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Aktualisiert: vor 58 Minuten 8 Sekunden

Bürgerversammlungen: Forderung nach Öcalans Freilassung dominiert

27. Dezember 2025 - 8:00

Die Ergebnisse der im zurückliegenden Jahr abgehaltenen „Treffen für Frieden und demokratische Gesellschaft“ in Nordkurdistan sollen direkt mit dem inhaftierten PKK-Begründer Abdullah Öcalan geteilt werden. Das erklärte Suzan Akipa, Rechtsanwältin der Istanbuler Kanzlei Asrin, gegenüber ANF. Nach Angaben Akipas bilden die Zusammenkünfte, die unter der Schirmherrschaft der Plattform demokratischer Institutionen (DEKUP) stattfanden, eine Art politische Standortbestimmung und sollen als Grundlage für eine künftige Strategie dienen. Bürger:innen hätten ihre Erwartungen, Kritiken und Sorgen eingebracht, wobei ein zentrales Thema die physische Freiheit Öcalans gewesen sei. „Der mit Abstand am häufigsten artikulierte Wunsch war die Freilassung von Herrn Öcalan“, sagte Akipa. Viele sähen in ihm die zentrale Figur für Frieden und eine demokratische Zukunft des kurdischen Volkes.

 


Hohes Interesse an Öcalan und den Bedingungen auf Imrali

Die Treffen wurden in mehreren Städten und Landkreisen abgehalten, darunter Amed (tr. Diyarbakır), Dersim (Tunceli) und Provinzen der Serhed-Region. Auch die kürzlich aus der Haft entlassenen ehemaligen Politischen Gefangenen Veysi Aktaş und Çetin Arkaş, die früher als Teil des „Öcalan-Sekretariats“ auf der Gefängnisinsel Imrali wirkten, nahmen an vielen dieser Treffen teil. Ihre Anwesenheit habe großes Interesse geweckt, so Akipa. Berichte über Haftbedingungen, persönliche Erlebnisse und Eindrücke von den Gesprächen mit Öcalan seien von den Teilnehmenden aufmerksam verfolgt worden. „Die Beiträge vermittelten ein greifbares Bild der Führungsrolle Öcalans“, so Akipa.

Kritik an fehlenden Fortschritten im Friedensprozess

Nach Ansicht vieler Teilnehmender bleibe die türkische Regierung konkrete Schritte für einen dauerhaften Frieden schuldig. Das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen sei groß und rühre von jahrelanger Untätigkeit, betonte Akipa. „Wenn ein echter Frieden zwischen Türk:innen und Kurd:innen angestrebt wird, muss der Staat unverzüglich handeln“, forderte die Juristin. Erforderlich seien Maßnahmen zugunsten politischer Gefangener, kranken Inhaftierten sowie eine Rücknahme von Zwangsverwaltungen in kurdischen Kommunen. Zudem wurde betont, dass ein Frieden ohne die Beteiligung und Zustimmung der Bevölkerung weder echt noch dauerhaft sein könne.

Rolle der Frauen im Mittelpunkt

Ein weiteres zentrales Thema der Versammlungen war die Rolle kurdischer Frauen in der politischen Bewegung. Deren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung und zum Widerstand gegen staatliche Repression sei umfassend gewürdigt worden, sagte Akipa. Frauen würden als „Motor des kurdischen Freiheitskampfes“ betrachtet.

Perspektive und Weitergabe der Ergebnisse an Öcalan

Laut Akipa seien die Versammlungen auf ausdrücklichen Wunsch Öcalans organisiert worden. Die dort formulierten Anregungen, Forderungen und Kritiken würden dokumentiert und dienten als Wegweiser für kommende Schritte. Die Ergebnisse würden an Öcalan weitergeleitet werden. „Diese Treffen sind keine symbolischen Veranstaltungen, sondern stellen einen ernsthaften Versuch dar, den politischen Dialog zu erneuern und den Willen der Bevölkerung zu artikulieren“, sagte Akipa. Die spürbare Begeisterung in den Versammlungen könne auch als Ausdruck der Hoffnung auf Öcalans Freilassung verstanden werden.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/arkas-frieden-entsteht-durch-gegenseitiges-verstandnis-49291 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/grosses-treffen-fur-frieden-und-demokratie-in-wan-49263 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-gesellschaftliche-konstruktion-von-freiheit-49373 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/umfrage-71-prozent-fordern-gesetzliche-verankerung-des-rechts-auf-hoffnung-49417

 

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Solidarität mit Leyla Zana: Frauenorganisationen stellen landesweit Strafanzeigen

27. Dezember 2025 - 8:00

In mehreren Städten der Türkei und Nordkurdistan haben Frauen- und LGBTIQ+-Organisationen Strafanzeige gegen sexistische und rassistische Angriffe auf die kurdische Politikerin Leyla Zana gestellt. Auslöser war ein Fußballspiel von Bursaspor, bei dem Gruppen aus der Fankurve durch organisierte Schmähgesänge gezielt die frühere Parlamentsabgeordnete beleidigten. Die Parolen wurden später in sozialen Netzwerken verbreitet und von rechtsextremen Akteuren, darunter auch Politiker rechter Parteien, aktiv unterstützt.

Von der Tribüne bis in soziale Netzwerke

Die Fraueninitiative „Ich brauche Frieden“ sowie regionale Frauenplattformen erklärten bei gleichzeitigen Pressekonferenzen am Freitag in Ankara, Istanbul, Izmir, Wan (tr. Van) und Riha (Urfa), dass es sich nicht um Einzelfälle handle, sondern um eine gezielte politisch-sexistische Mobilisierung gegen Zana als Symbolfigur kurdischer Frauenpolitik.

In Ankara sagte die Aktivistin Leman Kiraz, dass 116 Organisationen die eingereichten Strafanzeigen unterzeichnet hätten. Sie verwies auf nationale Mitverantwortung durch das Wegsehen staatlicher Stellen. Die Türkische Fußballföderation (TFF) etwa habe Bursaspor lediglich mit einer Geldstrafe von 16.000 TL (umgerechnet etwa 300 Euro) belegt. Dies sei ein Signal der Verharmlosung.

„Es ist nicht nur ein verbaler Angriff. Es ist ein Angriff auf eine Frau, auf eine Kurdin, auf eine politische Identität und damit auf uns alle“, so Kiraz. Die Täter würden gezielt über die Sexualisierung weiblicher Körper Hass und Spaltung fördern. Auch die Journalistin Gözde Şeker, die die Angriffe öffentlich kritisiert hatte, wurde in sozialen Netzwerken diffamiert, unter anderem mit Bezügen auf ihr Privatleben, wie die Aktivistin betonte.

Solidarität und rechtliche Schritte in mehreren Städten

In Izmir, Wan, Riha und Istanbul hielten Frauenbündnisse Mahnwachen vor Gerichten und reichten dabei kollektiv Strafanzeigen ein. Überall wurde der Ruf laut: „Leyla Zana ist nicht allein“, begleitet von Parolen wie „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) oder „Frauen sind nicht das Schlachtfeld des Krieges“. In Wan sagte Meryema Aslan vom Frauenverein Star, man wolle nicht zulassen, dass sexistische Angriffe als Mittel politischer Eskalation salonfähig würden. Die systematische Kombination aus rassistischem, chauvinistischem und sexistischem Hass ziele darauf, sowohl kurdische Frauen als auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben

Ein Angriff auf Frieden und Gleichheit

Viele Rednerinnen verknüpften die Angriffe mit dem allgemeinen politischen Klima: „Wenn eine Frau zur Zielscheibe wird, ist das meist der erste Schritt zur Eskalation“, erklärte eine Sprecherin in Riha. „Das ist die patriarchale Seite des Krieges und genau deshalb kämpfen wir für Frieden.“ Die Frauenorganisationen fordern nun eine Identifizierung und juristische Verfolgung der Täter, klare Sanktionen gegen beteiligte Sportvereine, eine öffentliche Distanzierung durch Politik und Verbände, sowie eine grundsätzliche Debatte über Sexismus im öffentlichen Raum und Hassrede im Sport.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/wut-nach-sexistischen-fangesangen-gegen-leyla-zana-49320 https://deutsch.anf-news.com/frauen/nach-rassistischen-fangesangen-gegen-leyla-zana-juristinnen-erstatten-strafanzeige-49361 https://deutsch.anf-news.com/frauen/knk-fordert-strafe-fur-angriff-auf-leyla-zana-49390 https://deutsch.anf-news.com/frauen/dem-partei-stellt-strafanzeige-nach-sexistischen-beleidigungen-gegen-leyla-zana-49403

 

Kategorien: Externe Ticker

Ronahî Yekta – Vorbild unserer Generation II

26. Dezember 2025 - 22:00

Im August 2024 reisten wir gemeinsam zu einer Konferenz gegen Feminizid in die Stadt Raqqa. Da der Weg von Hesekê nach Raqqa mit dem Auto Gefahren birgt, sollte keine von uns alleine reisen. In einigen Dörfern auf dem Weg sind weiterhin IS-Schläferzellen aktiv, es kommt gelegentlich zu Angriffen auf Fahrzeuge oder Kontrollpunkte. Hevala Ronahî hatte praktische Erfahrung darin, wie man sich im Notfall aus einem Auto heraus verteidigen kann.

Wir erreichten Raqqa problemlos und nahmen an der Konferenz teil. Diese fand am 10. Jahrestag des Genozids an den Ezid:innen in Şengal statt und wurde von Frauen unterschiedlichster Kulturen und Religionen Nord- und Ostsyriens besucht. Auch Frauen aus anderen Teilen des Mittleren Ostens und der Welt sandten Grußbotschaften. Inhaltlich drehte sich alles um Feminizid und die Frage, wie Organisierung zur Überwindung von Gewalt beitragen kann. Eine Theatergruppe junger Frauen aus Hesekê erzählte zum Abschluss in einem Stück die Geschichte einer armenischen und einer ezidischen Frau.

Hevala Ronahî nahm mit Begeisterung und Neugier teil, als wäre ihr die Frauenorganisierung in der Region ganz neu. Sie sprach mit vielen Teilnehmer:innen, ihr Lachen und ihre gleichzeitig sprudelnde und ruhige Energie verzauberten alle. Es war ihr erster Besuch in Raqqa seit 2018. Damals, direkt nach der Befreiung von IS, hatte sie mit Jugendlichen gearbeitet und am Aufbau des örtlichen Jugendzentrums mitgewirkt. Jetzt erkannte sie die Stadt kaum wieder. Die Innenstadt, der Markt, die Einkaufsstraßen – alles war wiederaufgebaut. Sie schaute aus dem Fenster und staunte. Immer wieder sagte sie, es sei schöner als zuvor.

Respekt Vertrauen, Verbundenheit

Wir besuchten spontan das Jugendzentrum. Schnell bemerkten einige Jugendliche ihre Anwesenheit. Eine gewisse aufgeregte Unruhe machte sich breit, und die jungen Freund:innen dort riefen sofort alle zusammen. Bis wir am Eingang des Jugendzentrums angekommen waren, hatte sich eine ganze Traube Jugendlicher gebildet. In diesem Moment kam in mir ein neues Gefühl auf – ich schaute zu und beobachtete.

Die jungen, meist arabischen Freund:innen begegneten Ronahî mit einem ganz besonderen Respekt. Es fiel mir schwer, das sofort zu begreifen. Die Begrüßung dauerte lange, und alle fragten einander nach dem Befinden und der Situation in der Stadt. Wir setzten uns in einem Raum des Jugendzentrums im Kreis zusammen. Es wurde Tee getrunken und diskutiert. Auch ich beteiligte mich an der Diskussion, doch vor allem hörte ich zu.

Ein besonderes Gefühl hatte sich in mir ausgebreitet. Ich genoss den wertschätzenden, liebevollen Umgang miteinander. Es wurde gelacht und geweint. Wir saßen lange zusammen, und das Gespräch war kurzweilig und interessant. Alle begegneten sich mit großem Vertrauen und tiefer Verbundenheit. Ich begann, etwas zu begreifen: Diese junge Freundin, die seit ihrer frühen Jugend in den Strukturen der kurdischen Freiheitsbewegung organisiert war, wurde hier auf ganz besondere Weise respektiert. Sie hatte durch ihre Anwesenheit in der Stadt eine solche Wirkung entfaltet, dass ihr die Menschen in Hochachtung begegneten.

Sie fragten sie um Rat, baten sie um ihre Einschätzung zu den Entwicklungen in der Region. Der Eindruck, der mir blieb: Dieser jungen Freundin Ronahî wurde begegnet wie einer geachteten, weisen Persönlichkeit, einer gesellschaftlichen Respektsperson. Es war ein Gefühl, wie man es manchmal hier in der Region empfindet, wenn eine alte Frau oder ein Scheich einen Raum betritt. Wie ihr begegnet wurde, sprach für sich.

Nach dem Besuch im Jugendzentrum beschloss die Freundin Ronahî, mir ihren Lieblingsplatz in der Stadt Raqqa zu zeigen. Wir fuhren am Flussufer des Euphrat entlang und parkten in der Nähe eines wohlhabenden Hauses. Wir setzten uns, hatten Kerne und Getränke dabei und genossen den Ausblick auf den ruhigen Fluss. Ronahî erzählte, dass sie früher oft mit jungen Frauen an diesen Ort gegangen war, um sich besser kennenzulernen und gemeinsam zu diskutieren. Viele Freundschaften seien hier entstanden. Aufgeregt erzählte sie, dass in dem Haus am Fluss eine Familie wohne, die sie seit langer Zeit nicht gesehen habe. Wir beschlossen, sie zu besuchen.

Als wir den Innenhof betraten, lief uns lachend die Mutter des Hauses entgegen. Sofort meinte sie, dass Ronahî sie viel zu lange nicht besucht habe und dass die ganze Familie sie vermisst habe. Nach und nach kamen die Familienmitglieder zusammen, es wurde sich umarmt und begrüßt. Die Mutter lud uns ein, im Garten ein paar Trauben zu pflücken.

Gemeinsam gingen wir in den Garten und fanden uns unter einem Dach aus Weinblättern wieder. Weinreben, so groß wie Unterarm und Handfläche zusammen, prall gefüllt, hingen von der Decke herunter. Ich verstand, dass dies die Art ist, wie in der Region Raqqa Wein angebaut wird – nicht in Linien, sondern als Fläche, sodass die Blätter den Trauben selbst Schatten spenden können. Wir pflückten einige Reben zusammen mit den Kindern der Familie und setzten uns anschließend. Es wurde Tee getrunken und sich unterhalten. Immer wieder betonte die Familie, dass Ronahî viel zu selten bei ihnen vorbeikomme. Sie luden uns herzlich ein, zum Abendessen zu bleiben und bei ihnen zu übernachten.

Jede Begegnung und das eigene Handeln mit Bedeutung füllen

Ich hatte das Gefühl, dass uns etwas ganz Besonderes verband. Aber vielleicht war es ihre Art, Verbindung zu schaffen – und ich durfte Anteil daran haben. Auf eine Weise ist es etwas sehr Schönes, wenn das Besondere nicht etwas Außergewöhnliches oder Seltenes ist, sondern zur Art und Weise wird, wie Begegnungen geschehen. Hevala Ronahî nutzte die gemeinsame Zeit immer für Diskussionen und um Fragen zu stellen. Sie dachte über vieles nach und war neugierig. Sie wollte diskutieren und viele verschiedene Sichtweisen zu einem Thema hören. Oft kam uns im selben Moment ein ähnlicher Gedanke. Sie beobachtete sehr aufmerksam und spürte schnell, wie es einem Menschen ging und wonach er suchte. In allem suchte sie nach größerer Tiefe und einem besseren Verständnis. Schon ganz zu Beginn der Revolution in Rojava hatte sie sich dem Widerstand gegen die Besatzung angeschlossen und aktiv am gesellschaftlichen Aufbau teilgenommen. Ich nutzte jede Gelegenheit, an ihren Erfahrungen teilzuhaben.

Einmal erzählte sie von ihrer Zeit in Kobanê, direkt zu Beginn der Befreiung der Stadt vom syrischen Regime ab 2011. Sie war damals gerade 16 Jahre alt und beteiligte sich an der Jugendarbeit. In einer ländlichen Region hatten einige Banden begonnen, Drogen anzubauen, um damit Missbrauch und Schmuggel zu fördern – mit dem Ziel, die Region international als kriminell zu diskreditieren. Vieles wurde versucht, um diese Banden von ihren Tätigkeiten abzuhalten. Als nichts davon Wirkung zeigte, beschlossen Jugendliche vor Ort, die Felder, auf denen Drogen angebaut wurden, komplett niederzubrennen. Hevala Ronahî war daran beteiligt. Die Wirkung dieser Aktion war in ihrer Erzählung deutlich spürbar. In einer so unsicheren Zeit ein so klares Zeichen zu setzen, Haltung zu zeigen, hatte über die Region hinaus Bedeutung – und wirkt bis heute nach.

Tochter Efrîns und Schülerin Abdullah Öcalans

Bei unseren letzten Begegnungen erzählte mir die Freundin Ronahî von ihren Recherchen zum Thema kognitive oder hybride Kriegsführung, in der Region auch „Spezialkrieg“ genannt. Sie hatte sich intensiv mit dem Thema Dschihad, Heiliger Krieg, beschäftigt und eine mehrteilige Abhandlung dazu verfasst: Was ist das Konzept des Heiligen Krieges in der mittelöstlichen, vorislamischen Philosophie? Was ist seine Bedeutung in der islamischen Philosophie? Wie wurde Dschihad in verschiedenen Zeiten verstanden? Wie nutzte der Wahhabismus und sogenannte Islamisten diesen Begriff für sich? Wie können wir Dschihad heute verstehen?

Als Tochter Efrîns, einer Stadt im äußersten Nordwesten Syriens, die sich seit 2018 unter militärischer Besatzung islamistischer, von der Türkei unterstützter Milizen befindet, war ich beeindruckt von ihrer Art, sich dem Thema anzunähern. Anstatt sich mit eindimensionalem Hass und vereinfachter Symbolik abzufinden, wollte sie verstehen und forschte selbstständig. Selbst in einer muslimischen Familie aufgewachsen und heute die Heimatstadt in den ausbeuterischen Händen islamistischer Milizen zu wissen – eine Region im Spannungsfeld zwischen friedlichem, kulturellem Islam und kriegerischem, politischem Islam – ließ sie ihr Leben lang nach Lösungen suchen.

Sie wählte einen analytischen und geschichtlich begreifenden Ansatz, um Lösungen auf die Probleme der eigenen Region zu finden. Im Wissen, dass ein einfaches Versteifen auf Widersprüche und Gegensätze nur die Gewaltspirale in der Region weiterdrehen würde und die Kluften, die sich durch die Gesellschaften des Mittleren Ostens ziehen, nur unüberwindbarer machen. Die Methoden, die Abdullah Öcalan zur Lösung der Probleme des Mittleren Ostens vorschlägt, entschied sie für sich, ihr Leben und Wirken anzuwenden und zog daraus eine Begeisterung, die ansteckend war.

Als ich sie das letzte Mal besuchte, erzählte sie ganz aufgeregt, dass sie Gespräche mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organen und Akteuren geplant habe, um die Ergebnisse ihrer Forschungen mit ihnen zu diskutieren: dem Rat des Demokratischen Islams, dem autonomen Rat der Frauen des Demokratischen Islams, der Gemeinschaft der Nachfahren der Familie des Propheten Mohammed sowie mit einigen Scheichs in der Region. Sie hatte ebenfalls geplant, Freundinnen der Jineolojî-Akademie zu diesen Gesprächen mit einzuladen.

Die Freundin Ronahî war davon überzeugt, dass Bewusstwerdung und Klarheit im Denken die Grundlage jeden bewussten Handelns seien. Sie wertschätzte den Austausch sehr und war überzeugt, dass sie durch ihre Forschung und ihre Initiativen Wirkung entfalten kann. Gleichzeitig war sie bescheiden in dem, was sie tat – oftmals erzählte sie von ihren Vorhaben nicht, bis man sie darauf ansprach und nachfragte. Sie sah es als natürlich und selbstverständlich an, das zu tun, was sie tat.

Hevala Ronahî Yekta ist in vielen Aspekten ein Beispiel für mich. Ich denke, sie ist ein Vorbild für unsere Generation: eine Wegweiserin dafür, die Krankheiten zu überwinden, die uns davon abhalten, unsere Ziele zu erreichen und wirkliche Veränderung zu schaffen. Gegen die Oberflächlichkeit im Denken und in den Begegnungen, gegen die angelernte Ohnmacht und die scheinbar fehlende Wirkungskraft, gegen die bedrückende Traurigkeit, den passiv machenden sogenannten Weltschmerz. Stattdessen: Begeisterung. Liebe. Tiefe. Zugewandtheit. Energie. Selbstbewusstsein. Neugierde. Beharrlichkeit. Zielstrebigkeit. Und Selbstvertrauen.

Unsere Wurzeln kennen und durch sie wachsen

Sie zeigt uns, wie unser Zuhause zum Land der Kinder der Zukunft wird.¹ Ein Leben in Würde und Menschlichkeit, auf der Grundlage der Werte, die uns ausmachen. Wenn Hevala Ronahî über den Weg reflektierte, den sie eingeschlagen hatte, kam sie immer auf ihre Großmutter zu sprechen, die eine Kräuterhexe und Heilerin in Efrîn war. Und sie erzählte von den Alten und Weisen ihrer Region, die um Rat gefragt wurden, und die durch ihr Wirken und ihre Anwesenheit ein Leben in Bedeutung und Selbstbewusstsein bewahrten und schufen.

Sie erzählte von den Gärten und der Landwirtschaft in Efrîn. Davon, wie alles genutzt wurde, was die Erde hergab, und wie niemals etwas weggeworfen wurde. Wie alles selbst gemacht wurde, ohne etwas von außen zu benötigen. Stundenlang erzählte sie mir, wie sie in ihrer Kindheit Oliven sammelten, wuschen, bearbeiteten und verwendeten. Wie viele Produkte in den Dörfern aus Granatäpfeln hergestellt werden. Die Kollektivität des Landes ihrer Kindheit lebte Hevala Ronahî auch mit uns, ihren Freundinnen um sich herum. Sie liebte es, zusammenzukommen, Tee zu trinken, zu erzählen, zu singen, zu lachen und zu tanzen. Es gibt eine bekannte Eigenschaft der Menschen aus Efrîn, die auch ihr zu eigen war: immer nach Orten und Gelegenheiten zu suchen, um unsere Umgebung zu bepflanzen und zu begrünen.

Diese Natürlichkeit und Verbundenheit, untereinander und mit der Erde, ist eine Kraftquelle, die wir alle in uns wiederfinden und zum Sprudeln bringen können. Ein kollektiver, gesellschaftlicher Kampf und seine Persönlichkeiten wachsen aus solchen tiefen Wurzeln. Wir alle haben ein tiefes Wurzelgeflecht, das untrennbar mit der Erde, die uns nährt, verwoben ist. Uns dieser Verbundenheit, dieser Wurzeln, dieser Kraft wieder bewusst zu werden, lässt uns wachsen. Hevala Ronahî Yekta ist ein Beispiel dafür, wie unsere Generation diese Kraft leben, bewahren und neu schaffen kann.

Die Jugendlichen in Raqqa haben diese Eigenschaft in ihr erkannt, und sie wurde von ihnen als Ratgeberin anerkannt. Unsere Generation braucht Orientierung und Beispiele wie sie, diese junge Frau aus Efrîn, um ihren eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen. Wir brauchen ihren Mut, um aus dem Albtraum zu erwachen, in den wir geboren sind,² und dabei nicht zu verzweifeln, sondern für unser Leben zu kämpfen.

Zu kämpfen ist ein langer Weg, wie uns die Menschen in Nord- und Ostsyrien durch ihr Beispiel zeigen.³ Junge kurdische Frauen wie Hevala Ronahî Yekta sind in eine Frauenbewegung hineingewachsen, die mit der Formel Jin, Jiyan, Azadî weltweit Bekanntheit erlangt hat. Auch sie fanden Orientierung und Rat bei den Frauen, die diese große gesellschaftliche Bewegung – die kurdische Freiheitsbewegung – geprägt haben. Wir selbst, und unser Wirken, können zur Kraftquelle werden. Und zu neuen Wurzeln, aus denen kommende Generationen ihre Stärke und ihr Selbstbewusstsein schöpfen.

Eine Einladung, für unser Leben zu kämpfen

1995 im Baath-Regime geboren, als Jugendliche Zeugin der Aufstände in Syrien und Teil der Revolution von Rojava geworden. Mit 29 Jahren als YPJ-Kommandantin das eigene Leben in Autonomie und Selbstbestimmung an den Ufern des Euphrat verteidigt. Diese Geschichten sind die Fäden, aus denen wir unsere eigene Zukunft in Würde und Menschlichkeit spinnen. Es gibt unzählige solcher Fäden – wir müssen sie nur sehen lernen, erkennen lernen, und sie miteinander verbinden.

Hevala Ronahî Yekta hat entschieden, ein von Bedeutung und Liebe gefülltes Leben zu führen. Mit ihrem Lächeln lädt sie uns alle ein, Teil dieses Lebens zu werden. Hevala Ronahî leuchtet uns den Weg, den wir gemeinsam beschreiten. Mutig und entschlossen können wir alles erreichen. Hevala Ronahî wurde durch den Feind von uns gerissen, doch unsere Verbundenheit und Liebe leben und wachsen weiter. Die Feinde des Lebens und der Menschlichkeit versuchen unentwegt, uns zu verletzen und zu vernichten.

Doch diese Aggression wird uns nicht davon abhalten, auf unserem Leben zu bestehen. Mit dem Licht von Hevala Ronahî werden wir ihre Träume und Wünsche, ihre Definition eines freien Lebens, weiterleben, vergrößern und verteidigen.

[1] Michael Panser: Werde, der du bist (Unrast Verlag, März 2025); S. 378

[2] Klima-Katastophe, Nukleare Bedrohung, Multible Kriege, Feminizid, Psychologische Krise, Isolation und Vereinzelung, Identitätskrise, etc.

[3] Schaffung einer Grundlage für eine Selbstverwaltung durch gesellschaftliche Organisierung seit 1980 sowie Prozess des Aufbaus und der Verteidigung der Demokratischen Selbstverwaltung seit 2011

https://deutsch.anf-news.com/frauen/ronahi-yekta-vorbild-unserer-generation-49411

 

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Acht Tote bei Anschlag auf alawitische Moschee in Homs

26. Dezember 2025 - 19:00

Bei einem Anschlag auf eine Moschee der alawitischen Minderheit in der syrischen Stadt Homs sind laut Staatsagentur Sana mindestens acht Menschen getötet und 18 weitere verletzt worden. Die Explosion erfolgte während des Freitagsgebets in der Imam-Ali-bin-Abi-Talib-Moschee.

Zu dem Anschlag bekannte sich die dschihadistische Gruppe „Saraya Ansar al-Sunna“. Sie habe in der Moschee mehrere Sprengsätze detonieren lassen. Weitere Attacken würden folgen, hieß es in einer im Internet verbreiteten Erklärung. Die Gruppierung gilt als islamistisch-extremistisch und ähnelt jener des „Islamischen Staats“ (IS).

Die Explosion gilt als der erste Anschlag auf ein schiitisches Gotteshaus seit dem Sturz von Präsident Baschar al-Assad, selbst Alawit, im Dezember 2024. Seitdem ist es wiederholt zu Gewalt gegen Alawit:innen und andere religiöse Minderheiten in Syrien gekommen.

Im Juni wurden bei einem Selbstmordanschlag in einer griechisch-orthodoxen Kirche in Damaskus 25 Menschen getötet und rund 60 weitere verletzt. Auch zu diesem Anschlag hatte sich „Saraya Ansar al-Sunna“ bekannt.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/syrien-unbekannte-miliz-reklamiert-anschlag-auf-kirche-fur-sich-46809 https://deutsch.anf-news.com/frauen/alawitin-aus-homs-wir-erleben-einen-systematischen-volkermord-49273 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/vier-mutmassliche-is-mitglieder-bei-raqqa-festgenommen-49420

 

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HPG geben Namen von Gefallenen bekannt

26. Dezember 2025 - 19:00

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben vier im Jahr 2021 in den Medya-Verteidigungsgebieten gefallenen Kämpfer:innen gedacht. In einem Nachruf wurden Ronya Zagros, Gelhat Cûdî, Nûda Tolhildan und Yılmaz Piling als „mutige Kinder des kurdischen Volkes“ gewürdigt, die mit Entschlossenheit und tiefem Glauben an den Freiheitskampf ihr Leben haben. „Sie waren kompromisslose Verfechter:innen der selbstlosen Linie, die sich aus dem Apoismus speist. Angesichts ihres Verlusts sprechen wir den Angehörigen und dem patriotischen Volk Kurdistans unser Beileid aus.“  Zur Biografie der Gefallenen teilte das HPG-Pressezentrum mit:

                              

Codename: Ronya Zagros
Vor- und Nachname: Azize Kaplan
Geburtsort: Wan
Namen von Mutter und Vater: Hüsna – Abdullah Kerim
Todestag und -ort: 20. November 2021 / Qendîl

 

 

Codename: Gelhat Cûdî
Vor- und Nachname: Lokman Gazyak
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Selima – Reşit
Todestag und -ort: 27. Dezember 2021 / Gare

 

 

Codename: Nûda Tolhildan
Vor- und Nachname: Ceylan Tekin
Geburtsort: Mûş
Namen von Mutter und Vater: Türkan – Fesih
Todestag und -ort: 11. Mai 2021 / Heftanîn

 

 

Codename: Yılmaz Piling
Vor- und Nachname: Bünyamin Yıldız
Geburtsort: Amed
Namen von Mutter und Vater: Almast – Vezir
Todestag und -ort: 27. Dezember 2021 / Gare

 

Ronya Zagros

Ronya Zagros wurde in der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) geboren und wuchs in der westtürkischen Metropole Istanbul auf. Sie schloss sich im Jahr 2000 der Guerilla an und wurde zunächst Teil der Verbände freier Frauen (YJA Star). Erste praktische Erfahrungen im Kampf sammelte sie in der Qendîl-Region in Südkurdistan, später ging sie auch zur Sondereinheit Hêzên Taybet.

 


Nach einem etwa vierjährigen Aufenthalt als Kommandantin an den verschiedenen Fronten in Dersim kehrte sie in die Medya-Verteidigungsgebiete zurück. Seit 2019 war sie zunächst in Heftanîn und anschließend wieder in Qendîl im Einsatz, wo sie im November 2021 bei einem Angriff des türkischen Staates ums Leben kam.

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Gelhat Cûdî

Gelhat Cûdî stammte aus Cizîr (Cizre) in der nordkurdischen Botan-Region. Als Jugendlicher und Heranwachsender war er in der kurdischen Jugendbewegung aktiv. 2013 ging er in die Berge zur Guerilla. Er schloss sich dem Befreiungskampf in Cûdî an, wo er erste praktische Erfahrungen sammelte.

 


Danach ging er in die Medya-Verteidigungsgebiete, wo er ab 2015 Teil der Hêzên Taybet war. Er gehörte jenen Guerillaeinheiten an, die die unterirdische Guerillainfrastruktur an der strategischen Westfront der Zap-Region anlegten. Sein letztes Einsatzgebiet war die Gare-Region. Dort kam er im Dezember 2021 zusammen mit dem Kämpfer Yılmaz Piling ums Leben.

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Nûda Tolhildan

Nûda Tolhildan kam im nordkurdischen Mûş zur Welt und wuchs ebenfalls in Istanbul auf. Den Entschluss, ab dem Jahr 2013 Guerillakämpferin zu werden, fasste sie unter dem Eindruck des türkischen Staatsmords an den drei kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez im Januar jenen Jahres in Paris.

 


Nach ihrer Grundausbildung in den Medya-Verteidigungsgebieten widmete sie sich zunächst intensiveren Ausbildungen an der Şehîd-Rojîn-Gewda-Akademie im Bereich Spezialoperationen. Ab 2015 war sie für mehrere Jahre im Zap, bevor sie an die schwer umkämpften Fronten in Heftanîn wechselte. Dort kam sie im Mai 2021 bei einem feindlichen Angriff ums Leben.

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Yılmaz Piling

Yılmaz Piling wurde in Pasûr (Kulp) bei Amed (Diyarbakır) geboren. Er war seit Ende 2013 Teil der Guerilla – die meiste Zeit davon in der Gare-Region. Auch er gehörte den Hêzên Taybet an, einer Spezialeinheit innerhalb der Guerilla, die besondere Opferbereitschaft und ideologischen Tiefgang voraussetzt. Er starb im Winter 2021 infolge eines Angriffs des türkischen Staates in Gare.

 


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Vier mutmaßliche IS-Mitglieder bei Raqqa festgenommen

26. Dezember 2025 - 18:00

Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben vier mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) nahe Raqqa festgenommen. Die Operation wurde mit logistischer und operativer Unterstützung der internationalen Anti-IS-Koalition im ländlichen Umland der Stadt durchgeführt, teilte das Pressezentrum der QSD am Freitag mit.

Bei den Festgenommenen handelt es sich demnach um zwei aktive IS-Mitglieder und zwei Personen, die sie bei der Durchführung terroristischer Aktivitäten unterstützt haben sollen. In den ersten Vernehmungen hätten die mutmaßlichen Söldner eingeräumt, der Dschihadistenmiliz anzugehören. Sie sollen in mehrere Anschläge auf militärische Einrichtungen, sowie in geplante Attentate involviert gewesen sein. Die Unterstützer stünden im Verdacht, logistische Hilfe geleistet zu haben.

Foto: QSD-Pressezentrum

Die QSD bezeichneten die Operation als wichtigen Bestandteil ihrer präventiven Sicherheitsstrategie, die darauf abziele, IS-Zellen frühzeitig zu zerschlagen, bevor sie Anschläge ausführen könnten. Durch den Zugriff sei es gelungen, geplante Terrorangriffe zu vereiteln, die sowohl die Zivilbevölkerung als auch Kämpfer:innen der QSD ins Visier genommen hätten.

Die Aktion habe zudem logistische und nachrichtendienstliche Netzwerke des IS erheblich geschwächt und zentrale Kommunikations- und Bewegungswege im Umland von Raqqa unterbrochen, heißt es weiter. Dies trage zur Stärkung der regionalen Stabilität bei und unterstreiche die hohe Einsatzbereitschaft der QSD zum Schutz ihrer Gebiete.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-zerschlagen-mutmassliche-is-zelle-bei-deir-ez-zor-49386 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/festgenommener-is-emir-gesteht-beteiligung-an-anschlagen-49355 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-vereiteln-angriff-mutmasslicher-is-zellen-in-ostsyrien-49238

 

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Gefallenengedenken in Amed

26. Dezember 2025 - 18:00

In der kurdischen Gemeinde Temiran, einem Ortsteil des Landkreises Pasûr (tr. Kulp) in der Provinz Amed (Diyarbakır), fand eine Gedenkzeremonie für Mitglieder der Familien Bayram und Yıldeniz statt, die im Krieg in Kurdistan ihr Leben gelassen haben. Anlass war der Todestag des Guerillakämpfers Zeynel Bayram (Laşer Lîs), der im Dezember 2022 in Gare im Kampf gegen die türkische Besatzung Südkurdistans gefallen ist.

Die Veranstaltung wurde von der zivilgesellschaftlichen Organisation MEBYA-DER initiiert, die sich um Menschen kümmert, die Angehörige im Krieg verloren haben. Neben Mitgliedern der Familien Bayram und Yıldeniz nahmen auch zahlreiche Bürger:innen sowie Vertreter:innen politischer Parteien an dem Gedenken teil.

 


Religiöse Zeremonie und Parkeinweihung

Im Rahmen der Zusammenkunft wurden islamische Gebete rezitiert, die sich den Gefallenen und verstorbenen Mitgliedern der beiden Familien widmeten. Im Anschluss wurde ein Kinderspielplatz, der den Namen von Zeynel Bayram trägt, eröffnet. Nach einer Schweigeminute richteten Gurbet Seviktek Arı, Ko-Vorsitzende von MEBYA-DER, sowie Ihsan Bayram als Vertreter der Familie bewegende Worte an die Anwesenden.

Beide betonten die Bedeutung des Friedens und eines demokratischen Zusammenlebens in Nordkurdistan, der Türkei und darüber hinaus. Sie appellierten eindringlich, dem Blutvergießen ein Ende zu setzen. „Frieden muss über diese Erde kommen, nicht mehr Krieg“, hieß es in den Ansprachen. Im Anschluss wurde ein Video mit Bildern der Toten gezeigt. Viele Teilnehmende riefen daraufhin die Parole „Şehîd namirin“ (Die Gefallenen sind unsterblich).

In der Zeremonie wurde folgender verstorbener Familienangehörigen gedacht: Zeynel Bayram, Hikmi Yıldeniz (Aladdin), Meki Bayram (Çîya Dilbirîn), Servet Bayram, Azize Bayram (Evrîm Andok), Abidin Bayram (Rodî Piling), Hevidar Türk (Devrim Amed), Mehmetşah Yıldeniz (Rêber Andok), Ayşe Bayram (Evrim Amed), Serhat Bayram (Aladdîn Amed), Şakir Bayram (Sînan), Şebap Bayram (Pîro Amed), Rojbin Sönmez (Dilzar Rêber Andok), Şirin Bayram, Şemsettin Bayram und Mahsun Bayram.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/hpg-geben-namen-von-gare-gefallenen-bekannt-46221

 

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14 Jahre nach dem Roboskî-Massaker: „Ein Prüfstein für den Friedensprozess“

26. Dezember 2025 - 16:00

14 Jahre nach dem Massaker der türkischen Armee im kurdischen Dorf Roboskî erinnern verschiedene Organisationen an die andauernde Straflosigkeit der Täter. Bei dem Bombardement am 28. Dezember 2011 wurden 34 Zivilisten, darunter 19 Minderjährige, durch gezielte Luftangriffe getötet. Studierende, zivilgesellschaftliche Gruppen und Abgeordnete der DEM-Partei forderten anlässlich des bevorstehenden Jahrestags eine juristische Aufarbeitung und bezeichneten das Massaker als „Gradmesser für die Glaubwürdigkeit aktueller Friedensbemühungen“.

In Amed (tr. Diyarbakır) organisierten Studierende der Dicle-Universität eine Gedenkdemonstration mit Bannern und Parolen wie „Roboskî ist unsere Wunde – ihr Andenken unser Licht“. Die Polizei versuchte den Protest zunächst zu unterbinden, musste sich aber dem entschlossenen Auftreten der Teilnehmenden beugen.

Der Student Sidar Kiye, der die Abschlussrede hielt, sprach von einem „schmerzhaften Symbol der Kriegslogik gegenüber der kurdischen Bevölkerung“. Kiye kritisierte, dass die Justiz bis heute keine Konsequenzen gezogen habe: „Die Militärstaatsanwaltschaft sprach von einem ‚unvermeidbaren Fehler‘, die Ziviljustiz stellte das Verfahren ein, Verfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof lehnten die Beschwerden ab. Die Täter wurden geschützt, nicht belangt.“

Roboskî sei nicht nur ein Einzelfall, sondern Teil einer langen Kette unaufgeklärter Gewalttaten – von „33 Kugeln“, wie die auch unter „Muğlalı-Vorfall“ bekannte Erschießung von kurdischen Schmugglern 1943 auf Befehl eines türkischen Armeegenerals in Wan (Van), über den Dersim-Genozid 1937/38 bis zu den IS-Anschlägen 2015 in Pirsûs (Suruç) und Ankara, so Kiye. Im Jahr 2025 seien durch den Friedensappel Abdullah Öcalans, die Waffenstillstandserklärung der PKK und eine parlamentarische Initiative neue Hoffnungsschimmer sichtbar gewesen. Doch ohne Aufarbeitung der Vergangenheit bleibe der Friedensprozess unvollständig: „Roboskî ist der Lackmustest: Ohne Gerechtigkeit für die Opfer bleibt jede Friedensrhetorik hohl.“

Auch in Dersim wurde der Opfer gedacht

In Dersim (Tunceli) rief die örtliche Plattform für Arbeit und Demokratie bei einer Gedenkveranstaltung zur Aufklärung des Pogroms in Gurgum (Maraş) sowie den Massakern in türkischen Gefängnissen 2000 und in Roboskî auf. Auf Transparenten war zu lesen: „Wir wollen Gerechtigkeit – Roboskî darf nicht vergessen werden.“ Orhan Çelebi, Mitglied im Zentralkomitee der sozialistischen ESP, sprach von einer „systematischen Missachtung des Rechts auf Leben“ durch staatliche Akteure.

Die Untätigkeit von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Einstellen von Verfahren und der Schutz der Verantwortlichen seien kein Zufall, sondern „Teil einer bewussten Politik der Straflosigkeit“. Auch heute würden Kurd:innen, Alevit:innen und linke Aktivist:innen systematisch diskriminiert oder repressiv behandelt, so Çelebi weiter. Während Kurd:innen unter sicherheitspolitischen Maßnahmen und kollektiver Bestrafung litten, erfuhren Alevit:innen Ausgrenzung im öffentlichen Raum. Linke und revolutionäre Kräfte seien insbesondere in Gefängnissen Ziel von Isolationsmaßnahmen und Rechtseinschränkungen.

DEM-Partei bringt Antrag ins Parlament ein

Die beiden Abgeordneten der DEM-Partei, Newroz Uysal Aslan und Mehmet Zeki Irmez, reichten anlässlich des Jahrestags des Roboskî-Massakers einen Antrag im türkischen Parlament ein. Darin fordern sie eine umfassende parlamentarische Untersuchung der Ereignisse vom 28. Dezember 2011, als vier türkische F-16-Kampfjets eine Karawane von 34 Grenzhändlern bombardierten, die mit ihren Maultieren, einigen Kanistern Dieselkraftstoff, Tee und Zucker aus Südkurdistan auf dem Rückweg in ihr Dorf Roboskî waren. Die Dorfbewohner – damals im Alter zwischen 13 und 38 Jahren – waren gerade über die engen Pfade der bergigen Gegend im türkisch-irakischen Grenzgebiet gelaufen, als um 21:37 Uhr das Bombardement einsetzte – und erst um 22:24 Uhr endete. 24 der 34 Ermordeten gehörten der Familie Encü an. Vier Menschen überlebten das Massaker.

Militär über Gang der Schmuggler informiert

Der türkische Generalstab begründete den Angriff damit, man habe die Gruppe für „Terroristen” gehalten, daher sei die Entscheidung für das Bombardement gefallen. Eine Lüge, wie sich später herausstellte. Denn drei Stunden vor dem ersten Luftschlag waren bereits Drohnenbilder ausgewertet worden, auf denen die Menschen eindeutig als Grenzhändler zu erkennen waren. Die Erkenntnisse über die Bewegung im Grenzgebiet hatte der Nato-Partner USA an die türkische Armee übermittelt. Die Daten kamen von einer US-amerikanischen Drohne vom Typ „Predator“, die zuvor über dem türkisch-irakischen Grenzgebiet kreiste. Die örtliche Militärpolizei war zudem über den Gang der Schmuggler informiert, da sie illegale Zollabgaben kassierte. Dennoch wurde bombardiert.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/gedenken-an-die-opfer-des-massakers-von-roboski-44821 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/roboski-familien-stellen-antrag-fur-wiederaufnahmeverfahren-25549 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/freispruch-fur-roboski-familien-31104 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/roboski-34-tote-34-prozesse-gegen-die-angehorigen-23561

 

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Umfrage: 71 Prozent fordern gesetzliche Verankerung des „Rechts auf Hoffnung“

26. Dezember 2025 - 14:00

Eine repräsentative Umfrage des in Amed (tr. Diyarbakır) ansässigen Zentrums für soziopolitische Feldforschung (SAMER) zeigt ein zunehmendes öffentliches Interesse an rechtlichen Reformen im Kontext der kurdischen Frage. Besonders deutlich fiel der Wunsch nach Einführung eines gesetzlich geregelten „Rechts auf Hoffnung“ aus: 71,9 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus.

Barometer zu Politik und Frieden

Die Untersuchung mit dem Titel „Analyse der öffentlichen Meinung im Kontext von Diskurs und Praxis in Ost- und Südostanatolien“ basiert auf vier Feldstudien in 16 Städten, durchgeführt im Oktober 2024 sowie im Januar, März, Mai und Oktober 2025. Ziel war es, Stimmungsbilder zu dem von Abdullah Öcalan initiierten „Prozess für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ sowie zu den Rollen der beteiligten Akteure zu erfassen.

Den Startpunkt der Erhebung markierte der symbolträchtige Handschlag zwischen dem MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli und Abgeordneten der DEM-Partei bei der Parlamentseröffnung am 1. Oktober 2024. Auch Bahçelis an den kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan adressierte Rede am darauffolgenden 22. Oktober trug zur erneuten Sichtbarkeit von Debatten um eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses bei.

Öffentliche Prioritäten: Wirtschaft bleibt zentrales Thema

Auf die Frage „Was ist das größte Problem der Türkei?“ nannten im Januar 53,6 Prozent die Wirtschaftskrise, während 27,7 Prozent die kurdische Frage angaben. Im Mai – nach dem Auflösungskongress der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – stieg der Anteil derer, die die Wirtschaft als Hauptproblem sehen, auf 68,9 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil derjenigen, die die kurdische Frage als drängendstes Problem einstufen, auf 16,4 Prozent. Im Oktober kehrte sich dieser Trend teilweise um: Der Anteil für die kurdische Frage stieg auf 21,2 Prozent, während wirtschaftliche Sorgen bei 59,7 Prozent lagen. Die Umfrageautor:innen führen dies auf eine ausgebliebene politische Reaktion der Regierung zurück.

Wachsende Kluft zwischen Regierungssprache und Praxis

Ein weiteres Ergebnis: Die Wahrnehmung der Regierungsarbeit hat sich verschlechtert. Nur 25,6 Prozent der Befragten gaben im zurückliegenden Oktober an, Übereinstimmung zwischen Regierungsaussagen und tatsächlichem Handeln zu erkennen. Dieser Wert lag im Januar noch bei 16 Prozent, stieg im Mai auf 27,7 Prozent – um schließlich wieder leicht zu sinken. Gleichzeitig stieg die Zahl derer, die der Regierung eine inkohärente Politik attestieren, auf 47,7 Prozent.

Deutlicher Anstieg an Reformforderungen

Die Studie dokumentiert zudem eine wachsende Unterstützung für konkrete rechtliche Reformen:

▪ Änderung des Strafvollzugsgesetzes: von 65 % im März auf 78 % im Oktober

▪ Abschaffung des Antiterrorgesetzes (TMK): von 60,4 % auf 62,4 %

▪ Freilassung kranker Gefangener: von 68,5 % auf 74,9 %

▪ Freilassung von politischen Gefangenen nach Verbüßung der Strafe: von 66,7 % auf 74,5 %

▪ „Recht auf Hoffnung“: von 68,9 % auf 71,9 %

▪ Rechtssicherheit für Friedensvermittler:innen: von 66,7 % auf 74,7 %

Laut SAMER verweist dieser Anstieg auf kollektive Erfahrungen aus vergangenen Prozessen, insbesondere auf die juristische Verfolgung früherer Vermittlerfiguren.

Verantwortungszuschreibung: Höchstes Vertrauen in Öcalan

Auf die Frage, welche Akteure ihrer Verantwortung im Friedensprozess am ehesten gerecht werden, erhielt der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan mit 42,9 Prozent die höchste Zustimmung, gefolgt von der PKK mit 40,5 Prozent. Die niedrigsten Werte erhielten die Regierung (24,8 %), parlamentarische Opposition (20,3 %) sowie das Parlament insgesamt (22,1 %).

Eher verhaltene Erwartungen an positiven Prozessausgang

Die Erwartungshaltung hinsichtlich eines erfolgreichen Friedensprozesses zeigt sich vorsichtig optimistisch: Im Oktober 2025 glaubten 23,3 Prozent an einen positiven Verlauf (Januar: 18,9 %), während 24,8 Prozent ihn für unwahrscheinlich hielten (Januar: 20,4 %).

Haltung zur Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien

Im Zusammenhang mit der Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien wünschten sich im Oktober 34,5 Prozent der Befragten eine „konstruktive und aufrichtige Zusammenarbeit“. Die explizite Zustimmung zu einer Kooperation lag bei 23,3 Prozent.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/parlamentskommission-verlangert-arbeitsdauer-um-zwei-monate-49394 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/imrali-delegation-spricht-mit-justizminister-uber-reformen-im-strafvollzug-49378 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-veroffentlicht-losungsbericht-fur-parlamentskommission-49226 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/chp-bericht-zum-friedensprozess-reformforderungen-ohne-kurs-zur-konfliktlosung-49321 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/akp-bericht-zur-kurdischen-frage-bedingungen-statt-Offnung-49329

 

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Aldar Xelîl: Syrien wird in ein Vakuum geführt und der Weg in neue Konflikte ist vorgezeichnet

26. Dezember 2025 - 14:00

Ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Islamistenmiliz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) in Damaskus zieht der kurdische Politiker Aldar Xelîl eine ernüchternde Bilanz. Im Interview mit ANF betont Xelîl, der Teil des Exekutivrats der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) ist, dass HTS keine demokratische Repräsentation der Bevölkerung Syriens darstelle, sondern vielmehr eine radikalisierte Fortsetzung des Baath-Regimes verkörpere. Die Folge sei ein institutionelles und politisches Vakuum, das nicht nur gesellschaftliche Spannungen verschärfe, sondern auch den Einfluss externer Akteure massiv vergrößert habe, insbesondere der Türkei. Laut Xelîl blockiere Ankara systematisch jeden inneren syrischen Annäherungsversuch und strebe eine Kontrolle über Nord- und Ostsyrien mittels Drohungen, Besatzung und Stellvertreterstrukturen an. Die einzige realistische Perspektive für Frieden und Einheit sieht er im Modell der Demokratischen Nation – einem dezentralen, pluralistischen Ansatz, wie ihn die Autonomieverwaltung praktiziert.

Ein Jahr ist vergangen, seit Hayat Tahrir al-Sham (HTS) in Damaskus die Macht übernommen hat. Was sagt Ihnen die Praxis dieser Regierung im Hinblick auf Verwaltung, Sicherheit, Wirtschaft und Justiz?

Der Sturz des alten Regimes in Syrien und die Machtübernahme von HTS in Damaskus sind mittlerweile ein Jahr her. Doch dieser Machtwechsel war keineswegs eine natürliche Folge der syrischen Revolution. HTS wurde nicht als Ausdruck des Volkswillens eingesetzt, sondern als Bestandteil eines Plans, der von externen intervenierenden Akteuren entwickelt wurde. Diese Kräfte agierten koordiniert, insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Gaza und der eskalierenden Spannungen zwischen Israel und mehreren regionalen Staaten, die zu einer Neuausrichtung der Kräfteverhältnisse führten. In diesem Zusammenhang wurde auch der Entschluss gefasst, das Regime zu verändern.

 


Gleichwohl repräsentiert HTS in Damaskus in keiner Weise die Forderungen der syrischen Bevölkerung. Diese Struktur versteht sich nicht als Stimme der Revolution oder als Ausdruck des kollektiven Willens der Gesellschaft. Vielmehr handelt es sich um eine Neuauflage des Baath-Regimes: ideologisch modifiziert, aber im Kern autoritär. Während sich die Baath-Partei einst als säkular und sozialistisch verstand, beruht die Ideologie von HTS auf einer rechtsgerichteten, radikalen Ausrichtung. Jenseits dieser ideologischen Verschiebung bleibt die institutionelle Realität in Bereichen wie Wirtschaft, Justiz, Parlamentarismus und Staatsführung dieselbe; sie spiegelt nicht die Vielfalt oder die tatsächlichen Interessen Syriens wider.

Kontrolle der Regierung beschränkt sich auf Damaskus, Hama und Idlib

Die derzeitigen Regierungspraktiken tragen in keiner Weise zur Lösung der revolutionären Krise bei. Zwar bezeichnet sich Damaskus weiterhin als Hauptstadt Syriens, doch de facto ist der Kontakt zu weiten Teilen des Landes abgebrochen. In großen Gebieten wird die syrische Souveränität nicht mehr repräsentiert – etwa in jenen Landesteilen, die unter türkischer Besatzung stehen. Welchen Einfluss kann Damaskus in diesen Regionen überhaupt noch geltend machen? Inwieweit war diese sogenannte Übergangsregierung dort in der Lage, Verwaltungsstrukturen aufzubauen, Institutionen zu etablieren oder die territoriale Zugehörigkeit zu Syrien glaubhaft zu behaupten? Die Realität zeigt: Diese Gebiete befinden sich weiterhin unter türkischer Kontrolle.

Gleiches gilt für die Küstenregionen. Gehören Latakia und Tartus etwa nicht zu Syrien? Dennoch konnte Damaskus auch dort keine wirksame staatliche Präsenz aufbauen. Infolge der Entwicklungen im Süden Syriens ist der Eindruck entstanden, dass dort mittlerweile zwei benachbarte Staaten nebeneinander bestehen. In Nord- und Ostsyrien existiert hingegen eine funktionierende Selbstverwaltung. Zwar operieren dort bislang keine zentralstaatlichen Institutionen, jedoch bestehen bereits diverse Abkommen und politische Allianzen.

Faktisch beschränkt sich die reale Kontrolle der Regierung in Damaskus heute auf Teile von Damaskus, Hama und einen begrenzten Abschnitt Idlibs. Von einer gesamtsyrischen Repräsentation kann keine Rede sein. Das frühere Regime hatte – wenn auch mit repressiven Mitteln wie Geheimdiensten, Armee und zentralistischer Staatsführung – immerhin eine landesweite Kontrolle aufgebaut. Heute ist diese Struktur nicht mehr existent. Ein Jahr ist vergangen, das Regime wurde gestürzt. Doch in dieser Zeit wurde weder eine inklusive Regierung gebildet, noch ein repräsentatives Parlament installiert. Es wurde keine verfassungsgebende Versammlung ins Leben gerufen, keine der unterzeichneten Vereinbarungen umgesetzt. Syrien wurde faktisch in ein institutionelles Vakuum überführt. Mehr noch: Dieses Vakuum wurde nicht etwa durch den Volkswillen, sondern durch einen weiter zunehmenden Einfluss externer Kräfte gefüllt. Die staatliche Souveränität des Landes konnte in diesem Rahmen nicht gewahrt werden.

Wie haben sich die Entwicklungen des vergangenen Jahres sowie die Politik von HTS auf die Fähigkeit ausgewirkt, einen demokratischen Wandel in Syrien zu repräsentieren? Welche gesellschaftlichen Folgen – insbesondere für Frauen – haben sich daraus ergeben?

Ein System, das weder demokratisch legitimiert noch in der Lage ist, eine entwickelte politische Kultur hervorzubringen, kann keine revolutionäre Bewegung repräsentieren. Die Entwicklungen des vergangenen Jahres bestätigen dies eindrücklich: Zahlreiche Massaker wurden verübt, die Menschen waren schwersten Repressionen ausgesetzt. In Syrien reicht es mittlerweile aus, allein aufgrund der eigenen Identität zum Ziel tödlicher Gewalt zu werden. Es genügt etwa die Frage „Bist du Alawit:in?“ und die Antwort darauf kann über Leben und Tod entscheiden. Wer nicht der vorherrschenden Ideologie entspricht, wird systematisch ausgegrenzt. Zu Beginn des Jahres begannen etwa in den Küstenregionen Angriffe, bei denen Tausende Menschen getötet und Tausende Frauen verschleppt wurden – und diese Übergriffe dauern an. Auch in Suweida kam es zu ähnlichen Angriffen, dort leistete die Bevölkerung allerdings Widerstand und lehnte diese Praktiken ab, wenn auch unter schwierigen Bedingungen und mit begrenzten Mitteln. Die Kräfte, die Damaskus eingenommen haben, verfolgen gegenüber der syrischen Gesellschaft eine extrem harte, ausgrenzende Linie.

Die gleichen Methoden wurden auch in den kurdischen Stadtteilen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo angewendet. Diese Viertel wurden attackiert und sollten unter Kontrolle gebracht werden. Was sich hier jedoch als positiv hervorhebt, ist der Widerstand der Bevölkerung. Hätte es diesen nicht gegeben, wären die gleichen Gräueltaten wie in den Küstenregionen auch dort verübt worden. Heute steht Nord- und Ostsyrien fortwährend unter Bedrohung. Es heißt, „ihr dürft keine Verteidigungsstrukturen besitzen“, oder: „Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) müssen aufgelöst werden.“ Unter dem Vorwand der Integration soll die Bevölkerung entwaffnet und schutzlos gemacht werden mit dem Ziel, eigene politische Vorstellungen ungehindert durchsetzen zu können.

HTS strebt eine Herrschaft im Namen der Scharia an

Die Haltung von HTS ist eindeutig: Sie stellen sich selbst ins Zentrum aller Prozesse und schaffen Hierarchien zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Wer nicht ihre Ideologie teilt oder sich ihrer Struktur unterordnet, wird ausgeschlossen. Dass diese Praxis nicht bereits flächendeckend umgesetzt wird, liegt einzig daran, dass HTS seine Machtbasis noch nicht vollständig konsolidieren konnte. Wäre das der Fall, wären die repressiven Maßnahmen weitaus umfassender. Alle gesellschaftlichen Gruppen Syriens – ob Araber:innen, Assyrer:innen, Armenier:innen, Ezid:innen, Alawit:innen oder Drus:innen – sind von dieser Entwicklung massiv betroffen. HTS strebt eine Herrschaft im Namen der Scharia an. Doch Syrien ist ethnisch wie religiös ein Land der Vielfalt. Eine einheitliche Herrschaftsform, die diese Diversität leugnet, kann kein stabiles Fundament für das Land sein. Die Menschen fürchten inzwischen sogar, ihre Identität offen zu benennen.

Syrien war historisch ein Land des kulturellen und gesellschaftlichen Reichtums. Doch statt zuerst gemeinsame Lösungen für grundlegende gesellschaftliche Probleme zu finden, wurde ein System implementiert, das patriarchale Machtstrukturen weiter zementiert. Es werden Gesetze erlassen, die gezielt die Handlungsfähigkeit von Frauen beschneiden: Eine Mutter verliert etwa das Recht, rechtlich für ihr eigenes minderjähriges Kind zu bürgen, obwohl sie die engste Bezugsperson ist. Heute kann ein Kind unter 18 Jahren ohne die Unterschrift des Vaters keine Reisen unternehmen, die Zustimmung der Mutter reicht nicht mehr aus. Statt umfassende Gesetze im Sinne demokratischer Reformen zu schaffen, konzentriert sich das derzeitige Regime darauf, Frauen möglichst entrechtet und machtlos zu halten. Wird hingegen über demokratische Verfassungen oder Gleichstellung gesprochen, heißt es: „Das kann warten.“ Diese Herangehensweise zeigt deutlich, dass HTS im Grunde eine Kopie der Baath-Partei ist, allerdings mit reaktionärerem, rückwärtsgewandtem Charakter. Anstatt sich an den gesellschaftlichen Realitäten und den Forderungen der Revolution zu orientieren, wird Syrien in autoritäre Zustände zurückgeführt.

Wie bewerten Sie die zuletzt verstärkten militärischen Drohungen und Angriffe, insbesondere im Zusammenhang mit politischen Erklärungen aus der Türkei? Sehen Sie einen direkten oder indirekten Zusammenhang zwischen den politischen Stellungnahmen und den Bewegungen auf dem Boden?

Die Rolle der Türkei in Syrien ist hinlänglich bekannt. Seit Beginn des Aufstands im Jahr 2011 ist Ankara direkt in den syrischen Konflikt involviert. Von Anfang an hat die Türkei Gruppen, die sich selbst als „Opposition“ bezeichnen, unter ihre Kontrolle gebracht und im Namen dieser Strukturen militärisch in Syrien interveniert. Diese Intervention beschränkt sich keineswegs auf politische, wirtschaftliche oder diplomatische Mittel. Auch militärisch ist die Türkei in Syrien präsent – durch bewaffnete Gruppen, die in ihrem Auftrag operieren. Ein Teil des syrischen Staatsgebiets befindet sich de facto unter türkischer Besatzung. Der türkische Staat beansprucht inzwischen eine derart dominante Rolle, dass er jegliche Veränderung in Syrien nur dann akzeptiert, wenn sie seiner Zustimmung entspricht. Ankara hat sich faktisch als Treuhänder Syriens positioniert, als eine Macht, die das Land verwaltet.

„Ohne das „Ja“ Ankaras wird kaum ein Schritt gewagt“

Zwar lenkt aktuell die Gruppe um Ahmed al-Scharaa die Geschäfte in Damaskus, doch viele zentrale Entscheidungen können sie nicht eigenständig treffen. Ohne das „Ja“ Ankaras wird kaum ein Schritt gewagt. Die Türkei interveniert in zahlreichen Bereichen direkt, von der militärischen Ausbildung bis hin zur technischen Infrastruktur. Sie bietet sich etwa an, syrische Soldaten und Offiziere selbst auszubilden. Internet- und Telekommunikationssysteme stehen unter türkischer Kontrolle. Ankara kontrolliert Sicherheitsapparate, greift in wirtschaftliche Prozesse ein und beherrscht de facto ganze Regionen. Die Türkei versucht damit, Syrien in ein System zu verwandeln, das ihrer eigenen politischen Logik folgt; gleichsam eine Erweiterung des türkischen Machtbereichs. Selbst innergesellschaftliche Konfliktlösungen durch die syrische Bevölkerung werden unterbunden. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Rolle des türkischen Außenministers Hakan Fidan. Obwohl er nicht syrischer Außenminister ist, äußert er sich zu Syrien häufiger und ausführlicher als sein syrisches Pendant. Betrachtet man seine täglichen Stellungnahmen, ist auffällig, dass auf eine Erklärung zur Türkei zwei zum Thema Syrien folgen. Das verdeutlicht das Ausmaß der Einflussnahme.

Gleichzeitig durchläuft auch die Türkei selbst eine innenpolitische Phase der Umgestaltung. Abdullah Öcalan, der Vordenker der kurdischen Freiheitsbewegung, hat im Norden Kurdistans einen Vorschlag zur Lösung der kurdischen Frage und zur Verständigung zwischen Kurd:innen und Türk:innen unterbreitet. Dieser Prozess hatte sich phasenweise weiterentwickelt. Die türkische Regierung wiederum gab sich vordergründig offen und zeigte angeblich Bereitschaft zur Fortsetzung. Doch hier liegt eine gravierende Widersprüchlichkeit vor: Einerseits erklärt die Türkei, sie wolle die kurdische Frage gemeinsam mit den Kurd:innen lösen, andererseits unterbindet sie jede Form von Dialog oder Lösungsversuch im syrischen Kontext. Wenn der politische Wille zur Lösung tatsächlich vorhanden wäre, hätte Ankara die Bemühungen der Syrer:innen um Verständigung und Einheit unterstützt, anstatt diese Prozesse zu torpedieren. Denn tatsächlich ist es so, dass jedes Mal, wenn sich zwischen uns und Damaskus eine Annäherung abzeichnete, türkische Interventionen den Prozess unterbrachen. Diese wiederholten Störungen machen deutlich: Die Türkei verfolgt keine Stabilisierung, sondern versucht gezielt, eine innerkurdische oder syrisch-kurdische Einigung zu verhindern.

Angesichts der verstärkten Angriffe und Drohungen: Welche konkreten sicherheitspolitischen und politischen Risiken bestehen derzeit für Syrien? Sehen Sie die Gefahr, dass sich diese Risiken auf das gesamte Land ausweiten?

Aktuell sind in Syrien zahlreiche internationale Akteure präsent. Die Internationale Anti-IS-Koalition umfasst mehr als 70 Staaten, hinzu kommen Russland, Israel und die Türkei, die allesamt aktiv auf syrischem Boden operieren. Zudem existieren viele unterschiedliche lokale Gruppen, die jeweils unterschiedlichen externen Mächten zugeordnet sind. Dieses Bild zeigt eindeutig: Die Geschehnisse in Syrien sind eng mit den geopolitischen Entwicklungen der Region verwoben. Hinzu kommt: In Israel, im Libanon, im Irak und in Saudi-Arabien vollziehen sich politische Umbrüche. Herrschaftsformen, diplomatische Beziehungen und regionale Allianzen befinden sich im Wandel, und all diese Prozesse beeinflussen sich gegenseitig. Auch Syrien bleibt davon nicht unberührt.

Israel etwa verfolgt die Errichtung eines globalen Handelskorridors, der von Indien über Saudi-Arabien, Jordanien, Israel und Zypern bis nach Europa reichen soll. Um diese Route abzusichern, wird offen erklärt, dass sowohl Syrien als auch der Libanon unter Kontrolle gebracht werden müssten. Im Libanon zielt man auf die Schwächung und Kontrolle der Hisbollah. In Syrien wiederum findet bereits ein Regimewechsel statt, oder genauer gesagt: der Versuch, ein neues Regime zu etablieren. Diese Interventionen orientieren sich allesamt an den strategischen Interessen der involvierten Staaten.

Die nächste Etappe dieses Plans betrifft Zypern. Sobald die Verbindung zwischen Israel und Zypern vollständig gesichert ist, wird das unmittelbare Auswirkungen auf die Syrien-Agenda haben. In der Folge dürfte auch die Türkei in den Fokus rücken. Genau in dieser Phase befinden wir uns derzeit. Vor diesem Hintergrund gilt: Ganz gleich, welche Entscheidungen künftig auf internationaler Ebene getroffen werden, ob in Bezug auf Zypern, Israel, Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, die Türkei, den Iran oder den Jemen – der Faktor Syrien muss stets mitbedacht werden. Jede Veränderung im regionalen Gefüge wirkt sich direkt auf Syrien aus, und umgekehrt hat die Entwicklung in Syrien das Potenzial, andere regionale Dossiers maßgeblich zu beeinflussen.

Während Ankara offiziell von „Lösungen“ und „Stabilität“ spricht, hält die Türkei gleichzeitig an militärischen Drohungen und Operationen fest. Welches Ziel verfolgt die türkische Regierung mit diesem Widerspruch – und was sagt das über die Lage vor Ort aus?

Der Besuch Hakan Fidans und seiner Delegation in Damaskus war von klaren Absichten getragen: der syrischen Übergangsregierung die Bedingungen der Türkei zu diktieren und ihren strategischen Zukunftsplan durchzusetzen. Die zentrale Botschaft lautete: „Wenn es zu einer Einigung über Nord- und Ostsyrien kommen soll, dann nur zu unseren Bedingungen.“ Die Türkei präsentiert ihre Forderungen offen allen Verhandlungspartnern. Um sie durchzusetzen, erhöht sie gezielt den militärischen Druck auf die Demokratische Selbstverwaltung und spricht über ihre Medien offene Drohungen gegen Nord- und Ostsyrien aus. Der Tonfall ist dabei explizit aggressiv. Gleichzeitig zeigt Ankara den bewaffneten Gruppen unter ihrer Kontrolle – ebenso wie jenen, die nominell Damaskus unterstehen – wie sie gegen uns vorgehen sollen.

Spezialkrieg gegen die Autonomieverwaltung

Beide Seiten führen diese Drohkulissen als Teil eines Spezialkriegs: Ziel ist es, die Selbstverwaltung so weit zu zermürben, dass sie die türkischen Bedingungen akzeptiert. Die Ansage lautet sinngemäß: „Entweder ihr löst euer System auf, oder ihr unterwerft euch unseren Vorstellungen.“ Die Türkei möchte mit diesen Methoden auch die syrische Regierung beeinflussen und an einen Zustand gewöhnen, in dem Drohungen gegen Nord- und Ostsyrien zur akzeptierten Realität gehören. Die Delegationsreisen nach Damaskus sind genau in diesen Kontext einzuordnen. Ja, man kann davon ausgehen, dass Ankara alles daransetzen wird, eine mögliche Einigung zwischen uns und Damaskus zu verhindern. Dabei muss eines klar gesagt werden: Jede militärische Intervention, die in diesem Kontext erfolgt, ist nicht im Interesse des syrischen Volkes. Sie ist Teil eines Plans, der gegen die Einheit und die legitimen Interessen der syrischen Gesellschaft gerichtet ist.

Welche konkreten Lösungsvorschläge bringt die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens angesichts der anhaltenden militärischen und politischen Drucksituation ein? Welches Zukunftsmodell bietet sie für Syrien und das Zusammenleben seiner Gesellschaften?

Das Projekt der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien existiert seit 2011. Es handelt sich nicht um ein rein theoretisches Modell, sondern um ein System, das praktisch umgesetzt und institutionell verankert wurde, besonders seit 2014. Seither haben wir unsere politischen Konzepte konkretisiert und weiterentwickelt. Unser System zeigt beispielhaft, wie eine Gesellschaft sich auf basisdemokratischer Grundlage selbst durch ihre eigene gesellschaftliche Willensbildung und dezentrale Verwaltung organisieren kann. Es stellt ein Modell dar, in dem die Bevölkerung ihre wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen, bildungspolitischen, gesundheitlichen und sozialen Angelegenheiten eigenständig regelt und ihre grundlegenden Prinzipien selbst bestimmt. Unsere Selbstverwaltung ist dabei nicht gegen die Einheit Syriens gerichtet – im Gegenteil: Sie bietet eine Struktur, die diese Einheit auf eine demokratische und freiwillige Weise ermöglicht. Denn es gibt zwei Wege, wie ein Land geeint werden kann: Entweder durch Zwang, mit militärischen und geheimdienstlichen Mitteln, oder durch gegenseitige Anerkennung, Solidarität und die freiwillige Entscheidung zur Einheit. Letzterer Weg ist der einzige, der dauerhaft Bestand haben kann.

Die derzeitigen Machtansprüche hingegen basieren auf Gewalt. Mit autoritären Methoden wird behauptet, die Einheit Syriens zu sichern. Tatsächlich hat diese Herangehensweise die Gesellschaft weiter fragmentiert. Alawit:innen wurden systematisch ausgegrenzt, die seit 1400 Jahren schwelende Spannung zwischen Sunnit:innen und Alawit:innen wurde neu angefacht. Auch das Verhältnis zwischen Muslim:innen und Drus:innen wurde erneut polarisiert, obwohl die Drus:innen eine eigenständige Glaubensgemeinschaft darstellen. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Muslim:innen und Christ:innen: Die Spaltung wurde bewusst forciert, wobei besonders assyrische, syrisch-orthodoxe und armenische Gemeinschaften ins Visier gerieten. Und auch im Nationalen wurde ein künstlicher Gegensatz zwischen Araber:innen und Kurd:innen geschürt mit dem Ziel, das gesellschaftliche Gefüge zu destabilisieren. Diese Politik der Trennung eint die Gesellschaft nicht, sie treibt sie auseinander.

Die Alternative: Das Projekt der Demokratischen Nation

Selbst wenn man die Menschen gewaltsam zusammenführt, entsteht daraus kein harmonisches Gemeinwesen, es fördert vielmehr latente Spaltung. Das wohl drastischste Beispiel ist der Völkermord an den Ezid:innen in Şengal durch den sogenannten IS. Unter dem Vorwand, sie seien keine Muslime, wurden ezidische Frauen versklavt und auf Märkten verkauft. Auch in alawitischen Regionen in Syrien wurden ähnliche Verbrechen verübt. Allein in diesem Jahr wurden dort unter der Kontrolle der sogenannten Regierung Tausende Frauen verschleppt und ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Solche Verbrechen führen zu einer tiefgreifenden Entfremdung und machen es unmöglich, etwa den Alawit:innen zu sagen: „Betrachte dich als Teil Syriens.“ Wahre Einheit entsteht nur durch Gleichheit, gegenseitigen Respekt und Solidarität.

Genau darauf basiert das Projekt der Demokratischen Nation: ein System, in dem alle gesellschaftlichen Gruppen Syriens in einer demokratischen Struktur zusammenleben können. Es ist ein dezentraler, föderativer Ansatz. Jede Region, jede Stadt, jedes Dorf verwaltet sich basierend auf der eigenen politischen und kulturellen Identität selbst. Unser Modell ist bislang die einzige realistische Alternative, um eine stabile, gerechte und geeinte Zukunft Syriens zu sichern.

Wie bewerten Sie das Schreiben des syrischen Verteidigungsministeriums, das nach Monaten des Abkommens vom 10. März die vollständige Übergabe aller Befugnisse der Selbstverwaltung fordert? Bedeutet dieses Schreiben, dass die Vereinbarung de facto ausgesetzt ist?

Das 10.-März-Abkommen hatte einen Hoffnungsschimmer eröffnet. Es legte einen groben Rahmen fest, innerhalb dessen ein gemeinsamer Aufbauprozess für ein neues Syrien denkbar gewesen wäre. Das Dokument bestand aus acht zentralen Punkten, die grundlegende Weichenstellungen für Syriens Zukunft vorsahen: Das alte Regime war gestürzt, ein neuer gesellschaftlicher Vertrag sollte ausgearbeitet werden. Wir erklärten uns bereit, gemeinsam eine Verfassung zu erarbeiten, ein Parlament zu bilden, Wahlen zu organisieren – kurzum: das Land in Kooperation mit allen gesellschaftlichen Kräften neu aufzubauen. Nach sechs Jahrzehnten autoritärer Herrschaft war dieser Prozess überfällig.

Wir betonten stets, dass wir als Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens ein integraler Teil dieses neuen Syriens sein wollen – nicht abgetrennt, sondern in einen gesamtnationalen Rahmen eingebettet. Ziel war es, eine demokratische Integration praktisch zu gestalten. Doch leider wurde keiner der vereinbarten Punkte bislang umgesetzt. Stattdessen hören wir immer wieder dieselbe Forderung: „Geht den letzten Schritt.“ Damit ist gemeint: Die Demokratischen Kräfte Syriens sollen ihre bestehende Struktur aufgeben und sich vollständig Damaskus unterstellen – inklusive der Aufgabe der militärischen Eigenständigkeit. Darüber hinaus aber erfolgte keinerlei substanzieller Schritt vonseiten der Zentralregierung. Deshalb stellen wir die berechtigte Frage: Welche Garantien gibt uns Damaskus im Gegenzug? Was ist die rechtliche Absicherung für unsere Bevölkerung? Wenn das Kommandozentrum ausschließlich in Damaskus liegen soll, welche Gesetzgebung schützt dann die Rechte und die Sicherheit der Menschen in Nord- und Ostsyrien? Bislang existiert kein funktionierendes Rechtssystem, das unseren Status absichert.

Wie ernst meint es Damaskus Ihrer Einschätzung nach mit dem 10.-März-Abkommen?

Trotz allem haben wir gesagt: „Wir sind bereit, über einzelne Punkte zu verhandeln, gewisse Dinge zu akzeptieren und konstruktive Schritte zu gehen.“ Im Gegenzug haben wir jedoch eine verlässliche Zusicherung gefordert. Diese wurde uns verweigert. Es kam sogar so weit, dass nur zwei Tage nach Unterzeichnung der Vereinbarung eine neue „Verfassungsproklamation“ veröffentlicht wurde, deren Inhalte im Widerspruch zu den zuvor vereinbarten Punkten standen. Dennoch haben wir versucht, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Wir sagten: „Das klären wir intern.“ In einem anschließenden Treffen in Damaskus einigte man sich mündlich auf Modalitäten der militärischen Integration. Doch selbst diese Vereinbarung wurde nie schriftlich fixiert. Später wurde ein neues offizielles Schreiben – jenes vom Verteidigungsministerium – verschickt, allerdings nicht an die PYD, sondern an die Generalkommandantur der QSD.

Was bedeutet das? Sie unterschreiben zunächst ein Abkommen und distanzieren sich anschließend durch ein neues, inhaltlich widersprechendes Dokument. Das ist nichts anderes als ein stiller Rückzug von der ursprünglichen Vereinbarung. Ich frage mich: Ist Damaskus wirklich so blind gegenüber den politischen Signalen? Wenn man sich mit einer Delegation auf etwas einigt und kurz darauf ein Dokument verschickt, das diese Einigung untergräbt, was soll das aussagen? Klar gesagt: Wer ein Abkommen ernst nimmt, versendet kein alternatives Papier. Sobald ein solches Dokument verschickt wird, bedeutet das, dass eine andere politische Linie verfolgt wird. Doch was ist mit der ursprünglichen Vereinbarung? Niemand stellt diese Frage, aber sie ist zentral.

Für uns steht fest: Entweder man nimmt politische Zusagen nicht ernst oder versucht, durch Verzögerungstaktiken Zeit zu gewinnen, um sich militärisch zu konsolidieren. Eine weitere Möglichkeit ist, dass es ursprünglich tatsächlich eine ernsthafte Umsetzungsabsicht gab, die jedoch durch äußere Einflüsse wie die Türkei sabotiert wurde. Auch dieses Szenario ziehen wir in Betracht. Ein solcher zentralistischer und ausgrenzender Ansatz kann nur in eine Richtung führen: in neue Konflikte, bewaffnete Auseinandersetzungen und tiefere Spaltungen. Und dabei spreche ich nicht nur über Nord- und Ostsyrien – das gilt für das ganze Land. Wenn jemand sagt: „Ich bin die Hauptstadt und legitime Vertretung dieses Landes“, dabei aber sämtliche gesellschaftlichen Gruppen ignoriert und sich selbst als alleinige Instanz setzt, was wird dann in zwei Jahren passieren?

Führt die Haltung der syrischen Regierung zu einem erhöhten Risiko neuer militärischer Spannungen oder sogar eines innerstaatlichen Konflikts?

Zu Beginn sagten viele Menschen: „Lasst uns abwarten. Diese Kräfte sind neu an der Macht, vielleicht unternehmen sie morgen erste Schritte, vielleicht verändern sie sich.“ Man gewährte ihnen Zeit und das war nachvollziehbar, denn unsere Probleme sind nicht neu, sie reichen sechzig Jahre zurück. Es gab Hoffnung und Erwartung. Doch sobald die Menschen erkannt haben, dass sich im Kern nichts geändert hat und lediglich das alte Regime unter einem neuen Deckmantel fortbesteht, werden sie sich erheben und Widerstand leisten. Wann in der Geschichte wurde ein gesellschaftlicher Konflikt je durch Drohungen gelöst? Wo wurde je mit Gewalt ein dauerhafter Frieden geschaffen? Während des Arabischen Frühlings – in Tunesien, Libyen, Ägypten, Jemen und schon zuvor im Irak – setzten die jeweiligen Regime ebenfalls auf Repression gegenüber dem eigenen Volk. Was war das Ergebnis? Sie wurden allesamt gestürzt. Heute wird in Syrien dieselbe Methode erneut versucht. Doch wenn dieser Kurs beibehalten wird, führt das Land unausweichlich in einen Bürgerkrieg und neue, tiefgreifende Auseinandersetzungen.

Erster Schritt: Demokratische Verfassung

Bevor überhaupt über das Schicksal der QSD gesprochen werden kann, braucht Syrien zunächst eine demokratische Verfassung. Es muss ein dezentralisiertes System aufgebaut werden. Nur wenn wir einander auf Grundlage von Versprechen, Garantien und gegenseitigem Vertrauen begegnen, lassen sich auch militärische Fragen konstruktiv lösen. Wie könnte das konkret aussehen? Die QSD könnten als offizielle Verteidigungskräfte der Region bestehen bleiben, gleichzeitig aber in eine Struktur integriert werden, die der gesamtstaatlichen syrischen Militärführung zugeordnet ist, etwa als östlicher Flügel der nationalen Armee. Sie wären somit Teil der syrischen Streitkräfte, behielten jedoch ihre operative Autonomie vor Ort. Das Kommando über alltägliche Abläufe und regionale Verteidigung bliebe in ihren Händen, während eine übergeordnete, lose Anbindung an Damaskus bestehen würde. Eine Lösung, die Sicherheit schafft, ohne vollständige Entkopplung vom Staat. Doch bislang deutet nichts darauf hin, dass Damaskus diesen Weg ernsthaft verfolgt. Stattdessen will man weiterhin alles zentral kontrollieren. Das ist ein Ansatz, der die Spannungen nicht abbaut, sondern verschärft.

Angesichts der derzeitigen Lage – was bedeutet das Jahr 2026 für Syrien?

Wenn sich der aktuelle Kurs auch im kommenden Jahr fortsetzt, wird Syrien noch tiefere Krisen erleben. Bislang hat die syrische Gesellschaft die Krise nicht überwunden – nicht, weil es ihr an Kraft mangelte, sondern weil sie der Hoffnung eine Chance geben wollte. Doch diese Geduld ist nicht grenzenlos. In Westsyrien, im Süden, im Norden, im Osten und sogar selbst in Damaskus hat jede Region ihre eigenen sozialen und politischen Gegebenheiten. Spätestens im Jahr 2026 müssen diese Realitäten sichtbar und anerkannt sein. Es ist dringend an der Zeit, dass alle gesellschaftlichen Komponenten und Regionen Syriens in den Dialog treten. Ohne diesen gesamtgesellschaftlichen Austausch kann keine tragfähige Zukunft entstehen.

Haben Sie in Anbetracht dessen eine Botschaft an die kurdische Bevölkerung in Syrien, insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit kurdischer Einheit?

Die kurdische Frage ist ein zentrales Thema für Syrien. Sie kann nicht einfach ausgeklammert werden, wenn wir von Demokratisierung sprechen. Unsere Haltung ist klar: Die Lösung der kurdischen Frage ist untrennbar mit der Schaffung eines demokratischen Syriens verbunden. Erst wenn ein solches Syrien verwirklicht ist, kann auch die kurdische Frage auf gerechte Weise beantwortet werden, und zwar durch Dialog und Verständigung. Wir haben in Nord- und Ostsyrien zwei Delegationen gebildet: Eine, die die Autonomieverwaltung in administrativer und militärischer Hinsicht vertritt. Und eine zweite, die sich gezielt mit dem kurdischen Dialog und der Frage der innerkurdischen Verständigung befasst. Leider hat es bislang keinerlei Verhandlungen zur kurdischen Frage gegeben. Obwohl wir mehrfach entsprechende Gespräche eingefordert haben, blieb jede Reaktion aus. Dabei müsste das Jahr 2026 zum Jahr der Lösung der kurdischen Frage und zum Jahr des Aufbaus eines demokratischen Syriens werden.

Unser Anliegen ist ein historisches. Seit jeher stehen sich die Besatzungsmächte auf dem Boden Kurdistans in strategischer Allianz gegenüber mit dem Ziel, die Existenz der Kurd:innen zu negieren. Doch nach über fünf Jahrzehnten Widerstand hat sich Entscheidendes verändert: Die kurdische Identität ist aus dem Zustand der Unsichtbarkeit herausgetreten. Ihre Existenz wird heute international anerkannt. Die kurdische Frage ist zu einem Thema globaler Relevanz geworden. Umso wichtiger ist es, dass wir Kurd:innen den Weg der Einheit und des Zusammenhalts weiterverfolgen. Unsere Meinungen, politischen Ausrichtungen und Organisationsformen mögen unterschiedlich sein, doch das darf uns nicht daran hindern, gemeinsam unsere Existenz zu sichern und unsere Probleme nicht im Schulterschluss mit den Besatzern, sondern aus eigener Kraft zu lösen. Denn genau darin liegt der Weg zu einer kurdischen nationalen Einheit.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/mazlum-abdi-annaherung-zwischen-selbstverwaltung-und-damaskus-49407 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/bilder-der-zerstorung-in-aleppo-49379 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gemeinderat-in-aleppo-fordert-konsequenzen-nach-angriff-auf-kurdische-viertel-49384 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/fidan-in-damaskus-turkei-drangt-auf-integration-der-qsd-in-syrische-armee-49365 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkischer-verteidigungsminister-droht-qsd-49332

 

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QSD-Kommandant Abdi kündigt Reise nach Damaskus an

26. Dezember 2025 - 11:00

Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, plant noch vor Jahresende eine Reise in die syrische Hauptstadt Damaskus. Das kündigte QSD-Pressesprecher Farhad Şamî in einem Interview mit dem saudisch-staatlichen Nachrichtensender Al Arabiya an.

Die Gespräche zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der syrischen Übergangsregierung im Rahmen des 10.-März-Abkommens würden andauern, sagte Şamî. Man habe in zentralen Fragen Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Integration der QSD in die syrische Armee. Es gebe in dieser Frage gemeinsame Auffassungen mit der Zentralregierung in Damaskus.

Falsche Berichte über Ausbildung von Drusen-Kräften

Şamî wies in dem Interview zugleich Medienberichte zurück, wonach die QSD in der südsyrischen Provinz Suweida militärische Ausbildung für drusische Einheiten übernommen hätten. „Wir haben die Kräfte von Hikmet al-Hijri nicht militärisch trainiert. Unsere Beziehungen zur drusischen Gemeinschaft sind politischer und gesellschaftlicher Natur – sie verfügen selbst über militärische Erfahrung und benötigen keine Ausbildung durch uns“, so Şamî.

Auch Gerüchte über angebliche Kontakte zwischen den QSD und Israel dementierte der Sprecher deutlich: „Wir haben keine Beziehungen zu Israel. Hätten wir welche, würde niemand es wagen, unsere Kräfte anzugreifen.“ Die Verbreitung solcher Behauptungen sei Teil von Kampagnen jener Akteure, denen es an einem echten gesamtstaatlichen Projekt für Syrien fehle.

Abdi bekräftigt Dialog mit Regierung und 10.-März-Abkommen

Mazlum Abdi selbst äußerte sich am Vortag in der nordsyrischen Stadt Tabqa bei einem Treffen des Beratungsgremiums zur Unterstützung des Verhandlungskomitees, das für die Gespräche mit Damaskus gebildet wurde. Auch dort betonte er die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der syrischen Zentralregierung und bekräftigte die Gültigkeit des 10.-März-Abkommens. Trotz gelegentlicher Verstöße gegen die Vereinbarung werde der Dialog mit Damaskus sowohl direkt als auch über Vermittler fortgeführt, sagte Abdi. Ziel sei es, die politische Lösung für Syrien voranzubringen.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/mazlum-abdi-annaherung-zwischen-selbstverwaltung-und-damaskus-49407 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/kind-getotet-drohnenangriff-auf-dorf-bei-dair-hafir-49412 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zufahrten-zu-kurdischen-stadtteilen-in-aleppo-weiter-blockiert-49413

 

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Das Repräsentationsproblem in der kurdischen Bewegung

26. Dezember 2025 - 9:00

Die politische Repräsentation der Kurd:innen ist das Ergebnis eines späten und schmerzhaften Kontakts mit der modernen Politik. In der Spätphase des Osmanischen Reiches war das Verhältnis der kurdischen Gesellschaft zur politischen Ordnung weitgehend durch lokale Machtstrukturen geprägt. In der Republikzeit hingegen wurde dieses Verhältnis radikal unterbrochen: Politik im Namen der kurdischen Identität wurde verboten, die Sprache aus dem öffentlichen Raum verbannt. Politik wurde nicht mehr als Raum legitimer Forderungen begriffen, sondern in eine Kategorie des Strafrechts überführt. Unter diesen Bedingungen wurde politische Repräsentation nicht als Karriereweg, sondern als eine mit hohen Kosten verbundene Verantwortung verstanden.

Seit den 1990er Jahren, als der Eintritt in den legalen politischen Raum gelang, verschwanden diese Kosten nicht. Wiederholte Parteiverbote, das beredte Schweigen nach Gerichtsurteilen, die Inhaftierung von Abgeordneten und Verhaftungswellen direkt im Anschluss an Wahlen verdeutlichten stets aufs Neue, wie fragil dieses Terrain geblieben ist. Die Vertreter:innen wurden nicht nur als politische Akteure wahrgenommen, sondern waren zugleich erste Zielscheibe von Repression. Diese Realität machte politische Erfahrung und Kontinuität zu überlebenswichtigen Faktoren. Wer bestehen konnte, dessen Stimme gewann zwangsläufig an Gewicht.

Diese historische Grundlage schuf eine enge Verbindung zwischen politischer Repräsentation und Gesellschaft. Die kurdische Bewegung beschränkte sich nicht auf die Beziehung zur Wahlurne. Gefängnisbesuche, Trauerbekundungen, Reden in verbotenen Sprachen und die kollektiven Traumata durch Zwangsräumungen von Dörfern wurden zu integralen Bestandteilen politischen Handelns. Repräsentation wurde Teil des Alltags. Die Verhaftung einer Abgeordneten oder eines Abgeordneten war nicht bloß ein politisches Ereignis, sondern ein gesellschaftlicher Einschnitt. Diese Verbindung verlieh den Vertreter:innen über lange Zeit eine kaum hinterfragte Legitimität.

Doch eben diese Legitimität begann mit der Zeit Spannungen zu erzeugen. Gestützt auf ihre Verwurzelung in der Gesellschaft, zentralisierten die Repräsentant:innen zunehmend das Mandat, im Namen der Gemeinschaft zu sprechen. Kritik wurde oft als unangebracht in Zeit und Ort gewertet. Sätze wie „Die Lage ist ernst“, „Der Feind ist übermächtig“ oder „Jetzt ist nicht der richtige Moment“ entwickelten sich zu einem Sprachgebrauch, der politische Diskussionen aufschob. Anfangs hatte diese Rhetorik eine schützende Funktion, doch mit der Zeit verengte sie den Raum politischer Auseinandersetzung.

An diesem Punkt begann sich das Verhältnis der Repräsentation allmählich zu verfestigen. Die Kontinuität von Mandaten verwandelte sich von einer natürlichen Folge von Erfahrung in ein Statussymbol. Es wurde zur Normalität, dass dieselben Personen über Jahre hinweg unterschiedliche Posten bekleideten. Entscheidungsprozesse verengten sich. Während die Verantwortung zunehmend nach oben wanderte, wurde die Last politischer Konsequenzen an der Basis getragen. Dies erzeugte innerhalb der Bewegung eine nicht offen ausgesprochene, aber deutlich spürbare Distanz. Diese Distanz war weder ein Bruch noch eine offene Konfrontation – vielmehr handelte es sich um eine stille Spannung.

Gerade in dieser Stille formierte sich eine kastenartige Struktur. Diese war keine Elite im klassischen Sinn – sie gründete sich nicht auf Reichtum oder Privilegien, sondern auf die Sakralisierung politischer Positionen. Je mehr Repräsentation sich von einem zeitlich begrenzten und widerrufbaren Mandat entfernte, desto höher wurde der Preis für Kritik. Kritische Stimmen wurden zunehmend als „unzeitgemäß“, „verantwortungslos“ oder als „schwächend für die Bewegung“ gebrandmarkt. So hörte Repräsentation auf, ein Raum zu sein, der gesellschaftliche Energie freisetzt, und wurde stattdessen zu einem Mechanismus, der diese reguliert.

Der zentrale Widerspruch innerhalb der kurdischen politischen Bewegung besteht heute im Spannungsverhältnis zwischen der historischen Notwendigkeit von Repräsentation und den Risiken, die mit politischer Subjektwerdung einhergehen. Repräsentation bleibt unerlässlich, da der Kontakt mit dem Staat, dem Rechtssystem und internationalen Akteuren über diesen Kanal verläuft. Doch wenn Repräsentation nicht durch Subjektwerdung ausgeglichen wird, tendiert sie zur Abschottung. Diese mag kurzfristig Stabilität erzeugen, führt jedoch langfristig zu einem Abbau gesellschaftlicher Dynamik.

In diesem Zusammenhang ist die Rojava-Erfahrung als eine konkrete Antwort auf dieses Spannungsverhältnis zu verstehen. Die Politik des Demokratischen Konföderalismus eröffnete einen Weg, Repräsentation nicht vollständig abzuschaffen, sondern sie in kollektive Entscheidungsprozesse einzuweben. Kommunen, Nachbarschaftsräte, kantonale Strukturen und das System der genderparitätischen Doppelspitze wurden als Mechanismen etabliert, um Repräsentation kontinuierlich unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.

In Rojava trat Subjektwerdung als existenzielle Notwendigkeit des Alltags zutage. Die Bedingungen des Krieges, das Leben unter Embargo und ständiger Bedrohung machten ein zentrales und geschlossenes politisches System unmöglich. Die Dezentralisierung von Entscheidungsprozessen war weniger Ausdruck eines politischen Ideals als vielmehr eine Überlebensstrategie. Damit wurde Subjektwerdung aus einem romantisierenden Beteiligungsdiskurs herausgelöst und in eine praktische politische Notwendigkeit überführt.

In dieser Hinsicht bietet die Politik des Demokratischen Konföderalismus in Rojava eine mögliche Antwort auf die allgemeine Repräsentationskrise innerhalb der kurdischen Bewegung. Sie bestätigt auf praktischer Ebene die Erkenntnis, dass Repräsentation zwar notwendig ist, aber ohne ein Gegengewicht durch Subjektwerdung erstarrt. Parlamentarische Politik, Diplomatie und internationale Beziehungen sind zwangsläufig auf Repräsentation angewiesen. Doch wenn diese Bereiche den Bezug zur Subjektwerdung verlieren, steigt das Risiko einer verfestigten Kastenstruktur. Die Praxis in Rojava erinnert daran, dass dieser Bruch kein unausweichliches Schicksal ist.

Das Repräsentationsproblem in der kurdischen Bewegung ist das Ergebnis einer unter Bedingungen historischer Repression gewachsenen und durch gesellschaftliche Legitimität gestärkten Struktur. Wird diese Struktur nicht durch Mechanismen der Subjektwerdung ausgeglichen, verhärtet sie sich. Die Politik des Demokratischen Konföderalismus in Rojava ist die bislang konkreteste historische Antwort auf diese Verhärtung. Sie ist unvollständig, riskant und fortwährend umstritten, doch genau in diesem riskanten Raum vollzieht sich politischer Wandel. Die Zukunft der Repräsentation hängt davon ab, inwieweit man bereit ist, sich diesem Risiko zu stellen.

Sinan Cûdî ist Journalist und lebt und arbeitet in Rojava. Der hier veröffentlichte Kommentar erschien zuerst auf Türkisch als Forumsbeitrag in der Tageszeitung „Yeni Yaşam“​​​​​​​.

https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-gesellschaftliche-konstruktion-von-freiheit-49373

 

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Zufahrten zu kurdischen Stadtteilen in Aleppo weiter blockiert

26. Dezember 2025 - 7:00

Islamistische Milizen, die der selbsternannten Übergangsregierung in Damaskus unterstehen, blockieren weiterhin zentrale Zufahrtsstraßen zu den kurdischen Stadtteilen Şêxmeqsûd (Scheich Maksud) und Eşrefiyê (Ashrafia) im Norden Aleppos. Fünf Verkehrswege sind nach wie vor für Fahrzeuge gesperrt.

Lediglich über den Şîhan-Knotenpunkt (Shihan) und die Al-Awarid-Straße ist derzeit eine Zufahrt mit Fahrzeugen möglich. Fußgänger:innen weichen auf kleinere Routen wie Talit Eşrefiyê, Cizîr, den Eşrefiyê-Park sowie zwei Nebenstraßen aus.

An Kontrollpunkten rund um die abgeriegelten Gebiete kontrollieren die Truppen der islamistischen Übergangsregierung laut Berichten von Reporter:innen von vor Ort systematisch Ausweise, durchsuchen Personen und behindern die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung.

Die vollständige Sperrung der beiden zentralen Kreisel wirkt sich nach Angaben von Anwohnenden negativ auf die Versorgungslage und das wirtschaftliche Leben in den beiden überwiegend kurdisch bewohnten Stadtteilen aus. Lieferketten seien unterbrochen, die Geschäftstätigkeit stark eingeschränkt.

Am Montag hatten Damaszener Truppen die beiden Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê mit Panzern, Raketen und Mörsern beschossen. Dabei wurde eine 57-jährige Frau getötet. Mindestens 25 weitere Menschen, darunter 19 Anwohner:innen und sechs Einsatzkräfte der autonomen Sicherheitsbehörde Asayîş, wurden verletzt.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/bilder-der-zerstorung-in-aleppo-49379 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gemeinderat-in-aleppo-fordert-konsequenzen-nach-angriff-auf-kurdische-viertel-49384 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zivilfahrzeug-im-gebiet-Sexmeqsud-esrefiye-bombardiert-49396

 

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Kind getötet: Drohnenangriff auf Dorf bei Dair Hafir

26. Dezember 2025 - 2:00

Bei einem Drohnenangriff auf Dair Hafir ist am Donnerstagnachmittag ein Kind getötet worden. Ein weiterer Jugendlicher wurde verletzt. Der tödliche Angriff ereignete sich laut Angaben der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) im Dorf Dora im Westen der bei Aleppo gelegenen Gemeinde.

Die QSD machten Gruppierungen unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung für den Angriff verantwortlich. Demnach sei eine mit Sprengstoff beladene Drohne auf das Dorf abgefeuert worden. Das getötete Kind wurde nicht namentlich genannt. Der verletzte Junge wurde als der 15-jährige Nasser al-Khalaf identifiziert.

Lokale Quellen berichteten von großer Panik in der Bevölkerung. Zahlreiche Familien hätten versucht, ihre Kinder aus dem betroffenen Gebiet in Sicherheit zu bringen. Die Attacke reiht sich ein in eine Serie gezielter Angriffe auf Gebiete unter der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES).

Am Montag waren 25 Menschen, darunter 19 Zivilpersonen und sechs Angehörige der autonomen Sicherheitsbehörde Asayîş, bei  schweren Angriffen Damaszener Truppen auf die kurdischen Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo verletzt worden. Eine 57 Jahre alte Frau kam ums Leben.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gemeinderat-in-aleppo-fordert-konsequenzen-nach-angriff-auf-kurdische-viertel-49384 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/bilder-der-zerstorung-in-aleppo-49379 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zwei-qsd-mitglieder-bei-drohnenangriff-nahe-dair-hafir-verletzt-49285

 

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Ronahî Yekta – Vorbild unserer Generation

25. Dezember 2025 - 21:00

Es ist unsere Verantwortung, von einer Freundin wie Ronahî Yekta zu erzählen. Wir haben gemeinsam gelebt und gelacht, diskutiert, gestritten, geträumt. Ihr kurdischer Name, Ronahî, bedeutet Licht, Helligkeit – ein Leuchten. Von Hevala Ronahî zu sprechen, heißt, dieses Leuchten über die Grenzen von Raum und Zeit hinauszutragen.

Es ist, als hätte sich das Universum nach ihrer Lebendigkeit gesehnt. Dass ihr Wirken nicht verloren geht, nicht vergessen wird, ist einer Kultur des Erinnerns zu verdanken, die tief in der kurdischen Freiheitsbewegung verwurzelt ist. Einen gemeinsamen Weg zu gehen, sich Seite an Seite im Freiheitskampf zu befinden, bedeutet eine Verantwortung füreinander, die über die Grenzen des physischen Daseins hinausreicht.

Wenn eine Freundin, eine Gefährtin, aus unserer Mitte gerissen wird, liegt es an uns, ihr Werk fortzuführen, ihre Träume zu den unseren zu machen. So verhindern wir, dass unser Kampf geschwächt wird, selbst wenn die Angriffe mächtig sind. So verhindern wir, dass Geist und Lebenswerk unserer Gefallenen verloren gehen. Vielleicht ist es deshalb so, dass staatliche Kräfte aus allen Richtungen, trotz aller Versuche, die Revolution in Kurdistan zu zerschlagen, auf eine immer stärkere internationale Bewegung stoßen.

Auf dem Weg zum Tişrîn-Staudamm

Gesellschaftlicher Widerstand in Tişrîn – No Pasarán!

Im Winter 2024/25 versuchte der türkische Staat erneut, den Widerstand der Bevölkerung Nord- und Ostsyriens mit Drohnen und Kampfbombern zu brechen. Doch es kam anders. Alt und Jung, Menschen verschiedenster Kulturen und Ethnien, standen gemeinsam auf – zur Verteidigung des Tişrîn-Staudamms gegen eine Offensive, getragen von islamistischen Milizen unter türkischer Führung.

Eine Internationalistin unter ihnen hörte zum ersten Mal das Dröhnen der Kriegsmaschinen am Himmel. Um sie herum lagen Verwundete und Tote, doch der Wille der Menschen blieb ungebrochen: No Pasarán – sie werden nicht durchkommen. Ganze Autokolonnen fuhren aus Städten und Dörfern zum Damm. Jede:r wusste, dass eine Rückkehr nicht gewiss war, doch ebenso war ihnen klar, was auf dem Spiel stand.

Fiel der Damm, fiel Kobanê. Fiel Kobanê, öffnete sich Anfang 2025 das Tor für eine neue Bodenoffensive gegen die gesamte Region. Während die Weltöffentlichkeit nach Damaskus blickte, wurden am Euphrat Geschichte geschrieben – und Menschenleben geopfert. Die Internationalistin, die sich mit Hunderten anderen auf dem Gelände befand, hatte nur einen Gedanken: „Wie können sich die Feinde dieser Region nur einbilden, solche Menschen je besiegen zu können?“

Ronahî Yekta © YPJ

Entschlossenheit und Klarheit

Diese Entschlossenheit ist kaum in Worte zu fassen. Sie ist spürbar, wenn man vor Ort ist: in Familien, in Räten, in zufälligen Begegnungen. Nur wenige Außenstehende begreifen, wie tief diese Haltung reicht. Doch wer sie erlebt, erkennt: Dies ist eine gesellschaftliche Kraft, die nicht mit Waffen allein bezwungen werden kann.

Auch in den Augen von Ronahî Yekta brannte diese Entschlossenheit. Als Kommandantin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) leitete sie einen Frontabschnitt der Verteidigung. Zwei Kräfte trugen diesen Widerstand: die militärischen Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und der YPJ, getragen von Freiwilligen aus der Region und dem gesamten Mittleren Osten – und die Bevölkerung selbst. Gemeinsam verteidigten sie erneut die Stadt Kobanê, diesmal unbeachtet von der Weltöffentlichkeit.

Dutzende fielen, Hunderte wurden verwundet. Die Türkei verübte Massaker aus der Luft, die bis heute unbeantwortet geblieben sind. Doch die Verteidigung hielt. Keine feindliche Einheit konnte den Euphrat überqueren. Der Fortbestand der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens – der einzigen Alternative zur ethnisch und religiös motivierten Gewalt in Syrien und der Willkürherrschaft in Damaskus – wurde in diesen Tagen gesichert.

Ronahî Yekta © YPJ

Ronahî Yekta: Journalistin, Kommandantin, Vorbild

Am 25. Dezember 2024 wurde Ronahî Yekta durch türkische Besatzer und ihre islamistischen Stellvertreter ermordet – 17 Tage nach dem Fall des Regimes in Damaskus. Noch kurz zuvor sprach sie mit kurdischen Reporter:innen. Sie wusste, wie wichtig Bilder und Berichte von der Front sind, war sie doch selbst einst Journalistin gewesen. Für das Interview verließ sie den Schutz der Tunnelanlagen und trat vor einen zerstörten Panzer der Invasoren.

Ein Akt der Aufklärung, und der Gefahr. Die Türkei überwacht die Region rund um die Uhr mit Drohnen, jeder Moment kann tödlich sein. In ihren letzten Worten sagte Hevala Ronahî:

„Seit fast sieben Tagen befinden wir uns hier im Krieg. Unter der Erde wie über der Erde haben wir moderne Widerstandstaktiken angewendet – erfolgreich. Es war ein ganz enormer Widerstand, der hier geleistet wurde. Obwohl wir von der Heftigkeit der Angriffe überrascht wurden, konnten wir sie als QSD und YPJ zurückdrängen. Das ist ein großer Erfolg. Denn dieser Angriff kam vom allen Seiten gleichzeitig. Wir haben die feindlichen Kräfte am Staudamm nun zurückgedrängt. Doch in den umliegenden Regionen halten wir noch immer unsere Stellungen. Wir sind im Widerstand, es herrscht weiter Krieg. Wir haben viel gelernt in dieser schweren Zeit.“

 


Geschichte geschrieben, Zukunft verteidigt

Zwei weitere Monate dauerte es, bis die Region soweit gesichert war, dass kein täglicher Abwehrkampf mehr nötig war. All das geschah im Schatten der Weltöffentlichkeit. Während Damaskus kurzzeitig Hoffnung versprach, führte die Türkei in Nord- und Ostsyrien einen Krieg, über den kaum berichtet, der geschweige denn verurteilt wurde. Doch die Menschen der Region schrieben erneut Geschichte – allein, mutig, entschlossen. Wäre ihr Widerstand gebrochen worden, hätte dies eine neue Welle von Flucht und Vertreibung ausgelöst. Die Zukunft Syriens, wie wir sie uns wünschen als Heimat für alle Kulturen und Religionen, wurde auch am Tişrîn-Staudamm verteidigt.

Ronahî Yekta war eine der Vielen, die dafür ihr Leben gaben. Und eine der Wenigen, deren Licht bis heute leuchtet.

Wir tragen ihren Weg weiter

Vom Widerstand in Tişrîn zu erzählen, heißt, ein kollektives Bewusstsein zu schaffen. Es zeigt: Selbstverwaltungsstrukturen können verteidigt werden. Organisierte Gesellschaften können sich behaupten. Entschlossene Menschen wie Ronahî Yekta haben der Welt ein Beispiel hinterlassen – und eine Hoffnung, die über Grenzen hinausstrahlt.

Weiterführende Materialien zum Thema:

Dokumentarfilm:
„Berxwedan Jiyan e – Der Widerstand von Tişrîn“
Gedreht von einer europäischen Journalistin während der zivilgesellschaftlichen Verteidigung des Tişrîn-Staudamms.
Verfügbar in neun Sprachen auf YouTube: @Berxwedan_Jiyane_film

Rojava Information Center
rojavainformationcenter.org – Berichte und Dossiers (in mehreren Sprachen verfügbar):

Nach Assad – Die Verbrechen der Türkei und der SNA an der Zivilbevölkerung in Nord- und Ostsyrien

Von Idlib nach Damaskus: Die Entwicklung von HTS zur faktischen Übergangsregierung

Die Syrische Nationalarmee: Die türkischen Proxy-Milizen in Nordsyrien

Angriffe auf Journalist:innen und Behinderung von Informationsbeschaffung durch die Türkei und die SNA

Kongra Star
kongrastar.org – Berichte auf verschiedenen Sprachen:

Der Drohnenkrieg gegen die Frauenrevolution

Politischer Femizid: Systematische staatliche Ermordung politisch organisierter Frauen

YPJ Information & Documentation Office
ypj-info.org – Auswahl an Berichten:

Kriegsverbrechen der Türkei in Nordostsyrien: Bombardierung ziviler Demonstrationen am Tişrîn-Staudamm

Broschüre: Die Angriffe des türkischen Staates auf Frauen, die den IS besiegt haben

Broschüre: Der Krieg der Türkei gegen Frauen, die gegen den IS kämpften

Der Krieg der Türkei gegen Frauen

Internationalistische Kommune von Rojava
internationalistcommune.com

On the Lands of Afrin – Ein Lied, gewidmet den Gefährtinnen Ronahî Yekta und Hêlîn Qereçox (Anna Campbell), veröffentlicht von der Internationalistischen Kommune Rojavas.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/ypj-kommandantin-bei-angriff-auf-tisrin-front-gefallen-44803 https://deutsch.anf-news.com/frauen/fotoreportage-die-frauen-in-verteidigung-der-euphrat-front-44697 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/selbstverwaltung-verurteilt-angriff-auf-friedenswache-45066 https://deutsch.anf-news.com/frauen/ypj-kampferin-destan-rojhat-bei-luftangriff-gefallen-45823 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zwei-qsd-kampfer-im-tisrin-widerstand-gefallen-45860 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/einigung-am-tisrin-staudamm-45913

 

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Kurdischer Revolutionär Mehmet Tunç im Exil gestorben

25. Dezember 2025 - 21:00

Der linke Aktivist Mehmet Tunç, eine bekannte Figur der revolutionären Bewegung in der Türkei, ist am 20. Dezember im Exil in Deutschland gestorben. Tunç gehörte seit fünf Jahrzehnten zur radikalen Linken und war eng mit der maoistisch orientierten TIKKO (Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee) verbunden, dem bewaffneten Arm der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML).

Seine politische Laufbahn begann in den 1970er Jahren, als er in Istanbul am Aufbau des 1.-Mai-Viertels mitwirkte. Der Kiez im anatolischen Stadtteil Ümraniye ist ein symbolträchtiges Beispiel für linke Selbstorganisierung in der Türkei. Es entstand in einem politischen, sozialen und urbanen Spannungsfeld und war kein regulär geplanter Stadtteil, sondern ein von Migrant:innen besiedeltes Gecekondu-Gebiet, das sich unter aktiver Beteiligung linker Gruppen entwickelte.

Verhaftung, Folter, Gefängnis

Im Jahr 1978 schloss Tunç sich den ersten Guerillaeinheiten der TIKKO an. 1982 wurde er zusammen mit fünf Mitstreitern bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit der türkischen Armee in der kurdischen Provinz Meletî (tr. Malatya) festgenommen. In der Haft überlebte er monatelange schwere Folter und verbrachte anschließend mehrere Jahre im Gefängnis.

Nach seiner Freilassung setzte er seine politische Arbeit fort. 1994 wurde er erneut verhaftet und im Istanbuler Bayrampaşa-Gefängnis inhaftiert. Dort beteiligte er sich 1995 an einem unbefristeten Hungerstreik und nahm 1996 am Todesfasten politischer Gefangener gegen die repressiven Haftbedingungen teil – einem der bedeutendsten Gefängniswiderstände der 1990er Jahre in der Türkei.

Beisetzung in seinem Heimatdorf

Am Donnerstag wurde Mehmet Tunç in seinem Heimatdorf Korîcek (Körücek) bei Albistan (Elbistan) in der Provinz Gurgum (Maraş) beigesetzt. An der Trauerfeier nahmen neben Angehörigen auch Vertreter:innen der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) teil.

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Angriff auf linke Infrastrukturen in Deutschland mittels Debanking

25. Dezember 2025 - 19:00

Kurz vor Jahresende erleben linke Organisationen und Einzelpersonen in Deutschland eine unangenehme Überraschung durch sogenanntes Debanking, also die Kündigung von Bankkonten aus politischen Gründen. Das bedeutet: Mitgliederbeiträge können nicht überwiesen und eingehende Spenden nicht weitergeleitet werden. Die Handlungsfähigkeit wird massiv behindert.  Betroffen ist vor allem die strömungsübergreifende linke Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e.V. mit ihren mehr als 19.000 Mitgliedern. Das „Anarchist Black Cross (ABC)“, das weltweit anarchistische Gefangene unterstützt, erhielt ebenfalls Kündigungsschreiben seiner Hausbank sowie weitere Basisorganisationen, Parteien oder Klimagruppen.

Es ist ausgerechnet die genossenschaftlich organisierte GLS Gemeinschaftsbank eG mit ihrem Versprechen von „gegenseitiger Hilfe und Unterstützung“, die an viele ihrer Kund:innen Kündigungsschreiben zukommen ließ. Daneben hat auch die Sparkasse Göttingen alle Konten der Roten Hilfe gekündigt. Andere Banken wie zum Beispiel die Ethikbank verwehren eine Kontoeröffnung.

Die Konten-Kündigungen erfolgten zunächst ohne Begründung. Bei Nachfragen zog sich die GLS-Bank auf Formalien zurück und benannte „regulatorische Pflichten“, „Risikoverlagerung“ und „Abwägungsentscheidung“. Formaljuristisch mag dies zutreffen, doch ist die Entscheidung selbstverständlich politisch.

Was ist der Hintergrund?

Die Rote Hilfe sieht auf ihrer Homepage die Gründe für das Debanking „in direktem Zusammenhang mit der Entscheidung der US-Regierung unter Donald Trump, die sogenannte „Antifa Ost“ als ausländische Terrororganisation zu listen. Diese Maßnahme hat keine Entsprechung im deutschen Recht und basiert auf einem einzelnen Strafverfahren mit äußerst fragwürdiger Beweislage. Die Bundesregierung hat die Einstufung nicht übernommen und mehrfach betont, dass von dem allein juristischen Konstrukt »Antifa Ost« keine erhebliche Gefährdung ausgehe. Dennoch entfaltet die US-Entscheidung faktisch globale Wirkung. […] Banken, die mit Personen oder Organisationen aus US-Terrorlisten in Verbindung stehen, drohen Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus dem internationalen Zahlungsnetzwerk SWIFT. Diese Infrastruktur gilt als technisch neutral und unterliegt EU-Recht, folgt aber aufgrund der Dominanz des US-Dollars in der Praxis außenpolitischen Vorgaben der USA.“

Wir erleben also gerade, wie die politische Agenda der US-Regierung Einfluss auf zivilgesellschaftliches Engagement in Europa zu nehmen und missliebige Akteure auszuschalten versucht. Von der deutschen Politik gibt es bisher keine nennenswerten Reaktionen auf diese Übergriffe. Darüber muss man sich nicht wundern, betrifft es doch (bisher) Strukturen, die hier als „verdächtig“ gelten und vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Doch auch in Deutschland gehört Debanking zum Instrument der Repression gegen Linke. Ganz ohne Zutun der USA ist schon seit vielen Jahren die kurdische Bewegung in Deutschland davon betroffen: 2015 kündigte die Sparkasse Saarbrücken das vom Verband der Studierenden aus Kurdistan (YXK) und der interventionistischen Linken (iL) eröffnete Spendenkonto der Kampagne „Initiative Solidarität mit Rojava“. Und auch der kurdischen Hilfsorganisation Heyva Sor a Kurdistanê e.V. hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier bereits 2011 für Rheinland-Pfalz als erstem Bundesland jegliche Spendensammlungen untersagt. Einzahlungen aus Rheinland-Pfalz auf das Heyva-Sor-Konto bei der Kreissparkasse Köln sind seither nicht möglich.

Einfluss der ultrarechten US-Agenda auf progressive Strukturen

Die Rote Hilfe und mit ihr ein mittlerweile großes Netzwerk von Unterstützer:innen warnen vor dem Einfluss der ultrarechten US-Agenda auf progressive Strukturen. Zurecht, wie sich zeigt. So wurde bekannt, dass die gemeinnützige Organisation HateAid, die sich für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert, ebenfalls ins Visier der US-Administration geriet. In einer Pressemitteilung heißt es:

„Kurz vor Heiligabend hat das US State Department die Verhängung von Einreisesperren gegen fünf Personen verkündet. Neben den HateAid-Geschäftsführer:innen sind der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton, der CEO des CCDH Imran Ahmed und die CEO des Global Disinformation Index Clare Melford betroffen. Sie seien als „radikale Aktivisten” und „bewaffnete Organisationen” eingestuft worden. Eine Einreise in die USA sei ihnen und potentiell auch ihren Familienangehörigen daher nicht erlaubt. […] HateAid bewertet diese Maßnahme als Akt der Repression einer Administration, die zunehmend Rechtstaatlichkeit missachtet und versucht, ihre Kritiker mit aller Härte zum Schweigen zu bringen.“

Von der Bundesregierung und der europäischen Kommission erwartet HateAid klare Signale gegen die Einschüchterungsversuche der US-Administration und die Achtung europäischer Souveränität. Mittlerweile gibt es auf Social Media eine Kampagne unter dem Motto: „Debanking ist Repression. Solidarität lässt sich nicht kündigen“. Die Initiator:innen fordern Solidarität mit den Betroffenen und eine klare zivilgesellschaftliche Haltung gegen den Rechtsruck auf beiden Seiten des Atlantiks.

Foto: Kampagne „Solidarität verbindet“ © Rote Hilfe e.V.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/antifa-ost-verfahren-thomas-j-als-unterstutzer-verhaftet-44004 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/durch-solidaritat-die-gefangnismauern-uberwinden-44071 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/hohe-haftstrafen-im-antifa-ost-verfahren-37707 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/zdf-hauptstadtstudio-fur-maja-t-besetzt-47102 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/budapest-komplex-funf-jahre-haft-fur-antifaschistin-hanna-s-48122

 

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Doğan: Demokratische Öffnung braucht klare gesetzliche Schritte

25. Dezember 2025 - 17:00

Die Sprecherin der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Ayşegül Doğan, hat bei einer Pressekonferenz in Ankara die aktuelle politische Lage, die Haushalts- und Sozialpolitik der Regierung sowie die jüngsten Entwicklungen im sogenannten Friedens- und Demokratisierungsprozess bewertet. Die Stellungnahme erfolgte im Anschluss an eine Sitzung des Parteivorstands.

Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage bezeichnete Doğan die in der Türkei herrschende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten als Ergebnis eines Mangels an Gleichheit und Gerechtigkeit. Die Entscheidung über den neuen Mindestlohn kritisierte sie als unzureichend und forderte eine Anhebung auf mindestens 46.000 Lira.

 


Zweite Phase des demokratischen Prozesses eingeleitet

Doğan ging ausführlich auf die laufenden politischen Gespräche im Rahmen des „Prozesses für Frieden und demokratische Gesellschaft“ ein und bezeichnete diesen als fortschreitend – ungeachtet mancher öffentlicher Zweifel. „Wir haben die erste Phase hinter uns gelassen. Die zweite Phase bedeutet für uns: gesetzliche Regelungen, die das politische Terrain rechtlich absichern und legitimieren“, erklärte sie. Der Prozess verlaufe trotz Angriffen, Blockaden und Verzögerungen weiter. Jetzt sei es an der Zeit, dass alle politischen Akteure gemeinsam an den notwendigen gesetzlichen Reformen arbeiten, statt sich an Ausschlussforderungen oder symbolischen „roten Linien“ festzuhalten.

Gesetzesreformen und Dialog als Grundlage für Gerechtigkeit

Die DEM-Sprecherin unterstrich, dass ein gesellschaftlich tragfähiger Ausweg nur auf Grundlage einer verfassungsmäßigen Gleichbehandlung und rechtlich abgesicherten Partizipation aller gesellschaftlichen Gruppen möglich sei. Der politische Prozess müsse deshalb durch gesetzliche Maßnahmen zur Entwaffnung und zivilen Konfliktlösung gestützt werden. Einige Parteien hätten in ihren Berichten gegenüber der Parlamentskommission den Begriff „kurdische Frage“ vermieden. Dies kritisierte Doğan als realitätsfern: „Die kurdische Frage ist real. In der Türkei nennt man sie vielleicht nicht so, international tut man das sehr wohl.“

Syrien: Türkei soll konstruktive Rolle übernehmen

Doğan forderte, dass die Türkei im Syrien-Konflikt eine vermittelnde und konstruktive Rolle einnimmt. Dialog mit der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und anderen Akteuren sei zentral, um regionale Stabilität zu fördern. „Was heute als Bedrohung dargestellt wird, kann durch Dialog in eine Chance verwandelt werden“, sagte sie. Minderheiten wie Alawit:innen, Drus:innen und Kurd:innen dürften nicht unter permanenter Bedrohung leben, sondern müssten in einem pluralistischen und dezentralen Modell Sicherheit und Teilhabe finden. Die langfristige Stärkung von demokratischen Strukturen in Syrien sei auch für die Türkei und die gesamte Region von Nutzen, betonte sie.

Leyla Zana als gezieltes Angriffsziel

Am Ende der Pressekonferenz äußerte sich Doğan auch zur öffentlichen Hetze gegen die kurdische Politikerin Leyla Zana, die zuletzt Ziel sexistischer und rassistischer Parolen bei Fußballspielen wurde. „Der Name Leyla Zana wurde nicht zufällig gewählt, genauso wenig wie einst Symbole weißer Toros-Fahrzeuge. Wer sie angreift, greift nicht nur eine Einzelperson an, sondern das, was sie verkörpert: kurdische Repräsentation, Würde, Widerstand“, sagte Doğan. Sie rief dazu auf, diesen Angriffen gemeinsam entgegenzutreten: „Diejenigen, die sich von Hass, Gewalt und Konfrontation nähren, werden verlieren, wenn wir zusammenhalten.“

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-veroffentlicht-losungsbericht-fur-parlamentskommission-49226 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/parlamentskommission-verlangert-arbeitsdauer-um-zwei-monate-49394 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/fidan-in-damaskus-turkei-drangt-auf-integration-der-qsd-in-syrische-armee-49365 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/akp-bericht-zur-kurdischen-frage-bedingungen-statt-Offnung-49329

 

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Mazlum Abdi: Annäherung zwischen Selbstverwaltung und Damaskus

25. Dezember 2025 - 15:00

Der Oberkommandierende der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hat sich zuversichtlich über den Fortgang der Gespräche zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Übergangsregierung in Damaskus geäußert. Im Rahmen einer Sitzung des Beratungsrats zur Unterstützung des Verhandlungskomitees in Tabqa sagte Abdi am Donnerstag, in zentralen Fragen sei ein gemeinsames Verständnis erzielt worden.

Konsens bei militärischer Integration im öffentlichen Interesse

Abdi erklärte, insbesondere beim Thema militärische Integration sei man sich nähergekommen: „Zwischen beiden Seiten besteht ein gemeinsames Verständnis darüber, wie die Integration der militärischen Kräfte im Sinne des öffentlichen Interesses gestaltet werden kann.“ Die Äußerungen gelten als Hinweis auf mögliche erste Schritte hin zu einer strukturellen Einbindung der QSD in nationale syrische Sicherheitsstrukturen.

Verfassungsfragen zentral für politische Lösung

Mit Blick auf eine dauerhafte politische Lösung für ganz Syrien betonte Abdi die zentrale Bedeutung von verfassungsrechtlichen Reformen. Diese erforderten Zeit und weitreichende Verhandlungen. „Ein gerechter und stabiler Ausweg aus dem Konflikt kann nur auf Basis eines inklusiven und dezentralisierten Regierungsmodells gefunden werden“, sagte Abdi. Ziel müsse ein System sein, das die aktive Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen garantiere und extreme Zentralisierung überwinde. „Eine neue syrische Verfassung muss die Erwartungen aller Bevölkerungsgruppen widerspiegeln. Dafür ist ein vertiefter und konstruktiver Dialog erforderlich“, so Abdi.

Fortschritte bei Grenzfragen und Ressourcennutzung

Auch in praktischen Fragen wie der Kontrolle von Grenzübergängen und der Verwaltung natürlicher Ressourcen sieht Abdi positive Entwicklungen. Man habe Fortschritte bei der Entwicklung einer gemeinsamen Vision zur Grenzverwaltung erzielt. Zudem bestehe Übereinstimmung darüber, dass natürliche Ressourcen nicht im Besitz einzelner Gruppen, sondern der gesamten Nation Syriens seien. „In vielen grundlegenden Fragen haben wir bereits Konsens erzielt. Wir hoffen, dass auch in den verbleibenden Punkten eine Einigung möglich ist“, so Abdi. Ziel sei es, dass die Bevölkerung ihre Regionen im Rahmen einer verfassungsmäßig verankerten Selbstverwaltung über demokratisch legitimierte Institutionen selbst verwalten könne.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gemeinderat-in-aleppo-fordert-konsequenzen-nach-angriff-auf-kurdische-viertel-49384 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/bilder-der-zerstorung-in-aleppo-49379 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-Ubergangsregierung-muss-abkommen-einhalten-49391 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-gezielte-desinformation-durch-damaskus-49375 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-generalkommandant-abdi-2026-wird-ein-neuanfang-fur-uns-49336

 

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Weihnachtsgottesdienst in Hesekê

25. Dezember 2025 - 15:00

Christliche Gemeinden im Kanton Cizîrê haben den Weihnachtstag mit feierlichen Gottesdiensten begangen. Die Messen standen im Zeichen von Frieden, Nächstenliebe und dem Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in der Region.

In der Georgskathedrale im Stadtzentrum von Hesekê versammelten sich Gläubige bereits in den frühen Morgenstunden. Die Liturgie umfasste biblische Lesungen, traditionelle Weihnachtslieder und das Entzünden von Kerzen als Symbol für Licht, Hoffnung und Erneuerung. Die Kirche war festlich geschmückt, mit beleuchtetem Weihnachtsbaum und Krippenfiguren.

Gebete für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Während des von Maurice Amsih, Erzbischof von Firat und Cizîrê (Euphrat und Dschazira) der syrisch-orthodoxen Kirche, gehaltenen Gottesdienstes wurden besondere Gebete für Frieden, Sicherheit und Stabilität in Syrien gesprochen. In seiner Predigt betonte der Geistliche die Bedeutung von Toleranz, interreligiösem Zusammenhalt und dem friedlichen Miteinander aller ethnischen und religiösen Gruppen in Nordostsyrien.

„Die Werte von Weihnachten – Liebe, Mitgefühl und Hoffnung – sind ein Band, das die Menschen dieser Region verbindet“, sagte Erzbischof Amsih. Abschließend rief er zur Überwindung von Gewalt und Hass auf. „Möge die Botschaft von Weihnachten den Weg für Versöhnung und Frieden ebnen – hier in unserer Heimat und weltweit.“

Selbstverwaltung bei Weihnachtsmesse anwesend

An dem Gottesdienst nahm auch eine Delegation der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) teil. Unter den Anwesenden befand sich auf Joseph Issa, stellvertretender Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der DAANES. „Die Atmosphäre der Zeremonie war geprägt von Besinnlichkeit und dem Wunsch nach einer besseren Zukunft“, sagte er.

Beendet wurde die Messe mit dem Anzünden von Lichtern und einer feierlichen Prozession durch das Gotteshaus. Der Tag verlief friedlich, die Behörde für innere Sicherheit in der nordostsyrischen Autonomieregion hatte im Vorfeld umfassende Maßnahmen zum Schutz der Kirche getroffen.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/gesellschaft-fur-bedrohte-volker-warnt-vor-wachsendem-einfluss-islamistischer-krafte-49326 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-institutionen-gratulieren-zu-weihnachten-49389

 

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