«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp
Schwerbehinderung: Mehr Vorteile ab GdB 50 bei Krankenkassen in 2026
Wer in Deutschland einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zuerkannt bekommt, gilt sozialrechtlich als schwerbehindert. Der Status wird durch den Schwerbehindertenausweis belegt. Er bringt weitreichende Schutzrechte im Arbeitsleben, besondere Kündigungsschutzregeln und steuerliche Entlastungen.
Weniger präsent ist vielen Betroffenen, dass dieser Status auch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) praktische Vorteile entfalten kann – von spürbaren finanziellen Entlastungen bis hin zu erleichterten Versorgungswegen im Alltag.
Warum der Status in der Praxis zähltDie GKV ist grundlegend leistungsrechtlich für alle Versicherten gleich organisiert. Dennoch wirkt sich der Schwerbehindertenstatus vielfach indirekt positiv aus. Er bündelt medizinische und soziale Nachweise, die den besonderen Versorgungsbedarf plausibel machen.
Ärztinnen und Ärzte können Indikationen klarer begründen, Krankenkassen haben eine belastbare Grundlage für Entscheidungen, und Versicherte selbst können Rechte gezielter geltend machen.
Aus dieser Konstellation entstehen Beschleunigungseffekte bei Genehmigungen, stabilere Therapiepfade sowie ein einfacher Zugang zu ergänzenden Unterstützungsangeboten der Kassen.
Tabelle: Mehr Vorteile ab GdB 50 bei Krankenkassen ab 2026 Vorteil Was das konkret bedeutet Niedrigere Zuzahlungsgrenze Belastungsgrenze von 1 % des Bruttojahreseinkommens, sofern die Chroniker-Kriterien erfüllt sind; GdB 50 erleichtert häufig den Nachweis der Dauererkrankung. Zuzahlungsbefreiung Nach Erreichen der Belastungsgrenze Befreiung von weiteren Zuzahlungen im laufenden Kalenderjahr durch Bescheinigung der Krankenkasse. Schnellere Genehmigung von Hilfsmitteln Anträge auf z. B. Rollstühle, Prothesen, Hör- oder Sehhilfen werden oft zügiger entschieden, da der Bedarf durch den Schwerbehindertenausweis klar dokumentiert ist. Reha leichter bewilligt Medizinische Reha kann schneller genehmigt werden, weil Teilhabeziele und der besondere Versorgungsbedarf plausibel begründet sind. Langfristige Heilmittelverordnungen Physio-, Ergo-, Logo- oder Podotherapie kann als „langfristiger Heilmittelbedarf“ bzw. „besonderer Verordnungsbedarf“ anerkannt werden; Therapien laufen stabiler. Weniger Therapieabbrüche Dauerhafte Indikationen werden verfahrensfest dokumentiert; Folgeverordnungen und Bewilligungen sind planbarer. Individuelle Versorgungs- und Reha-Beratung Kassen bieten häufig Lotsen/Case-Management speziell für komplexe Verläufe an – inkl. Koordination von Leistungserbringern. Unterstützung bei Anträgen Hilfe beim Ausfüllen und Begründen von Reha- und Hilfsmittelanträgen, inkl. Checklisten und Kommunikationshilfe mit dem Medizinischen Dienst. Spezielle Präventionsangebote Angepasste Kurse zu Bewegung, Ernährung oder Entspannung; teils digitale Formate, teils mit höherer Kostenerstattung für Schwerbehinderte. Zuschüsse zu Mobilität Kassenindividuelle Zuschüsse zu Fahrdiensten oder Mobilitätshilfen in begründeten Einzelfällen (abhängig von Satzungsleistungen). Feste Ansprechpartner Eigene Kontaktstellen für schwerbehinderte Mitglieder, die Anliegen bündeln und Verfahren beschleunigen. Barrierearme Services & Schulungen Barrierefreie Kommunikationswege, größere Schrift, Erklärvideos und Schulungen zur Nutzung von Hilfsmitteln und Apps. Strukturierte Nachsorge nach Reha Organisation und Finanzierung von Nachsorge- und Übergangsprogrammen (kassen- bzw. trägerabhängig), um Reha-Erfolge zu sichern. Schnellere Verfahren durch klare Nachweise Der Schwerbehindertenausweis bündelt medizinische Nachweise; Anträge sind dadurch schlüssiger und werden seltener zurückgewiesen. Mehr Spielraum durch Satzungsleistungen Zusätzliche, freiwillige Leistungen der jeweiligen Krankenkasse, die speziell auf Menschen mit Schwerbehinderung zugeschnitten sein können. Höhere Verordnungssicherheit Bei anerkannt langfristigem Bedarf sinkt das Regressrisiko für Praxen; das erhöht die Bereitschaft zur kontinuierlichen Verordnung notwendiger Therapien. Zuzahlungsgrenzen: Wann die 1-Prozent-Belastungsgrenze greiftZuzahlungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Krankenhausaufenthalte oder Reha sind auf eine jährliche Belastungsgrenze begrenzt. Grundsätzlich liegt sie bei zwei Prozent des Bruttojahreseinkommens des Haushalts. Für Menschen, die als „schwerwiegend chronisch krank“ gelten, reduziert sich diese Grenze auf ein Prozent.
In der Praxis fällt eine Schwerbehinderung häufig mit chronischen, dauerhaft behandlungsbedürftigen Erkrankungen zusammen.
Das bedeutet nicht, dass der GdB 50 automatisch die 1-Prozent-Grenze auslöst; er erleichtert jedoch oft den Nachweis des chronischen Verlaufs.
Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann sich nach Erreichen der Grenze für den Rest des Kalenderjahres von Zuzahlungen befreien lassen. Für Betroffene bedeutet das – je nach Einkommen und Therapiedichte – eine signifikante finanzielle Entlastung.
Hilfsmittelversorgung: Genehmigungen schneller und rechtssicher durchbringenRollstühle, Prothesen, Orthesen, Hör- und Sehhilfen oder moderne Kommunikationsgeräte sind für viele schwerbehinderte Menschen essenziell. Die GKV muss Anträge zügig prüfen; verbindliche Entscheidungsfristen sorgen dafür, dass Versicherte nicht monatelang ohne notwendige Versorgung bleiben.
Ein GdB erleichtert die Einordnung als medizinisch notwendige, alltagsrelevante Versorgung und stärkt die Begründung durch die Ärztin oder den Arzt. In der Praxis führt das häufig zu reibungsloseren Genehmigungen, weil der Bedarf konsistent belegt ist.
Wo es dennoch zu Rückfragen kommt, lässt sich mit ärztlichen Zusatzgutachten, alltagsbezogenen Funktionsbeschreibungen und Verweisen auf bewährte Versorgungspfade nachsteuern.
Heilmittel auf Dauer: Langfristiger Bedarf statt Therapie-Stop-and-GoViele Versicherte mit Schwerbehinderung benötigen Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder Podologie nicht nur kurweise, sondern dauerhaft. Hier greifen in der Regel die Konzepte „Langfristiger Heilmittelbedarf“ bzw. „Besonderer Verordnungsbedarf“.
Maßgeblich ist die zugrundeliegende Diagnose, nicht der GdB als solcher. Gleichwohl fällt die medizinische Lage bei Schwerbehinderten oft in die entsprechenden Kategorien.
Der Vorteil ist handfest: Verordnungen können planbar über längere Zeiträume ausgestellt werden, ohne dass Patientinnen und Patienten nach kurzer Unterbrechung erneut um die Fortführung kämpfen müssen. Ärztinnen und Ärzte sind zugleich vor Regressrisiken besser geschützt, was die Versorgung stabilisiert.
Reha und Teilhabe: Von der Antragstellung bis zur NachsorgeMedizinische Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sind für schwerbehinderte Menschen zentrale Bausteine der Gesundheitsversorgung. Je nach Zuständigkeit tragen die GKV, die Renten- oder Unfallversicherung oder andere Träger die Kosten.
Wichtig ist eine saubere Antragstellung: Ein schlüssiger Reha-Bericht der behandelnden Praxis oder Klinik, eine klare Formulierung der Teilhabeziele und der Nachweis der bisherigen Therapieverläufe erhöhen die Erfolgschancen.
Nach der Reha erleichtern strukturierte Nachsorgeprogramme – etwa IRENA, T-RENA oder kassenindividuelle Angebote – den Übergang in den Alltag.
Ergänzende Mehrwerte: Satzungsleistungen und Case-Management der KassenÜber den gesetzlichen Pflichtkatalog hinaus stellen viele Krankenkassen freiwillige Satzungsleistungen bereit. Für schwerbehinderte Mitglieder bedeutet das häufig passgenaue Zusatzangebote: spezialisierte Präventionskurse mit angepasster Belastungssteuerung, individuelle Reha-Lotsen, digitale Schulungen für Hilfsmittel, Zuschüsse zu Mobilitätsunterstützung im Ausnahmefall oder barrierearme Servicekanäle. Nicht jede Kasse bietet dasselbe, doch der Trend geht zu mehr persönlichem Fallmanagement. Gerade bei komplexer Versorgung mit mehreren Leistungserbringern ist ein fester, fachkundiger Kontakt in der Kasse Gold wert.
Nachweis und Verfahren: So setzen Versicherte ihre Rechte durchWer die Vorteile nutzen will, sollte den Schwerbehindertenausweis und wesentliche medizinische Unterlagen geordnet bereithalten. Für die Zuzahlungsbefreiung empfiehlt sich eine frühzeitige Hochrechnung der voraussichtlichen Belastungen und eine Antragstellung gleich zu Jahresbeginn.
Bei Hilfsmitteln zahlt sich eine präzise, funktionsbezogene Verordnung aus, die den Alltagsnutzen beschreibt, anstatt nur ein Produkt zu benennen.
Für langfristige Heilmittel sollten Diagnosen und Verläufe nachvollziehbar dokumentiert sein, damit Ärztinnen und Ärzte die einschlägigen Regelungen anwenden können.
Falls Entscheidungen ausbleiben oder ablehnend ausfallen, sichern Fristen, Begründungspflichten und der Widerspruchsweg die Rechte der Versicherten; eine qualifizierte Sozial- oder Patientenberatung kann hier entscheidend unterstützen.
Mit und ohne GdB 50: Der Unterschied im VersorgungsalltagOhne Schwerbehindertenstatus bleibt vieles möglich, doch Betroffene müssen Beeinträchtigungen und Bedarfe oft immer wieder neu begründen.
Mit anerkanntem GdB 50 verdichtet sich die Nachweislage: Die 1-Prozent-Belastungsgrenze ist bei erfüllten Chroniker-Kriterien schneller erreichbar, Heil- und Hilfsmittel lassen sich schlüssiger beantragen, und Therapieketten werden weniger brüchig.
Hinzu kommen häufig direktere Wege in kasseninterne Beratungs- und Unterstützungsprogramme. Der Status ersetzt keine Indikation, aber er macht sie dort, wo sie besteht, sichtbarer und verfahrensfest.
Häufige Fragen – kompakt beantwortetGilt die 1-Prozent-Grenze automatisch bei GdB 50?
Nein. Maßgeblich sind die Kriterien der „schwerwiegenden chronischen Erkrankung“. Ein GdB 50 erfüllt sie nicht per se, erleichtert aber oft den Nachweis, weil er die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung abbildet.
Die Krankenkasse prüft den Antrag, häufig unter Einbindung des Medizinischen Dienstes. Es gelten verbindliche Entscheidungsfristen. Eine fundierte Verordnung und aussagekräftige Begründung verkürzen erfahrungsgemäß den Prozess.
Wie sichere ich mir langfristige Heilmittelverordnungen?Ausschlaggebend ist die Diagnose. Wenn sie in die einschlägigen Regelbereiche fällt, können Ärztinnen und Ärzte langfristig verordnen. Der Schwerbehindertenstatus unterstützt die Dokumentation, ersetzt sie aber nicht.
Bieten alle Kassen zusätzliche Programme für Schwerbehinderte?
Die Angebote variieren. Viele Kassen haben Case-Manager, Präventions- und Reha-Lotsen oder digitale Schulungen. Ein Blick in die Satzung und ein persönliches Gespräch mit der Kasse lohnen sich.
Er bildet die gesundheitliche Lage und Teilhabebeeinträchtigung ab und kann die Plausibilität des Reha-Ziels stärken. Entscheidend bleiben die medizinische Erforderlichkeit und die Rehabilitationsprognose.
Fazit: Rechte kennen, Nachweise bündeln, Versorgungswege stabilisieren
Ein anerkannter GdB 50 ist mehr als eine Formalie. Er macht Bedarfe sichtbar, stärkt die Begründung medizinischer Leistungen und eröffnet in der gesetzlichen Krankenversicherung handfeste Erleichterungen.
Finanziell ist die Entlastung über die reduzierte Belastungsgrenze erreichbar, sofern die Chroniker-Voraussetzungen vorliegen. Versorgungsseitig profitieren Betroffene, weil Hilfsmittel- und Heilmittelpfade mit sauberer Dokumentation robuster werden und kasseninterne Unterstützungsangebote leichter zugänglich sind. Wer Unterlagen strukturiert,
Anträge gut begründet und sich im Zweifel beraten lässt, nutzt die gesetzlichen Spielräume vollständig aus – und gewinnt im medizinischen Alltag Zeit, Planbarkeit und Sicherheit.
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Arbeitslosengeld-1-Kürzung droht nächstes Jahr
Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I) soll für alle Altersgruppen auf maximal zwölf Monate vereinheitlicht werden. Nach den Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ließen sich damit jährlich rund zwei Milliarden Euro einsparen. Hinter der Zahl steht eine folgenreiche Kürzung des Arbeitslosengeldes.
Der Status quo: Längere Ansprüche ab 50 – politisch gewollt, rechtlich bestätigtDerzeit regelt § 147 Abs. 2 SGB III eine altersabhängige Staffelung: Ab 50 Jahren bis zu 15 Monate ALG I, ab 55 bis zu 18 Monate, ab 58 sogar bis zu 24 Monate – jeweils bei entsprechenden Vorversicherungszeiten von 30 bzw. 48 Beitragsmonaten.
Diese Staffelung ist kein Zufallsprodukt, sondern Ausdruck jahrzehntelanger Politik der Besitzstandswahrung. Sie soll die empirisch schlechteren Vermittlungschancen Älterer berücksichtigen.
Das Bundessozialgericht hat 2022 (Az. B 11 AL 8/21 R) ausdrücklich bestätigt, dass diese Differenzierung verfassungskonform ist. Wer daran rührt, nimmt keinen Automatismus vorweg, sondern setzt bewusst einen politisch gewollten Kurswechsel.
Der IW-Vorschlag: Maximal ein Jahr – für alleDas IW will diese Staffel abschaffen. Künftig gäbe es in jedem Alter höchstens zwölf Monate ALG I. Danach bliebe nur der Wechsel ins Bürgergeld. Das wäre ein klarer Bruch mit dem bisherigen System, in dem die Lebensarbeitszeit und das Alter beim Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit eine besondere Rolle spielen.
Die Begründung des IW ist grundsätzlicher Natur: Die Arbeitslosenversicherung sei “kein Sparvertrag, sondern ein Umlagesystem, in dem Beitragszahler laufend einen gemeinsamen Risikopool finanzieren”.
Ein individueller „Anspruch auf mehr“, weil jemand lange beschäftigt war, lasse sich daraus nicht ableiten. Diese Linie vertritt das Institut seit Jahren, nun unterlegt mit dem Hinweis auf eine angespannte Kassenlage.
Kassenlage und Rechnung: Entlastungspotenzial in MilliardenhöheTatsächlich ist der finanzielle Druck real. 2024 schloss der Versicherungstopf der Bundesagentur mit einem Defizit von 1,9 Milliarden Euro. Nach IW-Modellrechnung könnte die Streichung der verlängerten Bezugsdauer jährlich knapp zwei Milliarden Euro sparen.
Auf Basis von Beitragseinnahmen in Höhe von 38,1 Milliarden Euro im Jahr 2024 ergäbe sich rechnerisch Spielraum, den Beitragssatz von 2,6 auf 2,44 Prozent zu senken. Das IW argumentiert, ohne Leistungskürzungen drohe in den kommenden Jahren sogar ein Anstieg des Beitragssatzes, weil Konjunktur und Demografie die Rücklagen schwächten.
Soziale Folgen: Das schnellere Abrutschen in das BürgergeldGegenrechner verweisen auf die Verteilungswirkungen. Eine Verkürzung der Anspruchsdauer träfe ältere Arbeitslose besonders hart. Wer nach zwölf Monaten keine Stelle findet, fiele unmittelbar auf Bürgergeld-Niveau.
Der Regelbedarf liegt bei höchstens 563 Euro monatlich, zuzüglich angemessener Wohnkosten. Demgegenüber beträgt das Arbeitslosengeld 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts, für Eltern 67 Prozent. Im Jahresdurchschnitt 2024 lag die ALG-I-Leistung bei rund 1.300 Euro monatlich, bei Männern im Mittel 1.352 Euro, bei Frauen 1.062 Euro.
Je nach Ausgangslohn kommen gegebenenfalls Wohngeld und Kinderzuschlag hinzu.
Die Differenz zwischen ALG I und Bürgergeld variiert, kann aber mehrere hundert Euro pro Monat betragen. Eine Reform würde also nicht nur fiskalisch entlasten, sondern Einkommensrisiken verlagern – primär auf die Gruppe mit erwiesenermaßen längeren Suchdauern.
Schlechtere Rentenbiografien und fehlende EntgeltpunkteDie Diskussion endet nicht beim Monatssaldo. Während des Bezugs von ALG I zahlt die Bundesagentur für Arbeit Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung – bemessen auf 80 Prozent des früheren Bruttoentgelts. Diese Zeiten zählen vollständig in der Rentenbiografie.
Beim Bürgergeld entfallen diese Beiträge. Wer künftig spätestens nach einem Jahr in den Bürgergeldbezug rutscht, verliert nicht nur laufendes Einkommen, sondern auch Entgeltpunkte. Das schmälert die spätere Altersrente. Damit wird aus einer kurzfristigen Leistungsfrage eine langfristige Gerechtigkeitsfrage, die sich in der Summe von Monats- zu Lebensarbeitslöhnen aufaddiert.
400.000 wären betroffenDie Zahlen zeigen die Brisanz. Über 400.000 Personen im SGB-III-Bezug sind 50 Jahre und älter; sie stellen rund 36,7 Prozent der insgesamt 1.108.129 Arbeitslosen. Im September 2025 zählte die Arbeitslosenversicherung 112.000 Langzeitarbeitslose – mehr als ein Zehntel des Gesamtbestands.
Praktisch alle gehören zur 50-plus-Gruppe, weil erst ab diesem Alter Anspruchsdauern über zwölf Monate möglich sind. Insgesamt machen 50- bis über 65-Jährige mit 407.168 Personen fast 37 Prozent aller Arbeitslosen aus; die Alterskohorte 60 bis 64 ist dabei die stärkste, mit einem Anteil von 17,3 Prozent.
Sollte die Staffel entfallen, wechselte ein beachtlicher Teil dieses Bestands früher in die Jobcenter – mit allen Konsequenzen für Betreuung, Vermittlungslogik und Qualifizierungsangebote.
Praxisfolgen: Vermittlungslogik und die Realität in den JobcenternDie Arbeitslosenversicherung und die Grundsicherung verfolgen unterschiedliche Zielsysteme. Während die Agenturen für Arbeit in der Regel näher an vorigen Qualifikationsniveaus vermitteln, zielt die Jobcenter-Logik stärker auf schnelle, häufig niederschwellige Stellenbesetzungen.
Kritiker wie der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt befürchten, dass ein früherer Wechsel ins Bürgergeld das Risiko der Verfestigung erhöht, wenn höherqualifizierte Profile in weniger passgenaue Maßnahmen und Vermittlungskanäle geraten.
Sperrzeiten und Übergänge: Ein heikler GrenzbereichZur Komplexität trägt die Sperrzeit-Problematik bei. Wer etwa nach Eigenkündigung eine ALG-I-Sperrzeit erhält, muss Übergänge überbrücken. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Bürgergeld temporär helfen.
In der Praxis sind solche Fälle rechtlich und administrativ anspruchsvoll. Eine generelle Verkürzung der ALG-I-Dauer würde solche Übergangslagen nicht entschärfen, sondern eher die Bedeutung sauberer Beratung und passgenauer Unterstützungsinstrumente erhöhen – etwa bei Weiterbildung, Gesundheitsförderung oder Teilqualifikationen.
Risikoausgleich gegen Lebensleistungs-ArgumentDas IW warnt vor „versicherungsfremden Erwartungen“ und betont, der Schutz wirke bereits in den Jahren der Beschäftigung, indem das System das Risiko der Arbeitslosigkeit kollektiv abfedert.
Sozialverbände und Gewerkschaften halten entgegen, dass gerade die lange Einzahlung den längeren Leistungsbezug rechtfertige, weil er die objektiv längeren Suchzeiten Älterer realistisch abbildet.
Reaktionen: Klare Fronten, wenig ÜberraschungDie politische Kommentierung folgt bekannten Linien. Die SPD lehnt den Plan ab. Dagmar Schmidt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, betont: Wer lange gearbeitet und eingezahlt habe, verdiene eine verlässliche Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger von der BDA argumentiert dagegen, lange Arbeitslosigkeit helfe niemandem; es brauche Anreize, sie schnell zu überwinden. Zwischen diesen Polen wird der Kompromissraum abgesteckt: Wie viel fiskalische Entlastung ist durchsetzbar, ohne die soziale Akzeptanz der Arbeitslosenversicherung zu beschädigen?
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Das Ende der GEZ? Gericht entscheidet am Mittwoch über Rundfunkbeitrag
Anders als zunächst berichtet, wird das Bundesverwaltungsgericht erst am Mittwoch, den 15. Oktober 2025 um 14:00 Uhr, sein Urteil in der Revisionssache „BVerwG 6 C 5.24“ verkünden.
Grundlage ist die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2025. Damit geht ein Verfahren in die entscheidende Phase, das in Teilen der Öffentlichkeit als möglicher Wendepunkt für den Rundfunkbeitrag gehandelt wird.
Von einem „Ende der GEZ“ zu sprechen, ist jedoch unpräzise: Die alte Gebühreneinzugszentrale existiert seit 2013 nicht mehr; Rechtsgrundlage ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, der einen wohnungsbezogenen Beitrag vorsieht.
Das Gericht entscheidet zunächst über einen konkreten Einzelfall mit grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfragen, nicht über die Abschaffung des Beitragssystems an sich.
Worum es überhaupt gehtGeklagt hat eine Frau aus Bayern gegen einen Beitragsbescheid. Sie macht geltend, der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) verfehle strukturell seinen gesetzlichen Auftrag zur Vielfalt und Ausgewogenheit und sei nicht hinreichend staatsfern organisiert. Daraus leite sie ab, keinen individuellen Vorteil mehr zu haben, der die Beitragspflicht rechtfertigt.
Die Vorinstanzen – Verwaltungsgericht München und Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – wiesen die Klage ab.
Das BVerwG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu: Im Kern geht es darum, ob Verwaltungsgerichte selbst prüfen dürfen oder müssen, ob der ÖRR strukturell versagt, oder ob Bürgerinnen und Bürger auf Programmbeschwerden in den Rundfunkgremien verwiesen werden dürfen.
Wirkliche Brisanz der VerhandlungDie Richterinnen und Richter zeigten sich in Leipzig ungewöhnlich fragend gegenüber der Beklagtenseite.
Dabei stand im Raum, wie Programmvielfalt überhaupt nachweisbar ist, wie Staatsferne in den Gremien praktisch sichergestellt wird und warum jede Person zahlen muss, selbst wenn sie das Programm ablehnt.
Als die Rundfunkseite betonte, niemanden „indoktrinieren“ zu wollen, reagierten Zuhörer mit Unmut, was den Senatsvorsitz dazu veranlasste, zur Ordnung zu rufen. Der Senat vertagte ohne Urteil und setzte die Verkündung für den 15. Oktober an. Die aufgeheizte Atmosphäre illustriert weniger eine Vorfestlegung des Gerichts als vielmehr die gesellschaftliche Sprengkraft der Fragen, die über den Einzelfall hinausreichen.
Auftrag, Staatsferne, RundfunkbeitragDer Programmauftrag des ÖRR ist staatsvertraglich verankert. Er verpflichtet die Anstalten, als Medium und Faktor freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und Vielfalt abzubilden. Dieser Auftrag ist im Medienstaatsvertrag konkretisiert und bildet den Maßstab dafür, wie sich der ÖRR legitimiert.
Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht 2014 im sogenannten ZDF-Urteil die Staatsferne der Gremien bekräftigt und den Einfluss staatlicher und staatsnaher Vertreter auf maximal ein Drittel begrenzt. Diese Vorgabe ist seither Referenzpunkt jeder Diskussion um die Zusammensetzung von Rundfunkräten.
Im Jahr 2018 bestätigte das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags. Der individuelle Vorteil, der die Abgabe rechtfertigt, liegt – so Karlsruhe – bereits in der Möglichkeit der Nutzung, nicht erst in der tatsächlichen Inanspruchnahme. 2021 ordnete das Gericht zudem eine Beitragserhöhung auf monatlich 18,36 Euro an.
Diese Entscheidungen markieren hohe Hürden für jede pauschale Infragestellung der Beitragspflicht, ohne freilich Einzelfallfragen der Rechtskontrolle über Leistungsdefizite des ÖRR vorwegzunehmen.
Was genau auf dem Spiel stehtDas Leipziger Verfahren dreht sich nicht um Sympathie oder Abneigung gegenüber einzelnen Sendungen. Es fragt, ob ein behauptetes „strukturelles Versagen“ des ÖRR – etwa bei Vielfalt oder Staatsferne – justiziabel ist und im Rahmen eines Beitragsverfahrens durch Verwaltungsgerichte geprüft werden kann.
Sollte das BVerwG diese Tür öffnen, müssten Kläger substantiieren, dass es sich nicht um punktuelle Fehler, sondern um systemische Defizite handelt. Der Senat deutete an, dass die Beweislast hoch ist. Gleichwohl könnte eine solche Linie den Rechtsweg erweitern und die Gremienkontrolle durch eine gerichtliche Kontrolle ergänzen.
Bleibt es dagegen beim Verweis auf Programmbeschwerden, ändert sich für Beitragszahler wenig, abgesehen von einer denkbaren Präzisierung der Maßstäbe, nach denen Gerichte künftig Einwände gewichten.
Was das für Rentnerinnen und Rentner bedeutetRentnerinnen und Rentner stehen im Zentrum vieler Debatten um Belastungsgerechtigkeit, aber sie sind rechtlich keine Sondergruppe außerhalb des Systems. Bis zu einer gegenteiligen höchstrichterlichen oder gesetzgeberischen Neuregelung gilt die Beitragspflicht fort.
Ein Leipziger Urteil zugunsten der Klägerin könnte allerdings den Maßstab verschieben, wie individuell mit tiefgreifenden Einwänden umzugehen ist.
Ein Durchbruch in Form eines allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wäre rechtlich ein Paradigmenwechsel und stößt an die Leitplanken der Karlsruher Rechtsprechung.
Realistischer erscheint, dass das BVerwG entweder die Revision zurückweist oder – im Falle eines Teilerfolgs – Anforderungen an Nachweis, Dokumentation und Kontrolle von Vielfalt und Staatsferne konkretisiert, ohne den Beitrag als solchen zu kippen.
Das Ergebnis wird Signalwirkung haben, die unmittelbaren Folgen werden jedoch von der konkreten Tenorierung abhängen.
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der GremienkontrolleDie Verhandlung warf ein Schlaglicht auf die Effektivität der Programmbeschwerde. Während Vertreter des Rundfunks sie als taugliches Instrument beschrieben, verwiesen die Klägervertreter auf eine sehr geringe Erfolgsquote und auf das Empfinden zahlreicher Zuschauer, ihre Kritik „verpuffe“.
Hier liegt ein Reputations- und Transparenzproblem, das über den Rechtsstreit hinausreicht: Selbst bei rechtlicher Unbedenklichkeit können Defizite in Wahrnehmung und Verfahren die gesellschaftliche Akzeptanz untergraben. Sollte das BVerwG den Gerichten eine inhaltlichere Kontrolle zugestehen, wäre das zugleich ein Druckmittel, Gremienpraxis und Dokumentation messbarer zu machen.
Was am 15. Oktober realistisch zu erwarten istDie Leipziger Richter entscheiden am 15. Oktober 2025 über die Revision in dieser konkreten Sache. Weder steht das gesamte Beitragssystem automatisch vor dem Aus, noch folgt aus einem möglichen Teilerfolg, dass massenhaft Beitragsbescheide nichtig würden.
Sollte der Senat justiziable Maßstäbe formulieren, dürfte dies zunächst zu einer Welle weiterer Verfahren und zu erhöhten Darlegungsanforderungen führen – auf Seiten der Anstalten wie der Kläger. Bestätigt der Senat die Linie der Vorinstanzen, stärkt das die Position, Programmkontrolle primär in den Gremien zu belassen; die Debatte über Auftrag, Vielfalt und Staatsferne wird damit politisch und organisatorisch jedoch nicht enden.
Fazit: Keine Stunde der Zuspitzung – aber eine Stunde der KlarheitDas Verfahren „BVerwG 6 C 5.24“ ist ein Testfall, ob Gerichte strukturelle Einwände gegen den ÖRR im Beitragsrecht stärker prüfen müssen. Es rührt damit an den Kern der Legitimation des beitragsfinanzierten Systems. Die Karlsruher Rechtsprechung von 2014 zur Staatsferne und von 2018/2021 zur Verfassungsmäßigkeit des Beitrags bildet den Rahmen, in dem Leipzig nun Leitplanken für die Praxis setzen könnte.
Für Rentnerinnen und Rentner wie für alle Beitragszahler bedeutet das: Die Beitragspflicht gilt, bis ein gegenteiliger Richterspruch oder der Gesetzgeber etwas anderes festlegt.
Die Entscheidung Mitte Oktober kann Klarheit schaffen, ob und wie individuelle Grundsatzkritik künftig rechtsförmig zu prüfen ist – ein Ende des Rundfunkbeitrags beschlösse sie indes nicht automatisch.
Transparenzhinweis: Gerichtstermin und Verfahrensdaten sind den öffentlichen Ankündigungen und Presseinformationen des Bundesverwaltungsgerichts entnommen; zentrale Prozessfragen und Eindrücke aus der mündlichen Verhandlung basieren auf Berichten juristischer Fachmedien. Die rechtliche Einordnung verweist auf einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und die staatsvertraglichen Regelungen.
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Bürgergeld: Pauschale Jobcenter-Zusicherung für neue Wohnung?
Bezieher von Bürgergeld können im Eilverfahren vor Gericht grundsätzlich nicht die pauschale Zusicherung für eine neue Wohnung erlangen, dies gilt um so mehr, wenn diese – unangemessen – ist (LSG NRW, Beschluss vom 21.07.2025 – L 21 AS 700/25 B ER -).
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, wie auch beim Sozialgericht, begehrt der Antragsteller die Verpflichtung des Jobcenters, ihm eine Wohnung auch außerhalb der Angemessenheitsgrenzen sowie von mindestens 65 m² zu genehmigen und alle anfallenden Kosten für einen Umzug in eine solche Wohnung sowie Umzugsunterstützung zu gewähren.
Hier fehlt es bereits an einem AnordnungsanspruchDenn die begehrte Genehmigung einer Wohnung entspricht der in § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II geregelten Zusicherung. Gegenstand der Zusicherung ist die Übernahme der Unterkunftskosten für eine konkrete Unterkunft in konkreter Höhe.
Es besteht daher kein Anspruch auf eine pauschale Zusicherung für den Umzug in irgendeine Unterkunft mit angemessenen Kosten.
Daraus folgt, dass erst recht kein Anspruch auf eine pauschale Zusicherung für einen Umzug in eine Unterkunft besteht, die – unangemessen – ist.
Auch die Frage, ob eine Wohnung von 65 m² angemessen ist, lässt sich nicht abstrakt und im Vorfeld beantworten, sondern kann das Jobcenter erst dann prüfen, wenn ihm ein konkretes Angebot vorgelegt und die Zusicherung für dieses Angebot beantragt wird.
Auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II, wonach Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung anerkannt werden, sind nicht erfüllt, da eine Zusicherung gerade nicht erteilt wurde und für eine konkrete Wohnung im vorliegenden Verfahren auch nicht begehrt wird.
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegebenDa der Kündigungstermin noch nicht verstrichen ist, drohen derzeit auch weder Räumungsklage noch Zwangsräumung (zum Anordnungsanspruch bei drohender Wohnungs- aber nicht Obdachlosigkeit vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 11.4.2024 – L 7 AS 131/24 B ER – ).
Anmerkung vom Bürgergeld Experten Detlef Brock1. Ganz normale Vorgehensweise der Gerichte – der Antragsteller verlangt etwas, was beim Bürgergeld kaum möglich ist, im Einzelfall haben Gerichte auch schon mal eine Zusicherung für eine teurere Mietwohnung ausgesprochen.
Rechtstipp vom Experten:1. Bürgergeld Empfänger haben keinen Anspruch auf eine eine pauschale Zusicherung für irgendeine Unterkunft ( LSG BW, Urt. v. 25.06.2025 – L 3 AS 828/25 – ).
Denn Gegenstand der Zusicherung ist die Übernahme der Unterkunftskosten für eine konkrete Unterkunft in konkreter Höhe. Es besteht daher kein Anspruch auf eine pauschale Zusicherung für den Umzug in irgendeine Unterkunft mit angemessenen Kosten.
2. Ohne konkretes Wohnungsangebot gibt es vom Jobcenter keine Zusicherung für die neuen Mietkosten ( LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.06.2025 – L 2 AS 1659/25 ER-B – ).
3. Eine Zusicherung vom Jobcenter kann nur verlangt werden, wenn die zukünftigen Unterkunftskosten der Höhe nach bestimmt sind (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.01.2012 – L 14 AS 1818/09 -).
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Rente für den Jahrgang 1965: Das sind jetzt alle Optionen
Wer 1965 geboren wurde, erreicht die Regelaltersgrenze mit 67 Jahren. Der reguläre Rentenstart liegt damit aber erst im Jahr 2032.
Die Regelaltersrente ist der sichere Standardweg: Sie wird ohne Abschläge gezahlt, setzt die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraus und ist unabhängig davon, ob vorher bereits Teilrenten oder Erwerbseinkommen vorhanden waren. Für viele Versicherte ist dieser Pfad die einfachste Option, weil er keine Kürzungen mit sich bringt und Planbarkeit gewährleistet.
Vorzeitige Rente ohne Abschläge: „Besonders langjährig Versicherte“ ab 65 im Jahr 2030Neben dem Standardweg gibt es für den Jahrgang 1965 eine attraktive Möglichkeit, früher aus dem Berufsleben auszuscheiden, ohne lebenslange Kürzungen in Kauf zu nehmen.
Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erlaubt den Rentenbeginn zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze, also mit 65 Jahren im Jahr 2030. Voraussetzung ist eine Mindestversicherungszeit von 45 Jahren.
Diese 45 Jahre setzen sich in der Regel aus Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung oder Selbstständigkeit, aus bestimmten Kindererziehungs- und Pflegezeiten sowie weiteren anrechenbaren Zeiten zusammen. Wer die 45-Jahres-Hürde erreicht, kann den Ruhestand damit um zwei Jahre vorziehen und erhält dennoch die volle Rente ohne Abschläge.
Vorzeitige Rente mit Abschlägen: „Langjährig Versicherte“ ab 63 im Jahr 2028Für Versicherte, die die Marke von 45 Jahren nicht erreichen, eröffnet die Altersrente für langjährig Versicherte einen weiteren Weg. Der frühestmögliche Start liegt bei 63 Jahren, damit für den Jahrgang 1965 im Jahr 2028.
Diese Option ist an eine Mindestversicherungszeit von 35 Jahren geknüpft und geht mit einem dauerhaften Abschlag einher. Bei einem Vorziehen um volle vier Jahre ergibt sich ein Kürzungsbetrag von 14,4 Prozent.
Grundlage ist der gesetzlich festgelegte Abschlag von 0,3 Prozent je Monat, den die Rente früher in Anspruch genommen wird. Die Kürzung wirkt lebenslang und beeinflusst damit nicht nur die laufende Rente, sondern mittelbar auch spätere Ansprüche, etwa bei der Hinterbliebenenversorgung.
Rente für schwerbehinderte Menschen: früherer Start ab 62 im Jahr 2027Mit einem anerkannten Grad der Behinderung eröffnet sich für den Jahrgang 1965 eine weitere Option: die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei erfüllter Mindestversicherungszeit von 35 Jahren kann sie bereits mit 62 Jahren, also im Jahr 2027, beginnen.
In diesem Fall ist ein dauerhafter Abschlag von 10,8 Prozent vorgesehen, weil die Rente um 36 Monate vorgezogen wird. Wer die Voraussetzungen erfüllt, gewinnt damit zusätzliche zeitliche Flexibilität – sollte jedoch die finanziellen Folgen eines dauerhaft geminderten Rentenniveaus sorgfältig abwägen.
Ohne Abschläge liegt die entsprechende Altersgrenze für schwerbehinderte Menschen höher; für eine präzise Einordnung lohnt sich der Blick in die persönliche Rentenauskunft.
Was unter „Mindestversicherungszeit“ zu verstehen istDie in den verschiedenen Rentenarten geforderte Mindestversicherungszeit – häufig auch Wartezeit genannt – ist ein zentraler Schlüsselbegriff. Sie bezeichnet die Summe an Zeiten, in denen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geflossen sind oder gesetzlich angerechnete Zeiten vorliegen.
Typischerweise zählen hierzu Pflichtbeiträge aus Beschäftigung und Ausbildung, Zeiten mit Kindererziehung, bestimmte Pflegezeiten und je nach Konstellation auch Zeiten mit Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Für die 45-Jahres-Wartezeit der besonders langjährig Versicherten gelten strengere Regeln als für die 35-Jahres-Wartezeit der langjährig Versicherten. Welche Monate im Einzelnen mitzählen, welche Sonderregelungen gelten und ob bestimmte Phasen – etwa kurz vor Rentenbeginn – ausgenommen sind, ergibt sich aus den gesetzlichen Details und wird in der persönlichen Rentenauskunft transparent gemacht.
Wer nahe an der jeweiligen Grenze liegt, sollte die eigene Versicherungsbiografie frühzeitig prüfen und gegebenenfalls klären lassen, ob und wie Lücken geschlossen werden können.
Abschläge richtig einordnen: dauerhafte Wirkung und individuelle AbwägungVorzeitige Altersrenten mit Abschlägen bieten zeitlichen Spielraum, kosten aber dauerhaft Rentenniveau. Der gesetzliche Mechanismus ist geradlinig: Für jeden Monat, den die Rente vorzeitig in Anspruch genommen wird, sinkt die monatliche Zahlung um 0,3 Prozent. Das summiert sich bei vier Jahren Vorziehen auf 14,4 Prozent und bei drei Jahren auf 10,8 Prozent.
Dieser Abschlag wird nicht später „aufgeholt“, sondern bleibt lebenslang bestehen. In die Abwägung gehören deshalb nicht nur die monatliche Kürzung, sondern auch Aspekte wie die geplante Erwerbstätigkeit bis zum Rentenstart, mögliche Teilzeitphasen, die gesundheitliche Situation und die voraussichtliche Gesamtdauer des Rentenbezugs.
Wer Wert auf maximale Sicherheit beim Nettoeinkommen im Alter legt, wägt die vorzeitige Inanspruchnahme besonders sorgfältig gegen den regulären Start ab.
Realistische Renten-Szenarien für 1965erFür eine grobe Orientierung hilft der persönliche Lebenslauf als Rechenlinie. Wer etwa früh ins Berufsleben eingestiegen ist, zum Beispiel mit 19 Jahren, hat bei einem durchgehenden Versicherungsverlauf bereits 45 Jahre im Jahr 2029 voll und könnte im Jahr 2030 mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen.
Wer später gestartet, häufiger unterbrochen oder längere Zeiten außerhalb der Versicherungspflicht hatte, erreicht die 45-Jahres-Grenze möglicherweise nicht, überschreitet aber die 35-Jahres-Marke deutlich und kann dann ab 63 Jahren in 2028 mit Abschlägen in den Ruhestand wechseln.
Bei anerkannter Schwerbehinderung und erfüllten 35 Jahren rückt der frühestmögliche Rentenbeginn sogar auf das Jahr 2027 vor. Diese Beispiele ersetzen keine Einzelfallprüfung, zeigen aber, wie stark der konkrete Versicherungsverlauf die Optionen prägt.
Tabelle: Rente für Jahrgang 1965 Rentenoptionen für den Jahrgang 1965 Rentenoption Startalter & Jahr (Jg. 1965) sowie Besonderheiten Regelaltersrente 67 Jahre → 2032; ohne Abschläge. Altersrente für besonders langjährig Versicherte 65 Jahre → 2030; ohne Abschläge; Voraussetzung: mindestens 45 Jahre Versicherungszeit. Altersrente für langjährig Versicherte 63 Jahre → 2028; dauerhafter Abschlag 14,4 %; Voraussetzung: mindestens 35 Jahre Versicherungszeit. Altersrente für schwerbehinderte Menschen 62 Jahre → 2027; dauerhafter Abschlag 10,8 %; Voraussetzungen: anerkannte Schwerbehinderung und mindestens 35 Jahre Versicherungszeit. Was jetzt wichtig ist: Rentenkonto prüfen und Optionen festzurrenWeil die maßgeblichen Schwellenwerte – 35 und 45 Jahre – eng an die individuelle Biografie gekoppelt sind, ist die Kontenklärung ein zentraler Schritt. Dabei wird geprüft, ob alle relevanten Zeiten vollständig erfasst sind und ob Unterlagen zu Kindererziehung, Pflege oder Phasen der Arbeitslosigkeit korrekt verbucht wurden.
Auf dieser Basis liefert die Rentenauskunft eine belastbare Prognose inklusive möglicher Eintrittsdaten und höhenmäßiger Auswirkungen eines vorgezogenen Bezugs.
Wer die Entscheidung über einen früheren Rentenstart vorbereitet, sollte zudem die Wechselwirkung mit anderen Bausteinen der Alterssicherung im Blick behalten, etwa mit betrieblicher oder privater Vorsorge.
Auch steuerliche Fragen sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Ruhestand gehören in eine umfassende Planung, damit das verfügbare Nettoeinkommen realistisch eingeschätzt wird.
Fazit: Vier Wege, ein Ziel – der passende Rentenstart für den Jahrgang 1965Für Versicherte des Jahrgangs 1965 stehen klar umrissene Pfade in den Ruhestand offen. Der reguläre Start erfolgt 2032 mit 67 Jahren ohne Kürzung. Wer die 45-Jahres-Wartezeit erreicht, kann bereits 2030 mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen.
Mit 35 Versicherungsjahren ist der Weg ab 63 im Jahr 2028 möglich, dann mit einem dauerhaften Abschlag von 14,4 Prozent. Für schwerbehinderte Menschen eröffnet sich – bei 35 Jahren Mindestversicherungszeit – der frühere Beginn mit 62 im Jahr 2027, verbunden mit 10,8 Prozent Abschlag.
Welche Option am besten passt, entscheidet die persönliche Versicherungsbiografie. Mit einer frühzeitigen Kontenklärung, einer aktuellen Rentenauskunft und einer nüchternen Betrachtung der Folgen lässt sich der Rentenstart verlässlich planen – seriös, transparent und passgenau für den eigenen Lebensweg.
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Arbeitgeber darf auch während einer Krankheit kündigen
Noch immer hält sich die Vorstellung, während einer Arbeitsunfähigkeit dürfe nicht gekündigt werden. Sie ist falsch. Eine Krankheit führt nicht automatisch zum Sonderkündigungsschutz. Arbeitgeber dürfen grundsätzlich auch während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit kündigen.
Ob eine Kündigung dann tatsächlich wirksam ist, ist eine zweite – sehr viel komplexere – Frage. Entscheidend ist, ob die rechtlichen Voraussetzungen eingehalten sind und ob die Kündigung im Streitfall vor Gericht Bestand hätte. Das sagt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover.
Eine krankheitsbedingte Kündigung wird als Unterfall der personenbedingten Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz gesehen. Dieses greift in der Regel erst, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und der Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Dann muss der Arbeitgeber die soziale Rechtfertigung der Kündigung darlegen und beweisen.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat hierfür einen dreistufigen Prüfungsmaßstab entwickelt: eine negative Gesundheitsprognose, eine daraus folgende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und eine Interessenabwägung einschließlich der Prüfung milderer Mittel.
Erst wenn alle drei Stufen erfüllt sind, kann eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam sein.
Was eine negative Gesundheitsprognose bedeutetDer Arbeitgeber kennt im Regelfall weder Diagnose noch Details der Erkrankung – und er hat darauf auch keinen Anspruch. Er darf aber auf Basis der Vergangenheit in die Zukunft schauen: Häufen sich Fehlzeiten erheblich oder besteht eine dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit, kann er prognostizieren, dass die Arbeitsfähigkeit auch künftig beeinträchtigt sein wird.
Eine solche Prognose ist kein Bauchgefühl, sondern muss sich auf belastbare Tatsachen stützen, typischerweise dokumentierte Fehlzeiten über einen längeren Zeitraum.
Beschäftigte sind dieser Prognose nicht ausgeliefert. Sie können sie erschüttern, indem sie konkrete Umstände darlegen, die eine baldige oder dauerhafte Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit erwarten lassen.
In der Praxis geschieht das häufig durch ärztliche Bescheinigungen, Reha-Berichte oder die Entbindung behandelnder Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht für eine Aussage im Prozess.
Entscheidend ist, ob aus heutiger Sicht nachvollziehbar erscheint, dass künftig keine erheblichen krankheitsbedingten Ausfälle mehr auftreten.
Typischer Fall in der PraxisBei einer Dauererkrankung liegt die Sache scheinbar klarer: Fällt etwa ein Bauarbeiter nach einem Unfall dauerhaft aus und kann den bisherigen Beruf absehbar nicht mehr ausüben, spricht viel für eine negative Prognose.
Dennoch ist auch hier nicht automatisch „alles entschieden“: Es kommt darauf an, ob es leidensgerechte Beschäftigungsalternativen im Betrieb gibt und ob diese zumutbar wären.
Weit verbreitet sind häufige Kurzerkrankungen. Immer wiederkehrende Ausfälle über das Jahr hinweg belasten Abläufe und verursachen Entgeltfortzahlungskosten. Die Rechtsprechung akzeptiert eine negative Prognose vor allem dann, wenn sich ein Muster über mehrere Jahre zeigt, in denen Beschäftigte jeweils länger als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig waren. Auch hier gilt: Wer nachweisen kann, dass die Ursachen überwunden sind – etwa nach einer erfolgreichen Operation – kann die Prognose entkräften.
Bei Langzeiterkrankungen geht es weniger um wechselnde Fehlzeiten als um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit über Monate oder gar Jahre. Nach sechs Wochen endet die Entgeltfortzahlung, dennoch bleibt die betriebliche Planungsunsicherheit erheblich. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, bisherigem Gesundheitsverlauf und absehbarer Genesungschance kann eine Kündigung schwerer oder leichter zu rechtfertigen sein.
Beeinträchtigung betrieblicher InteressenSelbst eine negative Prognose genügt nicht. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass die Erkrankung die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigt. Das kann sich in Kosten – etwa wiederholter Entgeltfortzahlung – niederschlagen, aber auch in organisatorischen Problemen: ständiges Umdisponieren, Qualitäts- oder Kapazitätseinbußen, zusätzlicher Einarbeitungsaufwand für Vertretungen, gebundene Ressourcen durch eine dauerhaft freizuhaltende Stelle. Reine Unannehmlichkeiten reichen nicht aus; die Belastung muss spürbar und plausibel sein.
Vor jeder Beendigung steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Kündigung ist nur das letzte Mittel. Arbeitgeber müssen prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung unter geänderten Bedingungen möglich ist: ein anderer Arbeitsplatz, angepasste Tätigkeiten, technische Hilfsmittel oder eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem sogenannten Hamburger Modell.
Wichtig hierbei ist das betriebliche Eingliederungsmanagement. Wer innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, hat Anspruch auf ein strukturiertes BEM-Verfahren.
Es dient dazu, Ursachen zu klären, Belastungen zu reduzieren und Wege zurück in den Arbeitsplatz zu öffnen. Unterbleibt ein ernsthaftes BEM, verschlechtert das die Karten des Arbeitgebers im Prozess erheblich, weil naheliegt, dass mildere Mittel nicht ausgeschöpft wurden.
Die abschließende InteressenabwägungAm Ende blickt das Gericht auf das Ganze: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter und die sozialen Folgen der Kündigung, den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, die Chancen auf Genesung, die Größe des Betriebs und die betroffenen Abläufe. Ein langjährig beanstandungsfrei beschäftigter Mitarbeiter genießt hier regelmäßig ein stärkeres Gewicht als eine erst kurz beschäftigte Person mit massiven, noch ungeklärten Fehlzeiten.
Ebenso fließen Besonderheiten ein, etwa ob eine schwere körperliche Tätigkeit altersbedingt kaum noch leistbar ist oder ob der Arbeitgeber zumutbare Umsetzungen ungenutzt ließ.
Häufige Missverständnisse und klare GrenzenEine Kündigung „wegen Krankheit“ ist nicht mit einer Kündigung „während der Krankheit“ gleichzusetzen. Letztere ist formell zulässig, aber nur wirksam, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Attest verhindert die Zustellung der Kündigung nicht; die Kündigungsfrist läuft weiter.
Besondere Schutzregeln bleiben unberührt: Für Schwangere, Elternzeitnehmende oder schwerbehinderte Menschen gelten zusätzliche Anforderungen; in einigen Konstellationen ist vor einer Kündigung eine behördliche Zustimmung einzuholen.
Außerdem ist zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung zu unterscheiden – krankheitsbedingte Kündigungen sind in aller Regel ordentlich, mit Frist.
Was Beschäftigte jetzt konkret tun könnenWer eine Kündigung erhält, hat wenig Zeit. Gegen eine arbeitgeberseitige Kündigung kann regelmäßig innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben werden; verstreicht die Frist, gilt die Kündigung oft als wirksam.
Sinnvoll ist es, die Fehlzeiten und deren Ursachen sorgfältig zu dokumentieren, ärztliche Unterlagen zur Genesungsperspektive zu sichern und zu prüfen, ob ein BEM angeboten und ernsthaft durchgeführt wurde.
Wer realistische Chancen auf Stabilisierung der Gesundheit hat, sollte diese Chancen belegbar machen. Auch eine einvernehmliche Lösung mit einer Abfindung kann – je nach Lage – im Raum stehen; sie ersetzt aber keine nüchterne Prüfung der Erfolgsaussichten.
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Plattdeutsche Bürgergeld-Bescheide vom Jobcenter?
Müssen Leistungsbehörden die Bürgergeld-Bescheide in Niederdeutsch oder Plattdeutsch verfassen? Darüber hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zu entscheiden.
Der Kläger aus dem Regierungsbezirk Detmold hatte 2017 Hartz-IV-Leistungen (heutiges Bürgergeld) erhalten. Mit Bescheid vom 20. Februar 2017 wies ihm das Jobcenter eine Arbeitsgelegenheit in einem Bauernmuseum zu. Für seine museumspädagogische Tätigkeit erhielt er 1,30 Euro pro Arbeitsstunde. Laut Vermerk des Jobcenters war der Hartz IV-Beziehende mit der Tätigkeit „sehr zufrieden“.
Widerspruch gegen den Bescheid vom JobcenterDennoch legte der Mann Widerspruch gegen den Bescheid des Jobcenters ein. Inhaltlich sei dieser in Ordnung und er gebe „sein Bestes“. Als Angehöriger der niederdeutschen Volksgruppe hätte der Bescheid jedoch in Plattdeutsch und nicht in Hochdeutsch verfasst werden müssen. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen schreibe den Schutz der Regionalsprachen vor.
Er warf dem Jobcenter „rassistische Diskriminierung“ vor, weil ihm als Angehörigen der plattdeutschen Sprachminderheit die „Gleichbehandlung mit Hochdeutschen“ verwehrt werde. Plattdeutsch sei zu Zeiten der Hanse eine „Weltsprache“ gewesen und müsse erhalten bleiben.
Das Hochdeutsche sei ihm von Geburt an aufgezwungen worden. Seine Klage sei der erste Schritt, „Rassismus“ und „Apartheid“ gegen Plattdeutsche zu beenden.
Sowohl das Sozialgericht Detmold als auch das LSG haben jedoch entschieden, dass das Jobcenter seine Bescheide nicht auf Plattdeutsch verfassen muss. Zwar umfasse die deutsche Sprache neben dem Hochdeutschen auch alle Mundarten und Dialekte. Es gelte aber das Gebot, dass ein Verwaltungsverfahren „einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen“ sei.
LSG Essen: Plattdeutsche Sprachminderheit wird nicht benachteiligt„Dieses Gebot würde beeinträchtigt, wenn es (angesichts der Vielzahl gesprochener Dialekte und des häufigen Fehlens einer standardisierten Schriftsprache) zu einem unübersichtlichen Nebeneinander verschiedener Sprachvarianten mit unterschiedlichen Schreibweisen käme, die allenfalls von einem räumlich begrenzten Teil der Bevölkerung verstanden würden“, heißt es in dem Urteil des LSG weiter.
Auch aus der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen ergebe sich kein Anspruch auf die Abfassung von Bescheiden in Plattdeutsch. Weder die Bundesrepublik Deutschland noch das Land Nordrhein-Westfalen hätten Vorschriften zur Verwendung der plattdeutschen Sprache erlassen.
Zudem sei der Kläger selbst der hochdeutschen Sprache „mit einem durchaus beachtlichen Wortschatz“ voll mächtig und verstehe die Bescheide. Zudem habe er nicht nachgewiesen, dass er überhaupt Plattdeutsch sprechen könne.
Schließlich benachteilige ihn die geltend gemachte Zugehörigkeit zur plattdeutschen Volksgruppe auch nicht wegen seiner ethnischen Herkunft. Denn Nieder- und Plattdeutsche bildeten keine eigenständige Volksgruppe, so das LSG.
Keine Pflicht für Bescheide in Niederdeutsch oder PlattdeutschJobcenter müssen müssen demnach ihre Bescheide an Bürgergeld-Beziehende nicht auf deren Wunsch in Niederdeutsch oder Plattdeutsch verfassen.
Zwar schützt die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ eine Regionalsprache, ein Anspruch auf die Abfassung von Jobcenter-Bescheiden in Plattdeutsch als Teil des Niederdeutschen ergibt sich daraus aber nicht, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2022 (Az.: L 7 AS 1360/21). fle
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Arbeitgeber muss nicht Lohn fortzahlen wenn sich eine Tätowierung entzündete
Ein Arbeitgeber kann es verweigern, bei einer Krankschreibung das Entgelt fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet herbeigeführt hat, indem sich eine Tätowierung entzündete. So entschied das Landesarbeittsgericht Schleswig-Holstein (2 Sa 284 a/24).
Tattoo entzündet sichDie Betroffene arbeitete als Pflegehilfskraft. Sie ließ sich ein Tattoo auf den Unterarm stechen. In der Folge entzündete sich die Haut, und die Frau war mehrere Tage krankgeschrieben. Ihre Arbeitgeberin verweigerte ihr die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und begründete dies damit, dass sie die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe.
Seltene KomplikationDie Arbeitnehmerin argumentierte, dass sie keine Zahlung für den Tag der Tätowierung erwarte, sondern für die Entzündung in der Folge. Es handle sich um eine seltene Komplikation, die nur in rund ein bis fünf Prozent der Fälle entstehe. Zudem seien Tattoos heute weit verbreitet und gehörten zur privaten Lebensführung.
Betroffene vergleicht Tattoo mit SportSie verglich diese Komplikation mit dem Ausüben von verletzungsanfälligen Sportarten. Auch bei diesen werde das Entgelt bei Arbeitsunfähigkeit fortgezahlt, wennFolgeerkrankungen aufträten, für die ein geringes Risiko bestehe.
Einwilligung in KörperverletzungDie Arbeitgeberin vertrat hingegen den Standpunkt, dass eine Tätowierung bedeute, freiwillig eine Körperverletzung auf sich zu nehmen.
Wenn daraus eine Infektion entstehe, gehöre dies nicht zum allgemeinen Krankheitsrisiko, das der Arbeitgeber tragen müsse. Auch Krankenkassen müssten keine Leistungen erbringen, wenn Erkrankungen infolge kosmetischer Operationen, Tattoos oder Piercings entstünden.
Sportler rechnen nicht damit, verletzt zu werdenEin Vergleich mit Sportarten sei nicht angebracht, da Sportler auch bei gefährlichen Sportarten nicht damit rechnen würden, verletzt zu werden. Bei einer Tätowierung stimmten Betroffene hingegen dem Eingriff und den möglichen Komplikationen ausdrücklich zu.
Richter entscheiden zugunsten der ArbeitgeberinVor dem Landesarbeitsgericht argumentierte die Betroffene, ihr Vorsatz habe sich nur auf die Tätowierung, nicht aber auf die unwahrscheinliche Komplikation bezogen. Die Richter am Landesarbeitsgericht teilten jedoch die Auffassung der Arbeitgeberin.
Zwar sei die Betroffene tatsächlich arbeitsunfähig gewesen, habe dies aber selbst verschuldet. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfalle, wenn der Arbeitgeber grob gegen das eigene Gesundheitsinteresse verstoße.
Bewusstes Risiko bedeutet grober VerstoßDie Hautentzündung sei nicht außergewöhnlich, denn Komplikationen in bis zu fünf Prozent der Fälle seien nicht zu vernachlässigen. Eine Tätowierung sei dabei ein medizinisch nicht notwendiger Eingriff in den unversehrten Körper.
Ein solches Risiko bewusst einzugehen, sei ein grober Verstoß gegen die eigenen Gesundheitsinteressen und überschreite das normale Krankheitsrisiko. Die Richter nannten dabei die Definition von „häufig“ bei Nebenwirkungen von Medikamenten. Diese umfasse ein Spektrum von mehr als eins und weniger als zehn Prozent.
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Schwerbehinderung: Merkzeichen & Pflegegrad – Nachteilsausgleiche, die viel zu oft liegen bleiben
Viele Menschen mit Pflegegrad und Schwerbehindertenausweis lassen bares Geld und echte Alltagsvorteile liegen. Häufigster Grund: Missverständnisse rund um die Merkzeichen. Wer etwa „G“ hat, glaubt, automatisch auf Behindertenparkplätzen stehen zu dürfen – falsch.
Oder: Der Rundfunkbeitrag ließe sich nur mit „H“ drücken – ebenfalls falsch. Dieser Überblick sortiert die wichtigsten Nachteilsausgleiche für ÖPNV, Kfz-Steuer und Rundfunkbeitrag – und zeigt, wie sie sich mit dem Pflegegrad klug kombinieren lassen.
Pflegegrad und Merkzeichen: Zwei Systeme – doppelte ChancenPflegegrad (SGB XI) misst den Hilfebedarf im Alltag. Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis (SGB IX) kennzeichnen Teilhabe- und Mobilitätsnachteile. Beides läuft getrennt – aber die Kombination bringt Vorteile: Wer etwa Pflegeleistungen erhält, kann zusätzlich ÖPNV-Freifahrt oder Kfz-Steuervorteile nutzen und beim Rundfunk sparen.
Wichtig: Es gibt keinen Automatismus – jedes Recht muss gesondert beantragt werden.
ÖPNV-Freifahrt: Wertmarke richtig nutzenDie unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr gibt es über das Beiblatt mit Wertmarke. Anspruch besteht typischerweise bei den Merkzeichen G, aG, H, Bl, Gl. Die Wertmarke gilt bundesweit in Bus, Tram, U- und S-Bahn sowie in der 2. Klasse vieler Regionalzüge.
Kosten 2025: Die Eigenbeteiligung liegt bei 104 € pro Jahr (oder 53 € je Halbjahr). Gratis ist die Wertmarke für Menschen mit H (Hilflos) oder Bl (blind) sowie für bestimmte Sozialleistungsbeziehende (z. B. Bürgergeld, Grundsicherung).
Typische Stolpersteine„G“ ist kein Parkschein: Das Merkzeichen G berechtigt nicht zum Parken auf ausgewiesenen Behindertenparkplätzen. Wichtig ist außerdem der Unterschied zwischen orange und blau: Der orangefarbene Parkausweis bringt zwar Erleichterungen wie verlängerte Parkzeiten, gilt aber nicht auf Stellflächen mit Rollstuhlsymbol.
Dafür ist der blaue EU-Parkausweis nötig, der in der Regel das Merkzeichen aG voraussetzt. Und: Ein vorhandener Pflegegrad hilft nur indirekt. Unterlagen aus dem Pflegegradverfahren, etwa MD-Gutachten, können die Beeinträchtigung untermauern, ersetzen jedoch die gesonderte Feststellung der Merkzeichen nicht.
Kfz-Steuer: Befreiung oder 50 % Ermäßigung – aber richtig wählenBei der Kfz-Steuer gilt eine klare Linie:
- Vollständige Steuerbefreiung: mit aG, H oder Bl.
- 50 % Steuerermäßigung: mit G oder Gl, wenn die unentgeltliche ÖPNV-Beförderung nicht genutzt wird. Praktisch heißt das: Beiblatt ohne Wertmarke beantragen (Verzicht auf Freifahrt) und dann die 50 % Ermäßigung sichern.
Wichtig: Die Kombination von halbierter Kfz-Steuer und ÖPNV-Freifahrt ist mit G/Gl nicht möglich. Mit aG/H/Bl dagegen dürfen Betroffene beides parallel nutzen: Freifahrt und Kfz-Steuerbefreiung.
Rundfunkbeitrag: Mit „RF“ auf ein Drittel senkenDas Merkzeichen RF senkt den Rundfunkbeitrag auf ein Drittel – aktuell 6,12 € pro Monat. RF wird u. a. taubblinden Menschen, bestimmten blinden/sehbehinderten Personen sowie Menschen mit einem hohen GdB und erheblichen Teilhabeeinschränkungen zuerkannt.
Eine vollständige Befreiung ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich (z. B. Taubblindheit, bestimmte Empfängerinnen von Blindenhilfe).
Pflegegrad-Faktor: Der Pflegegrad an sich löst kein RF aus, kann aber die medizinische Lage dokumentieren. Antrag mit Kopie des Schwerbehindertenausweises (RF) direkt bei der Beitragsstelle stellen – rückwirkend ab dem Monat nach Antragseingang.
Praxis: So holen Sie die Vorteile wirklich abViele lassen Leistungen liegen, weil Anträge kompliziert wirken oder Begriffe durcheinandergeraten. Die folgende Übersicht ordnet die häufigsten Merkzeichen zu den konkreten Vorteilen – inklusive kurzer Taktik-Hinweise:
Merkzeichen Vorteil & Praxis-Tipp G ÖPNV-Freifahrt mit Wertmarke (2025: 104 €/Jahr bzw. 53 € je Halbjahr; bei Bürgergeld/Grundsicherung kostenfrei). Kein Parken auf Behindertenparkplätzen! Option: Statt Freifahrt 50 % Kfz-Steuer (Beiblatt ohne Wertmarke beantragen). aG ÖPNV-Freifahrt (Wertmarke; bei Sozialleistungen ggf. kostenfrei) und Kfz-Steuerbefreiung parallelmöglich. In der Regel Zugang zum blauen EU-Parkausweis (Behindertenparkplätze). H Wertmarke kostenlos; Kfz-Steuerbefreiung; häufig zusätzliche lokale Vorteile (z. B. kürzere Wege bei Behörden). Pflegegrad-Unterlagen stützen Anträge, ersetzen aber die Feststellung nicht. Bl Wie H: Wertmarke kostenlos + Kfz-Steuerbefreiung; zudem besondere Regelungen bei Mobilitätshilfen. Gl ÖPNV-Freifahrt mit Wertmarke; alternativ 50 % Kfz-Steuer (Verzicht auf Freifahrt). RF Rundfunkbeitrag 6,12 €/Monat. Antrag bei der Beitragsstelle mit Ausweis-Kopie. Pflegegrad kann medizinische Einschränkungen untermauern, ersetzt RF-Merkzeichen nicht. Drei häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden- „G = Parken überall“ – Nein. Ohne blauen EU-Parkausweis (meist aG) droht Knöllchen oder Abschleppen.
- Freifahrt + Kfz-Steuer (G/Gl) – Geht nicht gleichzeitig. Entweder-oder.
- Pflegegrad genügt – Nein. Für Nachteilsausgleiche zählen Merkzeichen. Pflegegrad-Belege beifügen, Merkzeichen gesondert feststellen lassen.
Pflegegrad und Merkzeichen sind kein Entweder-oder, sondern ein starkes Duo. Wer die Spielregeln kennt, spart beim Rundfunk, fährt günstiger oder steuerfrei – und behält gleichzeitig die Pflegeleistungen.
Entscheidend ist, aktiv zu wählen: Wertmarke ja oder nein? Kfz-Steuerermäßigung oder Freifahrt? Mit der richtigen Strategie verpuffen die Nachteilsausgleiche nicht – sie wirken dort, wo sie sollen: im Geldbeutel und im Alltag.
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Bürgergeld: Gericht stoppt Pauschal-Zusicherungen der Jobcenter
Wer Bürgergeld bezieht, kann sich vor Gericht im Eilverfahren keine „Blanko-Genehmigung“ für irgendeine neue Wohnung sichern – schon gar nicht, wenn diese nach den örtlichen Richtwerten unangemessen wäre. Darauf hat jüngst die Rechtsprechung hingewiesen.
Maßgeblich ist stets ein konkretes Wohnungsangebot mit bestimmter Miethöhe; erst dann darf und muss das Jobcenter prüfen, ob eine Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II erteilt wird. Eine pauschale Freigabe „ins Blaue hinein“ ist ausgeschlossen.
Worum ging es?Im einstweiligen Rechtsschutz verlangte ein Antragsteller die abstrakte Verpflichtung des Jobcenters, ihm jede Wohnung bis mindestens 65 m² zu genehmigen – auch außerhalb der Angemessenheitsgrenzen – und zusätzlich sämtliche Umzugs- und Beschaffungskosten zu übernehmen.
Ein solcher Antrag scheitert bereits am Anordnungsanspruch: Die begehrte Erlaubnis entspricht rechtlich einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II. Deren Gegenstand ist aber ausschließlich die Übernahme der Kosten einer konkreten Unterkunft in konkreter Höhe.
Für eine pauschale Vorab-Zusage fehlt die Rechtsgrundlage. Das gilt umso mehr, wenn die begehrte Wohnung unangemessen ist.
Auch die Frage, ob 65 m² in einem Einzelfall als angemessen gelten, lässt sich nicht abstrakt beantworten. Die Angemessenheit hängt von den örtlichen Richtwerten (kommunales „schlüssiges Konzept“), der Bruttokaltmiete, der Personenzahl und besonderen Bedarfen (z. B. Behinderung, Barrierefreiheit) ab.
Ohne exakte Angebotsdaten – Miethöhe, Nebenkosten, Lage – kann das Jobcenter die Prüfung nicht vornehmen.
Umzugskosten & Wohnungsbeschaffung: nur mit Zusicherung§ 22 Abs. 6 SGB II erlaubt, Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten zu übernehmen – aber nur bei vorheriger Zusicherung. Wer eine pauschale Genehmigung ohne konkretes Objekt verlangt, erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Das haben die Landessozialgerichte in aktuellen Entscheidungen ausdrücklich klargestellt: Ohne Wohnungsangebot keine Zusicherung, ohne Zusicherung keine Kostenübernahme.
Kein Eilgrund: Keine akute RäumungsgefahrIm Eilverfahren braucht es neben dem Anspruch einen Anordnungsgrund – also eine gegenwärtige, schwerwiegende Notlage. Läuft die Kündigungsfrist noch, drohen regelmäßig weder Räumungsklage noch Zwangsräumung.
Allein der Wunsch nach einer größeren oder anderen Wohnung begründet keinen Eildruck. Erst wenn konkret Obdachlosigkeit droht oder vergleichbar gravierende Nachteile, kann Eilrechtsschutz greifen.
Leitplanken aus der RechtsprechungMehrere Entscheidungen bringen die Linie klar auf den Punkt: Es besteht kein Anspruch auf eine pauschale Zusicherung der Unterkunftskostenübernahme „für irgendeine Wohnung“, denn maßgeblich ist stets ein konkretes, bestimmtes Angebot.
Ohne ein solches Wohnungsangebot gibt es im Vorfeld keine Zusicherung der neuen Mietkosten. Eine Zusicherung kann nur verlangt werden, wenn die zukünftigen Kosten der Unterkunft der Höhe nach feststehen – eine Sicht, die die Rechtsprechung seit Jahren teilt.Was heißt das praktisch?
Die Praxis kennt viele Missverständnisse. Diese Übersicht hilft bei der Einordnung:
Das gilt Das gilt nicht Zusicherung nur für eine konkrete Wohnung mit feststehender Miethöhe. Keine pauschale Zusage „für irgendeine Wohnung“ innerhalb/außerhalb der Richtwerte. Prüfung der Angemessenheit nach örtlichen Richtwerten(„schlüssiges Konzept“), Personenzahl, Besonderheiten. Keine abstrakte Vorab-Bewertung von Größe (z. B. 65 m²) ohne konkretes Angebot. Umzugs- und Beschaffungskosten sind möglich, wenn vorherzugesichert. Kein Kostenersatz ohne Zusicherung bzw. bei bloßer Absichtserklärung. Eilrechtsschutz nur bei konkreter Notlage (z. B. drohende Obdachlosigkeit). Kein Eilrechtsschutz bei bloßem Wechselwunsch ohne akute Gefahr.(Hinweis: Örtliche Richtwerte und Konzepte veröffentlicht meist der jeweilige Kreis/die Stadt.)
Ausnahmen & Spielräume: Wann kann eine teurere Wohnung trotzdem sein?Im Einzelfall kann eine Zusicherung auch oberhalb der Normwerte in Betracht kommen – etwa bei behinderungsbedingtem Mehrbedarf (barrierefreier Zuschnitt), alleinerziehenden Eltern mit besonderem Platzbedarf, medizinisch belegten Härten oder wenn am Markt keine angemessenen Wohnungen verfügbar sind und ein zeitlich befristeter Mehrbedarf vertretbar erscheint.
Aber: Auch dann braucht es ein konkretes Angebot, eine saubere Begründung und regelmäßig Nachweise (Atteste, erfolglose Wohnraumsuche etc.).
So gehen Betroffene richtig vor- Wohnungsangebot sichern: Exposé/Mietangebot mit genauer Miethöhe (Kaltmiete, kalte NK, Heizung), Größe, Adresse.
- Zusicherung vor Vertragsunterschrift beim Jobcenter beantragen; auf § 22 Abs. 4 und 6 SGB II verweisen.
- Begründung beifügen: Warum ist der Umzug erforderlich? Warum ist das Angebot (noch) angemessen bzw. warum ausnahmsweise höher?
- Fristen beachten: Reaktionszeit des Jobcenters einkalkulieren; bei drohenden Fristabläufen Eilantrag erst, wenn konkrete Nachteile absehbar sind.
- Beratung nutzen: Beratungshilfe beim Amtsgericht, Sozialberatungen und Mietervereine können unterstützen.
Gerichte entscheiden hier keineswegs „gegen die Praxis“, sondern bestätigen eine Grundregel: Das Jobcenter soll Steuergeld nur dann verbindlich zusagen, wenn klar ist, wofür. Das schützt auch Leistungsberechtigte: Mit Zusicherung gibt es Planungssicherheit – ohne bleibt alles vage.
RechtstippBürgergeld-Beziehende haben keinen Anspruch auf eine pauschale Zusicherung „für irgendeine Unterkunft“. Entscheidend sind konkret: Adresse, Größe, Kosten.
Ohne konkretes Angebot keine Zusicherung der neuen Mietkosten. Erst das Angebot ermöglicht die Angemessenheitsprüfung.
Zukünftige KdU müssen der Höhe nach bestimmt sein; diese Linie ist seit Jahren gefestigt.
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Ab welchem Einkommen wird die Witwenrente jetzt gekürzt?
Die Witwenrente soll Menschen nach dem Tod des Partners vor plötzlicher Einkommenslücke schützen. Allerdings prüft die Rentenversicherung, ob der Hinterbliebene eigenes Einkommen bezieht – und kürzt die Rente, sobald ein bestimmter Freibetrag überschritten wird. Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass die Leistung nur dort voll greift, wo tatsächlich Bedarf besteht.
Der aktuelle Freibetrag ab 1. Juli 2025Seit dem 1. Juli 2025 gilt bundesweit ein monatlicher Freibetrag von 1 076,86 Euro. Der Wert resultiert aus der gesetzlich vorgeschriebenen Formel 26,4 × aktueller Rentenwert; nach der jüngsten Rentenerhöhung beträgt dieser 40,79 Euro. Erstmals gibt es keinen Ost-/West-Unterschied mehr.
Monatliches Nettoeinkommen des Hinterbliebenen Kürzungs-betrag der Witwenrente* 900 € 0 € 1 050 € 0 € 1 076,86 € 0 € 1 100 € 9,26 € 1 200 € 49,26 € 1 400 € 129,26 € 1 800 € 289,26 €* Die Kürzung entspricht 40 % des Betrags, der den bundesweiten Freibetrag von 1 076,86 € (gültig vom 1. Juli 2025 bis 30. Juni 2026) übersteigt.
Kinder erhöhen den SpielraumLebt mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind im Haushalt, steigt der Freibetrag pro Kind um 228,42 Euro. Familien können daher deutlich höhere Nettoeinkünfte erzielen, bevor eine Kürzung greift.
So wird das anrechenbare Nettoeinkommen berechnetBei Arbeits- oder Beamtengehältern zieht die Rentenversicherung pauschal 40 Prozent für Steuern und Sozialabgaben vom Brutto ab, um das Nettoeinkommen zu ermitteln. Bei Renten oder Versorgungsbezügen beträgt der Pauschalabzug 14 Prozent. Erst das so ermittelte Nettoeinkommen wird mit dem Freibetrag verglichen.
Welche Einkünfte berücksichtigt werdenAngerechnet werden nahezu alle Einkommensarten: Löhne, Gewinne aus Selbstständigkeit, Krankengeld, Renten aus der gesetzlichen oder betrieblichen Altersversorgung, Miet- und Pachteinnahmen sowie Kapitalerträge. Steuerfreie Leistungen wie Bürgergeld oder Grundsicherung bleiben dagegen außen vor.
Die 40-Prozent-Regel in der PraxisLiegt das Nettoeinkommen beispielsweise 300 Euro über dem Freibetrag, werden davon 120 Euro (40 %) abgezogen und die Witwenrente um genau diesen Betrag gekürzt. Unterschreitet das eigene Einkommen die Freigrenze, bleibt die Rente unberührt.
Drei Monate Schonfrist – das SterbevierteljahrIn den ersten drei Kalendermonaten nach dem Tod des Versicherten wird überhaupt kein Einkommen angerechnet. Die volle Rente hilft, kurzfristige Belastungen – etwa Beerdigungskosten – aufzufangen.
Große und kleine WitwenrenteDie große Witwen- bzw. Witwerrente beläuft sich auf 55 Prozent der Rente des Verstorbenen; die kleine Variante beträgt 25 Prozent und ist zeitlich befristet. Die Einkommensanrechnung gilt für beide Formen gleichermaßen.
Dynamische Freibeträge und aufgehobene Ost-/West-GrenzeDer Freibetrag steigt jedes Jahr zum 1. Juli mit dem aktuellen Rentenwert. Seit 2024 wird nur noch ein bundesweit einheitlicher Wert ausgewiesen, weil der Rentenwert Ost an den Rentenwert West angeglichen wurde.
Wenn die Rente ganz wegfälltSteigt das anrechenbare Einkommen so stark, dass der Abzugsbetrag die Witwenrente vollständig aufzehrt, spricht man von der „Nullrente“. Rund 538 000 Hinterbliebene waren 2025 davon betroffen – ein Hinweis darauf, wie relevant das eigene Einkommen für den Leistungsanspruch ist.
Rechtsgrundlage der EinkommensanrechnungDas Verfahren stützt sich auf § 97 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Hier ist geregelt, dass 40 Prozent des Nettoeinkommens oberhalb eines jährlich neu festgelegten Freibetrags auf die Hinterbliebenenrente angerechnet werden. Die Deutsche Rentenversicherung erläutert dieses Prinzip in ihrem Glossar zur „Einkommensanrechnung“.
FazitOb und in welchem Umfang die Witwen- oder Witwerrente gekürzt wird, hängt maßgeblich vom eigenen Nettoeinkommen ab. Wer den Freibetrag von derzeit 1 076,86 Euro überschreitet, muss 40 Prozent des übersteigenden Betrags als Abzug hinnehmen. Kinder erhöhen die Freigrenze, und in den ersten drei Monaten nach dem Todesfall gilt noch eine Schonfrist. Wer seine finanzielle Situation kennt und die jährlichen Anpassungen im Blick behält, kann das Risiko einer späteren Kürzung besser einschätzen.
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Rente: Kein Versorgungsausgleich – OLG stoppt Rententeilung nach Trennungsjahr
Wenn Ehepaare sich über Jahrzehnte getrennt leben, ohne ihre Ehe formell zu beenden, kann das den Versorgungsausgleich massiv verzerren. Genau das hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg klargestellt:
Bei extrem langer Trennung und vollständiger wirtschaftlicher Entflechtung ist der Versorgungsausgleich zeitlich zu begrenzen – und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem nach dem Trennungsjahr erstmals ein Scheidungsantrag hätte gestellt werden können.
Der Fall: Eheschließung, frühe Trennung – späte ScheidungEin Paar heiratete Mitte der 1980er Jahre, lebte gut zehn Jahre zusammen und trennte sich Mitte der 1990er. Die Scheidung erfolgte jedoch erst 2024. Das Amtsgericht hatte den Versorgungsausgleich trotzdem über die gesamte Ehezeit durchgeführt – also bis Ende 2023.
Das hätte bedeutet: fast drei Jahrzehnte Trennungszeit fließen in die Rententeilung ein, obwohl die Eheleute längst getrennte Wege gingen und ökonomisch nichts mehr miteinander zu tun hatten.
Dagegen wehrte sich die Ehefrau – mit Erfolg. Das OLG Brandenburg kappte den Ausgleich: Nur die Anrechte bis kurz nach Ablauf des Trennungsjahres werden geteilt, danach bleiben die während der langen Trennung erworbenen Rentenpunkte außen vor.
Warum das wichtig istDer Versorgungsausgleich folgt dem Grundgedanken, dass Ehe auch Versorgungsgemeinschaft ist. Wer gemeinsam lebt, teilt Verantwortung – auch für die Altersvorsorge. Dieser Gedanke trägt aber nicht mehr, wenn die Ehe faktisch seit Jahrzehnten nicht mehr gelebt wird und keine finanziellen Verflechtungen bestehen.
Eine schematische Teilung „bis zum letzten Tag“ der Ehe würde in solchen Konstellationen ins Leere laufen – und wäre grob unbillig (§ 27 VersAusglG).
Der rechtliche Dreh: „grob unbillig“ nach § 27 VersAusglGDie Härteklausel des § 27 VersAusglG erlaubt es Gerichten, den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise auszuschließen, wenn seine Durchführung im Ergebnis unerträglich ungerecht wäre. Das ist kein Automatismus bei langer Trennung, sondern eine Gesamtabwägung im Einzelfall:
Dauer der Trennung, gelebte wirtschaftliche Unabhängigkeit, fehlende finanzielle Verbindung und das Missverhältnis zwischen kurzer gemeinsamer Lebensphase und sehr langer Trennungszeit.
Konsequenz des OLG: Maßgeblich ist nicht das bloße Dauerverheiratetsein auf dem Papier, sondern der frühestmögliche Scheidungstermin nach Ablauf des Trennungsjahres.
Ab diesem Stichtag bleiben Anrechte in der Regel vom Ausgleich verschont, sofern – wie hier – die wirtschaftliche Entflechtung vollständig war.
Was das Urteil nicht sagtEine lange Trennung allein reicht nicht. Wer trotz Trennung weiterhin wirtschaftlich verbunden ist – etwa durch Unterhalt, gemeinsame Kredite oder anderweitige Vermögensverflechtungen – kann sich auf diese Entscheidung nicht ohne Weiteres berufen. Es bleibt bei der Prüfung des Einzelfalls.
Praxisrelevanz: So ordnest du deinen Fall einFür Betroffene schafft die Entscheidung Orientierung und Schutz vor realitätsfremden Ausgleichsansprüchen nach Jahrzehnten getrennter Lebensführung. Wichtig ist, die Fakten sauber zu dokumentieren: ab wann getrennt, wie wurde gewirtschaftet, gab es Unterhalt oder gemeinsame Schulden, wer hat welche Rentenpunkte in welcher Phase erworben?
Kompaktüberblick zum Fall Kernpunkt Konkrete Aussage Ausgangslage Ehe seit Mitte der 1980er, Trennung Mitte der 1990er, Scheidung 2024 Entscheidung AG Versorgungsausgleich für gesamte Ehezeit bis 31.12.2023 Entscheidung OLG Begrenzung: Ausgleich nur bis nach Ablauf des Trennungsjahres Rechtsgrundlage § 27 VersAusglG (grob unbillig) Begründung > 2/3 Trennungszeit, vollständige wirtschaftliche Entflechtung, Versorgungsgemeinschaft faktisch beendet Wichtig Nicht automatisch bei langer Trennung – Einzelfallprüfung Was man jetzt tun kannTrennungszeit belegen: Datum der Trennung, eigene Wohnung, getrennte Konten, kein gemeinsamer Haushalt.
Wirtschaftliche Entflechtung nachweisen: keine laufenden Zahlungen, keine gemeinsamen Verträge/Kredite, keine geldwerten Unterstützungen.
Sachgerecht beantragen: Im Scheidungsverbund ausdrücklich auf § 27 VersAusglG abstellen und die Begrenzung ab Ende Trennungsjahr beantragen.
Sonderzeiten beachten: Kindererziehungszeiten oder sonstige atypische Phasen können – wie im Fall – den Begrenzungsstichtag sachgerecht abrunden.
Das OLG Brandenburg rückt den Versorgungsausgleich wieder näher an die Lebenswirklichkeit: Was nicht mehr gemeinsam erwirtschaftet wird, muss nicht mehr geteilt werden. Für lange getrennt lebende Paare ist das ein wichtiges Signal – und eine Einladung, die eigene Beweislage rechtzeitig zu ordnen.
Wer jahrzehntelang ohne jedes finanzielle Band getrennt lebt, muss sich nicht für alle späteren Erwerbsjahre eine hälftige Rentenkürzung gefallen lassen.
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Umzug mit Schwerbehinderung: So bleibt dein GdB sicher – auch im Ausland
Ein neuer Wohnort, dieselben Rechte? Wer mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) umzieht, hat viele Fragen: Bleibt der Status bestehen? Muss ich neu begutachtet werden? Was gilt bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland – und was, wenn es ins EU-Ausland geht?
Umzug innerhalb Deutschlands: GdB bleibt, Zuständigkeit wechseltDie gute Nachricht zuerst: GdB und Merkzeichen gelten bundesweit. Grundlage sind das SGB IX und die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) – beides Bundesrecht, das in allen Ländern einheitlich angewandt wird. Ein Umzug ändert deshalb nicht automatisch den Status.
Wichtig in der Praxis: Nach der Ummeldung ist die Feststellungsbehörde am neuen Wohnort (Versorgungsamt/Landesamt) zuständig. Sie lässt sich die Akte übersenden; eine Neufeststellung erfolgt nur, wenn dies rechtlich geboten ist (z. B. wesentliche Gesundheitsänderung, Befristungsende) oder wenn ein Änderungsantrag gestellt worden ist.
Ausweis ≠ Status: Befristung im Blick behaltenDer Schwerbehindertenausweis ist oft bis zu 5 Jahre befristet; er kann verlängert bzw. neu ausgestellt werden. Unbefristete Ausweise sind möglich, aber die Ausnahme. Das berührt den Status (GdB/Merkzeichen) nicht – er bleibt bestehen, solange keine Neufeststellung ansteht.
Behördenpraxis: Nach dem Umzug stellen viele Ämter einen neuen Ausweis mit neuem Geschäftszeichen aus – ohne inhaltliche Änderung. Zuständigkeiten und Anlaufstellen ändern sich, die Rechtsfolgen (z. B. Nachteilsausgleiche) bleiben gleich.
Umzug ins Ausland (EU/EWR/Schweiz): Keine automatische GdB-ÜbernahmeBeim dauerhaften Umzug in ein anderes EU-Land gilt: Der deutsche GdB wird dort nicht automatisch als nationaler Behindertenstatus anerkannt. Sozial- und Nachteilsausgleichsrechte sind Sache der Mitgliedstaaten.
Man muss im Zielland in aller Regel eine eigene Feststellung nach dortigem Recht durchlaufen; die EU-Koordinierung (VO 883/2004) harmonisiert die nationalen Definitionen nicht, sie koordiniert nur Leistungsansprüche.
Was dennoch hilft: EU-Parkausweis & neue EU-Disability CardDer europäische Parkausweis (blaues Modell) wird in der EU wechselseitig anerkannt – Parkerleichterungen gelten grenzüberschreitend.
Neu kommt die EU-Disability Card samt modernisiertem EU-Parkausweis: Die Richtlinien sind seit 14. November 2024 im Amtsblatt; die Mitgliedstaaten haben bis 2028 Zeit, sie vollständig umzusetzen.
Die Card dient als Nachweis des Behindertenstatus bei Kurzaufenthalten (Reise, Studium, Events) und soll Ermäßigungen/Assistenz erleichtern – ohne nationale Sozialleistungen automatisch zu übertragen.
Konsequenz: Für den Dauerumzug zählt das nationale Verfahren im Zielland. Für Reisen/Kurzaufenthalte erleichtert die EU-Disability Card künftig den Zugang zu Vergünstigungen; bis zur flächendeckenden Einführung bleibt der EU-Parkausweis das zentrale Instrument.
So gehst du beim Umzug konkret vorA) Innerhalb Deutschlands
Der Umzug ist bei der neuen Feststellungsbehörde zu melden; hierfür sind Schwerbehindertenausweis und Feststellungsbescheid bereitzuhalten. Die Befristung des Ausweises ist zu prüfen, eine rechtzeitige Neuausstellung bzw. Verlängerung zu beantragen – der Status (GdB/Merkzeichen) bleibt davon unberührt.
Anschließend werden die Nachteilsausgleiche am neuen Wohnort neu beantragt oder umgeschrieben, etwa für den ÖPNV, Parkerleichterungen und gegebenenfalls den Rundfunkbeitrag.
B) Umzug ins EU-Ausland
Erforderlich ist die Zusammenstellung einer vollständigen Unterlagenmappe mit Feststellungsbescheid, Schwerbehindertenausweis, ärztlichen Befunden samt ICD-Codes sowie Reha- und sonstigen Gutachten.
Hierzu sollten beglaubigte Übersetzungen durch vereidigte Übersetzer angefertigt werden; in den Übersetzungen ist der „Grad der Behinderung (GdB), Skala 20–100 in 10er-Schritten“ einschließlich der Merkzeichen (G, aG, H, Bl, RF) kurz zu erläutern.
Der EU-Parkausweis sollte mitgeführt werden; perspektivisch kommt die Nutzung der EU-Disability-Card in Betracht, sobald diese im Zielland verfügbar ist. Zudem empfiehlt sich die frühzeitige Klärung, welche Stelle im Zielland den Behindertenstatus feststellt – in der Regel eine Sozial- oder Gesundheitsbehörde.
Kompaktüberblick Situation Das gilt / Dein To-do Umzug in anderes Bundesland GdB/Merkzeichen gelten weiter; neue Zuständigkeit am Wohnort. Nur bei Befristungsende, wesentlicher Änderung oder Antrag erfolgt Neufeststellung. Ausweis läuft ab Neu ausstellen/verlängern (bis zu 5 Jahre; ausnahmsweise unbefristet). Status bleibt bestehen. Dauerumzug ins EU-Ausland Keine automatische Anerkennung des deutschen GdB; nationales Verfahren im Zielland nötig. Reisen/Kurzaufenthalte in der EU EU-Parkausweis jetzt; EU-Disability Card kommt bis 2028 schrittweise hinzu (Nachweis, keine Sozialleistungen). Häufige Irrtümer – kurz erklärt„Neues Bundesland = neuer GdB.“
Falsch. Die VersMedV gilt bundeseinheitlich; der Wohnortwechsel ändert den Status nicht automatisch.
„Im Ausland zählt mein deutscher GdB überall.“
So pauschal nicht. Anerkennung und Nachteilsausgleiche sind national; EU-Recht koordiniert vor allem Leistungsansprüche, harmonisiert aber keine GdB-Definition.
„Die neue EU-Card löst alles.“
Nein. Sie erleichtert Kurzaufenthalte (Ermäßigungen, Priorität, Assistenz), ersetzt aber kein nationales Feststellungsverfahren und überträgt keine Sozialleistungen.
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Schwerbehinderung: Gericht stoppte Behörden-Willkür bei dem Grad der Behinderung
Ein aktueller Fall aus Baden-Württemberg zeigt, wie Versorgungsämter manchmal Anträge von Menschen mit Behinderung ignorieren. Eine Rentnerin wollte ihren Grad der Behinderung (GdB) überprüfen lassen. Ihr bisheriger GdB von 40 reichte nicht für einen Schwerbehindertenausweis.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg verpflichtete die Behörde daraufhin, sämtliche Anträge erneut zu prüfen und dabei aktuelle medizinische Befunde zu berücksichtigen. Dieses Beispiel zeigt, dass auch abgelehnte oder nicht bearbeitete Anträge weiterhin Aussicht auf Erfolg haben können.
Der konkrete Fall: Aus 40 wird (eventuell) 50 oder mehrIm Dezember 2024 entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen L 8 SB 2779) über die Klage einer älteren Frau, deren Gesundheitszustand sich eigenen Angaben zufolge verschlechtert hatte.
Seit Jahren kämpfte sie um einen GdB, der ihr Zugang zu einem Schwerbehindertenausweis verschaffen würde. Die zuständige Behörde jedoch bearbeitete neue Unterlagen nicht oder lehnte sie ab.
Obwohl das Gericht letztlich keinen Anspruch auf einen bestimmten GdB anerkannte, hob es deutlich hervor:
Die Behörde ist verpflichtet, jede neue Verschlechterung zu bewerten und auf Basis aktueller medizinischer Befunde zu entscheiden. Ignoriert sie solche Anträge, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf umfassende Prüfung vor. Die Sachlage muss also gründlich ermittelt werden, anstatt bloß pauschal zu verneinen.
Vorteil für Betroffene: Sie können sich darauf berufen, dass jedes Versäumnis der Behörde nicht zulasten des Antragstellers gehen darf. Wer umfangreiche ärztliche Unterlagen einreicht, hat somit bessere Chancen auf eine angemessene GdB-Festsetzung oder Zuerkennung von Merkzeichen.
Woran es scheiterte: Die Untätigkeit des VersorgungsamtsViele Antragsteller kennen das Problem: Sie senden Formulare, Atteste oder Gutachten an das zuständige Amt, hören dann aber monatelang nichts. Bei der Klägerin aus diesem Fall war die Situation besonders klar: Das Versorgungsamt hatte die Unterlagen nicht nur abgelehnt, sondern teilweise gar nicht erst beschieden.
Laut SGB müssen Behörden innerhalb einer angemessenen Frist entscheiden. Das Gericht wies deshalb ausdrücklich darauf hin, dass die Institution keine Rechtfertigung dafür hatte, monatelang zu schweigen.
Auch wenn jemand die Bearbeitung erschwert (z. B. durch fehlende Schweigepflichtentbindungen), muss das Amt mindestens einen Versagungsbescheid erteilen und diesen begründen. Damit wäre dann der Rechtsweg für eine Anfechtung eröffnet.
Das Gerichtsurteil: Keine automatische Erhöhung, aber Recht auf PrüfungDas LSG Baden-Württemberg forderte die Behörde auf, sämtliche Anträge der Frau erneut zu bearbeiten. Dabei müsse der aktuelle Gesundheitszustand gründlich untersucht werden.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Frau automatisch einen Schwerbehindertenausweis oder höhere Merkzeichen erhält. Das Gericht verlangte lediglich eine sachliche und zügige Entscheidung.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Antragsteller zu hohe Erwartungen haben: Ein Urteil, das eine neue Prüfung anordnet, heißt nicht zwangsläufig, dass die Behörde am Ende zustimmen muss.
Allerdings sind Behörden verpflichtet, nachvollziehbar darzulegen, warum sie einen GdB nicht erhöhen. Diese Begründung muss sich auf fundierte Stellungnahmen stützen.
Wer einen Schwerbehindertenausweis brauchtViele Menschen unterschätzen, welche Vorteile ein Schwerbehindertenausweis bietet. Mit Merkzeichen wie „G“ (Gehbehinderung) oder „H“ (Hilflosigkeit) können Betroffene Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen, etwa beim Parken auf ausgewiesenen Flächen oder bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.
Der rechtliche Rahmen ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB). Das Versorgungsamt – in Baden-Württemberg häufig dem örtlichen Landratsamt zugeordnet – entscheidet über die Zuerkennung des GdB und stellt bei mindestens 50 den eigentlichen Ausweis aus.
Wer bereits mit gesundheitlichen Einschränkungen lebt, sollte deshalb frühzeitig abklären, ob bestimmte Nachweise für eine höhere GdB-Bewertung ausreichen. Nach einem Bescheid über den GdB lohnt es sich zudem, regelmäßig zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert hat. In solchen Fällen dürfen Behörden neue Befunde nicht einfach ignorieren.
Häufige Stolpersteine bei VerschlechterungsanträgenZunächst glauben viele, dass sie nur einen formellen Antrag stellen müssen und sich der Rest von selbst ergibt. Doch gerade beim GdB führen Behörden oft umfangreiche Ermittlungen durch. Wer unvollständige Unterlagen einreicht oder lange Wartezeiten duldet, riskiert eine Ablehnung aus formalen Gründen.
Ebenso kann es passieren, dass man selbst ärztliche Gutachten blockiert, weil man keine Schweigepflichtentbindung erteilen will.
Dann darf die Behörde eine Entscheidung ebenfalls ablehnen, wenn sie die gesundheitliche Lage nicht beurteilen kann. Trotzdem muss sie darüber schriftlich befinden und darf den Antrag nicht einfach sang- und klanglos liegen lassen.
Praxisbeispiel: So setzen Sie Ihr Recht durchAngenommen, Ihre Mobilität ist durch eine chronische Erkrankung stark eingeschränkt. Ihr letzter anerkannter GdB liegt bei 40. Nun stellen Sie fest, dass sich Ihr Zustand durch neue, ärztlich bestätigte Diagnosen verschlechtert hat. Sie schicken alle Befunde an das Versorgungsamt, schreiben einen formlosen Antrag auf Erhöhung und weisen klar auf zusätzliche Einschränkungen hin.
Kommt binnen einiger Monate keine Antwort, schicken Sie eine schriftliche Erinnerung. Verstreicht die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten, können Sie Klage wegen Untätigkeit erheben.
Im Prozess würde das Sozialgericht die Behörde auffordern, eine Entscheidung zu treffen. Wird dann immer noch abgelehnt, muss eine ordentliche Begründung folgen.
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Bürgergeld: Jobcenter zieht Taschengeld ab – Bagatellgrenze hilft hier nicht
Auch ein geringes monatliches Taschengeld, das eine Mutter ihrer Tochter überweist, wird vom Jobcenter als bedarfsminderndes Einkommen von den Leistungen abgezogen. Eine solche Anrechnung ist nicht grob unbillig; ein Verweis auf eine „Bagatellsumme“ greift nicht. Das entschied das Sozialgericht Gelsenkirchen Az: S 44 AS 3425/18.
15,34 Euro Taschengeld pro MonatDie Tochter erhielt Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II (früher Hartz IV, heute Bürgergeld). Ihre Mutter überwies ihr monatlich 15,34 Euro als frei verfügbares Taschengeld, das die Tochter für Freizeitaktivitäten verwendete.
Jobcenter rechnet Taschengeld anDas zuständige Jobcenter wertete das Taschengeld als Einkommen und zog den Betrag von den SGB-II-Leistungen ab. Die Betroffene klagte und hielt die Anrechnung für grob unbillig.
Das Gericht weist die Klage ab – Maßstab § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB IIDie Richter verwiesen auf § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II: Zuwendungen Dritter bleiben nur unberücksichtigt, soweit ihre Anrechnung für Leistungsberechtigte grob unbillig wäre. Dies sah das Gericht nicht:
Taschengeld sei weder zweckgebunden noch einem höherrangigen gesellschaftlichen Zweck zugeordnet, daher als Einkommen zu berücksichtigen.
Keine „Bagatellgrenze“ zugunsten der LeistungsberechtigtenEin pauschaler Verweis auf 10-Euro-Bagatellen geht fehl: Die 10-Euro-Grenze aus § 1 Nr. 1 der (heutigen) Bürgergeld-Verordnung (früher Alg II-V) dient primär der Verwaltungsökonomie – sie ist kein Freibetrag und schützt nicht generell vor Anrechnung. Beträge über 10 Euro sind in voller Höhe zu berücksichtigen. Im Fall Gelsenkirchen (15,34 Euro) greift die Bagatellgrenze daher nicht.
Nicht immer wird Taschengeld angerechnet – Abgrenzung SG DüsseldorfAnders entschied das Sozialgericht Düsseldorf im Urteil vom 07.06.2017 – S 12 AS 3570/15: Dort durfte der Kläger 50 Euro monatlich behalten, weil das Geld zweckgebunden zur Bewerbungsfinanzierung bzw. Tilgung eines Existenzgründungs-Darlehens eingesetzt wurde.
In dieser Konstellation wäre eine Anrechnung grob unbillig. Entscheidend war nicht die schlichte Geringfügigkeit, sondern der belegte Zweck.
Praxis-Kern: Zweckbindung schlägt „Taschengeld“Zweckgebundene Zuwendung (z. B. ausdrücklich für Bewerbungen, Arbeitsaufnahme, notwendige Arbeitsmittel oder zur Schuldenregulierung eines Gründungsdarlehens) kann ausnahmsweise nach § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II anrechnungsfrei sein – wenn der Zweck konkret ist und die Verwendung nachweisbar erfolgt.
„Taschengeld zur freien Verfügung“ ist regelmäßig anzurechnen, weil es ohne höheren Zweck gewährt wird.
Die Rechtsprechung betont, dass Einzelfallumstände zählen. So hat die höchstrichterliche Linie (BSG) Fälle anerkannt, in denen die Anrechnung bestimmter Zuwendungen – etwa Trinkgelder oder zweckgebundene Unterstützungen – grob unbillig sein kann.
Maßgeblich sind Zweck, sozialer Bezug und die Folgen einer Anrechnung. Pauschale Freibeträge für „Geschenke“ gibt es nicht.
Woran Jobcenter bei der Prüfung festmachen (Checkliste für Betroffene)
- Zweck schriftlich festhalten: Verwendungszweck schon bei der Überweisung angeben (z. B. „nur für Bewerbungen/Arbeitsmittel“). Quittungen sammeln.
- Nachweise vorlegen: Bewerbungsbelege, Rechnung für Arbeitsmittel, Tilgungspläne bei Gründungsdarlehen.
- Abgrenzung zu Geschenken: „Freie“ Geschenke/Taschengeld → Anrechnung wahrscheinlich. Zweckgebundene Förderung → Einzelfallprüfung nach § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II.
- Bagatellregel realistisch einordnen: 10 Euro/Monat sind keine Schonung für beliebige Zuflüsse; sie vermeiden nur unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand. Additionen gleichartiger Einnahmen sind zu beachten.
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Die neue End-of-Life-Verordnung trifft vor allem Bürgergeld-Bezieher und Rentner
Die EU‐Umweltminister haben am 17. Juni 2025 ihre gemeinsame Position zur neuen Verordnung über das Lebensende von Fahrzeugen (End-of-Life-Vehicles-Regulation, ELV) verabschiedet. Vor allem Rentnerinnen und Rentner sowie Sozialleistungsbeziehende sind davon betroffen, da ältere gebrauchte PKW´s künftig nicht ohne Mehrkosten verkauft werden können.
Es rückt also eine Regelung näher, die den Verkauf gebrauchter Pkw, Transporter und Motorräder an strengere Nachweispflichten knüpft. Die Maßnahme ist Teil des europäischen Green Deal und soll Rohstoffe im Kreislauf halten sowie den Export von Schrottfahrzeugen in Drittstaaten eindämmen.
Um was geht es genau?Im Kern ersetzt der Vorschlag zwei bisherige Richtlinien – die Altfahrzeug-Richtlinie von 2000 und die 3R-Typgenehmigungsrichtlinie von 2005 – durch ein einheitliches Regelwerk. Die Kommission verweist darauf, dass jedes Jahr rund 6,5 Millionen Fahrzeuge ihr Lebensende erreichen, aber große Mengen an Kunststoffen, Metallen und Elektronik unzureichend recycelt werden.
Künftig entscheidet ein mehrstufiger Kriterienkatalog, ob ein Wagen als „irreparabel“ – und damit als Abfall – gilt. Diese Einstufung bleibt zwar in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, muss aber unionsweit identisch angewandt werden.
Nachweispflicht vor jedem BesitzerwechselIm Kern ist es eine neue Pflicht, bei der in jeder Eigentumsübertragung nachzuweisen ist, dass das Fahrzeug kein “End-of-Life-Vehicle” ist. Akzeptiert wird entweder ein aktueller TÜV-Bericht oder ein kostenintensives Gutachten eines anerkannten Sachverständigen.
Die Vorgabe betrifft Privatpersonen ebenso wie Händler – ausdrücklich auch dann, wenn sie den Wagen auf digitalen Plattformen anbieten. Verkäufe, die ausschließlich offline und ohne Internetanzeige zwischen Privatleuten abgewickelt werden, sind davon ausgenommen, gelten in der Praxis aber nur noch als Nischenfall.
Offline-Geschäfte sind keine SchonzoneSelbst wenn ein Gebrauchtwagen klassisch über den Zettel hinter der Windschutzscheibe einen neuen Besitzer findet, verlangen die Brüsseler Regeln, dass das Auto verkehrssicher ist.
Ohne bestandene Hauptuntersuchung oder ein Fachgutachten kann das Fahrzeug offiziell als irreparabel eingestuft werden. Spätestens dann greifen die strengsten Passagen der Verordnung.
Irreparabilität führt zur SofortverwertungArtikel 26 des Entwurfs verpflichtet Halter, ein als irreparabel bewertetes Fahrzeug „ohne unangemessene Verzögerung“ in eine zugelassene Verwertungsanlage zu bringen und der Zulassungsbehörde anschließend die Verschrottungsbescheinigung vorzulegen.
Die EU will damit verhindern, dass funktionsuntüchtige Autos über Jahre auf Privatgrundstücken oder in Garagen lagern oder in Länder außerhalb der Union exportiert werden, wo eine umweltgerechte Entsorgung nicht gewährleistet ist.
Folgen für GebrauchtwagenhandelFür Verkäufer steigen die Kosten, weil neben dem Gutachten mögliche Reparaturen anfallen, um den Wagen überhaupt als „nicht ELV“ deklarieren zu können. Wer exportieren möchte, braucht zusätzlich eine Bestätigung der Straßentauglichkeit aus dem letzten Zulassungsstaat. Fahrzeuge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, dürfen den Zoll nicht passieren.
Kritik von ADAC und BundesländernDer ADAC spricht von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht und warnt vor einer Entwertung älterer Fahrzeuge, sollten Halter den Beweis ihrer Verkehrstauglichkeit nicht erbringen können. Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter hält die Nachweispflicht für unzumutbar, da sie Bürokratie aufbaut, aber „keinen Mehrwert schaffe“.
Die Argumente der KommissionKommission und Rat halten dagegen, dass jährlich Tausende Schrottfahrzeuge mit manipulierten Papieren außer Landes gehen. Die Verordnung verknüpfe künftig Zulassungs‐, Recycling‐ und Zollsysteme digital und schaffe so einen geschlossenen Datenstrom vom Hersteller bis zur Verschrottung.
Die Pflicht zur Vorlage eines „Circularity Vehicle Passport“ soll außerdem sicherstellen, dass Materialien wie Kunststoffe oder seltene Erden wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen.
Der weitere ZeitplanNachdem der Rat seine Position beschlossen hat, stehen nun Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament an. Die federführenden Ausschüsse ENVI und IMCO haben ihren Bericht Anfang Juli gebilligt; eine Plenarabstimmung ist für die Sitzungswoche vom 8. bis 11. September 2025 eingeplant.
Kommen Parlament und Rat bis Jahresende zusammen, könnte die Verordnung Anfang 2026 in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten müssten sie dann binnen zwölf Monaten anwenden – und Millionen Halter stünden vor neuen Pflichten beim nächsten Autoverkauf.
AusblickOb die End-of-Life-Verordnung am Ende eher Umwelt- oder Eigentumsinteressen dient, entscheidet sich an ihrer praktischen Umsetzung.
Klar ist schon jetzt: Wer künftig einen Gebrauchtwagen verkaufen will, muss sich weit mehr als bisher mit technischen Nachweisen, digitalen Papieren und möglichen Entsorgungsauflagen befassen. Für Liebhaber von Youngtimern und Restauratoren bleiben noch offene Fragen, doch die politische Mehrheit in Brüssel scheint fest entschlossen, den Autokreislauf strenger zu schließen.
Betroffen sind vor allem diejenigen, deren Einkommen niedrig ist und ein älteres Auto verkaufen wollen.
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Rente: Altersgrenze erreicht? Mit diesem Trick bleibt der Job trotzdem bestehen
Viele Arbeitnehmer möchten den Beginn der Altersrente hinausschieben. Auch Arbeitgeber haben oft ein Interesse daran, erfahrene Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, denn diese verfügen über wertvolles Branchenwissen. Hier werden die rechtlichen Grundlagen erklärt, um das Ende des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben.
Sie können eine Vereinbarung schließenDer Paragraf 41, Satz 3 des Sozialgesetzbuches VI regelt das Hinausschieben der Beendigung des vertraglichen Arbeitsverhältnisses aufgrund des Rentenbeginns. Er eröffnet die Möglichkeit, eine sogenannte Hinausschiebensvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schließen.
Voraussetzung ist, dass es im Arbeits- oder Tarifvertrag (oder in einer Betriebsvereinbarung) überhaupt eine wirksame Altersgrenzenklausel gibt, nach der das Arbeitsverhältnis beim Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Fehlt eine solche Klausel, endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch – dann gibt es rechtlich nichts „hinauszuschieben“.
Die Vereinbarung macht eine Ausnahme von dem ansonsten im Arbeitsvertrag festgelegten Ende beim Erreichen der Regelaltersgrenze.
Welchen Vorteil bietet die Vereinbarung?Ein neuer befristeter Arbeitsvertrag eines Beschäftigten im Rentenalter muss grundsätzlich sachlich begründet werden. Eine Vereinbarung zur Weiterbeschäftigung nach § 41 Satz 3 SGB VI bedarf hingegen keiner sachlichen Begründung.
Das Bundesarbeitsgericht hat 2018 klargestellt, dass dieses Hinausschieben ohne Sachgrund sowohl mit dem Unionsrecht als auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist (7 AZR 70/17). Rechtlich bewegen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer damit auf sicherem Terrain.
Sie können also in Absprache mit Ihrem Arbeitgeber ohne zusätzliche Hürden weiterbeschäftigt werden, und zwar während des Rentenbezugs und obwohl das Arbeitsverhältnis bereits zuvor bestand.
Was sind die Voraussetzungen?Der Vereinbarung müssen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zustimmen. Sie muss schriftlich verfasst und von beiden Seiten unterzeichnet sein, und zwar rechtzeitig vor dem bisherigen Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses – also vor Erreichen der Regelaltersgrenze beziehungsweise vor Ablauf eines bereits hinausgeschobenen Datums.
Zwingend erforderlich ist zudem ein konkretes neues Beendigungsdatum („hinausschieben bis zum …“). Eine offene Formulierung „bis auf Weiteres“ genügt nicht.
Flexible FristenDiese Vereinbarung ist an keine Mindest- oder Höchstfristen gebunden, und sie kann mehrfach abgeschlossen werden. Sie können das einvernehmliche Ende Ihres Arbeitsverhältnisses also auch stufenweise verschieben.
Das verschafft Ihnen Spielraum, wenn sich etwa Ihr Gesundheitszustand ändert oder Sie neue Ziele setzen. Bleiben Sie belastbar und möchten weiterarbeiten, verlängern Sie die Frist erneut. Wenn Sie nicht mehr in dieser Form arbeiten können oder wollen, setzen Sie nach der ersten Vereinbarung einen Schlussstrich.
Bis jetzt nicht abschließend entschiedenBestimmte Fragen sind rechtlich noch ungeklärt. Insbesondere ist höchstrichterlich nicht abschließend entschieden, ob in derselben Hinausschiebensvereinbarung gleichzeitig andere Arbeitsbedingungen geändert werden dürfen – etwa eine reduzierte Arbeitszeit oder neue Aufgaben.
Rechtslage unsicherDa die Rechtslage hierzu unsicher ist, sollten Änderungen der Arbeitsstruktur, Aufgaben oder Arbeitszeit in einer gesonderten Zusatzvereinbarung dokumentiert werden – idealerweise in zeitlichem Abstand zur Hinausschiebensvereinbarung. So wird vermieden, dass die Befristung als solche infrage gestellt wird.
Was sind die Alternativen?Weitere Möglichkeiten, nach der Rente weiterzuarbeiten, sind geringfügige Beschäftigungen (Minijobs) oder befristete Beschäftigungen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Wichtig: Bei einer Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber ist eine sachgrundlose Befristung in der Regel wegen der Vorbeschäftigung nicht zulässig; dann braucht es einen Sachgrund.
In der Praxis ist § 41 Satz 3 SGB VI deshalb oft der schlankere und sichere Weg. Beim Minijob gelten zudem eigene sozialversicherungs- und steuerrechtliche Regeln, die separat zu prüfen sind.
Kurz-Check für die Praxis- Gibt es eine wirksame Altersgrenzenklausel im Vertrag/Tarif?
- Schriftliche Hinausschiebensvereinbarung vor dem bisherigen Endtermin abschließen.
- Konkretes Datum festlegen („bis zum …“).
- Änderungen der Arbeitsbedingungen separat und zeitversetzt regeln.
Der Beitrag Rente: Altersgrenze erreicht? Mit diesem Trick bleibt der Job trotzdem bestehen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Schwerbehinderung: Merkzeichen aG – Gericht setzt strenge Maßstäbe neu durch
Das Sozialgericht Braunschweig hat die Hürden für das Merkzeichen „aG“ erneut klargezogen. Entscheidend ist, wie mobil Sie außerhalb des Autos sind. Probleme beim Ein- und Aussteigen oder eine nur gelegentliche Sturzgefahr reichen nicht.
Das Gericht wies die Klage eines 1940 geborenen Mannes ab. Er hatte trotz GdB 80 das Merkzeichen aG verlangt, um Parkerleichterungen zu nutzen.
Voraussetzungen für „aG“: Wegstrecke außerhalb des FahrzeugsWer das Merkzeichen aG will, muss sich draußen dauerhaft nur mit großer Anstrengung oder fremder Hilfe bewegen können. Der Maßstab ist die reale Gehfähigkeit im öffentlichen Raum. Der Gesetzgeber hat diese Linie ausdrücklich festgelegt. Das Bundessozialgericht (BSG) bestätigte das im März 2023.
Das heißt: Zählen Sie Ihre Schritte ab dem ersten Tritt auf die Straße. Nicht im Fahrzeuginnenraum. Nicht in der Garage. Nur die unvermeidbaren Wege sind relevant. So soll das Merkzeichen Orte mit sehr kurzem Fußweg ermöglichen. Der Parkraum bleibt für die am stärksten eingeschränkten Personen reserviert.
Der konkrete Fall vor dem SG BraunschweigDer Kläger hatte mehrere orthopädische Leiden und eine Polyneuropathie. Der Gesamt-GdB lag bei 80. Er nutzte Unterarmgehstützen und teilweise einen Rollstuhl. Er argumentierte, er benötige eine weit geöffnete Autotür. Sonst könne er nicht sicher ein- und aussteigen. Außerdem bestehe Sturzgefahr. Das Gericht sah die Schwelle für „aG“ dennoch nicht erreicht.
Zwei Gutachten waren entscheidend. Ein orthopädischer und ein neurologischer Sachverständiger prüften die Gehfähigkeit. Beide kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis:
Der Mann kann mit Unterarmgehstützen noch brauchbare Strecken zurücklegen. Er muss nicht nach wenigen Schritten pausieren. Eine dauerhafte Rollstuhlpflicht auch für sehr kurze Wege liegt nicht vor.
Hinzu kam: Die Sturzgefahr war nicht so häufig und schwer, dass sie einen Rollstuhl ständig erfordern würde. Genau das verlangt die BSG-Rechtsprechung, wenn Stürze die Mobilität begrenzen. Einzelfälle oder seltene Stürze reichen nicht.
Ein- und Aussteigen: rechtlich unbeachtlichDer wohl wichtigste Punkt dieser Entscheidung: Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen zählen nicht. Auch der nötige Platz, um die Tür weit zu öffnen, bleibt außer Betracht.
Diese Situationen passieren im oder am Fahrzeug. Maßgeblich ist nur die Fortbewegung außerhalb des Autos. Das Gericht betonte das ausdrücklich. Die Klage blieb deshalb ohne Erfolg.
Was das BSG 2023 vorgegeben hatDas BSG hat 2023 den Prüfmaßstab präzisiert.
Erstens: „aG“ setzt eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung voraus.
Zweitens: Diese muss einem mobilitätsbezogenen GdB von mindestens 80 entsprechen.
Drittens: Die Bewertung erfasst alle Leiden, die das Gehen einschränken. Dazu zählen orthopädische, neurologische, kardiale oder pulmonale Ursachen.
Wichtig ist auch der Umgang mit Sturzgefahr. Sie begründet „aG“ nur, wenn Stürze so häufig und schwer sind, dass Betroffene praktisch ab den ersten Schritten auf den Rollstuhl angewiesen sind. Die Rechtsprechung wählt hier bewusst einen engen Zugang. Parkerleichterungen sollen zielgenau wirken.
Gesetzliche Grundlage: § 229 SGB IXDie zentrale Norm ist § 229 Abs. 3 SGB IX. Sie definiert, wer als „außergewöhnlich gehbehindert“ gilt. Danach liegt „aG“ vor, wenn man sich dauerhaft nur mit großer Anstrengung oder nur mit Hilfe außerhalb des Fahrzeugs bewegen kann.
Die Rechtslage gilt seit der Reform fort. Der Gesetzgeber hat die frühere Spruchpraxis übernommen und im Gesetz verankert.
Was zählt – und was nichtNach der Entscheidung lassen sich die Kriterien klar ordnen:
Kriterium Bewertung durch Rechtsprechung Gehfähigkeit draußen ab dem ersten Schritt Maßgeblich für „aG“ Dauerhafte Rollstuhlpflicht auch für sehr kurze Wege Spricht deutlich für „aG“ Gehen nur mit großer Anstrengung oder fremder Hilfe Erforderlich für „aG“ Mobilitätsbezogener GdB erreicht etwa 80 Muss vorliegen Ein-/Aussteigen, Tür-Breite am Parkplatz Unbeachtlich Gelegentliche Stürze ohne dauerhafte Rollstuhlpflicht Grundsätzlich nicht ausreichend Praxis: So stärken Sie Ihren AntragWenn Sie betroffen sind, dokumentieren Sie Ihre Wegstrecken im Alltag. Notieren Sie, wie viele Meter Sie draußen schaffen, mit welchen Hilfsmitteln und wie oft Pausen nötig sind. Ärztliche Unterlagen sollten die dauerhafte Einschränkung stützen.
Dazu gehören fachärztliche Befunde, Reha-Berichte und – falls relevant – neurologische Tests. Entscheidend ist die Lauf-Realität, nicht der Parkplatzbedarf.
Sprechen Sie mit Ihren Behandlern offen über Stürze. Wichtig ist nicht die Angst vor Stürzen, sondern die Häufigkeit und Schwere. Nur wenn Stürze praktisch immer drohen und ein Rollstuhl schon für sehr kurze Wege unvermeidbar ist, nähert sich der Fall „aG“.
Warum das Urteil wichtig istDie Entscheidung bestätigt die enge Linie der höchsten Rechtsprechung. Sie schützt den knappen Parkraum für Menschen mit extrem eingeschränkter Gehfähigkeit. Zugleich verhindert sie Fehlsteuerungen durch Kriterien am Auto.
Für Betroffene schafft sie Klarheit: Wer den Weg draußen nicht schafft, hat Chancen. Wer vor allem am Fahrzeug scheitert, eher nicht.
Einordnung für Schwerbehinderte ohne „aG“Auch ohne „aG“ stehen Nachteilsausgleiche offen. Das Merkzeichen „G“ kann Freifahrt oder Kfz-Steuerermäßigung eröffnen. Entscheidend sind die individuellen Voraussetzungen. Lassen Sie Ihren Bescheid prüfen, wenn sich Ihr Gesundheitszustand ändert. Ein neuer Antrag mit frischen Befunden kann sinnvoll sein. Die Anforderungen an „aG“ bleiben jedoch hoch.
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Bürgergeld: Zuständigkeits-Trick gescheitert – Gericht zwingt Jobcenter zur Bürgergeld-Zahlung
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az.: L 21 AS 537/25 B ER, Beschluss vom 8.7.2025) hat einem schwerbehinderten Antragsteller im Eilverfahren Bürgergeld zugesprochen – obwohl das Jobcenter behauptete, der Mann halte sich überwiegend bei seiner Partnerin in einer anderen Stadt auf und sei daher „anderswo zuständig“.
Die Richterinnen und Richter machten klar: Die örtliche Zuständigkeit ist keine materielle Anspruchsvoraussetzung. Wenn ein Jobcenter Zweifel hat, muss es weiterleiten – nicht ablehnen. Und solange gestritten wird, bleibt der ablehnende Träger leistungspflichtig.
Der Fall zeigt beispielhaft, wie Betroffene sich gegen pauschale „Unzuständig“-Bescheide wehren können – und worauf es in Eilverfahren tatsächlich ankommt.
Worum ging es?Der Antragsteller lebt seit 18 Jahren in derselben Stadt, ist schwerbehindert (GdB 80, Merkzeichen G und aG) und pflegebedürftig (Pflegegrad II). Nach Auslaufen der Bewilligung verweigerte das Jobcenter die Weiterbewilligung ab Februar 2025.
Begründung: Aus Kontoauszügen ergäben sich zahlreiche Abbuchungen im Raum der Stadt, in der seine Freundin wohne; Arzttermine und die Anwaltskanzlei lägen ebenfalls dort. Daraus konstruierte die Behörde eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts – und erklärte sich für unzuständig.
Das LSG entschied anders: Bürgergeld vorläufig zahlen – Regelbedarf 563 Euro monatlich, Heizkosten 68 Euro, Unterkunft 500 Euro (für KdU ab März 2025), befristet bis 30.9.2025 bzw. bis zur rechtskräftigen Hauptsache. Die außergerichtlichen Kosten muss das Jobcenter erstatten.
Was hat das Gericht klargestellt?1. Zuständigkeit ist kein Ablehnungsgrund.
Nach § 36 SGB II bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit zwar nach dem gewöhnlichen Aufenthalt. Das ist aber kein Filter, um Leistungen zu verwehren. Hält sich ein Jobcenter für unzuständig, hat es nach § 16 SGB I den Antrag weiterzuleiten. Tut es das nicht, greift § 43 Abs. 1 S. 2 SGB I: Der ablehnende Träger bleibt vorleistungspflichtig.
2. Eilverfahren sichern das Existenzminimum.
Bei existenzsichernden Leistungen muss das Gericht intensiv prüfen. Sind alle Tatsachen nicht aufklärbar, zählt die Folgenabwägung zugunsten des Grundrechts auf Sicherung des Lebensminimums – insbesondere bei Kündigung der Wohnung, drohender Gassperre und gesundheitlichen Einschränkungen.
3. Gewöhnlicher Aufenthalt: Realität statt Scheinargumente.
Einzelne Indizien – Abbuchungen in anderer Stadt, Arzttermine, seltene Vorsprachen, geringer Wasserverbrauch – beweisen keinen verlagerten Lebensmittelpunkt. Entscheidend ist der tatsächliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse. Hier überzeugten die eingerichtete Wohnung, persönliche Unterlagen vor Ort, familiäre Bindungen und die eidesstattliche Versicherung des Betroffenen, gestützt durch Zeugen (Partnerin, Stiefvater). Kurzaufenthalte bei der Partnerin ändern den gewöhnlichen Aufenthalt nicht.
Wer Bürgergeld beantragt, gerät bei Zuständigkeitsstreit schnell zwischen die Stühle. Das LSG setzt dem ein Stoppschild: Kein Ping-Pong auf dem Rücken der Betroffenen.
Die Entscheidung zwingt Jobcenter, ihrer Weiterleitungspflicht nachzukommen und bei unklarer Zuständigkeit nicht die Existenzsicherung zu riskieren. Für Betroffene heißt das: Eilrechtsschutz kann Lücken schließen, bevor es zu Wohnungskündigungen oder Energiesperren kommt.
Was Betroffene jetzt wissen solltenWer mit dem Einwand „Sie wohnen gar nicht hier“ konfrontiert wird, sollte aktiv gegenhalten: Der gewöhnliche Aufenthalt lässt sich belegen – durch Mietvertrag, den tatsächlichen Zustand der Wohnung, Postzustellung, soziale Bindungen, gesundheitliche Einschränkungen und Zeugenaussagen.
Eine eidesstattliche Versicherung verleiht dem Vortrag besonderes Gewicht. Gleichzeitig gilt: Erklären statt schweigen – etwa warum Abbuchungen in einer anderen Stadt auftauchen oder Arztbesuche auswärts erfolgen.
Drohen Kündigung, Strom- oder Gassperre, ist die Eilbedürftigkeit regelmäßig gegeben. Dann kann das Gericht eine vorläufige Zahlung anordnen – so wie hier: Regelbedarf plus Kosten der Unterkunft und Heizung für einen befristeten Zeitraum.
Was das für die Jobcenter bedeutetBehördenpraxis, die Anträge mit einem knappen „woanders zuständig“ abblockt, ist rechtswidrig und riskant. Wer nicht weiterleitet, riskiert Kostenentscheidungen zu seinen Lasten und gerichtliche Verpflichtungsbeschlüsse.
Der Beschluss mahnt zu sauberer Sachverhaltsaufklärung und rechtzeitigem Trägerwechsel im Verfahren – nicht zur Sperre existenzsichernder Leistungen.
FazitDas LSG NRW setzt ein deutliches Signal: Zuständigkeitsstreit darf nicht zur Existenzgefährdung führen. Für Betroffene ist der Beschluss ein praktischer Leitfaden – und für Jobcenter eine Erinnerung an die Pflicht zur Weiterleitung und Vorleistung. Wer transparent darlegt, wo sein Lebensmittelpunkt liegt, und die Umstände glaubhaft macht, hat im Eilverfahren gute Karten.
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Kein Bürgergeld nach einem Auslandaufenthalt – 33.000 Euro müssen jetzt zurückgezahlt werden
Ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen‑Bremen sorgt für Aufmerksamkeit: Ein in Bremen gemeldetes Ehepaar nigerianischer Herkunft muss rund 33 000 Euro an Grundsicherungsleistungen (Bürgergeld) zurückzahlen, weil es sich jahrelang nicht in Deutschland, sondern in Nigeria aufgehalten hat.
Die Richterinnen und Richter stellten fest, dass die Betroffenen für Vermittlungsbemühungen des Jobcenters nicht erreichbar waren und das Gericht über ihren tatsächlichen Aufenthaltsort getäuscht hatten. Damit entfalle der Anspruch auf Bürgergeld vollständig, entschied der 13. Senat.
Der lange Weg durch die InstanzenSeit 2014 bezog das Paar Leistungen nach dem damaligen SGB II (Hartz IV), später Bürgergeld. Erst eine Passkontrolle der Bundespolizei bei der Einreise am Bremer Flughafen im Jahr 2018 brachte Unstimmigkeiten ans Licht: Einreisesiegel dokumentierten mehrjährige Aufenthalte im Ausland.
Das Jobcenter Bremen hob daraufhin sämtliche Bewilligungsbescheide auf und verlangte das bereits ausgezahlte Geld zurück. Nach einem erfolglosen Widerspruch zogen die Eheleute vor das Sozialgericht Bremen (Az. S 36 AS 1607/19) und anschließend in die Berufung zum LSG (Az. L 13 AS 395/21) – ohne Erfolg.
Täuschung und BeweislastumkehrNormalerweise muss das Jobcenter belegen, dass Leistungsbeziehende länger als zulässig abwesend waren. Im vorliegenden Fall griff jedoch die Beweislastumkehr. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Kläger „beharrlich“ täuschten.
Indizien waren eine unbewohnte Bremer Wohnung, zahlreiche Meldeversäumnisse, ein Mitarbeiterausweis des Mannes bei einer nigerianischen Transportfirma, die Zulassung der Frau als Rechtsanwältin in Nigeria sowie der Schulbesuch der Kinder in Lagos.
Ein Zeuge offenbarte zudem den Versuch, ihn zu einer falschen eidesstattlichen Versicherung zu bewegen.
Wegen dieser „Täuschungshandlungen“ liege die Darlegungs‑ und Beweislast bei den Klägern, so das Gericht – eine Konstellation, die das LSG ausdrücklich als Warnung für vergleichbare Fälle verstanden wissen will.
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Rechtsrahmen: Erreichbarkeit und Urlaub mit BürgergeldKern des Streits ist die sogenannte Erreichbarkeits‑Anordnung. Anspruch auf Bürgergeld besteht nur, wenn Leistungsberechtigte dem Arbeitsmarkt kurzfristig zur Verfügung stehen.
Genehmigte Ortsabwesenheiten – etwa Urlaube – sind möglich, aber grundsätzlich auf drei Wochen (21 Kalendertage) pro Jahr begrenzt. Wer länger wegbleibt oder ohne Genehmigung reist, verliert in der Regel seinen Leistungsanspruch. Diese Grenze war hier nicht nur überschritten, sie wurde über Jahre ignoriert.
Bedeutung des Urteils für Jobcenter‑Praxis und BetroffeneDas LSG‑Urteil verschiebt die Gewichte in der Beweisführung, wenn handfeste Indizien für eine systematische Täuschung vorliegen. Jobcenter können sich künftig mit Verweis auf die Entscheidung darauf berufen, dass die Beweispflicht auf Leistungsbeziehende übergeht, sobald diese falsche Angaben machen oder Ermittlungen behindern.
Für Betroffene bedeutet das, dass Nachweispflichten – etwa durch Konto‑, Miet‑ oder Schulbescheinigungen – deutlich ernster zu nehmen sind, um Missverständnisse zu vermeiden.
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