GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp

GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp Feed abonnieren GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp
Hier finden Sie wichtige Informationen und Nachrichten zum Arbeitslosengeld II / Bürgergeld. Ein unabhängiges Redaktionsteam stellt die Nachrichten und Ratgeberseiten zusammen. Wir möchten eine Art Gegenöffentlichkeit schaffen, damit Betroffene unabhängige Informationen kostenlos erhalten können.
Aktualisiert: vor 56 Minuten 41 Sekunden

Bürgergeld: Lebensversicherung blockiert Bürgergeld – LSG-Urteil

19. September 2025 - 16:49
Lesedauer 2 Minuten

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat am 20. Mai 2025 eine Beschwerde gegen einen ablehnenden Eilbeschluss des Sozialgerichts Potsdam zurückgewiesen. Der Antragsteller wollte mit einer einstweiligen Anordnung höhere Bürgergeld-Leistungen sowie Prozesskostenhilfe erzwingen – scheiterte jedoch an eigenen Vermögensreserven.

Warum das Gericht keine Eile sah

Für eine einstweilige Anordnung müssen Betroffene zweierlei belegen: Anordnungsanspruch (materieller Anspruch) und Anordnungsgrund (dringender Bedarf). Das LSG verneinte beide Voraussetzungen. Entscheidend war eine kapitalbildende Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 55 836,99 Euro.

Der Mann schilderte nicht, warum er diese Summe nicht nutzen könne. Damit fehlte dem Gericht jedes Anzeichen für akute Mittellosigkeit.

Verschenktes Grundstück bleibt verwertbar

Hinzu kam ein 675-Quadratmeter-Grundstück, das der Kläger im Dezember 2022 seiner Tochter schenkte. Wert: 222 750 Euro. Trotz Übertragung könne der Antragsteller das Areal bei Bedürftigkeit zurückverlangen (§ 528 BGB, Rückforderung bei „verarmtem Schenker“). Für das Gericht war damit klar: Notfalls stehen verwertbare Mittel bereit.

Lesen Sie auch:

Bürgergeld: 1.000 € pro Monat für heiße Luft – Jobcenter im Blindflug
Übersichtstabelle: Bürgergeld zu Neue Grundsicherung – Das soll sich ändern

Unterstützung durch Familie zählt als Einkommen

Bereits in einem früheren Verfahren hatte der Mann eingeräumt, täglich von Verwandten mit Essen versorgt zu werden. Solche Leistungen gelten als Sach-Unterhalt und mindern den Bedarf nach § 11 SGB II. Auch hier fehlte deshalb ein legitimer Eilanlass.

Prozesskostenhilfe? Keine Aussicht auf Erfolg

Prozesskostenhilfe (PKH) erhält nur, wer vernünftige Erfolgsaussichten nachweist (§ 114 ZPO). Weil weder Anspruch noch Eilbedürfnis glaubhaft waren, lehnte das LSG den Antrag ab. Auch außergerichtliche Kosten bekommt der Kläger nicht ersetzt.

Was Bürgergeld-Beziehende aus dem Beschluss lernen

Bevor das Jobcenter einspringt, müssen Leistungsberechtigte zunächst ihr eigenes Vermögen nutzen: Kapitalbildende Lebensversicherungen, Bausparguthaben oder Wertpapiere sind bis zu den gesetzlichen Schonbeträgen zu verwerten.

Wer Vermögenswerte verschenkt, um Leistungen zu erhalten, riskiert Rückforderungsklagen nach § 528 BGB oder eine Anrechnung des übertragenen Werts als verwertbares Vermögen. Ebenso gilt regelmäßige Unterstützung durch Angehörige – etwa in Form von Lebensmitteln oder Geld – als Einkommen und mindert den Leistungsanspruch.

 

Einordnung: Strengere Linie der Gerichte

Seit Umstellung von Hartz IV auf Bürgergeld 2023 werben Behörden mit „Kooperationskultur“. Parallel zeigen Eilentscheidungen wie diese, dass Gerichte Vermögen konsequent prüfen. Wer Vermögenswerte verschweigt oder verschenkt, verliert nicht nur den Eilrechtsschutz, sondern riskiert auch Strafverfahren wegen Sozialleistungsmissbrauchs.

 

Tipps für Betroffene

1. Vermögensnachweis vorbereiten: Kontoauszüge, Rückkaufswertbescheinigungen und Immobilien­bewertung beifügen.
2. Dringlichkeit belegen: Konto ist leer? Mietrückstand droht? Diese Fakten gehören in eidesstattliche Erklärungen.
3. Beratung nutzen: Sozialberatungsstellen helfen, Anträge vollständig einzureichen und unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Der Beitrag Bürgergeld: Lebensversicherung blockiert Bürgergeld – LSG-Urteil erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

GEZ Reform stockt: Rundfunkbeitrag könnte bald spürbar steigen

19. September 2025 - 14:20
Lesedauer 3 Minuten

Während die Länder seit Monaten über ein neues Finanzierungsmodell für den Rundfunkbeitrag ringen, verdichten sich die Hinweise: Ohne Reform droht ab 2027 eine spürbare Erhöhung des Beitrags von derzeit 18,36 Euro auf voraussichtlich 19,51 Euro im Monat – ein Plus von gut 6,3 Prozent.

Für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entspräche das rund 234 Euro pro Jahr statt bislang etwa 220 Euro.

Die Aussicht nährt ein Paradox: steigende Zahlungen bei zugleich wachsender Unsicherheit über den Programmumfang, weil den Anstalten Planbarkeit fehlt. Medienberichte haben diese Entwicklung zuletzt deutlich skizziert.

Blockadepunkt

Kern des Streits ist die Frage, wie der Beitrag künftig angepasst wird. Eine geplante Systemumstellung – oft als „Index-” oder Dynamisierungsmodell beschrieben, das regelmäßige kleinere Anpassungen ermöglichen sollte – steckt fest. Mehrere Länder signalisieren Widerstand; das neue Verfahren droht zu scheitern, bevor es in Kraft tritt.

Damit bleibt es zunächst bei dem mühsamen Modus, wonach alle 16 Landtage zustimmen müssen – ein Prozess, der in der Vergangenheit immer wieder an Landespolitik und Parteitaktik scheiterte.

Was ab 2027 kommen könnte

Die Annahme eines Sprungs auf 19,51 Euro erklärt sich weniger aus üppigen Wünschen der Sender als aus auslaufenden Rücklagen. Diese Reserven hatten in den vergangenen Jahren Kostendruck abgefedert; 2027 sind sie nach Einschätzung von Branchenbeobachtern aufgebraucht.

Ohne Reformmechanismus greift dann eine einmalige, spürbare Korrektur – rechnerisch plus 1,15 Euro im Monat, im Jahr gut 13,80 Euro mehr. Genau solche „Stufen“ wollte die Reform eigentlich verhindern, indem sie regelmäßige, kleinere Anpassungen ermöglicht.

KEF und der ausgebliebene Zwischenschritt

Eigentlich sieht das System vor, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) die Etats prüft und den Ländern eine Beitragshöhe empfiehlt. Für die Periode ab 1. Januar 2025 hatte die KEF eine moderate Erhöhung auf 18,94 Euro vorgeschlagen.

Politisch ist dieser Zwischenschritt jedoch hängig geblieben, was den Druck auf spätere Jahre erhöht. Je länger Entscheidungen vertagt werden, desto größer werden notwendige Einmalanpassungen.

Konsequenzen für Ruheständlerinnen und Ruheständler

Für Menschen im Rentenbezug zählt jeder feste Euro im Monatsbudget. Der Unterschied zwischen 18,36 und 19,51 Euro klingt klein, summiert sich aber: statt 220,32 Euro pro Jahr wären 234,12 Euro fällig.

Wer knapp kalkulieren muss, sollte prüfen, ob Entlastungen greifen. Befreiungen sind möglich, wenn Grundsicherung im Alter oder bestimmte Sozialleistungen bezogen werden, und es gibt Ermäßigungstatbestände etwa für Menschen mit dem Merkzeichen „RF“ im Schwerbehindertenausweis, die dann ein Drittel des Beitrags zahlen. Wichtig ist, dass Befreiungen und Ermäßigungen aktiv beantragt und belegt werden müssen; sie werden nicht automatisch gewährt.

Was Unternehmen und Selbstständige betrifft – jenseits von Empfangsgeräten

Immer wieder sorgt für Unmut, dass der Beitrag im nicht-privaten Bereich nicht an Geräte, sondern an Betriebsstätten, Beschäftigtenzahlen und – in Grenzen – an Fahrzeuge anknüpft.

Das bedeutet: Auch Büros ohne Fernseher oder Radio sind grundsätzlich beitragspflichtig, oft zumindest mit einem Drittelbeitrag in kleinen Betrieben. Diese Logik ist seit Jahren im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verankert und wird auf amtlichen Informationsseiten, Kammermerkblättern und Praxisleitfäden gleichlautend erläutert.

Rechtlicher Rahmen: Spielräume und Grenzen der Politik

Zwar entscheiden die Länder über die Umsetzung der KEF-Empfehlungen, doch ist ihr Spielraum verfassungsrechtlich begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 betont, dass politische Mehrheiten das Finanzierungsprinzip des verfassungsrechtlich geschützten öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht durch bloßes Nichtstun aushebeln dürfen. Die Karlsruher Linie schützt also die Rundfunkfreiheit – sie ersetzt aber nicht den politischen Konsens, der für tragfähige Modelle nötig ist.

Folgen eines Reformstillstands

Bleibt die Reform blockiert, drohen zwei Effekte zugleich. Für Beitragszahlerinnen und Beitragszahler steigen die Kosten sprunghaft, statt planbar in kleinen Schritten.

Für die Anstalten bleiben Budgets und mittelfristige Planung unsicher; das erschwert Investitionen in Programm, Technik und Personal. Der gesellschaftliche Nutzen eines stabil finanzierten, unabhängigen Rundfunks – von barrierefreien Angeboten über regionale Berichterstattung bis zur verlässlichen Krisenkommunikation – steht dann in einem zunehmend angespannten Verhältnis zur öffentlichen Akzeptanz. Genau deshalb zielte die Dynamisierung darauf, planbare, moderate Anpassungen zu ermöglichen und politische Blockaden zu entschärfen.

Was jetzt zu beobachten ist

Entscheidend werden die nächsten Monate in den Staatskanzleien und Landtagen. Gelingt es, doch noch einen Mechanismus zu vereinbaren, könnte der befürchtete „Sprung“ zumindest abgemildert werden.

Gelingt es nicht, spricht vieles dafür, dass die KEF-Logik und aufgebrauchte Rücklagen 2027 die von Beobachtern genannten 19,51 Euro wahrscheinlich machen.

Für Ruheständlerinnen und Ruheständler empfiehlt sich, schon jetzt Ansprüche auf Befreiung oder Ermäßigung zu prüfen und Bescheide bereitzuhalten. Politisch bleibt die Debatte ein Lackmustest dafür, ob föderale Medienpolitik verlässliche Finanzierung mit bürgernaher Beitragsakzeptanz verbinden kann.

Fazit

Die Rundfunkfinanzierung steht an einer Weggabelung. Der Reformstau erhöht das Risiko unsanfter Beitragssprünge – gerade für Haushalte mit knappen Budgets. Gleichzeitig wächst der Bedarf an Planungssicherheit für einen verlässlichen, unabhängigen Rundfunk.

Zwischen diesen Polen liegt die Aufgabe der Länder: ein Modell zu beschließen, das Transparenz schafft, Belastungen sozialverträglich verteilt und politisches Taktieren vom Gebührenprozess entkoppelt. Bis dahin bleibt die nüchterne Rechnung: 1,15 Euro mehr im Monat wirken klein – im Jahressaldo und im Vertrauenshaushalt vieler Bürgerinnen und Bürger sind sie es nicht.

Der Beitrag GEZ Reform stockt: Rundfunkbeitrag könnte bald spürbar steigen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rundfunkbeitrag: Aus Glaubensgründen keinen GEZ-Beitrag entrichten – Gericht entschied

19. September 2025 - 14:18
Lesedauer 2 Minuten

Grundsätzlich muss jeder Haushalt in Deutschland monatlich 18,36 Euro Rundfunkbeitrag zahlen. Immer wieder landet aber die “GEZ-Gebühr” vor Gericht.

In einem Fall vor dem Verwaltungsgericht Koblenz ging es um die Frage, ob eine Frau aus Glaubensgründen von der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags (ehemals GEZ) befreit werden kann.

Die Klägerin argumentierte, dass die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihren “religiösen Überzeugungen” widersprechen und sie daher aus Gewissensgründen keinen Beitrag zahlen könne. Diese Argumentation führte sie schließlich vor das Verwaltungsgericht Koblenz, das sich eingehend mit den vorgebrachten Argumenten auseinandersetzte.

Welche Argumente führte die Klägerin an?

Die Klägerin brachte vor, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihren verfassungsmäßigen Auftrag nicht erfüllen würden. Ihrer Meinung nach würden die Prinzipien der Meinungsfreiheit sowie die gebotene Staats- und Parteiferne von den Programminhalten nicht gewahrt.

Daraus resultiere eine Schlechterfüllung, die ihr ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der Rundfunkbeiträge einräume, sagte sie vor Gericht.

Des Weiteren machte sie geltend, dass die Programminhalte im Widerspruch zu den Geboten Gottes stünden und sie daher aus Glaubensgründen keine Rundfunkbeiträge entrichten könne.

Warum erkannte das Gericht keine Verbindung zwischen Glauben und Rundfunkbeitrag?

Das Verwaltungsgericht Koblenz wies die Klage ab und stellte klar, dass die von der Klägerin vorgebrachten religiösen und weltanschaulichen Gründe der Beitragserhebung nicht entgegenstehen.

Die Richter argumentierten, dass das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit durch die allgemeine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags nicht beeinträchtigt werde.

Diese Pflicht sei nicht mit einer Äußerung eines weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses verbunden. Somit sah das Gericht keinen Zusammenhang zwischen der Glaubensfreiheit der Klägerin und der Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags.

Lesen Sie auch:
GEZ: So können sich Wohngeld-Bezieher vom Rundfunkbeitrag befreien lassen
Rundfunkbeitrag: Die GEZ steht vor Gericht – eine Grundsatzentscheidung erwartet

Warum konnte die Klägerin kein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen?

Das Gericht führte weiter in dem Urteil (VG Koblenz Az. 3 K 697/22.KO) aus, dass ein Leistungsverweigerungsrecht aufgrund einer angeblichen Nicht- oder Schlechterfüllung der Rundfunkanstalt nicht bestehe.

Der Rundfunkbeitrag diene der Finanzierung der grundsätzlichen Möglichkeit des Empfangs von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und nicht seiner tatsächlichen Nutzung.

Selbst wenn es Einzelfälle gebe, in denen die öffentlich-rechtlichen Programme gegen die Prinzipien der Meinungsfreiheit und Staatsferne verstoßen würden, stelle dies nicht die gesamte Rundfunkfinanzierung in Frage und berühre daher die Beitragserhebung nicht, so das Gericht.

Eine solche Auslegung würde die verfassungsrechtlich garantierte Programmfreiheit der Rundfunkanstalten unterlaufen, stellten die Richter fest.

Welche Möglichkeiten bleiben den Bürgern bei Unzufriedenheit mit den Programminhalten?

Das Gericht betonte, dass Bürgern, die mit den Programminhalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unzufrieden sind, die Möglichkeit einer Programmbeschwerde zur Verfügung stehe.

Dies sei der korrekte Weg, um Kritik an den Inhalten zu äußern und Änderungen zu bewirken. Die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags bleibt jedoch bestehen, da sie an die Möglichkeit des Empfangs und nicht an die tatsächliche Nutzung des Rundfunks anknüpft.

Aktuelles Verfahren

Derzeit liegt ein Berufungsverfahren zu einer weiteren Klage gegen den Rundfunkbeitrag zur Prüfung dem Bundesverwaltungsgericht vor. Darüber haben wir hier berichtet. Der mit Spannung erwartete Urteilsspruch wird im Herbst 2024 erwartet.

Der Beitrag Rundfunkbeitrag: Aus Glaubensgründen keinen GEZ-Beitrag entrichten – Gericht entschied erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Bürgergeld: Jobcenter verhängte Bußgeld weil eine Arbeit gefunden wurde

19. September 2025 - 13:38
Lesedauer 2 Minuten

Als die betroffene Bürgergeld-Bezieherin in ihren Postkasten schaute, traute sie ihren Augen nicht. Weil sie eine Arbeit aufgenommen hatte und sich somit den Leistungsbezug verringerte, soll sie nun ein Bußgeld zahlen. Kurios und tatsächlich geschehen. Aber wie kam es dazu?

Bußgeld wegen angeblich fehlender Mitwirkungspflichten

Endlich einen Job finden. Das erhoffen sich die allermeisten Leistungsbeziehenden. Doch wehe man geht diesen Schritt, dann kann es nämlich ein Bußgeld geben. Was aber war konkret geschehen?

Die Betroffene bekam vom Hauptzollamt folgendes Schreiben:

“Sie haben Ihre Mitwirkungspflicht als Leistungsbezieherin gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt und damit fahrlässig zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 63 Abs. 1 Nr. 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begangen. Wegen dieser Verstöße wird gegen Sie gemäß § 63 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit §§ 65, 35 und 17 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine Geldbuße auf Grund Ihrer Arbeitsaufnahme zum 01.02.2022 110,00 Euro eine Geldbuße auf Grund Ihrer Arbeitsaufnahme zum 01.09.2022 45,00 Euro festgesetzt.” hieß es in dem Schreiben, dass der Betroffene  verwundert in den Händen hielt.

Job aufgenommen und dem Jobcenter gemeldet

Im 2022 hatte die Betroffene zwei Beschäftigungsverhältnisse aufgenommen. Die Arbeitsaufnahme wurde dem zuständigen Jobcenter “Märkischer Kreis” noch vor Antritt der Jobs mitgeteilt, damit es eben nicht zu einer Überzahlung von SGB II Leistungen kommt.

Im Jahr 2022 herrschte noch die Pandemie-Zeit, weswegen die Arbeit in den Behörden nur schleppend voranging. So passierte es, dass auch die Mitteilung darüber, dass Jobs angetreten wurden, nicht zeitnah bearbeitet wurden.

Diese Verzögerung der Bearbeitung soll nun die Betroffene bezahlen – in Form eines Bußgeldes, weil die Anrechnung des Einkommens mit Verzögerung erfolgte. Dann folgte zusätzlich die Unterstellung des Sozialleistungsbetrugs.

Wie kam es dazu?

Das Hauptzollamt kann über Mitteilungen des Jobcenters, Datenabgleiche oder Ermittlungsverfahren Kenntnis über Verstöße erlangen. Nach §§ 65 und 35 OWiG übernimmt es dann die Rolle der Verwaltungsbehörde, die Bußgeldverfahren führt.

Diese Verlagerung der Zuständigkeit wird oft von Erwerbslosengruppen und Sozialverbänden kritisiert, da sie für Betroffene undurchsichtig erscheinen kann. Aber das nur nebenbei angemerkt.

Wieso kam es zur Unterstellung des Sozialleistungsbetrugs trotz gemeldeter Beschäftigungen?

Die Verzögerung bei der Anrechnung der gemeldeten Beschäftigungen wirft nun die Frage auf, ob tatsächlich eine Verletzung der Mitwirkungspflichten und somit “Sozialleistungsbetrug” überhaupt vorlag. Betroffene berichten nämlich häufig davon, dass es gerade während der Coronazeit es zu erheblichen Bearbeitungsrückständen in den Jobcentern kam.

Wenn Leistungsbeziehende nämlich ihre neue Arbeit rechtzeitig melden, liegt die Verantwortung für die korrekte Anrechnung bei der Behörde und nicht beim Leistungsbeziehenden.

Deshalb hat die Betroffene nunmehr eine Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vor dem Sozialgericht Dortmund eingereicht (Az.: S 91 AS 2931/23) . Bis das Gericht eine Entscheidung getroffen hat, ruht der Bußgeldbescheid.

Aber auch beim Sozialgericht mahlen die Mühlen aufgrund einer Vielzahl von Klagen langsam. Wir berichten weiter.

Der Beitrag Bürgergeld: Jobcenter verhängte Bußgeld weil eine Arbeit gefunden wurde erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rente mit 63 vor dem Aus? So steigen die Abschläge – Tabelle

19. September 2025 - 13:32
Lesedauer 4 Minuten

Viele wollen gern bereits mit 63 in Rente gehen. Nach jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit früher auszusteigen, klingt verlockend – doch der Preis dafür sind dauerhafte Kürzungen. Zugleich verdichtet sich die politische Debatte um zusätzliche Einschnitte.

Warum es bei der Rente ab 63 überhaupt Abschläge gibt

Wer vor der persönlichen Regelaltersgrenze in den Ruhestand wechselt, beansprucht die gesetzliche Rente länger. Um diese verlängerte Bezugsdauer auszugleichen, schreibt das Rentenrecht einen pauschalen Abzug vor.

Die Regeln sind simpel und wirksam: Für jeden Monat, den der Rentenbeginn vor der Regelaltersgrenze liegt, wird die Rente um 0,3 Prozent gekürzt.

Die Minderung summiert sich und gilt lebenslang. Wer also um vier Jahre – das entspricht 48 Monaten – vorzieht, landet beim Maximalwert von 14,4 Prozent weniger Rente. Dieser Abschlag wird nicht später zurückgenommen und wirkt auf jede spätere Rentenanpassung fort.

Die aktuelle Lage 2025: Wie hoch sind die Kürzungen ab 63?

Das reguläre Rentenalter steigt seit Jahren stufenweise an und liegt für die meisten künftigen Ruheständler bereits jenseits von 66 Jahren. Für den Jahrgang 1962, der 2025 mit 63 Jahren in Rente gehen möchte, beträgt die Regelaltersgrenze 66 Jahre und 8 Monate.

Zwischen 63 und 66 Jahren plus acht Monaten liegen 44 Monate. Multipliziert mit 0,3 Prozent ergibt sich ein dauerhafter Abschlag von 13,2 Prozent.

Eine Beispielrechnung verdeutlicht die Größenordnung: Bei einer regulären Monatsrente von 1.631 Euro reduziert ein Start mit 63 die Zahlung auf rund 1.416 Euro – die Kürzung beläuft sich auf etwa 215 Euro pro Monat und begleitet die Rente dauerhaft.

Für die nachfolgenden Jahrgänge erhöht sich die Minderung weiter, weil die Regelaltersgrenze weiter ansteigt.

Wer 1963 geboren ist und mit 63 beginnt, liegt 46 Monate vor der Regelaltersgrenze von 66 Jahren und 10 Monaten und muss daher 13,8 Prozent Abzug einkalkulieren.

Ab dem Jahrgang 1964 liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren; ein Start mit 63 bedeutet dann 48 Monate Vorzug mit einem Abschlag von 14,4 Prozent.

Wer die „echte“ Rente mit 63 ohne Abschläge noch erhält

Die landläufig sogenannte „Rente mit 63“ meinte ursprünglich die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte, also Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren. Diese Regelung existiert weiterhin, doch die dafür maßgebliche Altersgrenze ist für jüngere Jahrgänge angehoben worden.

Für Neurentnerinnen und Neurentner ab Jahrgang 1964 ist die abschlagsfreie Altersrente erst ab 65 möglich, nicht mehr mit 63. In der Praxis bedeutet das:

Eine vollständig abschlagsfreie Rente exakt ab dem 63. Geburtstag ist heute nur noch für ältere Jahrgänge erreichbar, die bereits in den vergangenen Jahren diese Voraussetzungen erfüllt haben. Für alle anderen bleibt ein vorgezogener Ruhestand grundsätzlich möglich, er ist jedoch untrennbar mit permanenten Abschlägen verbunden.

Abschläge bei der Rente mit 63 Geburtsjahr Abschlag bei Rente ab 63 1947 7,5 % 1948 7,8 % 1949 8,1 % 1950 8,4 % 1951 8,7 % 1952 9,0 % 1953 9,3 % 1954 9,6 % 1955 9,9 % 1956 10,2 % 1957 10,5 % 1958 10,8 % 1959 11,4 % 1960 12,0 % 1961 12,6 % 1962 13,2 % 1963 13,8 % 1964 14,4 % 1965 14,4 % 1966 14,4 % 1967 14,4 % 1968 14,4 % 1969 14,4 % 1970 14,4 %

Hinweis: Grundlage ist die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze (1947–1958 +1 Monat pro Jahr bis 66; 1959–1964 +2 Monate pro Jahr bis 67) und der gesetzliche Abschlag von 0,3 % je vorgezogenem Monat.

Drohen höhere Abschläge?

Angesichts demografischer Belastungen und knapper Rentenkassen ist die Frühverrentung erneut in den Fokus von Politik und Fachwelt gerückt. In Gutachten und Diskussionspapieren wird vorgeschlagen, die Kürzungssätze spürbar anzuheben, etwa auf fünf bis sechs Prozent pro Vorzugsjahr. Umgerechnet wären das rund 0,42 bis 0,5 Prozent pro Monat und damit nahezu eine Verdoppelung der heutigen Abschläge.

Ein solches Vorgehen würde die „Rente ab 63“ deutlich unattraktiver machen, den Anreiz zum frühen Ausstieg dämpfen und das Rentensystem kurzfristig finanziell entlasten.

Maßgeblich ist jedoch der Gesetzgeber. Stand heute liegt kein verabschiedetes Gesetz vor, das die Abschläge erhöht. Es handelt sich um eine lebhafte, aber bislang ergebnisoffene Diskussion. Ob und wann Änderungen tatsächlich kommen, ist derzeit offen.

Was die Kürzung im Geldbeutel bedeutet

Abschläge reduzieren nicht nur den monatlichen Auszahlbetrag, sie wirken technisch auf die Entgeltpunkte und damit dauerhaft auf das gesamte Rentenniveau. Das hat zwei Konsequenzen.

Erstens fällt jede spätere Rentenanpassung auf einer niedrigeren Basis aus, weil die Minderung nicht wieder entfällt. Zweitens greifen auf die Bruttorente – unabhängig vom Abschlag – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Einkommensteuer, soweit die persönlichen Freibeträge überschritten werden.

Wer 2025 erstmals eine volle Jahresrente bezieht, muss 83,5 Prozent dieses Betrags versteuern lassen. Wie stark das Netto letztlich sinkt, hängt vom individuellen Steuersatz, von weiteren Einkünften und von Vorsorgeaufwendungen ab.

Eine persönliche Berechnung lohnt sich, denn die Kombination aus Abschlag, Abgaben und Steuer kann die Differenz zwischen „machbar“ und „zu knapp“ ausmachen.

Planung vor dem Schritt: Welche Optionen es gibt

Eine solide Entscheidung stützt sich auf Zahlen. Ausgangspunkt sollte stets die Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung sein, weil sie die individuell erworbenen Entgeltpunkte, die voraussichtliche Regelaltersgrenze und die möglichen Abschläge ausweist.

Auf dieser Basis lassen sich Szenarien durchspielen: der sofortige Start mit 63, ein um einige Monate verschobener Eintritt zur Verringerung des Abschlags oder eine überbrückende Erwerbstätigkeit. In Betracht kommt auch eine Teilrente als gleitender Übergang, die finanzielle Sicherheit mit etwas zusätzlicher Zeit im Job verbindet.

Manche Versicherte prüfen zudem Ausgleichszahlungen, um Rentenminderungen teilweise zu kompensieren; auch hier empfiehlt sich eine Beratung, weil Aufwand und Nutzen individuell unterschiedlich ausfallen.

Ergänzend können private Ersparnisse, betriebliche Altersversorgung und eventuelle Abfindungen die Lücke schließen, die ein früherer Rentenstart reißt. Entscheidend ist, den Liquiditätsbedarf realistisch zu beziffern und Reserven für Inflation, Gesundheit und unerwartete Ausgaben einzuplanen.

Überblick Abschlagsregeln 2025

Für den Geburtsjahrgang 1962 liegt die Regelaltersgrenze bei 66 Jahren und acht Monaten; ein Rentenbeginn mit 63 bedeutet eine Vorverlagerung um 44 Monate und damit eine Kürzung von 13,2 Prozent.

Für den Jahrgang 1963 verschiebt sich die Regelaltersgrenze auf 66 Jahre und zehn Monate, wodurch ein Start mit 63 um 46 Monate vorgezogen wäre – die Rente sinkt entsprechend um 13,8 Prozent.

Ab Jahrgang 1964 ist die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren erreicht; wer hier mit 63 beginnt, zieht um 48 Monate vor und muss den maximalen Abschlag von 14,4 Prozent hinnehmen. Allen Varianten liegt stets dieselbe Formel zugrunde: 0,3 Prozent Abzug pro Monat des Vorziehens, dauerhaft und ohne spätere Rückabwicklung.

Was Sie jetzt mitnehmen sollten

Noch ist nichts beschlossen, doch die Richtung der Debatte ist eindeutig: Früher in Rente zu gehen, könnte in Zukunft teurer werden. Nach heutigem Stand gilt für einen Start mit 63 im Jahr 2025 ein Abschlag von bis zu 13,2 Prozent; für jüngere Jahrgänge steigt er auf bis zu 14,4 Prozent.

Wer den Schritt plant, sollte die eigene Rentenauskunft prüfen, die Nettoauswirkungen inklusive Steuern und Sozialabgaben durchrechnen und mögliche Alternativen wie eine spätere Antragstellung, eine Teilrente oder Ausgleichszahlungen abwägen.

Eine individuelle Beratung durch die Deutsche Rentenversicherung ist kostenfrei und hilft, Entscheidungen auf belastbare Zahlen zu stützen. So bleibt der frühere Ruhestand eine bewusste Wahl – nicht das Ergebnis einer Unterschätzung der finanziellen Folgen.

Der Beitrag Rente mit 63 vor dem Aus? So steigen die Abschläge – Tabelle erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Bürgergeld: Jobcenter muss die teure Wohnung zahlen

19. September 2025 - 13:30
Lesedauer 3 Minuten

Das jüngste Urteil aus Berlin und Brandenburg hat für Aufsehen gesorgt und wirkt sich unmittelbar auf die Rechte von Bürgergeld-Beziehenden aus. Die Richterinnen und Richter stellten klar, dass Sozialwohnungen in keinem Fall als unangemessen gelten dürfen, selbst wenn ihre Miete über dem Richtwert liegt, den das Jobcenter für „angemessene“ Wohnkosten festgelegt hat.

Konkret bedeutet dies: Liegt eine Wohnung innerhalb des sozialen Wohnungsbaus, ist eine Kürzung der Mietzahlungen durch das Jobcenter nicht zulässig, insbesondere dann, wenn in der entsprechenden Region – wie in vielen Teilen Berlins – ein angespannter Wohnungsmarkt vorherrscht.

Warum weigerte sich das Jobcenter, die volle Miete zu übernehmen?

Der Fall, der diesem Urteil zugrunde liegt, reicht mehrere Jahre zurück. Bereits 2017 hatte das Sozialgericht in Berlin eine Entscheidung gefällt, die sich auf den Zeitraum 2015/2016 bezog.

Doch erst im März 2023 konnte sich das Landessozialgericht in zweiter Instanz endgültig durchsetzen. Im Kern ging es dabei um die Wohnung einer Bürgergeld-Bezieherin: Sie zahlte 640 Euro, doch das Jobcenter sah nur 480 Euro als angemessen an.

Grundlage für diese Begrenzung war eine behördliche Ausführungsvorschrift, die sich an den durchschnittlichen Mieten im unteren Wohnsegment orientiert.

Genau an diesem Punkt kritisierte das Gericht das Vorgehen der Behörde als unzureichend, weil durchschnittliche Werte nicht alle Marktgegebenheiten abdecken und sozialer Wohnraum nur dann zur Verfügung steht, wenn er tatsächlich zu mieten ist.

Wo liegt das Problem, wenn das Jobcenter den Mietpreis als „unangemessen“ einstuft?

Das Landessozialgericht nahm besonders das Argument auseinander, einfache Wohnungen seien zu den vorgeschriebenen Mietobergrenzen auch in ausreichender Zahl verfügbar. Gerade in Berlin ließ sich das aus Sicht der Richterinnen und Richter nicht belegen.

Sie stützten sich dabei auf Erhebungen der zuständigen Senatsverwaltung, wonach 76.000 Bürgergeldhaushalte in einer ähnlichen Situation Teile ihrer Miete selbst tragen mussten, weil die Jobcenter-Richtwerte überschritten wurden.

Hinzu kam eine offizielle Feststellung einer Angebotslücke von 345.000 Single-Wohnungen im Stadtgebiet. Unter diesen Umständen könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass alle Hilfebedürftigen problemlos günstigen Wohnraum finden.

Ist eine einheitliche Mietobergrenze überhaupt realistisch?

In ihrer Urteilsbegründung merkten die Richterinnen und Richter an, dass es ihnen in dieser angespannten Lage nicht möglich sei, einen generellen Grenzwert für Berliner Mieten festzuschreiben.

Selbst die Orientierung an der Wohngeldtabelle, erhöht um einen Zuschlag von zehn Prozent, reiche für die Hauptstadtverhältnisse nicht aus, weil selbst mancher Sozialwohnungsbau dann als zu teuer gelten würde.

Damit steht fest: Eine landesweit einheitliche, starre Festlegung der Mietobergrenze kann die tatsächliche Marktsituation nicht angemessen widerspiegeln, wenn gleichzeitig an vielen Ecken sozialer Wohnraum fehlt und die wenigen vorhandenen Wohnungen schnell vermietet sind.

Was ist das zentrale Anliegen des Gesetzgebers?

Das Gericht verwies im Laufe des Prozesses mehrfach darauf, dass Sozialwohnungen eigens für jene Personen errichtet werden, die staatliche Unterstützung benötigen.

In diesem Sinne könnten solche Wohnungen, die bereits durch Förderkriterien oder gesetzliche Auflagen als sozial eingestuft sind, nicht willkürlich als zu teuer abgestempelt werden.

Dies steht auch hinter dem zweiten Leitsatz des Urteils, der festhält, dass Wohnungen nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des Wohngeldgesetzes nicht als unangemessen eingestuft werden dürfen, wenn sie sich in einer Region befinden, in der der Wohnungsmarkt nachweislich angespannt ist.

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung für betroffene Haushalte?

Das Urteil schafft Klarheit für alle Bürgergeldhaushalte, die bisher Teile ihrer Miete selbst aufbringen mussten, obwohl sie in einer förderfähigen oder sozial gebundenen Wohnung leben.

Nun ist das Jobcenter in der Pflicht, die tatsächlichen Kosten zu übernehmen, sofern die betreffenden Wohnungen bestimmte Vorgaben erfüllen.

Für die betroffene Klägerin bedeutet dies konkret, dass der volle Mietbetrag von 640 Euro erstattet werden muss. Der Quadratmeterpreis ihrer Wohnung lag nachweislich unterhalb des Durchschnitts anderer Sozialwohnungen, weshalb eine Kürzung der Leistungen nicht hinnehmbar war.

Warum könnte der Fall noch vor dem Bundessozialgericht landen?

Obwohl das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (AZ: L 32 AS 1888/17) eine deutliche Position bezogen hat, ist aufgrund der grundsätzlichen Tragweite der Fall noch nicht endgültig abgeschlossen. Es besteht die Möglichkeit, eine Revision vor dem Bundessozialgericht anzustrengen, um ein höchstrichterliches Urteil zu erwirken.

Sollte es dort erneut bestätigt werden, hätten Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger deutschlandweit eine noch gefestigtere Rechtsposition, wenn sie in einer vergleichbaren Lage an ihre Jobcenter herantreten.

Welche Signalwirkung hat die Entscheidung für den Wohnungsmarkt in Berlin?

Die Landessozialgerichte haben zwar keinen direkten Einfluss auf die Schaffung neuen Wohnraums, doch die Entscheidung setzt ein klares Zeichen dafür, dass die Realität des Wohnungsmarktes bei der Bemessung der „angemessenen“ Kosten nicht ausgeblendet werden darf.

Gerade in einer Metropole wie Berlin, in der seit Jahren ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum herrscht, kann dieses Urteil helfen, Druck auf politische Entscheiderinnen und Entscheider auszuüben, damit die Förderung von Sozialwohnungen aufrechterhalten oder sogar ausgebaut wird.

Zugleich bekommen Vermieterinnen und Vermieter ein deutliches Signal, dass geförderte Wohnungen tatsächlich ihrem Zweck zugutekommen sollen: den Menschen, die dringend auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.

Wie geht es nun für Betroffene und Behörden weiter?

Die Entscheidung aus Berlin und Brandenburg ist zweifellos ein Meilenstein. Viele Betroffene werden jedoch weiterhin Schwierigkeiten haben, angemessene Wohnungen zu finden.

Dennoch stärkt das Urteil ihre Verhandlungsposition und sorgt dafür, dass Sozialwohnungen nicht mit fragwürdigen Richtwerten aus dem Leistungsbezug gedrängt werden. Auf der anderen Seite sind die Jobcenter nun noch intensiver gefordert, ihre bisherigen Maßstäbe zu überdenken und bei Abweichungen von pauschalen Mietsätzen genauer zu prüfen, ob in der jeweiligen Region tatsächlich genügend bezahlbarer Wohnraum verfügbar ist.

Wenn dies offenkundig nicht der Fall ist, kann die Behörde die Übernahme der tatsächlichen Mietkosten nicht ohne Weiteres verweigern.

Der Beitrag Bürgergeld: Jobcenter muss die teure Wohnung zahlen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rente: Falsche Auskunft der Rentenversicherung kann Rente korrigieren – Urteil

19. September 2025 - 12:56
Lesedauer 3 Minuten

Eine fehlerhafte Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung hat Folgen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied am 26.06.2025: Gibt die Deutsche Rentenversicherung falsche Hinzuverdienstgrenzen an, liegt eine Pflichtverletzung vor. (Az.: L 10 R 2079/23)

Das gilt auch ohne konkrete Nachfrage. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt dann in Betracht. Betroffene erhalten damit eine Chance auf Korrektur. Entscheidungen auf Basis der Falschauskunft können geprüft werden.

Worum es im Fall ging

Im Streit stand der Zeitpunkt des Rentenbeginns. Der Versicherte verwies auf eine unzutreffende DRV-Auskunft. Genannt wurde eine falsche Hinzuverdienstgrenze. Die Auskunft war Teil der regulären Rentenauskunft. Keine individuelle Beratung fand statt.

Das Gericht stellte klar: Auch Standardauskünfte müssen stimmen. Der Fehler begründet eine Pflichtverletzung. Entscheidend bleibt die Auswirkung im Einzelfall.

Kernaussage des LSG

Das Gericht wertete die falsche Information als Pflichtverstoß. Eine Spontanberatung war nicht erforderlich. Maßstab ist die objektive Richtigkeit der Auskunft. Vertraut der Versicherte darauf, kann ein Nachteil entstehen. Dann greift der sozialrechtliche Herstellungsanspruch.

Ziel ist die Wiederherstellung der rechtmäßigen Position. Die Verwaltung muss den Fehler ausgleichen. Das erfolgt innerhalb des Sozialrechts.

Hintergrund: Warum Hinzuverdienst besonders fehleranfällig war

Die Rechtslage änderte sich zuletzt mehrfach. Während der Pandemie erhöhten Sonderregeln die Grenzen deutlich. Viele Merkblätter wurden schnell überholt. Standardauskünfte blieben teils veraltet. Versicherte trafen Entscheidungen auf falscher Datenbasis.

Seit 01.01.2023 existiert bei vorgezogenen Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenze mehr. Für Erwerbsminderungsrenten gelten weiterhin individuelle Jahresgrenzen. Diese Dynamik führte zu Missverständnissen. Genau hier setzt die Entscheidung an.

Was der Herstellungsanspruch leistet – und was nicht

Der Herstellungsanspruch korrigiert Nachteile durch Pflichtverletzungen. Er verlangt eine klare Kausalität. Betroffene müssen zeigen, was sie bei richtiger Auskunft getan hätten. Typische Szenarien sind ein früherer Rentenantrag oder andere Arbeitszeiten.

Nicht jeder finanzielle Effekt lässt sich rückwirkend ersetzen. Der Ausgleich bleibt auf das sozialrechtlich Mögliche beschränkt. Steuerfolgen oder Nebenkosten fallen oft nicht vollständig darunter. Der Einzelfall entscheidet.

Abgrenzung zu möglichen Schadensersatzansprüchen

Neben dem Herstellungsanspruch kommt Amtshaftung in Betracht. Grundlage sind allgemeine zivilrechtliche Regeln. Zuständig wären Zivilgerichte. Amtshaftung zielt auf Vermögensschäden. Sie greift, wenn das Sozialrecht den Nachteil nicht heilt.

Beide Wege schließen sich nicht zwingend aus. Sie folgen jedoch verschiedenen Prüfungsmaßstäben. Eine parallele Strategie kann sinnvoll sein. Beratungsstellen helfen bei der Abwägung.

Praktische Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung stärkt die Position von Versicherten. Sie setzt einen klaren Standard für DRV-Auskünfte. Fehlerhafte Standardtexte gelten nicht als Bagatelle. Träger müssen Informationen aktuell halten. Das reduziert Fehlentscheidungen rund um Rentenstarts.

Für Betroffene lohnt eine Neubewertung alter Unterlagen. Besonders relevant sind die Jahre mit Sonderschwellen. Wer damals gezögert hat, sollte neu rechnen lassen.

So prüfen Sie Ihren Fall systematisch

Sammeln Sie Ihre Rentenauskünfte und Schreiben der DRV. Notieren Sie das Datum der Auskunft. Vergleichen Sie die damals geltenden Grenzen mit dem genannten Wert. Prüfen Sie, welche Option Sie bei korrekter Information gewählt hätten. Halten Sie Belege bereit, etwa Arbeitszeiten oder Vertragsänderungen.

Stellen Sie einen schriftlichen Korrekturantrag. Verweisen Sie auf die Pflicht zur richtigen Auskunft. Schildern Sie Ihren hypothetischen Verlauf in kurzen Punkten. Bitten Sie um eine Entscheidung mit Begründung. Legen Sie Fristen sachlich fest. Bewahren Sie Kopien und Sendebelege auf.

Fristen und Beweise

Achten Sie auf allgemeine Verfahrensfristen. Widerspruchsfristen laufen nach Bescheiden. Bei formlosen Auskünften gelten andere Maßstäbe. Belege erhöhen die Erfolgsaussicht. Führen Sie Kalender, Lohnabrechnungen und Verträge an.

Dokumentieren Sie telefonische Auskünfte schriftlich nach. Fügen Sie Datum, Uhrzeit und Namen hinzu. Je klarer die Kausalitätskette, desto besser.

Aktueller Rechtsstand zu Hinzuverdienst

Vorgezogene Altersrenten haben seit 2023 keine Hinzuverdienstgrenze mehr. Erwerbsminderungsrenten behalten individuelle Jahresgrenzen. Planen Sie neue Beschäftigungen, prüfen Sie die aktuelle Lage.

Nutzen Sie offizielle Informationsblätter. Verlassen Sie sich nicht auf ältere Mustertexte. Bei Unklarheiten lohnt eine schriftliche Nachfrage. Lassen Sie sich die Rechtsgrundlage nennen.

Einordnung im Rechtsprechungskontext

Die Entscheidung reiht sich in eine klare Linie ein. Gerichte betonen die Verantwortung der Träger. Richtigkeit gilt auch für Standardinformationen. Rückwirkende Leistungen bleiben dennoch kein Automatismus. Die Beweisführung bleibt zentral.

Wer den Entscheidungsweg sauber belegt, stärkt seine Position. Das gilt besonders bei schnell geänderten Grenzwerten. Konsequente Dokumentation zahlt sich aus.

Der Beitrag Rente: Falsche Auskunft der Rentenversicherung kann Rente korrigieren – Urteil erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Schwerbehinderung: Zwang zur Grundsicherung? Urteil widerspricht Behörde

19. September 2025 - 12:56
Lesedauer 3 Minuten

Wer Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht, muss nicht automatisch auf Grundsicherung wechseln. Ohne wirksamen Antrag auf Grundsicherung bleibt die Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen. Ein vom Amt gestellter Trägerantrag nach § 95 SGB XII ändert daran nichts.

Wird die Leistung mit Verweis auf „fehlende Mitwirkung“ zur Grundsicherung versagt, greift der Widerspruch aufschiebend. Das hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 10.06.2025 (L 9 SO 71/25 B ER) bestätigt.

Worum es im Fall ging

Der Antragsteller bezog eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und erhielt zunächst Grundsicherung. Das Sozialamt stellte auf Hilfe zum Lebensunterhalt um. Später verlangte die Behörde Mitwirkung gegenüber der Rentenversicherung, um eine dauerhafte volle Erwerbsminderung zu klären, und versagte schließlich die Sozialhilfe wegen angeblich fehlender Mitwirkung.

Das Sozialgericht verpflichtete das Amt im Eilverfahren zur weiteren Zahlung; das LSG wies die Beschwerde des Amtes zurück.

Grundsatz: Grundsicherung hat Vorrang – aber nur bei bestehendem Anspruch

Die Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII geht der Hilfe zum Lebensunterhalt formal vor. Dieser Vorrang gilt jedoch nur, wenn ein Anspruch tatsächlich besteht. Fehlt es am wirksamen Antrag auf Grundsicherung, bleibt die Hilfe zum Lebensunterhalt geschuldet. Diese Linie entspricht der ständigen Rechtsprechung zum Antragsprinzip.

Kein Antrag, kein Wechsel: § 95-Trägerantrag ersetzt den Willen nicht

Die Behörde kann nach § 95 SGB XII selbst einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Das ersetzt jedoch nicht die eigenständige Entscheidung der betroffenen Person. Ein Amtsantrag führt nicht automatisch zum Leistungswechsel.

Vor allem begründet er keine Pflicht, für die Grundsicherung Gesundheitsdaten offenzulegen, wenn zeitgleich Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird. Eine Versagung der Sozialhilfe mit der Begründung, jemand habe für die Grundsicherung nicht mitgewirkt, ist daher rechtswidrig.

Aufschiebende Wirkung schützt die Existenz

Gegen einen Versagungsbescheid entfaltet der Widerspruch aufschiebende Wirkung. Das bedeutet: Die Leistung darf bis zur Klärung nicht eingestellt werden, es sei denn, das Gesetz ordnet ausnahmsweise etwas anderes an.

Wer auf Zahlungen angewiesen ist, kann zusätzlich einen Eilantrag stellen, damit das Gericht die vorläufige Weiterzahlung anordnet. Genau das ist hier geschehen.

Gesetzliche Zielsetzung: Kein Zwang zur Grundsicherung

Die Grundsicherung wurde eingeführt, um verdeckte Altersarmut zu vermeiden. Der Wechsel von der Sozialhilfe zur Grundsicherung sollte nicht von Amts wegen erfolgen. Seit 2020 gilt der Angehörigen-Entlastungs-Mechanismus (§ 94 Abs. 1a SGB XII) ohnehin für alle Sozialhilfeleistungen, was den Druck zum Wechsel zusätzlich relativiert.

Wer die mit der Grundsicherung verbundene Gesundheitsprüfung nicht wünscht, darf bei der Hilfe zum Lebensunterhalt bleiben, solange deren Voraussetzungen vorliegen.

Was bedeutet das für Betroffene?

Leistungsberechtigte können selbst entscheiden, ob sie einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Ohne Antrag gibt es keinen Anspruch auf Grundsicherung – und damit keine Verdrängung der Hilfe zum Lebensunterhalt.

Sozialämter dürfen HLU nicht mit dem Hinweis versagen, jemand müsse „vorrangig“ Grundsicherung beantragen oder ärztliche Unterlagen für die Grundsicherung beibringen.

Praxis: So reagieren Sie auf eine Versagung

Wenn das Amt die Sozialhilfe wegen angeblicher Mitwirkungspflichten zur Grundsicherung stoppt, sollten Sie umgehend Widerspruch einlegen. Vorläufige Sicherung ist durch einen Eilantrag beim Sozialgericht möglich.

Weisen Sie darauf hin, dass der Vorrang der Grundsicherung nur bei bestehendem Anspruch greift und der Trägerantrag keinen Mitwirkungszwang zur Grundsicherung schafft. Bitten Sie um fortlaufende Zahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt bis zur Entscheidung.

Einordnung des Beschlusses

Das LSG entschied im Eilverfahren nach summarischer Prüfung. Dennoch ist die Begründung tragfähig: Sie verweist auf das Antragsprinzip und zieht klare Grenzen zwischen dem Dritten und dem Vierten Kapitel des SGB XII.

Für die Beratungspraxis liefert der Beschluss klare Argumente in Fällen, in denen Sozialämter Leistungen wegen verweigerter Mitwirkung zur Grundsicherung streichen.

Hintergrund: Abgrenzung Drittes und Viertes Kapitel

Die Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel) sichert den Bedarf, wenn weder SGB II noch Grundsicherung greift. Die Grundsicherung (Viertes Kapitel) richtet sich an Menschen ab der maßgeblichen Altersgrenze oder bei dauerhafter voller Erwerbsminderung.

Ob Letztere vorliegt, betrifft nur den Anspruch auf Grundsicherung. Wird diese Frage offengelassen oder fehlt der Antrag, bleibt die Hilfe zum Lebensunterhalt maßgeblich.

Der Beitrag Schwerbehinderung: Zwang zur Grundsicherung? Urteil widerspricht Behörde erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Jobcenter streicht komplettes Bürgergeld nach Auslandsaufenthalt

19. September 2025 - 10:09
Lesedauer 4 Minuten

Ein nigerianisches Ehepaar muss mehr als 30.000 Euro an das Jobcenter zurückzahlen, weil es sich über Jahre nicht in Deutschland aufgehalten haben soll und damit für den Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen bestätigte die Rückforderung und die vollständige Einstellung der Leistungen.

Bemerkenswert ist dabei nicht nur die Summe, sondern vor allem die rechtliche Begründung: Aufgrund nachgewiesener Täuschungen kehrte das Gericht die Beweislast um und verpflichtete nicht das Jobcenter, sondern das Ehepaar dazu, einen Aufenthalt in Deutschland zu beweisen. Zuvor war das Paar bereits vor dem Sozialgericht Bremen gescheitert.

Der Hintergrund: Leistungen seit 2014, Entdeckung bei der Einreise 2018

Seit 2014 bezog das Paar Leistungen nach dem SGB II. Der Verdacht auf einen jahrelangen Auslandsaufenthalt verdichtete sich erst 2018, als die Bundespolizei die beiden bei der Einreise kontrollierte.

Die Stempel in den Reisepässen ließen einen mehrjährigen Aufenthalt in Nigeria erkennen. Für das Jobcenter war dies Anlass, die Zahlungen einzustellen und rund 33.000 Euro bereits bewilligter Leistungen zurückzufordern. Der anschließende Rechtsstreit führte vom erfolglosen Widerspruch über das Sozialgericht bis vor das LSG, das die Sicht der Behörde bestätigte.

Rechtlicher Rahmen: Erreichbarkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Mitwirkungspflichten

Leistungen nach dem SGB II – heute als Bürgergeld bezeichnet – knüpfen an klare Voraussetzungen an. Dazu zählen der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland sowie die grundsätzliche Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt.

Wer längere Zeit ins Ausland geht, steht dem hiesigen Arbeitsmarkt regelmäßig nicht zur Verfügung. Kurze Ortsabwesenheiten können im Einzelfall genehmigt werden; sie müssen jedoch zuvor mitgeteilt und ausdrücklich bewilligt werden.

Werden diese Grenzen überschritten oder wird eine Abwesenheit nicht angezeigt, entfällt grundsätzlich der Leistungsanspruch.

Neben der Verfügbarkeit trifft Leistungsberechtigte zudem eine Mitwirkungspflicht: Änderungen, die den Leistungsanspruch berühren, sind dem Jobcenter unverzüglich mitzuteilen. Unterbleibt dies, drohen Aufhebung und Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen.

Die Beweise: Leere Wohnung, Meldeversäumnisse und berufliche Verankerung in Nigeria

Im konkreten Fall gelang es der Beweisaufnahme nicht, die Darstellung des Paares zu stützen, es habe sich in Bremen aufgehalten. Vielmehr sprachen mehrere Indizien in die entgegengesetzte Richtung.

Die gemietete Wohnung wirkte über längere Zeit unbewohnt, Termine beim Jobcenter wurden wiederholt versäumt, und sowohl der Mann als auch die Frau wiesen berufliche Bezüge in Nigeria auf.

Der Mann verfügte über einen Mitarbeiterausweis einer nigerianischen Transportfirma, die Frau über eine anwaltliche Zulassung in Nigeria. Auch die gemeinsamen Kinder besuchten dort eine Schule. Diese Indizien ergaben in der Gesamtschau ein stimmiges Bild eines dauerhaft verlagerten Lebensmittelpunkts.

Zeugen: Korrektur einer eidesstattlichen Versicherung

Besondere Schwere gewann die Beweislage durch die Aussage eines Zeugen. Dieser korrigierte eine zuvor vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung und räumte ein, in den betreffenden Jahren keinen persönlichen Kontakt zu dem Paar gehabt zu haben.

Nach Darstellung des Gerichts habe der Leistungsbezieher den Zeugen sogar gebeten, einen Aufenthalt in Bremen zu bestätigen. Das Paar selbst erschien nicht zur mündlichen Verhandlung. Für das Gericht fehlten damit „belastbare Nachweise“ für einen Aufenthalt in Deutschland.

Beweislastumkehr: Warum im Ausnahmefall die Betroffenen beweisen müssen

Grundsätzlich gilt in sozialrechtlichen Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz: Das Gericht klärt den Sachverhalt von Amts wegen auf.

Auch trifft Behörden, die Leistungen entziehen oder zurückfordern, regelmäßig eine Begründungs- und Nachweispflicht. Im vorliegenden Fall sah das LSG jedoch eine Täuschung gegenüber Behörde und Gericht als erwiesen an.

In solchen Konstellationen kann es zu einer Beweislastumkehr oder zumindest zu einer erheblich gesteigerten Darlegungslast der Leistungsberechtigten kommen.

Vereinfacht gesagt: Wer manipuliert oder Behörden gezielt täuscht, kann sich nicht darauf zurückziehen, die Gegenseite müsse jede Einzelheit widerlegen. Das Paar musste daher substantiiert belegen, dass es sich in Deutschland aufgehalten hatte – ein Nachweis, der misslang.

Rückforderung und Leistungsentzug: Konsequenzen aus dem Urteil

Die Entscheidung des LSG trägt zwei unmittelbare Folgen. Erstens bleibt die vollständige Einstellung der Leistungen rechtmäßig, weil die Anspruchsvoraussetzungen – Aufenthalt in Deutschland und Verfügbarkeit – über längere Zeit nicht vorlagen.

Zweitens ist die Rückforderung der rund 33.000 Euro rechtens, da die Zahlungen unter Umständen erfolgt waren, die dem Jobcenter nicht offenbart wurden und die den Leistungsanspruch ausschlossen.

Rückforderungen dieser Art knüpfen sozialrechtlich typischerweise daran an, dass ein begünstigender Bescheid wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben rückwirkend korrigiert werden kann und zu Unrecht Erhaltenes zu erstatten ist.

Was als „Urlaub mit Bürgergeld“ gilt – und was nicht

Der Begriff „Urlaub“ führt im Bürgergeld-Bezug häufig in die Irre. Erlaubt sind nur zeitlich eng begrenzte, vorher genehmigte Ortsabwesenheiten. Während dieser Zeit muss die Erreichbarkeit geklärt sein, und das Jobcenter kann Auflagen machen.

Eine längerfristige Verlagerung des Lebensmittelpunkts ins Ausland ist damit nicht vereinbar. Wer ohne Genehmigung abreist oder über längere Zeit nicht erreichbar ist, riskiert die Aufhebung der Bewilligung, Sanktionen sowie Rückforderungen. Entscheidend ist stets, ob die Person dem deutschen Arbeitsmarkt kurzfristig zur Verfügung steht und der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland liegt.

Einordnung: Kein Generalverdacht, aber klare Grenzen

Der Fall ist außergewöhnlich und nicht repräsentativ für die große Mehrheit der Leistungsbeziehenden, die ihren Mitwirkungspflichten nachkommen.

Gleichwohl zeigt die Entscheidung klare Grenzen: Bürgergeld ist an Mitwirkung, Verfügbarkeit und Transparenz gebunden. Wo bewusst getäuscht wird, sind Behörden und Gerichte befugt, strengere Maßstäbe anzulegen. Die Beweislastumkehr ist dabei kein Automatismus, sondern bleibt besonderen, gravierenden Konstellationen vorbehalten.

Praktische Lehren für Betroffene

Wer Bürgergeld bezieht und vorübergehend verreisen möchte, sollte frühzeitig das Gespräch mit dem Jobcenter suchen, die Dauer der Abwesenheit abklären und sich die Zustimmung dokumentieren lassen.

Bei Änderungen, die die Erreichbarkeit oder den Aufenthaltsort betreffen, ist eine umgehende Mitteilung unerlässlich. Wer in Grenzfällen unsicher ist, sollte Beratung in Anspruch nehmen und Nachweise – etwa Miet- und Nebenkostenabrechnungen, Melderegisterauskünfte, Arbeitsbemühungen oder ärztliche Termine – geordnet aufbewahren. Diese Unterlagen können im Streitfall entscheidend sein, um die tatsächliche Anwesenheit und Verfügbarkeit zu belegen.

Der Beitrag Jobcenter streicht komplettes Bürgergeld nach Auslandsaufenthalt erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Bürgergeld: Kind hat Anspruch auf ein eigenes Zimmer

19. September 2025 - 9:59
Lesedauer 7 Minuten

Ein Kind im nahezu schulfähigen Alter benötigt ein eigenes Zimmer. Das SG Berlin urteilte am 19.10.2023 – S 175 AS 7097/21 – wie folgt:
Alleinerziehende Mutter mit nahezu schulfähigen Kind und zwei kleineren Kindern unterschiedlichen Geschlechts haben Anspruch auf eine 4- Raum- Wohnung .

Die Mutter kann nicht dauerhaft ohne eigenen Rückzugsort sein und ihr muss daher ein eigenes Zimmer zugestanden werden. Das Kind im nahezu schulfähigen Alter bedarf eines eigenen Raumes.

Was war passiert?

Die alleinerziehende und schwangere Mutter beantragte beim Jobcenter die Zusicherung für die Übernahme der Kosten für eine Vier-Zimmer-Wohnung im selben Wohnhaus mit einer Fläche von 93,51 m². Das Jobcenter lehnte die Zusicherung ab.

Die Mutter ging in Widerspruch gegen den Bürgergeld-Bescheid, auch dieser wurde vom Jobcenter abgelehnt. Die Leistungsempfängerin mietete ohne Zusicherung des Jobcenters die Vier-Zimmer-Wohnung an.

Bei weiteren Bescheiden des Jobcenters wurden allerdings nicht die Tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt, nur die angemessenen KdU.

Verzweifelt wandte sich die alleinerziehende Mutter an RA Matthias Göbe, Berlin. Dieser reichte Klage beim SG Berlin ein, mit der Begründung, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sein, denn der Umzug war erforderlich. Des weiteren hätte seine Mandantin Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten.

Dies folge aus der Regelung des § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II, der für die Zeit seiner Geltung eine unwiderlegbare Fiktion der Angemessenheit der tatsächlichen Kosten für einen Zeitraum von sechs Monaten begründe.

Das Jobcenter war der Auffassung, dass der Umzug nicht erforderlich und die Kosten der neuen Wohnung unangemessen seien. Die 175. Kammer des Sozialgerichts Berlin entschied wie folgt:

Ob zugunsten der Kläger im vorliegenden Verfahren die Angemessenheitsfiktion des § 67 Abs. 3 SGB II a. F. greift, musste die Kammer nicht entscheiden. Nach Auffassung der Kammer ist die genannte Miethöhe angemessen im Sinne der Norm.

Soweit das Jobcenter aber darauf abstellt, dass die Miete unangemessen hoch sei und hierzu auf die Vorschriften der AV-Wohnen zurückgreift, geht die Kammer davon aus, dass die AV-Wohnen kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten darstellt.

So dass entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes zzgl. eines 10%igen Sicherheitszuschlags zurückzugreifen ist.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit ist gerichtlich uneingeschränkt zu überprüfen

Die vom Jobcenter zur Ermittlung der Angemessenheitswerte herangezogene AV-Wohnen stellt zur Überzeugung der Kammer kein schlüssiges Konzept dar.

Zur Festlegung der Angemessenheitswerte hat das Land Berlin weder das Wohnungsangebot noch die Nachfrage hinreichend konkret bestimmt.

Es kann mithin nicht festgestellt werden, ob vorliegend Wohnraum zu den als angemessen erachteten Kosten tatsächlich zur Verfügung steht und in hinreichender Zahl auf dem Markt allgemein zugänglich angeboten wird (zu diesem Aspekt für den Zeitraum 2015/2016 zuletzt etwa LSG Berlin-Brandenburg v. 7.4.2022 – L 10 AS 2286/18 – ).

Die zur Ermittlung der Angemessenheitswerte herangezogene AV-Wohnen stellt kein schlüssiges Konzept dar

Die Kammer sieht das vom Jobcenter angewandte Konzept – auch unter Berücksichtigung der in einer Vielzahl weiterer Verfahren eingereichten und damit gerichtsbekannten Unterlagen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – als nicht schlüssig an.

Diese gerichtsbekannten Unterlagen sind nicht hinreichend, um das nicht schlüssige Konzept der AV- Wohnen nachzubessern (so auch SG Berlin v. 21.1.2022 – S 37 AS 9515/19 – , für den Zeitraum 2015/2016 zuletzt auch LSG Berlin-Brandenburg v. 7.4.2022 – L 10 AS 2286/18 – ).

Im vorliegenden Fall folgt daraus für einen Vier-Personen-Haushalt im Jahr 2021 ein maximaler Angemessenheitswert der Bruttokaltmiete von 883,30 EUR und im Jahr 2022 907,50 EUR. Auch die Heizkosten i.H.v. 80,00 EUR bzw. 91,00 EUR sind mit Blick auf die Größe des
Gebäudes (> 1000 m²) und die Art der Heizung (Gasetagenheizung) im Rahmen der Angemessenheitswerte.

Dem Anspruch der Kläger auf Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft steht nicht die Regelung des § 22 Absatz ein Satz 2 SGB II a.F. entgegen, wonach im Falle eines nicht erforderlichen Umzugs nur die bisherigen Kosten der Unterkunft zu gewähren sind.

Nach Auffassung des Gerichts war der Umzug der Mutter mit ihren Kids im Sommer 2021 erforderlich, weswegen die vom Jobcenter in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Deckelung auf die bisherigen Kosten der Unterkunft rechtswidrig ist.

Nachdem sowohl der Gesetzestext als auch die Gesetzesbegründung zu der Frage schweigen, wann ein Umzug erforderlich bzw. nicht erforderlich ist, soll unter dem Kriterium nach allgemeiner Auffassung zu verstehen sein, dass ein plausibler, nachvollziehbarer und
verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich ein Nicht-Hilfeempfängern hätte leiten lassen.

Der Umzug muss auf gewichtige, in der bisherigen Unterkunft liegenden oder persönlichen Gründen beruhen. Dabei sei eine Relation zu den entstehenden Mehrkosten herzustellen.

Was war für das Gericht entscheidend?

Aus Sicht der Kammer war im Falle der alleinerziehenden Mutter entscheidend zu berücksichtigen, dass es sich um eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus einer allein erziehenden Mutter mit einem Kind im nahezu schulfähigen Alter und zwei kleineren Kindern unterschiedlichen Geschlechts handelt.

Es erschien der Kammer nicht nur nachvollziehbar, dass das Kind im nahezu schulfähigen Alter einen eigenen Raum für sich benötigte oder jedenfalls zeitnah benötigen würde, sondern auch, dass die Mutter der drei Kinder nicht auf Dauer ohne eigenen Rückzugsort in einem Zimmer mit einem oder mehreren Kindern leben konnte.

Was würdigte das Gericht besonders bei der Leistungsempfängerin

Besonders gewürdigt hat die Kammer dabei auch, dass die Hilfebedürftige bereit war, über viele Monate die Differenz zwischen den vom Jobcenter bewilligten und den tatsächlich anfallenden Kosten aus anderen, mutmaßlich knappen Mitteln zu finanzieren und dabei offenbar erhebliche Einsparungen an anderer Stelle vornehmen zu müssen.

Hinzu tritt, dass der Umzug innerhalb des Wohnhauses der Kläger nicht nur dem besonderen Vorteil bot, der Alleinerziehenden einen unaufwendigen und kostenarmen Umzug durchzuführen, sondern auch, das Wohnumfeld der Kinder nicht zu verändern.

Aus Sicht der Kammer liegt es auf der Hand, dass sich von diesen Motiven auch ein durchschnittlicher Nicht-Hilfeempfänger hätte leiten lassen.

Das folgt auch daraus, dass nicht abzusehen war, wann der Bedarfsgemeinschaft auf dem jedenfalls angespannten Berliner Wohnungsmarkt ein solches Angebot noch einmal zur Verfügung gestanden hätte.

Mit Blick auf die überzeugende Motivlage hatte die Kammer keine Zweifel daran, dass diese Motivation auch in einem angemessenen Verhältnis zu den entstandenen Mehrkosten steht.

Zum Urteil Anmerkung von RA Matthias Göbe, Berlin

1. Das beigefügte Urteil hat einen solchen Passus hinsichtlich der Frage, ob eine alleinerziehe Mutter mit 3 Kindern in einer Wohnung, in der sie zu Gunsten der Kinder kein eigenes Zimmer hatte, in eine größere Wohnung (ohne vorherige Zusicherung des Jobcenters) umziehen durfte oder die neue Miete auf die bisherige Miete gedeckelt werden durfte, weil der Umzug nicht erforderlich war (jetziger § 22 Abs. 1 S. 5 SGB II).

2. Das Urteil enthält insoweit die lehrreiche Aussage, dass ein Kind im nahezu schulfähigen Alter einen eigenen Raum benötigt und auch die Mutter nicht auf Dauer ohne eigenen Rückzugsort in einem Zimmer mit einem oder mehreren Kindern leben konnte (was letztlich die Erforderlichkeit des Umzugs ausmacht, mit der Konsequent, dass die o.g. Deckelungsvorschrift auf die bisherige Miete nicht greift).

Rechtstipp vom Redakteur Detlef Brock

1. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.01.2024 – L 32 AS 1179/23 B ER:

1. Die AV-Wohnen Berlin vom 13.12.2022 enthält nach wie vor kein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Grenzen der Angemessenheit der Unterkunftskosten, denn sie ist normativ inkonsistent und daher schon begrifflich nicht schlüssig.

2. Bei Anwendung der um den Faktor 1,1 erhöhten Werte der Wohngeldtabelle (Anlage 1 zu § 12 Abs 1 WoGG) dürfte § 12 Abs 7 WoGG (Klimakomponente) zu berücksichtigen sein.

2. LSG Berlin- Brandenburg, Urt. vom 30.03.2023 – L 32 AS 1888/17 –

1. Berliner Jobcenter muss volle Mietkosten anerkennen – Vergleich mit Sozialmieten erforderlich
+
2. Wohnraum der nach den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus und des WoGG angemessen ist, kann jedenfalls in angespannten Wohnungsmärkten nicht grundsicherungsrechtlich unangemessen sein.

Das sollte man wissen und kennen:
Muss jedes Kind in einer Bedarfsgemeinschaft ein eigenes Zimmer haben?
Bei mehreren Kindern darf die Wohnung wie viele Zimmer haben?
Steht jedem Erwachsenem ein eigenes Wohnzimmer und Schlafzimmer zu?

Ein Beitrag von Detlef Brock – Redakteur von gegen-hartz.de und Tacheles e.V.

1. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 05.02.2021 – L 7 AS 3542/20 ER-B –
Das Jobcenter wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet höhere Kosten der Unterkunft zu gewähren, denn Angemessen für einen Neun – Personen-Haushalt mit 7 Kindern kann eine Wohnfläche bis 165 qm oder neun Zimmer sein. Insgesamt dürfte den Antragstellern unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschlechts und der Altersunterschiede der Antragsteller damit Wohnraum mit mindestens sechs oder gar sieben Zimmern zuzugestehen sein.

2. Thüringer Landessozialgericht, Urt. v. 08.01.2020 – L 4 AS 1246/16 – nachgehend BSG, Urteil vom 21.07.2021 – B 14 AS 31/20 R –
Besteht wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem Kind ein zusätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen zu berücksichtigen sein. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem Pflegekind nach § 1685 Abs 2 BGB.

3. Sächsisches LSG, Beschluss vom 12.03.2012 – L 7 AS 985/11 B ER –
Eine Rechtsprechung, wonach einem Erwachsenen zwingend ein Wohn- und ein Schlafzimmer zur Verfügung stehen muss, existiert nicht.

4. LSG NRW, Beschluss vom 23.01.2015 – L 7 AS 1873/14 B – rechtskräftig –
Keine Erteilung der Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II, wenn der Umzug nicht erforderlich ist – Durchgangszimmer ausreichend

1. 54 qm große Zweizimmerwohnung für Mutter und 1 jährigen Sohn ausreichend, Umzug in eine 59 qm große Wohnung nicht erforderlich.

2. Der 1 jährige Sohn der Antragstellerin verfügt über ein eigenes Kinderzimmer. Der Antragstellerin steht mit dem Wohnzimmer – auch wenn es sich um ein Durchgangszimmer handelt – ein Rückzugsort zur Verfügung.

5. Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.04.2011- L 7 AS 753/10 B ER –
Das LSG Chemnitz hat entschieden, dass es in der Regel zumutbar ist, dass sich zwei Kinder im Alter von vier und fast zwei Jahren ein gemeinsames Kinderzimmer teilen.

Hinweis zum Urteil des Berlin vom Redakteur Detlef Brock
Das Gericht hatte ja offen gelassen, ob die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht aufgrund des § 67. Abs. 3 SGB II zu übernehmen wären, was heißt:

1. Eine Angemessenheitsprüfung der KdUH wird nicht vorgenommen. Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gelten „für die Dauer von sechs Monaten” als angemessen.

2. § 67 Abs. 3 SGB II findet nicht nur auf Neu-, sondern auch auf Fortzahlungsanträge Anwendung.

Inzwischen hat aber das BSG mit Urteil vom 14.12.2023 – B 4 AS 4/23 R – entschieden

1. Für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.3.2022 beginnen, sind aufgrund der im damaligen Zeitraum herrschenden COVID-Pandemie, Sonderregeln im SGB II geschaffen worden, die auch im vorliegenden Fall als einschlägig zu beachten sind.

Nach § 67 Abs. 3 S. 1 SGB II ist der zitierte § 22 Abs. 1 SGB II im vorbenannten Zeitraum mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung „für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten“.

Dies bedeutet, dass in solchen Fällen eine Angemessenheitsprüfung der KdUH nicht vorgenommen wird.

2. Diese Sondervorschrift gilt für alle im vorgenannten Zeitraum beginnenden Bewilligungszeiträume, also sowohl für „neue“ Bewilligungen an Berechtigte, die bisher noch nicht im SGB II-Leistungsbezug standen.

Aber auch für Personen, die bereits länger im Leistungsbezug stehen und entsprechende Weiterbewilligungsanträge gestellt haben.

3. Somit wären allein aufgrund der Pandemie und der Sondervorschrift des § 67 Abs. 3 SGB II die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen gewesen!

Der Beitrag Bürgergeld: Kind hat Anspruch auf ein eigenes Zimmer erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rentennachzahlung im Dezember 2025: Kommt die Extra-Rente für Millionen Rentner?

19. September 2025 - 9:39
Lesedauer 3 Minuten

Im Dezember 2025 kommt für Millionen Rentnerinnen und Rentner eine einmalige Nachzahlung infrage. Hintergrund ist eine gesetzliche Umstellung:

Der bislang separat gezahlte Rentenzuschlag wird dauerhaft in die laufende Monatsrente integriert. Datum der Neuberechnung ist der 30. November 2025; fällt die neue Summe höher aus als bisher, wird die Differenz für 17 Monate rückwirkend ausgezahlt. Diese Regelung ist gesetzlich fixiert und ersetzt die bis dahin geltende Übergangsvorschrift.

Einordnung: „Wahr oder falsch?“

Die Aussage, dass es im Dezember 2025 für viele Anspruchsberechtigte zu einer Rentennachzahlung kommen kann, ist zutreffend. Gesetzliche Grundlage ist der neue § 307i SGB VI, der zum 1. Dezember 2025 in Kraft tritt und den Zuschlag als Bestandteil der Rente definiert.

Die bisherige Übergangsregel nach § 307j SGB VI – separater Zuschlag von Juli 2024 bis November 2025 – läuft aus. Entscheidend ist, ob die Rente einschließlich neu berechnetem Zuschlag im Dezember 2025 höher liegt als im November 2025. Dann wird die Differenz mit dem Faktor 17 multipliziert und einmalig ausgezahlt.

Hintergrund der Reform: Zwei Stufen bis zur Umsetzung

Der Gesetzgeber hat die Auszahlung des Zuschlags bewusst zweistufig angelegt. Seit Juli 2024 wird ein vereinfachter, pauschaler Zuschlag zusätzlich zur Rente überwiesen – getrennt von der laufenden Zahlung.

Ab Dezember 2025 folgt die zweite Stufe: Der Zuschlag wird nach den persönlichen Entgeltpunkten neu berechnet und als regulärer Bestandteil der Monatsrente ausgezahlt. Damit verschwindet die separate „Zuschlag-Zeile“ vom Kontoauszug.

Wer profitiert: Erfasste Rentnergruppen

Anspruchsberechtigt sind insbesondere Menschen, deren Erwerbsminderungsrente zwischen 2001 und 2018 begonnen hat. Ebenfalls erfasst sind sogenannte Folgerenten, also Alters- oder Hinterbliebenenrenten, die unmittelbar an eine Erwerbsminderungsrente anschließen. Ein gesonderter Antrag ist nicht nötig; die Deutsche Rentenversicherung prüft die Ansprüche von Amts wegen.

Die Neuberechnung: Stichtag, Methode und Rechtsgrundlage

Für die Neuberechnung blickt die Rentenversicherung auf die persönlichen Entgeltpunkte, die der Rente am 30. November 2025 zugrunde liegen. Diese Entgeltpunkte werden mit einem gesetzlich festgelegten Faktor vervielfältigt; die Höhe des Faktors richtet sich nach dem Beginn der begünstigten Rente.

Das Ergebnis wird der laufenden Rente zugeschlagen und damit in die Monatszahlung integriert. Ergibt sich daraus im Dezember 2025 ein höherer Zahlbetrag als im November 2025, löst die Differenz die einmalige 17-Monats-Nachzahlung aus.

Wie hoch fällt die Nachzahlung aus?

Die Spanne ist individuell und reicht von kleineren bis hin zu mittleren dreistelligen Beträgen.

Maßgeblich ist ausschließlich die Differenz zwischen dem November- und dem Dezember-Zahlbetrag nach neuer Berechnung. Beispielhaft gilt: Erhöht sich die Monatsrente durch die Integration des Zuschlags um 10 Euro, entsteht eine Nachzahlung von 170 Euro. Bei 20 Euro monatlich wären es 340 Euro. Die konkrete Höhe hängt von den persönlichen Entgeltpunkten und der individuellen Rentenbiografie ab.

Keine Antragspflicht – aber Post im Dezember

Die Umstellung läuft automatisch. Betroffene erhalten zum Umstellungszeitpunkt einen neuen Rentenbescheid, in dem sowohl der künftige laufende Betrag als auch eine etwaige Einmalzahlung ausgewiesen werden.

Wer Abweichungen vermutet oder Unklarheiten feststellt, kann gegen den Bescheid Widerspruch einlegen und Beratung in Anspruch nehmen. Für alle, bei denen keine positive Differenz entsteht, gibt es keine Nachzahlung; Rückforderungen ergeben sich aus der Umstellung nicht.

Wechselwirkungen: Hinterbliebenenrenten und Sozialleistungen

Der integrierte Zuschlag zählt ab Dezember 2025 als Bestandteil der Rente und kann damit auf abgeleitete Ansprüche wirken. Insbesondere bei Witwen-, Witwer- und Hinterbliebenenrenten sowie bei bedarfsabhängigen Sozialleistungen kann ein höherer laufender Rentenbetrag Anrechnungen auslösen. Eine individuelle Prüfung – etwa durch Beratungsstellen der Rentenversicherung oder unabhängige Rentenberater – ist sinnvoll.

Fazit: Mehr Übersicht – und für viele ein spürbarer Einmaleffekt

Die Reform bringt Ordnung ins System: Der Zuschlag wird künftig nicht mehr separat, sondern in einer Summe überwiesen. Für Millionen Betroffene bedeutet das dauerhaft einen transparenteren Rentenbetrag; zusätzlich kann es im Dezember 2025 zu einer einmaligen Nachzahlung für die 17 Monate der Übergangsphase kommen.

Ob und in welcher Höhe dieser Einmaleffekt ausfällt, entscheidet allein die individuelle Neuberechnung. Ein sorgfältiger Blick in den neuen Bescheid bleibt daher unverzichtbar.

Quellenhinweise: Rechtsgrundlagen und amtliche Informationen finden sich u. a. in § 307i und § 307j SGB VI, in den FAQs der Deutschen Rentenversicherung und der Bundesregierung zur zweistufigen Zuschlagsregelung sowie in deren Hinweisen zur 17-Monats-Nachzahlung.

Der Beitrag Rentennachzahlung im Dezember 2025: Kommt die Extra-Rente für Millionen Rentner? erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Wie wirkt sich ein Jahr Krankengeld auf die Rente aus?

19. September 2025 - 9:22
Lesedauer 3 Minuten

Wer gesetzlich krankenversichert ist und nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung Krankengeld bezieht, bleibt in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich pflichtversichert.

Für diese Monate fließen also weiter Rentenbeiträge – allerdings nicht in voller, sondern in geminderter Höhe. Maßgeblich ist eine fiktive Beitragsbemessung von 80 Prozent des zuvor erzielten Arbeitsentgelts (bis zur Beitragsbemessungsgrenze).

Das führt zu weniger Entgeltpunkten als während regulärer Beschäftigung und damit zu einem leichten Minus bei der späteren Rente. Rechtsgrundlagen sind insbesondere § 3 und § 166 SGB VI; die Beitragstragung regelt § 170 SGB VI.

Was in der Rentenbiografie wirklich passiert

Während des Bezugs von Krankengeld gelten diese Monate als Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung. Sie zählen voll für Wartezeiten (z. B. die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren, die 35-jährige Wartezeit sowie – besonders wichtig – die 45-jährige Wartezeit für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte).

Gesetzlich wird ausdrücklich festgelegt, dass „Zeiten des Bezugs von Leistungen bei Krankheit“ auf die 45-Jahres-Wartezeit angerechnet werden, soweit es sich – wie beim Krankengeld – um Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten handelt.

Warum „80 Prozent“ den Unterschied machen

Entgeltpunkte sind die Währung der Rente. Für ein Kalenderjahr mit Durchschnittsverdienst entsteht 1,0 Entgeltpunkt; die spätere Monatsrente ergibt sich aus den addierten Entgeltpunkten multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert.

Beim Krankengeld ist die Beitragsbemessungsgrundlage jedoch auf 80 Prozent des früheren Arbeitsentgelts festgelegt.

Wer zuvor genau im Bundesdurchschnitt verdient hat, erwirbt deshalb in einem vollen Jahr Krankengeld typischerweise rund 0,8 Entgeltpunkte statt 1,0. Die Entgeltpunkte werden nach § 70 SGB VI immer im Verhältnis zum jeweiligen Durchschnittsentgelt berechnet.

So groß ist das Rentenminus in Euro

Seit dem 1. Juli 2025 beträgt der aktuelle Rentenwert 40,79 Euro je Entgeltpunkt. Gegenüber einem Beschäftigungsjahr mit 1,0 Entgeltpunkt fehlen bei einem Krankengeldjahr mit 0,8 Entgeltpunkten somit 0,2 Entgeltpunkte.

Das sind rund 8,16 Euro weniger Monatsrente vor Steuern und Sozialabgaben – dauerhaft, also für die gesamte Rentenbezugszeit. Bei 20 Rentenjahren summiert sich das rechnerisch auf knapp 1.960 Euro. Für überdurchschnittliche Verdienste ist die Lücke absolut höher (z. B. 1,5 EP in Arbeit vs. 1,2 EP im Krankengeldjahr ≈ 12,24 Euro monatlich), für unterdurchschnittliche entsprechend niedriger – jeweils gedeckelt durch die Beitragsbemessungsgrenze.

Drei Phasen, drei Effekte

In der Praxis ist der Verlauf oft dreigeteilt. Zuerst zahlt der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen das volle Gehalt (mit vollen Rentenbeiträgen). Danach springt die Krankenkasse mit Krankengeld ein; für diese Monate laufen Pflichtbeiträge auf Basis der 80-Prozent-Regel.

Bei sehr langen Erkrankungen endet der Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit nach maximal 78 Wochen innerhalb einer dreijährigen Blockfrist. Diese Höchstdauer bestimmt, wie viele geminderte Beitragsmonate insgesamt zusammenkommen können.

Wer trägt die Beiträge – und wie werden sie einbehalten?

Bei gesetzlich Versicherten werden die Rentenversicherungsbeiträge auf das Krankengeld grundsätzlich zwischen Krankenkasse und Versichertem aufgeteilt; der Versichertenanteil wird direkt vom Bruttokrankengeld abgezogen. Ausnahmen und Besonderheiten regelt § 170 SGB VI, etwa für die knappschaftliche Rentenversicherung oder wenn andere Leistungsträger zahlen. Für die Rentenhöhe zählt allein die geminderte Bemessungsgrundlage – nicht, wer den Beitrag trägt.

Wichtig für die „Rente mit 63/64/65“: Anrechnung auf die 45 Jahre

Ein Jahr Krankengeld kann helfen, die 45-jährige Wartezeit zu erreichen, weil diese Monate als Pflichtbeitragszeit gelten. Gerade für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte ist das relevant: Wer die 45 Jahre vollmacht, kann – je nach Geburtsjahr – vor der Regelaltersgrenze ohne Abschläge in Rente gehen. Dass Krankengeldmonate mitzählen, ist in den DRV-Studientexten ausdrücklich verankert.

Absicherung der Erwerbsminderungsrente

Für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung grundsätzlich mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge vorliegen. Zeiten mit Krankengeld sind Pflichtbeitragszeiten und helfen, diese Voraussetzung zu erfüllen. Das kann in Krankheitsverläufen entscheidend sein, wenn die Arbeitsfähigkeit dauerhaft sinkt.

Sonderfall Privatversicherung: Krankentagegeld ist nicht gleich Krankengeld

Privat krankenversicherte Beschäftigte erhalten bei längerer Arbeitsunfähigkeit in der Regel „Krankentagegeld“ ihres Versicherers. Das ist kein gesetzliches Krankengeld; automatisch fließen daraus keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Um Rentenlücken zu vermeiden, kommt eine Pflichtversicherung auf Antrag (§ 4 Abs. 3 SGB VI) in Betracht; der Antrag sollte innerhalb von drei Monaten ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit gestellt werden. Die DRV stellt dafür Formulare und Hinweise bereit.

Einordnung: „Ein Jahr“ ist relativ

Ob die Rentenwirkung exakt 0,2 Entgeltpunkte beträgt, hängt davon ab, ob das „Jahr“ vollständig mit Krankengeld belegt ist, in welchem Kalenderjahr die Monate liegen und wie hoch das vorherige Einkommen im Verhältnis zum Durchschnitt war.

Wichtig: Jeder Krankengeldmonat gilt rentenrechtlich als Beitragsmonat und bringt Entgeltpunkte – nur eben auf Basis von 80 Prozent des früheren versicherten Entgelts. Das sichert Wartezeiten und den Versicherungsschutz, mindert aber die künftige Rentenhöhe etwas.

Jedes Jahr Krankengeld reduziert die spätere Rente

Ein Jahr Krankengeld reduziert die spätere Monatsrente im Vergleich zu einem Beschäftigungsjahr spürbar, aber nicht dramatisch.

Für Durchschnittsverdiener entspricht die Minderung in der Regel etwa 0,2 Entgeltpunkten – aktuell gut acht Euro im Monat –, während alle rentenrechtlichen Schutzwirkungen erhalten bleiben: Die Monate zählen als Pflichtbeiträge, helfen bei der 45-Jahres-Wartezeit und können für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente den Ausschlag geben.

Wer privat versichert ist, sollte frühzeitig prüfen, ob eine Antragspflichtversicherung oder freiwillige Beiträge notwendig sind, um Lücken zu vermeiden.

Der Beitrag Wie wirkt sich ein Jahr Krankengeld auf die Rente aus? erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Neue Ausweise für Rentner und Menschen mit Schwerbehinderung

19. September 2025 - 6:42
Lesedauer 2 Minuten

Die Europäische Union hat zwei Richtlinien beschlossen, mit denen erstmals ein europaweit anerkannter Behindertenausweis („European Disability Card“) sowie ein einheitlicher Parkausweis eingeführt werden.

Der neue europäische Behindertenausweis

Mit der Karte sollen Menschen mit Behinderung künftig in allen 27 Mitgliedstaaten dieselben Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, die bislang nur Einheimischen vorbehalten sind – etwa ermäßigte Eintrittspreise, kostenfreie Begleitpersonen, bevorzugter Zugang oder Mobilitätshilfen.

Die Richtlinie verpflichtet die Staaten, die Karte sowohl als fälschungssicheres Scheckkarten-Dokument als auch in einer barrierefrei nutzbaren Digitalversion anzubieten.

Die Umsetzungsfrist beträgt 30 Monate, die tatsächliche Anwendung muss spätestens 42 Monate nach Inkrafttreten beginnen; damit rechnet die EU-Kommission mit einem flächendeckenden Start bis Mitte 2028.

Was passiert mit dem bisherigen Schwerbehindertenausweis?

National ausgestellte Dokumente – in Deutschland der grüne Schwerbehindertenausweis – behalten ihre Gültigkeit. Die europäische Variante kommt ergänzend hinzu; ein Pflichtumtausch ist laut Bundesregierung nicht vorgesehen.

Wer den digitalen Nachweis nutzen möchte, soll ihn freiwillig in eine Wallet-App laden können; für alle anderen wird die Karte weiterhin physisch ausgegeben.

Der EU-Parkausweis als zweite Säule

Besonders auf Reisen bereitet bislang das Parken Schwierigkeiten, weil nationale Parkerleichterungen nur unvollständig anerkannt werden. Die zugleich verabschiedete Richtlinie für einen EU-weiten Parkausweis schließt diese Lücke und verspricht harmonisierte Sonderparkzonen, verlängerte Parkzeiten oder Gebührenbefreiung auch jenseits der Landesgrenzen.

Digitaler Rentenausweis: Fakten statt Gerüchte

Für Aufregung sorgt der geplante digitale Rentenausweis. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung findet sich in Zeile 497 der Satz: „Künftig sollen alle den Schwerbehinderten- und Rentenausweis sowie die A1-Bescheinigung digital und sicher mit sich führen können.“ Entscheidend ist das Wort „können“ – es handelt sich um ein Angebot, nicht um eine Verpflichtung.

Wie Falschmeldungen entstehen

Mehrere Blogs und Videos behaupten seit Wochen, der klassische Ausweis werde bereits 2025 ersatzlos abgeschafft und nur noch per App akzeptiert. Diese Darstellungen ignorieren den Wortlaut des Koalitionspapiers und die Tatsache, dass eine Gesetzesänderung mit Übergangsregeln erforderlich wäre. Es sind also falsche Meldungen, die verunsichern sollen.

Lesen Sie auch:

– Neue Fahrpreisermäßigungen bei Schwerbehinderung im Jahr 2025

Und was sagt die Deutsche Rentenversicherung?

Die Deutsche Rentenversicherung weist darauf hin, dass der heutige Ausweis im Scheckkartenformat weiterhin automatisch mit dem Rentenbescheid verschickt wird und bundesweit vergünstigte Tarife im Nahverkehr oder bei Kultur- und Sporteinrichtungen nachweist.

Eine künftige Digitalversion soll ergänzend in die staatliche eID-Struktur eingebunden werden, ähnlich wie die bereits eingeführte digitale Zulassungsbescheinigung für Fahrzeuge.

Verbindung mit der A1-Bescheinigung

Die Bundesregierung plant, den digitalen Rentenausweis gemeinsam mit dem elektronischen A1-Entsendeschein in eine einheitliche Wallet-Lösung zu integrieren, um Nachweise bei Reisen oder grenzüberschreitender Beschäftigung gebündelt vorzulegen.

Was Betroffene jetzt wissen müssen

Kurzfristig besteht kein Handlungsbedarf: Bestehende Ausweise bleiben gültig, neue Anträge laufen unverändert über die zuständigen Behörden. Die EU-Richtlinien müssen erst in nationales Recht überführt werden; die praktische Einführung der Karten wird deshalb frühestens ab 2026 sichtbar werden.

Wer digitale Angebote nutzen möchte, sollte auf künftige Pilotprojekte achten, doch niemand wird gezwungen sein, ein Smartphone anzuschaffen.

Ausblick

Die Vereinheitlichung der Nachweise ist ein wichtiger Schritt zu mehr Barrierefreiheit und Rechtsklarheit in der EU. Entscheidend wird sein, dass die Mitgliedstaaten die Karten nicht nur technisch umsetzen, sondern begleitend flächendeckend Akzeptanzstellen schaffen.

Für Rentnerinnen, Rentner und Menschen mit Behinderung bedeutet das Vorhaben vor allem eines: weniger Papierkram und mehr Freiheit – vorausgesetzt, die geplanten Optionen bleiben freiwillig und alternative Nachweise bestehen dauerhaft parallel.

Der Beitrag Neue Ausweise für Rentner und Menschen mit Schwerbehinderung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Schwerbehinderung: Merkzeichen B auch bei seelischer Behinderung

19. September 2025 - 6:15
Lesedauer < 1 Minute

Das Merkzeichen B wird bei seelischer Behinderung vergeben, wenn die betroffene Person bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf die Hilfe einer Begleitperson angewiesen ist, beispielsweise beim Ein- und Aussteigen oder zur Orientierung.

Es berechtigt die Betroffenen, eine Begleitperson kostenlos mitzunehmen und ist nicht an einen bestimmten Grad der Behinderung gebunden, sondern am individuellen Bedarf. Die Feststellung des Merkzeichens B bedeutet, dass die Person Hilfe zum Ausgleich der Behinderung braucht.

Beim Antragsteller liegt eine Autismusspektrumstörung und Orientierungs- und Gleichgewichtsstörungen vor

Die Zuerkennung eines Merkzeichens B (Mitnahme einer Begleitperson) im Sinne des § 229 Abs. 2 Satz 1 SGB IX kommt auch in Betracht, wenn eine geistige (oder seelische) Behinderung oder eine vergleichbare Behinderung vorliegt, die mit einem GdB von 70 oder mehr zu bewerten ist, so der 9. Senat des LSG Sachsen im Urteil vom 14. März 2023 (L 9 SB 83/19 – nicht veröffentlicht).

Merkzeichen B wegen Behinderungen im öffentlichen Straßenverkehr

Beim Antragsteller liegt mit einer Autismusspektrumstörung eine tiefgreifende Entwicklungsstörung vor, die sich nicht nur auf dem Schulweg, sondern auf allen Wegen (Probleme beim Überschreiten von Schwellen und der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) und im sozialen Kontext erheblich einschränkend auswirkt.

Weil die Integration in Lebensbereiche auch bei umfassender Unterstützung nur teilweise beziehungsweise nicht gelang, war von einem Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 70 v.H., eher 80 v.H. auszugehen, sodass unter Berücksichtigung zudem bestehender Orientierungs- und Gleichgewichtsstörungen die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens B erfüllt waren.

Der Beitrag Schwerbehinderung: Merkzeichen B auch bei seelischer Behinderung erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Was darf ich mit meinem Pflegegeld jetzt alles tun?

19. September 2025 - 5:44
Lesedauer 3 Minuten

Das Pflegegeld stellt für viele pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen eine essenzielle finanzielle Unterstützung dar. Es dient dazu, die Versorgung und Betreuung zu Hause sicherzustellen und ermöglicht es den Betroffenen, selbst zu entscheiden, wie die Pflege organisiert und gestaltet wird.

Doch immer wieder taucht die Frage auf, welche Ausgaben mit dem Pflegegeld tatsächlich gedeckt werden dürfen und welche Vorgaben es gibt. Die Antwort darauf ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint.

Zweck des Pflegegeldes

Das Pflegegeld ist eine Leistung der Pflegeversicherung und richtet sich an Menschen, die zu Hause von Angehörigen, Freunden oder ehrenamtlichen Pflegepersonen betreut werden. Im Gegensatz zu Pflegesachleistungen, die direkt an einen ambulanten Pflegedienst ausgezahlt werden, erhalten Pflegebedürftige das Geld auf ihr eigenes Konto.

Ziel ist es, die Pflege in häuslicher Umgebung zu ermöglichen und dabei möglichst viel Selbstbestimmung zu gewährleisten.

Es handelt sich nicht um eine zweckgebundene Auszahlung im engen Sinn, sondern um eine finanzielle Unterstützung, die flexibel verwendet werden kann, solange sie der Sicherstellung der Pflege dient.

Freiheiten bei der Verwendung

Grundsätzlich gibt es keine strengen gesetzlichen Vorschriften darüber, wofür das Pflegegeld ausgegeben werden muss.

Es wird nicht kontrolliert, ob und in welcher Form die Mittel verwendet werden. Pflegebedürftige können selbst entscheiden, ob sie das Geld für eine Entlohnung pflegender Angehöriger, für Hilfsmittel, für die Entlastung durch eine Haushaltshilfe oder für andere unterstützende Maßnahmen einsetzen. Auch Ausgaben, die das Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessern, sind möglich, solange sie in einem engen Zusammenhang mit der Pflege stehen.

Pflegegeld als Anerkennung der Pflegeleistung

Für viele Angehörige ist die häusliche Pflege eine große Herausforderung, die viel Zeit, Geduld und Energie erfordert. Das Pflegegeld kann als eine Art Anerkennung und Entschädigung für diese Leistungen angesehen werden.

Es steht den Pflegebedürftigen frei, ob sie das Geld an ihre pflegenden Angehörigen weitergeben oder selbst für die Organisation der Pflege einsetzen. Oft wird es als eine Art „Pflegehonorar“ an die pflegende Person ausgezahlt, um deren Aufwand zumindest teilweise finanziell auszugleichen.

Kombination mit anderen Leistungen

Das Pflegegeld kann auch mit anderen Leistungen kombiniert werden, etwa mit Pflegesachleistungen oder dem Entlastungsbetrag. In einem sogenannten Kombinationsmodell wird ein Teil der Pflege durch einen Pflegedienst abgedeckt, während der andere Teil der Versorgung durch Angehörige erfolgt.

In diesem Fall wird das Pflegegeld anteilig gekürzt, um die doppelte Finanzierung zu vermeiden. Dennoch bleibt auch hier ein gewisser Spielraum, der den individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann.

Keine Zweckbindung, aber Nachweispflichten bei Beratung

Obwohl das Pflegegeld grundsätzlich frei verwendet werden kann, besteht bei Pflegegrad 2 oder höher die Pflicht zu regelmäßigen Beratungseinsätzen. Diese Beratungen dienen dazu, die Qualität der Pflege sicherzustellen und pflegende Angehörige zu unterstützen.

Dabei wird nicht kontrolliert, wie das Geld verwendet wird, sondern lediglich überprüft, ob die Pflege im häuslichen Umfeld funktioniert. Ein Nachweis über die konkrete Verwendung des Pflegegeldes ist daher nicht erforderlich.

Private Entlastung und Lebensqualität

Ein wesentlicher Aspekt der Verwendung des Pflegegeldes ist die Verbesserung der Lebensqualität. Viele Pflegebedürftige nutzen das Geld, um Entlastungsangebote in Anspruch zu nehmen, etwa durch die stundenweise Betreuung durch eine Haushaltshilfe oder Alltagsbegleiter.

Auch die Finanzierung von Freizeitaktivitäten, die der psychischen und physischen Stabilität zugutekommen, kann legitim sein. Wichtig ist, dass das Pflegegeld nicht zweckentfremdet, sondern im Sinne der Unterstützung der pflegerischen Versorgung eingesetzt wird.

Eigenverantwortung

Die Flexibilität bei der Verwendung des Pflegegeldes bedeutet auch, dass Pflegebedürftige und Angehörige eigenverantwortlich handeln müssen. Es liegt an ihnen, zu entscheiden, wie das Geld am sinnvollsten eingesetzt wird, um den Alltag zu erleichtern und eine angemessene Versorgung sicherzustellen.

Diese Eigenverantwortung ist ein wesentlicher Unterschied zu den Pflegesachleistungen, bei denen die Mittel direkt an Dienstleister fließen.

Pflegegeld Höhe in 2025 Pflegegrad Pflegegeld pro Monat (ab 1. Januar 2025) 1 0 € 2 347 € 3 599 € 4 800 € 5 990 €

Die Beträge gelten für häusliche Pflege und wurden im Zuge der zum 1. Januar 2025 wirksam gewordenen Erhöhung um 4,5 Prozent offiziell vom Bundesgesundheitsministerium bekannt gegeben.

Fazit: Freiheit mit Verantwortung

Das Pflegegeld bietet Pflegebedürftigen die Möglichkeit, ihre Versorgung individuell und flexibel zu gestalten. Es ist kein streng zweckgebundener Zuschuss, sondern vielmehr eine Anerkennung und Unterstützung, die nach eigenem Ermessen genutzt werden kann.

Dennoch sollte immer bedacht werden, dass die Pflege im Vordergrund steht. Investitionen in pflegerische Maßnahmen, Entlastung und Lebensqualität sind nicht nur zulässig, sondern ausdrücklich gewünscht. Wer das Pflegegeld jedoch anderweitig verwendet, muss sicherstellen, dass die Pflegeversorgung weiterhin gewährleistet ist.

Möchten Sie, dass ich zu diesem Artikel noch einen kurzen Infokasten mit wichtigen Tipps für den Umgang mit Pflegegeld formuliere (z. B. als kompakte Zusammenfassung)?

Der Beitrag Was darf ich mit meinem Pflegegeld jetzt alles tun? erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Kasse fordert Pflegegeld zurück: Diese Rechtsfehler kippen den Bescheid

19. September 2025 - 5:35
Lesedauer 3 Minuten

Wenn ein Brief der Pflegekasse die Rückzahlung von Pflegegeld verlangt, klingt das endgültig. In der Praxis ist eine Rückforderung jedoch nur zulässig, wenn die Kasse den ursprünglichen Bewilligungsbescheid korrekt aufhebt oder feststellt, dass ohne wirksamen Bescheid gezahlt wurde. Erst danach darf sie einen Erstattungsbescheid erlassen.

Entscheidend sind dabei die Regeln des Sozialverwaltungsrechts: Änderungen müssen sauber begründet, Anhörungen durchgeführt, Fristen eingehalten und Zeiträume taggenau berechnet werden. Ohne diese Schritte ist eine Rückforderung angreifbar.

Rückforderung ist kein Automatismus

Pflegegeld ist eine laufende Leistung. Vor jeder Rückforderung muss die Kasse die Rechtsgrundlage der Aufhebung benennen: Bei späteren Änderungen (z. B. längerer Klinikaufenthalt, nachträgliche Pflegedienst-Abrechnung) kommt nur eine Aufhebung für die Zukunft in Betracht; rückwirkend nur ausnahmsweise, etwa bei verletzten Mitteilungspflichten.

Stützt sie sich auf einen von Anfang an fehlerhaften Bescheid, braucht sie Vollbeweis und muss strenge Fristen wahren. Ohne formellen Aufhebungsbescheid gibt es keinen Erstattungsanspruch – bloße Zahlungsaufforderungen sind stumpf.

Typische Auslöser – und wo die Kasse oft irrt

Bei stationärer Behandlung im Krankenhaus, in der Reha oder zur Vorsorge ruht das Pflegegeld nicht sofort. Die Leistung läuft grundsätzlich vier Wochen weiter und darf erst danach ruhen. Häufig rechnet die Kasse zu grob und fordert ganze Monate zurück, obwohl nur einzelne Tage nach der Vier-Wochen-Frist betroffen sind.

Beim Tod der pflegebedürftigen Person ist eine taggenaue Abrechnung erforderlich; auch hier werden Teilmonate in der Praxis zu oft falsch berechnet. In der Kombinationsleistung mit einem Pflegedienst ist das Verhältnis von Sachleistung und Pflegegeld an die gewählte Quote gebunden.

Nachträgliche Korrekturen kein Selbstläufer

Nachträgliche Korrekturen dürfen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgen, sondern benötigen eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage und einen förmlichen Bescheid. Wer den verpflichtenden Beratungseinsatz nach § 37 Abs. 3 SGB XI versäumt, riskiert Kürzungen; bereits gezahltes Pflegegeld darf die Kasse jedoch nur nach ordnungsgemäßer Aufhebung zurückfordern, nicht automatisch.

Auslandsaufenthalte werden ebenfalls missverstanden: Für vorübergehende Abwesenheiten gilt eine zeitlich begrenzte Weiterzahlung; bei dauerhaftem Wohnsitz in EU/EWR/Schweiz kann Pflegegeld unter unionsrechtlichen Koordinierungsregeln grundsätzlich exportiert werden. Entscheidend ist der konkrete Status – Urlaub ist etwas anderes als eine Wohnsitzverlegung.

Beweislast und Mitwirkung

Für belastende Entscheidungen trägt die Behörde die objektive Beweislast. Sie muss also belegen, dass und ab wann die Leistungsvoraussetzungen wegfielen, etwa durch Klinik- und Reha-Zeiten, Pflegedienstabrechnungen oder Dokumentation zu Beratungseinsätzen. Betroffene sind zur Mitwirkung verpflichtet, aber erst nach verständlichem Hinweis und Fristsetzung.

Vor der Aufhebung ist regelmäßig anzuhören; Akteneinsicht in Gutachten, Abrechnungen und interne Vermerke kann und sollte man verlangen. Fehlen Unterlagen oder weichen Daten voneinander ab, geht das nicht automatisch zulasten der Pflegebedürftigen.

Rückwirkung: Was geht – und was nicht

Rückforderungen scheitern häufig an unzulässiger Rückwirkung. Wird eine Änderung erst nachträglich bekannt, darf die Kasse zwar ab dem Änderungszeitpunkt korrigieren. Eine weitergehende Rückwirkung setzt zusätzliche Voraussetzungen voraus, etwa grob fahrlässig unterlassene Mitteilungen.

Wer Krankenhaus- oder Reha-Zeiten fristnah gemeldet hat, kann sich regelmäßig gegen weiter zurückreichende Aufhebungen wehren. Stützt die Kasse sich auf einen „anfänglich rechtswidrigen Bescheid“, muss sie innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist nach Kenntnis handeln und die damalige Rechtswidrigkeit substantiiert darlegen. Pauschale Formeln reichen nicht.

Widerspruch und Klage: Fristen und Wirkung

Gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide läuft eine Monatsfrist ab Zugang. Widerspruch und anschließende Anfechtungsklage hemmen in der Regel die Vollziehung; die Kasse darf dann nicht vollstrecken, solange kein gesondert begründeter Sofortvollzug angeordnet ist. Wer die Frist verpasst, kann in Ausnahmefällen Wiedereinsetzung beantragen, sollte sich darauf aber nicht verlassen.

Sinnvoll ist ein zweigleisiges Vorgehen: den Bescheid in der Sache angreifen und parallel die aufschiebende Wirkung betonen oder – falls nötig – beim Sozialgericht anordnen lassen.

Praxisbeispiel: Klinikaufenthalt und zu grobe Berechnung

Die Kasse fordert zwei volle Monatsbeträge zurück, weil eine pflegebedürftige Person acht Wochen in stationärer Behandlung war. In der Berechnung fehlt jedoch die gesetzliche Vier-Wochen-Weitergewährung. Nach Akteneinsicht und taggenauer Gegenrechnung reduziert sich der angebliche Rückforderungsbetrag auf wenige Tage nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist.

Zusätzlich fehlt eine ordnungsgemäße Anhörung. Der Widerspruch hat Erfolg; der Erstattungsbescheid wird aufgehoben, die Kasse erlässt eine neue, deutlich niedrigere Festsetzung, die nun erstmals rechnerisch nachvollziehbar ist. Das Beispiel zeigt: Nicht die Schlagzeile „Kasse will Geld zurück“ ist maßgeblich, sondern die saubere Prüfung von Zeitraum, Rechtsgrundlage und Verfahren.

Häufige Pflegegeld-Rückforderungsgründe und Gegenargumente Rückforderungsgrund Gegenargumente und Prüfsteine Langer Krankenhaus-/Reha-Aufenthalt Vier-Wochen-Fortzahlung prüfen, Daten der Einrichtung mit Kassenrechnung abgleichen, taggenaue Berechnung verlangen, Anhörung und Begründung kontrollieren. Tod der pflegebedürftigen Person Teilmonat korrekt anteilig? Datum des Versterbens vs. Zahlungslauf prüfen; unzulässige Pauschalen zurückweisen. Versäumter Beratungseinsatz Lag wirklich ein Versäumnis vor? Nachweisdokumente, Terminverschiebungen, Entschuldigungen und Kassenhinweise aus der Akte prüfen; keine rückwirkende „Strafkürzung“ ohne ordnungsgemäße Aufhebung. Kombinationsleistung mit Pflegedienst Wurde die Quote eingehalten? Nachträgliche Abrechnungen nachvollziehbar? Kein „Nachschieben“ ohne förmlichen Bescheid und klare Berechnung. Aufenthalt im Ausland Unterscheidung Urlaub vs. Wohnsitzverlegung; unionsrechtliche Exportmöglichkeiten beachten; Zeitgrenzen präzise prüfen. „Anfänglich rechtswidriger Bescheid“ Kasse muss damalige Rechtswidrigkeit beweisen und Fristen einhalten; pauschale Behauptungen und Blanko-Rückwirkung sind unzulässig.

Der Beitrag Kasse fordert Pflegegeld zurück: Diese Rechtsfehler kippen den Bescheid erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Schwerbehinderung: Merkzeichen B entzogen – fallen alle Ansprüche weg?

18. September 2025 - 16:36
Lesedauer 3 Minuten

Wird das Merkzeichen B gestrichen, betrifft das sofort Ihre Begleitung im ÖPNV. Die unentgeltliche Mitnahme einer Begleitperson entfällt mit dem neuen Ausweis. Ihre eigene Freifahrt kann weiter bestehen, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Prüfen Sie daher parallel die Rechtsgrundlage der Aufhebung und Ihre Mobilitätsoptionen.

Wann „B“ zusteht – aktuelle Linie der Gerichte

Das Merkzeichen B verlangt einen klar nachweisbaren Hilfebedarf im ÖPNV. Entscheidend ist, ob beim Ein- und Aussteigen, beim Umsteigen, bei Orientierung oder während der Fahrt regelmäßig fremde Hilfe nötig ist. Es genügt nicht, wenn Hilfe nur gelegentlich erforderlich ist.

Die Rechtsprechung fordert eine verkehrsmittelspezifische Prüfung des Alltags, nicht bloß Diagnosen. Zudem gilt: B ist ein Zusatz zu anderen Merkzeichen und setzt in der Regel G, Gl oder H voraus.

Kein „isoliertes B“: Voraussetzungen sauber prüfen

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze ordnen B ausdrücklich den Fällen zu, in denen zusätzlich G, Gl oder H vorliegen. Die Behörden müssen diese Koppelung dokumentieren. Wer nur B ohne die genannten Voraussetzungen führt, riskiert Fehler im Bescheid. Betroffene sollten die Begründung genau anfordern und die fachliche Herleitung gegenprüfen.

Häufige Behördenfehler – hier setzt Ihre Gegenwehr an

Viele Entziehungen stützen sich auf pauschale Annahmen. Häufig werden nur Diagnosen gewürdigt, nicht aber konkrete ÖPNV-Abläufe. Ebenso häufig fehlt die Prüfung der „Regelmäßigkeit“ des Hilfebedarfs in realen Fahrketten.

Auch formelle Fehler treten auf: Entziehungen erfolgen ohne die richtige Rechtsgrundlage oder ohne sachgerechte Ermessensausübung. Diese Punkte sind im Widerspruch zentral.

Entziehung rechtlich angreifen: § 48 oder § 45 SGB X?

Für eine Aufhebung „für die Zukunft“ braucht es eine nachträgliche, wesentliche Änderung der Verhältnisse. Nur dann greift § 48 SGB X. Will die Behörde einen früheren, seit Beginn rechtswidrigen Bescheid aufheben, muss sie § 45 SGB X anwenden. Dann gelten strenge Vertrauensschutz-Regeln und Fristen. Ohne saubere Subsumtion unter die richtige Norm ist die Entziehung angreifbar.

Beweise, die vor Gericht tragen

Stellen Sie Ihren ÖPNV-Alltag präzise dar. Führen Sie Fahrtenbücher mit Linien, Haltestellen, Umsteigewegen und Zeiten. Dokumentieren Sie Stufen, Spaltmaße, defekte Aufzüge, Gedränge und unklare Durchsagen. Ergänzen Sie das mit fachärztlichen Funktionsberichten: nicht nur Diagnosen, sondern konkrete Fähigkeitsgrenzen beim Ein-, Aus- und Umsteigen oder bei Orientierung und Kommunikation.

Zeugen können Begleitpersonen, Schul- oder Arbeitsassistenzen sein. Gerichte knüpfen die Entscheidung an diese Tatsachen.

Was der B-Entzug im ÖPNV konkret ändert

Die unentgeltliche Mitnahme der Begleitperson setzt den B-Eintrag voraus. Fehlt B, besteht die kostenfreie Begleitung nicht mehr. Die eigene Freifahrt hängt dagegen vom Beiblatt mit Wertmarke und den übrigen Merkzeichen ab. Wer G, Gl, aG, Bl oder H erfüllt und eine Wertmarke führt, nutzt den Nahverkehr weiterhin unentgeltlich. Diese Unterscheidung ist für Betroffene zentral.

Wertmarke: Erstattung bei Rückgabe möglich

Geben Sie eine Jahres-Wertmarke vor dem 30. Juni zurück, erhalten Sie auf Antrag die Hälfte des Betrags. Bei Rückgabe vor Laufzeitbeginn ist eine volle Erstattung möglich. Die Rückgabe ist zudem Voraussetzung für bestimmte Erstattungsansprüche. Bewahren Sie Belege auf und stellen Sie den Antrag schriftlich beim Versorgungsamt.

Mobilitätsbudget? Realistisch sind regionale Dienste

Ein bundesweit einheitliches Mobilitätsbudget als Ersatz für B gibt es derzeit nicht. In vielen Städten existieren jedoch Begleit- und Fahrdienste. In Berlin begleitet der VBB-Begleitservice täglich von 7 bis 22 Uhr von der Haustür bis zum Ziel.

Daneben stehen Sonderfahrdienste für anspruchsberechtigte Personen zur Verfügung. Solche Angebote können den Zeitraum bis zur Entscheidung im Rechtsbehelf überbrücken. Prüfen Sie die Optionen Ihrer Kommune.

Hintergrund: Warum „regelmäßig“ der Dreh- und Angelpunkt ist

Die Gerichte unterscheiden deutlich zwischen gelegentlichen Hilfen und einem wiederkehrenden, vorhersehbaren Hilfebedarf. „Regelmäßig“ meint einen Bedarf, der sich aus typischen Fahrten ergibt und nicht nur in Ausnahmesituationen entsteht.

Wer seinen Alltag konkret belegt, schließt Argumentationslücken. Diese Linie prägt sowohl Entziehungs- als auch Neuantragsverfahren.

Wenn die Behörde B streicht, obwohl sich nichts änderte

Liegt keine wesentliche Veränderung vor, scheidet eine Aufhebung nach § 48 SGB X aus. Greift die Behörde stattdessen zu § 45 SGB X, muss sie Ihr Vertrauen würdigen und Fristen einhalten. Das gilt insbesondere bei langjährigen, bestandskräftigen Feststellungen. In der Praxis scheitern viele Entziehungen an diesen Hürden. Lassen Sie die Begründung rechtlich prüfen.

Der Beitrag Schwerbehinderung: Merkzeichen B entzogen – fallen alle Ansprüche weg? erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Schwerbehinderung: Große Vorteile bei Krankenkassen mit einem GdB

18. September 2025 - 16:34
Lesedauer 4 Minuten

Mit einem Grad der Behinderung von 50 gilt man sozialrechtlich als schwerbehindert. Dieser Status belegt sich durch den Schwerbehindertenausweis und öffnet weit mehr als nur arbeits‑ und steuerrechtliche Nachteilsausgleiche.

Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entstehen spürbare Erleichterungen, denn das SGB V knüpft zahlreiche Leistungs‑ und Beitragsregeln an den Nachweis schwerer Beeinträchtigungen. Menschen mit GdB 50 können dadurch medizinische Leistungen schneller genehmigt bekommen, ihre Eigenanteile reduzieren und bei Langzeitbehandlungen auf zusätzliche Schutzmechanismen zurückgreifen.

Obergrenze der Eigenbeteiligung – Zuzahlungsbefreiung wird deutlich früher erreicht

Grundsätzlich begrenzt das Gesetz die Summe aller Zuzahlungen auf zwei Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens eines Haushalts. Für Versicherte, die als schwerwiegend chronisch krank gelten – was bei vielen Schwerbehinderten der Fall ist – sinkt diese Belastungsgrenze auf nur ein Prozent.

2025 bedeutet das: Wer beispielsweise 30 000 Euro Brutto im Jahr bezieht, muss maximal 300 Euro zuzahlen, statt 600 Euro wie gesunde Versicherte. Die AOK beziffert die Pauschalbeträge in diesem Jahr sogar noch konkreter: 67,56 Euro für chronisch Kranke gegenüber 135,12 Euro für alle anderen Erwachsenen.

Heil‑ und Hilfsmittel: schnellerer Zugang dank neuer Richtlinie

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 16. Mai 2025 die Hilfsmittel‑Richtlinie angepasst. Ärztinnen und Ärzte dürfen seitdem komplexe Hilfsmittel, etwa elektronische Rollstühle oder Sprachcomputer, via Videosprechstunde verordnen; zugleich läuft für die Krankenkasse eine engere Entscheidungsfrist.

Bleibt ein Bescheid aus, gilt der Antrag nun als genehmigt, und Versicherte dürfen das Hilfsmittel selbst beschaffen und sich die Kosten erstatten lassen. Diese Fristlösung ist besonders für Betroffene mit erheblicher Mobilitätseinschränkung wichtig, weil sie sich langwierige Widerspruchsverfahren erspart.

Chronische Erkrankung und Disease‑Management – Mehr Therapie, weniger Genehmigungsaufwand

Wer einen Schwerbehindertenausweis besitzt, erfüllt häufig automatisch die Chroniker‑Kriterien der Kassen: Die Krankheit besteht länger als ein Jahr und wird fortlaufend behandelt.

Dadurch greifen Sonderregeln der Heilmittel‑Richtlinie. Ergotherapie oder Physiotherapie können auch jenseits der Regelfalls‑Obergrenze verordnet werden, ohne dass das Budget der Ärztin belastet wird.

Gleichzeitig haben Schwerbehinderte bevorzugten Zugang zu strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP), etwa für Diabetes, COPD oder Herzinsuffizienz.

Diese Programme sichern regionale Facharzttermine, Datentracking in der elektronischen Patientenakte und regelmäßige Schulungen – Leistungen, die ohne DMP häufig selbst zu organisieren wären.

Tabelle: Alle Vorteile mit Grad der Behinderung bei Krankenkassen Leistung / Vorteil Was bedeutet das für Versicherte mit GdB ≥ 50? (inkl. rechtlicher Grundlage) Reduzierte Zuzahlungs­grenze Die jährliche Eigen­belastung für Arznei‑, Verbands‑ und Hilfs­mittel sinkt von 2 % auf 1 % des Haushalts‑Brutto­einkommens, sobald eine schwer­wiegende chronische Erkrankung vorliegt (§ 62 SGB V). Nach Erreichen der Grenze stellt die Krankenkasse für den Rest des Kalenderjahres eine Befreiungs­bescheinigung aus. Genehmigungs­fiktion und Video­verordnung bei Hilfs­mitteln Seit 16. Mai 2025 gilt: Erteilt die Kasse nach Antrag auf ein komplexes Hilfs­mittel (z. B. E‑Rollstuhl, Sprach­computer) keinen Bescheid innerhalb der Frist, gilt es als genehmigt. Ärztinnen und Ärzte dürfen solche Hilfs­mittel jetzt auch per Video­sprech­stunde verordnen (Hilfsmittel‑Richtlinie / G‑BA‑Beschluss 2025). Langfristiger Heil­mittel­bedarf ohne Budget­kürzung Ergotherapie, Physio‑ oder Logo­pädie können bei bestimmten Dauer­diagnosen unbegrenzt verordnet werden; das Arzt­budget bleibt unberührt, eine zusätzliche Genehmigung der Kasse ist nicht nötig (Heilmittel‑Richtlinie, Anlage 2). Bevorzugter Zugang zu Disease‑Management‑Programmen (DMP) Chronisch Kranke mit Schwer­behinderung werden von den Kassen aktiv in strukturierte Programme (Diabetes, COPD, Herz­insuffizienz u. a.) aufgenommen. Das sichert koordinierte Facharzt­termine, Schulungen und eine engmaschige Verlaufs­kontrolle (DMP‑Anforderungs‑Richtlinie). Nahtlosigkeits­regelung beim Krankengeld Läuft das Krankengeld nach 78 Wochen aus, gewährt die Agentur für Arbeit nahtlos Arbeitslosen­geld I, bis über einen Renten­antrag entschieden ist; so entsteht keine Einkommens­lücke (§ 145 SGB III). Erweiterter Anspruch auf Haushaltshilfe Kann niemand den Haushalt führen, finanziert die Kasse eine Haushaltshilfe; bei behinderten Kindern sogar über das 12. Lebensjahr hinaus (§ 38 SGB V). Übernahme von Fahr­kosten Für ambulante Arzt‑ und Therapie­termine werden Taxi‑, Mietwagen‑ oder Kranken­transporte erstattet, wenn der Ausweis die Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ trägt oder ein Pflegegrad 3–5 vorliegt (§ 60 SGB V). Automatische elektronische Patienten­akte (ePA) und barrierefreie Informationen Seit 15. Januar 2025 erhält jedes Kassenmitglied automatisch eine ePA, sofern es nicht widerspricht. Dokumente müssen kontrastreich, vorlesbar und in leichter Sprache zugänglich sein (Digital‑Gesetz 2024). Kranken‑, Übergangs‑ und Pflegegeld: länger abgesichert bei langwieriger Arbeitsunfähigkeit

Schwerbehindert zu sein verlängert den maximalen Anspruch auf Krankengeld zwar nicht über die gesetzlich fixierten 78 Wochen, doch greift für diese Gruppe häufig die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung.

Wird während des Krankengeldbezugs ein Rentenantrag gestellt, darf die finanzielle Lücke bis zur Rentenentscheidung nicht zu Lasten des Versicherten fallen; die Agentur für Arbeit gewährt hier lückenlos Arbeitslosengeld I. Gerade bei schweren chronischen Erkrankungen verhindert das den abrupten Einkommensverlust.

Haushaltshilfe und Fahrkosten – Unterstützung im Alltag

Kann niemand im Haushalt die tägliche Versorgung übernehmen, bezahlt die Krankenkasse eine Haushaltshilfe – bei Kindern mit Behinderung sogar unabhängig vom Alter.

Für Schwerbehinderte, die regelmäßig zu Arzt‑ oder Therapie­terminen müssen, übernimmt die Kasse zudem Fahrtkosten, wenn die Notwendigkeit ärztlich bestätigt ist. Das entlastet Familien, deren Mobilitätsbudget oft bereits durch Umbauten oder Spezialfahrzeuge beansprucht ist.

Digitale Gesundheitsangebote: barrierefreie Kommunikation und automatische ePA

Ab 1. Januar 2025 richtet jede gesetzliche Krankenkasse für ihre Mitglieder automatisch eine elektronische Patientenakte ein, sofern sie nicht widersprechen. Informationen müssen barrierefrei bereitgestellt werden, also in leicht verständlicher Sprache, kontrastreicher Darstellung und kompatibel mit Screenreadern.

Dieser Standard ist für blinde, seh‑ oder lernbehinderte Versicherte ein Meilenstein, weil sie Medikationspläne, Arztbriefe und Heil‑ und Kostenpläne erstmals selbstständig abrufen können.

Zusatzbeiträge und Beitragssatz – Schwerbehinderung schützt nicht vor höheren Beiträgen

Ein GdB 50 verändert den allgemeinen Beitrag zur Krankenversicherung nicht; er bleibt bei 14,6 Prozent plus kassen­individuellem Zusatzbeitrag. Weil dieser zum 1. Januar 2025 im Durchschnitt auf 2,5 Prozent steigt, sollten Versicherte prüfen, ob ein Kassen­wechsel wirtschaftlich sinnvoll ist.

Gerade Menschen mit hohem Therapiebedarf profitieren jedoch oft stärker von Service­leistungen als von einem Zehntel Prozent Beitragsermäßigung – ein Abwägen, das sich wegen der Bindungsfrist von nur 12 Monaten unkompliziert gestalten lässt.

Und wie gehts weiter?

Die Politik diskutiert bereits weitere Erleichterungen, etwa pauschale Genehmigungen für Dauer­verordnungen oder bundeseinheitliche digitale Hilfsmittel­register. Verbände fordern darüber hinaus eine vollständige Befreiung von Zuzahlungen für Menschen mit Schwerbehinderung, weil selbst die reduzierte Ein‑Prozent‑Grenze bei niedrigen Einkommen eine reale Hürde darstellt.

Ob diese Vorschläge Eingang ins SGB V finden, entscheidet sich voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode.

Fazit

Ein GdB 50 ist in der GKV deutlich mehr als ein symbolischer Wert. Er verkürzt Genehmigungswege, senkt Eigenanteile, erweitert den Leistungskatalog und verbessert den Zugang zu modernen, digitalen Versorgungsformen.

In einer Zeit steigender Zusatzbeiträge ist es für Betroffene wichtig, ihre Rechte aktiv zu nutzen: Zuzahlungsquittungen sammeln, Befreiungs­anträge früh stellen, Hilfsmittelentscheidungen überwachen und bei Bedarf die Krankenkasse wechseln. So wird aus dem rechtlichen Status ein spürbarer Vorteil für Gesundheit und Lebensqualität.

Der Beitrag Schwerbehinderung: Große Vorteile bei Krankenkassen mit einem GdB erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rente: Volle Erwerbsminderung – Gericht kippt die Ablehnung – Urteil

18. September 2025 - 16:22
Lesedauer 3 Minuten

Ein Mann aus Baden-Württemberg erhält eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ausschlaggebend war nicht die frühere Tumorerkrankung, sondern der nachgewiesene Leistungseinbruch nach einem Schlaganfall am 13. Februar 2021. Die Rente läuft in zwei Abschnitten bis 31. August 2027.

Warum ist dieses Urteil wichtig?

Es stellt klar: Entscheidend für die Erwerbsminderungsrente ist der medizinisch belegte Eintrittszeitpunkt der Leistungsminderung – nicht das Scheitern im erlernten Beruf, sondern die Fähigkeit für einfache Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt.

Wer Einschnitte wie Schlaganfall oder epileptischen Anfall sauber dokumentiert, stärkt seinen Anspruch und verhindert falsche Frühdatierungen mit versicherungsrechtlichen Nachteilen. Gutachten nach § 109 SGG können abweichende Bewertungen korrigieren.

Zugleich zeigt die Befristung, dass Behandlung und Reha Chancen bieten; erst später kommt eine Entfristung in Betracht. Für Bürgergeld-Beziehende und Rentenantragsteller bedeutet das: Befunde sammeln, Datum sichern, Anspruch strukturiert prüfen.

Was das Gericht entschieden hat

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 8 R 3359/23) hat das Urteil des SG Konstanz teilweise abgeändert. Die Rentenversicherung muss eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewähren – befristet vom 01.09.2021 bis 31.08.2024 und erneut vom 01.09.2024 bis 31.08.2027.

Soweit der Kläger eine frühere Zahlung und eine unbefristete Rente wollte, blieb er erfolglos. Die Behörde trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Der Streitpunkt: Ab wann lag volle Erwerbsminderung vor?

Die Rentenversicherung hatte den Antrag 2020 abgelehnt. Begründung: Die Erwerbsminderung sei schon viele Jahre zuvor vorhanden gewesen und damit „ins Erwerbsleben eingebracht“. In diesem Fall greifen strengere Regeln.

Das SG folgte dieser Sicht und verwies auf die schwere Hirnerkrankung mit Operationen und Bestrahlung 2004/2005 sowie auf langjährige kognitive Einschränkungen.

Der Kläger hielt entgegen: Der entscheidende Leistungseinbruch trat erst 2021 ein. Zuvor seien einfache Tätigkeiten noch möglich gewesen, wenn auch nicht im erlernten IT-Beruf. Der Senat hat diese Frage neu bewertet – gestützt auf mehrere medizinische Quellen aus Verwaltung und Gerichtsverfahren.

Medizinische Grundlage der Entscheidung

Ein gerichtliches Gutachten aus 2021 beschrieb eine leichte bis mäßige kognitive Störung und eine schwere organische Wesensänderung mit fehlendem Antrieb, mangelnder Intentionalität und Problemen bei der Tagesstruktur. Das deutete auf volle Erwerbsminderung hin.

Zugleich zeigte das umfangreiche Material aus früheren Jahren ein anderes Bild: 2012 und 2014 wurden leichte kognitive Defizite dokumentiert, die vorrangig unter Stress und hoher Konzentrationslast auftraten. Hinweise auf ein bereits damals aufgehobenes Leistungsvermögen für einfache, angepasste Arbeiten ergaben sich daraus nicht.

Ausschlaggebend war der Schlaganfall mit epileptischem Anfall am 13.02.2021. Ab diesem Datum stellte der Senat eine dauerhafte völlige Leistungsminderung fest.

Auch die Angehörigenberichte stützen den Einschnitt: Verlust sozialer Kontakte, Aufgabe der Hobbys, kein eigenständiger Alltag mehr. Damit fehlte die Basis, um selbst leichte Tätigkeiten zumindest drei Stunden täglich zu leisten.

Warum der Rentenbeginn erst am 01.09.2021 liegt

Bei Renten wegen Erwerbsminderung beginnt die Zahlung grundsätzlich ab dem siebten Kalendermonat nach Eintritt der Erwerbsminderung. Da der Eintritt auf den 13.02.2021 datiert wurde, läuft die Karenz bis Ende August 2021. Der Rentenbeginn wurde folgerichtig auf den 01.09.2021 festgesetzt.

Die Rentenversicherung bestätigte zudem, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Stichtage 01.09.2015, 14.05.2019 und 12.02.2021 erfüllt wären; entscheidend blieb jedoch der medizinisch belegte Eintrittszeitpunkt im Februar 2021.

Befristung statt Dauerrente: Das steckt dahinter

Die Rente ist befristet. Für eine unbefristete Rente müsste es sehr unwahrscheinlich sein, dass sich die Erwerbsminderung noch bessert. Diese Schwelle ist hier nicht erreicht. Der Senat folgt der ärztlichen Empfehlung zu weiterer Behandlung einer vermuteten depressiven Störung und einer spezialisierten Rehabilitation.

Damit bleiben Besserungschancen offen. Nach Ablauf der ersten Dreijahresfrist wurde unmittelbar ein weiterer Abschnitt bis 31.08.2027 bewilligt. Erst nach längerer Gesamtdauer kommt eine Entfristung in Betracht.

Maßstab: Allgemeiner Arbeitsmarkt, nicht der erlernte Beruf

Wichtig für die Einordnung: Maßstab ist nicht der zuletzt erlernte oder ausgeübte Beruf. Entscheidend ist, ob unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei oder sechs Stunden täglich gearbeitet werden kann.

Der Kläger scheiterte im anspruchsvollen IT-Umfeld. Das allein beweist keine Erwerbsminderung. Der Senat stützte sich deshalb auf funktionale Leistungsfähigkeit für einfache Tätigkeiten – und stellte erst ab 2021 eine vollständige Aufhebung fest.

Beweismaß: Wann „reicht“ die Überzeugung?

Der Eintritt der Erwerbsminderung muss im Vollbeweis stehen. Absolute Gewissheit verlangt das Gericht nicht; eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit genügt. Lässt sich der Zeitpunkt nicht sicher bestimmen, trägt grundsätzlich der Anspruchsteller das Risiko. Hier genügten die übereinstimmenden Anhaltspunkte, um den 13.02.2021 als Beginn festzulegen.

Der Beitrag Rente: Volle Erwerbsminderung – Gericht kippt die Ablehnung – Urteil erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker

Rente: Weitreichendes Urteil – Tausende Rentenrückforderungen drohen

18. September 2025 - 16:20
Lesedauer 2 Minuten

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit einem Urteil (Az.: B 5 R 3/23 R) für eine präzisere Auslegung des § 18a Absatz 2a SGB VI gesorgt. Künftig finden steuerliche Verlustvorträge bei der Anrechnung von Einkommen auf die Witwenrente keine Berücksichtigung mehr.

Hintergrund dieser Regelung ist die Absicht, ausschließlich das tatsächlich verfügbare Einkommen zu erfassen, um die Hinterbliebenenrente fair zu berechnen. Für Betroffene kann diese Entscheidung jedoch finanzielle Rückforderungen nach sich ziehen.

Warum steuerliche Verlustvorträge bei der Witwenrente keine Rolle spielen

Der Zweck der Hinterbliebenenrente besteht darin, den Einkommensausfall nach dem Tod der versicherten Person teilweise auszugleichen. Dabei wird geprüft, inwieweit die Witwe oder der Witwer wirtschaftlich in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Genau an dieser Stelle setzt die BSG-Entscheidung an:

Ein Verlustvortrag aus vergangenen Jahren sagt nichts über die aktuelle Finanzlage aus und darf daher nicht die Höhe der Witwenrente mindern. Damit wird vermieden, dass frühere, steuerlich anerkannte Verluste zu einer höheren Hinterbliebenenrente führen, obwohl effektiv mehr Einkommen zur Verfügung steht.

Praxisbeispiel: Schaustellerin muss 12.600 Euro erstatten

Ein Fall aus der Schaustellerbranche verdeutlicht die Folgen des Urteils. Eine seit 1992 rentenberechtigte Witwe erwirtschaftete zwischen 2007 und 2016 positive Einkünfte. Obwohl das Finanzamt diese Einkünfte aufgrund eines Verlustvortrags nicht besteuerte, betrachtete die Rentenversicherung die tatsächlichen Einnahmen als relevant.

Infolgedessen wurde eine Überzahlung von insgesamt 12.600 Euro festgestellt, die die Witwe zurückzahlen musste. Das BSG bestätigte dieses Vorgehen und betonte, dass die Verluste aus früheren Jahren keinen Einfluss auf die aktuelle Witwenrente haben dürfen.

Kernpunkte des § 18a Absatz 2a SGB VI

Einkommensanrechnung: Alle relevanten Erwerbseinkommen werden bei der Berechnung der Witwenrente berücksichtigt.
Ausschluss von Verlustvorträgen: Steuerlich anerkannte Verlustvorträge mindern das verfügbare Einkommen nicht und beeinflussen die Witwenrente folglich nicht.

Ziel der Regelung: Es soll verhindert werden, dass Personen, die sich wirtschaftlich selbst versorgen können, eine unverhältnismäßig hohe Hinterbliebenenrente beziehen.

Rückforderungen und finanzielle Konsequenzen

Das Urteil verdeutlicht, dass es zu teils erheblichen Rückforderungen kommen kann, wenn die Rentenversicherung nachträglich feststellt, dass die Witwenrente aufgrund nicht berücksichtigter Einkommen zu hoch ausgefallen ist.

Betroffen sind in erster Linie Hinterbliebene, deren tatsächliches Einkommen zunächst durch einen Verlustvortrag steuerlich reduziert wurde. Für die Rentenberechnung gelten jedoch allein die real verfügbaren Mittel.

Bedeutung für weitere Hinterbliebenenrenten

Neben der Witwenrente existieren weitere Formen der Hinterbliebenenversorgung, etwa die Waisenrente oder das sogenannte Sterbevierteljahr. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts unterstreicht für alle diese Leistungen, dass stets das aktuelle und tatsächlich verfügbare Einkommen zählt. Damit wird das Ziel verfolgt, den wirtschaftlichen Bedarf der Hinterbliebenen transparent und gerecht zu erfassen.

Konsequenzen für die Praxis

Wer eine Witwen- oder Witwerrente bezieht und gleichzeitig eigene Einkünfte erzielt, sollte die aktuelle Einnahmesituation präzise dokumentieren. Vergangene Jahre mit negativen Einkünften sind zwar für die Steuer von Bedeutung, aber nicht für die Rentenberechnung. Künftige Anträge oder Neuberechnungen der Witwenrente werden daher ohne Berücksichtigung früherer Verlustvorträge erfolgen.

Mögliche Schritte:
1. Prüfung bisheriger Rentenbescheide auf zu erwartende Rückforderungen
2. Genaue Dokumentation der aktuellen Einnahmen, um keine Unklarheiten bei der Anrechnung entstehen zu lassen
3. Beachtung der klaren Linie des BSG in Bezug auf steuerliche und rentenrechtliche Bewertungen

Der Beitrag Rente: Weitreichendes Urteil – Tausende Rentenrückforderungen drohen erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

Kategorien: Externe Ticker