehmedê Xanî. Als er gefragt wurde, warum er Mem û Zîn auf Kurdisch geschrieben habe, antwortete er: ‚Wenn das kurdische Volk nicht in seiner eigenen Sprache schreibt, kann es sich mit seiner Sprache keinen Platz unter den Völkern der Welt sichern.‘ Aus diesem Grund müssen wir unsere Sprache verteidigen“, schloss Colemergî.

Zeydan: „Das kurdische Volk wird seine Sprache und Kultur weiterhin schützen“

Abdullah Zeydan ist der gewählte Ko-Bürgermeister der Großstadtgemeinde Wan, er wurde seines Amtes enthoben und durch einen Treuhänder ersetzt. In seinem Beitrag legte er dar, dass das krudische Volk im laufe der Geschichte bereits einen hohen Preis für den Schutz seiner Sprache gezahlt habe, betonte aber: „Solange das kurdische Volk existiert, wird es seine Sprache und Kultur weiterhin schützen. Wir haben viele Probleme, aber dieses Treffen ist sehr wertvoll. Jede Anstrengung erfordert eine Strategie und Kampfgeist.“

Der Politiker zeigte sich überzeugt, dass die während des Workshops gewonnenen Erkenntnisse, den „Weg für die Planung der Zukunft des Kurdischen ebnen“ können. Hierfür müsste Selbstkritik geübt und konsequent Änderungen vorangetrieben werden. „Lokale Verwaltungen und selbstverwaltete Strukturen müssen in dieser Hinsicht mehr Verantwortung übernehmen“, konkretisierte Zeydan.

Auch den aktuellen Prozess in der Türkei betrachtete er für den Kampf für die kurdische Sprache als integralen Bestandteil: „Insbesondere der von Herrn Abdullah Öcalan initiierte Prozess spielt in diesem Kampf eine sehr wichtige Rolle. Wir müssen eine demokratische, ethische und politische Gesellschaft aufbauen. Die Grundlage dafür liegt in der Priorisierung der Sprachforschung. Wir müssen gemeinsam voranschreiten und unsere kollektive Weisheit nutzen.“

Turhallı: „Wir schöpfen Kraft aus unserer Sprache“

Auch Cemile Turhallı, Ko-Sprecherin der Sprach-, Kultur- und Kunstkommission der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) zeigte sich im zweiten Teil und entschlossen hoffnungsvoll: „Der Staat und die Machthaber wollen, dass wir uns durch ihre Politik für unsere Sprache schämen. Warum sollten wir?

Wir schöpfen Kraft aus unserer Sprache. Sprache ist das Erbe eines Volkes. Während die Angriffe des Staates einerseits weitergehen, entsteht andererseits ein großer Widerstand dagegen. Wir werden unsere Sprache weiterhin am Leben erhalten und sie durch unsere Politik und Strategien leben.“

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/kurdische-organisationen-beraten-in-wan-uber-sprachpolitik-und-strategien-48379 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/neuer-verein-in-wan-dadsaz-will-kurdische-rechtssprache-starken-45892 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demonstration-in-istanbul-fur-bildung-auf-kurdisch-47856

 

Kategorien: Externe Ticker

Rassismus – ein altbekanntes Phänomen im türkischen Fußball

15. Oktober 2025 - 15:00

Rassismus in der Türkei beschränkt sich nicht nur auf die politische Arena, sondern ist ein wachsendes Problem, das in allen Bereichen des Lebens sichtbar ist. In der Welt des Fußballs ist er auf dem gesamten Spielfeld zu spüren.

Heute richten sich rassistische Äußerungen und Einstellungen am deutlichsten gegen kurdische Fußballmannschaften. Rassismus gegen kurdische Stadtmannschaften, insbesondere gegen Amedspor, wird von Fans, Vereinsverantwortlichen, Spielern und Kommentatoren offen zur Schau gestellt.

Rassismus seit der osmanischen Ära

Rassismus im türkischen Fußball reicht bis in die letzten Jahre des Osmanischen Reiches zurück. Es gab sogar Fußballvereine, die direkt vom „Komitee für Einheit und Fortschritt" [Ittihad ve Terraki, türkische nationalistische Organisation, die zwischen 1889 und 1926 aktiv war und 1915 den Völkermord an den Armenier:innen organisierte, Anm. d. Red.] gegründet wurden. Im Einklang mit der turanistischen Ideologie [Der Turanismus ist eine pseudohistorische Ideologie, die einen gemeinsamen Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier:innen, Mongol:innen und mandschu-tungusischen Völker annimmt. Anm. d. Red.] wurde der Verein Altınordu auf Initiative von Talat Pascha, dem Hauptarchitekten des Völkermords an den ArmenierInnen, gegründet.

In Ankara wurde der Sportverein Ateş-Güneş gegründet, um die Sonnensprachen-Theorie zu fördern [Die Sonnensprachtheorie ist ein pseudowissenschaftliches sprachpsychologisches Konstrukt, dem zufolge der „Urmensch“ der „türkischen Rasse“ angehörte. Aus dessen Urlauten soll sich das Prototürkische als Ursprung aller Sprachen entwickelt haben. Anm. d. Red.]. In den 1950er Jahren wurden Minister und Abgeordnete der regierenden Demokratischen Partei zu Präsidenten verschiedener Vereine ernannt.

Blüte der Feindseligkeit

In den 1990er Jahren, als der Freiheitskampf Kurdistans an Stärke gewann, blühte die Feindseligkeit gegenüber Kurd:innen im türkischen Fußball auf. Rassistische Gruppen und mafiöse Strukturen dominierten fast die gesamte Fußballszene in der Türkei. In den 2000er Jahren wurde die weiße Strickmütze, die der Rechtsextremist und Mörder des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink, Ogün Samast, trug, zu einem Symbol für Rassisten.

Der Kapitän von Trabzonspor erschien mit einer weißen Strickmütze zum Training, und Fans einiger Vereine begannen, mit denselben Mützen zu den Spielen zu kommen. Die jüngste Bestrafung wegen eines kurdischen Schriftzugs auf dem Trikot von Amedspor und die Tatsache, dass dies sogar verteidigt wurde, zeigen deutlich, dass diese rassistische Mentalität auch heute noch fest verankert ist.

„Weg mit den Kurden“-Durchsagen

Rassistische Parolen gegen Kurd:innen im türkischen Fußball sind älter als die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Der 1968 gegründete Verein Diyarbakırspor aus Amed (tr. Diyarbakır) war schon immer antikurdischen Hassreden ausgesetzt. Während des ersten Auswärtsspiels der Mannschaft in Kırıkkale wurden über die Stadionlautsprecher Durchsagen mit dem Inhalt „Weg mit den Kurden“ gemacht. Nach dem Aufstieg in die erste Liga wurde die Mannschaft bei Spielen in Istanbul häufig mit Sprechchören wie „Diyarbakirroo“, einer abwertenden Verspottung, beleidigt.

Politische Hetze durch Sport

Nach dem faschistischen Militärputsch vom 12. September wurden Fußballmannschaften aus kurdischen Städten mit der kurdischen Freiheitsbewegung gleichgesetzt. Der einst gegen Kurd:innen gerichtete Slogan „Weg mit den Kurden“ wurde nach 1980 durch „Weg mit der PKK“ ersetzt. Die rassistischen Einstellungen der Fußballfans in der Türkei gegenüber kurdischen Mannschaften, die vom türkischen Staat beharrlich gefördert wurden, hörten nie auf. Ziel des staatlichen Handeln war es, den Rassismus zu kontrollieren und in die erste Liga zu bringen und so die kurdische Freiheitsbewegung zu schwächen.

Ende der 1990er Jahre gehörte Polizeichef Ali Gaffar Okan zu den Staatsbeamten, die sich für Diyarbakırspor interessierten. Er erklärte offen, sein Ziel sei es, „durch Fußball eine Beziehung zwischen den Kurden und dem Staat aufzubauen und die Stimmen für die die Partei der Demokratie des Volkes (HADEP) auf unter 10 Prozent zu senken“.

Sogar der Name „Amed“ wurde blockiert

Eine wichtige Entwicklung für Kurd:innen wurde der Fußsballbverein Amedspor. Er wurde am 28. Oktober 2014 gegründet, aber sein Name wurde von der Türkischen Fußballföderation (TFF) erst im August 2015 genehmigt. Ein Jahr lang weigerte sich die TFF, den Namen des Teams zu genehmigen, allein wegen des Wortes Amed.

Amedspor war bei jedem Auswärtsspiel rassistischen Angriffen ausgesetzt. Diese Angriffe kamen nicht nur von gegnerischen Fans, sondern auch von rivalisierenden Spielern auf dem Spielfeld. Gegenspieler machten nach jedem Tor beharrlich den Militärgruß. Kommentatoren der Sender, die Amedspor-Spiele übertrugen, vermieden es, „Amedspor“ zu sagen, und bezeichneten die Mannschaft stattdessen als „sie“ oder änderten ihren Namen in „Amed Sportif“. Die Trikotfarben des Teams wurden zur Zielscheibe, und es kam zu Angriffen auf Geschäfte, die Amedspor-Fanartikel verkauften.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Verbindung zwischen Amedspor und der kurdischen Bevölkerung zu einer Widerstandsfront gegen all diese Angriffe. Nach jedem Sieg sangen die Spieler und Fans von Amedspor gemeinsam das Lied „Diren Diyarbakır“ (Diyarbakır widerstehe). Schließlich wurde das Lied zur inoffiziellen Hymne des Teams.

Einige Beispiele rassistischer Übergriffe im türkischen Fußball

1999 – Mehmet Ali Yılmaz, damals Präsident von Trabzonspor, äußerte sich rassistisch gegenüber dem schwarzen Spieler Kevin Campbell.

2002 – Fenerbahçe-Fans riefen israelischen Spielern ihrer Mannschaft „Hitler, wir verstehen dich besser“ zu.

2007 – Während des Spiels zwischen Afyonspor und Bozüyükspor skandierten Fans beider Mannschaften „Wir sind alle Ogün, wir sind alle Türken“ und bezogen sich damit auf Ogün Samast, den Mörder des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink.

2007 – Der Kapitän von Trabzonspor erschien zum Training mit derselben weißen Strickmütze, die auch der Mörder von Hrant Dink getragen hatte.

2007 – Beim Spiel zwischen Konyaspor und Denizlispor trugen einige Fans von Konyaspor dieselben weißen Mützen wie der Mörder von Hrant Dink.

Januar 2007 – Während eines Spiels in Malatya zwischen Malatyaspor und Elazığspor zeigten Fans von Elazığspor ein Transparent mit der Aufschrift „Wir sind weder Armenier noch aus Malatya, wir sind aus Elazığ“ und skandierten „Armenisches Malatya“.

2008 – Fans von Trabzonspor protestierten gegen den Präsidenten des Zentralen Schiedsrichterausschusses, Oğuz Sarvan, mit dem Sprechchor „Völkermord für Oğuz, den Armenier in Trabzon“.

2008 – Trainer Samet Aybaba äußerte sich rassistisch über den ägyptischen Spieler Abdel Sattar Sabry (El Saka), und Fatih Terim benutzte rassistische Sprache gegenüber dem bosnischen Spieler Saffet Sürgün.

2009 – Vor dem Spiel zwischen Diyarbakirspor und Bursaspor begrüßten Bursaspor-Fans die Mannschaft von Diyarbakirspor mit Transparenten mit der Aufschrift „Wie glücklich ist der, der sagt, ich bin Türke“.

2010 – Beim Spiel zwischen Beşiktaş und Bursaspor riefen Bursaspor-Fans dem Beşiktaş-Anhänger Alen Markaryan „Armenische Hunde unterstützen Beşiktaş“ zu.

2010 – Trabzonspor-Fans konfrontierten Mitglieder der Partei Freiheit und Solidarität (ÖDP) bei einer Protestkundgebung für Hrant Dink auf dem Taksim-Platz in Istanbul und skandierten „Ogün Samast, olé“ und „Yasin, der Bombenleger“, womit sie diejenigen lobten, die an rassistischen Gewalttaten beteiligt waren.

2011 – Beşiktaş-Fans beleidigten den Galatasaray-Spieler Emmanuel Eboué, indem sie ihn als „Affen“ bezeichneten.

2013 – Fenerbahçe-Fans schwenkten Bananen und riefen schwarzen Spielern „Affe“ zu. Später hielten sie eine Pressekonferenz ab und sagten: „Wir haben niemanden beleidigt, wir haben auch schwarze Freunde.“

2016 – Amedspor-Fans wurden vor Gericht gestellt, weil sie ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst die Kinder nicht sterben, lasst sie zu den Spielen kommen“ gezeigt hatten.

2016–2020 – Amedspor-Fans wurde die Teilnahme an mindestens 70 Auswärtsspielen untersagt.

2015 – Vor dem Spiel Türkei gegen Island in Konya nach dem Massaker von Ankara wurde die Schweigeminute für die Opfer von türkischen Fans ausgebuht, die pfiffen und „Wie glücklich ist der, der sagt, ich bin Türke“ skandierten.

Januar 2016 – Nach einem Tor gegen Amedspor salutierte der Başakşehir-Spieler Semih Şentürk vor den Amedspor-Fans und bezeichnete dies später als „Kriegsgeste“.

Januar 2016 – Die Polizei durchsuchte das Vereinsgebäude von Amedspor und beschlagnahmte Computer.

Februar 2016 – Deniz Naki erhielt nach folgendem Social-Media-Beitrag nach einem Spiel gegen Bursaspor eine Sperre für 12 Spiele: „Als Amedspor haben wir unseren Kopf nicht gesenkt und werden dies auch niemals tun ... Wir widmen diesen Sieg denen, die seit über 50 Tagen in unserem Land unter Unterdrückung getötet und verletzt wurden.“

2014 – Deniz Naki wurde während seiner Zeit bei Gençlerbirliği angegriffen, nachdem er mit den Worten „Bist du der kurdisch-alevitische Spieler?“ provoziert worden war. Später wurde er vom türkischen Fußballverband aus dem türkischen Fußball ausgeschlossen, nachdem er die türkische Offensive gegen Efrîn (Afrîn) kritisiert hatte. Er wurde öffentlich angegriffen und erhielt Morddrohungen.

2017 – Der türkische Twitter-Star Hakan Hepcan bezeichnete den Galatasaray-Spieler Bafétimbi Gomis als „Affen“.

Dezember 2020 – Während eines Spiels benutzte der vierte Schiedsrichter rassistische Ausdrücke gegen den Ko-Trainer von Başakşehir, Pierre Webó.

Dezember 2020 – Der Sportkommentator Emre Bol benutzte in einer Live-Fernsehsendung rassistische Ausdrücke gegen den Galatasaray-Spieler Mbaye Diagne.

2023 – Amedspor wurde während seines Auswärtsspiels gegen Bursaspor mit Transparenten mit den Aufschriften „White Toros“ und „Yeşil, Counter-Guerrilla“ (in Anspielung auf türkische Todesschwadronen des tiefen Staates) empfangen. Es wurden rassistische Sprechchöre angestimmt und Angriffe verübt. Als Bursaspor einen Elfmeter zugesprochen bekam, erklärte der Verein: „Diese Strafe gilt nicht uns, sondern allen patriotischen Fans.“

2024 – Während eines Fußballspiels zwischen der Getronagan Armenian High School und der Istanbul Technical University (ITU) skandierte die Menge „Flüchtlinge raus“.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/strafe-fur-amedspor-anwaltskammern-sehen-angriff-auf-kurdische-sprache-48144 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkische-fussballfans-wegen-yesil-masken-festgenommen-43448 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-graue-wolfe-und-fair-play-im-fussball-42635 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/defend-kurdistan-kein-torjubel-fur-kriegstreiber-42557

 

Kategorien: Externe Ticker

Mitglied des Provinzrats von Bagdad getötet

15. Oktober 2025 - 14:00

Irakischen Medienberichten zufolge ist Sefa Meşhedani, Mitglied des Provinzrats von Bagdad und Kandidat der „Souveränitätsallianz“ für die bevorstehenden Parlamentswahlen im Irak, durch einen gezielten Anschlag nördlich von Bagdad getötet worden.

Einstimmigen Medienberichten zufolge, sei Meşhedani durch die Explosion einer unter seinem Auto befestigten Bombe getötet worden. Die Tat ereignete sich in der Region Tarmiyah nördlich von Bagdad.

Meşhedani, war derzeit Mitglied des Provinzrats von Bagdad und kandidierte bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im Irak am 11. November auf der Liste der „Souveränitätsallianz“ unter der Führung von Khamis al-Khanjar.

Sein Tod hat Besorgnis über die Sicherheit von politischen Kandidat:innen im Irak ausgelöst. Mehrere politische Führungspersönlichkeiten, einschließlich des irakischen Parlamentspräsidenten, haben den Vorfall verurteilt und eine umfassende Untersuchung gefordert.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/talabani-trifft-franzosischen-botschafter-dorrell-48388 https://deutsch.anf-news.com/weltweit/bafel-talabani-trifft-irakischen-prasidenten-raschid-48346

 

Kategorien: Externe Ticker

CPT: Ein kalter Frieden?

15. Oktober 2025 - 12:00

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat vor über sieben Monaten einen einseitigen Waffenstillstand verkündet und vor drei Monaten eine öffentliche Waffenverbrennungszeremonie durchgeführt, die die Einleitung eines Entwaffnungsprozesses symbolisierte. Während die im türkischen Parlament eigens zu Lösung der kurdischen Frage eingerichtete Kommission ihre Arbeit verfolgt, hat es im September erstmals seit dem letzten Friedensprozess 2015 keine türkischen Angriffe auf die kurdischen Guerillagebiete gegeben. Dies berichtet die NGO Community Peacemaker Teams – Iraqi Kurdistan (CPT) in einer aktuellen Mitteilung.

Waffenstillstand ohne Demobilisierung

Regelmäßig veröffentlichten die südkurdischen CPT Bilanzen der von ihnen verzeichneten militärischen Auseinandersetzungen in den kurdischen Guerillagebieten. Blieb eine Reduktion der türkischen Angriffe als Antwort auf den am 1. März verkündeten Waffenstillstand noch aus, so habe sich nach der Zeremonie Mitte Juli ein Rückgang von 97 Prozent gezeigt. Im September dieses Jahres hat die NGO eigenen Angaben zufolge keinerlei Bombardierungen oder Angriffe des türkischen Militärs in der Region beobachtet – zum ersten Mal seit über zehn Jahren.

Dennoch habe es keine Demobilisierung gegeben, die CPT gaben an, gar eine Verstärkung der Militarisierung verzeichnet zu haben.

Angriffe im Juli und August

Die CPT zählten im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 18 türkische Angriffe und Bombardierungen im Juli, 16 im August und keinen im September. Diese seien weit überwiegend Artilleriebeschüsse gewesen, auch ein Drohnen- und ein Hubschrauberangriff wurden verzeichnet. Hierbei sollen 97 Prozent der Angriffe auf die Region Amêdî erfolgt sein.

Zum Vergleich zeigten die Registrierungen der CPT vom 1. März bis zum 30. Juni 1.390 Bombardierungen und Angriffe, mit einem starken monatlichen Anstieg bis Juli.

Anhaltende Einschränkung der Zivilbevölkerung

Dennoch sei die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung aufgrund einer verstärkten militärischen Präsenz in der Region weiterhin eingeschränkt, berichtete die NGO und sprach gebietsweise von „völligen Blockaden“ und „anhaltenden Vertreibungen“. Während die Regionalregierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) Anwohner:innen in Amêdî die Rückkehr zu ihren landwirtschaftlichen Flächen gestattete, seien diese bei dem entsprechenden Versuch vom türkischen Militär festgenommen und des Gebietes verwiesen worden. Ähnliches ereignete sich laut CPT-Angaben in anderen Bezirken.

Auch in der Region Gare sei der vor rund 14 Monaten gewaltsam vertriebenen Bevölkerung die Rückkehr in ihre Dörfer von der KRI-Regierung gestattet worden. Bei ihrer Ankunft stellte sie die breitflächige Zerstörung von Wohngebäuden, Bildungseinrichtungen, eines Krankenhauses und mehrerer Moscheen durch türkische Luftangriffe fest, berichtete die NGO.

Auch habe die Türkei laut CPT die Abholzung und den Export von Holz aus der Zap-Region in die Türkei seit dem 15. September stark voran getrieben.

Verstärkte Mobilisierung

Die NGO gab an, dass das türkische Militär seine militärische Präsenz insgesamt ausgebaut habe, anstatt Truppen abzuziehen. So sei die Errichtung neuer Stützpunkte und Militärstraßen registriert worden. Die CPT halten dies für „eine bedeutende Entwicklung, da die Straßen nun direkt von den Militärstützpunkten zu bewohnten kurdischen Dörfern verlängert“ würden.

Außerdem gab die NGO an, in dem Zeitraum beobachtet zu haben, dass die PKK und andere Gruppen ihre Tunnelnetze in der Region weiter ausbauten.

Aufruf zum Friedensprozess

Die Community Peacemaker Teams forderten abschließend alle Seiten zur uneingeschränkten Beteiligung am Friedensprozess auf und appellierten auch an die irakische Regierung sowie die südkurdische Regionalregierung, einen Beitrag zu diesem zu leisten und die Sicherheit sowie Rechte der Zivilbevölkerung zu garantieren.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/turkische-drohne-sturzt-in-qendil-region-ab-48374 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-turkei-ist-noch-weit-von-einem-positiven-frieden-entfernt-47753 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/turkisches-militar-blockiert-dorfzufahrten-in-der-region-batifa-47339

 

Kategorien: Externe Ticker

Anwalt Demir: „Öcalans Freiheit ist die Garantie für den Prozess“

15. Oktober 2025 - 12:00

Cemal Demir, Rechtsanwalt und Ko-Vorsitzender der Partei der demokratischen Regionen (DBP) in der Provinz Wan (tr. Van), hat gegenüber ANF seine konkreten Perspektiven und legislativen Vorschläge für die in der Türkei zur Lösung der kurdischen Frage eingerichtete parlamentarische „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ erklärt. Die Bedeutung des Gründers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, für eine Demokratisierung hält er für umfassend: „Herr Öcalan muss seine körperliche Freiheit erhalten, damit seine historische Rolle und Mission vollständig verwirklicht werden kann.“

Dauerhafte und Übergangslösungen

Die im Parlament eingerichtete Kommission sei, so Demir, noch nicht über die bekannten üblichen Ansätze hinausgegangen. Um ihr Gründungsziel zu erreichen, sollte die Kommission nach Meinung des Juristen ihren Bericht unter zwei grundlegenden Überschriften strukturieren. Demir gab folgende konkrete Empfehlungen ab:

- Gesetz für den Übergangsprozess: Es müssen Änderungen am Ausführungsgesetz und am türkischen Strafgesetzbuch vorgenommen werden, damit Personen, die sich im Gefängnis, im Exil oder in Strafhaft befinden, in das soziale und politische Leben zurückkehren können.

- Dauerhafte Lösung: Die kurdische Sprache und Kultur müssen auf Verfassungsebene anerkannt werden, der Weg für Bildung in der Muttersprache muss geebnet werden und die verfassungsmäßige Staatsbürgerschaft muss neu definiert werden.

EGMR-Urteil und das Recht auf Hoffnung

Demir wies auf die Rolle von Öcalan hin, den er als Hauptakteur in diesem Prozess benannte, und sagte: „Die Freiheit von Herrn Öcalan ist von größter Bedeutung, damit er seine historische Rolle und Mission voll und ganz erfüllen kann. Es gibt die rechtliche Grundlage, um diese Freiheit zu gewährleisten.“ Im Folgenden verwies der DBP-Politiker auf das EGMR-Urteil von 2014 zum sogenannten „Recht auf Hoffnung“, nach welchem eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Aussicht auf Bewährung gegen die Menschenrechte verstößt und fügte hinzu: „Gemäß Artikel 90 der Verfassung ist die Republik Türkei verpflichtet, dieses Urteil umzusetzen.“

„Eine kleine Gesetzesänderung reicht aus“

Bereits eine kleine Änderung des Vollstreckungsgesetzes würde laut Demir für die Umsetzung des „Rechts auf Hoffnung“ ausreichen. Außerdem vertritt er die Meinung, dass die Bestimmung, wonach eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe bis zum Tod verbüßt werden muss, generell abgeschafft werden sollte.

Demir unterstrich abschließend: „Das ‚Recht auf Hoffnung‘ muss umgesetzt werden, damit die objektiven und subjektiven Bedingungen für einen gesunden Fortschritt des Prozesses entstehen können.“

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/karaca-kurdische-rechte-mussen-gesetzlich-verankert-werden-48386 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/prof-lemkow-ohne-freilassung-Ocalans-kann-es-keinen-gerechten-friedensprozess-geben-48369 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kocak-unser-sternmarsch-ist-auch-ein-pladoyer-fur-demokratie-und-frieden-48385

 

Kategorien: Externe Ticker

Autonomie in Zeiten des Umbruchs

15. Oktober 2025 - 10:00

Das syrische Konfliktfeld hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich gemacht, mit welchen Mitteln regionale Machtverhältnisse neu geordnet werden. Der Aufstieg von Abu Mohammad al-Dschaulani, dem Anführer von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), zu einer führenden Figur einer Übergangsregierung Anfang des Jahres und seine zunehmende internationale Sichtbarkeit markieren einen symbolischen Höhepunkt dieses Wandels. Dschaulanis Präsenz dient dabei nicht nur der Suche nach innerer Legitimität, sondern ist zugleich Teil eines von externen Akteuren unterstützten Wiederaufbauprojekts – finanziert und gefördert durch wirtschaftliche und diplomatische Anreize. In diesem Kontext ermöglichen insbesondere die umfangreichen Investitionszusagen aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten eine kurzfristige ökonomische Stärkung der zentralen Autorität.

Verhandlungen unter asymmetrischen Bedingungen

Diese Entwicklungen stellen die Dezentralisierungsansätze der kurdischen geführten Selbstverwaltung vor eine doppelte Bewährungsprobe. Zum einen gefährden der zentralistische Kurs klassischer Nationalstaaten und die Suche nach externer Legitimität die politische Existenz autonomer Verwaltungen. Ein Beispiel hierfür sind die Gespräche zwischen der Übergangsregierung Syriens und der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), in denen es um mögliche Integrationsvereinbarungen geht – parallel zu regionalen Forderungen der Türkei. Zwar sind kurdische Vertreter:innen in diese Prozesse eingebunden, doch herrschen dabei ungleiche Machtverhältnisse: Die Verhandlungen leiden unter asymmetrischen Bedingungen, schwachen Sicherheitsgarantien und der Gefahr, dass lokale Rechte an politische Bedingungen geknüpft werden.

Zum anderen steht die kurdische Selbstverwaltung vor der Herausforderung, internationale Anerkennung unter Bedingungen zu erhalten, die stark von geopolitischen Interessen geprägt sind. Aussagen aus dem US-amerikanischen politischen Umfeld zeigen, wie eng solche Unterstützung mit strategischem Bedarf verknüpft ist. Weil diese Legitimation nicht auf völkerrechtlichen Normen, sondern auf Machtkalkül basiert, wird es für die kurdische Seite zunehmend schwieriger, ihre Autonomieansprüche auf internationaler Ebene glaubwürdig zu vertreten.

Während Abdullah Öcalans Appelle für Frieden und eine demokratische Gesellschaft einen Strategiewechsel innerhalb der PKK andeuten, klafft zwischen diesen Forderungen und der Realität auf dem Boden eine erhebliche Lücke. Der türkische Staat hält weiterhin an einem zentralistischen Sicherheitsverständnis und an der Konstruktion eines einheitlichen Nationalstaats fest. Aus dieser Perspektive werden lokale Selbstverwaltungsmodelle als Sicherheitsrisiko wahrgenommen – was dazu führt, dass kurdische Bewegungen sowohl politisch als auch militärisch zunehmend an den Rand gedrängt werden.

Zur Einordnung dieser Dynamiken sind drei strukturelle Grundtatsachen entscheidend:

Erstens wird die Machtkonsolidierung von Nationalstaaten nicht nur durch militärische und bürokratische Mittel vorangetrieben, sondern zunehmend über politische Ökonomie.

Zweitens mag externe Legitimität kurzfristig für Stabilität sorgen, doch ohne eine langfristige gesellschaftliche Verständigung bleibt diese Stabilität fragil.

Drittens besteht kein automatischer Zusammenhang zwischen einer Stärkung des Nationalstaats und demokratischem Rückschritt – allerdings erhöhen zentralistische Politiken den Druck auf Minderheitenrechte und lokale Autonomie erheblich.

In einem Satz zusammengefasst: Dezentralisierte Modelle liefern vor Ort Argumente für Legitimität und Effizienz – doch die materielle und diplomatische Unterstützung, die Nationalstaaten von internationalen Akteuren erhalten, droht diese Argumente zu entwerten.

Mehrere Szenarien erscheinen denkbar:

Erstens: Der Zentralstaat bindet die autonomen Akteure im Zuge des Wiederaufbaus mit begrenzten Rechten in seine Strukturen ein. Dieses Modell könnte kurzfristig Stabilität schaffen, bliebe jedoch in seiner Fähigkeit, gesellschaftliche Zustimmung zu erzeugen, eingeschränkt.

Zweitens: Ein zentralistisch geprägtes Staatsnarrativ schwächt lokale Institutionen zugunsten einer einheitlichen Identitätspolitik. Dies könnte Spannungen verschärfen, Fluchtbewegungen auslösen und letztlich zu einer Intensivierung von Assimilationsstrategien führen.

Drittens: Eine begrenzte Autonomie bleibt bestehen – allerdings abhängig von den Interessen externer Investoren und regionaler Akteure. Das würde auf eine hybride Ordnung hinauslaufen, die stark von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bestimmt ist.

In jedem Fall bedarf es einer genaueren empirischen Beobachtung der aktuellen Entwicklungen. Wer erhält welche Aufträge? Wer profitiert vom Wiederaufbau? Auf welche rechtlichen Grundlagen stützen sich Sicherheitskooperationen – und welche konkreten materiellen Auswirkungen haben sie auf lokale Gemeinschaften? Diese Fragen sollten systematisch untersucht werden.

Zugleich ist es wichtig, bei der Bewertung internationaler Anerkennung nicht nur offizielle Stellungnahmen zu betrachten, sondern auch diplomatische Kontakte, Investitionszusagen und propagandistische Narrative parallel zu analysieren.

Im aktuellen Umbruch gewinnt die Rolle der Kurd:innen an strategischer wie gesellschaftlicher Bedeutung – als geopolitischer Faktor ebenso wie als Träger kollektiver Erinnerung.

Die zentralistische Neustrukturierung nationalstaatlicher Ordnung und die Suche nach externer Legitimität setzen die kurdischen Selbstverwaltungen zunehmend unter Druck. Doch ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in politischen Forderungen nach Rechten oder Anerkennung. Vielmehr zeigen diese lokalen Selbstverwaltungsmodelle – gestützt auf eine theoretische wie praktische Grundlage – inmitten multipler Krisen ihre Handlungsfähigkeit und ihre Relevanz als tragfähige institutionelle Alternative.

*Sinan Cûdî ist Journalist und lebt und arbeitet in Rojava. Der hier veröffentlichte Artikel erschien im Original als Forumsbeitrag in der Zeitung „Yeni Yaşam“ auf Türkisch.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/abdi-dialog-mit-damaskus-und-turkei-dauert-an-48352 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-delegation-schliesst-gesprache-mit-Ubergangsregierung-in-damaskus-ab-48367 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-bekraftigen-anspruch-als-nationale-verteidigungskraft-48322

 

Kategorien: Externe Ticker

Hezro: Wenn die Rebstöcke verbrennen

15. Oktober 2025 - 10:00

Im Kreis Hezro in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) hat der Klimawandel den traditionellen Weinbau schwer getroffen. Wie Bewohner:innen des Dorfes Qubikê (Bağyurdu) berichten, führte ein extrem trockener Sommer und Wassermangel in diesem Jahr zu massiven Hitzeschäden bei Rebstöcken und Trauben. Statt Ernteüberschuss und Vorratsproduktion blieb vielen nur noch ein Bruchteil der gewohnten Ausbeute.

„Ein Großteil der Trauben ist direkt an den Reben verbrannt“, sagte der Landwirt Alihan Kuşlu. Er sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung: „Es gab viele Trauben, aber die Hitze hat sie zerstört. So etwas erleben wir in den letzten Jahren immer öfter.“

Herbstarbeit mit großer Mühe, aber wenig Ertrag

Wie in jedem Jahr begaben sich auch diesen Oktober zahlreiche Familien aus Qubikê in ihre Weinberge, um Trauben für die Wintermonate zu verarbeiten. Traditionell werden daraus Traubensirup, Fruchtleder und Tschurtschchela hergestellt. Die Vorbereitungen – von der Lese über das Einkochen bis zum Trocknen – dauern mehrere Tage und werden größtenteils in Handarbeit erledigt.

 


„Wir machen alles selbst, vom Pflücken bis zum Kochen“, sagt Mürvet Yıldeniz, eine der Frauen, die an der Verarbeitung beteiligt sind. Der gesamte Prozess sei zwar anstrengend, aber Teil einer über Generationen weitergegebenen Tradition. „Früher stellten wir auch Çekçek, eine schnittfeste Süßigkeit aus Traubensaft und Nüssen, her. Aber wegen der geringen Ausbeute geht das nicht mehr.“

Trotz der harten Arbeit sei der Ertrag in diesem Jahr deutlich geringer ausgefallen. Viele Früchte konnten wegen der Dürre nicht verwendet werden. „Wir arbeiten viel, aber es lohnt sich kaum. Wir konsumieren, was wir selbst herstellen – kaufen tun wir fast nichts“, so Yıldeniz.

Dürre verschärft Existenzsorgen

Die Folgen des Klimawandels, aber auch falscher staatlicher Umweltpolitik, treffen laut den Dorfbewohner:innen nicht nur Trauben, sondern auch andere landwirtschaftliche Produkte wie Pistazien und Gemüse. Die steigenden Temperaturen, ausbleibender Regen und damit verbundene Ernteausfälle verstärken die wirtschaftlichen Sorgen in ländlichen Gebieten zusätzlich zur allgemeinen Wirtschaftskrise.

„Früher verbrachten wir auch unsere Freizeit in den Weinbergen. Heute ist vieles nur noch Routine – aber ohne Freude. Der Geschmack, die Menge, alles ist anders“, sagt Alihan Kuşlu. Für die kommenden Jahre befürchten viele weitere Einbußen. „Wenn es so weitergeht, wird es noch schlimmer. Es braucht dringend Lösungen.“

[album=21544]

https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/agraringenieur-landwirtschaft-in-kurdistan-wird-systematisch-zuruckgedrangt-48241 https://deutsch.anf-news.com/frauen/geothermieprojekt-in-Cewlig-bedroht-traditionelle-lebensweisen-47650 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/energieprojekte-setzen-natur-in-wan-unter-druck-48115 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/kiesabbau-von-umstrittenem-unternehmer-bedroht-zilan-fluss-48233

 

Kategorien: Externe Ticker

Konferenz in Berlin: Mut zur Wahrheit

15. Oktober 2025 - 8:00

Für den 8. November lädt das Berliner Online-Medium Gegenwind unter dem Titel „Mut zur Wahrheit“ in die Räumlichkeiten des Kreuzberger bUm. In mehreren Diskussionsveranstaltung soll der Spielraum vermessen werden, der kritischem Journalismus in einer Zeit zunehmender kriegerischer Auseinandersetzungen noch bleibt. Die Podien sind dabei besetzt mit Pressevertreter:innen, die aus eigener Erfahrung berichten können, wie hart dieser Job mittlerweile geworden ist. „Wir wollen ins öffentliche Bewusstsein rücken, wie gefährlich es mittlerweile geworden ist, die Wahrheit zu filmen, zu schreiben oder zu sagen“, sagt Andrej Vogelhut, Redakteur bei Gegenwind und einer der Organisatoren der Konferenz, im Interview mit ANF Deutsch. Dabei sei es gerade jetzt wichtiger denn je, dass kritischer Journalismus die Gesellschaft aufḱläre. „Wir gehen offenbar auf immer mehr und immer größere Kriege zu. Da ist es eigentlich die Pflicht der Presse, gegenzusteuern.“

Kurdischer Journalist Nedim Türfent als Redner angekündigt

Wo es um die Beschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit geht, muss auch über Kurdistan und die Türkei gesprochen werden. Die Türkei belegt in den internationalen Ranglisten zur Pressefreiheit regelmäßig Plätze ganz am Ende der Liste. Sie gehört zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalist:innen, darunter ausnehmend viele Kurd:innen. Einer von ihnen, der selbst wegen seiner journalistischen Tätigkeit inhaftiert war und gefoltert wurde, ist Nedim Türfent. Er wird am 8. November auf dem Podium unter dem Titel „Haft, Folter, Zensur – Erdogans Angriff auf kurdische Journalist:innen“ sprechen. Türfent, geboren im nordkurdischen Gever (tr. Yüksekova), arbeitete für die Nachrichtenagentur Dicle (DIHA). 2016 wurde DIHA per Notstandsverordnung verboten, im selben Jahr wurde Türfent unter diversen Vorwänden festgenommen und später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Palästinensische Reporter:innen berichten über Erfahrungen

Seine Geschichte ist aber kein Einzelfall. Hunderte kurdische Journalist:innen sahen sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit Todesdrohungen, Folter, Übergriffen und Haft konfrontiert. Immer wieder tötete der türkische Staat auch Medienschaffende im Rahmen seiner vermeintlichen „Anti-Terror-Operationen“.

Darin ähnelt die Situation in Kurdistan der in Palästina. Auch hier findet seit geraumer Zeit, lange vor dem 7. Oktober 2023, die Verfolgung und systematische Ermordung von Journalist:innen statt. Im Rahmen des aktuellen Angriffs auf Gaza eskalierte die israelische Besatzungsarmee die Gewalt gegen Pressevertreter:innen in einem kaum je gesehenen Ausmaß. Allein in den vergangenen zwei Jahren ermordete Israel mehr als 200 Journalist:innen. In Berlin werden am 8. Nobember gleich zwei Reporter:innen mit eingehender Erfahrung aus dem Kriegsgebiet in Palästina sprechen: Ahmad al-Bazz und Faten Elwan. Letztere wurde im Rahmen ihrer Berichterstattung selbst zwei Mal angeschossen.

Ziel der Herrschenden: Kritische Stimmen zum Schweigen bringen

„Wir wollen mit der Konferenz zeigen, wie sehr sich die Erfahrungen von Journalist:innen gleichen, wenn sie sich nicht Staat und Kapital unterordnen. Sie werden verfolgt, zensiert, oft auch getötet“, beschreibt Andrej Vogelhut den Zweck der Konferenz. „Das Ausmaß unterscheidet sich. Aber das Ziel der Herrschenden ist überall dasselbe: Die kritischen Stimmen sollen zum Schweigen gebracht werden.“ Das sei auch in Deutschland nicht anders. Ein Panel mit junge-Welt-Chefredakteur Nick Brauns und dem Red-Media-Gründer Hüseyin Doğru hat die Situation von linken Journalist:innen hierzulande zum Gegenstand. Insbesondere der Fall von Doğru zeigt, wie rabiat auch deutsche und europäische Behörden gegen alternative Medien vorgehen. Doğru, selbst Kommunist und Antiimperialist, wurde von der EU als „russischer Agent“ sanktioniert – ohne Beweise und ohne Prozess. Die Konten des Familienvaters wurden eingefroren und sein Unternehmen in den Ruin getrieben. Sich juristisch gegen die Anschuldigungen zu wehren dauert Jahre – und kostet Unsummen.

Zeichen gegen „Haus- und Hofschreiberlinge“ setzen

„Was uns auffällt“, sagt Gegenwind-Redakteur Vogelhut, „ist, dass sich auch relativ wenige Journalist:innen in Deutschland für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Weder für die in Gaza getöteten, noch für die in Deutschland sanktionierten oder durch Polizei, Verfassungsschutz und Co. schikanierten. Es scheint die meisten Haus- und Hofschreiberlinge der großen Medien nicht zu interessieren, was mit der Pressefreiheit jenseits ihrer eigenen Gehaltsklasse passiert.“ Gegen diesen braven, harmlosen Journalismus wolle man ein Zeichen setzen. „Die wahren Journalisten sind nicht die, die bei Springer gut bezahlt vom Schreibtisch aus Meldungen abschreiben. Der Journalismus, der den Namen verdient, wird heute in Kurdistan eingesperrt und gefoltert, in Deutschland zensiert und sanktioniert und in Palästina kaltblütig ermordet.“

Die Konferenz findet am 8. November 2025 ab 9:30 Uhr im bUm Kreuzberg (Paul-Lincke-Ufer 21, 10999 Berlin) statt. Ticketvorverkauf: https://gegenwind.news/konferenz/

https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/kurdischer-journalist-serkan-demirel-schildert-abschiebevorgang-in-deutschland-47407 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/ihd-repression-gegen-medien-ist-zur-normalitat-geworden-47251 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/bericht-Uber-1-2-millionen-websites-in-der-turkei-gesperrt-47781 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-egid-roj-bei-drohnenangriff-getotet-45314 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/ermittlungen-gegen-journalistin-nach-enthullungsbericht-uber-zwangsprostitution-48020

 

Kategorien: Externe Ticker

Karaca: Kurdische Rechte müssen gesetzlich verankert werden

15. Oktober 2025 - 8:00

Angesichts des seit Monaten in der Türkei laufenden „Prozesses für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ hat die EMEP-Abgeordnete Sevda Karaca konkrete gesetzliche Schritte zur Lösung der kurdischen Frage gefordert. „Der Staat muss handeln – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt“, sagte Karaca mit Blick auf politische Blockaden.

Die kurdische Bevölkerung habe über Jahre hinweg legitime Forderungen erhoben, so Karaca. Diese müssten nun „nicht symbolisch, sondern gesetzlich abgesichert“ werden, sagte sie im Hinblick auf die im Parlament eingerichtete Kommission, die gesetzliche Rahmenbedingungen für eine politische Lösung der kurdischen Frage vorbereiten soll. Zu den wichtigsten Punkten zählte Karaca die Freilassung gewählter kurdischer Mandatsträger:innen, ein Ende der Zwangsverwaltung von Kommunen sowie die Anerkennung des Rechts auf Muttersprache.

„Gesellschaftlicher Prozess, keine Verhandlung der Eliten“

Karaca warnte davor, den angestoßenen Prozess auf die Interessen von Machteliten oder wirtschaftlichen Akteuren zu verengen. Der „Aufruf für Frieden und demokratische Gesellschaft“ des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan vom 27. Februar habe breite Diskussionen ausgelöst und Hoffnungen auf eine friedliche Lösung neu belebt – doch bisher sei von staatlicher Seite keine substanzielle Reaktion erfolgt.

 


„Wir sehen, dass sich gesellschaftlich ein neues Fenster geöffnet hat. Doch die politische Verantwortung dafür darf nicht verdrängt werden“, sagte Karaca. Ihre Partei, die Partei für Arbeit, habe sich in ihrem Programm stets für eine Lösung auf Grundlage gleicher Rechte und des Selbstbestimmungsrechts der Völker ausgesprochen.

Drei Forderungen als Ausgangspunkt

Karaca sieht drei konkrete Schritte als unverzichtbaren Ausgangspunkt für jede weitere Öffnung: die Freilassung aller inhaftierten kurdischen Abgeordneten und Bürgermeister:innen, das Ende der Praxis der Treuhänder, also der staatlichen Absetzung gewählter Lokalpolitiker:innen, und die rechtliche Anerkennung des Kurdischen als öffentliche Sprache – einschließlich muttersprachlicher Dienstleistungen. „Diese Forderungen sind nicht radikal. Sie sind realistisch und selbst unter den derzeitigen Machtverhältnissen möglich“, betonte Karaca. Es sei höchste Zeit, den „Status quo der Verweigerung“ zu durchbrechen.

Kritik an Isolation Öcalans

Die Abgeordnete äußerte zudem scharfe Kritik an der anhaltenden Isolation Öcalans auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. „Der Staat weiß, dass Öcalan eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt – dennoch wird jede Form von Kommunikation blockiert.“ Die Isolation verhindere einen offenen Dialog und schade der Glaubwürdigkeit des Prozesses.

Gemeinsamer Kampf für Frieden

Karaca forderte zum Schluss den Aufbau einer breiten, demokratischen Friedensbewegung. „Die Forderungen der Kurdinnen und Kurden – nach Frieden, Gleichheit und Sprache – sind auch die Forderungen der Werktätigen im ganzen Land.“ Die EMEP werde weiter daran arbeiten, eine gemeinsame gesellschaftliche Basis für eine demokratische Lösung zu schaffen, betonte sie.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-vorsitzender-bakirhan-fordert-parlament-zu-friedensoffensive-auf-48376 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/das-problem-ist-politisch-die-losung-ebenfalls-48354 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/prof-lemkow-ohne-freilassung-Ocalans-kann-es-keinen-gerechten-friedensprozess-geben-48369

 

Kategorien: Externe Ticker

Koçak: Unser Sternmarsch ist ein Plädoyer für Demokratie und Frieden

15. Oktober 2025 - 7:00

Die Konföderation der Gewerkschaften der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (KESK) hat einen Sternmarsch gestartet, um die Wiedereinstellung von per Notstandsdekret entlassenen Staatsbediensteten und die Wiederherstellung demokratischer Rechte in der Türkei zu fordern. Die Aktion begann am Montag in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır), weitere Züge traten in Riha (Urfa), Dîlok (Antep), Semsûr (Adıyaman), Adana und Mersin an. Das gemeinsame Ziel ist die türkische Hauptstadt Ankara. Dort soll am Freitag ein Protest vor dem Parlament stattfinden.

KESK: Demokratie seit 2016 massiv eingeschränkt

Die Ko-Vorsitzende von KESK, Ayfer Koçak, hat mit ANF über die Hintergründe der Aktion gesprochen. Sie kritisiert insbesondere die Folgen der seit dem Putschversuch 2016 verhängten Notstandsdekrete. „Bereits vor diesen Dekreten gab es Probleme mit der Demokratie in der Türkei, doch seit 2016 sind rechtsstaatliche Verfahren de facto außer Kraft gesetzt“, sagte sie. Die daraus resultierenden Maßnahmen hätten insbesondere in kurdischen Provinzen durch die Zwangsverwaltung von oppositionell regierten Kommunen und die Inhaftierung gewählter Politiker:innen eine neue Dimension erreicht.

Ayfer Koçak (Mitte) beim Auftakt des Sternmarschs in Amed

Laut Koçak beschränkten sich die Dekrete nicht allein auf Entlassungen. Vielmehr sei im Zuge des vermeintlichen Putschversuchs, für den die AKP-Regierung die Gülen-bewegung verantwortlich macht, ein „System der systematischen Ausgrenzung“ entstanden – unter anderem durch Sicherheitsüberprüfungen und willkürliche Auswahlverfahren bei Neueinstellungen im öffentlichen Dienst. Dies treffe insbesondere regierungskritische junge Menschen.

Wirtschaftliche Belastung und soziale Spaltung

Die Gewerkschaftschefin verwies zudem auf zunehmende soziale Ungleichheit: Viele der entlassenen Mitglieder lebten heute unterhalb der Armutsgrenze. „Unsere pensionierten Kolleginnen und Kollegen sind zum Teil auf die Hälfte des Existenzminimums angewiesen“, so Koçak. Auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sei Ausdruck eines autoritären Systems. Während in der Türkei der Anteil der Millionäre deutlich steige, verarme ein Großteil der Bevölkerung.

Friedensforderung als zentrales Element

Ein weiterer Aspekt des Protests sei die Forderung nach einer politischen Lösung der kurdischen Frage und die Rückkehr zu einem friedlichen Dialogprozess. Koçak erinnerte an den gescheiterten Friedensprozess vor rund zehn Jahren und erklärte: „Der Krieg trifft immer die arbeitende Bevölkerung zuerst – es sind die Kinder der Armen, die im Konflikt sterben.“

Der Gewerkschaftsbund betrachte die aktuelle Protestaktion deshalb auch als „Plädoyer für Demokratie und Frieden“. Nur durch die Beteiligung der Bevölkerung, die Anerkennung von Freiheitsrechten und den Wiederaufbau demokratischer Institutionen könne ein nachhaltiger Frieden gelingen, betonte Koçak.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kesk-marsch-fur-rucknahme-der-entlassungen-von-staatsbediensteten-48362 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gewerkschaftsstudie-armut-in-der-turkei-auf-rekordhoch-48264 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/gedenken-an-gewerkschafter-bei-protest-gegen-khk-entlassungen-45991

 

Kategorien: Externe Ticker

Talabanî trifft französischen Botschafter Dorrell

15. Oktober 2025 - 2:00

Der Vorsitzende der Patriotischen Union Kurdistans (YNK), Bafel Talabanî, hat am Sitz der politischen Akademie seiner Partei in Hewlêr (Erbil) den französischen Botschafter im Irak, Patrick Dorrell, empfangen. Im Mittelpunkt des am Dienstag geführten Gesprächs standen die Regierungsbildung in der Kurdistan-Region des Irak (KRI), die anstehenden Wahlen im Irak sowie bilaterale Beziehungen.

Wie das Präsidialbüro der YNK mitteilte, betonten beide Seiten die Bedeutung der langfristigen und stabilen Beziehungen zwischen Frankreich und der Bevölkerung Kurdistans. Frankreich gilt als einer der wichtigsten europäischen Partner der Autonomieregion.

Foto: YNK-Pressebüro

Talabanî fordert gerechte und dienstleistungsorientierte Regierung

Im Gespräch habe Talabanî betont, es müsse eine leistungsfähige, gerechte und bürgernahe Regionalregierung gebildet werden. Die YNK strebe keine Eskalation, sondern Stabilität und Zusammenarbeit an, so der Parteivorsitzende. Dieses Ziel wolle man „mit aller Kraft“ verfolgen. Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen im Irak unterstrichen beide Gesprächspartner die Notwendigkeit freier, transparenter und pünktlich durchgeführter Wahlen.

https://deutsch.anf-news.com/weltweit/bafel-talabani-trifft-irakischen-prasidenten-raschid-48346 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/turkei-hebt-flugverbot-fur-flughafen-in-silemani-auf-48318 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/talabani-nun-vorsitzender-der-sozialdemokratischen-allianz-der-arabischen-welt-47744

 

Kategorien: Externe Ticker

Demokratischer Völkerkongress in Nordostsyrien verabschiedet Umweltgesetz

15. Oktober 2025 - 0:00

In Nord- und Ostsyrien hat der Demokratische Völkerkongress ein umfassendes Umweltgesetz verabschiedet und zugleich einen neuen Ko-Vorsitzende sowie mehrere Ratsmitglieder gewählt. Die Entscheidungen fielen am Dienstag bei der 118. ordentlichen Sitzung des Gremiums in Raqqa, an der Vertreter:innen verschiedener Gremien teilnahmen, darunter auch die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der Selbstverwaltung Evîn Siwêd und Hussein al-Othman.

Zum Auftakt der Sitzung wurde eine Schweigeminute zum Gedenken an die Gefallenen abgehalten. Anschließend wurde die Tagesordnung verabschiedet und die Entwurfsfassung des neuen Umweltgesetzes vorgestellt. Der Text wurde vom stellvertretenden Ko-Vorsitzenden des Kongresses, Yasir Silêman, vorgetragen und im Plenum Abschnitt für Abschnitt diskutiert, bevor es angenommen wurde.

 


Das neue Gesetz umfasst vier Kapitel und sieben thematische Abschnitte. Es regelt unter anderem:

▪ Definitionen und Zielsetzungen im Umweltschutz,

▪ Verwaltungsstrukturen und Zuständigkeiten,

▪ Umweltverträglichkeitsprüfungen,

▪ Umweltmonitoring und -statistik,

▪ Maßnahmen gegen Luft-, Boden- und Lärmbelastung,

▪ Schutz der biologischen Vielfalt und der Vegetation,

▪ Aufforstung und Ressourcenmanagement,

▪ Umweltinspektionen,

▪ sowie Sanktionen bei Verstößen.

Am Ende der Sitzung wurde Kenhan Şêxmûs Berekat zum neuen Ko-Vorsitzenden des Demokratischen Völkerkongresses gewählt. Er folgt auf Ferîd Etî, der das Amt zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten innehatte. Etî wurde für seine bisherige Arbeit mit einer Ehrenplakette ausgezeichnet.

Weitere Personalentscheidungen betrafen die Kommissionen des Gremiums: Omer Berkel wird künftig die Region Minbic (Manbidsch) im Völkerkongress vertreten. Xelîl Bozan, Ahmed al-Khader und Juhaina Masu wurden als Mitglieder für den Kanton Tabqa bestimmt.

https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/reportage-uber-die-okologischen-folgen-des-turkischen-angriffskriegs-41806 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/abdullah-Oecalan-ueber-die-rueckkehr-zur-sozialoekologie-10093 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/nord-und-ostsyrien-es-findet-ein-Okozid-statt-42094 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/chabur-fluss-in-rojava-vollstandig-ausgetrocknet-46633

 

Kategorien: Externe Ticker

1.800 Briefe an Abdullah Öcalan aus Cizîrê

14. Oktober 2025 - 21:00

Im Kanton Cizîrê in der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens haben Frauen im Rahmen einer Kampagne rund 1.800 Briefe an den in der Türkei inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan verfasst. Die Initiative wurde vom Frauendachverband Kongra Star ins Leben gerufen und soll ein Zeichen für Frieden, Dialog und politische Öffnung setzen.

Die Aktion begann am 1. Oktober als Beitrag der international geführten Initiative „Ich will Abdullah Öcalan besuchen“. Ziel war es laut Kongra Star, die Stimmen von Frauen aus verschiedenen Einrichtungen, Organisationen und Regionen zusammenzutragen. Die Ergebnisse wurden nun in Qamişlo öffentlich vorgestellt.

 


Bei einer Erklärung vor dem Sitz von Kongra Star im westlichen Stadtteil Xerbî trug Sprecherin Rihan Temo zentrale Inhalte der Briefe vor. Viele davon thematisierten demnach die Hoffnung, dass für Öcalan rechtliche und politische Wege geöffnet werden, etwa mit Blick auf seine Rolle in einem möglichen türkisch-kurdischen Friedensprozess. „In den Briefen wird deutlich, dass viele Frauen Öcalan als Symbolfigur für eine friedliche Lösung in der Region sehen“, sagte Temo. „Sie fordern, dass ihm in einem neuen und demokratischen Lösungsprozess Gehör geschenkt wird.“

Die Briefkampagne war Teil einer größeren Reihe von Veranstaltungen, die Kongra Star in Qamişlo organisiert hatte – darunter Demonstrationen, Podiumsdiskussionen und Lesungen von Öcalans „Manifest für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“. Laut Temo wolle die Organisation damit einen Beitrag zu Demokratie, Gleichstellung und einem Ende der Gewalt leisten.

Gleichzeitig sei die Initiative auch als Protest gegen das internationale Komplott zu verstehen, wie die kurdische Gesellschaft die völkerrechtswidrige Verschleppung Öcalans aus Kenia in die Türkei bezeichnet. Kongra Star kritisierte die andauernde Inhaftierung des PKK-Begründers und rief internationale Institutionen dazu auf, sich für Öcalans „Recht auf Hoffnung“ – die Möglichkeit auf eine Haftüberprüfung lebenslänglich Inhaftierter – einzusetzen.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/frieden-schaffen-patriarchat-entwaffnen-bundesweites-treffen-von-women-defend-rojava-48353 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/das-beharren-auf-menschsein-48330 https://deutsch.anf-news.com/frauen/frauenbewegungen-in-syrien-einigen-sich-auf-gemeinsame-agenda-48042
Kategorien: Externe Ticker

Treffen zwischen PJAK und Komeleya Zehmetkêşan in Silêmanî

14. Oktober 2025 - 21:00

Vertreter:innen der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) und der Komeleya Zehmetkêşên Kurdistanê sind in Silêmanî zu politischen Gesprächen zusammengekommen. An dem Treffen in der Zentrale der Komala für Außenbeziehungen nahmen hochrangige Mitglieder beider Gruppen teil, darunter der Ko-Vorsitzende der PJAK, Amir Karimi, die stellvertretende Parteivorsitzende Gulan Fehîm sowie Verantwortliche für internationale Beziehungen. Die Delegation wurde vom Generalsekretär der Komeleya Zehmetkêşan, Hawrê Reza Kebî, sowie weiteren Mitgliedern des Leitungsgremiums empfangen.

Wie aus einer gemeinsamen Erklärung hervorgeht, standen aktuelle politische Entwicklungen im Nahen Osten im Mittelpunkt der Gespräche – darunter die Situation in den vier Teilen Kurdistans, die Lage nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 sowie der Zwölf-Tage-Krieg zwischen Israel und Iran. Auch die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die kurdische Bevölkerung wurden thematisiert.

Darüber hinaus verständigten sich beide Seiten auf eine stärkere Koordination und den Ausbau der Zusammenarbeit. Zur Sprache kamen außerdem soziale Themen wie die Rolle der Frauen in der Gesellschaft, Umweltfragen sowie die Notwendigkeit eines strukturierten Dialogs zwischen kurdischen Parteien in Ostkurdistan (Rojhilat).

Beide Delegationen hoben am Ende des Treffens die Bedeutung freundschaftlicher Beziehungen und einer abgestimmten politischen Haltung hervor. Ziel sei es, gemeinsame Interessen künftig stärker zu vertreten und den innerkurdischen Austausch zu fördern.

https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/fuad-beritan-machtvakuum-in-iran-kann-den-weg-einer-demokratischen-ordnung-ermoglichen-48255 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/rojhilat-mindestens-zehn-festnahmen-in-wenigen-tagen-48366 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/pjak-jin-jiyan-azadi-ist-das-revolutionare-herz-des-demokratischen-aufbruchs-47973

 

Kategorien: Externe Ticker

Überraschungsfund: 1.500 Jahre alte Mosaike in Midyad entdeckt

14. Oktober 2025 - 21:00

In der kurdischen Provinz Mêrdîn (tr. Mardin) haben Archäolog:innen unter dem Boden einer historischen Wassermühle bei Midyad (Midyat) rund 1.500 Jahre alte Mosaike freigelegt. Die kunstvoll gearbeiteten Bodenverzierungen mit geometrischen Mustern und christlichen Symbolen gelten als erster Fund dieser Art entlang der Achse Midyad-Nisêbîn und liefern neue Hinweise auf die frühe byzantinische Besiedlung der Region.

Die Entdeckung gelang während Reinigungsarbeiten in der Mühle im Ortsteil Sivrice, berichtete die armenische Zeitung Agos am Dienstag. Nachdem ungewöhnliche Strukturen im Boden sichtbar wurden, informierten die Eigentümer:innen die Museumsdirektion in der Provinzhauptstadt Mêrdîn. In einer daraufhin genehmigten Rettungsgrabung kamen auf einer Fläche von rund 40 Quadratmetern farbige Mosaike mit Medaillons, Kreuzmotiven, Wellen- und Knotenmustern zutage – sowie eine griechische Inschrift mit den Worten „Tittos Domestikos“.


Verwaltungsgebäude aus der frühen byzantinischen Zeit?

„‚Tittos‘ dürfte ein Eigenname sein, ‚Domestikos‘ ein Titel – vermutlich aus dem militärischen oder kirchlichen Kontext“, erklärte Grabungsleiter und Museumsdirektor Idris Akgül. „Das deutet darauf hin, dass wir es mit einem zivilen Verwaltungsgebäude aus der frühen byzantinischen Zeit zu tun haben.“ Nach Einschätzung der Fachleute stammt die Mosaikschicht aus einem älteren architektonischen Zusammenhang als das spätere Mühlengebäude, das auf etwa 150 Jahre datiert wird. Der Fund wirft damit ein neues Licht auf die historische Nutzung des Gebietes.

Die Ausgrabung fand in der Çağ-Çağ-Flussniederung statt – einem Tal zwischen Midyad und Nisêbîn (Nusaybin), das für seine antiken Festungen, Karawansereien und historischen Siedlungen bekannt ist. Es war einst Teil bedeutender Handels- und Kulturwege im nördlichen Mesopotamien. „Es ist das erste Mal, dass wir in dieser Region ein Mosaik dieser Art entdecken konnten“, sagte Akgül. „Die Funde eröffnen neue Perspektiven auf die archäologischen Schichten des Tals.“

„Dieses Erbe gehört uns allen“

Die Museumsbehörde plant nun konservatorische Maßnahmen sowie wissenschaftliche Analysen zur genaueren Datierung. Langfristig soll die Fundstelle für Besucher:innen erschlossen werden. Die Mosaike sollen geschützt und zugleich für den Kulturtourismus zugänglich gemacht werden. Die Museumsdirektion arbeitet derzeit an einem Projekt zur Präsentation der Mosaike am Fundort selbst.

Der Eigentümer der Mühle, Reşit Coşkun, zeigte sich derweil erfreut über die Entdeckung. „Wir haben sofort reagiert, als wir auf die Strukturen stießen, und die Arbeiten gestoppt“, sagte er. „Dass sich unter der Mühle ein 1.500 Jahre altes Mosaik verbirgt, hätten wir nicht erwartet.“ Mit Blick auf die Ausstellungspläne betonte er: „Dieses Erbe gehört uns allen. Sein Schutz und seine Vermittlung sind ein Gewinn für die Geschichte unseres Landes.“

https://deutsch.anf-news.com/kultur/seltener-mosaikfund-in-erxeni-davidstern-mit-kreuz-entdeckt-47390 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/tausende-jahre-alte-siedlung-bei-farqin-entdeckt-47923 https://deutsch.anf-news.com/kultur/hilar-fest-fur-geschichte-kultur-und-kulinarik-in-erxeni-48235

 

Kategorien: Externe Ticker

Journalist Hüseyin Aykol mit Hirnblutung im Krankenhaus

14. Oktober 2025 - 19:00

Der Journalist Hüseyin Aykol ist am Dienstagabend bewusstlos in seiner Wohnung in Ankara aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht worden. Nach Angaben seiner Familie wurde der 73-Jährige in das Bildungs- und Forschungskrankenhaus Sincan eingeliefert, wo Ärzt:innen eine Hirnblutung feststellten.

Die Blutung betrifft demnach den linken Bereich des Gehirns. Aykol wird derzeit künstlich beatmet und befindet sich in einem kritischen Zustand. Eine genaue neurologische Untersuchung durch Fachärzt:innen steht noch aus.

Über Hüseyin Aykol

Hüseyin Aykol wurde 1952 im westtürkischen Salihli (Manisa) geboren und studierte in Ankara zunächst Medizin und später Politikwissenschaften. Während des Studiums engagierte er sich in linken Jugendbewegungen und wurde Vorsitzender der Studierendenvertretung. 1981 wurde er in Ankara verhaftet, 45 Tage lang schwer gefoltert und anschließend in das Militärgefängnis von Mamak überstellt. In den folgenden Jahren war er wiederholt inhaftiert und verbrachte insgesamt mehr als zehn Jahre in verschiedenen Gefängnissen.

Nach dem Studium war Aykol in verschiedenen linken Verlagen tätig und begann früh als Übersetzer und Redakteur zu arbeiten, außerdem ist er Autor mehrerer Bücher. In den 1990er-Jahren gehörte er zu den Mitbegründer:innen der türkisch-kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem und war zeitweise deren Chefredakteur. Er gilt als eine der prägenden Figuren der kurdischen Medienlandschaft in der Türkei.

Letztmalig 2019 im Gefängnis

Besonders bekannt ist Aykol für seine kontinuierliche Arbeit zu den Zuständen in türkischen Gefängnissen und seinen jahrzehntelangen Briefkontakt mit Gefangenen, deren Anliegen er journalistisch dokumentierte. Im November 2019, als er letztmalig das Gefängnis verließ – er war wegen seiner Tätigkeit für die Özgür Gündem unter Terrorvorwürfen verurteilt worden – waren über 60 Verfahren gegen Aykol anhängig, zumeist wegen Pressevergehen oder vermeintlicher „PKK-Propaganda“.

https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-akp-mitglied-wider-willen-42584 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/Oezguer-guendem-urteile-gegen-symbolische-chefredakteure-bestaetigt-21740 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/kurdische-presse-missfaellt-gleichgeschalteter-medienlandschaft-20891

 

Kategorien: Externe Ticker

Kurdische Organisationen beraten in Wan über Sprachpolitik und Strategien

14. Oktober 2025 - 19:00

In Wan (tr. Van) beginnt am Mittwoch ein zweitägiger Strategieworkshop zur Zukunft der kurdischen Sprache, organisiert von der Plattform Demokratischer Institutionen (DEKUP) und mehreren kurdischen Sprach- und Kulturorganisationen. Ziel des Treffens ist es, konkrete Strategien und politische Leitlinien für die Stärkung des Kurdischen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu entwickeln.

Unter dem Motto „Her dem Kurdî, her der Kurdî“ („Immer Kurdisch, überall Kurdisch“) werden Vertreter:innen aus den Bereichen Bildung, Literatur, Medien, Religion, Recht, Diplomatie, Ökologie und Politik über den künftigen Status der kurdischen Sprache beraten. Auch eine stärkere gesellschaftliche Verankerung durch Organisation, Bildung und institutionelle Strukturen soll diskutiert werden.

Heval Dilbihar von DEKUP

Die Organisator:innen betonen, dass der Workshop nicht allein auf akademische Diskussionen beschränkt bleiben soll. Im Mittelpunkt stehe die Einbindung der Bevölkerung, erklärte Heval Dilbahar vom Vorbereitungskomitee: „Diesmal kommt die Gesellschaft nicht, um zuzuhören und zu applaudieren. Sie wird aktiv mitdiskutieren, kritisieren und vorschlagen.“

Kritik an bisheriger Praxis: Zu viele Worte, zu wenig Wirkung

Laut Dilbahar sei die bisherige Praxis vieler Konferenzen und Diskussionsforen zur kurdischen Sprache zu oft auf Theorie beschränkt geblieben und habe kaum nachhaltige Veränderungen gebracht. „Wir wollen, dass aus diesem Workshop konkrete Maßnahmen und eine Umsetzungsstrategie hervorgehen, an der sich alle kurdischen Institutionen beteiligen“, sagte er. Geplant ist die Arbeit in acht thematischen Gruppen. Der Workshop wird in den beiden Hauptvarianten der kurdischen Sprache – Kurmancî und Kirmançkî (Zazakî) – abgehalten.

Forderung nach Status, Bildung und Sprachrechten

Im Zentrum der Diskussion stehen die Anerkennung des Kurdischen als offizielle Sprache, das Recht auf Bildung in der Muttersprache sowie Maßnahmen zur Institutionalisierung und Standardisierung. „Wir fordern einen klaren rechtlichen Status für das Kurdische. Aber auch in unseren eigenen Strukturen – in Kommunen, Kulturhäusern, Bildungseinrichtungen – muss Kurdisch zur gelebten Realität werden“, so Dilbahar.

Die Ergebnisse des Workshops sollen nicht nur in die eigene Organisierung einfließen, sondern auch der türkischen Regierung übermittelt werden. „Wir werden deutlich machen, dass dies der Wille des kurdischen Volkes ist“, sagte er. Wer echten Frieden und eine demokratische Gesellschaft wolle, müsse dem Kurdischen Raum, Rechte und Schutz zugestehen.

Sprache als Teil des demokratischen Friedens

Mit Blick auf die gesellschaftspolitische Dimension betonte Dilbahar: „Der Weg zu echtem Frieden führt über die Anerkennung der kurdischen Sprache.“ Er kündigte zudem an, das aus dem Workshop heraus auch politische und juristische Vorschläge erarbeitet werden sollen, die als Grundlage für weitere Debatten innerhalb und außerhalb der kurdischen Gesellschaft dienen sollen.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/neuer-verein-in-wan-dadsaz-will-kurdische-rechtssprache-starken-45892 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demonstration-in-istanbul-fur-bildung-auf-kurdisch-47856 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kirmancki-rat-in-amed-gegrundet-46229 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/workshop-von-egitim-sen-zu-bildung-in-muttersprache-45906

 

Kategorien: Externe Ticker

Amed: Studierende fordern Aufklärung zum Tod von Rojin Kabaiş

14. Oktober 2025 - 15:00

In der nordkurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) haben Studierende der Dicle-Universität gemeinsam mit politischen Parteien und Angehörigen gegen die ausbleibende Aufklärung im Fall der 2024 unter ungeklärten Umständen verstorbenen Rojin Kabaiş protestiert. Die 21-jährige Kindheitspädagogik-Studentin war im vergangenen Jahr nach ihrem Verschwinden in der Provinz Wan (Van) tot aufgefunden worden. Obwohl das Institut für Rechtsmedizin DNA-Spuren von zwei Männern an ihrem Körper festgestellt hat, sind bis heute weder Tatverdächtige noch Tatablauf bekannt.

„Kein Selbstmord, sondern Femizid“

Organisiert wurde der Protestmarsch auf dem Universitätsgelände von der Frauenorganisation Xeta Jinê, Unterstützung gab es von den Jugendräten der Parteien DEM und DBP. Die Demonstrierenden forderten Aufklärung, Gerechtigkeit und ein Ende der Straffreiheit bei geschlechtsspezifischer Gewalt.

In einer Erklärung erklärte die Studentin Berivan Iğın im Namen der Teilnehmenden: „Von Anfang an war klar: Rojins Tod war kein Suizid, sondern ein Mord. Seit Monaten versucht man, den Fall unter der Oberfläche zu halten. Doch die im forensischen Gutachten gefundenen DNA-Spuren beweisen das Gegenteil – und dennoch bleibt alles im Dunkeln.“

Iğın warf den Behörden eine systematische Vertuschung vor und forderten die Offenlegung der Wahrheit. „Frauenmorde sind politisch. Jede Straffreiheit, jedes Schweigen öffnet dem nächsten Gewaltverbrechen Tür und Tor.“ Mit Blick auf die forensischen Funde fragte Iğın: „Warum wird der Tod nicht aufgeklärt? Wer wird geschützt – und warum?“ Sie bezeichnete das Verbrechen als „Angriff auf alle Frauen“ und kündigte weiteren Widerstand an, sollte der Fall weiterhin ohne Konsequenzen bleiben.

Mutter Aygül Kabaiş: „Rojin hat sich nicht das Leben genommen“

Auch Aygül Kabaiş, die Mutter der gestorbenen Studentin Rojin, sprach bei der Kundgebung und appellierte eindringlich an die Behörden: „Sie sollen endlich die Täter benennen. Sie wissen, was geschehen ist – warum sagen sie es uns nicht? Wir sagen, es war kein Selbstmord – aber sie behaupten das Gegenteil. Wir akzeptieren das nicht – niemand in der Türkei sollte das akzeptieren.“

Die Mutter forderte ein Ende der staatlichen Ignoranz gegenüber Gewalt gegen Frauen: „Keine Mutter soll mehr um ihre Tochter weinen. Warum wurde Rojin ermordet?“

Verletzter Student bei Zwischenfall

Während der Demonstration wurde der Student Baver Aytekin von einem Auto erfasst, da es keine polizeiliche Absicherung der Versammlung gab. Erst rund 30 Minuten nach dem Unfall trafen Rettungskräfte ein. Der Student wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach Angaben von Angehörigen besteht keine Lebensgefahr.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/widerspruche-im-fall-rojin-kabais-dem-abgeordnete-fordert-unabhangige-untersuchung-48364 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/fall-rojin-kabais-strafanzeige-gegen-gerichtsmedizin-und-proteste-in-wan-48368 https://deutsch.anf-news.com/frauen/rojin-kabais-dna-funde-erharten-verdacht-auf-sexualisierte-gewalt-48336

 

Kategorien: Externe Ticker