«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Erfolgreiche Eröffnung der „Jin Jiyan Azadî“-Ausstellung in der VHS Hannover
In Hannover wurde die Wanderausstellung „Jin Jiyan Azadî – Die Errungenschaften der Frauenrevolution“ am Freitagabend erfolgreich mit einer Führung eröffnet. Eingeladen hatte die Kampagne Women Defekt Rojava. Mit 30 Teilnehmenden hat eine der Initiatorinnen der Ausstellung einen umfangreichen Überblick über die aktuelle Lage in der demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien gegeben und die Errungenschaften vor allem der Frauen, die in der Ausstellung dargestellt werden, geschaffen. Themen wie Selbstverteidigung, Ökonomie und Kultur konnten lebhaft und mit vielen Beispielen darin ihren Platz finden.
Das vielfältige Publikum hatte die Gelegenheit, immer wieder Fragen zu stellen. „Da kann man ja eigentlich nur größte Bewunderung vor den Frauen dort haben, dass sie so etwas geschaffen haben“, so eine der Besucher:innen. Eine viel diskutierte Frage war darüber hinaus, wie es geschafft wird, dass die Männer in der Region ihre Machtposition abgeben. Hier wurde darauf verwiesen, dass genau das ein andauernder Prozess ist, der mit der kontinuierlichen Bildungsarbeit der Frauen zusammenhängt.
Ein Highlight war auch die neue Begleitbroschüre zu der Ausstellung, die den Besucher:innen auch im Nachhinein immer wieder den Einblick in die Frauenrevolution ermöglicht. Die Ausstellung ist noch bis zum 17. Oktober in der Galerie 14zwo in der Ada-und-Theodor-Lessing-Volkshochschule (VHS) in Hannover ganztägig und kostenfrei zu besichtigen.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/hannover-ausstellung-zu-den-errungenschaften-der-frauenrevolution-gestartet-47786 https://deutsch.anf-news.com/frauen/das-gilt-es-zu-verteidigen-neue-ausstellung-uber-die-errungenschaften-der-frauenrevolution-44473
Grabstätten kurdischer Gefallener am Herekol dem Erdboden gleichgemacht
Der Friedhof Herekol in der Provinz Sêrt (tr. Siirt), einst Ruhestätte für 63 Gefallene der kurdischen Befreiungsbewegung, ist vollständig zerstört. Von den Gräbern fehlt jede Spur, die sterblichen Überreste gelten als verschollen. Angehörige stehen fassungslos vor einer Leere, wo einst ein Ort des Gedenkens war.
Die Gedenkstätte im Landkreis Xisxêr (Pervari) wurde 2014 in Çemê Karê, einem Gebiet am Herekol-Berg errichtet. Heute ist von ihr nichts mehr übrig: Nach einem türkischen Luftangriff im Jahr 2017, weiteren Zerstörungen durch schwere Baufahrzeuge und später einem Hochwasser ist das Gelände vollständig verwüstet.
Ein Ort des Gedenkens systematisch ausgelöscht
Der Friedhof wurde während des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK angelegt – ein Prozess, der 2015 von der Regierung einseitig beendet wurde. Seither wurden in zahlreichen Regionen Kurdistans Grabstätten angegriffen, zerstört oder für Angehörige gesperrt. Auch Herekol war für fast zehn Jahre nicht mehr zugänglich.
Mehmet Şah Nas, dessen Cousin Mahfuz Nas (Edip) 1998 in Xisxêr ums Leben kam, erinnert sich: „Wir wussten, dass er gefallen war, aber nicht, wo er begraben wurde. Als der Friedhof errichtet wurde, sah ich plötzlich seinen Namen auf einem der Grabsteine. Für uns war das ein Moment der Gewissheit, der Erinnerung, vielleicht auch ein wenig Trost.“
Nach dem Ende des Dialogs zwischen dem Staat und Abdullah Öcalan sei alles anders geworden, sagt Nas. „Zuerst bombardierten sie das Gelände aus der Luft, dann rückten sie mit Bulldozern an und machten alles dem Erdboden gleich. Auch der Friedhofszaun und die letzten Grabsteine wurden zerstört. Später kam eine Flut. Heute ist dort nichts mehr – nur eine leere Fläche.“
Wo sind die Toten geblieben?
Seit Jahren ist unklar, was mit den 63 dort bestatteten Leichnamen geschehen ist. Ihre Überreste sind verschwunden. Für die Angehörigen bleibt nur die Frage: Was ist mit unseren Toten geschehen?
Nas hofft, dass mit der neuen politischen Entwicklung auch ein Umdenken einsetzt: „Vielleicht dürfen wir wieder dorthin. Aber selbst wenn wir es könnten – es gibt dort nichts mehr. Man hat uns nicht nur die Lebenden genommen, sondern auch die Toten.“
„Frieden beginnt mit Respekt vor den Toten“
Für Nas sind die Angriffe auf kurdische Friedhöfe mehr als eine Verletzung der Menschenwürde – sie sind ein Angriff auf das kollektive Gedächtnis eines Volkes. „Diese Gräber waren ein Ausdruck unserer Geschichte, unserer Würde. Wenn man uns nicht einmal erlaubt, unsere Gefallenen zu betrauern, was bleibt uns dann?“
Er erinnert an ein Zitat von Abdullah Öcalan aus dem Jahr 1993: „Wenn wir unsere Gefallenen auch nur eine Minute vergessen, ist das schlimmer als Verrat.“
Nas fordert, dass alle zerstörten Gedenkstätten wiederhergestellt und frei zugänglich gemacht werden. „Frieden und Gleichheit beginnen mit dem Respekt vor den Toten und mit dem Respekt vor der Würde“, sagt er.
Ein völkerrechtliches Tabu wird gebrochen
Die gezielte Zerstörung von Friedhöfen ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch ein Bruch mit internationalem Recht. Weltweit ist es geächtet, Gräber zu zerstören – in der Türkei hingegen wurden kurdische Gedenkstätten bombardiert, mit Planierraupen beseitigt oder unter Straßenbelag vergraben.
Der Schmerz bleibt – und die Hoffnung auf Gerechtigkeit
„Die Gefallenen haben mit ihrem Leben die Hoffnung auf eine freie Zukunft getragen“, sagt Nas. „Sie haben für Würde, Gleichheit und Freiheit gekämpft. Sie haben der Welt gezeigt, dass es uns gibt. Dass wir ein Volk sind.“ Und er fügt hinzu: „Die kurdische Gesellschaft ist bereit, auf Frieden zuzugehen. Aber dafür müssen auch unsere Toten respektiert werden. Ohne das gibt es keinen echten Neuanfang.“
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/opferangehorige-fordern-instandsetzung-zerstorter-friedhofe-47473 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/gefallenenfriedhof-garzan-ruckkehr-an-einen-verbotenen-ort-46719 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/ein-eigener-krieg-kann-eine-person-funfmal-getotet-werden-32227 https://deutsch.anf-news.com/kultur/trailer-zu-dokumentation-hey-hawar-veroffentlicht-47373 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/militar-will-graber-von-gefallenen-in-lice-entfernen-47685
Prozesse wegen PKK-Mitgliedschaft in Berlin, Hamburg und Stuttgart
Kommende Woche beginnen die Hauptverhandlungen in drei verschiedenen Strafprozessen gegen kurdische Aktivisten wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Berlin, Hamburg und Stuttgart. Das teilte der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. am Freitag in Köln mit.
Bei einem der Betroffenen handelt es sich um Mehmet Karaca, der von der Bundesanwaltschaft am Kammergericht (KG) Berlin angeklagt wird. Sie wirft dem 50-Jährigen vor, sich von 2014 bis zu seiner Festnahme letzten November als Mitglied der PKK betätigt und sich dadurch der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland nach §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch strafbar gemacht zu haben. Inhaltlich geht die Anklage laut AZADÎ jedoch nur auf zwei Zeiträume in 2014/2015 sowie in 2024 ein; was er in der Zwischenzeit gemacht haben soll, lasse die Anklage hingegen offen.
Aktuell befindet sich Karaca in der JVA Moabit in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung gegen ihn beginnt am Montag, 8. September, um 9:30 Uhr am KG Berlin (Elßholzstraße 30-33, Sitzungssaal 145a). Weitere Termine sind voraussichtlich am 9. und 12. September, 6., 7., 13., 14., 27. und 28. Oktober sowie 3., 4., 10., 11., 17., 18., 24. und 25. November 2025 (Änderungen möglich). Der Prozess wird von der Solidaritätsgruppe Free Mehmet Karaca beobachtet werden, die regelmäßige Berichte über die Verhandlungstage veröffentlichen wird.
Zwei Aktivisten in Hamburg vor Gericht
Nihat Asut und ein weiterer kurdischer Aktivist aus Schleswig-Holstein werden vor dem OLG Hamburg angeklagt. Ihnen wirft die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg vor, sich ab 2020 bzw. 2021 bis zu Durchsuchungen und der Festnahme Asuts im vergangenen März als PKK-Mitglieder beteiligt zu haben. Seit seiner Festnahme befindet sich der Aktivist in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg.
Die Hauptverhandlung in dem Fall beginnt am Mittwoch, 10. September, um 9:00 Uhr im Strafjustizgebäude (Sievekingplatz 3, Hamburg). Weitere Termine sind voraussichtlich am 17. und 19. September, 6., 8., 14. und 15. Oktober, 5., 6., 17., 19., 27. und 28. November sowie 2. und 3. Dezember 2025 (Änderungen möglich).
Am Tag der Eröffnung der Hauptverhandlung veranstaltet der AK Freiheit für Nihat ab 8:00 Uhr vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung in Solidarität mit den Angeklagten. Der Arbeitskreis wird zudem den Prozess beobachten und regelmäßig Berichte auf der Seite freenihat.noblogs.org veröffentlichen.
Prozess in Stuttgart
Welat Çetinkaya wird am OLG Stuttgart wegen Mitgliedschaft in der PKK angeklagt. Ihm wirft die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vor, von September 2020 bis Mai 2021 den „Raum Stuttgart-Zentrum“ für die PKK geleitet zu haben. Çetinkaya war im November vergangenen Jahres aufgrund eines von Deutschland ausgestellten europäischen Haftbefehls in Italien festgenommen und im April an die Bundesrepublik überstellt worden. Seitdem befindet er sich in der JVA Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft.
Die Hauptverhandlung gegen Çetinkaya beginnt ebenfalls am Mittwoch, 10. September, um 9:00 Uhr am OLG Stuttgart (Olgastraße 2, Sitzungssaal 18). Weitere Termine sind voraussichtlich am 30. September, 7., 14., 16., 21., 22., 28. und 29. Oktober, 4., 6., 11., 12., 18., 19., 25. und 26. November sowie 2., 4., 9. und 11. Dezember 2025 (Änderungen – insbesondere der Säle – möglich).
AZADÎ: Kriminalisierung der kurdischen Bewegung
Der Rechtshilfefonds AZADÎ kritisiert die beteiligten Generalstaatsanwaltschaften, die Bundesanwaltschaft sowie die Gerichte, dass sie erneut Anklage gegen vier kurdische Aktivisten wegen Mitgliedschaft in der PKK erheben bzw. diese Anklagen zur Verhandlung zulassen. „Auf diese Weise erteilt die bundesdeutsche Justiz dem Friedensaufruf Abdullah Öcalans von Ende Februar und den Bestrebungen der PKK zur Beendigung des bewaffneten Kampfs und ihrer Selbstauflösung eine deutliche Absage.“ Statt Mut zum Frieden aufzubringen, hielten die Anklagebehörden und Gerichte an der Sackgasse der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung fest, so der Rechtshilfefonds.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/nachstes-pkk-verfahren-in-hamburg-aufruf-zur-solidarischen-prozessbegleitung-47735 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kenan-ayaz-vor-ruckfuhrung-nach-zypern-klage-vor-egmr-angekundigt-47662 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/azadI-verurteilt-rassistische-hysterie-bei-gericht-und-behorden-47418 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/cansu-Ozdemir-fordert-rechtsschutz-fur-mehmet-Cakas-47789
Tamilische Fahrraddemo unterwegs zu Vereinten Nationen
Seit dem 28. August läuft die Fahrraddemonstration der tamilischen Diaspora durch mehrere europäische Länder. Mit der Aktion macht die Community auf die bis heute anhaltende Unterdrückung in Tamil Eelam aufmerksam. Organisiert wird die Tour vom Volksrat der Eelam Tamilen in Deutschland (VETD).
Die Route startete in London und führt über die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Deutschland und Frankreich bis in die Schweiz. Am Freitag wurde die Etappe von Landau nach Karlsruhe absolviert. Daran beteiligte sich auch ein Aktivist aus den Öffentlichkeitsstrukturen der kurdischen Gemeinschaft in Deutschland. Vertreter:innen kurdischer Organisationen begleiten die zweimal jährlich stattfindende Fahrraddemo der Tamil:innen seit Jahren regelmäßig.
Stationen in Landau und Karlsruhe
Zum Programm der Tour gehört traditionell der Besuch lokaler Rathäuser. In Landau und Karlsruhe übergaben die Aktivist:innen Informationsmaterial zur aktuellen Situation in Tamil Eelam. Dem Bürgermeister von Landau wurde ein Dossier überreicht, das auf die anhaltende Diskriminierung und Unterdrückung der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka eingeht.
Politische Kritik
Die Aktivist:innen erinnerten zugleich daran, dass die deutsche Politik ein widersprüchliches Bild zeigt: Im Juni war der Präsident Sri Lankas in Berlin zu Gast – trotz der Tatsache, dass er bis heute weder den Völkermord an den Tamil:innen 2009 anerkannt noch Schritte zur Aufarbeitung eingeleitet hat. Auch die aktuelle Situation, geprägt von Landraub, militärischer Repression und Übergriffen durch rassistische Gruppen, bleibe ungelöst.
Abschluss in Genf
Die Fahrraddemonstration endet am 15. September in Genf mit einer Kundgebung vor dem Sitz der Vereinten Nationen. Dort wollen die Teilnehmer:innen erneut internationale Aufmerksamkeit auf die Lage in Tamil Eelam lenken.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/tamil-innen-demonstrieren-in-brussel-gegen-repression-in-sri-lanka-46805 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/berlin-protest-der-tamilischen-community-gegen-prasidentenbesuch-46646 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/tamilische-community-in-stuttgart-gedenkt-ihrer-gefallenen-46518
HPG geben Tod von Kommandant Mihrali Yılmaz bekannt
Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat den Tod des Guerillakommandanten Mihrali Yılmaz bekanntgegeben. Er kam am 14. Januar 2025 bei einem Angriff der türkischen Armee in der südkurdischen Gare-Region ums Leben gekommen, teilte die Organisation am Freitag mit.
In der Erklärung würdigten die HPG Mihrali Yılmaz als langjährigen Revolutionär mit „engagierter und bescheidener Persönlichkeit“. Zugleich wurde den Angehörigen des Gefallenen und der kurdischen Bevölkerung kondoliert.
Codename: Mihrali Yılmaz
Vor- und Nachname: Tamer Koç
Geburtsort: Erdêxan
Namen von Mutter und Vater: Münübe – Kasım
Todestag und -ort: 14. Januar 2025 / Gare
Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat den Tod des Guerillakommandanten Mihrali Yılmaz bekanntgegeben. Er kam am 14. Januar 2025 bei einem Angriff der türkischen Armee in der südkurdischen Gare-Region ums Leben gekommen, teilte die Organisation am Freitag mit.
In der Erklärung würdigten die HPG Mihrali Yılmaz als langjährigen Revolutionär mit „engagierter und bescheidener Persönlichkeit“. Zugleich wurde den Angehörigen des Gefallenen und der kurdischen Bevölkerung kondoliert.
Mihrali Yılmaz wurde in einer politisch aktiven Familie im nordkurdischen Erdêxan (tr. Ardahan) geboren. Früh kam er mit der kurdischen Befreiungsbewegung in Berührung. Eine prägende Figur war sein Onkel Mihrali „Idris“ Yılmaz, der in den 1970er Jahren zu den ersten Kadern der PKK in der Provinz Qers (Kars) gehörte und 1997 im Widerstand sein Leben ließ.
Geprägt durch diese familiären Bezüge und die politischen Umstände schloss sich Mihrali Yılmaz im Jahr 2003 der Guerilla an. Nach seiner Grundausbildung war er in den Zagros-Bergen, in Heftanîn, Botan sowie in weiteren Regionen wie Besta, Herekol, Gabar und den Kato-Bergen im Einsatz.
Yılmaz nahm in den folgenden zwei Jahrzehnten sowohl militärische als auch organisatorische Aufgaben wahr. Neben Einsätzen bei Guerillaoffensiven gegen die türkische Besatzung war er an Ausbildungsprogrammen beteiligt, übernahm Führungsfunktionen bis auf Kommandoebene und wirkte bei kulturellen Projekten wie dem Film „Bêrîtan“ von Halil Uysal mit.
Nach Angaben der HPG war Yılmaz in vielen Phasen des Krieges in Kurdistan präsent – von lokalen Strukturen in Botan über die Beteiligung am Widerstand für Selbstverwaltung im Zuge der türkischen Militärbelagerungen in Nordkurdistan ab 2015 bis zu organisatorischen Aufgaben in den Medya-Verteidigungsgebieten. Er habe in all den Jahren „maßgeblich zur Ausbildung zahlreicher Kämpferinnen und Kämpfer“ beigetragen.
In der Erklärung heißt es abschließend: „Wir werden sein Andenken in unserer Arbeit bewahren.“
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Julien Schwab: Öcalans Freiheit ist Voraussetzung für echten Dialog
Der Schweizer Politiker Julien Schwab, Vertreter der Partei der Arbeit der Schweiz (PdA) im Kanton Waadt, hat sich nach den jüngsten Entwicklungen rund um den kurdischen Friedensprozess mit einem klaren Appell an die internationale Gemeinschaft gewandt. Gegenüber ANF äußerte er große Anerkennung für die von Abdullah Öcalan ausgehende Initiative zur demokratischen Lösung der kurdischen Frage und forderte dessen Freilassung als zwingende Voraussetzung für gleichberechtigte Verhandlungen.
„Öcalan ist Stimme der kurdischen Bewegung“
Schwab würdigte die von Abdullah Öcalan am 27. Februar angestoßene Deklaration für Frieden und demokratische Gesellschaft als historische Initiative. Dass in der Folge auch die PKK auf ihrem 12. Kongress tiefgreifende Schritte – bis hin zur symbolischen Waffenniederlegung – beschlossen habe, sei „ein Zeichen außergewöhnlichen politischen Mutes“.
„Jede echte Friedensinitiative beginnt mit dem Dialog – und Abdullah Öcalan schafft mit seinem Aufruf genau diesen Raum“, sagte Schwab. Die Rolle Öcalans gehe dabei weit über Symbolik hinaus: „Er ist nicht nur eine Führungsfigur, sondern ein politischer Denker mit tragfähigen Visionen. Wie alle bedeutenden revolutionären Bewegungen braucht auch die kurdische eine starke intellektuelle Stimme – diese Stimme ist Öcalan.“
„Trotz Kriegspolitik der Regierung fordert Öcalan den Dialog“
Der PdA-Politiker stellte das Friedensangebot Öcalans der repressiven Politik der türkischen Regierung unter Erdoğan gegenüber: „Während Ankara weiterhin auf Krieg, Repression und Nationalismus setzt, spricht Öcalan von Verständigung, Demokratie und Selbstverwaltung. Diese Diskrepanz sagt viel über die politische Realität in der Türkei aus.“
Öcalans Denken sei konsequent demokratisch: „Er betont lokale Selbstorganisation, den Aufbau von Basisdemokratie und die politische Mündigkeit aller gesellschaftlichen Gruppen. In einer autoritär regierten Türkei ist das ein radikaler Gegenentwurf – und deshalb auch so gefährlich für die Regierung.“
„Öcalans Gefangenschaft ist politisch nicht länger haltbar“
Besonders scharf kritisierte Schwab die fortgesetzte Inhaftierung Öcalans: „Dass jemand, der konsequent auf Dialog und Entwaffnung setzt, weiterhin unter Isolationshaft leidet, ist politisch unhaltbar – und menschlich nicht akzeptabel.“ Seine Freilassung sei kein symbolischer Akt, sondern „ein konkreter Beitrag zur Vertrauensbildung und zur Schaffung gleichberechtigter Verhandlungsbedingungen.“
Der Politiker betonte: „Wenn die Türkei ernsthaft Frieden will, muss sie Öcalan freilassen. Solange das nicht geschieht, bleibt jede Verhandlung ein asymmetrisches Machtspiel.“
Lob für die Entscheidungen der PKK, Mahnung an die Türkei
Schwab hob die Beschlüsse der PKK auf dem 12. Kongress hervor – insbesondere die Bereitschaft, sich selbst aufzulösen und auf bewaffneten Kampf zu verzichten. Das erinnere an den Friedensprozess in Kolumbien mit der FARC, so Schwab. Doch er warnte vor parallelen Risiken: „In Kolumbien wurden viele entwaffnete Kämpfer:innen verfolgt, bedroht oder getötet. Der Staat muss garantieren, dass aus einem Friedensprozess keine einseitige Kapitulation wird.“ Ohne glaubwürdige Sicherheits- und Teilhabezusagen bleibe die Gefahr politischer Repression bestehen – auch in der Türkei.
„Demokratischer Konföderalismus ist ein realer Lösungsweg“
Als Kenner von Öcalans politischer Theorie würdigte Schwab den demokratischen Konföderalismus als Modell mit Substanz: „Dieses Konzept kann gerade in einem multikulturellen, politisch fragmentierten Staat wie der Türkei eine echte Alternative zum autoritären Nationalstaat darstellen.“ Das Modell setze auf Vielfalt, lokale Selbstverwaltung und die Einbindung marginalisierter Gruppen.
Doch Schwab zeigte sich skeptisch, ob die derzeitige türkische Regierung überhaupt zu einer solchen Öffnung fähig sei: „Der autoritäre Nationalstaat ist mit einem demokratischen Konföderalismus kaum vereinbar. Deshalb wird jede Lösung auch einen grundlegenden Wandel im politischen Denken und Handeln der türkischen Eliten erfordern.“
Die historische Verantwortung endet nicht in Lausanne
Der Schweizer Politiker erinnerte auch an die internationale Dimension der kurdischen Frage. Das „Unrecht der Aufteilung Kurdistans“ durch das Lausanner Abkommen von 1923 wirke bis heute nach. „Die europäischen Staaten tragen Mitverantwortung für die politische Zersplitterung und systematische Unterdrückung des kurdischen Volkes.“
Er rief die europäische Politik dazu auf, aktiver in den Friedensprozess einzugreifen – insbesondere durch diplomatischen Druck auf die Türkei, die Einforderung von Rechtsstaatlichkeit sowie durch konkrete Unterstützung von Vermittlungsangeboten. Gerade die Schweiz könne hier eine positive Rolle spielen: „Die Schweiz verfügt über anerkannte Kompetenzen in der internationalen Mediation – warum nicht auch im innerstaatlichen Friedensprozess in der Türkei?“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/ein-freier-Ocalan-wurde-den-weg-zum-frieden-offnen-47593 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-kurdische-frage-ist-eine-universelle-angelegenheit-47630 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/walder-frieden-ist-ein-mutiger-schritt-47577
HDP bestätigt Özcan und Kırkazak als Ko-Vorsitzende
Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat auf ihrem 6. Ordentlichen Kongress in Ankara ihre bisherige Parteiführung bestätigt: Sultan Özcan und Cahit Kırkazak wurden erneut zu den Ko-Vorsitzenden gewählt. In ihren Grundsatzreden betonten beide die historische Bedeutung der HDP als Ort des demokratischen Widerstands und warnten vor der gezielten Schwächung durch Justiz und Repression.
Kırkazak: „HDP ist keine Tafel, die man abhängen kann“
Cahit Kırkazak unterstrich in seiner Rede die zentrale Rolle der HDP als erste Plattform, auf der ein organisierter, pluralistischer Widerstand gegen das zentralistische und autoritäre Regierungssystem in der Türkei möglich wurde. Die Partei sei ein praktischer Ausdruck des von Abdullah Öcalan initiierten Aufrufs zu Frieden und Demokratisierung.
„Die HDP war von Anfang an das Ziel nationalistischer Provokationen, weil sie den Anspruch formulierte, die Gesellschaft zu vereinen – nicht zu spalten“, so Kırkazak. Die Reaktionen darauf seien bekannt: systematische Verfolgung, Verhaftungen, Amtsenthebungen, Verbote. „Unsere Abgeordneten, Ko-Vorsitzenden und Bürgermeister:innen wurden verfassungswidrig inhaftiert, unsere Strukturen zerschlagen. Doch wir sagen weiterhin: Die HDP ist kein Gebäude, das man schließen kann – sie ist eine politische Idee.“
Kritik an Verschleppung der Verbotsklage
Besonders scharf kritisierte Kırkazak die langwierige Verbotsklage gegen die HDP vor dem Verfassungsgericht: „Seit über zwei Jahren liegt die Anklageschrift vor, ohne dass ein nennenswerter Verfahrensfortschritt erkennbar wäre. Diese Verschleppung ist Teil einer politischen Taktik.“ Trotz der Drohkulisse betonte er, die Partei werde ihre Grundidee weitertragen und verteidigen.
Er erinnerte auch an das Kobanê-Verfahren, in dem HDP-Mitgliedern insgesamt 432 Jahre Haft auferlegt wurden, und bezeichnete den Prozess als „politisches Konstrukt“ mit dem Ziel, die kurdische Bewegung zu kriminalisieren.
Özcan: „Wir haben HDP mit Liebe und Hoffnung verteidigt“
In ihrer anschließenden Rede würdigte die Ko-Vorsitzende Sultan Özcan die Beständigkeit und Beharrlichkeit der Partei angesichts von Repression, Verhaftungen und politischem Druck. Die HDP stehe für einen Wandel hin zu einer demokratischen Republik mit lokaler Selbstverwaltung, ökologischer Gerechtigkeit und einer feministischen Gesellschaftsperspektive.
„Wir haben diesen Weg still, aber standhaft verfolgt – getragen von der Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden“, so Özcan. Sie verwies auf die historische Verantwortung der HDP, ihre Identität als politische Kraft zu wahren: „Wir sind nicht hier, um zu überleben, sondern um zu verändern.“
Mit dem Verweis auf das alevitische Sprichwort „Der Weg ist einer, doch die Wege dorthin sind viele“ machte sie deutlich, dass der demokratische Kampf nicht an eine Partei gebunden sei, sondern an eine gemeinsame Idee.
Wahl bestätigt bisherige Führung
Am Ende des Kongresses wurden Sultan Özcan und Cahit Kırkazak offiziell für eine weitere Amtszeit als Ko-Vorsitzende gewählt. Die HDP bekräftigte damit nicht nur ihre personelle Kontinuität, sondern auch ihren politischen Kurs: Gegen autoritäre Tendenzen, für Demokratisierung, gesellschaftliche Teilhabe und Frieden.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/amnesty-international-warnt-vor-hdp-verbot-37083 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/hdp-kongress-in-ankara-38782 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/verfassungsgericht-hebt-finanzsperre-fur-hdp-auf-36602
Trotz Spannungen: Gespräche zwischen DAANES und Damaskus werden fortgesetzt
Inmitten wachsender Spannungen und anhaltender Unsicherheiten in Syrien haben Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) bei mehreren Gesprächen mit der selbsternannten Damaszener Übergangsregierung ihren Willen zur Deeskalation und zur Fortsetzung des politischen Dialogs bekräftigt.
Einigung auf Umsetzung des Aleppo-Abkommens
In Aleppo fand am Donnerstagabend ein hochrangiges Treffen zwischen der Autonomieverwaltung, QSD-Kommandierenden und Vertretern der Führung in Damaskus statt. Hauptthema war die Umsetzung des bereits am 1. April unterzeichneten 14-Punkte-Abkommens zur Stabilisierung der kurdischen Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê.
Im Zentrum der Diskussion stand die jüngste militärische Aufrüstung der Übergangsregierung in den beiden Stadtteilen, die die Spannungen in der Region verschärft hatte. Die Teilnehmenden einigten sich darauf, die Bestimmungen des Abkommens ohne Verzögerung umzusetzen. Dazu gehört auch die Einrichtung gemeinsamer Komitees zur Überwachung der Vereinbarung.
Die Vereinbarung vom 1. April sieht Maßnahmen zur Stärkung des zivilen Zusammenlebens, den Schutz der Bevölkerung, eine funktionierende Selbstverwaltung der Sicherheitskräfte sowie Erleichterungen beim Zugang zu den Stadtteilen vor. Die jüngste Sitzung endete mit dem Konsens, militärische Präsenz zurückzufahren, regelmäßige Treffen zwischen den Komitees abzuhalten und Schritte zur Spannungsreduzierung zu unternehmen.
Mazlum Abdi trifft CENTCOM-Kommandeur
Parallel zu diesen Entwicklungen kam es in Nordostsyrien zu einem weiteren bedeutenden diplomatischen Austausch: Der Oberkommandierende der QSD, Mazlum Abdi, traf sich mit Admiral Brad Cooper, dem neuen Chef des US-Zentralkommandos (CENTCOM).
Die Nachrichtenagentur ANHA erfuhr aus QSD-Kreisen, dass Cooper bei dem Treffen die fortlaufende Unterstützung der USA für das Bündnis bekräftigte – insbesondere im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS), bei der Sicherung von Gefangenenlagern sowie in der Stabilisierung der Region. Das Treffen unterstrich einmal mehr die strategische Partnerschaft zwischen Washington und den QSD.
Auch die laufenden Verhandlungen mit der syrischen Übergangsregierung waren Teil des Gesprächs. Abdi betonte die fortwährende Bindung der QSD an das am 10. Märzgeschlossene Abkommen mit Damaskus und rief die Gegenseite zu vertrauensbildenden Schritten auf.
Autonomieverwaltung bekräftigt Verhandlungsbereitschaft
In einer separaten Erklärung bekräftigte auch die offizielle Verhandlungsdelegation der Selbstverwaltung ihre Bereitschaft zur Fortsetzung der Gespräche mit der Übergangsregierung. Das bestätigte Ilham Ehmed, Ko-Außenbeauftragte der DAANES, nach einem Treffen mit dem Verhandlungsteam.
In einer auf der Plattform X veröffentlichten Mitteilung hieß es, man halte an den Zielen des 10.-März-Abkommens fest. Dazu zählen die Integration politischer und militärischer Strukturen der Selbstverwaltung in die syrischen Staatsinstitutionen, die Rückkehr Geflüchteter, der Schutz kurdischer Rechte in einem künftigen Syrien sowie ein dauerhaftes Waffenstillstandsregime.
Umsetzung des März-Abkommens weiterhin offen
Trotz dieser positiven Signale steht die Umsetzung des Abkommens bislang aus. Die syrische Übergangsregierung hat bislang keine der vereinbarten Maßnahmen umgesetzt und sich auch von geplanten Verhandlungsrunden im Juli und August – etwa in Paris – ferngehalten. Beobachter:innen kritisieren, dass damit eine historische Chance zur nationalen Aussöhnung verspielt werde.
Die Vereinten Nationen hatten das Abkommen im März als „historische Gelegenheit für eine friedliche Transformation Syriens“ bezeichnet. Ob dieser politische Impuls aufgegriffen wird, hängt nun maßgeblich vom Verhalten der Regierung in Damaskus ab.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-ohne-anerkennung-aller-gesellschaftlichen-gruppen-kein-frieden-in-syrien-47756 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/dialog-ja-unterordnung-nein-foza-yusif-uber-verhandlungen-mit-damaskus-47674 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/10-marz-abkommen-einigung-in-vier-zentralen-punkten-46524 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/aleppo-einigung-zwischen-kurdischen-volksraten-und-damaskus-45786
US-Philosophin Helen Longino: „Öcalans Friedensaufruf hat mich tief bewegt“
Die renommierte US-amerikanische Feministin, Philosophin und Wissenschaftstheoretikerin Prof. Dr. Helen Longino hat in einem Brief an die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) ihre Unterstützung für die politischen Grundsätze ausgesprochen, die Abdullah Öcalan in seinem Aufruf für Frieden und demokratischer Gesellschaft vom 27. Februar formuliert hatte.
Longino erklärte, sie sei von Öcalans klarer Absage an den bewaffneten Kampf und seiner Betonung einer friedlichen und pluralistischen Lösung tief beeindruckt: „Öcalans Aufruf, die Waffen niederzulegen und die legitimen Rechte der Kurd:innen sowie aller Menschen in der Türkei auf friedlichem Wege zu verwirklichen, hat mich wirklich bewegt.“
Sie begrüßte ausdrücklich das politische Engagement der DEM-Partei für einen demokratischen Neuanfang: „Ich schätze die Entschlossenheit der DEM-Partei, sich für ein friedliches, pluralistisches und demokratisches Gemeinwesen in der Türkei einzusetzen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem Kampf.“
Die Reaktion der US-Philosophin wird als Ausdruck internationaler Solidarität mit der kurdischen Bewegung und dem demokratischen Dialog in der Türkei gewertet – insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Isolationsbedingungen für Öcalan und der repressiven politischen Atmosphäre im Land.
Wer ist Helen Longino?
Helen Longino ist Professorin für Philosophie an der renommierten Stanford University und gilt als eine der einflussreichsten Stimmen der feministischen Wissenschaftsphilosophie. Ihre Forschung konzentriert sich auf die sozialen Dimensionen wissenschaftlicher Erkenntnis, die Bedeutung kollektiver Reflexion sowie den Zusammenhang zwischen Werten, Wissen und Macht.
In ihrer Arbeit betont Longino immer wieder, dass „der Feminismus die Wissenschaft braucht – und die Wissenschaft den Feminismus“. Ihre Werke, unter anderem The Science as Social Knowledge und Studying Human Behavior, gelten als Meilensteine der sozialkritischen Epistemologie.
Longino ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien und Trägerin zahlreicher Auszeichnungen für ihr Lebenswerk.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/franzosische-psychoanalytikerin-roudinesco-unterstutzt-Ocalans-friedensaufruf-47766 https://deutsch.anf-news.com/frauen/francoise-verges-frieden-in-der-turkei-muss-ohne-zogern-unterstutzt-werden-47656 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/us-soziologe-craig-calhoun-unterstutzt-friedensinitiative-in-der-turkei-47752 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-kurdische-frage-ist-eine-universelle-angelegenheit-47630
Karasu: Die Regierung spielt mit der Zeit und mit der Chance auf eine Lösung
Mustafa Karasu, Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), hat in einem ausführlichen Interview mit Medya Haber TV die politische Rolle Abdullah Öcalans, die Haltung des türkischen Staates zur kurdischen Frage sowie die Perspektiven eines demokratischen Lösungsprozesses thematisiert. Im Gespräch mit dem Journalisten Kadir Hürdoğan übte Karasu scharfe Kritik an der Blockadepolitik von Staat und Regierung und sprach sich für eine strukturelle Einbindung Öcalans als zentralen Verhandlungspartner aus.
Das letzte Treffen zwischen der Imrali-Delegation der DEM-Partei und Abdullah Öcalan am 28. August bewertete Karasu als längst überfällig. Die wochenlange Verzögerung sei Ausdruck politischer Ignoranz gegenüber Öcalans Friedenswillen: „In einer Phase, in der Öcalan klare Signale für einen demokratischen Wandel sendet, ist diese verspätete Kontaktaufnahme ein Ausdruck politischer Ignoranz – und damit Teil des Problems.“
Öcalans zentrale Rolle im Dialogprozess
Karasu betonte, dass eine Lösung der kurdischen Frage ohne die Einbeziehung Öcalans nicht denkbar sei. Wer ernsthaft an einem politischen Ausgleich interessiert sei, müsse ihm den notwendigen Raum für Einflussnahme zugestehen. Der Dialogprozess leide nicht nur unter der physischen Isolation Öcalans, sondern auch unter dem fehlenden politischen Willen der Regierung.
„Öcalan sollte regelmäßig mit politischen Akteur:innen, Intellektuellen, Journalist:innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen sprechen können. Nur durch kontinuierlichen Dialog kann ein tragfähiger Weg zu Frieden und Demokratisierung entstehen.“
Zugleich warnte Karasu davor, Öcalan als taktisches Instrument zu behandeln: „Er ist kein Element, das nach Bedarf aktiviert oder deaktiviert werden kann. Wer ihn zum Spielball kurzfristiger Interessen macht, täuscht sich – und letztlich sich selbst.“
Verzögerung als bewusste Strategie
Besonders kritisch sieht Karasu die politische Verzögerungstaktik: „Alles, was auf Zeit gespielt wird, birgt Risiken. Wenn Probleme nicht rechtzeitig angegangen werden, verhärten sie sich oder verlieren ihre Lösbarkeit.“ Die Regierung spiele mit der Zeit – und damit auch mit der Chance auf Frieden. In einem angespannten regionalen Kontext könne Untätigkeit zur Eskalation führen: „Die Entschlossenheit zur Verhandlung mit Öcalan ist der Gradmesser für die Ernsthaftigkeit jeder politischen Initiative.“
Isolation und Symbolpolitik
Karasu forderte ein Ende der Isolation Öcalans und eine Anerkennung seiner politischen Rolle. Die Regierung verhalte sich widersprüchlich, wenn sie einerseits eine Rolle für Öcalan einfordere, ihm aber jegliche Handlungsmöglichkeit verweigere. Auch die Aussage von MHP-Chef Devlet Bahçeli, Öcalan könne künftig im Parlament sprechen, sei ohne konkrete Schritte bedeutungslos: „Solche Aussagen bleiben politisches Theater, wenn ihnen keine Taten folgen.“
Mediale Sprache als Teil des Problems
Ein weiterer Kritikpunkt Karasus richtete sich gegen die Sprache in den türkischen Medien. Wer einen Friedensprozess anstoßen wolle, müsse auch die mediale Rhetorik ändern: „Wenn man von Verhandlungen spricht, aber in den Medien weiterhin von ‚Terror‘ und ‚Terrorführer‘, dann ist das nicht nur widersprüchlich – es zeigt die Unehrlichkeit des politischen Diskurses.“ Sprache forme politische Realität, betonte Karasu. Die Medien müssten aufhören, alte Feindbilder zu reproduzieren.
Rojava: Widersprüchliche Außenpolitik
Auch zur Haltung der Türkei gegenüber der Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien (DAANES) äußerte sich Karasu. Die Kriegsdrohungen gegen Rojava seien nicht sicherheitspolitisch, sondern ideologisch motiviert: „Die türkische Regierung sagt: ‚Öcalan soll Einfluss nehmen‘ – hält ihn aber in Isolation und bombardiert die Menschen, die in Rojava nach seinen Ideen leben. Das ist politisch und moralisch unhaltbar.“
Die eigentliche Sorge Ankaras liege nicht in der militärischen Bedrohung, sondern im Erfolg des kurdischen Gesellschaftsmodells. Dessen demokratische Struktur könnte als Vorbild für die Türkei wirken.
Versagen der parlamentarischen Kommission
Karasu übte scharfe Kritik an der Parlamentskommission, die im Rahmen des sogenannten „Prozesses für Frieden und demokratische Gesellschaft“ eingerichtet wurde. Diese ignoriere die politische Realität und verweigere die direkte Auseinandersetzung mit Öcalan.
„Wer sich weigert, nach Imrali zu fahren, hat die Dimension der kurdischen Frage nicht verstanden. Es geht nicht um persönliche Sympathie, sondern um politische Verantwortung“, betonte Karasu.
Er forderte insbesondere die CHP auf, sich nicht durch Zwangsverwaltungen oder autoritäre Maßnahmen aus dem politischen Raum drängen zu lassen. Der Prozess benötige breite parteiübergreifende Unterstützung.
Die kurdische Seite hat ihren Teil erfüllt
Karasu erinnerte daran, dass die kurdische Bewegung bereits weitreichende Schritte unternommen habe: die Aussetzung des bewaffneten Kampfes, die Selbstauflösung ihrer Organisationen, das symbolische Niederlegen der Waffen. „Mehr können wir nicht tun. Jetzt liegt die Verantwortung klar bei der Regierung.“
Kultur als Widerstand: Aufruf zum Kulturfestival in Dortmund
Abschließend sprach Karasu über die Rolle von Kultur im politischen Widerstand. Anlässlich des 33. Kurdischen Kulturfestivals am 13. September in Dortmund rief er die kurdische Gemeinschaft zur Teilnahme auf.
„Unsere Kultur ist Ziel systematischer Angriffe – in Kurdistan wie in Europa. Jedes Lied, jede Geschichte ist ein Akt des Widerstands.“ Das Festival sei kein folkloristisches Event, sondern Ausdruck eines kollektiven Überlebenswillens: „Kunst, Sprache und Erinnerung sind tragende Säulen unserer Freiheit.“
Karasus Appell richtete sich besonders an junge Menschen und Frauen in der Diaspora: „Kommt nach Dortmund, tragt eure Sprache, eure Musik, eure Geschichte in die Öffentlichkeit. Dieses Festival ist unser kollektives Newroz – ein Fest des Überlebens und der Hoffnung.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-demokratische-gesellschaft-frieden-und-integration-zentrale-begriffe-des-prozesses-47717 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/rojava-ist-meine-rote-linie-pervin-buldan-uber-das-letzte-gesprach-mit-abdullah-Ocalan-47794 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bahceli-droht-mit-angriff-auf-nord-und-ostsyrien-47792 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-turkei-ist-noch-weit-von-einem-positiven-frieden-entfernt-47753
Dengbêj-Kunst ziert Stadtbild von Tatos
Die von der DEM-Partei regierte Stadt Tatos (tr. Tekman) in der nordkurdischen Provinz Erzîrom (Erzurum) setzt mit neuen kulturellen Projekten ein Zeichen für sprachliche Vielfalt und kurdische Identität: Im Rahmen einer städtischen Kampagne wurden Porträts bekannter Dengbêj (Bard:innen) auf öffentliche Wände gemalt. Ergänzend wurden mehrsprachige Ortsschilder in Türkisch, Kurdisch (Kurmancî) und Zazakî (Kirmanckî) an den Ein- und Ausfahrten der Stadt angebracht.
Ko-Bürgermeister Abdurrahman Sever betonte bei der Vorstellung des Projekts, dass die Maßnahmen Teil einer bewussten Abkehr vom zentralistischen Einheitsdenken seien: „Wir wollen alle Glaubensgemeinschaften und ethnischen Gruppen sichtbar machen. Die Sprache ist nicht nur ein Organ, sondern Ausdruck von Kultur, Identität und Existenz.“
Abdurrahman Sever
Dengbêj als kulturelles Gedächtnis
Im Fokus stehen kurdische Erzählertraditionen: Auf zentralen Plätzen wurden unter anderem Wandbilder der berühmten Dengbêj Şakiro und Eyşe Şan angebracht – zwei Stimmen, die die mündliche Überlieferung kurdischer Geschichte über Generationen hinweg geprägt haben.
„Die Dengbêj-Tradition ist ein zentrales Element kurdischer Sprache und Erinnerungskultur“, so Sever. „Mit diesen Bildern wollen wir ihnen nicht nur gedenken, sondern sie im öffentlichen Raum sichtbar machen.“
Erinnerung an unterbrochene Kulturarbeit
Sever erinnerte daran, dass ähnliche Projekte in der Vergangenheit vom staatlich eingesetzten Zwangsverwalter gestoppt worden waren. Viele mehrsprachige oder kulturelle Initiativen seien damals entfernt oder rückgängig gemacht worden.
Mit den aktuellen Maßnahmen wolle man nicht nur an diese Arbeit anknüpfen, sondern sie weiterentwickeln. „Unsere Arbeiten gehen weiter. In nur einem Jahr haben wir zahlreiche kulturelle Initiativen umgesetzt – darunter Projekte mit Dengbêj- und Çîrokbêj-Gruppen“, so Sever. Die Resonanz aus der Bevölkerung sei positiv und ermutigend.
Er unterstrich, dass kommunale Selbstverwaltung eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft spiele, gerade im kulturellen Bereich.
https://deutsch.anf-news.com/kultur/cegerxwin-fur-alle-zeiten-ein-digitales-denkmal-fur-den-grossen-kurdischen-dichter-47412 https://deutsch.anf-news.com/kultur/hunergeha-welat-widmet-neues-musikvideo-dem-epos-derwes-u-edule-47354 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kollektive-kunst-als-praxis-von-widerstand-und-hoffnung-46559
Kampagne in Amed gegen unsichtbare Gewalt
In der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) laufen derzeit umfangreiche Aufklärungskampagnen gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Unter dem Motto „Unser Wort ist nicht zu Ende – Wir stoppen die Gewalt gemeinsam“ besuchen Mitarbeiterinnen der städtischen Frauen- und Familienabteilungen sowie lokaler Frauenpolitikbüros gezielt Dörfer und Stadtviertel, um mit Frauen über Gewaltformen zu sprechen – insbesondere über jene, die oft unerkannt bleiben: psychische, wirtschaftliche und digitale Gewalt.
Die Kampagne war im vergangenen November gestartet worden und soll ein Jahr lang laufen. Seit einem Monat sind die Teams aktiv im Feld unterwegs. Ziel ist es, gesellschaftliches Bewusstsein zu stärken, das Schweigen zu brechen und betroffenen Frauen konkrete Hilfsangebote zu machen.
Gewaltformen, die oft nicht als solche erkannt werden
Eine der zentralen Beobachtungen: Viele Frauen nehmen die Gewalt, der sie ausgesetzt sind, nicht als solche wahr. Das berichtet Eylem Kaya, Soziologin beim Frauenforschungszentrum DIKASUM. Sie ist Teil der mobilen Teams, die von Dorf zu Dorf reisen.
„In Gesprächen erzählen uns Frauen oft nicht zuerst von der Gewalt, sondern von kaputten Straßen, Wasserknappheit oder fehlendem Schultransport für ihre Kinder“, so Kaya. „Aber dahinter steckt, dass all diese Lasten auf den Schultern der Frauen liegen. Erst nach und nach zeigen sich dann auch Fälle von psychischer, wirtschaftlicher oder physischer Gewalt.“
Alarmierende Zahl an Feminiziden
Der Anlass für die verstärkte Aufklärung ist ernst: In Amed wurden in nur einer Woche vier Feminizide registriert – teils als „Verdachtsfälle“. „Wir hören mittlerweile jede Woche von neuen Tötungen von Frauen“, sagt Kaya. „Deshalb haben wir auch die Kampagne ‚Wir rebellieren gegen den Feminizid‘ gestartet.“
Die Kampagne findet nicht nur in Dörfern, sondern auch in Stadtvierteln, Parks und öffentlichen Plätzen statt. „Heute sind wir in einem Dorf bei Licê, morgen geht es weiter nach Pasûr“, erklärt Kaya. Abends finden zusätzlich Infoveranstaltungen in den Stadtparks statt.
Digitale Gewalt gegen junge Mädchen nimmt zu
Ein besonderer Fokus liegt auf digitaler Gewalt, insbesondere gegenüber Mädchen im Schulalter. „In den Schulen beobachten wir, dass viele Mädchen Opfer von Cybermobbing, digitaler Erpressung oder Belästigung werden“, warnt Kaya. Einige Fälle hätten zu Suiziden geführt.
Viele Betroffene wüssten nicht, an wen sie sich wenden könnten, und erhielten auch in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung. „Wir zeigen ihnen, dass es Wege gibt, sich zu schützen und Hilfe zu holen – und dass sie nicht allein sind.“
Zugang zu kostenloser rechtlicher und psychologischer Unterstützung
DIKASUM arbeitet unter anderem mit der Anwaltskammer in Amed zusammen, um kostenfreie juristische Unterstützung bereitzustellen. Auch psychologische Betreuung wird angeboten – auf Wunsch in der Muttersprache und online, wenn Frauen das Zentrum nicht besuchen können.
Doch auch hier gibt es Hürden, so Kaya: „Viele Frauen sagen: ‚Ich bin doch nicht verrückt’ oder ‚Was sollen die Nachbarn denken?’ – dabei geht es nicht um Wahnsinn, sondern um seelische Gesundheit. Unser erstes Ziel ist es, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.“
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https://deutsch.anf-news.com/frauen/dbp-frauenrat-warnt-vor-eskalierender-gewalt-gegen-frauen-47672 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tja-zahl-verdachtiger-todesfalle-von-frauen-in-wan-steigt-47818 https://deutsch.anf-news.com/frauen/turkei-verdachtige-todesfalle-bei-frauen-ubersteigen-zahl-der-feminizide-47551
Semsûr: Massive Abholzung im Stadtwald für Straßenbau
Im Stadtwald in der kurdischen Provinzhauptstadt Semsûr (tr. Adıyaman) hat eine neue Welle von Abholzungen begonnen. Offiziellen Angaben zufolge sollen im Zuge eines Straßenbauprojekts zahlreiche Bäume gefällt werden. Bereits zuvor war ein Teil des Waldes durch staatliche Wohnungsbauprojekte zerstört worden.
Das Gebiet im Zentrum von Semsûr wurde seit dem verheerenden Erdbeben am 6. Februar 2023 zunehmend für Bauzwecke genutzt. Auf dem Gipfel des Karadağ-Waldes wurden im Auftrag der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft TOKI neue Wohnanlagen errichtet. Für den Bau dieser Gebäude wurde bereits ein Teil des bewaldeten Hangs gerodet.
Nun werden weitere Flächen freigelegt – diesmal für den Bau einer Straße, der von der Provinzdirektion für Landwirtschaft und Forsten geplant wird. Vor Ort markieren Behördenmitarbeiter zunächst Bäume mit Farbe, bevor diese mithilfe schwerer Maschinen gefällt werden. Dabei fallen auch Bäume, die weit außerhalb des eigentlichen Trassenverlaufs stehen, den Arbeiten zum Opfer.
Nach Informationen aus lokalen Quellen könnten mehrere Tausend Bäume betroffen sein. Umwelt- und Naturschutzgruppen zeigen sich besorgt über die Ausweitung der Eingriffe und warnen vor dem dauerhaften Verlust eines der wenigen städtischen Naherholungsgebiete in Semsûr.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/newroz-uysal-aslan-Okologische-zerstorung-in-besta-ist-teil-kolonialer-politik-47527 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/Okologische-vernichtung-als-strategie-47638 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/rodungen-in-Sirnex-juristische-schritte-gegen-okologischen-kahlschlag-47313
Zwei Tote in Aleppo bei Drohnenangriff
Bei einem Drohnenangriff auf ein Auto in der Nähe des Flughafens im nordsyrischen Aleppo sind zwei Personen am Donnerstag getötet worden. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, der Angriff habe einem „Zivilfahrzeug auf der Straße zum internationalen Flughafen von Aleppo“ gegolten. Zu den möglichen Hintergründen und Identitäten der Getöteten wurden zunächst keine Angaben gemacht.
Der kurdischen Nachrichtenagentur Hawarnews (ANHA) zufolge handelte es sich um einen mutmaßlich von der US-geführten internationalen Anti-IS-Koalition durchgeführten Luftschlag. Die Namen der beiden Insassen seien anders als bei Sana berichtet der Redaktion bekannt; Abu Salama, ein ranghohes Mitglied der Dschihadistentruppe „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) sowie Abu Farouk al-Uyghur, Söldner der „Islamischen Turkestan-Partei“.
An airstrike, likely by the USA targeted and destroyed a vehicle on the road to Aleppo airport.
2 members of Hayat Tahrir al Sham which is now the Syrian Government were in this vehicle, their identities have not been revealed yet. https://t.co/1tT0l0QXMy pic.twitter.com/wS6FrlzUmG
Die internationale Anti-IS-Koalition war 2014 gegründet worden, um das von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ausgerufene „Kalifat“ in Syrien und im Irak zu zerschlagen. Sie fliegt immer wieder Angriffe gegen Mitglieder des IS und andere Terrororganisationen. Auch Israel verübt wiederholt Drohnenangriffe in Syrien. Zu dem Vorfall in Aleppo gab es von beiden Seiten zunächst jedoch keine Stellungnahme.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/us-militar-totet-is-anfuhrer-bei-einsatz-in-syrien-47619
TJA: Zahl verdächtiger Todesfälle von Frauen in Wan steigt
In der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) steigt die Zahl verdächtiger Todesfälle unter Frauen weiter an. Laut Frauenorganisationen sind allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres mindestens 14 Frauen unter ungeklärten Umständen gestorben. Die Frauenbewegung Tevgera Jinên Azad (TJA) warnt vor einem alarmierenden Trend: Immer mehr Todesfälle von Frauen würden ohne ernsthafte Ermittlungen voreilig als Selbstmord eingestuft, obwohl Hinweise auf Gewalttaten vorlägen.
Die TJA-Aktivistin Rojbin Bor spricht von einem politisch motivierten Angriff auf Frauen und beklagt die Straflosigkeit der Täter. „Diese Todesfälle sind nicht individuell – sie sind Ausdruck eines patriarchalen Systems“, sagt sie. „Die Körper der Frauen zeigen Spuren von Gewalt, doch es wird kaum nachgeforscht. Viele Fälle werden als Suizid abgetan, obwohl die Beweise das Gegenteil nahelegen.“
Jin News: Hunderte Fälle, kaum Aufklärung
Die Frauennachrichtenagentur Jin News, die regelmäßig eine Chronik geschlechtsspezifischer Gewalt veröffentlicht, dokumentierte allein im Juli den Feminizid an mindestens 28 Frauen in der Türkei. Weitere 25 starben unter verdächtigen Umständen – die meisten dieser Fälle finden keinen Widerhall in den Medien, und die Ermittlungen verlaufen oft im Sande.
Auch in Wan, wo sich laut der TJA die Auswirkungen staatlicher Spezialkriegspolitik besonders deutlich zeigten, sei die Situation dramatisch. Mehrere Frauen, die um Hilfe baten, seien später tot aufgefunden worden. „Ein Beispiel ist der Tod von Sinem Demir. Als wir am Tatort eintrafen, wies ihr Körper klare Spuren von Gewalt und Schleifspuren auf“, berichtet Rojbin Bor. „Trotzdem wurde ihr Tod als Selbstmord registriert.“
„Staat statt Schutz: Schweigen und Verharmlosung“
Hinter vielen Todesfällen stehen Geschichten von häuslicher Gewalt, Drohungen und tiefer Armut. Der TJA zufolge wandten sich viele der in Wan getöteten Frauen mehrfach an Polizei und Behörden, suchten Schutz bei Familie oder in Frauenhäusern. „Immer wieder sagten sie im Vorfeld: ‚Er wird mich töten.‘ Dennoch endeten diese Fälle tödlich – ohne juristische Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter“, so Bor.
„Der Staat schützt nicht die Frauen, sondern die Täter. Männer wissen: Selbst wenn sie Gewalt ausüben, haben sie kaum etwas zu befürchten. Viele sagen: ‚Ich sitze dafür drei Monate und bin dann wieder draußen.‘ Und leider stimmt das oft“, ergänzt die Aktivistin.
Bor verweist auf die politische Dimension: Die Abschaffung der Istanbul-Konvention und Angriffe auf das Gewaltschutzgesetz 6284 hätten zu einem gesellschaftlichen Klima beigetragen, das männliche Gewalt begünstige. Die Justiz agiere nicht neutral, sondern lasse gewalttätige Männer gewähren.
Netzwerke reichen nicht – strukturelle Antworten gefordert
Zusammen mit dem Menschenrechtsverein IHD, Anwaltskammern und Frauenorganisationen versucht die TJA, Schutznetzwerke für betroffene Frauen aufzubauen. Doch diese Arbeit stoße an Grenzen, solange der Staat seiner Schutzverantwortung nicht nachkomme.
„Was wir brauchen, sind langfristige Maßnahmen: Projekte gegen weibliche Armut, 24-Stunden erreichbare Notrufzentren, und vor allem eine Justiz, die konsequent durchgreift“, so Bor. „Nur so kann ein Umfeld entstehen, in dem Frauen sicher leben können – und nicht sterben müssen.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/turkei-verdachtige-todesfalle-bei-frauen-ubersteigen-zahl-der-feminizide-47551 https://deutsch.anf-news.com/frauen/elf-monate-nach-tod-von-studentin-rojin-kabais-familie-klagt-uber-vertuschung-47628 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tod-zweier-schwestern-in-merdin-sonderermittler-eingesetzt-47640 https://deutsch.anf-news.com/frauen/dbp-frauenrat-warnt-vor-eskalierender-gewalt-gegen-frauen-47672 https://deutsch.anf-news.com/frauen/protest-gegen-geplante-schliessung-des-Samiram-frauenzentrums-in-wan-47538
Angriff auf Journalisten Mamend: Täter festgenommen
Die Sicherheitsdirektion der Kurdistan-Region des Irak (KRI) hat bekannt gegeben, dass die Täter, die den Journalisten Hêmin Mamend am Dienstagabend in Silêmanî (Sulaimaniyya) mutmaßlich auf offener Straße lebensbedrohlich angeschossen hatten, nach erfolgreichen Ermittlungen festgenommen werden konnten.
Bei den beiden Angreifern soll es sich um Einwohner von Hewlêr (Erbil) mit den Initialen Ş.R.M.S. und S.E.R.M. handeln. Die Behörde erklärte, nach eingehenden Ermittlungen sei die Festnahme gemäß irakischen Strafgesetzes beschlossen worden. Insgesamt hätten die Ermittlungen zu vier Tätern geführt, von denen zwei festgenommen werden konnten und zwei nach Hewlêr geflohen seien.
„Der Terroranschlag auf Hêmin Mamend war geplant und organisiert“, hieß es in der Erklärung weiter. In den folgenden Tagen wolle die Behörde weitere Ergebnisse und Einzelheiten des Falls veröffentlichen.
Hêmin Mamend war am Dienstag gegen 19:30 Uhr Ortszeit im Stadtteil Şoreş von zwei Männern auf einem Motorrad angeschossen worden. Mindestens zwei Kugeln trafen ihn, die Täter flohen sofort vom Tatort. Während der in Lebensgefahr schwebende Mamend sofort ins Krankenhaus verbracht und dort operiert wurde, leiteten die Sicherheitsbehörden ein Ermittlungsverfahren ein.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/schusse-auf-kurdischen-journalisten-in-silemani-47791 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/sterk-tv-und-chatr-production-verurteilen-angriff-auf-hemin-mamend-47810 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/dfg-fordert-aufklarung-des-angriffs-auf-journalisten-mamend-47796
Neue Sicherheitsoperation im Camp Hol gestartet
Die Generalkommandantur der Inneren Sicherheitskräfte in Nord- und Ostsyrien (Asayîş) hat den Beginn einer neuen Phase der „Humanitären Sicherheitsoperation“ im Auffang- und Internierungslager Hol angekündigt. Ziel sei es, die Sicherheit im Camp zu erhöhen und der wachsenden Bedrohung durch Zellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) entgegenzuwirken.
Die Ankündigung erfolgte am Freitagmorgen direkt aus dem Lager. Ruksen Mihemed, Sprecherin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), erklärte auf einer Pressekonferenz: „Angesichts der anhaltenden Sicherheitsprobleme im Lager Hol starten die Inneren Sicherheitskräfte, die Asayîşa Jin, die YPJ, die Demokratischen Kräfte Syriens mit Unterstützung der Internationalen Anti-IS-Koalition eine neue Phase der Humanitären Sicherheitsoperation“, heißt es in der Erklärung.
Die Maßnahme ziele darauf ab, die Bewohner:innen des Lagers zu schützen und ein sicheres Arbeitsumfeld für humanitäre Organisationen zu gewährleisten.
Zunehmende IS-Aktivitäten im Lager
In den vergangenen Wochen habe es laut der Sicherheitskräfte über 30 gezielte Angriffe von IS-Zellen auf Mitarbeiter:innen und Einrichtungen humanitärer Organisationen gegeben. Dabei seien Gebäude und Versorgungsstrukturen beschädigt worden. Die Angriffe gefährdeten Tausende Zivilist:innen und behinderten die Arbeit von Hilfsorganisationen massiv.
Einsatz gegen Rekrutierung von Kindern
Ein weiterer Fokus der Operation liegt auf dem Schutz von Minderjährigen. Die Sicherheitskräfte erklärten, dass IS-nahe Kreise im Lager versuchten, unter dem Namen „Brut des Kalifats“ (auch „Junglöwen des Kalifats) eine neue Generation von Kindern und Jugendlichen für ihre Ideologie zu rekrutieren. Unterstützt würden sie dabei von Frauen innerhalb des Lagers, die in Verbindung zur Extremistenmiliz stehen.
„Diese Gruppen indoktrinieren Kinder mit extremistischer Ideologie, fördern gewaltbereites Verhalten und richten sich gezielt gegen humanitäre Helfer:innen“, heißt es weiter. Die geplante Operation wolle daher auch kinderschutzrelevante Maßnahmen verstärken, etwa durch Aufklärungskampagnen und psychosoziale Angebote.
Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen
Neben der Bekämpfung terroristischer Strukturen wolle man auch die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und lokalen Gemeinschaften intensivieren, um einen umfassenden Schutz vor Terrorismus und dessen Ursachen zu gewährleisten. Ein sicherer und stabiler Rahmen für die humanitäre Arbeit sei unerlässlich, betonten die Sicherheitskräfte.
Fortsetzung früherer Einsätze
Die neue Phase ist Teil einer längeren Serie von Einsätzen, die seit Jahren in Hol durchgeführt werden. Ziel ist es, die Aktivitäten verbliebener IS-Zellen einzudämmen und langfristig ein sicheres Umfeld für die mehr als 40.000 Menschen im Lager zu schaffen, darunter viele Frauen und Kinder mit mutmaßlichen Verbindungen zum IS.
Die Asayîş-Frauen, die YPJ und die Inneren Sicherheitskräfte betonten abschließend: „Der Schutz der Zivilbevölkerung ist unsere rote Linie. Den Terrorismus im Lager zu bekämpfen ist eine Grundvoraussetzung für die Sicherung humanitärer Hilfe und die Schaffung eines sicheren Lebensumfelds für alle Menschen in der Region.“
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/anti-is-operation-in-heseke-abgeschlossen-51-verdachtige-festgenommen-47746 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/Uber-800-menschen-aus-camp-hol-in-den-irak-zuruckgekehrt-47333 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-is-funktionar-in-camp-hol-fest-46535
Bêrîtan: Der dritte Weg in Iran
Fûad Bêrîtan ist Mitglied im Exekutivrat der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK). Für ihn liegt die Lösung für die Krise in Iran nicht in den Hauptstädten der Welt, sondern in Teheran selbst. Im ersten Teil befasst sich das Interview mit der entscheidenden Rolle der Gesellschaft im Verhältnis zur gescheiterten Diplomatie und interner wie externer Machtinteressen. Insbesondere die Aktivierung des „Snapback“-Mechanismus’ hat Iran in eine Zwangslage gebracht. [Der „Snapback“-Mechanismus dient dazu, Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Wiener Atomdeals binnen 30 Tagen wieder mit Sanktionen belegen zu können. Anm. d. Red.]
Im vorliegenden zweiten Teil analysiert Bêrîtan detailliert die Stellung Kurdistans als Vorreiter der Demokratie und eines tiefgreifenden Wandels. Sowohl eine kurdische Einheit als auch die Erneuerung der kurdisch-türkischen Beziehungen sieht er hierfür als dringende Notwendigkeiten. Schließlich stellt auch das bleibenden Erbe der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung eine entscheidende Grundlage für nachhaltige Veränderungen dar.
Die zentrale Frage dieses Gesprächs ist klar: Ist die Islamische Republik bereit für einen tiefgreifenden Wandel oder treibt sie Iran in den Abgrund?
Konzentrieren wir uns mehr auf Kurdistan. Wie schätzen Sie die Bereitschaft des kurdischen Volkes in dieser Zeit ein? Was sollten seine Prioritäten sein?
Es ist klar, dass im Nahen Osten eine neue Ära begonnen hat. Was wir als „Dritten Weltkrieg“ bezeichnen, hat in unserer Region neue Dimensionen angenommen. Wir sehen seine Auswirkungen in unterschiedlichem Ausmaß in vielen Ländern des Nahen Ostens. Weder Totalitarismus, Autoritarismus und Diktatur noch Krieg und ausländische Interventionen können eine angemessene Lösung für diese Krisen bieten.
Viele der bestehenden Herausforderungen haben tiefe historische, politische, rechtliche und ideologische Wurzeln. Es ist offensichtlich, dass die Länder der Region nicht mehr so regieren können wie früher. Alle sind gezwungen, neue Strategien zu verfolgen, um in dieser kritischen Phase Schaden zu vermeiden. Das Gleiche gilt für Iran und Kurdistan. Kurdistan bietet eine Chance für die Demokratisierung des Nahen Ostens und die Neudefinition einer neuen regionalen Ordnung.
Der „dritte Weg“
Die Kurd:innen haben sich als verantwortungsbewusste, moderate, demokratiefreundliche und nach Gleichheit strebende Kraft erwiesen. Sie glauben an ein freies und gerechtes Zusammenleben. Sie sind keine Kriegstreiber, aber sie werden sich gegen jede Bedrohung ihrer Existenz verteidigen. Die Kurd:innen stehen für einen „dritten Weg“. Aus dieser Perspektive stellt die Haltung unserer Gesellschaft inmitten der Kriege und Krisen im Nahen Osten eine Chance dar. Ohne die Beteiligung der Kurd:innen kann ein neuer Naher Osten nicht Gestalt annehmen. Ohne die Beteiligung der Kurd:innen kann kein Projekt in der Region zu einem entscheidenden Ergebnis führen.
Die Kurde:innen haben Werte geschaffen und Kämpfe geführt, die andere Völker des Nahen Ostens inspirieren können. Die Philosophie und Praxis von „Jin, Jiyan, Azadî“ ist ein solches Beispiel. Die Niederlage des IS ist ein weiteres großartiges Beispiel. Dabei handelt es sich nicht nur um parteipolitische oder strukturelle Fragen, sondern diese Kultur, dieser Widerstand und diese Werte sind tief in das Gefüge der kurdischen Gesellschaft eingewoben.
Es braucht die kurdische Einheit
Wie wir wiederholt betont haben, sind wir auf jedes Szenario vorbereitet. Wir warten weder auf einen Retter noch auf ein Wunder, noch sind wir auf den guten Willen anderer angewiesen. Der Kampf des kurdischen Volkes für die Freiheit basiert auf demokratischer Modernität und stützt sich auf die innewohnende Stärke der Gesellschaft selbst. Natürlich bringt diese Phase ihre eigenen besonderen Sensibilitäten mit sich. Unser Volk muss seine Reihen noch enger schließen. Die politischen Strömungen müssen sich enger abstimmen und eine strategische Zusammenarbeit entwickeln. Die Stärke und Energie Kurdistans müssen kohärenter und besser vorbereitet sein.
In dieser Hinsicht muss jeder verantwortungsbewusst handeln. Kurdistan hat sich immer wieder als Vorreiter der Demokratie und Freiheit erwiesen. Auch in dieser Phase wird es diesen Charakter beibehalten – und kein Projekt in Iran wird ohne die Zusammenarbeit und Koordination mit dem Kampf des kurdischen Volkes für seine Rechte eine Chance auf Erfolg haben. In diesem Punkt sollte jeder sicher sein.
Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit eines landesweiten Dialogs zwischen allen Verfechter:innen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. In dieser Hinsicht bestehen jedoch in gesamt Iran noch immer gravierende Mängel. Je länger es dauert, bis die kurdische Realität anerkannt wird und Zusammenarbeit und Koordination zustande kommen, desto größer wird der Schock der politischen Kräfte angesichts künftiger Entwicklungen sein und desto stärker werden die Wurzeln für Widerstand und die Entstehung alternativer politischer Projekte sein.
Aktive kurdische Zivilgesellschaft
Betrachten wir auf einer anderen Ebene die Leistung der Gesellschaft. Die Zivilgesellschaft ist das Gewissen der Gesellschaft, und glücklicherweise ist sie in Kurdistan sehr dynamisch und aktiv. Diese Dynamik spiegelt sich beispielsweise in einer Vielzahl von Umweltinitiativen wider, die fast alle auf freiwilliger Basis stattfinden.
In den letzten Tagen wurden repressive Urteile gegen kurdische Lehrkräfte gefällt. Hunderte von Menschen und Aktivist:innen der Zivilgesellschaft marschierten in einer symbolischen Protestaktion entlang des Abidar-Bergpfades und forderten die Aufhebung dieser Entlassungs- und Verbannungsbefehle. Dies war eine angemessene und verantwortungsvolle zivilgesellschaftliche Aktion. Von hier aus grüße ich jede:n Einzelne:n von ihnen und ihren berechtigten, menschlichen Protest.
Die iranische Gesellschaft braucht Widerstandsgeist
Genau diesen Geist brauchen die Menschen in Kurdistan – und die iranische Gesellschaft insgesamt: sich angesichts von Unterdrückung nicht gleichgültig zu zeigen, nicht zu schweigen, sich gegenseitig zu finden und sich gegenseitig zu stärken und zu bestätigen. Eine demokratische und lebendige Gesellschaft muss so sein.
Die Islamische Republik arbeitet rund um die Uhr daran, das Volk zu unterdrücken und zu kontrollieren. Auch das Volk muss rund um die Uhr Widerstand leisten – um der Unterdrückung entgegenzuwirken und eine freie, humane und demokratische Gesellschaft aufzubauen. Dieser Widerstand in Kurdistan ist tiefgreifend und großartig.
Eine Kultur der Menschlichkeit
Dieser Geist zeigt sich sogar in den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Vor kurzem ertrank ein junger Mann aus Saqqez im Mahabad-Staudamm und verlor sein Leben. Tagelang standen die Menschen von Mahabad seiner Familie bei und halfen bei der Suche nach seiner Leiche. Sie ließen die Menschen von Saqqez nicht allein und trauerten gemeinsam mit ihnen. Eine verantwortungsvolle, bewusste und mitfühlende Gesellschaft zeichnet sich durch solche Eigenschaften aus.
Diese Kultur muss sich in allen Bereichen verbreiten und sich in einen unerschütterlichen politischen Willen und Konsens verwandeln. Wo immer die Interessen der Gemeinschaft gefährdet sind, muss gehandelt werden. Wo immer Einheit erforderlich ist, müssen Schritte unternommen werden. Wo immer ziviler Widerstand erforderlich ist, muss er organisiert werden. Das ist es, was den Menschen in Kurdistan gebührt. Und in größerem Maßstab ist dies die Kultur, von der ich hoffe, dass sie sich in gesamt Iran verbreiten wird.
Die Verbreitung dieser Kultur stellt sicher, dass keine Macht in irgendeinem Bereich ihre Grenzen überschreiten kann. Der Widerstand gegen Autoritarismus und eine undemokratische Ordnung folgt genau diesem Weg. Diese Erfahrungen und diese Kultur des Kampfes müssen überall in Iran verbreitet werden.
In den letzten Wochen haben Ihre Positionen zur türkischen Gemeinschaft in Iran Reaktionen in Politik und Medien ausgelöst. Wie beurteilen Sie diese Reaktionen und, allgemeiner gesagt, die Zukunft der kurdisch-türkischen Beziehungen in Iran?
Wir haben wiederholt unseren guten Willen gegenüber der türkischen Gemeinschaft in Iran (Beschreibung des Interviewpartners schließt alle Völker türkischer Abstammung in Iran; Aseri, Turkmen:innen, Qaschqai und Afscharen ein, Anm. d. Ü.) bekundet. Unsere Bewegung artikuliert ihre Ideen und politischen Projekte offen, ohne Beschönigung oder Vorwände. Lassen Sie mich klar sagen: Wir glauben an strategische Einheit und an ein humanes, gerechtes Zusammenleben. Wir betrachten die Türk:innen nicht als Bedrohung und werden auch niemals eine Bedrohung für sie sein.
Koexistenz, Gleichheit und Respekt
Die Auslöschung oder Schwächung weder der Kurd:innen noch der Türk:innen ist eine denkbare Option. Im Gegenteil, unsere Bewegung betrachtet Freiheit und Koexistenz nicht durch eine engstirnige, Blut-und-Boden-orientierte Brille. Wir stützen unsere Beziehungen zu allen Gemeinschaften – insbesondere zu den Türk:innen – auf Koexistenz, Gleichheit, gegenseitigen Respekt und freie, demokratische Teilhabe.
In dieser Hinsicht glauben wir, dass in der Vergangenheit sowohl von Türk:innen als auch von Kurd:innen falsche Positionen vertreten wurden. Wir haben keine Erwartungen an bestimmte Medien oder Gruppen, die in „Kurd:innenfeindlichkeit“ verstrickt sind und diese für politische Zwecke ausnutzen. Wir wenden uns an die türkischen Bürger:innen, ihre Intellektuellen und ihre gewissenhaften und demokratieorientierten Menschen:
In dieser kritischen Phase müssen Dialog, Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis gestärkt werden. Das ist unsere offizielle Position. Alles andere, was uns unterstellt wird, entspringt entweder Unwissenheit und unfairen Verdächtigungen oder politischen Interessen.
Gerechtes Zusammenleben in gemeinsamer Geografie
Deshalb reichen wir der türkischen Gemeinschaft in Iran die Hand der Freundschaft und rufen zu einem neuen Kapitel strategischer kurdisch-türkischer Beziehungen in Iran auf. In gutem Glauben erklären wir, dass wir zu einem direkten Dialog bereit sind, sollten es konkrete Bedenken seitens der Türk:innen geben. Es sollen demokratische Dialogplattformen eingerichtet werden.
Wir waren immer bereit für aufrichtige, freundschaftliche und respektvolle Gespräche mit Vertreter:innen der aserbaidschanischen Gemeinschaft. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit ihnen ist für uns ein Wert. Die Grundlage dieser Zusammenarbeit ist nicht territoriale Expansion, sondern die Entwicklung eines gemeinsamen demokratischen Modells und eines gerechten Zusammenlebens in unserer gemeinsamen Geografie.
Synergie statt Konfrontation
Wir glauben an demokratische Prinzipien und sind überzeugt, dass die Mehrheit sowohl der Kurd:innen als auch der Türk:innen dieses Bestreben teilt. Wir sind keine Bedrohung für die Türk:innen, und wir betrachten die Türk:innen nicht als Bedrohung für die Kurd:innen. Beide Völker sind Teil der historischen, politischen und kulturellen Realität dieser Region. Ihre Existenz gewinnt nicht durch Konfrontation, sondern durch Synergie an Bedeutung. Ein neues Iran ist nur mit einer solchen Denkweise vorstellbar.
In diesem Zusammenhang werden wir jede uns übertragene Verantwortung wahrnehmen, um die gemeinsame Sicherheit von Kurd:innen und Türk:innen zu gewährleisten. Wir sind keine Kraft, die ausschließlich dazu dient, die Kurd:innen zu schützen und ein demokratisches Projekt unter ihnen voranzutreiben. Vielmehr glauben wir, dass menschliche Bindungen von Grund auf gestärkt, gemeinsame politische Modelle entwickelt und gemeinsame Anstrengungen unternommen werden müssen. Der Fortschritt und Wohlstand der Kurd:innen und Türk:innen in Iran müssen gleichzeitig und nebeneinander betrachtet werden.
Eine Neudefinition der Beziehungen ist notwendig
Wir möchten, dass die Türk:innen uns so sehen. Jede andere Wahrnehmung hat nichts mit uns zu tun. Jede Kraft, die uns eine andere Denkweise vorwirft, hat sich nicht bemüht, unsere Realität zu verstehen – weder für den Dialog noch für das Verständnis unserer Programme. Daher sind wir nicht für falsche Urteile und Stereotypen verantwortlich. Wir haben niemals eine Bitte um Dialog abgelehnt, niemals eine Einladung zur Zusammenarbeit unbeantwortet gelassen und niemals potenzielle Bedenken ignoriert.
Aus diesem Grund erwarten wir von gewissenhaften Personen unter den Türk:innen, dass sie unsere Positionen in gutem Glauben und ohne Vorurteile bewerten. Wir werden keiner Kraft und keiner Ideologie erlauben, Feindschaft zwischen Kurd:innen und Türk:innen zu säen. Je sensibler die Lage in Iran wird, desto größer ist die Notwendigkeit einer Neudefinition der Beziehungen, der gegenseitigen Vertrauensbildung sowie bilateraler und multilateraler Dialoge.
Praktizierte Völkerfreundschaft
Diese Region darf für niemanden eine Quelle der Angst und Besorgnis sein, sondern sollte vielmehr zu einem leuchtenden Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen ihren Völkern und die Schaffung einer neuen, sicheren, freien, demokratischen und inspirierenden Synthese werden – für Türk:innen, Kurd:innen, Christ:innen und alle Gemeinschaften.
Als PJAK reichen wir allen, die an Koexistenz und eine gemeinsame Zukunft glauben, vorab die Hand und senden ihnen unsere Grüße und unseren Respekt.
Sie haben die Bewegung „Jin, Jiyan, Azadî“ erwähnt. Wie Sie wissen, nähern wir uns ihrem Jahrestag in Kurdistan und in Iran. Wie stehen Sie dazu?
Die Proteste, die aus der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung hervorgingen, haben ein wertvolles Vermächtnis hinterlassen. Viele Menschen haben ihr Leben für ihre humanitären und freiheitlichen Werte geopfert. Diese Bewegung gehört all jenen, die ein freies, gleichberechtigtes, demokratisches und würdiges Leben anstreben – in einem Land ohne Tyrannei, Diktatur, Ungleichheit, Unterdrückung und Erstickung.
„Jin, Jiyan, Azadî“ ist nicht nur ein Slogan, sondern eine Lebensweise und eine tiefgreifende Philosophie des Kampfes. Diese Philosophie ist lebendig und dynamisch. Keine andere Idee oder Herangehensweise in Iran hat es geschafft, die Menschen auf diese Weise zu verbinden und Hoffnung und Begeisterung zu wecken. Die heftigen Angriffe der Islamischen Republik und autoritärer Strömungen darauf sind kein Zufall. Unterdrückung, Straßenmorde, Gefängnis und Folter können das Licht, das diese Bewegung entzündet hat, nicht auslöschen.
Mit Jin, Jiyan, Azadî zu Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit
Eine Möglichkeit, diese Bewegung voranzubringen, besteht darin, die Erinnerung an ihre Gefallenen lebendig zu halten, nach den Werten zu leben, die sie geschaffen hat, und sowohl den individuellen als auch den kollektiven Kampf zu vertiefen. Wir ehren erneut das Andenken an Jina Amini und all diejenigen, die ihr Leben in der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung gegeben haben. Wir erneuern unser Versprechen an sie und bekräftigen unsere Verpflichtung, den Kampf für Freiheit und Demokratie fortzusetzen.
Von hier aus rufen wir unser gesamtes Volk – innerhalb Kurdistans, in gesamt Iran und in der Diaspora – dazu auf, sich auf jede erdenkliche Weise miteinander zu verbinden, wo auch immer sie sich befinden. Wir rufen sie dazu auf, die demokratischen Werte der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung zu vertreten und mit ihrem großartigen Geist ihre Handlungen auf Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit zu gründen.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/beritan-irans-lage-nach-der-aktivierung-des-snapback-mechanismus-47813 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/pjak-frauen-und-kurd-innen-sind-schlussel-zur-transformation-irans-46803 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/knk-und-pjak-sprechen-uber-koordinierte-strategie-in-rojhilat-47106
KRI: Drei Feminizide, fünf verdächtige Todesfälle in einem Monat
In der Kurdistan-Region des Irak (KRI) sind allein im August drei Frauen von Männern ermordet worden, während fünf Frauen unter verdächtigen Umständen starben, wie die Nachrichtenagentur RojNews berichtet.
Alle drei bisher als solche definierte Feminizide sind in der Provinz Silêmanî (Sulaimaniyya) verübt worden. Zwei der Frauen wurden von ihren Ehemännern und eine von ihrem Bruder ermordet. Zwei dieser Feminizide sind mit Schusswaffen verübt worden, die Frauen waren 25 beziehungsweise 45 Jahre alt. Unter den Opfern der verdächtigen Todesfälle ist die Universitätsdozentin Gizing Kamil Mecîd sowie auch eine 72-jährige Frau, deren Leichen aufgefunden wurden.
In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden in der KRI insgesamt 18 Frauen ermordet, weitere zwölf Frauen starben unter verdächtigen Umständen, fünf Frauen wurden Opfer von Körperverletzung und zwei Frauen wurden in den Selbstmord getrieben. Darüber hinaus waren vier Lehrerinnen und Aktivistinnen in Silêmanî Gewalt durch Sicherheitskräfte ausgesetzt.
Titelbild: Symbolbild, Kundgebung gegen Feminizide, Hamburg 2023.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/sudkurdistan-wird-mit-mannlichem-verstand-regiert-42938 https://deutsch.anf-news.com/frauen/demonstration-gegen-mannlich-staatliche-gewalt-in-silemani-41318 https://deutsch.anf-news.com/frauen/demonstration-gegen-mannlich-staatliche-gewalt-in-silemani-41318https://deutsch.anf-news.com/frauen/femizid-in-silemani-mann-zundet-schlafende-frau-an-30932
Kinderfestival in Raqqa geht zu Ende
Bereits zum sechsten Mal hat am Dienstag das zweitägige Kinderfestival in Raqqa eröffnet. Das vom Kulturrat Raqqas organisierte Festival stand unter dem Titel „Unsere Kinder, Vögel des Friedens“ und hat in Zusammenarbeit mit mehreren lokalen Frauen- und Kulturorganisationen sowie Kindergärten in der Taj-Halle im Süden der Stadt stattgefunden.
Großer Zulauf auf etabliertem Kulturevent
Über speziell für Kinder konzipierte Musik- und Theaterstücke hinaus gab es ein vielfältiges kulturelles Programm und stieß auf ein umfangreiches Echo: 252 Kinder beteiligten sich an den künstlerischen Darbietungen. Eltern, Lehrkräfte und Gemeindemitglieder füllten den Veranstaltungsort, um ihre Unterstützung zu zeigen und zahlreiche Mitglieder des Kultur- und Kunstrats des Kantons Raqqa, des Hilala Zêrîn-Zentrums, Vertreter:innen des Exekutivrats des Kantons und Mitglieder des Zenobiya-Frauenrats nahmen teil.
Künstlerischen Ausdruck von Kindern stärken
Für viele Familien in Raqqa ist das Kinderfestival zu einer jährlichen Gelegenheit geworden, die Kindheit zu feiern und die sozialen Bindungen in einer Stadt zu stärken, die sich noch immer von den Kriegsjahren erholt. Die Organisator:innen erklärten, das Festival wolle Kindern in Raqqa einen Raum bieten, sich künstlerisch auszudrücken und gleichzeitig Werte wie Frieden und Zusammenleben fördern. Der Kulturrat betonte, dass solche Initiativen Teil eines umfassenderen Kulturprogramms seien, das von der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) unterstützt werde und das künstlerische Engagement der jüngeren Generation fördern wolle.
Zum Abschluss des Festivals überreichte das Organisationskomitee den teilnehmenden Gruppen sowie dem Kulturrat des Kantons Raqqa, dem Bildungsrat, der Hilala Zêrîn-Bewegung, der Gerestêrk-Kinderschule, der Volksgemeinde Raqqa und zahlreichen Vorschuleinrichtungen Plaketten.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/musikschule-in-kobane-wird-eroffnet-47422 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/kulturprogramm-in-rojava-fast-900-kinder-nehmen-an-sommeraktivitaten-teil-47289 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/fachtagung-zu-kinderrechten-in-raqqa-46841