«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Zwei Tote in Aleppo bei Drohnenangriff
Bei einem Drohnenangriff auf ein Auto in der Nähe des Flughafens im nordsyrischen Aleppo sind zwei Personen am Donnerstag getötet worden. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, der Angriff habe einem „Zivilfahrzeug auf der Straße zum internationalen Flughafen von Aleppo“ gegolten. Zu den möglichen Hintergründen und Identitäten der Getöteten wurden zunächst keine Angaben gemacht.
Der kurdischen Nachrichtenagentur Hawarnews (ANHA) zufolge handelte es sich um einen mutmaßlich von der US-geführten internationalen Anti-IS-Koalition durchgeführten Luftschlag. Die Namen der beiden Insassen seien anders als bei Sana berichtet der Redaktion bekannt; Abu Salama, ein ranghohes Mitglied der Dschihadistentruppe „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) sowie Abu Farouk al-Uyghur, Söldner der „Islamischen Turkestan-Partei“.
An airstrike, likely by the USA targeted and destroyed a vehicle on the road to Aleppo airport.
2 members of Hayat Tahrir al Sham which is now the Syrian Government were in this vehicle, their identities have not been revealed yet. https://t.co/1tT0l0QXMy pic.twitter.com/wS6FrlzUmG
Die internationale Anti-IS-Koalition war 2014 gegründet worden, um das von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ausgerufene „Kalifat“ in Syrien und im Irak zu zerschlagen. Sie fliegt immer wieder Angriffe gegen Mitglieder des IS und andere Terrororganisationen. Auch Israel verübt wiederholt Drohnenangriffe in Syrien. Zu dem Vorfall in Aleppo gab es von beiden Seiten zunächst jedoch keine Stellungnahme.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/us-militar-totet-is-anfuhrer-bei-einsatz-in-syrien-47619
TJA: Zahl verdächtiger Todesfälle von Frauen in Wan steigt
In der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) steigt die Zahl verdächtiger Todesfälle unter Frauen weiter an. Laut Frauenorganisationen sind allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres mindestens 14 Frauen unter ungeklärten Umständen gestorben. Die Frauenbewegung Tevgera Jinên Azad (TJA) warnt vor einem alarmierenden Trend: Immer mehr Todesfälle von Frauen würden ohne ernsthafte Ermittlungen voreilig als Selbstmord eingestuft, obwohl Hinweise auf Gewalttaten vorlägen.
Die TJA-Aktivistin Rojbin Bor spricht von einem politisch motivierten Angriff auf Frauen und beklagt die Straflosigkeit der Täter. „Diese Todesfälle sind nicht individuell – sie sind Ausdruck eines patriarchalen Systems“, sagt sie. „Die Körper der Frauen zeigen Spuren von Gewalt, doch es wird kaum nachgeforscht. Viele Fälle werden als Suizid abgetan, obwohl die Beweise das Gegenteil nahelegen.“
Jin News: Hunderte Fälle, kaum Aufklärung
Die Frauennachrichtenagentur Jin News, die regelmäßig eine Chronik geschlechtsspezifischer Gewalt veröffentlicht, dokumentierte allein im Juli den Feminizid an mindestens 28 Frauen in der Türkei. Weitere 25 starben unter verdächtigen Umständen – die meisten dieser Fälle finden keinen Widerhall in den Medien, und die Ermittlungen verlaufen oft im Sande.
Auch in Wan, wo sich laut der TJA die Auswirkungen staatlicher Spezialkriegspolitik besonders deutlich zeigten, sei die Situation dramatisch. Mehrere Frauen, die um Hilfe baten, seien später tot aufgefunden worden. „Ein Beispiel ist der Tod von Sinem Demir. Als wir am Tatort eintrafen, wies ihr Körper klare Spuren von Gewalt und Schleifspuren auf“, berichtet Rojbin Bor. „Trotzdem wurde ihr Tod als Selbstmord registriert.“
„Staat statt Schutz: Schweigen und Verharmlosung“
Hinter vielen Todesfällen stehen Geschichten von häuslicher Gewalt, Drohungen und tiefer Armut. Der TJA zufolge wandten sich viele der in Wan getöteten Frauen mehrfach an Polizei und Behörden, suchten Schutz bei Familie oder in Frauenhäusern. „Immer wieder sagten sie im Vorfeld: ‚Er wird mich töten.‘ Dennoch endeten diese Fälle tödlich – ohne juristische Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter“, so Bor.
„Der Staat schützt nicht die Frauen, sondern die Täter. Männer wissen: Selbst wenn sie Gewalt ausüben, haben sie kaum etwas zu befürchten. Viele sagen: ‚Ich sitze dafür drei Monate und bin dann wieder draußen.‘ Und leider stimmt das oft“, ergänzt die Aktivistin.
Bor verweist auf die politische Dimension: Die Abschaffung der Istanbul-Konvention und Angriffe auf das Gewaltschutzgesetz 6284 hätten zu einem gesellschaftlichen Klima beigetragen, das männliche Gewalt begünstige. Die Justiz agiere nicht neutral, sondern lasse gewalttätige Männer gewähren.
Netzwerke reichen nicht – strukturelle Antworten gefordert
Zusammen mit dem Menschenrechtsverein IHD, Anwaltskammern und Frauenorganisationen versucht die TJA, Schutznetzwerke für betroffene Frauen aufzubauen. Doch diese Arbeit stoße an Grenzen, solange der Staat seiner Schutzverantwortung nicht nachkomme.
„Was wir brauchen, sind langfristige Maßnahmen: Projekte gegen weibliche Armut, 24-Stunden erreichbare Notrufzentren, und vor allem eine Justiz, die konsequent durchgreift“, so Bor. „Nur so kann ein Umfeld entstehen, in dem Frauen sicher leben können – und nicht sterben müssen.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/turkei-verdachtige-todesfalle-bei-frauen-ubersteigen-zahl-der-feminizide-47551 https://deutsch.anf-news.com/frauen/elf-monate-nach-tod-von-studentin-rojin-kabais-familie-klagt-uber-vertuschung-47628 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tod-zweier-schwestern-in-merdin-sonderermittler-eingesetzt-47640 https://deutsch.anf-news.com/frauen/dbp-frauenrat-warnt-vor-eskalierender-gewalt-gegen-frauen-47672 https://deutsch.anf-news.com/frauen/protest-gegen-geplante-schliessung-des-Samiram-frauenzentrums-in-wan-47538
Angriff auf Journalisten Mamend: Täter festgenommen
Die Sicherheitsdirektion der Kurdistan-Region des Irak (KRI) hat bekannt gegeben, dass die Täter, die den Journalisten Hêmin Mamend am Dienstagabend in Silêmanî (Sulaimaniyya) mutmaßlich auf offener Straße lebensbedrohlich angeschossen hatten, nach erfolgreichen Ermittlungen festgenommen werden konnten.
Bei den beiden Angreifern soll es sich um Einwohner von Hewlêr (Erbil) mit den Initialen Ş.R.M.S. und S.E.R.M. handeln. Die Behörde erklärte, nach eingehenden Ermittlungen sei die Festnahme gemäß irakischen Strafgesetzes beschlossen worden. Insgesamt hätten die Ermittlungen zu vier Tätern geführt, von denen zwei festgenommen werden konnten und zwei nach Hewlêr geflohen seien.
„Der Terroranschlag auf Hêmin Mamend war geplant und organisiert“, hieß es in der Erklärung weiter. In den folgenden Tagen wolle die Behörde weitere Ergebnisse und Einzelheiten des Falls veröffentlichen.
Hêmin Mamend war am Dienstag gegen 19:30 Uhr Ortszeit im Stadtteil Şoreş von zwei Männern auf einem Motorrad angeschossen worden. Mindestens zwei Kugeln trafen ihn, die Täter flohen sofort vom Tatort. Während der in Lebensgefahr schwebende Mamend sofort ins Krankenhaus verbracht und dort operiert wurde, leiteten die Sicherheitsbehörden ein Ermittlungsverfahren ein.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/schusse-auf-kurdischen-journalisten-in-silemani-47791 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/sterk-tv-und-chatr-production-verurteilen-angriff-auf-hemin-mamend-47810 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/dfg-fordert-aufklarung-des-angriffs-auf-journalisten-mamend-47796
Neue Sicherheitsoperation im Camp Hol gestartet
Die Generalkommandantur der Inneren Sicherheitskräfte in Nord- und Ostsyrien (Asayîş) hat den Beginn einer neuen Phase der „Humanitären Sicherheitsoperation“ im Auffang- und Internierungslager Hol angekündigt. Ziel sei es, die Sicherheit im Camp zu erhöhen und der wachsenden Bedrohung durch Zellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) entgegenzuwirken.
Die Ankündigung erfolgte am Freitagmorgen direkt aus dem Lager. Ruksen Mihemed, Sprecherin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), erklärte auf einer Pressekonferenz: „Angesichts der anhaltenden Sicherheitsprobleme im Lager Hol starten die Inneren Sicherheitskräfte, die Asayîşa Jin, die YPJ, die Demokratischen Kräfte Syriens mit Unterstützung der Internationalen Anti-IS-Koalition eine neue Phase der Humanitären Sicherheitsoperation“, heißt es in der Erklärung.
Die Maßnahme ziele darauf ab, die Bewohner:innen des Lagers zu schützen und ein sicheres Arbeitsumfeld für humanitäre Organisationen zu gewährleisten.
Zunehmende IS-Aktivitäten im Lager
In den vergangenen Wochen habe es laut der Sicherheitskräfte über 30 gezielte Angriffe von IS-Zellen auf Mitarbeiter:innen und Einrichtungen humanitärer Organisationen gegeben. Dabei seien Gebäude und Versorgungsstrukturen beschädigt worden. Die Angriffe gefährdeten Tausende Zivilist:innen und behinderten die Arbeit von Hilfsorganisationen massiv.
Einsatz gegen Rekrutierung von Kindern
Ein weiterer Fokus der Operation liegt auf dem Schutz von Minderjährigen. Die Sicherheitskräfte erklärten, dass IS-nahe Kreise im Lager versuchten, unter dem Namen „Brut des Kalifats“ (auch „Junglöwen des Kalifats) eine neue Generation von Kindern und Jugendlichen für ihre Ideologie zu rekrutieren. Unterstützt würden sie dabei von Frauen innerhalb des Lagers, die in Verbindung zur Extremistenmiliz stehen.
„Diese Gruppen indoktrinieren Kinder mit extremistischer Ideologie, fördern gewaltbereites Verhalten und richten sich gezielt gegen humanitäre Helfer:innen“, heißt es weiter. Die geplante Operation wolle daher auch kinderschutzrelevante Maßnahmen verstärken, etwa durch Aufklärungskampagnen und psychosoziale Angebote.
Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen
Neben der Bekämpfung terroristischer Strukturen wolle man auch die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und lokalen Gemeinschaften intensivieren, um einen umfassenden Schutz vor Terrorismus und dessen Ursachen zu gewährleisten. Ein sicherer und stabiler Rahmen für die humanitäre Arbeit sei unerlässlich, betonten die Sicherheitskräfte.
Fortsetzung früherer Einsätze
Die neue Phase ist Teil einer längeren Serie von Einsätzen, die seit Jahren in Hol durchgeführt werden. Ziel ist es, die Aktivitäten verbliebener IS-Zellen einzudämmen und langfristig ein sicheres Umfeld für die mehr als 40.000 Menschen im Lager zu schaffen, darunter viele Frauen und Kinder mit mutmaßlichen Verbindungen zum IS.
Die Asayîş-Frauen, die YPJ und die Inneren Sicherheitskräfte betonten abschließend: „Der Schutz der Zivilbevölkerung ist unsere rote Linie. Den Terrorismus im Lager zu bekämpfen ist eine Grundvoraussetzung für die Sicherung humanitärer Hilfe und die Schaffung eines sicheren Lebensumfelds für alle Menschen in der Region.“
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/anti-is-operation-in-heseke-abgeschlossen-51-verdachtige-festgenommen-47746 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/Uber-800-menschen-aus-camp-hol-in-den-irak-zuruckgekehrt-47333 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-is-funktionar-in-camp-hol-fest-46535
Bêrîtan: Der dritte Weg in Iran
Fûad Bêrîtan ist Mitglied im Exekutivrat der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK). Für ihn liegt die Lösung für die Krise in Iran nicht in den Hauptstädten der Welt, sondern in Teheran selbst. Im ersten Teil befasst sich das Interview mit der entscheidenden Rolle der Gesellschaft im Verhältnis zur gescheiterten Diplomatie und interner wie externer Machtinteressen. Insbesondere die Aktivierung des „Snapback“-Mechanismus’ hat Iran in eine Zwangslage gebracht. [Der „Snapback“-Mechanismus dient dazu, Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Wiener Atomdeals binnen 30 Tagen wieder mit Sanktionen belegen zu können. Anm. d. Red.]
Im vorliegenden zweiten Teil analysiert Bêrîtan detailliert die Stellung Kurdistans als Vorreiter der Demokratie und eines tiefgreifenden Wandels. Sowohl eine kurdische Einheit als auch die Erneuerung der kurdisch-türkischen Beziehungen sieht er hierfür als dringende Notwendigkeiten. Schließlich stellt auch das bleibenden Erbe der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung eine entscheidende Grundlage für nachhaltige Veränderungen dar.
Die zentrale Frage dieses Gesprächs ist klar: Ist die Islamische Republik bereit für einen tiefgreifenden Wandel oder treibt sie Iran in den Abgrund?
Konzentrieren wir uns mehr auf Kurdistan. Wie schätzen Sie die Bereitschaft des kurdischen Volkes in dieser Zeit ein? Was sollten seine Prioritäten sein?
Es ist klar, dass im Nahen Osten eine neue Ära begonnen hat. Was wir als „Dritten Weltkrieg“ bezeichnen, hat in unserer Region neue Dimensionen angenommen. Wir sehen seine Auswirkungen in unterschiedlichem Ausmaß in vielen Ländern des Nahen Ostens. Weder Totalitarismus, Autoritarismus und Diktatur noch Krieg und ausländische Interventionen können eine angemessene Lösung für diese Krisen bieten.
Viele der bestehenden Herausforderungen haben tiefe historische, politische, rechtliche und ideologische Wurzeln. Es ist offensichtlich, dass die Länder der Region nicht mehr so regieren können wie früher. Alle sind gezwungen, neue Strategien zu verfolgen, um in dieser kritischen Phase Schaden zu vermeiden. Das Gleiche gilt für Iran und Kurdistan. Kurdistan bietet eine Chance für die Demokratisierung des Nahen Ostens und die Neudefinition einer neuen regionalen Ordnung.
Der „dritte Weg“
Die Kurd:innen haben sich als verantwortungsbewusste, moderate, demokratiefreundliche und nach Gleichheit strebende Kraft erwiesen. Sie glauben an ein freies und gerechtes Zusammenleben. Sie sind keine Kriegstreiber, aber sie werden sich gegen jede Bedrohung ihrer Existenz verteidigen. Die Kurd:innen stehen für einen „dritten Weg“. Aus dieser Perspektive stellt die Haltung unserer Gesellschaft inmitten der Kriege und Krisen im Nahen Osten eine Chance dar. Ohne die Beteiligung der Kurd:innen kann ein neuer Naher Osten nicht Gestalt annehmen. Ohne die Beteiligung der Kurd:innen kann kein Projekt in der Region zu einem entscheidenden Ergebnis führen.
Die Kurde:innen haben Werte geschaffen und Kämpfe geführt, die andere Völker des Nahen Ostens inspirieren können. Die Philosophie und Praxis von „Jin, Jiyan, Azadî“ ist ein solches Beispiel. Die Niederlage des IS ist ein weiteres großartiges Beispiel. Dabei handelt es sich nicht nur um parteipolitische oder strukturelle Fragen, sondern diese Kultur, dieser Widerstand und diese Werte sind tief in das Gefüge der kurdischen Gesellschaft eingewoben.
Es braucht die kurdische Einheit
Wie wir wiederholt betont haben, sind wir auf jedes Szenario vorbereitet. Wir warten weder auf einen Retter noch auf ein Wunder, noch sind wir auf den guten Willen anderer angewiesen. Der Kampf des kurdischen Volkes für die Freiheit basiert auf demokratischer Modernität und stützt sich auf die innewohnende Stärke der Gesellschaft selbst. Natürlich bringt diese Phase ihre eigenen besonderen Sensibilitäten mit sich. Unser Volk muss seine Reihen noch enger schließen. Die politischen Strömungen müssen sich enger abstimmen und eine strategische Zusammenarbeit entwickeln. Die Stärke und Energie Kurdistans müssen kohärenter und besser vorbereitet sein.
In dieser Hinsicht muss jeder verantwortungsbewusst handeln. Kurdistan hat sich immer wieder als Vorreiter der Demokratie und Freiheit erwiesen. Auch in dieser Phase wird es diesen Charakter beibehalten – und kein Projekt in Iran wird ohne die Zusammenarbeit und Koordination mit dem Kampf des kurdischen Volkes für seine Rechte eine Chance auf Erfolg haben. In diesem Punkt sollte jeder sicher sein.
Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit eines landesweiten Dialogs zwischen allen Verfechter:innen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. In dieser Hinsicht bestehen jedoch in gesamt Iran noch immer gravierende Mängel. Je länger es dauert, bis die kurdische Realität anerkannt wird und Zusammenarbeit und Koordination zustande kommen, desto größer wird der Schock der politischen Kräfte angesichts künftiger Entwicklungen sein und desto stärker werden die Wurzeln für Widerstand und die Entstehung alternativer politischer Projekte sein.
Aktive kurdische Zivilgesellschaft
Betrachten wir auf einer anderen Ebene die Leistung der Gesellschaft. Die Zivilgesellschaft ist das Gewissen der Gesellschaft, und glücklicherweise ist sie in Kurdistan sehr dynamisch und aktiv. Diese Dynamik spiegelt sich beispielsweise in einer Vielzahl von Umweltinitiativen wider, die fast alle auf freiwilliger Basis stattfinden.
In den letzten Tagen wurden repressive Urteile gegen kurdische Lehrkräfte gefällt. Hunderte von Menschen und Aktivist:innen der Zivilgesellschaft marschierten in einer symbolischen Protestaktion entlang des Abidar-Bergpfades und forderten die Aufhebung dieser Entlassungs- und Verbannungsbefehle. Dies war eine angemessene und verantwortungsvolle zivilgesellschaftliche Aktion. Von hier aus grüße ich jede:n Einzelne:n von ihnen und ihren berechtigten, menschlichen Protest.
Die iranische Gesellschaft braucht Widerstandsgeist
Genau diesen Geist brauchen die Menschen in Kurdistan – und die iranische Gesellschaft insgesamt: sich angesichts von Unterdrückung nicht gleichgültig zu zeigen, nicht zu schweigen, sich gegenseitig zu finden und sich gegenseitig zu stärken und zu bestätigen. Eine demokratische und lebendige Gesellschaft muss so sein.
Die Islamische Republik arbeitet rund um die Uhr daran, das Volk zu unterdrücken und zu kontrollieren. Auch das Volk muss rund um die Uhr Widerstand leisten – um der Unterdrückung entgegenzuwirken und eine freie, humane und demokratische Gesellschaft aufzubauen. Dieser Widerstand in Kurdistan ist tiefgreifend und großartig.
Eine Kultur der Menschlichkeit
Dieser Geist zeigt sich sogar in den alltäglichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Vor kurzem ertrank ein junger Mann aus Saqqez im Mahabad-Staudamm und verlor sein Leben. Tagelang standen die Menschen von Mahabad seiner Familie bei und halfen bei der Suche nach seiner Leiche. Sie ließen die Menschen von Saqqez nicht allein und trauerten gemeinsam mit ihnen. Eine verantwortungsvolle, bewusste und mitfühlende Gesellschaft zeichnet sich durch solche Eigenschaften aus.
Diese Kultur muss sich in allen Bereichen verbreiten und sich in einen unerschütterlichen politischen Willen und Konsens verwandeln. Wo immer die Interessen der Gemeinschaft gefährdet sind, muss gehandelt werden. Wo immer Einheit erforderlich ist, müssen Schritte unternommen werden. Wo immer ziviler Widerstand erforderlich ist, muss er organisiert werden. Das ist es, was den Menschen in Kurdistan gebührt. Und in größerem Maßstab ist dies die Kultur, von der ich hoffe, dass sie sich in gesamt Iran verbreiten wird.
Die Verbreitung dieser Kultur stellt sicher, dass keine Macht in irgendeinem Bereich ihre Grenzen überschreiten kann. Der Widerstand gegen Autoritarismus und eine undemokratische Ordnung folgt genau diesem Weg. Diese Erfahrungen und diese Kultur des Kampfes müssen überall in Iran verbreitet werden.
In den letzten Wochen haben Ihre Positionen zur türkischen Gemeinschaft in Iran Reaktionen in Politik und Medien ausgelöst. Wie beurteilen Sie diese Reaktionen und, allgemeiner gesagt, die Zukunft der kurdisch-türkischen Beziehungen in Iran?
Wir haben wiederholt unseren guten Willen gegenüber der türkischen Gemeinschaft in Iran (Beschreibung des Interviewpartners schließt alle Völker türkischer Abstammung in Iran; Aseri, Turkmen:innen, Qaschqai und Afscharen ein, Anm. d. Ü.) bekundet. Unsere Bewegung artikuliert ihre Ideen und politischen Projekte offen, ohne Beschönigung oder Vorwände. Lassen Sie mich klar sagen: Wir glauben an strategische Einheit und an ein humanes, gerechtes Zusammenleben. Wir betrachten die Türk:innen nicht als Bedrohung und werden auch niemals eine Bedrohung für sie sein.
Koexistenz, Gleichheit und Respekt
Die Auslöschung oder Schwächung weder der Kurd:innen noch der Türk:innen ist eine denkbare Option. Im Gegenteil, unsere Bewegung betrachtet Freiheit und Koexistenz nicht durch eine engstirnige, Blut-und-Boden-orientierte Brille. Wir stützen unsere Beziehungen zu allen Gemeinschaften – insbesondere zu den Türk:innen – auf Koexistenz, Gleichheit, gegenseitigen Respekt und freie, demokratische Teilhabe.
In dieser Hinsicht glauben wir, dass in der Vergangenheit sowohl von Türk:innen als auch von Kurd:innen falsche Positionen vertreten wurden. Wir haben keine Erwartungen an bestimmte Medien oder Gruppen, die in „Kurd:innenfeindlichkeit“ verstrickt sind und diese für politische Zwecke ausnutzen. Wir wenden uns an die türkischen Bürger:innen, ihre Intellektuellen und ihre gewissenhaften und demokratieorientierten Menschen:
In dieser kritischen Phase müssen Dialog, Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis gestärkt werden. Das ist unsere offizielle Position. Alles andere, was uns unterstellt wird, entspringt entweder Unwissenheit und unfairen Verdächtigungen oder politischen Interessen.
Gerechtes Zusammenleben in gemeinsamer Geografie
Deshalb reichen wir der türkischen Gemeinschaft in Iran die Hand der Freundschaft und rufen zu einem neuen Kapitel strategischer kurdisch-türkischer Beziehungen in Iran auf. In gutem Glauben erklären wir, dass wir zu einem direkten Dialog bereit sind, sollten es konkrete Bedenken seitens der Türk:innen geben. Es sollen demokratische Dialogplattformen eingerichtet werden.
Wir waren immer bereit für aufrichtige, freundschaftliche und respektvolle Gespräche mit Vertreter:innen der aserbaidschanischen Gemeinschaft. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit ihnen ist für uns ein Wert. Die Grundlage dieser Zusammenarbeit ist nicht territoriale Expansion, sondern die Entwicklung eines gemeinsamen demokratischen Modells und eines gerechten Zusammenlebens in unserer gemeinsamen Geografie.
Synergie statt Konfrontation
Wir glauben an demokratische Prinzipien und sind überzeugt, dass die Mehrheit sowohl der Kurd:innen als auch der Türk:innen dieses Bestreben teilt. Wir sind keine Bedrohung für die Türk:innen, und wir betrachten die Türk:innen nicht als Bedrohung für die Kurd:innen. Beide Völker sind Teil der historischen, politischen und kulturellen Realität dieser Region. Ihre Existenz gewinnt nicht durch Konfrontation, sondern durch Synergie an Bedeutung. Ein neues Iran ist nur mit einer solchen Denkweise vorstellbar.
In diesem Zusammenhang werden wir jede uns übertragene Verantwortung wahrnehmen, um die gemeinsame Sicherheit von Kurd:innen und Türk:innen zu gewährleisten. Wir sind keine Kraft, die ausschließlich dazu dient, die Kurd:innen zu schützen und ein demokratisches Projekt unter ihnen voranzutreiben. Vielmehr glauben wir, dass menschliche Bindungen von Grund auf gestärkt, gemeinsame politische Modelle entwickelt und gemeinsame Anstrengungen unternommen werden müssen. Der Fortschritt und Wohlstand der Kurd:innen und Türk:innen in Iran müssen gleichzeitig und nebeneinander betrachtet werden.
Eine Neudefinition der Beziehungen ist notwendig
Wir möchten, dass die Türk:innen uns so sehen. Jede andere Wahrnehmung hat nichts mit uns zu tun. Jede Kraft, die uns eine andere Denkweise vorwirft, hat sich nicht bemüht, unsere Realität zu verstehen – weder für den Dialog noch für das Verständnis unserer Programme. Daher sind wir nicht für falsche Urteile und Stereotypen verantwortlich. Wir haben niemals eine Bitte um Dialog abgelehnt, niemals eine Einladung zur Zusammenarbeit unbeantwortet gelassen und niemals potenzielle Bedenken ignoriert.
Aus diesem Grund erwarten wir von gewissenhaften Personen unter den Türk:innen, dass sie unsere Positionen in gutem Glauben und ohne Vorurteile bewerten. Wir werden keiner Kraft und keiner Ideologie erlauben, Feindschaft zwischen Kurd:innen und Türk:innen zu säen. Je sensibler die Lage in Iran wird, desto größer ist die Notwendigkeit einer Neudefinition der Beziehungen, der gegenseitigen Vertrauensbildung sowie bilateraler und multilateraler Dialoge.
Praktizierte Völkerfreundschaft
Diese Region darf für niemanden eine Quelle der Angst und Besorgnis sein, sondern sollte vielmehr zu einem leuchtenden Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen ihren Völkern und die Schaffung einer neuen, sicheren, freien, demokratischen und inspirierenden Synthese werden – für Türk:innen, Kurd:innen, Christ:innen und alle Gemeinschaften.
Als PJAK reichen wir allen, die an Koexistenz und eine gemeinsame Zukunft glauben, vorab die Hand und senden ihnen unsere Grüße und unseren Respekt.
Sie haben die Bewegung „Jin, Jiyan, Azadî“ erwähnt. Wie Sie wissen, nähern wir uns ihrem Jahrestag in Kurdistan und in Iran. Wie stehen Sie dazu?
Die Proteste, die aus der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung hervorgingen, haben ein wertvolles Vermächtnis hinterlassen. Viele Menschen haben ihr Leben für ihre humanitären und freiheitlichen Werte geopfert. Diese Bewegung gehört all jenen, die ein freies, gleichberechtigtes, demokratisches und würdiges Leben anstreben – in einem Land ohne Tyrannei, Diktatur, Ungleichheit, Unterdrückung und Erstickung.
„Jin, Jiyan, Azadî“ ist nicht nur ein Slogan, sondern eine Lebensweise und eine tiefgreifende Philosophie des Kampfes. Diese Philosophie ist lebendig und dynamisch. Keine andere Idee oder Herangehensweise in Iran hat es geschafft, die Menschen auf diese Weise zu verbinden und Hoffnung und Begeisterung zu wecken. Die heftigen Angriffe der Islamischen Republik und autoritärer Strömungen darauf sind kein Zufall. Unterdrückung, Straßenmorde, Gefängnis und Folter können das Licht, das diese Bewegung entzündet hat, nicht auslöschen.
Mit Jin, Jiyan, Azadî zu Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit
Eine Möglichkeit, diese Bewegung voranzubringen, besteht darin, die Erinnerung an ihre Gefallenen lebendig zu halten, nach den Werten zu leben, die sie geschaffen hat, und sowohl den individuellen als auch den kollektiven Kampf zu vertiefen. Wir ehren erneut das Andenken an Jina Amini und all diejenigen, die ihr Leben in der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung gegeben haben. Wir erneuern unser Versprechen an sie und bekräftigen unsere Verpflichtung, den Kampf für Freiheit und Demokratie fortzusetzen.
Von hier aus rufen wir unser gesamtes Volk – innerhalb Kurdistans, in gesamt Iran und in der Diaspora – dazu auf, sich auf jede erdenkliche Weise miteinander zu verbinden, wo auch immer sie sich befinden. Wir rufen sie dazu auf, die demokratischen Werte der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung zu vertreten und mit ihrem großartigen Geist ihre Handlungen auf Einheit, Solidarität und Zusammenarbeit zu gründen.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/beritan-irans-lage-nach-der-aktivierung-des-snapback-mechanismus-47813 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/pjak-frauen-und-kurd-innen-sind-schlussel-zur-transformation-irans-46803 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/knk-und-pjak-sprechen-uber-koordinierte-strategie-in-rojhilat-47106
KRI: Drei Feminizide, fünf verdächtige Todesfälle in einem Monat
In der Kurdistan-Region des Irak (KRI) sind allein im August drei Frauen von Männern ermordet worden, während fünf Frauen unter verdächtigen Umständen starben, wie die Nachrichtenagentur RojNews berichtet.
Alle drei bisher als solche definierte Feminizide sind in der Provinz Silêmanî (Sulaimaniyya) verübt worden. Zwei der Frauen wurden von ihren Ehemännern und eine von ihrem Bruder ermordet. Zwei dieser Feminizide sind mit Schusswaffen verübt worden, die Frauen waren 25 beziehungsweise 45 Jahre alt. Unter den Opfern der verdächtigen Todesfälle ist die Universitätsdozentin Gizing Kamil Mecîd sowie auch eine 72-jährige Frau, deren Leichen aufgefunden wurden.
In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden in der KRI insgesamt 18 Frauen ermordet, weitere zwölf Frauen starben unter verdächtigen Umständen, fünf Frauen wurden Opfer von Körperverletzung und zwei Frauen wurden in den Selbstmord getrieben. Darüber hinaus waren vier Lehrerinnen und Aktivistinnen in Silêmanî Gewalt durch Sicherheitskräfte ausgesetzt.
Titelbild: Symbolbild, Kundgebung gegen Feminizide, Hamburg 2023.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/sudkurdistan-wird-mit-mannlichem-verstand-regiert-42938 https://deutsch.anf-news.com/frauen/demonstration-gegen-mannlich-staatliche-gewalt-in-silemani-41318 https://deutsch.anf-news.com/frauen/demonstration-gegen-mannlich-staatliche-gewalt-in-silemani-41318https://deutsch.anf-news.com/frauen/femizid-in-silemani-mann-zundet-schlafende-frau-an-30932
Kinderfestival in Raqqa geht zu Ende
Bereits zum sechsten Mal hat am Dienstag das zweitägige Kinderfestival in Raqqa eröffnet. Das vom Kulturrat Raqqas organisierte Festival stand unter dem Titel „Unsere Kinder, Vögel des Friedens“ und hat in Zusammenarbeit mit mehreren lokalen Frauen- und Kulturorganisationen sowie Kindergärten in der Taj-Halle im Süden der Stadt stattgefunden.
Großer Zulauf auf etabliertem Kulturevent
Über speziell für Kinder konzipierte Musik- und Theaterstücke hinaus gab es ein vielfältiges kulturelles Programm und stieß auf ein umfangreiches Echo: 252 Kinder beteiligten sich an den künstlerischen Darbietungen. Eltern, Lehrkräfte und Gemeindemitglieder füllten den Veranstaltungsort, um ihre Unterstützung zu zeigen und zahlreiche Mitglieder des Kultur- und Kunstrats des Kantons Raqqa, des Hilala Zêrîn-Zentrums, Vertreter:innen des Exekutivrats des Kantons und Mitglieder des Zenobiya-Frauenrats nahmen teil.
Künstlerischen Ausdruck von Kindern stärken
Für viele Familien in Raqqa ist das Kinderfestival zu einer jährlichen Gelegenheit geworden, die Kindheit zu feiern und die sozialen Bindungen in einer Stadt zu stärken, die sich noch immer von den Kriegsjahren erholt. Die Organisator:innen erklärten, das Festival wolle Kindern in Raqqa einen Raum bieten, sich künstlerisch auszudrücken und gleichzeitig Werte wie Frieden und Zusammenleben fördern. Der Kulturrat betonte, dass solche Initiativen Teil eines umfassenderen Kulturprogramms seien, das von der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) unterstützt werde und das künstlerische Engagement der jüngeren Generation fördern wolle.
Zum Abschluss des Festivals überreichte das Organisationskomitee den teilnehmenden Gruppen sowie dem Kulturrat des Kantons Raqqa, dem Bildungsrat, der Hilala Zêrîn-Bewegung, der Gerestêrk-Kinderschule, der Volksgemeinde Raqqa und zahlreichen Vorschuleinrichtungen Plaketten.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/musikschule-in-kobane-wird-eroffnet-47422 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/kulturprogramm-in-rojava-fast-900-kinder-nehmen-an-sommeraktivitaten-teil-47289 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/fachtagung-zu-kinderrechten-in-raqqa-46841
Bêrîtan: Irans Lage nach der Aktivierung des Snapback-Mechanismus
Der „Snapback“-Mechanismus dient dazu, den Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Wiener Atomdeals binnen 30 Tagen wieder mit Sanktionen belegen zu können. Das Prozedere wurde im Jahr 2015 in einer UN-Resolution verankert. Vom Ansatz her kehrt es das Veto-Verfahren um, bei dem ein Mitglied des Sicherheitsrates mit einer Gegenstimme die Entscheidung kippen kann. Nun haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Mechanismus am 28. August dieses Jahres ausgelöst. Eine tatsächliche Umsetzung hätte weitreichende Folgen für die Islamische Republik und ihre Zivilbevölkerung.
Fûad Bêrîtan ist Mitglied im Exekutivrat der Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK). Für ihn liegt die Lösung für die Krise im Iran nicht in den Hauptstädten der Welt, sondern in Teheran. Das Interview befasst sich auch mit der entscheidenden Rolle der Gesellschaft im Verhältnis zur gescheiterten Diplomatie und interner wie externer Machtinteressen. In einem zweiten Teil werden insbesondere die Stellung Kurdistans als Vorreiter der Demokratie, die Notwendigkeit einer kurdisch-türkischen Einheit im Iran und das bleibenden Erbe der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung thematisiert.
Die zentrale Frage dieses Gesprächs ist klar: Ist die Islamische Republik bereit für einen tiefgreifenden Wandel oder treibt sie den Iran in den Abgrund?
Wie beurteilen Sie als Mitglied der PJAK-Führung die Lage im Iran nach der Aktivierung des Snapback-Mechanismus?
Natürlich bedeutet der von den Europäern ausgelöste Snapback nichts anderes als das Scheitern der iranischen Diplomatie und der gesamten Struktur seines Herrschaftssystems. Bis jetzt ist es ihnen nicht gelungen, das Vertrauen der Welt zu gewinnen. Diese Situation wird für die iranische Gesellschaft äußerst kostspielig sein. In den kommenden Wochen hat die Islamische Republik nur eine Option: eine Formel der Flexibilität und des Rückzugs zu finden, die die Europäer und die Vereinigten Staaten davon überzeugt, dass sie Zusammenarbeit statt Verschleierung und Konfrontation anstrebt.
Keine allmächtigen Partner
Anstatt sich darauf zu konzentrieren, die westlichen Länder und die Internationale Atomenergiebehörde zu überzeugen, stützt sich die Islamische Republik auf Russland und China, um dieser misslichen Lage zu entkommen. So enthielt beispielsweise die Abschlusserklärung des Gipfeltreffens der Shanghai Cooperation Organization keine wirkungsvolle, abschreckende oder entschiedene Initiative zugunsten des Iran. Die starke Abhängigkeit des Regimes von diesem Forum wird wahrscheinlich nicht zur Lösung seiner tieferen Krisen mit den Vereinigten Staaten, Europa und Israel beitragen. Es ist offensichtlich, dass China und Russland nur über begrenzte politische und rechtliche Mittel verfügen, um die Islamische Republik gegen die westlichen Mächte zu verteidigen.
Die Lösung liegt in Teheran
Die Lösung liegt nicht in Moskau, Peking, Brüssel oder Washington – sondern in Teheran. Es sind iranische Beamte, die seit Jahrzehnten Millionen von Menschenleben, Humanressourcen und nationalen Reichtum in ein verdächtiges und gefährliches Programm verstrickt haben. Es sind iranische Beamte, die ihre Sicherheits- und Militärdoktrin rund um das Atomprogramm, Raketenprojekte und ähnliche Initiativen definiert haben – und gleichzeitig die Verarmung der Gesellschaft, Unterdrückung und eiserne Faust, systemische Korruption und Missachtung der Forderungen der Bevölkerung als Teil ihres Regierungsstils institutionalisiert haben.
„Sehen sie den Abgrund nicht?“
Wenn Sanktionen für die normale Bevölkerung weitreichende Härten mit sich gebracht haben, so waren sie für Oligarchen, Kommandanten des Geheimdiensts der Revolutionsgarden (IRGC) und deren Kreise eine Quelle von Pachtzinsen und Bereicherung. Der Begriff „Sanktionsprofiteure“ ist äußerst treffend. Sie haben persönliche und fraktionelle Interessen, das Überleben des Systems und den Kern der Macht über das Leben von Millionen Menschen und Generationen gestellt. Das wissen wir alle. Aber die eigentliche Frage lautet nun: Sehen sie den Abgrund nicht?
Natürlich machen wir uns keine Sorgen um das Schicksal eines solchen Regimes; was uns beschäftigt, sind die Verwüstungen, die seine Fortdauer für die Menschen mit sich bringt. Die Menschen haben kein Brot, kein Wasser, keinen Strom, keine Freiheit, keine Menschenwürde. Wir werden niemals akzeptieren, dass mit dem Schicksal der Menschen gespielt wird. Außenpolitik ist immer eine Erweiterung der Innenpolitik; sie können nicht voneinander getrennt werden. Die Islamische Republik kann externe Krisen nicht ohne einen grundlegenden Wandel im Inland lösen.
Die Lösung ist eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft
Die Lösungen liegen nicht in Anreicherungsprozentsätzen oder Anreicherungsanlagen, generell nicht in solchen technischen Details. Die Lösung liegt darin, dem Volk die politische Macht und den politischen Willen zurückzugeben. Die Lösung ist nicht eine von Ethik und Vernunft entleerte Regierungsführung, sondern die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft selbst – den Marginalisierten, Frauen, Minderheiten, Nationen, Demokrat:innen, Freiheitssuchenden und den Menschen guten Willens in diesem Land.
Denjenigen, die die derzeitige Situation satt haben. Diejenigen, die nicht auf taktische, kurzfristige Deals oder ein Stück vom autoritären Kuchen aus sind, sondern die den Inhalt der Politik in der Islamischen Republik, den Stil und die Art der Regierungsführung verändern und die Beziehungen der Menschen untereinander und zur politischen Struktur neu definieren wollen.
Es geht nicht um die Rettung des Systems
Die berechtigte Frage lautet also nicht, welche politische Formel das System retten kann. Die berechtigte Frage lautet: Wo und wie sollte die Islamische Republik diese tiefgreifenden Verzerrungen korrigieren und die immensen Kosten kompensieren, die dem Volk auferlegt wurden? Ist so etwas überhaupt möglich? Und wenn ja, gibt es innerhalb der Islamischen Republik überhaupt jemanden, der bei klarem Verstand ist und dies als Priorität ansieht?
Skepsis und Besorgnis in dieser Hinsicht sind völlig berechtigt. Wir glauben, dass keine wichtige Entscheidung, die das Schicksal des Volkes beeinflusst, ohne dessen Beteiligung vorangetrieben werden kann. Alles, was im Widerspruch zu den Interessen des Volkes steht, sollte niemals auf die Agenda einer Regierung gesetzt werden.
Tiefgreifende Veränderung oder Zusammenbruch
Gerade weil viele keine solche Fähigkeit in der Islamischen Republik sehen, fordern sie, über sie hinauszugehen. Es ist klar, dass dem Regime das politische Kapital fehlt, um weiter zu regieren. Als etabliertes System muss es entweder eine tiefgreifende Operation innerhalb seiner selbst durchlaufen, oder aber die Fortsetzung dieses Weges wird seinen Zusammenbruch nur beschleunigen.
Die Masse der Unterdrückten
Was meinen wir mit Umgestaltung? Jede politische Kraft hat eine andere Antwort darauf. Reformist:innen streben nach einem Anteil an der Macht und populistischen Lösungen. Die Regierung schwankt zwischen den Forderungen des Regimes und populistischen Parolen oder bestenfalls leeren Versprechungen ohne Umsetzung. Die Position von Chamenei nach dem Angriff Israels ist zweideutig, und insgesamt gibt es keine einheitliche Stimme, die die Notwendigkeit einer Demokratisierung und einer Rückkehr zum Volk anerkennt.
Wenn wir von „dem Volk“ sprechen, meinen wir nicht den kleinen Prozentsatz der Regimeanhänger oder eine handverlesene Öffentlichkeit. Wir meinen die Millionen, die keinen Anteil an der Macht hatten, die immer unterdrückt wurden, denen Anerkennung verweigert wurde und die ständig den Preis dafür zahlen mussten. Wir meinen die Mehrheit der Iraner:innen, die ein freies, gleichberechtigtes und demokratisches Leben führen wollen.
Schlichte Atomabkommen würden zu kurz greifen
Als PJAK haben wir im Laufe der Jahre wiederholt vor diesem Kurs gewarnt. Wir haben Vorschläge gemacht, Lösungen angeboten und Fahrpläne vorgelegt. Aber ein von absoluter Macht berauschtes Regime hat sich nie gezwungen gesehen, diesen legitimen Forderungen nachzukommen. Jetzt sehen wir, wie schädlich die Verzögerung bei der Annahme dieser Vorschläge und Forderungen für das Volk gewesen ist. Über das Volk hinaus fühlt sich nun sogar das Regime selbst zutiefst verunsichert.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Außenpolitik kann ohne interne Veränderungen keine nachhaltigen Ergebnisse erzielen. Jedes potenzielle Atomabkommen wird ohne Dialog mit dem Volk, ohne die Auseinandersetzung mit den Themen Freiheit, Demokratie und Gleichheit und ohne die Übernahme von Verantwortung für die vielschichtigen Katastrophen, die die Herrschaft der Islamischen Republik verursacht hat, zu nichts führen.
Es braucht ernsthafte Lösungen
Politik ist die Kunst, eine Gesellschaft zu regieren. Diese Kunst darf nicht sektiererisch, korrupt, frei von politischer Rationalität, losgelöst von der Gesellschaft, umweltfeindlich, theokratisch, undemokratisch, zentralistisch, autoritär und patriarchal sein. Wir sind bereit, diese Situation in eine demokratische, gesellschaftsorientierte und ökologisch geprägte Ordnung zu verwandeln, aber wir werden uns niemals an oberflächlichen, taktischen, betrügerischen oder heuchlerischen Manövern beteiligen.
Die Lösungen müssen ernsthaft, tiefgreifend und strategisch sein. Man kann diesem Moment nicht mit ein bisschen Sozialtechnik begegnen, indem man Genehmigungen für ein paar Konzerte erteilt, eine Handvoll kritischer Fernsehsendungen ausstrahlt oder falsche Bilder von Kleidungsfreiheit präsentiert. Sporadische, trügerische Versuche, die graue Masse vorübergehend zu beschwichtigen, entbehren jeder strategischen Authentizität. Das sind Sicherheitsspiele. Das Schicksal von Millionen kann durch solche Spiele nicht verändert werden. Sie werden auch das Regime nicht retten. Die Probleme sind real und grundlegend; die Lösungen müssen zwangsläufig ebenso sein.
Fehlgeleitete Regime-Politik trägt volle Verantwortung
Wir wissen noch nicht, ob am Ende der 30-tägigen Frist eine Einigung erzielt werden wird. Aber wir wissen, dass die Rückkehr umfassender UN-Sanktionen katastrophale Auswirkungen auf das Leben aller Iraner:innen haben wird – insbesondere auf Arbeiter:innen, Marginalisierte, Ausgegrenzte und diejenigen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Und es ist zweifellos die fehlgeleitete Politik der Islamischen Republik, die die volle Verantwortung dafür trägt.
Wie können die Menschen unter solchen Umständen Einfluss auf die Entwicklungen nehmen?
Das ist eine entscheidende Frage, denn wir sprechen hier über ein Thema, das die Menschen, die Gesellschaft und ihre Zukunft direkt betrifft – doch die Menschen und die Gesellschaft selbst sind von allen Entscheidungen und Dialogen ausgeschlossen. Niemand fragt sie nach ihrer Meinung, niemand vertritt sie, und niemand spricht ihre Sorgen und Forderungen aus. Die Rolle, die die Islamische Republik für die Menschen vorsieht, ist die eines gehorsamen Publikums: Sie sollen die Kosten der Entscheidungen des Regimes tragen und niemals ihre Stimme zum Protest erheben. Das ist eine schändliche und korrupte Politik. Die Menschen verdienen eine solche Behandlung nicht.
„Ich bin hier“
Zweifellos haben das harte Sicherheitsumfeld und die repressiven Maßnahmen der Islamischen Republik zu dieser Situation geführt. Aber es wäre nicht unrealistisch zu betonen, dass die Gesellschaft jetzt ihre Stimme lauter denn je erheben muss. Die Menschen haben nie geschwiegen und bereits einen hohen Preis bezahlt. Aber heute muss die Gesellschaft erklären: Keine Macht darf mit meinem Schicksal spielen oder verhandeln. Ich bin hier. Ich kenne meine Rechte, ich kenne meine Prioritäten, und ich werde diese Situation nicht länger tolerieren.
Wie die Menschen diesen Protest zum Ausdruck bringen, ist eine andere Frage; er wird sicherlich nicht nur eine einzige Form annehmen. Aber diese Stimme, dieser Geist und dieser Protest sind legitim, ethisch, politisch und zeitgemäß. Die Präsenz der Menschen im öffentlichen Raum ist von entscheidender Bedeutung; um volksfeindliche Abkommen zu verhindern und sicherzustellen, dass sie nicht als Verhandlungsmasse in irgendwelchen Vereinbarungen benutzt werden, müssen sie die unterwürfige Rolle, die ihnen die Islamische Republik zugewiesen hat, entschiedener denn je ablehnen.
Freiheit, Gleichheit und ein Leben in Würde
Das Wesen dieser Präsenz ist klar: Niemand kann ein Abkommen schließen, das unsere Interessen, Forderungen und Prioritäten ignoriert. Unsere Priorität ist nicht das Überleben des Regimes; unsere Priorität ist ein freies und demokratisches Leben. Es geht darum, Feindseligkeiten mit der Welt zu vermeiden und Frieden und Freundschaft mit allen Nationen zu suchen. Wir wollen weder Bomben noch Diktatur. Wir wollen Freiheit, Gleichheit und ein Leben in Würde.
Bei jeder Gelegenheit, an jedem Ort und auf jede erdenkliche Weise müssen die Menschen diesen Geist untereinander stärken und dieses Signal an alle senden. Jedes Abkommen, das die Rechte des iranischen Volkes verletzt, muss der Islamischen Republik Kosten auferlegen. Alle Kosten, die durch die Abenteuerlust und die Feindseligkeit des Regimes gegenüber der Welt entstehen, müssen von der Islamischen Republik selbst getragen werden – nicht vom Leben der Menschen. Das ist die Regel der gegenwärtigen Phase.
Daher sollte niemand glauben, er könne Entscheidungen treffen, ohne sich an die Gesellschaft und das Volk zu wenden.
Teil 2 des Interviews mit Fûad Bêrîtan erscheint am Freitag.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/knk-und-pjak-sprechen-uber-koordinierte-strategie-in-rojhilat-47106 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/appell-aus-ostkurdistan-alarmierende-repressionswelle-47029 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/pjak-frauen-und-kurd-innen-sind-schlussel-zur-transformation-irans-46803
Angriff auf Journalisten Mamend: Täter festgenommen
Die Sicherheitsdirektion der Kurdistan-Region des Irak (KRI) hat bekannt gegeben, dass die Täter, die den Journalisten Hêmin Mamend am Dienstagabend in Silêmanî (Sulaimaniyya) mutmaßlich auf offener Straße lebensbedrohlich angeschossen hatten, nach erfolgreichen Ermittlungen festgenommen werden konnten.
Bei den beiden Angreifern soll es sich um Einwohner von Hewlêr (Erbil) mit den Initialen Ş.R.M.S. und S.E.R.M. handeln. Die Behörde erklärte, nach eingehenden Ermittlungen sei die Festnahme gemäß irakischen Strafgesetzes beschlossen worden. Insgesamt hätten die Ermittlungen zu vier Tätern geführt, von denen zwei festgenommen werden konnten und zwei nach Hewlêr geflohen seien.
„Der Terroranschlag auf Hêmin Mamend war geplant und organisiert“, hieß es in der Erklärung weiter. In den folgenden Tagen wolle die Behörde weitere Ergebnisse und Einzelheiten des Falls veröffentlichen.
Hêmin Mamend war am Dienstag gegen 19:30 Uhr Ortszeit im Stadtteil Şoreş von zwei Männern auf einem Motorrad angeschossen worden. Mindestens zwei Kugeln trafen ihn, die Täter flohen sofort vom Tatort. Während der in Lebensgefahr schwebende Mamend sofort ins Krankenhaus verbracht und dort operiert wurde, leiteten die Sicherheitsbehörden ein Ermittlungsverfahren ein.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/schusse-auf-kurdischen-journalisten-in-silemani-47791 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/sterk-tv-und-chatr-production-verurteilen-angriff-auf-hemin-mamend-47810 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/dfg-fordert-aufklarung-des-angriffs-auf-journalisten-mamend-47796
Türkische Haft: Schwere Folter und tätliche Angriffe durch Wärter
Mehmet Emin Vural ist Häftling im Typ-R-Gefängnis in Istanbul Metris. Erst im April dieses Jahres wurde er zur medizinischen Behandlung vom Typ-F-Gefängnis in Adana dorthin verlegt. In einem Telefonat mit seiner Familie erhebt er schwere Folterwürfe gegen das Wachpersonal und gibt an, dass die Bedingungen sich zunehmend verschärften.
Folter und Demütigungen
Unter dem Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ ist Vural 2016 verhaftet worden. Er ist schwer krank und wurde eigens zur Behandlung nach Istanbul verlegt. Wie er seiner Familie berichtete, erhält er dort jedoch seit Monaten keine medizinische Versorgung. Bei seiner Ankunft im Typ-R-Gefängnis in Istanbul Metris sei er eine Woche lang in Einzelhaft gehalten worden.
In dem Telefonat gab Vural an, ständig von Wärtern gefoltert zu werden, sodass er an Füßen und Hüften Blutergüsse und Prellungen habe. Auch sei er zwischenzeitlich in einen Hungerstreik getreten, da ihm Essen verweigert worden sei. Trotz seiner schweren Krankheit, würden die Lebensbedingungen immer unerträglicher. Zum Toilettengang sei er sogar gezwungen, auf dem Boden zu kriechen.
Morddrohungen und tätliche Angriffe
Vural berichtete auch, dass ein Gefängnisbeamter namens Öznur in seine Zelle gekommen sei, ihm mit dem Tod gedroht und gesagt habe: „Für uns ist es sehr einfach, hier einen Kurden zu töten. Wir würden dich töten und es wie einen Unfall aussehen lassen. Wir haben das schon einmal gemacht, und es wurde nie eine Untersuchung gegen uns eingeleitet.“
In dem Gespräch mit seiner Familie erklärte Vural, dass die Folter gegen ihn immer intensiver werde, dass er in seiner Zelle von Wärtern angegriffen worden sei und dass dies ein geplanter Übergriff innerhalb des Gefängnisses gewesen sei. Vural rief die Öffentlichkeit dazu auf, nicht zu schweigen und Sensibilität für das zu zeigen, was er durchmacht.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/hungerstreik-gegen-brunnen-gefangnisse-halt-an-47421 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/haftlinge-kundigen-hungerstreik-an-47804 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/politische-gefangene-in-xarpet-nach-misshandlungen-im-hungerstreik-47221 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/steigender-druck-und-drohungen-im-gefangnis-von-kirsehir-47691
Stêrk TV und Chatr Production verurteilen Angriff auf Hêmin Mamend
Der Stêrk TV-Journalist Hêmin Mamend ist am Abend des 2. September in Silêmanî (Sulaimaniyya) Opfer eines bewaffneten Angriffs durch zwei Angreifer auf einem Motorrad geworden. Der schwer verletzte Journalist wurde zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht, die Täter entwischten.
Angriff auf die Presse ist Angriff auf die Menschenrechte
In einer Erklärung sagte Stêrk TV am Mittwoch: „Wir verurteilen den Angriff auf unseren Kollegen, den Journalisten Hêmin Mamend, auf das Schärfste und wünschen ihm eine schnelle Genesung. Angriffe auf Journalisten sind ein internationales Verbrechen und stellen eine Verletzung der Menschenrechte und der sozialen Rechte dar. Die Behörden in der Region Südkurdistan müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um den Vorfall aufzuklären und die Angreifer zu überführen.“
Bild © Yeni Özgür Politika via X
Unterdrückung der Meinungs- und Ausdrucksfreiheit
Auch Chatr Production reagierte auf die Attacke: „Wir betrachten diesen Angriff als einen Versuch, die Meinungs- und Ausdrucksfreiheit zu unterdrücken, und verurteilen ihn auf das Schärfste.“
In der Erklärung hieß es weiter: „In der Vergangenheit wurden viele Journalist:innen in der Region Kurdistan ermordet, und die Täter vieler dieser Angriffe wurden noch immer nicht gefasst. Wir bekräftigen erneut, dass kein Angriff Medienschaffende und Aktivist:innen zum Schweigen bringen oder sie zwingen wird, sich von ihren Pflichten zurückzuziehen. Die Sicherheitsbehörden müssen die Verantwortlichen für den Angriff auf den Journalisten Hêmin Mamend festnehmen und dies öffentlich bekannt geben.“
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/dfg-fordert-aufklarung-des-angriffs-auf-journalisten-mamend-47796 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/schusse-auf-kurdischen-journalisten-in-silemani-47791
Irakische Regierung betreibt Politik der Entwurzelung
Das irakische Ministerium für Migration und Vertreibung hat am 20. August dieses Jahres angekündigt, dass Ezid:innen, die sich nach dem IS-Überfall im Jahr 2014 und dem folgenden Genozid-Feminizid in Lagern wie Duhok niedergelassen hatten, fortan unter das „Integrationsgesetz“ fallen sollen. Gemäß dieser Entscheidung würden die Lager geschlossen, die Ezid:innen würden dauerhaft an ihren derzeitigen Aufenthaltsorten bleiben und ihren Flüchtlingsstatus verlieren.
In einem Schreiben an das Ministerium bezeichnete die Bewegung freier ezidischer Frauen (TAJÊ) diesen Schritt als „Fortsetzung des Völkermords und Versuch, die Demografie von Şengal zu verändern“. Sie forderte die irakische Regierung auf, die Entscheidung des Ministeriums vom 20. August bezüglich der Ezid:innen zu widerrufen.
Anstatt solcherlei gefährdende Entscheidungen zu treffen, hieß es in dem Brief, solle die irakische Regierung effektiv den Wiederaufbau – insbesondere von Wohnhäusern – in Şengal fördern und mit geeigneten Projekten die Rückkehr der ezidischen Familien gewährleisten.
Politik der Entwurzelung
„Die Entwurzelung unseres Volkes aus seinem Land ist die Fortsetzung des Völkermords. Einerseits werden Tausende von IS-Söldnern begnadigt und aus den Gefängnissen entlassen, während andererseits die Ezid:innen daran gehindert werden, in ihr Land zurückzukehren. Wenn die Ezid:innen nicht zurückkehren, wer wird sie dann schützen? Die Realität des Völkermords von 2014 ist noch immer vor unseren Augen“, konstatierte die TAJÊ.
Sie bezieht sich hiermit auf die Politik des irakischen Staates sowie der Kurdistan-Region des Irak (KRI), die beide keinerlei Unterstützung für den Wiederaufbau des ezidischen Siedlungsgebietes leisten, sondern in Opposition zu der dortigen Selbstverwaltung Embargos und sogar militärische Operationen gegen die Region ausführen. Hinzu kommt ein fehlendes Einschreiten der irkaischen Zentralregierung gegen Luftangriffe des türkischen Militärs auf Şengal. Diese Faktoren verhindern nachweislich die Rückkehr ezidischer Familien in ihre Heimat.
Forderungen der Frauenbewegung
Die TAJÊ übermittelte der irakischen Regierung drei zentrale Forderungen:
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Die am 20. August getroffene Entscheidung muss widerrufen werden.
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Es sollten Bedingungen für die Rückkehr der Ezid:innen geschaffen und ihre Häuser wieder aufgebaut werden.
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Es sollten Projekte zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Şengal entwickelt werden, um die Rückkehr der Menschen in ihre Heimat zu unterstützen.
Fünf mutmaßliche IS-Mitglieder in Raqqa festgenommen
Wie die Pressestelle der Behörde für Innere Sicherheit Nord- und Ostsyriens (Asayîş) am späten Mittwochabend mitteilte, sind in Raqqa fünf mutmaßliche IS-Terroristen festgenommen worden. Den Männern wird die Vorbereitung mehrerer Terroranschläge zur Last gelegt. In der gemeinsamen Operation der Asayîş mit den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) ist außerdem diverses Equipment beschlagnahmt worden.
Laut Angaben der Mitteilung, führte die Antiterroreinheit H.A.T. in Kooperation mit der Sondereinheit für militärische Operationen (TOL) erfolgreich eine Spezialoperation im südlichen Umland von Raqqa im Dorf Kesrat durch. „Der Einsatz wurde gestartet, nachdem ein versuchter Selbstmordanschlag von IS-Zellen gegen unsere Einheiten vereitelt worden war. Nach umfangreichen Ermittlungen und Nachforschungen wurde der Zugriff durchgeführt“, heißt es in der Erklärung. Die Einheiten hatten demnach Orte ins Visier genommen, an denen sich aktive Mitglieder der Terrororganisation versteckten, um mutmaßlich Anschläge, Attentate und Bombenanschläge vorzubereiten.
Festnahmen und Sicherstellung von Equipment
Fünf IS-Mitglieder, die mutmaßlich Anschläge auf Militärzentren, die Zivilbevölkerung und Dienstleistungsinstitutionen vorbereitet hatten, seien in einer gemeinsamen Operation festgenommen worden. Den Angaben der Asayîş zufolge stellten die Festgenommenen eine direkte Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität der Region dar und versuchten, das in anderen Teilen Syriens vorherrschende Sicherheitsvakuum auszunutzen.
Darüber hinaus sei umfangreiches Equipment und militärisches Material sichergestellt worden. Die Asayîş machten hierzu folgende Angaben:
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drei automatische Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow
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zwei Jagdgewehre und eine modifizierte Pistole
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380 Kalaschnikow-Patronen und fünf Magazine
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diverse technische Ausrüstung (Computer, Internetgeräte, Mobiltelefone und eine Kamera)
Abschließend versicherten die Asayîş weiterhin entschlossen zu sein, die Überreste des IS ausfindig und unschädlich zu machen. Dies schließe auch die Unterbindung ihrer Finanzierungsquellen ein sowie die generelle Verstärkung der regionalen Sicherheit und Stabilität, um das Leben der lokalen Bevölkerung zu schützen.
Titelbild: Symbolbild, Antiterroreinsatz der H.A.T. in Deir ez-Zor im Mai 2021.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-hochrangiges-is-mitglied-bei-razzia-in-raqqa-fest-47778 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/nachtliche-ausgangssperre-in-raqqa-47686 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/anti-is-operation-in-heseke-abgeschlossen-51-verdachtige-festgenommen-47746
Mahnwache in Genf: Öcalans Freiheit ist Voraussetzung für Frieden
Seit dem 25. Januar 2021 findet vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen (UN) in Genf jede Woche Mittwoch eine Mahnwache der Demokratischen Kurdischen Gemeinde in der Schweiz (CDK-S), der Dachorganisation kurdischer Institutionen im Land, statt.
Der Protest dieser Woche, der mit einem Zelt auf dem Platz der Nationen gegenüber des UN-Büros stattfindet, begann mit einer Schweigeminute zum Gedenken an Tekoşîn Amed (Zelal Kartal), Gülnaz Ege (Nuran Er), Welat Amed (Azad Başal) und Delîl (Vedat Yılmaz) an ihrem Todestag.
„Der türkische Staat hat keine Schritte in Richtung Frieden unternommen“
Osman Tekin, Ko-Vorsitzender des Kurdischen Gemeindezentrums Genf, gab die wöchentliche Erklärung ab und kritisierte, dass der türkische Staat seit Abdullah Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ am 27. Februar keine Schritte in Richtung Frieden unternommen habe, die über reine Rhetorik hinausgingen. „Im Gegenteil, die absolute Isolation von Rêber Öcalan [Abdullah Öcalan, Anm. d. Red.] dauert an, und die Besatzung und Völkermordangriffe in Kurdistan haben sich verschärft“, fügte er hinzu.
„Internationale Institutionen müssen ihrer Verantwortung nachkommen“
Die strenge Isolation, der Öcalan in Imrali ausgesetzt ist, verstößt laut Tekin gegen internationales Recht und Grundsätze des Menschenrechts. An Institutionen wie den Europarat, das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) und die UN gerichtet, sagte er: „Internationale Institutionen haben sich durch ihr Schweigen zu Komplizen dieser Isolation gemacht. Wenn sie wirklich für Menschenrechte und Frieden eintreten, müssen sie ihr Schweigen brechen und ihrer Verantwortung für die physische Freiheit von Rêber Öcalan nachkommen.“
Mit Verweis auf die mehr als ein halbes Jahrhundert währende Geschichte des Widerstands des kurdischen Volkes sagte Tekin: „Das kurdische Volk hat die Kraft, sich sowohl dem Frieden als auch dem Krieg zu stellen. Unser Volk ist auf Grundlage des Paradigmas von Rêber Öcalan organisiert und bereit für den Frieden. Es wird jedoch niemals davon absehen, seinen Widerstand gegen Besatzung und Vernichtungsangriffe zu verstärken.“
„Der Status von Rojava muss anerkannt werden“
Tekin machte auch auf die zunehmenden Luftangriffe des türkischen Staates gegen Rojava in den letzten Monaten aufmerksam und erklärte, dass diese Angriffe nicht nur gegen das kurdische Volk gerichtet sind, sondern gegen den Willen aller Völker des Nahen Ostens, in Freiheit zu leben:
„Die Angriffe gegen Rojava sind ein Versuch, das demokratische, libertäre System der Frauen zu unterdrücken. Das Schweigen der internationalen Mächte zu diesem Thema ist inakzeptabel. Der Status von Rojava muss anerkannt und der demokratische Wille des Volkes respektiert werden.“
„Wir sind bereit, den Preis zu zahlen“
Tekin schloss mit den Worten: „Die Voraussetzungen für Frieden sind die Gewährleistung freier Arbeitsbedingungen für Rêber Öcalan, die Anerkennung des Status von Rojava und die sofortige Beendigung der Besatzungsangriffe auf Kurdistan. Als kurdisches Volk sind wir bereit, den Preis für Frieden, Freiheit und Widerstand zu zahlen.“
Die Dauermahnwache in Genf
Jeden Mittwoch veranstalten Aktivist:innen vor dem UN-Gebäude in Genf eine Protestaktion, um die Freilassung des inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zu fordern. Die Aktion wird im Rahmen der „Zeit für Freiheit“-Kampagne (ku. Dem dema azadiyê ye) durchgeführt und richtet sich gegen die Isolation der kurdischen Führungspersönlichkeit auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, die türkischen Besatzungsangriffe auf Kurdistan, die Massaker in kurdischen Gebieten und das Schweigen der UN.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/zeit-fur-freiheit-mahnwache-in-genf-geht-in-die-237-woche-47436 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/genfer-mahnwache-Ocalans-freiheit-ist-erster-schritt-zum-frieden-47330 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/mahnwache-in-genf-fordert-dialogprozess-46920
Freiheit für Öcalan und Frieden im Land
In Amed (tr. Diyarbakır) haben am Montag zehntausende Menschen mit einem großen Friedensmarsch den Antikriegstag begangen. Aufgerufen hatten das Bündnis für Arbeit und Demokratie sowie die Plattform der Demokratischen Initiativen. Die Menschen bekräftigten bei der Kundgebung, die mit der höchsten Teilnehmendenzahl der letzten Jahre für große Begeisterung sorgte, ihre Forderung nach Frieden.
ANF hat mit einigen Einwohner:innen Ameds über deren Perspektiven auf den aktuellen Prozess und ihre diesbezüglichen Wünsche und Erwartungen gesprochen.
„Wir wollen, dass der Staat transparent handelt“
Friedensmutter Müşereh Ülker erklärte, dass der Staat seit dem „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan vom 27. Februar noch immer keine konkreten Schritte unternommen habe. Abdullah Öcalan sitzt als Begründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die vor wenigen Monaten ihre Selbstauflösung bekannt gab, seit 1999 durch eine internationale Operation in Isolationshaft auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali.
„Heute sind wir hier für den Frieden, wir demonstrieren für den Frieden. Wir werden der Welt unsere Forderung nach Frieden bekannt machen. Seit Jahrhunderten ignorieren sie die Forderungen des kurdischen Volkes, sie haben das kurdische Volk immer als Bedrohung angesehen. Heute müssen sowohl Türk:innen als auch Kurd:innen diesen Prozess annehmen. Wir erwarten, dass die im Parlament eingerichtete Kommission bedeutende Schritte unternimmt. Die Friedensmütter nahmen an den Sitzungen der Kommission teil, wurden jedoch daran gehindert, in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. Das hat unser Vertrauen erschüttert. Wir wollen, dass der Staat transparent handelt“, sagte Ülker.
„Das kurdische Volk fordert Freiheit für Öcalan und Frieden in diesem Land“
Mustafa Yaşodun wies darauf hin, dass das kurdische Volk einen hohen Preis für den Frieden gezahlt habe, und sagte: „Heute ist das kurdische Volk in einen Prozess eingebunden, der vom kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan initiiert wurde. Dieser Prozess begann mit dem Aufruf vom 27. Februar. Es gab schon früher Friedensprozesse, aber sie kamen zu keinem Ergebnis.
Heute steht das kurdische Volk erneut für den Frieden ein und besteht auf diesen Frieden. Nach dem Schritt von Rêber Öcalan [Abdullah Öcalan, Anm. d. Red.] wurde eine wichtige Friedensinitiative ins Leben gerufen. Die Angriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete [Guerilla-Gebiete in Südkurdistan, Nordirak, Anm. d. Red.] gehen jedoch weiter. Die Frage, die gestellt werden muss, ist, ob der Staat und die Regierung Frieden wollen. Das kurdische Volk hat nur eine Forderung: die Freiheit von Rêber Öcalan und die Schaffung von Frieden in diesem Land.“
„Der Staat muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen“
Dass die Kurd:innen Abdullah Öcalan und den Friedensprozess nachdrücklich unterstützen, betonte auch Mehmet Çetin. Die Anerkennung der kurdischen Identität und Gleichberechtigung sind für ihn überfällige Forderungen: „Wir halten diesen Prozess für sehr wichtig. Wir wollen, dass die Identität, Sprache und Kultur des kurdischen Volkes anerkannt werden. Wir haben sehr hohe Erwartungen an diesen Prozess. Ich möchte, dass sich alle dem Weg anschließen, den Friedensbotschafter Öcalan eröffnet hat. Alle sollten den Frieden unterstützen. Der Staat muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/demir-frieden-baut-das-leben-der-arbeiter-innen-auf-47798 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/gulec-mit-dem-schweigen-der-waffen-ist-die-kurdische-frage-nicht-gelost-47777 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/amed-plattform-fordert-beharrlichkeit-und-mut-fur-losung-der-kurdischen-frage-47769
Çira Fokus: Kandidatinnen der NRW-Kommunalwahlen im Studio
Alle Jahre wieder – wie in den meisten deutschen Bundesländern werden auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) alle fünf Jahre die Kommunalparlamente gewählt. Moderator Yilmaz Pêşkevin Kaba spricht in der heutigen Ausgabe des deutschsprachigen Formats Çira Fokus auf dem ezidischen Fernsehsender Çira-TV mit drei Politikerinnen der Partei die Linke, Hêlîn Polat, Lîza Koç und Zûbeyde Polat, die in der kommenden Woche Sonntag zur Wahl stehen.
Lîza Koç kandidiert für die Stadt Bielefeld, Hêlîn Polat und Zûbeyde Polat kandidieren für die Stadt Herford. Eine Besonderheit ist, dass alle drei Frauen aus Kürecik in Meletî (Malatya) stammen.
Themen der Sendung sind unter anderem die Vorstellung der Kandidatinnen sowie ein Gespräch über alle wesentlichen Informationen für die Kommunalwahlen am 14. September 2025 sowie das Vorhaben und die Ziele der Kandidatinnen für die Menschen in den Städten Bielefeld und Herford.
Die Sendung Çira Fokus am 04. September 2025 beginnt um 20 Uhr und kann live über den Stream https://linktr.ee/ciratv, alternativ: https://myflixtv.com/ verfolgt werden, nachträglich auch über den YouTube-Kanal von Çira TV, über die Eingabe Çira Fokus. Die Sendungsübersicht ist erreichbar über: Playlist - ÇIRA FOKUS.
Wer selbst Interesse an einer Teilnahme an einer Sendung bei Çira Fokus hat und unter anderem eigene Initiativen, Kampagnen, Organisationen, Projekte, etc. vorstellen möchte, kann unter der E-Mail-Adresse peskevin@gmail.com Kontakt mit der Redaktion aufnehmen.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-fokus-maya-azzam-uber-die-aktuelle-lage-in-suweida-47607 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-fokus-barbara-steiner-und-mahir-Uzmez-zu-istanbul-delegation-47020 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-report-jugendliche-berichten-uber-Sengaldelegation-47710
Anatolische Kurd:innen bewahren ihre Sprache
In der anatolischen Stadt Kulu (Provinz Konya) gewinnt die kurdische Sprache immer mehr an Bedeutung. Ein neu eröffneter Kurdisch-Sprachkurs bietet den Menschen die Möglichkeit, ihre Muttersprache zu erlernen und ihre kulturelle Identität zu stärken. In einem Gespräch erzält Rojvan Uludağ, einer der Verantwortlichen des Projekts, über ihre Motivation und Erfahrungen.
Uludağ stammt ursprünglich aus dem Dorf Xelikan (tr. Karacadağ), hat an der Artuklu-Universität in der nordkurdischen Provinz Mêrdîn (Mardin) kurdische Sprache und Literatur studiert und engagiert sich nun in der Leitung des Vereins, der die Kurse organisiert. Kulu ist seit vielen Jahrzehnten die Heimat zahlreicher kurdischer Familien, die ihre Sprache und Kultur trotz Migration und Assimilation bewahrt haben.
Warum war es für euch wichtig, einen Kurdischkurs in Kulu zu eröffnen?
Wir haben gesehen, dass unsere Sprache im Alltag immer weniger sichtbar ist. Deshalb haben wir es als unsere Verantwortung gesehen, etwas zu unternehmen. Das Ergebnis dieser Verantwortung war, dass wir uns als Gemeinschaft organisiert haben.
Welchen kurdischen Dialekt lernt man in diesem Kurs und warum habt ihr diesen ausgewählt?
Wir unterrichten Kurmancî, weil es hier am meisten gesprochen wird. Eigentlich wollten wir auch einen Kurs in Şêxbizinî/Lekî anbieten, aber wir konnten leider keine Lehrkraft dafür finden.
Wie ist die Stimmung der Menschen in der Region gegenüber dem Erlernen der kurdischen Sprache?
Das Interesse und die Begeisterung sind groß. Allerdings ist die Teilnahme an den Kursen und die Kontinuität der Teilnehmenden noch gering.
Was sind die größten Herausforderungen für den Erhalt der kurdischen Sprache in Zentralanatolien?
Das größte Problem sind die Dialektunterschiede. Da es mittlerweile eine standardisierte Form des Kurmancî gibt, fällt es manchen schwer, sich zu verständigen. Zum Beispiel sprechen zwei Personen aus Mêrdîn problemlos Kurdisch miteinander. Aber wenn jemand aus Mêrdîn und jemand aus einem anderen Dialektgebiet zusammenkommen, wechseln sie oft ins Türkische. Genau das ist derzeit das größte Problem.
Wie unterscheiden sich junge und ältere Generationen in ihrem Zugang zur Sprache?
Junge Menschen sind anpassungsfähiger. Ihre Neugier und ihr Wunsch, die Sprache zu lernen, sind größer. Ältere Menschen unterstützen uns ebenfalls, sagen aber oft, dass es für sie zu spät sei.
Welche kulturellen oder gesellschaftlichen Aktivitäten werden zusätzlich zu den Sprachkursen angeboten?
Unser Verein versteht sich als ein Verein für Sprache, Kultur und Kunst. Deshalb nutzen wir jede Gelegenheit, um verschiedene kulturelle Aktivitäten zu organisieren.
Wie helfen diese Kurse, die kurdische Identität in einer Region zu bewahren, die stark vom Türkischen geprägt ist?
Das größte Defizit unter den Kurd:innen hier ist, dass sie keine systematische Bildung in ihrer Muttersprache erfahren haben. Dank dieser Kurse lernen sie ihre Sprache und dadurch auch sich selbst besser kennen.
Wie wichtig ist es, die verschiedenen kurdischen Dialekte wie Kurmancî oder Kirmanckî/Zazakî zu dokumentieren und zu verbreiten?
Diese Sprachen verschwinden Tag für Tag mehr. Deshalb ist jede Arbeit in diesem Bereich enorm wichtig. Es ist nicht nur eine kulturelle Notwendigkeit, sondern auch ein fundamentales Recht.
Wie fühlt es sich für dich persönlich an, hier Kurdisch zu lernen und zu sprechen?
Es ist ein sehr schönes Gefühl. Oft habe ich das Gefühl, dass ich damit Teil der Geschichte der anatolischen Kurd:innen werde.
Welche Pläne habt ihr für die Zukunft eurer Gemeinschaft?
Wir möchten als anatolische Kurd:innen eine starke Gemeinschaft werden und ein Zentrum für Forschung und Projekte zu unserer Geschichte und Kultur aufbauen.
https://deutsch.anf-news.com/kultur/tev-dem-recht-auf-schutz-der-kurdischen-sprache-und-kultur-46302 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kirmancki-rat-in-amed-gegrundet-46229 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/neue-etappe-im-kampf-um-kurdische-sprache-und-bildung-46151 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-fordert-einfuhrung-von-kurdisch-als-standardsprache-41106
Häftlinge kündigen Hungerstreik an
Wie der DEM-Abgeordnete der Provinz Reşqelas (tr. Iğdır), Yılmaz Hun, bekannt gegeben hat, werden ab Montag Häftlinge im Hochsicherheitsgefängnis Erzurum Dumlu Nr. 1 in den Hungerstreik treten. Sie protestieren hiermit gegen Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen.
Im Rahmen einer Presseerklärung vor dem Hochsicherheitsgefängnis prangerte der DEM-Politiker die „großen Ungerechtigkeiten” an, denen Gefangene in der Türkei ausgesetzt sind, an. Er war in Begleitung von weiteren Vertreter:innen politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Angehörigen von Gefangenen.
Das letzte Mittel: Hungerstreik
Hun erklärte: „Aus dem Inneren des Gefängnisses sind Schreie zu hören. Familienangehörige und Gefangene haben uns von sehr schweren Übergriffen und Ungerechtigkeiten berichtet, die dort stattfinden. Deshalb sind wir hier. Die Gefangenen sagen, dass sie ab Montag als letztes Mittel in den Hungerstreik treten werden.“
Hun erklärte, dass soziale Aktivitäten, Zeit im Freien und das Recht auf medizinische Behandlung kranker Gefangener verweigert würden, und forderte das Justizministerium auf, „unabhängigen Ausschüssen die Inspektion von Gefängnissen zu gestatten”.
„Während wir Frieden wollen, foltern sie unsere Kinder“
Ümmühan Özkan, die Mutter eines Gefangenen, äußerte sich dazu wie folgt: „Unsere Kinder werden gefoltert. Ihre Rechte werden aufgrund willkürlicher Handlungen der Wärter verweigert. Während wir sagen: ‚Wir werden Frieden schaffen, wir befinden uns in einem Friedensprozess‘, foltern sie unsere Kinder. Wir wollen nichts für uns selbst. Wir wollen nur Frieden.“
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/hungerstreik-gegen-brunnen-gefangnisse-halt-an-47421 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/politische-gefangene-in-xarpet-nach-misshandlungen-im-hungerstreik-47221 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/steigender-druck-und-drohungen-im-gefangnis-von-kirsehir-47691
Premiere von „Jîn“ berührt Publikum in Amed
Das Stadttheater von Amed (DBŞT) erlebte am 1. September, dem Weltfriedenstag, einen bewegenden Start in die Theatersaison 2025/26. Passend zu diesem besonderen Datum feierte das physische Theaterstück „Jîn (Jinên Azad)“, das – ohne lineare Handlung – den Kampf von Frauen und ihre Auseinandersetzung mit Trauer über Körpersprache, Musik und Bewegung erzählt, seine Premiere im Kongresszentrum Çand Amed.
Erarbeitet wurde das Stück von den Schauspielerinnen des Stadttheaters, das der städtischen Direktion für Kultur und Soziales untersteht. Unter der Regie von Mizgîn Bilmen, mit der Choreografie von Berivan Savgat und der Dramaturgie von Berfin Emektar, setzte das Ensemble des DBŞT ein starkes künstlerisches Zeichen. Das Stück verknüpft einen Brief der kurdischen Politikerin Leyla Zana, Gedichte des Lyrikers Ebdulla Peşew sowie eigene Texte Emektars mit einer eindrucksvollen körperlichen Performance.
„Es war eine völlig neue Erfahrung“
In einem Gespräch verdeutlichte Regisseurin Mizgîn Bilmen die besondere Herausforderung, die Produktion in vier Wochen vorzubereiten: „Es waren vier intensive Wochen der Vorbereitung; sowohl für mich als auch für die Schauspielerinnen war es eine völlig neue Erfahrung, einen Theaterabend primär über Körpersprache zu erzählen – und erst sekundär über gesprochene Sprache, die dann aber umso mehr Tiefe in sich trägt.“ Für diese künstlerische Erfahrung sei das gesamte Team sehr dankbar, betonte Bilmen und kündigte an, die Zusammenarbeit auch in Zukunft fortzusetzen.
Die Premiere wurde schließlich zu einem besonderen Ereignis, das nicht nur die Künstler:innen, sondern auch das Publikum tief bewegte. „Ich hätte nicht erwartet, dass es sie so dermaßen erschüttert und berührt. Genau das war mein Wunsch – und ich war positiv überrascht. Ich habe selten ein so unglaublich konzentriertes und fokussiertes Publikum erlebt“, erzählt Bilmen.
Die Wirkung von Theater im politischen Kontext
Sie beschrieb die Atmosphäre des Abends wie folgt: „Mir war nicht klar, was das für ein Zeichen in Amed oder für die kurdische Community setzen würde. In der Begegnung mit Sedat Yurttaş [kurdischer Anwalt, Politiker und Autor, Anm. d. Red.], der auch zur Premiere kam, habe ich gespürt, wie berührt er war – es war ein sehr schönes Kennenlernen.“
Die Aufführung begann mit einem Brief von Leyla Zana, gefolgt von einer Audioaufnahme einer ihrer Reden aus den 1990er-Jahren im türkischen Parlament. Diese dramaturgische Entscheidung machte deutlich, wie stark die Inszenierung in einem politischen Kontext verankert ist. Bilmen fasste diese Erkenntnis zusammen: „Mir wurde nochmal klar, zu was Theater im politischen Kontext in der Lage ist.“
Die Regisseurin zeigte sich bewegt von der Resonanz innerhalb der kurdischen Community:
„Diese Form von Zuspruch und Anerkennung ist für mich sehr neu – und etwas ganz Besonderes. Die Premiere von „Jîn (Jinên Azad)“ war mehr als ein Theaterabend: Sie war ein künstlerisches Statement, das Kraft, Schmerz und Hoffnung vereint – und das Publikum in Amed tief berührte.“
Ausdruck des emotionalen Gedächtnisses des Körpers
„Jîn (Jinên Azad)“ folgt der Tradition des physischen Theaters und des Tanztheaters, das auf den Einflüssen der legendären Choreografin Pina Bausch basiert. Im Zentrum steht dabei nicht, wie Körper sich bewegen, sondern was sie bewegt. Auch bei „Jîn“ gab es keinen fixierten Text und keine vorgefertigte Choreografie.
Bilmen, die über zehn Jahre Erfahrung im professionellen Folkloretanz mitbringt, sieht im Tanz nicht nur Ausdruck von Trauer, sondern auch einen Akt der Befreiung: „Folklore und Tanz sind in der kurdischen Kultur nicht nur eine Methode, um mit Trauer umzugehen, sondern auch ein Versuch der Befreiung.“
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Titelbild © Mezopotamya
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Bakırhan: Probleme durch Dialog, nicht durch Drohungen lösen
Der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, hat im Gespräch mit der Zeitung „Yeni Yaşam“ auf die jüngsten Drohungen seitens der MHP und der AKP gegen die Kurd:innen in Rojava reagiert. „Probleme können durch einen auf Rechten und Gesetzen basierenden Dialog gelöst werden, nicht durch Drohungen mit Militäroperationen“, erklärte er unmissverständlich.
In einer Erklärung vom Dienstag drohte der Vorsitzende der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahçeli, dass eine militärische Intervention im Norden und Osten Syriens durch den gemeinsamen Willen Ankaras und Damaskus unvermeidlich werde, wenn die am 10. März zwischen den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der syrischen Übergangsregierung im Rahmen des Wiederaufbauprozesses in Syrien erzielte Vereinbarung nicht eingehalten werde. Ömer Çelik, Sprecher der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hatte zuvor ähnliche Drohungen ausgesprochen.
Forderungen nach „Kapitulation“ mit Gerechtigkeit unvereinbar
„Um die geschwisterlichen Bande zwischen Türk:innen, Kurd:innen, Araber:innen und Perser:innen in dieser Region zu stärken, muss zunächst das Prinzip der Gleichheit anerkannt werden. Die Verteidigung der legitimen Rechte, der Würde und des Status des kurdischen Volkes in den Nachbarländern ist auch die Erwartung von Millionen Kurd:innen, die Bürger:innen der Türkei sind“, erklärte Bakırhan und betonte, dass Forderungen nach „Kapitulation“ ohne Status und Garantien für die Kurd:innen mit Gerechtigkeit und Frieden unvereinbar seien.
„Wer Öcalan einlädt, sollte ihm auch zuhören“
Die von Abdullah Öcalan seit Jahren vertretene Perspektive der „Demokratischen Nation“ hält der DEM-Politiker für eine friedliche Lösung für die Türkei, Syrien und den gesamten Nahen Osten. Dieses Verständnis betrachte Unterschiede als Quelle des Reichtums und als wichtige Chance für eine demokratische Zukunft fuhr Bakırhan fort und sagte: „Diejenigen, die fordern, Herrn Öcalan ins Parlament einzuladen, sollten auch offen für die von Herrn Öcalan vorgeschlagenen Lösungen sein und in der Lage sein, diese zu diskutieren.“ Diese letzte Botschaft richtete sich direkt an Bahçeli. Dessen Aufruf, Öcalan im Parlament sprechen zu lassen, hatte im Oktober letzten Jahres einen wesentlichen Schritt zu dem durch Öcalans Friedensappell angestoßenen Prozess beigetragen.
Lösung der kurdischen Frage ist alternativlos
Auch zu der Ernennung eines Treuhänders für die CHP-Provinzleitung in Istanbul und die jüngsten gerichtlichen Maßnahmen wurde Bakırhan befragt, woraufhin er diese Praktiken als „rechtswidrig und demokratiefeindlich“ bezeichnete. Bakırhan schloss mit den Worten: „Wir werden die kurdische Frage lösen und die Türkei gemeinsam demokratisieren. Wir haben keine andere Wahl.“
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