«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Hatimoğulları warnt vor Rückschritten im Friedensprozess
Die Ko-Vorsitzende der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları, hat in ihrer wöchentlichen Rede vor der Fraktion im türkischen Parlament eine Wiederbelebung des Friedensprozesses gefordert. Verzögerungen im politischen Dialog stärkten laut Hatimoğulları jene Kräfte, die auf Eskalation und Konfrontation setzen.
Kritik an fortgesetzter Haft von Demirtaş und Yüksekdağ
Zu Beginn ihrer Rede erinnerte Hatimoğulları an den kurdischen Dichter Cegerxwîn, der am 22. Oktober 1984 starb. Dessen „revolutionäre Haltung“ lebe in der kollektiven Erinnerung fort, sagte sie.
Am Wochenende hatte Hatimoğulları gemeinsam mit dem Ko-Vorsitzenden Tuncer Bakırhan die ehemaligen HDP-Spitzen Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş im Gefängnis besucht. In diesem Zusammenhang verwies die DEM-Politikerin auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), in denen jeweils Rechtsverstöße gegen Demirtaş festgestellt wurden.
„Ein dauerhafter Frieden kann nicht einseitig errichtet werden“, so Hatimoğulları. „Die Regierung muss endlich konkrete, rechtlich bindende Schritte setzen.“ Die inhaftierten Angeklagten im sogenannten Kobanê-Verfahren müssten „unverzüglich freigelassen werden“.
Historische Gelegenheit für demokratische Erneuerung
Mit Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Monate hinsichtlich einer möglichen Lösung der kurdischen Frage sprach Hatimoğulları von einer „historischen Chance“, einen über Jahrzehnte andauernden Konflikt zu beenden. „Es geht um nichts Geringeres als die Lösung eines 100-jährigen Problems und das Ende von 50 Jahren Krieg und Gewalt.“
Die Türkei stehe an einem Wendepunkt. Der Friedensprozess könne nicht nur die politische Krise entschärfen, sondern auch einen Weg aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Instabilität weisen. „Demokratische Reformen sind kein Zugeständnis – sie sind überfällig“, betonte sie.
Fehlende Beteiligung von Regierung und Opposition
Hatimoğulları kritisierte, dass neben der DEM-Partei kaum politische Akteure aktiv für eine gesellschaftliche Verankerung des Friedensprozesses eintreten. „Von Regierung wie Opposition hören wir kaum konkrete Vorschläge, keine Gesetzesinitiativen, keine öffentlichen Signale“, sagte sie. Das müsse sich ändern.
Sie forderte die rasche Umsetzung gesetzlicher Rahmenbedingungen – etwa im Vorfeld der Haushaltsberatungen 2026 – sowie einen strukturierten Übergangsprozess mit umfassenden Reformen. „Vertrauensbildende Maßnahmen müssen dringend folgen“, erklärte sie. Besonders Frauen und junge Menschen sollten als tragende Kräfte eines demokratischen Wandels eingebunden werden.
Streit um kurdische Sprache
Kritisch äußerte sich Hatimoğulları zu den Reaktionen auf einen kurdischsprachigen Beitrag des türkischen Parlaments in sozialen Medien – veröffentlicht anlässlich eines Besuchs von Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş in Amed (tr. Diyarbakır). „Hat es der türkischen Sprache geschadet? Wurde das Land dadurch gespalten? Nein – im Gegenteil“, sagte sie. „Wer Sprachenvielfalt zulässt, stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
„Sanktionen statt Lösungen“ – Kritik am 11. Justizpaket
Deutliche Kritik äußerte Hatimoğulları auch am Entwurf für das sogenannte 11. Justizreformpaket. Dieses beinhalte keine Maßnahmen zur Stärkung von Rechtssicherheit oder demokratischer Standards, sondern diene vor allem der Kontrolle und Repression.
„Wieder einmal erleben wir ein Manöver, das die gesellschaftliche Spannung bewusst erhöht, um später kosmetische Korrekturen als Reformen zu verkaufen“, so Hatimoğulları. Der Entwurf greife zudem in persönliche Lebensbereiche ein, etwa bei sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, Menschen ihre Identität vorzuschreiben“, sagte sie.
Die Regierung lenke von drängenden Themen wie Inflation, Arbeitslosigkeit und Vertrauensverlust in die Justiz ab, indem sie auf gesellschaftspolitische Spaltung setze. „Das löst keine Probleme – es schafft neue“, sagte sie.
Ablehnung der Irak-Syrien-Libanon-Mandate
Zur anstehenden Parlamentsabstimmung über die Verlängerung der Mandate für Militäreinsätze in Syrien, Irak und im Libanon erklärte Hatimoğulları die klare Ablehnung ihrer Fraktion. Erstmals solle das Mandat für drei Jahre gelten – ein Schritt, den die DEM-Partei ablehnt. „Ein Frieden mit vorgehaltener Waffe ist kein Frieden“, sagte sie. Die grenzüberschreitenden Mandate erhöhten nicht die Sicherheit, sondern verstärkten Spannungen. Sie rief alle Oppositionsparteien auf, dem Antrag nicht zuzustimmen.
Appell für eine Demokratische Republik
Zum Abschluss unterstrich Hatimoğulları das Ziel ihrer Partei: die Errichtung einer „Demokratischen Republik“, in der alle Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt leben können – unabhängig von Ethnie, Religion oder Weltanschauung. „Wer auf Provokation setzt, wird an unserem Engagement für eine gerechte und friedliche Zukunft scheitern“, sagte sie. „Wir werden diesen Weg weitergehen – entschlossen, unabhängig von den Kosten.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kocyigit-auslandseinsatze-vertiefen-krise-statt-sie-zu-losen-48462 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-umsetzung-der-egmr-urteile-ware-wichtiger-schritt-fur-demokratisierung-48451 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-will-militareinsatz-in-syrien-und-irak-bis-2028-verlangern-48419
Mehrere Jugendliche in Amed festgenommen
In der kurdischen Provinzhauptstadt Amed (tr. Diyarbakır) sind am Dienstagmorgen mindestens acht junge Aktivist:innen festgenommen worden. Hintergrund ist eine am Wochenende durchgeführte Demonstration, die unter dem Motto „Mit dem Repräsentanten der Freiheit zum freien Leben“ von der Plattform der demokratisch-patriotischen Jugend (DYGP) organisiert worden war.
Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya hatte bei einem Sicherheitstreffen am Vortag in Amed die Teilnehmenden der Aktion öffentlich kritisiert und in seiner Rede scharf angegriffen. Keine 24 Stunden später kam es zu Hausdurchsuchungen an mehreren Adressen in der Stadt.
Mitglieder der DEM-Partei betroffen
Nach Angaben der DYGP handelt es sich bei den Festgenommenen um Mitglieder des Jugendrats der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM). Was ihnen konkret vorgeworfen wird, ist unklar. Der Rechtsbeistand der Betroffenen teilte mit, dass die Akte einer Geheimhaltungsklausel unterliegt und eine 24-stündige Kontaktsperre über die Jugendlichen verhängt wurde, innerhalb derer sie keine Möglichkeit auf eine juristische Vertretung haben.
Kriminalisierter Protest
Die Demonstration, die von Yerlikaya beanstandet wurde, fand am Samstag in Amed statt. Sie forderte die Freilassung des PKK-Begründers Abdullah Öcalan, der als Hauptakteur in der kurdischen Frage benannt wurde. Die Lösung liege in der Anerkennung von Öcalans Rolle als zentraler Verhandlungspartner. Wenn der Zugang zu ihm geöffnet werde, stiegen die Chancen auf Frieden und eine politische Lösung, so der Tenor des Protests.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/jugenddemonstration-in-amed-fordert-freilassung-von-abdullah-Ocalan-48444
Über drei Jahre Haft für Journalistin Öznur Değer
Ein türkisches Gericht hat die kurdische Journalistin Öznur Değer wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda“ zu drei Jahren und viereinhalb Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil wurde am Dienstag von der zweiten Strafkammer in Mêrdîn (tr. Mardin) verkündet. Değer ist Nachrichtenchefin der kurdischen Frauennachrichtenagentur Jin News.
Die Verurteilung erfolgte in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidigung. Der Prozess war mit einer Razzia im vergangenen Februar eingeleitet worden, bei der Değer im Kreis Qoser (Kızıltepe) in der Wohnung ihrer Familie unter Anwendung von Gewalt durch eine Einsatzgruppe der türkischen Polizeispezialeinheit für Terrorismusbekämpfung (PÖH) festgenommen wurde. Rund drei Monate saß sie in Untersuchungshaft, bevor sie im Mai unter Auflagen auf freien Fuß kam.
Die Anklage stützte sich auf den umstrittenen Paragrafen 7/2 des türkischen Anti-Terror-Gesetzes, der „Propaganda“ im Zusammenhang mit einer als „terroristisch“ gelisteten Organisation unter Strafe stellt – in diesem Fall in der angeblich wiederholten Form zugunsten der PKK. Beanstandet wurden Berichte Değers und Beiträge in sozialen Medien zu einem tödlichen Drohnenangriff der türkischen Armee in Nord- und Ostsyrien Ende 2024, bei dem die Journalist:innen Nazım Daştan und Cihan Bilgin ermordet worden waren.
Protest von Journalistenverband
Der in Amed (Diyarbakır) ansässige Journalistenverein Dicle Firat (DFG) kritisierte das Urteil scharf. „Wir akzeptieren dieses Urteil gegen unsere Kollegin nicht. Wir bekräftigen erneut: Journalismus ist kein Verbrechen – und darf nicht kriminalisiert werden“, hieß es in einer Mitteilung.
Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit
Der Menschenrechtsverein IHD beklagt seit Jahren, dass die türkische Justiz die Anti-Terror-Gesetze und der extrem breiten Auslegung dessen, was „Terror“ ist, missbraucht, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Vor allem bei Kurd:innen und Linken würden haltlose Terrorismusvorwürfe systematisch instrumentalisiert, um missliebiges Handeln zu bestrafen. Selbst politische Reden, kritische Schriften und die Teilnahme an Demonstrationen werden häufig als „Terrorismus“ verfolgt. Dies gelte etwa für den Umgang mit der PKK.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalistin-Oznur-deger-wegen-terrorpropaganda-verhaftet-45238 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/anklage-gegen-kopf-einer-erpressungsbande-nach-drohung-gegen-journalistin-48065 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kurdische-journalistin-Oznur-deger-beklagt-misshandlungen-in-haft-45825
Ross: Türkei darf historische Chance nicht verspielen
Der schottische Sozialwissenschaftler und Aktivist Prof. Andrew Ross hat in einer schriftlichen Botschaft an die DEM-Partei seine Unterstützung für den vom kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan in der Türkei angestoßenen Friedens- und Demokratisierungsprozess erklärt. Darin ruft er die türkische Regierung dazu auf, die laufenden politischen Signale nicht zu ignorieren und den Dialog mit der kurdischen Bewegung ernsthaft aufzunehmen.
„Ein mutiger Schritt der Entwaffnung“
In seiner Nachricht würdigte Ross die Friedensbereitschaft der kurdischen Seite und sprach von einem bemerkenswerten Beitrag zur Demokratisierung. „Die kurdische Bewegung hat von der Basis bis zur Spitze ein neues, gleichberechtigtes Gesellschaftsmodell entwickelt“, erklärte der Wissenschaftler. In der modernen Geschichte gebe es nur wenige Beispiele für eine derart weitreichende demokratische Vision.
Der Schritt zur Entwaffnung und der Vorschlag zur Auflösung der bewaffneten Strukturen sei ein „mutiger Akt“, so Ross. Die kurdische Bevölkerung könne – so seine Hoffnung – Teil einer politischen Neuordnung innerhalb der Türkei werden, die auf Respekt und Gleichberechtigung fußt.
Warnung vor vertaner Chance
Ross appellierte an die politische Führung in Ankara, das Potenzial des Moments nicht zu verkennen: „Die türkische Regierung sollte diese historische Chance nicht verspielen, aus einem möglichen Friedensprozess eine neue, lebendige, multikulturelle Ordnung entstehen zu lassen.“
Zur Person: Andrew Ross
Andrew Ross (*1956) ist Professor für Sozial- und Kulturanalyse an der New York University (NYU). Er zählt zu den bekanntesten linken Intellektuellen in den USA und beschäftigt sich unter anderem mit Arbeitsrechten, Stadtpolitik, Migration und ökologischer Gerechtigkeit. Ross war Mitbegründer mehrerer sozialer Bewegungen wie Strike Debt und Debt Collective und engagierte sich in der Anti-Sweatshop-Bewegung. Er schreibt regelmäßig für Medien wie The New York Times, The Guardian und The Nation. Politisch steht er einer emanzipatorischen, radikaldemokratischen Linken nahe.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/traverso-die-kurdische-frage-steht-an-einem-historischen-wendepunkt-48162 https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensnobelpreistragerin-jody-williams-fordert-schritte-fur-dialogprozess-in-der-turkei-47944 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/intellektuelle-unterstutzen-Ocalans-friedensaufruf-48111 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/rashid-khalidi-Ocalans-appell-ist-eine-historische-chance-fur-frieden-48037
Demo am 8. November in Köln: Freiheit für Öcalan als Schlüssel für Frieden
„Dem Frieden den Weg ebnen – Freiheit für Öcalan!
Wer Frieden ernst meint, braucht Gesprächspartner. Einer der wichtigsten sitzt seit über 26 Jahren in Haft: Abdullah Öcalan. Trotz jahrelanger Isolation, in der ihm über lange Zeiträume jede Verbindung zur Außenwelt verwehrt wird, ist seine Haltung unverändert: Dialog statt Eskalation. Immer wieder hat er Wege zu einer politischen Lösung der kurdischen Frage aufgezeigt und damit einen realistischen Rahmen für Verhandlungen skizziert. Öcalan ist der Repräsentant von Millionen Kurdinnen und Kurden – seine Beteiligung ist deshalb nicht nur legitim, sondern notwendig.
Die kurdische Bevölkerung kämpft seit Jahrzehnten für Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie. Dieser Weg war und ist mit großen Opfern verbunden: Zehntausende Menschen haben ihr Leben verloren, Millionen sind von Repression, Vertreibung und staatlicher Gewalt betroffen. Gleichwohl erschöpft sich ihr Engagement nicht im Ringen um eigene Rechte. Die kurdische Befreiungsbewegung verfolgt eine weitergehende Perspektive: eine freie, auf Frauenbefreiung beruhende, basisdemokratische und ökologische Gesellschaft ohne hierarchische Herrschaftsstrukturen im gesamten Nahen Osten. Wie tragfähig diese Idee ist, zeigt sich nicht zuletzt im gemeinsamen Kampf gegen den IS, der maßgeblich von Frauen geführt wurde, sowie in der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava, die weltweit als Inspiration gilt.
Aus dieser Erfahrung erwächst eine klare Schlussfolgerung: Ein würdevoller, gerechter Frieden ist erreichbar – vorausgesetzt, dass ernsthafte Gespräche beginnen und alle relevanten Akteure daran beteiligt sind. Damit dies möglich wird, braucht es die Freiheit Abdullah Öcalans. Sie ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung dafür, Verhandlungen auf Augenhöhe zu ermöglichen und so eine Lösung zu eröffnen, die Frieden und Stabilität für die gesamte Region bringen kann. Wer eine nachhaltige Deeskalation will, muss den politischen Prozess ermöglichen, statt ihn zu blockieren.
Dafür gehen wir am 8. November in Köln auf die Straße. Wir fordern:
▪ Freiheit für Abdullah Öcalan als Grundlage glaubwürdiger Friedensgespräche;
▪ Eine politische Lösung der kurdischen Frage auf Basis von Demokratie, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung;
▪ Ein Ende der politischen Repression, Schutz der grundrechtlichen Freiheiten und Freiheit für alle politischen Gefangenen – statt militärischer Eskalation und Kriminalisierung.
▪ Anerkennung und Stärkung der gesellschaftlichen, feministischen und ökologischen Perspektiven, die in Kurdistan seit Jahren gelebt und verteidigt werden.
Wir rufen alle demokratischen Kräfte, Gewerkschaften, Jugend- und Studierendeninitiativen, (post-) migrantischen Organisationen, feministischen Gruppen, Kirchen sowie Umwelt- und Friedensbewegungen auf: Schließt euch an. Lasst uns gemeinsam sichtbar machen, dass Frieden möglich ist!
Kommt zahlreich nach Köln!
Wann: Samstag, 8. November, Auftakt 11:00 Uhr
Wo: Deutzer Werft, 50769 Köln“
QSD und Damaskus verhandeln über Deeskalation in Aleppo
Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben am Montag eine Delegation der syrischen Übergangsregierung zu Gesprächen in der Stadt Tabqa empfangen. Wie das Medienzentrum der QSD am späten Abend mitteilte, stand das Treffen im Zeichen der Bemühungen um Deeskalation und Stabilität in Aleppo.
Gespräche über angespannte Lage in Aleppo
Konkret ging es um die angespannte Situation in den kurdischen Stadtteilen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê im Norden Aleppos, die selbstverwaltet werden. Beide Seiten erörterten demnach Möglichkeiten, die Lage durch politische und friedliche Mittel zu beruhigen. Ziel sei es, die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und eine militärische Eskalation zu verhindern.
Gefangenenaustausch als Geste des guten Willens
Im Anschluss an das Gespräch übergaben die QSD mehrere gefangene Soldaten der syrischen Regierung, die in den vergangenen Wochen bei verschiedenen Vorfällen in Gewahrsam genommen worden waren. Die Übergabe wurde von den QSD als „Geste des guten Willens“ und Zeichen für Dialogbereitschaft trotz politischer Differenzen bezeichnet.
Bekenntnis zu Stabilität und Schutz der Zivilbevölkerung
Die QSD erklärten, weiterhin auf politische Lösungen und Deeskalation zu setzen. Man bleibe dem Ziel verpflichtet, Stabilität in Nord- und Ostsyrien zu sichern und die Bevölkerung in allen Gebieten zu schützen.
Regelmäßige Verstöße gegen Abkommen
Şêxmeqsûd und Eşrefiyê stehen faktisch unter Belagerung. Grund dafür sind unterschiedliche Ansichten zu dem Abkommen vom 1. April zwischen den Volksräten der beiden Stadtteile und Teilen der Übergangsregierung. Es sieht unter anderem vor, dass autonome Sicherheitskräfte (Asayîş) vor Ort verbleiben, jedoch eng mit staatlichen Strukturen kooperieren und schrittweise gemeinsame Kontrollmechanismen eingeführt werden.
Während Damaskus das Abkommen als Schritt zur „Wiedereingliederung“ staatlicher Autorität interpretiert, betont die kurdische Seite den Charakter eines gleichberechtigten Interessenausgleichs. In der Praxis verstoßen die syrischen staatlichen Truppen regelmäßig gegen die Vereinbarung – was zu neuen Spannungen geführt hat.
Vor Ort kommt es regelmäßig zu Angriffen, Provokationen und gezielten Schikanen durch bewaffnete Gruppen, die unter Kontrolle der syrischen Übergangsregierung stehen. In den Vierteln ist eine de facto Blockade in Kraft: Lebensmittel, Medikamente und Treibstoff werden immer blockiert, die humanitäre Versorgung ist eingeschränkt.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/sicherheitskrafte-in-Sexmeqsud-melden-angriff-auf-kontrollpunkt-48458 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/hemo-qsd-integration-nur-mit-anerkennung-aller-gruppen-48433 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/aleppo-zwei-asayis-mitglieder-schwer-verletzt-48414
Issa: Wasser ist ein Mittel der türkischen Kriegsführung
In der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens spitzt sich die Trinkwasserkrise weiter zu. Angriffe auf Wasserinfrastruktur, gezielte Blockaden von Flussläufen sowie die fehlende Kontrolle über Staudämme und Brunnen in der türkischen Besatzungszone führen dazu, dass immer mehr Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben. Besonders betroffen ist die Region rund um die Stadt Hesekê, in der Schätzungen zufolge bis zu eine Million Menschen leben.
Beim Zweiten Wasserforum Mesopotamiens, das am vergangenen Wochenende in der nordkurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) stattfand, war die eskalierende Lage zentrales Thema. Die Aktivistin Gulistan Issa, Koordinatorin der italienischen Hilfsorganisation Un Ponte Per, die in Hesekê zusammen mit der Selbstverwaltung und anderen humanitären Einrichtungen an einem Großprojekt für die Trinkwasserversorgung arbeitet, sprach dort von einer „humanitären Katastrophe mit politischer Dimension“.
Wasserfluss unterbrochen, Infrastruktur gezielt angegriffen
Die Ursachen der Wasserknappheit sind vielfältig, aber politisch motiviert: Nachdem durch den jahrelangen Bürgerkrieg und die Verwüstung durch den IS bereits viele Strukturen zerstört wurden, hat die Türkei den Wasserfluss des Euphrat stark reduziert. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Angriffen auf Pumpstationen und Wasserleitungen, auch durch Dschihadistenmilizen, die unter türkischem Kommando stehen.
Gulistan Issa ist 1994 in Hesekê geboren und studierte Pharmazie in Homs
„Früher versorgten uns die Flüsse – heute kommen weder Wasser aus dem Tigris noch aus dem Euphrat“, so Issa. Auch alternative Quellen wie Brunnen seien vielerorts nicht mehr zugänglich: „Diese werden zum Großteil mittlerweile von bewaffneten Gruppierungen kontrolliert.“
Folgen: Migration, Krankheit, Notversorgung
Die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind gravierend. In Hesekê leben viele Menschen seit Jahren unter prekären Bedingungen ohne verlässliche Wasserversorgung. Kommunale Strukturen sind überlastet, Notlösungen wie Wassertransporte reichen oft nicht aus. „Viele können sich sauberes Wasser nicht leisten“, erklärt Issa. „Die Menschen trinken verschmutztes Wasser, werden krank, verlassen ihre Dörfer.“ Der Wassermangel gilt mittlerweile als einer der Hauptgründe für Binnenflucht in der Region.
Kritik: Menschenrecht wird gezielt ausgehöhlt
Issa betont, dass es sich nicht um eine Naturkatastrophe handelt, sondern um ein gezielt erzeugtes Problem. „Wasser ist ein Menschenrecht – doch heute wird es als Waffe gegen die Bevölkerung eingesetzt.“ Der Zugang zu Wasser werde instrumentalisiert, um Druck auf die Menschen auszuüben und ihre Lebensgrundlagen zu zerstören.
Forderung: Internationale Aufmerksamkeit und politische Lösung
Die Aktivistin appellierte beim Forum an die internationale Gemeinschaft, die Krise nicht länger zu ignorieren. „Wir sind hier, um die Welt auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Wasser gehört allen – niemand darf davon ausgeschlossen werden.“
Gleichzeitig sei klar: Die Wasserkrise sei längst keine rein lokale Herausforderung mehr, sondern Teil eines geopolitischen Konflikts. Eine dauerhafte Lösung könne nur auf politischer Ebene gefunden werden, so Issa.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/chabur-fluss-in-rojava-vollstandig-ausgetrocknet-46633 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/tuerkei-wegen-wasserentzug-in-heseke-vor-egmr-angeklagt-21769 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/wasserkrise-in-syrien-tisrin-damm-vor-dem-kollaps-46113 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/storfeuer-behindert-reparatur-von-wasserstationen-in-kobane-46012 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/irak-erlebt-schwerste-wasserkrise-seit-80-jahren-46446
Zwei QSD-Mitglieder bei Minenexplosion in Deir ez-Zor getötet
Bei einer Explosion im westlichen Umland von Deir ez-Zor sind am Montag zwei Mitglieder der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) ums Leben gekommen. Drei weitere wurden verletzt. Wie das militärische Kommando mitteilte, detonierte eine mutmaßlich von einer Schläferzelle der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) versteckte Landmine in der Kleinstadt Al-Kasra. Ziel war ein Fahrzeug der QSD.
Die Dschihadistenmiliz versuche weiterhin, den zivilen Frieden und die Stabilität in der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens zu untergraben, hieß es in einer Erklärung. Der Anschlag sei Teil einer Reihe von Angriffen durch das Schläfernetzwerk des IS, das nach wie vor in der syrischen Wüste aktiv sei.
Unmittelbar nach dem Vorfall begannen die QSD mit groß angelegten Durchsuchungen und Sicherheitsoperationen rund um den Explosionsort. Ziel sei es, die Täter aufzuspüren und weitere Anschläge zu verhindern.
Das Bündnis kündigte an, die Einsätze gegen den IS entschlossen fortzusetzen. „Wir werden nicht nachlassen, bis diese Terrorzellen vollständig entwaffnet und ihre Ressourcen – materiell, logistisch und ideologisch – ausgeschaltet sind“, erklärte ein Sprecher.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-die-befreiung-raqqas-besiegelte-bundnis-mit-den-volkern-48461 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-kampfer-bei-angriff-in-deir-ez-zor-getotet-48314
Dokumentarfilm „Perspektive Ost“: Vorführung und Gespräch in Augsburg
In Zeiten globaler Krisen, sozialer Unsicherheit und wachsender Spannungen stellt sich die Frage nach einer gerechten Gesellschaft neu: Wie kann eine solidarische, offene Gesellschaft konkret aussehen – und wo wird sie bereits im Alltag gelebt? Der Dokumentarfilm „Perspektive Ost“ sucht Antworten auf diese Fragen und wird am 24. Oktober um 19 Uhr im City Club Café Augsburg gezeigt. Im Anschluss findet ein Publikumsgespräch statt.
Für das Projekt reiste das Filmteam durch die ostdeutsches Bundesländer Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und besuchte insgesamt 28 Initiativen, die sich mit praktischen Ansätzen für gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Vom Feministischen Forum* in Görlitz über den migrantischen Radiosender speakl_out in Chemnitz bis hin zu den Omas gegen rechts in Magdeburg oder dem soziokulturellen Zentrum AK40 in Suhl – sie alle zeigen, dass Utopien keine leeren Versprechen sind, sondern gelebte Realität sein können.
Solidarität greifbar machen
„Perspektive Ost“ versteht sich als Plattform für gesellschaftliche Visionen – für eine offene Gesellschaft, politische Freiheit, soziale Teilhabe und Solidarität. Doch die Macher:innen betonen: Fortschrittliche Ideen erreichen oft nur ein engagiertes Milieu. Damit Veränderung wirklich wirken kann, müsse sie im Alltag der Menschen ankommen – verständlich, greifbar und einladend.
„Gesellschaftliche Visionen leiden an einer Übersetzungsschwäche“, heißt es in der Selbstbeschreibung des Projekts. „Wenn diese Ideen zu kompliziert oder abstrakt bleiben, können sie wenig bewirken. Veränderung gelingt nur, wenn sie verstanden und mitgetragen wird.“
Film, Magazin und Gespräch
Aus den Recherchen und Besuchen ist ein 30-minütiger Dokumentarfilm entstanden sowie ein umfangreiches Magazin, das Stimmen aus den Projekten, wissenschaftliche Perspektiven und Interviews zusammenführt. Ziel sei es, progressive Ideen sichtbar zu machen. Der Filmabend in Augsburg lädt dazu ein, sich inspirieren zu lassen, mitzudiskutieren – und selbst aktiv zu werden. „Perspektive Ost“ versteht sich dabei nicht als fertiges Konzept, sondern als Einladung zum gemeinsamen Handeln: Für eine Zukunft, die nicht utopisch bleibt, sondern real wird.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Weitere Informationen unter: https://www.cityclubcafe.de/ und https://perspektiveost.de/
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/soydan-akay-gesellschaftliches-sein-ist-sozialistisch-47054
Ein Toter und ein Verletzter bei Explosion in Şedadê
Bei der Explosion eines mit Sprengstoff bestückten Motorrads nahe der nordostsyrischen Stadt Şedadê (asch-Schaddadi) ist am Montag ein Mann ums Leben gekommen, ein weiterer wurde schwer verletzt. Das teilten die Inneren Sicherheitskräfte von Nord- und Ostsyrien (Asayîş) mit.
Die Detonation ereignete sich demnach auf einer Brücke in der nördlich von Şedadê gelegenen Ortschaft Erîşa (al-Arisha). Nach ersten Erkenntnissen war der Sprengsatz im unteren rechten Bereich des Motorblocks versteckt worden. Laut der Asayîş bestand die Bombe aus TNT, weißem Phosphor und Metallsplittern.
Einsatzkräfte sicherten den Ort des Geschehens ab und begannen mit der Spurensicherung. Der Tote wurde in die örtliche Gerichtsmedizin gebracht, dem Verletzten musste in einer Klinik aufgrund schwerwiegender Verletzungen ein Bein amputiert werden. Unklar ist bislang, ob es sich bei den beiden Männern um gezielte Opfer oder mögliche Täter handelt.
Foto: Markt in Şedadê, Symbolbild
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/funf-tote-bei-angriffen-auf-asayis-posten-47096
Türkisches Umweltministerium verteidigt Bergbauprojekt in Hesandîn
Trotz Bedenken und wachsender Kritik an einem umstrittenen Bergbauvorhaben in der Hesandîn-Ebene bei Pasûr (tr. Kulp) in der kurdischen Provinz Amed (Diyarbakır) sieht das türkische Umweltministerium keinen Handlungsbedarf. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des DEM-Abgeordneten Serhat Eren verteidigte das Ministerium die Genehmigungslage für das ausführende Unternehmen Kulp Madencilik.
Laut Ministerium wurde für das Projekt bereits im Juni 2008 eine Entscheidung getroffen, wonach keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich sei. Diese Einschätzung bleibe weiterhin gültig, da das Unternehmen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von fünf Jahren mit der Förderung begonnen habe. Zwischen 2011 und 2013 seien insgesamt über 12.000 Tonnen Erz gefördert und verkauft worden, heißt es in dem Schreiben. Brisant: Die Provinzdirektion für Umwelt, Stadtplanung und Klimawandel hingegen teilte der Anwaltskammer Amed mit, das Kulp Madencilik bis 2013 keine einzige Tätigkeit in der Hesandîn-Ebene durchgeführt habe. Damit wäre die UVP-Entscheidung automatisch hinfällig geworden.
Keine Auflagen, keine Strafen
Auf die Frage, ob das Unternehmen jemals mit Auflagen oder Strafen belegt wurde, da es die Bohrarbeiten mutmaßlich rechtswidrig ausführe, antwortete das Ministerium ausweichend. Die Umweltgenehmigung stelle „keine Betriebserlaubnis im eigentlichen Sinne“ dar, sondern lediglich eine Einschätzung zu den Umweltauswirkungen. Eine umfassende Bewertung, insbesondere im Hinblick auf mögliche Schäden an der Waldfläche, liege bei den zuständigen Forstbehörden. Im eigenen Zuständigkeitsbereich gebe es keine Hinweise auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen die Firma, so das Ministerium.
Aktenverlust wegen Regen und Pandemie
Für Verwunderung sorgte auch der Umgang mit gerichtlich angeforderten Unterlagen. Eine Projektbeschreibung und weitere wichtige Dokumente konnten dem Verwaltungsgericht Diyarbakır letzten Juli nicht vorgelegt werden – laut Ministerium, weil diese durch starke Regenfälle beschädigt und „aufgrund hygienischer Bedenken in der Covid-19-Pandemie“ nicht mehr nutzbar gewesen seien. Der Verlust sei nicht absichtlich erfolgt. Die Gültigkeit der Genehmigung sei davon nicht betroffen, da sie „auf Grundlage der Projektunterlagen und einer Geländebesichtigung“ erteilt worden sei.
Ministerium will Gerichtsentscheidung abwarten
Warum die Bergbautätigkeiten trotz eines laufenden Gerichtsverfahrens und massiver Proteste der ansässigen Bevölkerung nicht gestoppt werden, erklärte das Ministerium mit Verweis auf das noch ausstehende Urteil. Erst nach einer gerichtlichen Entscheidung wolle man über weitere Schritte befinden.
Verlegung des Projekts ausgeschlossen
Die Möglichkeit, das Vorhaben wegen möglicher Umweltschäden – etwa an landwirtschaftlich genutzten Flächen oder Wasserquellen – an einen anderen Ort zu verlegen, schloss das Ministerium kategorisch aus. Bergbau sei „eine Tätigkeit, die an Ort und Stelle erfolgen muss“, heißt es in der Stellungnahme. Eine Verlagerung oder Alternative sei nicht vorgesehen. Ziel der Umweltverträglichkeitsprüfung sei es nicht, Projekte grundsätzlich zu verhindern, sondern negative Auswirkungen frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
Keine neue Umweltprüfung geplant
Eine Wiederaufnahme des UVP-Verfahrens sei ebenfalls nicht geplant. Eine neue Prüfung sei nur dann erforderlich, wenn es gravierende Änderungen am Projekt gebe – etwa bei einer Ausweitung der Kapazitäten oder bei zusätzlichen technischen Verfahren. Solche Änderungen habe das Unternehmen bislang nicht beantragt. Zudem erinnerte das Ministerium daran, dass bestimmte Formen der Rohstofferkundung – etwa Probennahmen, geologische Kartierungen oder geophysikalische Untersuchungen – laut Bergbaugesetz von der Pflicht zur Umweltprüfung ausgenommen seien.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/protest-gegen-umweltzerstorung-in-pasur-gemeinsam-das-leben-verteidigen-48262 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/protest-in-hesandin-hande-weg-von-unserer-natur-47297 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/umstrittenes-bergbauprojekt-in-hesandin-umweltunterlagen-verschwunden-47070 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/solidaritat-mit-dem-widerstand-auf-der-hesandin-hochebene-47032 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/mahnwache-gegen-bergbauprojekt-in-hesandin-46990
Dersim: Umweltbündnis ruft zu Großkundgebung für Natur- und Lebensschutz auf
In der nordkurdischen Provinz Dersim (tr. Tunceli) hat die Plattform für Natur, Leben und Umwelt eine öffentliche Kundgebung für den 16. November angekündigt. Die Versammlung soll um 12 Uhr auf dem zentralen Seyit-Rıza-Platz stattfinden. Unterstützt wird der Aufruf von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Gruppen der Region.
Bei einer vorbereitenden Versammlung im Gebäude des Gewerkschaftsbunds KESK stellten Vertreter:innen der Plattform die Inhalte und Forderungen der Aktion vor. Im Mittelpunkt steht die Kritik an zunehmender Umweltzerstörung in Dersim und am fehlenden Mitspracherecht der Bevölkerung bei staatlich geförderten Wirtschaftsprojekten.
Kritik an Großprojekten und Öko-Ausverkauf
In einer Erklärung warf Yusuf Topçu, Provinzsprecher des Umweltvereins Munzur und Mitglied der Plattform, der Regierung sowie privaten Unternehmen vor, unter dem Deckmantel von Entwicklungspolitik und Tourismusinteressen gezielt Natur und Lebensräume in Dersim zu zerstören.
Mitglieder der Plattform für Natur, Leben und Umwelt bei der heutigen Pressekonferenz
„Unsere Berge werden durch Bergbau durchlöchert, unsere Flüsse durch Wasserkraftwerke trockengelegt, unsere Wälder verbrannt und unsere heiligen Orte zu Investitionszonen erklärt“, sagte Topçu. Die aktuellen Eingriffe seien nicht nur ökologisch problematisch, sondern hätten auch eine tiefgreifende soziale, kulturelle und religiöse Dimension. „Dersim ist eine Region, in der Natur, Glaube und kollektive Erinnerung eng miteinander verwoben sind.“
Warnung vor „Jagd- und Ökotourismus“
Besonders kritisierte die Plattform die fortschreitende Kommerzialisierung natürlicher und religiöser Orte. Heilige Stätten würden als „Freizeitanlagen“ ausgewiesen, Wasserquellen privatisiert und Jagdtourismus unter dem Label „Ökotourismus“ angeboten. „Es ist nicht Tourismus, sondern Widerstand, der die Natur schützt“, erklärte Topçu. Die Region dürfe nicht zu einem Ort ökonomischer Verwertung werden – weder durch Minengesellschaften noch durch Energieunternehmen oder Investoren im Tourismussektor.
Kundgebung für „Würde der Berge, Freiheit der Flüsse“
Die Plattform sieht die geplante Kundgebung am 16. November als Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Konsenses für den Schutz der Region. „Kein Projekt darf mehr ohne die Zustimmung der Bevölkerung realisiert werden“, so Topçu. Die Kundgebung richte sich an alle, die sich für den Erhalt der Lebensgrundlagen und den Schutz der kulturellen Identität Dersims einsetzen. „Wir laufen für die Freiheit des Wassers, die Würde der Berge und die Zukunft unseres Volkes“, so die abschließende Botschaft der Plattform.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/geplanter-tagebau-in-dersim-nach-anwohnerklage-ruckt-gutachterteam-an-48220 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/erhohtes-erdbebenrisiko-in-dersim-47972 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/ihd-fordert-abbau-von-kontrollpunkten-in-dersim-47680 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/protest-gegen-muslimischen-gebetsraum-an-munzur-quellen-47643 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/breiter-protest-gegen-geplanten-staudamm-im-alibogazi-tal-47576
Ramazan Demir nach 30 Jahren Haft in Amed empfangen
Nach drei Jahrzehnten in türkischer Haft ist der politische Gefangene Ramazan Demir aus dem Hochsicherheitsgefängnis Karabük entlassen worden. Am Montag wurde er in Amed (tr. Diyarbakır) von einer größeren Menschenmenge feierlich empfangen.
Demir war im Oktober 1994 in der kurdischen Provinz Çewlîg (Bingöl) festgenommen und später zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zuletzt hatte er 14 Jahre im T-Typ-Gefängnis von Karabük verbracht. Zuvor war er in verschiedenen Haftanstalten untergebracht, darunter in Amed, Meletî (Malatya) und Ordu.
Vor der Zweigstelle des Vereins für Solidarität mit Familien von Gefangenen (TUAY-DER) in Amed wurde Demir von Angehörigen, Aktivist:innen und Lokalpolitiker:innen begrüßt. Die Menge empfing ihn mit Applaus, Pfiffen und schrillem Trillern sowie der Parole „Es lebe der Widerstand in den Gefängnissen“.
Aufruf an die Politik
In einer kurzen Ansprache erklärte Demir, es gebe weiterhin zahlreiche Gefangene, die trotz abgesessener Haft im Gefängnis verblieben. Er forderte die Regierung dazu auf, das Friedensangebot der kurdischen Bewegung ernst zu nehmen, und rief zum „gemeinsamen Aufbau eines würdevollen Friedens“ auf. Den gesellschaftlichen Einsatz für Menschenrechte und Gerechtigkeit bezeichnete er als notwendig.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/ngos-dokumentieren-isolationshaft-in-gefangnissen-von-adana-48371 https://deutsch.anf-news.com/frauen/politische-gefangene-nach-31-jahren-haft-freigelassen-47572 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/imrali-gefangener-veysi-aktas-aus-haft-entlassen-47260
YPJ: Die Befreiung von Raqqa war ein Wendepunkt
Zum achten Jahrestag der Befreiung der Stadt Raqqa von der Terrorherrschaft der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) haben die Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) an die Bedeutung des Ereignisses erinnert. In einer offiziellen Erklärung erklärte Amira Mohammed, Mitglied des Militärrats der YPJ, dass die Stadt heute als Symbol der Hoffnung stehe – „nach Jahren der Finsternis“.
„Die Menschen in Raqqa litten schwer unter der Herrschaft des IS – unter Unterdrückung, Gewalt und systematischer Entrechtung. Besonders Frauen wurden gedemütigt, ihrer Freiheit beraubt und zum Tragen schwarzer Kleidung und Ketten gezwungen“, sagte Mohammed.
Befreiung als Wendepunkt
Raqqa war jahrelang de facto-Hauptstadt des sogenannten IS-Kalifats. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), zu denen auch die YPJ gehören, hatten die Stadt nach monatelangen Kämpfen am Boden am 20. Oktober 2017 zurückerobert. Die von der internationalen Anti-IS-Koalition aus der Luft unterstützte Offensive gilt als einer der wichtigsten Wendepunkte im Kampf gegen den IS in Syrien.
Mohammed würdigte in ihrem Videostatement die Rolle aller Kämpfer:innen, die zur Befreiung beigetragen haben – „vom ersten Schuss bis zum letzten Schritt der Rückeroberung“. Der Einsatz der Frauenverteidigungseinheiten sei dabei ein zentraler Faktor gewesen. „Wir haben Raqqa aus der Dunkelheit ins Licht geführt“, so Mohammed.
Versprechen zur vollständigen Befreiung Syriens
Die YPJ-Kommandantin bekräftigte in ihrer Erklärung, dass der Kampf gegen Terrorismus und Besatzung weitergehe: „Unser Versprechen steht: Wir werden nicht ruhen, bis ganz Syrien frei ist – jeder einzelne Zentimeter unseres Landes.“ Die QSD und die YPJ seien weiterhin „das Schutzschild der Region“ und würden jedem Versuch einer Bedrohung entschlossen entgegentreten.
Raqqa sei heute „eine sichere Stadt, die Perle des Euphrat“, sagte Mohammed. Der Wiederaufbau und die Rückkehr des gesellschaftlichen Lebens verdankten sich dem Engagement der Verteidigungskräfte und der Bevölkerung in ganz Nord- und Ostsyrien.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-die-befreiung-raqqas-besiegelte-bundnis-mit-den-volkern-48461
Journalist Hüseyin Aykol wird erneut ins künstliche Koma versetzt
Der Gesundheitszustand des Journalisten und Autors Hüseyin Aykol bleibt weiterhin ernst. Wie das behandelnde Krankenhaus in Ankara am Montag mitteilte, soll der 73-Jährige erneut für mehrere Tage ins künstliche Koma versetzt werden. Grund sei eine Infektion in der Lunge, die eine gezielte medizinische Behandlung erfordere.
Aykol war am Dienstag vergangener Woche in seiner Wohnung in Ankara mit einer Hirnblutung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Während der Behandlung erlitt er einen zweiten Schlag. Seither wird er auf der Intensivstation des Bildungs- und Forschungskrankenhauses Sincan medizinisch versorgt.
Die zunächst verabreichten Medikamente zur Sedierung waren zwischenzeitlich abgesetzt worden. Aufgrund der neu aufgetretenen Komplikationen entschieden die behandelnden Ärzt:innen nun, den Patienten erneut in einen kontrollierten Tiefschlaf zu versetzen. Lebensgefahr besteht den Angaben zufolge weiterhin.
Über Hüseyin Aykol
Hüseyin Aykol wurde 1952 in Salihli (Manisa) geboren. Er studierte in Ankara zunächst Medizin, später Politikwissenschaften, und engagierte sich früh in linken Jugendbewegungen. Seit den frühen 80er Jahren wurde er mehrfach verhaftet und verbrachte insgesamt über zehn Jahre in türkischen Gefängnissen.
Aykol war Mitbegründer und langjähriger Chefredakteur der kurdisch-türkischen Tageszeitung Özgür Gündem und prägte über Jahrzehnte die Medienlandschaft in der Tradition der freien kurdischen Presse. Neben seiner publizistischen Tätigkeit engagierte er sich besonders für die Rechte von Gefangenen und dokumentierte deren Situation in zahlreichen Artikeln und Büchern.
Bis zuletzt war Aykol mit mehr als 60 Verfahren konfrontiert – meist wegen journalistischer Arbeit. Zuletzt saß er 2019 wegen angeblicher PKK-Propaganda in Haft.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-weiterhin-in-kritischem-zustand-48438 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-mit-hirnblutung-im-krankenhaus-48380 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-akp-mitglied-wider-willen-42584
IHD fordert lückenlose Aufklärung des Todes von Rojin Kabaiş
Der Menschenrechtsverein IHD hat eine umfassende Untersuchung zum Tod der kurdischen Studentin Rojin Kabaiş gefordert. In einer zeitgleich in mehreren Provinzen durchgeführten Pressekonferenz übte die Organisation scharfe Kritik an staatlichen Institutionen. Der Vorwurf: Strukturen wie das Justizministerium und das Institut für Rechtsmedizin trügen mit ihrem Verhalten zur Vertuschung geschlechtsspezifischer Gewalt bei.
Die koordinierten Pressekonferenzen fanden in Wan (tr. Van), Riha (Urfa), Êlih (Batman), Dersim (Tunceli), Izmir, Mersin, Adana und Antalya statt, der zentrale Erklärungstext wurde jeweils von der IHD-Frauenkommission verlesen.
Kritik an Straflosigkeit und mangelndem Schutz
In Wan erklärte Ayten Kıran, Ko-Vorsitzende der örtlichen IHD-Zweigstelle, dass seit dem Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention 2021 die Schutzmechanismen für Frauen messbar geschwächt worden seien. Der Staat komme seiner Pflicht, Frauen vor Gewalt zu schützen und ihr Recht auf Leben zu garantieren, nicht ausreichend nach. Dies gelte nicht nur für den Fall Rojin Kabaiş, sondern für zahlreiche ungeklärte Todesfälle von Frauen im ganzen Land.
„Die Praxis der Straflosigkeit verletzt das Recht von Frauen auf Leben, auf Zugang zur Justiz und auf effektive Ermittlungen“, so Kıran. Der IHD wirft insbesondere dem Institut für Rechtsmedizin vor, Gutachten auszustellen, die eher den mutmaßlichen Tätern als der Wahrheit dienten. Dies zwinge Angehörige oft zu jahrelangem Kampf um Gerechtigkeit – unter fortwährender Gefährdung ihrer Sicherheit.
Zentrale Forderungen des IHD
Der IHD ruft das Justizministerium, die Rechtsmedizin, die parlamentarische Menschenrechtskommission, Anwaltskammern, Frauenrechtszentren sowie die gesamte Zivilgesellschaft auf, sich für eine unabhängige und transparente Aufklärung einzusetzen. Die Hauptforderungen lauten:
▪ Lückenlose und effektive Ermittlungen im Fall Rojin Kabaiş sowie in allen Fällen mutmaßlicher Femizide;
▪ Ende des Monopols der staatlichen Gerichtsmedizin bei der Beweiserhebung – stattdessen sollen auch unabhängige medizinische Gutachten rechtsgültig anerkannt werden;
▪ Wiedereinführung der Istanbul-Konvention und damit einhergehender Schutzmechanismen für Frauen;
▪ Klares Vorgehen gegen Straflosigkeit bei Gewalt gegen Frauen, einschließlich staatlicher Mitverantwortung, wo vorhanden.
Deutliche Botschaften von Frauen
In zahlreichen Städten wurde die Erklärung im Beisein lokaler Parteivertreter:innen, zivilgesellschaftlicher Gruppen und Fraueninitiativen verlesen. In Izmir nahm die DEM-Partei an der Veranstaltung teil. In Mersin wurden Plakate mit Aufschriften wie „Was geschah mit Rojin?“, „Wir kennen den Täter“ und „Aufhebung der Geheimhaltung im Fall“ gezeigt.
Auch in anderen Städten lauteten die Botschaften: „Rojins Tod war kein Suizid – es war Mord“, „Frauenmorde sind politisch“ und „Gerechtigkeit für Rojin“. Diese Parolen spiegeln eine wachsende Besorgnis über die steigende Zahl ungeklärter Femizide und das als unzureichend empfundene staatliche Vorgehen dagegen wider.
Der Fall Rojin Kabaiş
Rojin Kabaiş war Studentin an der Universität Yüzüncü Yıl in Wan. Im Oktober 2024 wurde die 21-Jährige 18 Tage nach ihrem Verschwinden aus einem Wohnheim am Ufer des Wan-Sees tot aufgefunden. Die Ermittlungsbehörden stellten frühzeitig die These eines Suizids in den Raum – eine Deutung, die von ihrer Familie und deren Rechtsbeistand von Beginn an entschieden in Zweifel gezogen wurde. Inzwischen ist bekannt, dass ein forensisches Gutachten Hinweise auf mögliche sexualisierte Gewalt enthält – zwei männliche DNA-Spuren wurden an sensiblen Körperstellen festgestellt.
Die Umstände ihres Todes, die Reaktion der Behörden – die Information auf männliche DNA-Spuren an Rojins Körper wurde erst rund ein Jahr nach ihrem Tod bekannt – und die bisherigen Ermittlungsfortschritte werfen aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen und Angehörigen viele Fragen auf. Der IHD spricht von einem möglichen Femizid und fordert vollständige Transparenz, insbesondere hinsichtlich der Ermittlungen, der medizinischen Gutachten und der staatsanwaltschaftlichen Bewertungen.
Rojin Kabaişs Familie fordert zudem Aufklärung darüber, warum der Rektor der Universität in Wan, Hamdullah Şevli, die mehrere Jahre für die regierende AKP im türkischen Parlament saß, sich ohne jegliche medizinische Qualifikation an der Autopsie von Rojin Kabaiş beteiligt hat. Auch verlangen die Angehörigen, dass die Geheimhaltungsverfügung über der Ermittlungsakte aufgehoben wird.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/taxifahrer-in-wan-protestieren-fur-aufklarung-des-todes-von-rojin-kabais-48452 https://deutsch.anf-news.com/frauen/widerspruche-im-fall-rojin-kabais-dem-abgeordnete-fordert-unabhangige-untersuchung-48364 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/fall-rojin-kabais-strafanzeige-gegen-gerichtsmedizin-und-proteste-in-wan-48368 https://deutsch.anf-news.com/frauen/rojin-kabais-dna-funde-erharten-verdacht-auf-sexualisierte-gewalt-48336
Koçyiğit: Auslandseinsätze vertiefen Krise statt sie zu lösen
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Gülistan Kılıç Koçyiğit, hat die geplante Verlängerung von Auslandseinsätzen der türkischen Armee in Syrien, Irak und Libanon scharf kritisiert. In einer Pressekonferenz im türkischen Parlament sprach sie sich gegen zwei Mandate aus, die der Nationalversammlung in Kürze zur Abstimmung vorgelegt werden sollen.
„Gerade in einer Zeit, in der wir über Entwaffnung, Deeskalation und Frieden sprechen, bringt die Regierung erneut ein Kriegsszenario ins Parlament“, erklärte Kılıç Koçyiğit. Die geplanten Mandate würden nicht nur bestehende Militärpräsenz verlängern, sondern möglicherweise neue Truppenbewegungen ermöglichen.
Die offizielle Begründung, es gehe um die nationale Sicherheit der Türkei, lasse sich nicht halten. „Tatsächlich handelt es sich um eine andauernde Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder“, sagte die Abgeordnete. Das sei weder rechtlich noch politisch legitimierbar.
Kritik an „sicherheitspolitischem Dogma“
Koçyiğit sprach von einem grundsätzlichen sicherheitspolitischen Paradigma, das die Regierung seit Jahren verfolge. „Dieses Sicherheitsverständnis wird der Bevölkerung ständig vermittelt, als gäbe es keine Alternative“, sagte die Politikerin. Dabei hätten weder militärische Mandate noch sicherheitspolitische Maßnahmen in den vergangenen Jahren zu einer Lösung innerstaatlicher oder regionaler Konflikte beigetragen – im Gegenteil: „Sie haben die Lage verschärft und die Region in einen Strudel aus Gewalt und Instabilität gestürzt.“
Demokratie statt Einflussnahme
Mit Blick auf Syrien betonte die DEM-Abgeordnete, die Zukunft des Landes dürften allein dessen Bewohner:innen bestimmen – einschließlich Kurd:innen, Araber:innen, Ezid:innen, Drus:innen und Alawit:innen. „Demokratische Einheit in Syrien ist aus unserer Sicht die einzig tragfähige Perspektive. Die Türkei ist davon derzeit jedoch weit entfernt“, sagte sie und warnte davor, der syrischen Gesellschaft „von außen Rezepte oder fertige Modelle“ aufzuzwingen – sei es aus Eigeninteresse, geopolitischen Gründen oder unter dem Vorwand der Sicherheit.
Auch die laufenden Gespräche zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der syrischen Übergangsregierung sowie internationalen Akteuren, etwa zur Integration von Verwaltungsstrukturen, würden durch die widersprüchliche Haltung der Türkei untergraben. Einerseits beteilige man sich an diplomatischen Prozessen, andererseits setze man weiter auf militärisches Vorgehen. Diese Doppeldeutigkeit schade der Vertrauensbildung.
„Zeit für eine friedensorientierte Wende“
Koçyiğit forderte ein grundsätzliches Umdenken in der Außen- und Sicherheitspolitik: „Die Türkei steht an einem Scheideweg. Entweder sie entscheidet sich für eine demokratische und gleichberechtigte Außenpolitik im Dialog mit den Völkern – oder sie verharrt im alten sicherheitspolitischen Denken mit all seinen zerstörerischen Folgen.“
Nur ein innerlich befriedetes und demokratisches Land könne auch ein Stabilitätsfaktor für die Region sein. „Die Lösung der Kurdenfrage durch demokratische Mittel ist ein Schlüssel zu innerem und äußerem Frieden“, sagte sie. „Kriegsmandate“ und militärischer Expansionismus seien damit unvereinbar. Koçyiğit kündigte an, dass ihre Fraktion im Parlament gegen die Mandate stimmen werde – und rief auch andere Parteien auf, ihre Zustimmung zu verweigern: „Wer für Demokratie und Frieden eintritt, sollte diesen Vorlagen nicht zustimmen.“
Blick auf Haushalts- und Steuerpolitik, Kritik am Entwurf des 11. Justizpakets
Koçyiğit äußerte sich auch zur Vorlage des Haushaltsentwurfs für 2026 und einem neuen Gesetzespaket zur Steuerpolitik. Sie kritisierte eine einseitige Belastung von Geringverdiener:innen und die anhaltende Bevorzugung von Großkapital und regierungsnahen Unternehmen. Der Haushalt sei aus ihrer Sicht kein „Haushalt für das Volk“, sondern für „Palast, Profite und Privilegien“.
Die Abgeordnete bemängelte insbesondere die hohe Steuerlast für Lohnabhängige und Rentner:innen. Eine umfassende Steuerreform sei notwendig, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen und Reichtum sowie Kapital stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen.
Zudem äußerte sich Koçyiğit besorgt über Inhalte eines geleakten Justizpakets. Auch wenn der Entwurf offiziell noch nicht vorliege, zeige der Umgang mit der Vorabveröffentlichung erneut die intransparente Gesetzgebungspraxis der Regierung.
Ausblick auf Kommissionsarbeit
Auf Nachfrage erklärte Gülistan Kılıç Koçyiğit, die weitere Arbeit in der „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ werde sich voraussichtlich um eine Woche verzögern, da geplante Anhörungen mit dem MIT-Chef, dem Außen- und dem Justizminister zeitlich verschoben werden müssten. Die Fraktionsvertreter:innen erwarteten eine baldige Fortsetzung der Sitzungen und die Ausarbeitung eines Abschlussberichts.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-will-militareinsatz-in-syrien-und-irak-bis-2028-verlangern-48419 https://deutsch.anf-news.com/frauen/ypj-kommandantin-zu-gesprachen-mit-damaskus-integration-heisst-nicht-unterwerfung-48453 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/abdi-grundsatzeinigung-mit-damaskus-uber-militarintegration-48418
QSD: Die Befreiung Raqqas besiegelte unser Bündnis mit den Völkern
Acht Jahre nach der Befreiung Raqqas von der Herrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat die Generalkommandantur der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) an den historischen Sieg erinnert. In einer Mitteilung bezeichneten die QSD die Operation nicht nur als militärische Offensive, sondern als einen „bleibenden Pakt“ zwischen ihren Einheiten, der Bevölkerung Raqqas und den örtlichen Stämmen.
„Die Befreiung Raqqas war kein flüchtiger Kampf, sondern ein dauerhaftes Bündnis“, heißt es in der Erklärung. Der Einsatz der QSD und ihrer Mitgliedsverbände, darunter die Frauenverteidigungseinheiten YPJ, habe 2017 nicht nur das militärische Zentrum des IS zerschlagen, sondern auch Hoffnung und Würde in die Stadt zurückgebracht, die während der Herrschaft des IS zum Symbol von Angst und Unterdrückung geworden war.
Nachdem die nordirakische Stadt Mosul 2014 vom IS besetzt wurde, marschierten die Dschihadisten mit den dort erbeuteten Waffen in Raqqa ein. Die Stadt wurde de facto die Hauptstadt des Kalifats und das Herz des Bösen. | Foto: An der Befreiung der Raqqa-Universität Anfang September 2017 beteiligte YPJ-Kämpferin © ANF
Operation „Zorn des Euphrats“
Die QSD würdigten insbesondere die Rolle der Stämme in der Region, die bereits vor Beginn der Offensive, die unter dem Namen „Zorn des Euphrats“ lief, intensive Gespräche mit den Kommandierenden geführt hatten. Treffen in Städten wie Hesekê und Kobanê hatten laut QSD nicht nur organisatorischen Charakter gehabt, sondern legten die Grundlage für eine koordinierte Befreiungsstrategie. Der Schulterschluss zwischen Bevölkerung, Stämmen und Kampfverbänden sei entscheidend für den Erfolg der Offensive gewesen.
Blick auf das durch US-Luftangriffe schwer zerstörte Raqqa © ANF
„Straße um Straße, Gebäude um Gebäude haben unsere Kämpferinnen und Kämpfer Widerstand geleistet – unter hohen Verlusten“, wie die Erklärung betont. Die Namen der Gefallenen seien Teil des kollektiven Gedächtnisses Raqqas und stünden für den hohen Preis der Freiheit. Viele hätten für das Überleben der Bevölkerung gekämpft: für Mütter, die ihre Kinder verloren, für Frauen, die aus der Gewalt des IS befreit wurden, und für Kinder, denen das Recht auf Leben zurückgegeben wurde.
Die „Zorn des Euphrats“-Offensive begann im Mai 2016, mehr als 30.000 Kämpfer:innen waren beteiligt. Nach siebzehn Monaten schwerer Kämpfe – die letzten vier Monate der Operation konzentrierten sich auf den Stadtkern – gaben die QSD am 17. Oktober 2017 die Einnahme von Raqqa bekannt. | Foto: Mit der Befreiung vom IS ertönte in Raqqa auch erstmals wieder seit Jahren öffentlich Musik. YPJ/YJŞ-Kämpferinnen nahmen dies zum Anlass, kurdischen Govend zu tanzen © ANF
Die Befreiung Raqqas sei dabei nicht nur ein lokaler Sieg gewesen, sondern ein „weltweiter Schlag gegen den Terrorismus“. Die QSD bezeichneten sich in der Erklärung als jene Kraft, die dem IS am Boden entscheidend entgegentreten konnte, als viele andere versagten.
Keine Rückkehr des Terrors
Die Erklärung richtet sich auch gegen aktuelle Bedrohungen und weist darauf hin, dass es weiterhin Versuche gebe, die Stabilität in Raqqa zu untergraben. Man werde jedoch nicht zulassen, dass „der Terrorismus in irgendeiner Form zurückkehrt“, so die Generalkommandantur. Es gebe „keine Kompromisse beim Blut der Gefallenen“.
An der Raqqa-Offensive beteiligte Kämpfer © ANF
In der Mitteilung wird betont, dass der Schutz der Bevölkerung, der territoriale Zusammenhalt und der Wiederaufbau Priorität haben. Die Rolle der Stämme sei dabei unverzichtbar – sowohl für die Befreiung als auch für die langfristige Stabilisierung und Entwicklung der Region. „Raqqa, einst Hauptstadt des Terrors, ist heute Symbol für Befreiung und gesellschaftliches Miteinander“, heißt es weiter. Diese Errungenschaft sei nicht auslöschbar, denn sie sei mit dem Blut der Gefallenen geschrieben, durch den Einsatz der Kämpfer:innen errungen und durch die Einheit der Gesellschaft besiegelt worden.
Am 20. Oktober 2017 verkündeten die QSD die vollständige Befreiung der Stadt Raqqa von der Terrororganisation „Islamischer Staat“. Die letzten Söldner wurden an diesem Datum aus der Stadt verdrängt, auch wenn die Kämpfe in den Tagen zuvor bereits fast beendet waren. © ANF
Kampf gegen Extremismus geht weiter
Die QSD bekräftigten abschließend ihren Anspruch, auch künftig alle Formen von Extremismus zu bekämpfen, das Erreichte zu verteidigen und ihre Bevölkerung zu schützen. Die Erklärung endet mit einem symbolischen Dank an die Gefallenen, die Kämpfer:innen und die Stämme, die „ihre Stimmen erhoben und zum Sieg beigetragen haben“.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/raqqa-findet-zuruck-zu-seinen-farben-43968 https://deutsch.anf-news.com/frauen/vom-abgrund-nach-oben-42962 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zwolf-jahre-revolution-in-rojava-42937
Erinnern ist keine Pflicht der Vergangenheit, sondern eine Verantwortung der Gegenwart
Anlässlich des sechsten Todestages des Kieler Internationalisten Andok Cotkar (Konstantin Gedig) versammelten sich am Samstag etwa 150 Angehörige, Freund:innen und Weggefährt:innen zu einer Gedenkfeier im Kurdischen Gemeindezentrum Schleswig-Holstein in Kiel. Andok Cotkar wurde am 16. Oktober 2019 als Kämpfer der Volksverteidigungseinheiten (YPG) bei der Verteidigung von Serêkaniyê durch türkische Bomben in Nordsyrien ums Leben gebracht.
In den sechs Jahren seit dem Tod Andoks hat die Türkei dessen sterbliche Überreste seiner Familie nicht übergeben. Für die Angehörigen sind dies Jahre der Ungewissheit, der offenen Fragen sowie der Konsequenzlosigkeit für die Täter im türkischen Staatsapparat. Die Familie erfuhr aber auch Solidarität und vielfältige verbindende Begegnungen, so die Moderator:innen. Die jährliche Gedenkfeier sei somit ein wichtiger Tag, um an Andok zu erinnern, Öffentlichkeit zu schaffen und seinen Kampf fortzuführen.
Der Nachmittag begann mit einer Schweigeminute für Andok Cotkar und alle anderen Gefallenen, die für eine menschliche und gerechte Welt ihr Leben ließen. Es folgte ein Grußwort der Deutsch-Kurdischen Gesellschaft Kiel. Die Hauptreden hielten Ute Ruß und Thomas Gedig, die Eltern Konstantins. Ihr Anliegen war es zu vermitteln, was im zurückliegenden Jahr bei den Aktivitäten für Aufklärung, Gerechtigkeit und ein würdiges Gedenken an ihren Sohn unternommen wurde und unter welchen politischen Vorzeichen und Veränderungen diese Auseinandersetzungen stattfanden.
„Weißt du noch, unser Konstantin...?“
Neun Jahre, nachdem Konstantin sich entschieden hatte, als Andok Cotkar zunächst in den Reihen der YPG in Rojava, später bei den ezidischen Widerstandseinheiten YBŞ in Şengal für die Menschen und gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ zu kämpfen, und sechs Jahre nach seiner Ermordung, erinnert sich Ute Ruß an seine Kindheit: An die akribische Beobachtung von Baustellen, an stundenlanges Spielen mit Ritterburgen und Piratenschiffen, an sein Interesse für das Alte Rom. Als junger Mann galt er als vernünftig, bedächtig, selbstbeherrscht und in sich ruhend – diskussionsfreudig, aber kein Freund der unnützen Worte. Diese kostbaren Erinnerungen seien für die Angehörigen insbesondere in den Wochen vor seinem Todestag schmerzhaft. Diesen Schmerz teilen sie mit unzähligen Familien in Nordostsyrien, die ihre Söhne und Töchter im Krieg verloren haben. Solcherlei Erfahrungen müssen aber auch Betroffene rechter und rassistischer Gewalt hierzulande immer wieder machen, denen erst ihre Liebsten genommen wurden, um sodann gegen staatliche Ignoranz und mangelnden Aufklärungswillen ankämpfen zu müssen. Die Erzählungen von Überlebenden der Mordanschläge von Mölln und Hanau belegen dies.
„Wenn ich könnte, würde ich mich in den Staub werfen und die Erde küssen, auf der du gestorben bist!“
Ute Ruß berichtet in diesem Zusammenhang von dem bisher erfolglos gebliebenen zähen Ringen, das Auswärtige Amt als Unterstützer bei der Aufklärung des Kriegsverbrechens durch den türkischen Staat zu gewinnen. Dieses gilt besonders für die Herausgabe von Konstantin Gedigs Leichnam. Bürokratie und außenpolitisches Interesse stünden jedem ernsthaften Einsatz Deutschlands für einen ihrer Staatsbürger, der völkerrechtswidrig von der Türkei getötet wurde, im Wege. Stattdessen seien staatliche Stellen darum bemüht, das türkische Verbrechen mit vorsätzlichen Falschbehauptungen zu legitimieren. So verbreitet der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2023 die nachweisliche Falschbehauptung, Andok Cotkar habe in den Reihen der PKK-Guerilla (HPG) gekämpft – eine offensichtliche nachträgliche Kriminalisierung seines Engagements für Schutzbedürftige.
Im Kontrast dazu stünden die vielen herzlichen Erfahrungen, die seine Eltern bei ihrem Besuch in der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien machen durften. Diese waren von tiefem Respekt und großer Offenheit geprägt. Dazu gehört auch die Erfahrung eines allgegenwärtigen kollektiven Erinnerns der Gesellschaft an die Verstorbenen. All dies sei die Quelle der Kraft, die es braucht, um nicht aufzugeben, weiter an Gerechtigkeit zu glauben und im Sinne des Andenkens und des moralischen Kompasses ihres Sohnes weiterzukämpfen.
„Nun ist Andok in unserem Herzen, aber seinen Platz an eurer Seite nehmen wir ein.“
Thomas Gedig, Konstantins Vater, nahm anschließend eine politische Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in Nordostsyrien vor. Diese sei geprägt von der ständigen Erfahrung, dass der deutsche Staat beim Umgang mit völkerrechtswidrigen Aggressionen mit zweierlei Maß messe. Während etwa Russland für seine Invasionen in der Ukraine mit Sanktionen bestraft würde, bleibe dasselbe Handeln für die türkischen Machthaber ohne Konsequenzen. Ihre Verbrechen würden geduldet, was sich auch in der schon von Ute Ruß skizzierten Verschleppung der Suche nach Andoks sterblichen Überresten niederschlage. Diesbezüglich kam es auch zu einem Treffen von Thomas und Ute mit dem Vater der britischen Internationalistin Anna Campbell, die 2018 in Efrîn ums Leben kam. Auch ihrer Familie bleibt die Beerdigung ihres Körpers bis heute verwehrt.
Die jüngsten Umbrüche der Machtverhältnisse in Syrien, die den Sturz der Herrschaft Assads herbeiführten und die fundamentalistische HTS-Miliz an die Macht brachte, kommentierte Thomas Gedig mit gedämpften Gefühlen. Zwar berge die veränderte Situation durchaus Chancen auf einen Neuanfang und Frieden in Syrien, die Massaker von HTS und der Türkei-nahen SNA infolge der Machtübernahme weckten dagegen Erinnerungen an die Gräueltaten des IS. Thomas Gedig und Ute Ruß haben aus solidarischen Beweggründen Anfang diesen Jahres eine viel beachtete Grußbotschaft in Kurmancî an die Menschen von Nordostsyrien veröffentlicht: „…Aus Kiel in Norddeutschland grüßen wir die Menschen, grüßen wir unsere Familie in Rojava und die Demokratischen Kräfte Syriens, Volksverteidigungseinheiten, Frauenverteidigungseinheiten, den Militärrat der Suryoye und alle Kämpferinnen und Kämpfer von ganzem Herzen!...“
Sie erhielten im Februar, quasi als nachträgliches Geburtstagsgeschenk für Konstantins 30. Geburtstag, überraschend ein Ölgemälde mit dem Abbild ihres Sohnes. Lukman Ahmad hatte es für sie gemalt. Der Künstler wurde in Hesekê geboren, lebt aber seit langem in den USA. Das Gemälde zierte auch die Einladungskarte zur diesjährigen Gedenkveranstaltung.
Mit weiteren Ausführungen zu den zahlreichen Aktivitäten und Begegnungen der Eltern Andok Cotkars im Kampf für eine würdevolle Erinnerung an ihren Sohn und seine Ideale schloss Thomas Gedig die Rede. Der erste Teil der Veranstaltung ging mit drei musikalischen Beiträgen der Gruppe Koma Stêrk der Kurdischen Kulturschule zu Ende, darunter auch das Lied „Zana û Andok“. Nach der Pause wurde für die „Initiative für Frieden und Hoffnung in Kurdistan“ und deren Spielplatz-Projekt für Kinder in Şengal um Spenden gebeten. Dieses Projekt stellt für die Familie Konstantins eine Herzensangelegenheit dar.
Fehlen der Familie Asut
Die Preisträger:innen des zweiten Konstantin-Andok Literaturpreises wurden mit kurzen Zusammenfassungen ihrer Texte vorgestellt. Der Preis soll im Februar 2026 in Berlin verliehen werden. Mit ihm werden Arbeiten gewürdigt, die dem Ausschreibungsthema „Hinschauen und Handeln“ in hervorstechender Weise entsprechen. Die ausgezeichneten Texte benennen Unrecht und zeigen auf, dass das dagegen gerichtete Handeln oft im Kleinen beginnt. Aus über 160 Einsendungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kürte die Jury die Werke von Christoph Hein, Marcus Neuer und Katja Wilhelm zu den Gewinner:innen.
Im Rahmen des Gedenkens wiesen die Moderator:innen auch auf das Fehlen der Familie Asut bei den diesjährigen Feierlichkeiten hin. Nihat Asut aus Kiel saß bis zuletzt für sieben Monate in Untersuchungshaft in Hamburg und steht derzeit als Angeklagter im Hamburger PKK-Prozess vor Gericht. Nihat war erst am Freitag dieser Woche unter strengen Auflagen aus der Haft entlassen worden, weshalb sein Platz in diesem Jahr leer bleiben musste. Der Prozess gegen Nihat und einen weiteren Aktivisten aus Lübeck wird im November vor dem OLG Hamburg fortgesetzt. Solidarische Unterstützung im Gerichtssaal ist weiterhin ausdrücklich erwünscht.
Der Umstand, dass die freudige Nachricht von der Haftentlassung Nihats auf den sechsten Todestag Andoks fiel, an dem vor dem Landgericht in Kiel zudem der Messerangriff auf eine Kundgebung zur Befreiung von Kobanê in der Kieler Innenstadt Anfang des Jahres verhandelt wurde, verdeutlicht die vielschichtige emotionale Verdichtung, die die Kurdistan-Solidarität in Kiel in dieser Woche prägte. Unter ihrem Eindruck stand auch die Gedenkfeier. Trauer und Freude, Betroffenheit und Solidarität, Fassungslosigkeit und Wärme liegen in diesem Kampf oft nah beieinander und seien auch die Pole, die das Gedenken an die Gefallenen prägen.
Mit einer Danksagung an alle an der Veranstaltung Beteiligten ging das Gedenken mit dem bereits traditionellen gemeinsamen Singen des italienischen Partisan:innenlieds „Bella ciao“ am frühen Abend zu Ende.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/funf-jahre-nach-konstantins-tod-in-serekaniye-43930 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/die-blume-des-andok-cotkar-bluht-weiter-44074 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/wurdiges-gedenken-zum-vierten-todestag-von-andok-cotkar-39524
CPT: Abgeholztes Holz aus Südkurdistan wird in die Türkei transportiert
Die christliche Friedensorganisation Community Peacemaker Teams (CPT) hat der Türkei vorgeworfen, in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) systematisch Waldgebiete zu roden und das gewonnene Holz über die Grenze zu transportieren. Der CPT-Aktivist Kamaran Osman erklärte, insbesondere in den Regionen Zap und Avaşîn in der Nähe der Stadt Amêdî (Provinz Duhok) werde seit September in größerem Umfang abgeholzt.
In Videoaufnahmen, die der Nachrichtenagentur Roj News vorliegen, sei dokumentiert, wie Baumstämme aus den betroffenen Gebieten auf Fahrzeuge verladen und in die Türkei gebracht würden. Osman betonte, dass dabei nicht nur gefällt, sondern ganze Bäume mit schwerem Gerät wie Baggern und Bulldozern mitsamt Wurzeln aus dem Boden entfernt würden. Anschließend würden sie mit modernen Maschinen zersägt und mit Traktoren über die Grenze transportiert.
Laut Osman werde das Holz teils als Brennmaterial verwendet, teils für die Produktion von Möbeln wie Tischen, Stühlen oder Häusern. „Diese Produkte werden anschließend teilweise zurück in die Kurdistan-Region gebracht und hier verkauft“, sagte er. Für die lokale Bevölkerung bringe dieses Vorgehen weder wirtschaftlichen noch ökologischen Nutzen, sondern bedeute vor allem einen irreparablen Schaden für die Wälder und das Ökosystem in der Grenzregion.
Der Aktivist warf den politisch Verantwortlichen in der KRI vor, nicht entschieden genug gegen die Abholzung vorzugehen. „Welche kurdische Partei hat den Schutz der Wälder und der grenznahen Ökosysteme in ihrem Programm? Wer widersetzt sich der Plünderung Kurdistans?“, fragte Osman.
Die betroffenen Gebiete liegen in einem von illegaler Besatzung durch die Türkei geprägten Grenzraum, in dem die türkische Armee seit Jahren militärisch gegen Stellungen der kurdischen Guerilla vorgeht und Kriegsverbrechen verübt, auch an der Zivilbevölkerung Südkurdistans. Die internationale Gemeinschaft ignoriert die Verletzung grundlegender Menschenrechte.
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