GEGEN HARTZ IV: ALG II Ratgeber und Hartz 4 Tipp

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Aktualisiert: vor 5 Minuten 35 Sekunden

Viele Befreiungen gibt es jetzt bei einer Schwerbehinderung – Übersicht

17. November 2025 - 16:27
Lesedauer 3 Minuten

Schwerbehinderung ist in Deutschland ein juristischer Status mit weitreichenden Folgen für den Alltag. Er wird in der Regel über den Grad der Behinderung (GdB) und sogenannte Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis ausgewiesen.

Neben Schutzrechten und Nachteilsausgleichen geht es Betroffenen und Angehörigen häufig ganz konkret um finanzielle Entlastungen und Gebührenbefreiungen.

Dieser Überblick erklärt die wichtigsten Befreiungen und Ermäßigungen – von Mobilität über Rundfunkbeitrag und Gesundheitswesen bis zu Steuern – und ordnet ein, wer sie erhält, wie sie beantragt werden und worauf es in der Praxis ankommt.

ÖPNV: Unentgeltliche Beförderung und die Wertmarke

Menschen mit Schwerbehinderung können im Nahverkehr unter bestimmten Voraussetzungen unentgeltlich fahren. Voraussetzung ist in der Regel ein entsprechendes Merkzeichen – häufig „G“, „aG“, „H“, „Bl“, „Gl“ oder „TBl“ – und das sogenannte Beiblatt mit Wertmarke zum Schwerbehindertenausweis.

Für 2025 wurde der Eigenanteil für diese Wertmarke bundesweit angehoben: Sie kostet nun 104 Euro pro Jahr beziehungsweise 53 Euro für ein halbes Jahr. Davon befreit sind weiterhin Personen mit den Merkzeichen „H“ (hilflos) und „Bl“ (blind); auch Empfänger bestimmter Sozialleistungen erhalten die Wertmarke unter Bedingungen unentgeltlich.

Die Regelungen zur Höhe des Entgelts und zu den Befreiungstatbeständen sind bundesrechtlich vorgegeben; die Ausgabe erfolgt über die Versorgungsämter.

Kfz-Steuer: Vollbefreiung oder 50-Prozent-Ermäßigung

Wer auf das Auto angewiesen ist, kann steuerlich deutlich entlastet werden. Eine vollständige Kfz-Steuerbefreiung gibt es, wenn im Ausweis eines schwerbehinderten Menschen die Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ eingetragen sind.

Eine Ermäßigung um die Hälfte ist möglich bei den Merkzeichen „G“ oder „Gl“.

Wichtig ist das Wahlrecht: Die 50-Prozent-Ermäßigung setzt voraus, dass die unentgeltliche ÖPNV-Beförderung (also die Wertmarke) nicht gleichzeitig in Anspruch genommen wird. Steuerbefreiung oder -ermäßigung gelten stets nur für ein auf die betroffene Person zugelassenes Fahrzeug; zuständig ist das jeweilige Hauptzollamt.

Parken: Gebührenfreiheit und weitere Parkerleichterungen

Neben den bekannten Behindertenparkplätzen gibt es Parkerleichterungen, die im Alltag oft ebenso wichtig sind. Mit dem blauen EU-Parkausweis – er steht vor allem Menschen mit „aG“ oder „Bl“ zu – ist in vielen Situationen gebührenfreies Parken erlaubt, etwa an Parkuhren oder Parkscheinautomaten ohne zeitliche Begrenzung, soweit in zumutbarer Entfernung kein regulärer Platz frei ist.

Der orangene Parkausweis für „besondere Gruppen“ mit erheblichen, aber weniger stark ausgeprägten Mobilitätseinschränkungen gewährt ebenfalls Erleichterungen, berechtigt jedoch nicht zum Parken auf ausdrücklich reservierten Behindertenparkplätzen.

Zuständig für die Ausnahmegenehmigungen sind die örtlichen Straßenverkehrsbehörden; der Ausweis muss gut sichtbar im Fahrzeug ausgelegt werden.

Rundfunkbeitrag: Ermäßigung mit Merkzeichen „RF“ und Befreiungen in besonderen Fällen

Der allgemeine Rundfunkbeitrag bleibt 2025 zunächst bei 18,36 Euro pro Monat. Menschen mit dem Merkzeichen „RF“ (Rundfunk) zahlen einen ermäßigten Drittelbeitrag in Höhe von 6,12 Euro monatlich. „RF“ wird nur erteilt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, etwa ein GdB von mindestens 80 und gleichzeitige dauerhafte Unfähigkeit, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, oder bei Blindheit bzw. hochgradiger Sehbehinderung ab bestimmten Grenzwerten.

Eine vollständige Beitragsbefreiung ist möglich, wenn Betroffene bestimmte existenzsichernde Sozialleistungen erhalten; das hängt nicht unmittelbar vom Schwerbehindertenstatus ab, wird aber häufig in Kombination relevant. Zuständig ist der ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice.

Gesetzliche Krankenkasse: Zuzahlungsbefreiung über die Belastungsgrenze

Schwerbehinderung allein befreit nicht pauschal von gesetzlichen Zuzahlungen für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel oder Krankenhausaufenthalte.

Es gibt jedoch die Belastungsgrenze: Nach Erreichen von 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt sind Versicherte für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen befreit; bei schwerwiegend chronisch Kranken sinkt diese Grenze auf 1 Prozent.

Die Krankenkasse stellt auf Antrag eine Befreiungsbescheinigung aus, sobald die individuelle Grenze erreicht oder durch Vorauszahlung abgedeckt ist.

Steuern: Pauschbeträge und Pflege-Pauschbetrag

Finanzielle Entlastung bietet auch das Einkommensteuerrecht. Der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG berücksichtigt typische, behinderungsbedingte Ausgaben ohne Einzelnachweis und richtet sich nach dem GdB. Er beginnt ab GdB 20 mit 384 Euro und steigt stufenweise bis zu 2.840 Euro bei GdB 100.

Unabhängig davon gibt es den Pflege-Pauschbetrag für pflegende Angehörige, der seit der Reform gestaffelt gewährt wird: 600 Euro bei Pflegegrad 2, 1.100 Euro bei Pflegegrad 3 und 1.800 Euro bei Pflegegrad 4 oder 5; auch bei Hilflosigkeit (Merkzeichen „H“) werden 1.800 Euro angesetzt. Diese steuerlichen Pauschalen sind keine Gebührenbefreiungen im engeren Sinn, mindern aber die Steuerlast spürbar.

Assistenz- und Führhunde: Hundesteuerbefreiung durch die Kommune

Viele Städte und Gemeinden befreien Blindenführhunde und andere anerkannt ausgebildete Assistenzhunde von der Hundesteuer. Rechtsgrundlage ist das jeweilige kommunale Satzungsrecht; der Nachweis der speziellen Ausbildung ist regelmäßig erforderlich.

Weil die Details örtlich variieren, empfiehlt sich ein Blick in die Hundesteuersatzung am Wohnort beziehungsweise ein formloser Antrag bei der Kommune.

Was in der Praxis zählt: Merkzeichen, Wahlrechte und die richtige Anlaufstelle

Ob eine Befreiung greift, entscheidet selten der GdB allein. Häufig sind Merkzeichen im Ausweis ausschlaggebend, etwa „RF“ beim Rundfunkbeitrag, „aG“ oder „Bl“ beim Parken und der Kfz-Steuerbefreiung oder „G“/„Gl“ bei der halbierten Kfz-Steuer.

Ebenso wichtig ist das erwähnte Wahlrecht zwischen unentgeltlicher ÖPNV-Beförderung und Kfz-Steuerermäßigung, das bewusst genutzt werden sollte.

Für Mobilitätsleistungen sind Versorgungsämter und Straßenverkehrsbehörden zuständig; bei Kfz-Steuerfragen hilft das Hauptzollamt, beim Rundfunkbeitrag der Beitragsservice, bei Zuzahlungsbefreiungen die Krankenkasse und bei Steuerentlastungen das Finanzamt beziehungsweise eine steuerliche Beratung.

Fazit

Befreiungen und Ermäßigungen bei Schwerbehinderung sind vielfältig, aber an klar definierte Voraussetzungen geknüpft. Wer seine Merkzeichen kennt, Wahlrechte klug nutzt und die passenden Stellen ansteuert, kann im Alltag spürbar entlastet werden – von der kostenlosen ÖPNV-Nutzung über die Kfz-Steuer bis zur Ermäßigung beim Rundfunkbeitrag und zur Zuzahlungsbefreiung in der Krankenversicherung.

Ein prüfender Blick auf die eigene Situation lohnt immer, denn viele Nachteilsausgleiche greifen erst, wenn sie aktiv beantragt werden.

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EM-Rente: Reha vor Rente – darum ist der Entlassungsbericht entscheidend

17. November 2025 - 15:36
Lesedauer 3 Minuten

Wer eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) braucht, hört sofort den Satz „Reha vor Rente“. Dahinter steckt ein klarer Rechtsgrundsatz. Die Rentenversicherung soll Ihre Erwerbsfähigkeit möglichst erhalten. Erst wenn Reha-Maßnahmen scheitern oder aussichtslos sind, kommt eine EM-Rente in Betracht. Für Sie kann das ein Vorteil sein – aber auch ein Risiko, wenn andere Stellen Druck machen.

Reha vor Rente: Was der Grundsatz für Sie bedeutet

Der Grundsatz „Reha vor Rente“ heißt: Die Rentenversicherung prüft zuerst, ob eine medizinische Reha oder Leistungen zur Teilhabe Ihre Erwerbsfähigkeit verbessern können. Erst danach entscheidet sie über eine EM-Rente.

Stellen Sie einen Rentenantrag, sieht sich die Rentenversicherung immer Ihre medizinische Situation an. Hält sie eine Reha für sinnvoll, kann sie Sie in eine Rehaklinik schicken oder berufliche Maßnahmen anbieten. Lehnen Sie das ohne guten Grund ab, droht eine Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung.

Wichtig: Sie müssen nicht automatisch eine Reha machen. Entscheidend ist, ob Ärzte und Rentenversicherung darin eine realistische Chance sehen, Ihre Leistungsfähigkeit zu stabilisieren oder zu bessern. Wenn eine Reha von vornherein als aussichtslos gilt, kann direkt über die EM-Rente entschieden werden.

Umdeutung: Wie aus einem Reha-Antrag ein Rentenantrag wird

Bei der EM-Rente sind Fristen entscheidend. Grundsätzlich beginnt eine Rente ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wurde, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind. Wird der Antrag später gestellt, verlieren Sie oft mehrere Monatsbeträge.

Genau hier hilft „Reha vor Rente“ vielen Betroffenen. Ein Reha-Antrag kann automatisch als Rentenantrag gelten. Die Rentenversicherung prüft dann, ob die Voraussetzungen für eine EM-Rente vorliegen. In diesem Fall wird der Reha-Antrag rückwirkend als Rentenantrag gewertet. Die EM-Rente kann dann ab diesem Zeitpunkt gezahlt werden.

Das bedeutet für Sie: Wenn Sie zuerst eine Reha beantragen und sich später herausstellt, dass Ihre Erwerbsfähigkeit dauerhaft gemindert ist, sind Ihre Ansprüche gesichert. Die Umdeutung schützt also die Zeitspanne, in der noch nicht klar ist, ob eine Reha Erfolg hat.

Trotzdem sollten Sie Anträge nicht unnötig hinauszögern. Wenn klar ist, dass Sie dauerhaft nicht mehr arbeiten können, gehört eine frühzeitige Beratung dazu. So vermeiden Sie Lücken und sichern Beiträge und Rentenpunkte.

Erfolglose Reha: Wichtiger Baustein, aber keine Garantie

Viele glauben: Wenn die Reha „erfolgslos“ war, kommt automatisch eine EM-Rente. Das stimmt so nicht.

Am Ende der Reha erstellt die Klinik einen Entlassungsbericht. Darin steht auch eine sozialmedizinische Einschätzung, wie viele Stunden Sie noch arbeiten können. Dieser Bericht ist wichtig, aber nicht allein entscheidend. Die Rentenversicherung darf zusätzliche Gutachten einholen und die Einschätzung der Rehaklinik anders bewerten.

Kommt ein Gutachten zu dem Ergebnis, dass Sie noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten können, lehnt die Rentenversicherung die EM-Rente meist ab. Selbst dann, wenn der Reha-Bericht eine stärkere Einschränkung nahelegt.

Trotzdem sollten Sie den Reha-Bericht sehr ernst nehmen. Fordern Sie eine Kopie an und bewahren Sie ihn gut auf. Er kann im Widerspruchsverfahren oder in einer Klage vor dem Sozialgericht ein wichtiges Beweismittel sein. Vor allem, wenn der Reha-Bericht Ihre Einschränkungen genauer beschreibt als ein späteres Gutachten.

Wenn Krankenkasse oder Jobcenter in die EM-Rente drängen

Nicht immer wollen Betroffene selbst eine EM-Rente. Für Krankenkassen, Agentur für Arbeit oder Jobcenter kann eine Rente aber günstiger sein als längere Zahlungen von Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Bürgergeld.

Die Krankenkasse darf Sie auffordern, einen Reha-Antrag zu stellen. Reagieren Sie nicht, kann das Krankengeld ruhen. Die Agentur für Arbeit kann ähnlich reagieren.

Wird der Reha-Antrag gestellt und es liegt eine dauerhafte Erwerbsminderung vor, kann die Rentenversicherung daraus einen Rentenantrag machen. Dann endet oft Krankengeld oder Arbeitslosengeld, und es beginnt die EM-Rente.

Für Sie kann das problematisch sein. Eine EM-Rente liegt häufig deutlich unter dem früheren Einkommen. Sie kann auch Ihre spätere Altersrente dauerhaft reduzieren. Besonders heikel ist das, wenn Sie eigentlich weiterarbeiten möchten, aber nur zeitweise krank sind oder noch Chancen auf eine andere Tätigkeit hätten.

Lassen Sie sich bei solchen Konstellationen frühzeitig beraten. Unterschreiben Sie nichts vorschnell und prüfen Sie, ob eine Reha oder eine EM-Rente für Sie langfristig sinnvoll ist.

So stärken Sie Ihre Position im Reha- und Rentenverfahren

Sie können im Verfahren selbst einiges tun, um Ihre Rechte abzusichern.

Stellen Sie Anträge rechtzeitig. Wenn sich abzeichnet, dass Sie längerfristig nicht arbeiten können, sollten Sie die Fristen im Blick behalten. Ein früh gestellter Reha-Antrag kann später als Rentenantrag gelten und Nachzahlungen sichern.

Nehmen Sie angebotene Reha-Maßnahmen ernst. Wenn Sie ablehnen, brauchen Sie einen nachvollziehbaren Grund, etwa medizinische Risiken oder familiäre Härten. Dokumentieren Sie solche Gründe möglichst genau.

Fordern Sie Reha-Entlassungsberichte und wichtige Gutachten an. Besprechen Sie die Inhalte mit Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Weichen Einschätzungen stark voneinander ab, kann deren Stellungnahme im Widerspruchsverfahren sehr wertvoll sein.

Nutzen Sie Widerspruch und Klage bewusst. Eine erste Ablehnung bedeutet nicht das Ende. Widerspruch und Sozialgerichtsklage sind gerade bei EM-Renten oft der normale Weg. Gleichzeitig sollten Sie realistisch prüfen, wie lange Sie ein Verfahren durchhalten können – finanziell und gesundheitlich.

Holen Sie sich Unterstützung. Sozialverbände, unabhängige Beratungsstellen oder Fachanwältinnen und Fachanwälte für Sozialrecht kennen typische Fehler der Behörden. Sie können helfen, Unterlagen zu ordnen, Fristen zu wahren und Argumente klar zu formulieren.

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EM-Rente: Gericht bestätigte eine dauerhafte Erwerbsminderungsrente

17. November 2025 - 15:33
Lesedauer 3 Minuten

Mit seinem Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg ein Grundsatz gesetzt. Unter dem Aktenzeichen L 3 R 74/21 stellten die Richter fest, dass eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht nur zu gewähren, sondern im konkreten Fall auch unbefristet als Dauerrente auszuzahlen ist.

Damit bestätigt das Gericht, dass die gesetzliche Regelbefristung von Erwerbsminderungsrenten dann zurücktritt, wenn eine medizinisch begründete Besserung „nur mit geringer Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit“ zu erwarten ist.

Der Fall: Vom Reha-Aufenthalt zur klageweisen Durchsetzung

Der 1976 geborene Kläger hatte nach einem psychosomatischen Reha-Aufenthalt (3. September bis 5. Oktober 2018) am 31. Januar 2019 eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte die begehrte Dauerbewilligung ab und bot lediglich die – gesetzlich vorgesehene – befristete Zeitrente an.

Das Sozialgericht gab dem Versicherten in erster Instanz Recht; die Rentenversicherung legte Berufung ein – erfolglos. Das LSG schloss sich den Feststellungen der Vorinstanz vollständig an.

Insbesondere stützte es sich auf mehrere Gutachten, die dem Kläger eine tägliche Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden bescheinigten.

Der rechtliche Rahmen: § 43 und § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) setzt voraus, dass Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten können. Grundsätzlich schreibt § 102 Abs. 2 SGB VI eine Befristung solcher Renten auf regelmäßig höchstens drei Jahre vor, um die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bei positiver Gesundheitsprognose nicht zu blockieren.

Der Gesetzgeber hat dieses „Regel-Ausnahme-Prinzip“ indes durch eine entscheidende Öffnungsklausel ergänzt: § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI bestimmt, dass eine Dauerrente bewilligt werden muss, wenn eine „rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit als unwahrscheinlich“ erscheint.

Leitsatz des LSG Hamburg

Das LSG verdichtete seine Entscheidung in einem ebenso prägnanten wie weittragenden Leitsatz:

1. Versicherte haben Anspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr als drei Stunden täglich erwerbsfähig sind. Die Rente ist auf Dauer zu bewilligen, wenn die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit behoben werden können.

2. Damit wird die in § 102 Abs. 2 Satz 5 verankerte Ausnahme nicht länger als seltene Randerscheinung verstanden, sondern als vollwertiges Korrektiv zur gesetzlichen Regelbefristung.

Der Fall zeigt, wie sehr sich die Streitfragen um Erwerbsminderungsrenten in den vergangenen Jahren in Richtung psychischer Krankheitsbilder verschoben haben.

Anders als bei somatischen Leiden, die sich häufig objektivierbar messen oder operativ behandeln lassen, liegen bei schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen Prognosen zur Besserung regelhaft im Ungewissen.

Das LSG betont, dass der Kläger „nicht mehr zu sozialer Interaktion fähig“ sei und eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nach einhelliger gutachtlicher Ansicht ausgeschlossen werde.

Damit ist der Fall symptomatisch für viele Verfahren, in denen psychisch erkrankte Versicherte lange gegen die Standardbefristung ankämpfen müssen.

Regelausnahmeprinzip in der Praxis der Rentenversicherung

Obwohl die Deutsche Rentenversicherung ihre Verwaltungspraxis an § 102 Abs. 2 Satz 5 ausgerichtet hat, zeigen interne Arbeitshinweise, dass eine unbefristete Bewilligung in der Praxis selten erfolgt und regelmäßig besonders eingehender Begründungen bedarf.

Das Urteil rückt deshalb das Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichem Normalfall (Zeitrente) und gesetzlich vorgesehener Ausnahme (Dauerrente) neu ins Bewusstsein.

Mögliche Rechtsmittel und Folgewirkungen

Die Entscheidung des LSG ist noch nicht höchstrichterlich überprüft worden; eine Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Auch wenn außerordentliche Rechtsmittel theoretisch offenstünden, ist eine Korrektur auf Bundesebene derzeit nicht absehbar.

Damit entfaltet das Urteil zwar keine unmittelbare Bindungswirkung über Hamburg hinaus, es liefert jedoch starke Argumentationen für künftige Klagen schwer chronisch erkrankter Versicherter bundesweit.

Bedeutung für Betroffene und ihre Beraterinnen und Berater

Für Betroffene hebt das Urteil die Hürde, eine lebenslange Erwerbsminderungsrente zu erhalten, ein Stück weit ab. Wichtig bleibt, dass medizinische Unterlagen die Prognose „Besserung unwahrscheinlich“ klar und konsistent belegen.

Nur dann können Sozialgerichte § 102 Abs. 2 Satz 5 erfolgreich aktivieren. Zugleich sendet das Urteil das Signal, dass sich Verfahren trotz langwieriger gerichtlicher Auseinandersetzungen lohnen können, wenn die medizinische Sachlage eindeutig ist.

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Schon andere Landessozialgerichte haben in vergleichbaren Konstellationen unbefristete Renten zugesprochen, doch handelt es sich nach wie vor um Einzelfallentscheidungen. Das Hamburger Urteil betont jedoch deutlicher als viele Vorgänger, dass nicht nur terminale oder degenerative Krankheiten eine Dauerrente rechtfertigen, sondern auch schwere, chronisch-psychische Störungen ohne greifbare Besserungsperspektive.

Ausblick

Solange der Gesetzgeber das Regelausnahmeprinzip nicht nachjustiert, wird die Rechtspraxis weiterhin von der Güte medizinischer Gutachten und der sorgfältigen Würdigung durch die Gerichte abhängen.

Das Urteil des LSG Hamburg dürfte aber bereits jetzt intern zu einer sensibleren Prüfung chronischer Fälle beitragen.

Für Betroffene und Berater bedeutet das: Gut dokumentierte, prognostisch gesicherte Krankheitsbilder eröffnen realistische Chancen, die Hürde zur Dauerrente zu überwinden – selbst wenn die Rentenversicherung zunächst nur befristet bewilligt.

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Rente 2026: Sie viel darf ein Rentner steuerfrei dazuverdienen

17. November 2025 - 15:24
Lesedauer 7 Minuten

Ab 2026 rückt für viele Ruheständler eine Frage in den Vordergrund: Wie viel darf ich neben der Rente im Monat steuerfrei dazuverdienen? Die Antwort lautet deutlich großzügiger als bisher – aber sie hängt von mehreren Bausteinen ab: dem allgemeinen Grundfreibetrag, der neuen Aktivrente, Minijob-Regeln und der persönlichen Rentenhöhe.

Dieser Beitrag erklärt Schritt für Schritt, wie die Regeln ab 2026 voraussichtlich aussehen, was wirklich steuerfrei bleibt – und wo trotz „Steuerfreiheit“ trotzdem noch Abgaben fällig werden. Stand der Informationen ist der 17. November 2025; das Aktivrentengesetz befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren, soll aber zum 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Was „steuerfrei“ im Rentenalter überhaupt bedeutet

Wenn Rentnerinnen und Rentner fragen, wie viel sie „steuerfrei“ hinzuverdienen dürfen, meinen sie oft drei verschiedene Dinge:
Zum einen geht es um die Einkommensteuer: Hier ist entscheidend, ob ein Betrag nach dem Einkommensteuergesetz überhaupt besteuert wird – entweder, weil er über dem Grundfreibetrag liegt oder weil er ausdrücklich als steuerpflichtig gilt.

Zum zweiten spielt die Rente selbst eine Rolle: Bis 2022 gab es bei vorgezogenen Altersrenten noch Hinzuverdienstgrenzen, ab denen die Rente gekürzt wurde. Diese Grenzen sind bei Altersrenten seit dem 1. Januar 2023 vollständig entfallen; selbst Frührentner können seitdem unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die Altersrente gekürzt wird.

Drittens gibt es noch die Sozialabgaben: Auch wenn ein Einkommen steuerfrei gestellt wird – etwa im Rahmen der geplanten Aktivrente – fallen auf Arbeitslohn in der Regel Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Genau hier liegt ein häufiger Irrtum: Steuerfrei bedeutet nicht automatisch, dass brutto gleich netto ist.

Höherer Grundfreibetrag 2026: das steuerfreie Existenzminimum

Die Grundlage jeder Einkommensteuerberechnung ist der Grundfreibetrag. Bis zu dieser Grenze bleibt das zu versteuernde Einkommen steuerfrei. Für 2026 ist ein Grundfreibetrag von 12.348 Euro im Jahr vorgesehen.

Umgerechnet entspricht das etwa 1.029 Euro pro Monat – wohlgemerkt bezogen auf das steuerpflichtige Einkommen, nicht auf die Bruttorente. Denn bei gesetzlichen Renten ist nur ein bestimmter Anteil steuerpflichtig; wie hoch dieser Anteil ist, hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab.

Wichtig ist: Der Grundfreibetrag gilt für alle Steuerpflichtigen – also für Erwerbstätige, Rentner, Selbstständige gleichermaßen. Er schützt das Existenzminimum. Für Rentner bedeutet das:

Wenn die Summe aus steuerpflichtigem Rentenanteil und sonstigen steuerpflichtigen Einkünften (zum Beispiel Vermietung, selbstständige Tätigkeit, Zinsen über den Sparer-Pauschbetrag hinaus) unterhalb von 12.348 Euro bleibt, fällt grundsätzlich keine Einkommensteuer an.

Wer dagegen bereits mit seiner Rente allein mit dem steuerpflichtigen Teil über dem Grundfreibetrag liegt, muss auch ohne Hinzuverdienst Einkommensteuer zahlen. Zusätzlicher Verdienst kann die Steuerlast dann erhöhen – es sei denn, er wird durch eine spezielle Steuerbefreiung wie die Aktivrente komplett aus dem zu versteuernden Einkommen herausgenommen.

Aktivrente ab 2026: 2.000 Euro monatlich steuerfrei aus Arbeit

Der wichtigste Baustein für den steuerfreien Zuverdienst ab 2026 ist die geplante Aktivrente. Laut Gesetzentwurf soll im Einkommensteuergesetz ein neuer Steuerfreibetrag geschaffen werden: Wer die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht hat und weiter in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis arbeitet, soll bis zu 2.000 Euro Arbeitslohn im Monat steuerfrei erhalten können.

Die wesentlichen Eckpunkte:

Der Freibetrag von 2.000 Euro gilt monatlich, also bis zu 24.000 Euro im Jahr.
Er betrifft nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, für die der Arbeitgeber Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlt.
Minijobs, selbstständige Tätigkeiten, Einkünfte von Beamten sowie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sollen nicht unter diese Regelung fallen.

Der Freibetrag soll bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt werden, sodass der steuerfreie Anteil gar nicht erst auf der Lohnsteuerkarte erscheint.

Damit wird der Arbeitslohn bis 2.000 Euro monatlich steuerrechtlich so behandelt, als würde es diese Einnahmen gar nicht geben. Sie tauchen nicht als steuerpflichtiges Einkommen auf und erhöhen auch nicht mittelbar den Steuersatz über einen Progressionsvorbehalt.

Wichtig bleibt aber: Auf diesen Lohn fallen weiterhin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an; andere Sozialversicherungsbeiträge können je nach Alter und Versicherungsstatus variieren. Die Aktivrente ist also ein Steuerbonus, keine Befreiung von allen Abgaben.

36.348 Euro im Jahr steuerfrei – wie kommt diese Zahl zustande?

In der öffentlichen Diskussion taucht häufig die Zahl 36.348 Euro als „steuerfreies Einkommen für Rentner ab 2026“ auf. Medien führen diese Summe darauf zurück, dass der Grundfreibetrag von 12.348 Euro und der Aktivrenten-Freibetrag von 24.000 Euro im Jahr addiert werden.

Rechnerisch stimmt das: 12.348 Euro Grundfreibetrag plus 24.000 Euro steuerfreier Arbeitslohn ergeben 36.348 Euro im Jahr, die steuerlich unbelastet bleiben können – rein aus Sicht des Einkommensteuergesetzes.

Für die Praxis sind zwei Punkte wichtig:

Erstens schützt der Grundfreibetrag nicht nur Erwerbseinkommen, sondern auch den steuerpflichtigen Teil der Rente. Wer bereits mit seiner Rente allein über 12.348 Euro steuerpflichtigem Einkommen liegt, nutzt den Grundfreibetrag vollständig dafür auf. Der Lohn aus der Aktivrente bleibt zwar zusätzlich bis 24.000 Euro steuerfrei, die Steuerpflicht auf die Rente verschwindet dadurch aber nicht.

Zweitens gibt es bei gesetzlichen Renten einen steuerfreien Rentenanteil, der zusätzlich zur Summe aus Grundfreibetrag und Aktivrente steuerfrei bleibt. Das bedeutet: Der tatsächlich steuerfreie Gesamtbetrag im Portemonnaie kann im Einzelfall deutlich über 36.348 Euro liegen – wenn ein Teil der Rente gar nicht in das zu versteuernde Einkommen eingeht.

Die oft zitierte Jahresgrenze von 36.348 Euro ist daher eher ein politisches und kommunikatives Orientierungsmaß als eine starre Grenze, ab der ab dem ersten Euro darüber automatisch Steuern fällig werden. Entscheidend bleibt immer die komplette individuelle Rechnung in der Steuererklärung.

Wie viel ist das im Monat? Ein Blick auf typische Konstellationen

Um die Größenordnungen greifbar zu machen, hilft ein Blick auf die Monatsebene.

Der Grundfreibetrag von 12.348 Euro entspricht etwa 1.029 Euro pro Monat. Dazu kommen potenziell 2.000 Euro monatlich steuerfreier Arbeitslohn aus der Aktivrente. Theoretisch kann damit – losgelöst von der Rente – ein Betrag von rund 3.029 Euro monatlich steuerfrei gestellt werden.

In der Praxis sieht das je nach Rentenhöhe unterschiedlich aus:
Eine Rentnerin mit eher niedriger gesetzlicher Monatsrente, deren steuerpflichtiger Anteil unterhalb des Grundfreibetrags bleibt, kann mit der Aktivrente tatsächlich 2.000 Euro pro Monat steuerfrei hinzuverdienen, ohne dass insgesamt Einkommensteuer anfällt.

Ein Rentner mit höherer Rente, deren steuerpflichtiger Anteil klar über dem Grundfreibetrag liegt, zahlt weiterhin Einkommensteuer auf die Rente. Für ihn bleibt der Aktivrenten-Lohn bis 2.000 Euro im Monat zwar steuerfrei, seine Steuerlast auf die Rente aber unverändert.

Damit lässt sich sagen: Die Aktivrente sorgt dafür, dass bis zu 2.000 Euro Monatslohn nicht zusätzlich besteuert werden. Ob das Gesamteinkommen eines Rentners steuerfrei bleibt, hängt aber vor allem von der Höhe und dem steuerpflichtigen Anteil seiner Rente ab.

Minijob, Midijob und Aktivrente: Wie passt das zusammen?

Neben der Aktivrente bleiben auch die bekannten Minijob-Regelungen wichtig. Ab dem 1. Januar 2026 soll die Verdienstgrenze im Minijob auf 603 Euro im Monat steigen. Die Grenze ist an den gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt, der 2026 voraussichtlich 13,90 Euro pro Stunde betragen wird.

Für Rentner ergeben sich damit drei Ebenen:
Erstens kann ein Minijob weiterhin so gestaltet werden, dass der Arbeitgeber eine Pauschsteuer abführt und für den Minijobber selbst keine zusätzliche Einkommensteuer entsteht. Aus Sicht des Rentners fühlt sich der Minijob in vielen Fällen „steuerfrei“ an, obwohl tatsächlich eine pauschale Steuer gezahlt wird – nur eben vom Arbeitgeber.

Zweitens gibt es die Beschäftigungen im sogenannten Übergangsbereich (Midijobs), bei denen der Lohn über der Minijob-Grenze liegt, aber noch unterhalb von etwa 2.000 Euro im Monat. Für diese Jobs gilt künftig grundsätzlich die Aktivrente: Bis 2.000 Euro Monatslohn bleiben sie einkommensteuerfrei, solange die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Drittens können Rentner mit Regelaltersrente ihre Rente seit 2023 unabhängig von der Höhe des Hinzuverdienstes in voller Höhe beziehen, egal ob Minijob oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Eine Kürzung der Altersrente wegen zu hohen Hinzuverdienstes ist damit abgeschafft.

Kombinationen sind grundsätzlich möglich: Wer möchte, kann einen Minijob ausüben und zusätzlich eine Aktivrenten-Beschäftigung haben. Steuerlich und beitragsrechtlich kann das aber komplex werden; hier ist eine individuelle Beratung sinnvoll.

Frührentner, Erwerbsminderungsrentner und Beamte: andere Spielregeln

Nicht alle Rentner profitieren in gleicher Weise von der Aktivrente.
Frührentner, die eine vorgezogene Altersrente beziehen, können zwar wie andere Altersrentner unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Die Steuerbefreiung der Aktivrente steht ihnen nach den aktuellen Plänen aber erst ab Erreichen der regulären Regelaltersgrenze zu.

Wer eine Erwerbsminderungsrente erhält, muss weiterhin Hinzuverdienstgrenzen beachten. Für das Jahr 2026 werden für volle Erwerbsminderungsrenten Hinzuverdienstgrenzen von rund 20.763,75 Euro im Jahr, für teilweise Erwerbsminderungsrenten von 41.527,50 Euro genannt.

Diese Grenzen betreffen aber die Frage, ab wann die Rente gekürzt wird – nicht die Einkommensteuer. Auch hier gilt: Zusätzlich kann der Grundfreibetrag wirken, und gewisse Einkommen sind steuerlich begünstigt.

Beamte und Pensionäre wiederum fallen nach derzeitiger Planung nicht in den Anwendungsbereich der Aktivrente. Sie profitieren vom allgemeinen Grundfreibetrag, aber nicht vom speziellen 2.000-Euro-Freibetrag für weiterarbeitende gesetzliche Rentner.

Ehrenamt und Übungsleiterpauschale: kleine, aber interessante Freibeträge

Neben Grundfreibetrag und Aktivrente gibt es ab 2026 voraussichtlich höhere Freibeträge für Ehrenamtliche. Geplant ist, die Ehrenamtspauschale von 840 auf 960 Euro jährlich und die Übungsleiterpauschale von 3.000 auf 3.300 Euro im Jahr anzuheben.

Diese Beträge gelten unabhängig davon, ob jemand noch erwerbstätig ist oder bereits Rente bezieht. Wer also etwa als Übungsleiter im Sportverein arbeitet oder sich in einem Ehrenamt engagiert, kann zusätzlich zu Rente, Grundfreibetrag und Aktivrente noch einmal mehrere Tausend Euro pro Jahr steuerfrei erhalten. Sie sind eigenständige Freibeträge im Einkommensteuergesetz und kommen on top zu den anderen Regelungen.

Was bleibt netto übrig? Steuerfrei heißt nicht abgabenfrei

Auch wenn bis zu 2.000 Euro im Monat aus der Aktivrente einkommensteuerfrei bleiben sollen, ist der Betrag nicht automatisch vollständig netto verfügbar. Auf sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn fallen in aller Regel Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an; gegebenenfalls kommen noch Beiträge zur Rentenversicherung hinzu, wenn der oder die Beschäftigte weiter einzahlt.

Je nach Versicherungsstatus können so schnell einige Hundert Euro im Monat an Beiträgen zusammenkommen. Für freiwillig gesetzlich oder privat Krankenversicherte kann sich die Konstellation nochmals unterscheiden. Im Einzelfall entscheidet die Krankenkasse, wie die zusätzlichen Einkünfte beitragsrechtlich zu behandeln sind.

Wer außerdem Grundsicherung im Alter oder Wohngeld bezieht, muss beachten, dass steuerfreie Einkünfte wie die Aktivrente bei der Berechnung dieser Sozialleistungen angerechnet werden können. Steuerlich mag der Lohn „unsichtbar“ sein, für die Bedürftigkeitsprüfung im Sozialrecht gilt das allerdings nicht automatisch.

Tabelle: So viel Hinzuverdienst mit der Rente bleibt ab 2026 steuerfrei Art des Hinzuverdienstes ab 2026 (alleinstehende/r Rentner/in) Monatlicher Betrag, der typischerweise ohne Einkommensteuer möglich ist (neben der Rente) Aktivrente: Weiterarbeit in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze Bis zu 2.000 € Bruttolohn pro Monat (24.000 €/Jahr) aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach dem Aktivrentengesetz steuerfrei.
Es fallen aber weiterhin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Rentenversicherung an. Kombination Aktivrente + Ausnutzung des Grundfreibetrags (vereinfachte Gesamtbetrachtung) Liegt der steuerpflichtige Teil der Rente und sonstiger Einkünfte im Jahr höchstens beim Grundfreibetrag von 12.348 €,
können in der Spitze rund 3.029 € pro Monat steuerfrei bleiben:

ca. 2.000 € Arbeitslohn aus der Aktivrente + ca. 1.029 € weitere steuerpflichtige Einkünfte im Rahmen des Grundfreibetrags. Minijob neben der Rente (ohne Aktivrente, z. B. kleiner Nebenjob im Handel oder in der Dienstleistung) Bis zu 603 € Lohn pro Monat (7.236 €/Jahr) im Minijob sind möglich, ohne eigene Einkommensteuer,
wenn der Arbeitgeber den Minijob pauschal besteuert. Zusätzlich bleibt der steuerpflichtige Rentenanteil bis zur Höhe des Grundfreibetrags einkommensteuerfrei. Ehrenamt / Übungsleiter-Tätigkeit (z. B. Trainer im Sportverein, Chorleitung, Vereinsvorstand) Ab 2026 sind bis zu 3.300 € pro Jahr als Übungsleiterpauschale und bis zu 960 € pro Jahr als Ehrenamtspauschale steuerfrei.
Bei zwei getrennten Tätigkeiten können so zusammen bis zu 4.260 € jährlich erzielt werden – das entspricht rund 355 € pro Monat zusätzlich, ohne Einkommensteuer. Fazit: Wieviel darf ein Rentner ab 2026 monatlich steuerfrei dazuverdienen?

Um es leichter verständlicher zu machen, hier ein Beispiel zum Abschluss: Eine Rentnerin, die die Regelaltersgrenze erreicht hat und in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis weiterarbeitet, kann bis zu 2.000 Euro Arbeitslohn im Monat steuerfrei erhalten. Dazu kommt der allgemeine Grundfreibetrag von voraussichtlich 12.348 Euro im Jahr, der in erster Linie den steuerpflichtigen Anteil der Rente schützt.

Zusammen ergibt sich rechnerisch ein Spielraum von 36.348 Euro steuerfreiem Einkommen im Jahr – also im Schnitt mehr als 3.000 Euro im Monat, wenn Rente und Aktivrenten-Lohn passend zusammenspielen.

Wie viel davon im konkreten Fall wirklich steuerfrei bleibt, hängt jedoch von der Rentenhöhe, dem Rentenbeginn, weiteren Einnahmen und den Sozialabgaben ab. Hinzu kommt, dass das Aktivrentengesetz Stand heute noch nicht endgültig verabschiedet ist und sich Details im parlamentarischen Verfahren noch ändern können.

Wer genau wissen möchte, welcher steuerfreie Monatsbetrag im eigenen Fall möglich ist, sollte die neue Regelung bei einer Lohnsteuerhilfe, einem Steuerberater oder direkt mit der Deutschen Rentenversicherung durchrechnen lassen. Für die grobe Orientierung lässt sich aber bereits sagen: Ab 2026 werden die Spielräume für steuerfreien Zuverdienst im Rentenalter so großzügig sein wie noch nie.

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Schwerbehinderung: Ab GdB 50 bei der Krankenkasse – Diese Vorteile lassen viele ungenutzt

17. November 2025 - 14:56
Lesedauer 6 Minuten

Ein anerkannter Grad der Behinderung (GdB) von 50 kann bei der Krankenkasse bares Geld sparen und den Zugang zu wichtigen Leistungen erleichtern. Viele Betroffene wissen allerdings nicht, welche Hebel sich damit konkret bewegen lassen – und welche Fristen unbedingt eingehalten werden müssen.

GdB 50: Schwerbehindertenstatus mit Wirkung auf die Krankenkasse

Mit einem GdB von 50 gilt man rechtlich als schwerbehindert. Das wirkt sich nicht nur im Steuerrecht oder beim Job aus, sondern auch im Verhältnis zur Krankenkasse.

Zwar „zaubert“ der GdB 50 keine völlig neuen Leistungen aus dem Nichts, er verändert aber die Ausgangslage: Dauerhafte gesundheitliche Einschränkungen sind offiziell festgestellt, und die Krankenkasse muss die besonderen Belange behinderter und chronisch kranker Menschen stärker berücksichtigen.

Gerade bei Zuzahlungen, beim Wechsel aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung, bei Hilfsmitteln oder Reha-Maßnahmen kann dieser Status entscheidend sein.

Zuzahlungen: Mit Schwerbehinderung schneller an die 1-Prozent-Grenze

Gesetzlich Versicherte müssen für viele Leistungen zuzahlen: Medikamente, Hilfsmittel, Fahrkosten, Krankenhausaufenthalte oder Heilmittel summieren sich schnell. Dafür gibt es eine jährliche Belastungsgrenze.
Normalerweise liegt diese Grenze bei zwei Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Für schwerwiegend chronisch Kranke sinkt sie auf ein Prozent.

Der GdB 50 ist zwar nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Chronikerstatus, er ist aber ein starkes Indiz: Wer wegen einer dauerhaften, schweren Erkrankung als schwerbehindert anerkannt wurde, erfüllt oft die Voraussetzungen als „schwerwiegend chronisch krank“.

Mit ärztlicher Bescheinigung können Betroffene dann die niedrigere Belastungsgrenze von einem Prozent durchsetzen und sich von weiteren Zuzahlungen befreien lassen.

Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen – etwa Rentnerinnen und Rentner, Beziehende von Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter – verschenken häufig viel Geld, weil sie keinen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung stellen oder die Einstufung als chronisch krank nicht aktiv einfordern.

GdB 50 als Tür zurück in die gesetzliche Krankenkasse

Für viele privat Versicherte ist der GdB 50 ein entscheidender Wendepunkt: Das Gesetz sieht ein besonderes Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung für schwerbehinderte Menschen vor.

Wer als schwerbehindert anerkannt wurde und bestimmte Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt (eigene Zeiten oder Zeiten von Eltern bzw. Ehe- oder Lebenspartner), kann unter engen Voraussetzungen aus der privaten Krankenversicherung in die GKV wechseln.

Dieser Schritt ist vor allem dann wichtig, wenn die Beiträge in der PKV aufgrund von Krankheit, Erwerbsminderungsrente oder reduziertem Einkommen zur Existenzbedrohung werden.

Kritisch ist die Frist: Der Beitritt muss innerhalb weniger Monate nach Feststellung der Schwerbehinderung erklärt werden. Wer diese Frist verpasst, verliert diese besondere Eintrittsmöglichkeit dauerhaft. Betroffene sollten daher nach Zugang des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts sofort prüfen lassen, ob das Beitrittsrecht zur GKV für sie in Frage kommt.

Hilfsmittel und Reha: Bessere Karten im Streit mit der Krankenkasse

Ob Rollstuhl, Hörgerät, Orthesen, Kommunikationshilfen oder ein Badewannenlift – Hilfsmittel sind oft der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Alltag. Krankenkassen versuchen jedoch nicht selten, Kosten zu drücken, einfache Standardmodelle durchzusetzen oder Anträge mit formalen Argumenten abzulehnen.

Mit einem GdB von 50 ist die dauerhafte Beeinträchtigung aber offiziell festgestellt. Das stärkt die Position der Versicherten:

Es lässt sich leichter begründen, dass ein Hilfsmittel nicht nur vorübergehend, sondern langfristig notwendig ist.
Mehrere Hilfsmittel nebeneinander (etwa Rollstuhl, Duschsitz, Haltegriffe) können mit dem Hinweis auf die Schwerbehinderung begründet werden.
In Widerspruchs- und Klageverfahren dient der Schwerbehindertenstatus als objektiver Nachweis der Schwere der Beeinträchtigung.

Ähnliches gilt für Reha-Maßnahmen: Ob ambulante oder stationäre Rehabilitation, Anschlussheilbehandlung nach Klinikaufenthalten oder spezielle Reha-Einrichtungen – bei schwerbehinderten Menschen muss die Krankenkasse genauer hinschauen, welche Maßnahme im Einzelfall wirklich nötig ist. Ein GdB 50 spricht deutlich gegen pauschale Ablehnungen mit dem Argument, die Erkrankung sei „nicht schwerwiegend genug“.

Satzungsleistungen, Bonusprogramme und Barrierefreiheit

Viele Krankenkassen bieten zusätzliche Leistungen auf Satzungsbasis an, die über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgehen. Davon profitieren häufig gerade chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung, zum Beispiel durch erweiterte Haushaltshilfen, mehr Leistungen bei Reha-Sport und Funktionstraining oder besondere Vorsorgeprogramme.

Auch die Anforderungen an Barrierefreiheit im Gesundheitswesen nehmen zu: barrierearme Praxen, barrierefreie Online-Angebote, Kommunikationshilfen oder Informationen in Leichter Sprache.

Wer einen GdB 50 hat, kann diese Anforderungen gegenüber der Krankenkasse deutlich selbstbewusster einfordern und auf individuelle Lösungen drängen – etwa Dolmetscherdienste, besondere Kommunikationshilfen oder die Kostenübernahme für Hilfsmittel, die eine barrierefreie Nutzung medizinischer Leistungen überhaupt erst ermöglichen.

Was Betroffene mit GdB 50 konkret tun sollten

Nach der Feststellung des GdB 50 sollten Versicherte nicht nur den Schwerbehindertenausweis abheften, sondern aktiv ihre Ansprüche gegenüber der Krankenkasse prüfen. Dazu gehört, sich die jährlichen Zuzahlungen genau zu dokumentieren, den Chronikerstatus beim Arzt bescheinigen zu lassen und eine Zuzahlungsbefreiung zu beantragen, sobald die Belastungsgrenze erreicht ist.

Privat Versicherte mit frisch anerkanntem GdB 50 sollten umgehend klären, ob das besondere Beitrittsrecht zur GKV für sie in Betracht kommt und welche Frist im konkreten Fall gilt. Bei Hilfsmittel- oder Reha-Ablehnungen lohnt es sich, Widerspruch einzulegen und den Schwerbehindertenstatus ausdrücklich in die Begründung aufzunehmen – idealerweise mit Unterstützung einer Beratungsstelle oder eines spezialisierten Rechtsanwalts.

Überblick: Vorteil mit GdB 50 Konkrete Wirkung bei der Krankenkasse Offizieller Schwerbehindertenstatus Dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung ist anerkannt; bessere Ausgangsposition in allen Leistungs- und Streitfällen. Niedrigere Zuzahlungsgrenze (über Chronikerstatus) Ein GdB 50 erleichtert die Anerkennung als schwerwiegend chronisch krank; Zuzahlungen können auf ein Prozent der Bruttoeinnahmen begrenzt werden. Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung Nach Erreichen der Belastungsgrenze befreit die Krankenkasse von weiteren Zuzahlungen im laufenden Jahr – bei geringem Einkommen oft existenziell. Sonder-Beitrittsrecht zur GKV Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Wechsel aus der PKV in die gesetzliche Krankenversicherung möglich; wichtig bei hohen PKV-Beiträgen. Stärkere Position bei Hilfsmitteln Hilfsmittelanträge können besser begründet werden; der GdB 50 untermauert die Notwendigkeit und Dauerhaftigkeit der Versorgung. Bessere Chancen auf passende Reha-Maßnahmen Krankenkassen müssen die besondere Situation schwerbehinderter Menschen berücksichtigen; stationäre oder spezialisierte Reha lässt sich eher durchsetzen. Nutzung von Satzungsleistungen und Bonusprogrammen Zusätzliche Leistungen für chronisch Kranke und Schwerbehinderte (z. B. Reha-Sport, Haushaltshilfen) können gezielt eingefordert und kombiniert werden. Anspruch auf mehr Barrierefreiheit Barrierefreie Kommunikation und Versorgung (z. B. Hilfsmittel, Dolmetscher, Leichte Sprache) lassen sich mit Verweis auf den Schwerbehindertenstatus leichter durchsetzen.

FAQ: GdB 50 und Krankenkasse

Gilt GdB 50 automatisch als „schwerwiegend chronisch krank“ für die 1-Prozent-Grenze?
Nein. Die niedrigere Belastungsgrenze von einem Prozent hängt formal am Chronikerstatus, nicht direkt am GdB. In der Praxis ist ein GdB 50 aber ein starkes Argument, weil er eine dauerhafte, erhebliche Beeinträchtigung dokumentiert. Entscheidend ist, dass der Arzt die Voraussetzungen der Chroniker-Richtlinie bestätigt und eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.

Kann ich mir zu viel gezahlte Zuzahlungen rückwirkend erstatten lassen?
Ja. Wer seine Belege gesammelt hat, kann die Belastungsgrenze auch rückwirkend prüfen lassen. Wird festgestellt, dass die Grenze bereits früher erreicht war, kann die Krankenkasse Zuzahlungen für vergangene Zeiträume erstatten. Wichtig ist, alle Quittungen und Bescheide aufzubewahren und aktiv einen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung zu stellen.

Reicht der Schwerbehindertenausweis allein, um in die gesetzliche Krankenkasse zurückzukehren?
Nein. Der GdB 50 ist nur eine von mehreren Voraussetzungen. Zusätzlich müssen bestimmte Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt sein, die teils auch über Eltern oder Ehe-/Lebenspartner laufen können. Außerdem gelten Fristen: Der Beitritt muss innerhalb eines engen Zeitfensters nach Feststellung der Schwerbehinderung erklärt werden. Ohne Beratung sollte hier niemand handeln.

Können Krankenkassen den Wechsel aus der PKV in die GKV trotz GdB 50 ablehnen?
Ja, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der GdB 50 eröffnet nur ein Sonder-Beitrittsrecht – er ersetzt nicht die übrigen Bedingungen. Erfüllen Betroffene die Vorversicherungszeiten oder Fristen nicht, kann die Krankenkasse den Antrag ablehnen. In strittigen Fällen lohnt sich eine sozialrechtliche Beratung oder rechtliche Unterstützung.

Bekomme ich durch GdB 50 automatisch mehr oder bessere Hilfsmittel?
Automatisch nicht, aber der Status verbessert die Argumentationslage. Die Krankenkasse muss trotzdem jeden Antrag prüfen. Mit GdB 50 lässt sich jedoch leichter darlegen, dass bestimmte Hilfsmittel nicht bloß „nice to have“, sondern für eine selbstbestimmte Teilhabe erforderlich sind. Das spielt vor allem im Widerspruchsverfahren und vor Gericht eine Rolle.

Darf die Krankenkasse trotz Schwerbehinderung Reha oder Hilfsmittel einfach ablehnen?
Sie darf ablehnen, muss die Entscheidung aber begründen. Bei schwerbehinderten Menschen müssen die besonderen Belange ausdrücklich berücksichtigt werden. Pauschale Ablehnungen („nicht notwendig“, „zu teuer“) sind angreifbar, wenn medizinische Notwendigkeit und Teilhabebedarf gut belegt sind. Betroffene sollten Ablehnungen nie ungeprüft hinnehmen, sondern Widerspruch einlegen.

Lohnt sich ein Kassenwechsel mit GdB 50?
Das hängt vom Einzelfall ab. Manche Kassen bieten deutlich bessere Satzungsleistungen, Reha-Sport-Angebote oder barrierefreie Services für chronisch Kranke und Schwerbehinderte. Vor einem Wechsel sollten Leistungsumfang, Service, Erreichbarkeit und mögliche Zusatzleistungen genau verglichen werden. Für Menschen mit hohem Versorgungsbedarf kann ein Kassenwechsel langfristig viel Geld und Ärger sparen.

Muss ich der Krankenkasse meinen GdB 50 mitteilen?
Rechtlich verpflichtet sind Betroffene dazu in der Regel nicht, praktisch ist es aber oft sinnvoll. Nur wenn die Krankenkasse von der Schwerbehinderung und den damit verbundenen Einschränkungen weiß, kann sie die besonderen Belange berücksichtigen, etwa bei Zuzahlungsgrenzen, Reha, Hilfsmitteln oder Barrierefreiheit. Wer seine Rechte nutzen will, sollte den Status aktiv ansprechen.

Hilft mir der GdB 50 auch beim Krankengeld?
Der GdB 50 ändert den Anspruch auf Krankengeld nicht direkt. Er kann aber mittelbar helfen, wenn es Streit um die Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit oder um medizinische Notwendigkeit von Behandlungen gibt. Der Schwerbehindertenstatus unterstreicht, dass eine schwerwiegende, dauerhafte Erkrankung vorliegt, was in Auseinandersetzungen mit dem Medizinischen Dienst ein gewichtiges Argument sein kann.

An wen kann ich mich wenden, wenn die Krankenkasse trotz GdB 50 blockiert?
Betroffene können sich an unabhängige Patientenberatungen, Sozialverbände, Behindertenverbände, spezialisierte Beratungsstellen oder Anwältinnen und Anwälte für Sozialrecht wenden. Wichtig ist, Bescheide, Ablehnungen, ärztliche Unterlagen und den Schwerbehindertenausweis vollständig mitzunehmen. Je besser der Fall dokumentiert ist, desto größer sind die Chancen, Ansprüche gegenüber der Krankenkasse durchzusetzen.

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Bürgergeld: Neue Ein-Jahres-Regel für aufstockende Selbstständige

17. November 2025 - 12:52
Lesedauer 6 Minuten

Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer umfassenden Reform des Bürgergelds. Künftig soll die Leistung wieder „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ heißen, das eigentliche Geld im Gesetzestext als „Grundsicherungsgeld“ bezeichnet werden. Der Begriff „Bürgergeld“ würde damit vollständig aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verschwinden.

Die Reform ist vor allem eine deutliche Verschärfung: Sie steht für einen Kurswechsel hin zu schärferen Sanktionen und deutlich mehr Druck für die Leistungsbeziehenden.

In diesem Zusammenhang rücken nun besonders jene in den Vordergrund, die sich mit einer eigenen Firma oder freiberuflich über Wasser halten – oft mit schwankenden oder zu niedrigen Einkommen: die Selbstständigen im Leistungsbezug.

Bisherige Lage: Selbstständig sein und dennoch Bürgergeld beziehen

Bislang gilt: Wer selbstständig ist und mit den laufenden Einnahmen seinen Lebensunterhalt nicht decken kann, kann Bürgergeld beantragen – ohne die Selbstständigkeit grundsätzlich aufgeben zu müssen. Für viele Kleingewerbetreibende, Solo-Selbstständige, Kreative oder Freiberufler war das ein wichtiger Puffer in wirtschaftlich schwierigen Phasen.

In der Praxis bedeutete das: Einkommen aus der Selbstständigkeit wurde angerechnet, die Differenz zum Anspruch auf Bürgergeld übernahm das Jobcenter. Die Betroffenen mussten zwar regelmäßig ihre Gewinne und Verluste offenlegen, etwa über die Anlage EKS.

Ein verbindlicher Zeitpunkt, an dem die Jobcenter die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells genauer bewerten und gegebenenfalls einen Wechsel in abhängige Beschäftigung einfordern mussten, war jedoch nicht gesetzlich festgelegt. Das soll sich jetzt ändern – mit spürbaren Konsequenzen für Selbstständige im Leistungsbezug.

Die neue Ein-Jahres-Regel: Pflicht zur Prüfung und möglicher Druck zum Jobwechsel

Der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Umstellung vom Bürgergeld auf Grundsicherungsgeld sieht eine konkrete Neuregelung für Selbstständige vor: Nach einem Jahr im Leistungsbezug soll verbindlich geprüft werden, ob die Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit oder ein Wechsel in eine andere Tätigkeit – etwa in ein Angestelltenverhältnis – zumutbar ist. Grundlage ist dabei die Einschätzung, ob die bestehende Selbstständigkeit als tragfähig gilt oder nicht.

Sozialrechtlich wird diese Neuregelung im § 10 SGB II-E verortet, der die Zumutbarkeit von Arbeit regelt. Dort heißt es im Entwurf: Nach einem Jahr Leistungsbezug müssen Jobcenter bei Selbstständigen verbindlich klären, ob es ihnen zugemutet werden kann, ihre Selbstständigkeit aufzugeben oder in eine andere Form der Erwerbstätigkeit zu wechseln, falls sich das Unternehmen als dauerhaft nicht existenzsichernd erweist.

Damit wird aus einer bislang eher offenen, zeitlich wenig strukturierten Praxis eine verpflichtende Schwelle: Spätestens nach zwölf Monaten sind Jobcenter gehalten, die Situation systematisch auf den Prüfstand zu stellen.

Für Selbstständige bedeutet das: Die Fortführung eines defizitären oder dauerhaft nicht hinreichend ertragreichen Geschäfts wird künftig wesentlich stärker hinterfragt werden als bisher.

Was „tragfähig“ bedeutet – und warum dieser Begriff so brisant ist

Die Gesetzesbegründung versucht, den unbestimmten Rechtsbegriff der „Tragfähigkeit“ zu konkretisieren. Eine selbstständige Tätigkeit soll demnach als tragfähig gelten, wenn sie auf Gewinn ausgerichtet ist und voraussichtlich geeignet ist, die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beenden.

In dieser Definition stecken mehrere interpretierbedürftige Punkte:

Erstens bleibt offen, wie lang ein „angemessener Zeitraum“ konkret sein soll. Gerade in der Gründungsphase brauchen neue Geschäftsmodelle häufig mehrere Jahre, um stabile Gewinne zu erwirtschaften. Die Linie der Reform zielt jedoch darauf, langjährige Zuschüsse für verlust- oder niedrigprofitabel laufende Unternehmen zu begrenzen.

Zweitens hängt viel von Prognosen ab. Jobcenter sollen einschätzen, ob ein Unternehmen „voraussichtlich“ in absehbarer Zeit die Hilfebedürftigkeit beendet. Das setzt betriebswirtschaftliche Kompetenz, Branchenkenntnis und eine fundierte Analyse der Geschäftsunterlagen voraus – Ressourcen, die in der Alltagspraxis der Jobcenter nicht immer in ausreichender Tiefe vorhanden sind.

Drittens ist die Bewertung nicht nur eine Zahlensache. Selbstständige investieren oft Herzblut, Zeit, persönliche Ersparnisse und professionelle Identität in ihre Tätigkeit. Die Beurteilung, ob eine Aufgabe zumutbar ist, berührt deshalb nicht nur die finanzielle, sondern auch die berufliche und biografische Situation eines Menschen.

Kritik des Bundesrechnungshofs an Dauer-Selbstständigkeit im Bürgergeld

Die Reform ist nicht zufällig. Sie folgt unter anderem den Empfehlungen des Bundesrechnungshofs. Dieser hatte Ende 2024 bemängelt, dass Jobcenter den dauerhaften Bezug von Bürgergeld durch Selbstständige nicht konsequent genug beenden und die Grundsätze von „Fordern und Fördern“ unzureichend umsetzen.

Nach Angaben des Rechnungshofs beziehen rund 65.000 Selbstständige Bürgergeld. In einer Stichprobe über mehrere Jobcenter hinweg zeigte sich: Etwa 37 Prozent der untersuchten Fälle lebten seit mindestens fünf Jahren von Grundsicherung, ohne dass systematisch geprüft worden wäre, ob die Selbstständigkeit überhaupt noch eine realistische Perspektive bietet, den Leistungsbezug zu beenden.

Die Prüfer empfahlen daher, gesetzlich klarzustellen, wann und in welchen Abständen die Tragfähigkeit einer selbstständigen Tätigkeit zu prüfen ist, und die Dauer der Phase zu begrenzen, in der Jobcenter darauf verzichten, aktiv Vermittlungsbemühungen zu entfalten, obwohl das Einkommen aus der Selbstständigkeit dauerhaft nicht zum Leben reicht.

Die nun geplante Ein-Jahres-Regel setzt diese Empfehlungen um – mit der Folge, dass aus behördlichem Ermessen ein verpflichtender Prüfmechanismus wird.

Mehr Druck auf Selbstständige: Was sich konkret ändern könnte

Für Selbstständige im Leistungsbezug bedeutet die Reform eine Verschiebung der Logik. Bisher war es möglich, eine wirtschaftlich eher schwache, aber formal weiterlaufende Selbstständigkeit länger aufrechtzuerhalten, solange die gesetzlichen Mitwirkungspflichten erfüllt wurden.

Künftig droht nach einem Jahr eine deutlich härtere Bestandsaufnahme. Stellt das Jobcenter fest, dass die Tätigkeit weder aktuell noch absehbar in der Lage ist, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, kann es argumentieren, dass die Fortführung nicht mehr zumutbar ist.

Daraus können Verpflichtungen entstehen, sich verstärkt auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bewerben, eine andere, aussichtsreichere Form der Selbstständigkeit aufzubauen oder Qualifizierungsmaßnahmen wahrzunehmen.

Kommt es in diesem Zusammenhang zu Auflagen – etwa zur Aufnahme bestimmter Arbeit, zur Teilnahme an Maßnahmen oder zur Aufgabe des bisherigen Geschäftes – greifen gleichzeitig die verschärften Sanktionsmechanismen der Reform.

Bei Pflichtverletzungen sind Leistungskürzungen von einheitlich 30 Prozent des Regelbedarfs vorgesehen, bei wiederholtem Verstoß kann es bis zur vollständigen Einstellung der Leistungen gehen.

Die Botschaft ist unmissverständlich: Eine nicht tragfähige Selbstständigkeit soll nicht mehr über Jahre hinweg aus der Grundsicherung mitfinanziert werden.

Wer besonders betroffen ist: Solo-Selbstständige, Kleinstbetriebe, Kreative

Die Auswirkungen der neuen Regelung werden sich in der Praxis je nach Branche, Geschäftsmodell und familiärer Situation unterschiedlich stark bemerkbar machen.

Für Solo-Selbstständige im Dienstleistungsbereich – etwa Fotografen, Kreative, Coaches, Texterinnen, IT-Freiberufler oder kleine Online-Händler – sind Einnahmeschwankungen eher die Regel als die Ausnahme. Viele dieser Tätigkeiten können sich mittel- bis langfristig durchaus rechnen, erreichen aber gerade in wirtschaftlich schwächeren Phasen oder in der Aufbauphase nicht dauerhaft das Niveau, um ohne ergänzende Leistungen auszukommen.

Kleinstbetriebe in strukturschwachen Regionen, etwa kleine Ladengeschäfte oder Handwerksbetriebe, kämpfen zudem mit steigenden Kosten, knapper Nachfrage und teils engen Margen. Für sie kann Bürgergeld bisher eine Art Sicherheitsnetz sein, um Durststrecken zu überbrücken.

Die Ein-Jahres-Prüfung könnte in diesen Konstellationen dazu führen, dass Jobcenter eine Aufgabe des Unternehmens schneller für zumutbar halten – etwa mit dem Verweis auf offene Stellen im Niedriglohnsektor, die kurzfristig die Hilfebedürftigkeit reduzieren können, auch wenn sie langfristig wenig Perspektive bieten.

Besonders sensibel ist die Lage für Selbstständige mit Familie. Wenn die gesamte Bedarfsgemeinschaft über das Einkommen aus der Selbstständigkeit und ergänzende Grundsicherung abgesichert wird, wird die Tragfähigkeitsprüfung immer auch eine Bewertung sein, ob das Geschäftsmodell den Unterhalt für Kinder mit sichern kann. Hier können Jobcenter argumentieren, dass eine schnelle Aufnahme einer besser kalkulierbaren Beschäftigung im Interesse der Kinder liege – ein weiterer Hebel für Druck.

Kritiker: Effizienz, Missbrauchsvorwurf und Angst vor „Abstrafung“

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt warnt vor der Gefahr, dass die Reform sinnvolle unternehmerische Versuche abwürgt. In einer Zeit tiefgreifender wirtschaftlicher Umbrüche – von Digitalisierung über Strukturwandel bis zur Energie- und Klimapolitik – sei es fatal, Menschen zu schnell aus der Selbstständigkeit zu drängen, nur weil sich der wirtschaftliche Erfolg nicht innerhalb eines engen Zeitfensters einstellt.

Kritisiert wird zudem, dass “die Beurteilung von Tragfähigkeit und Zumutbarkeit stark von der konkreten Praxis im jeweiligen Jobcenter abhängt”, so Anhalt. Fehlende betriebswirtschaftliche Expertise, hoher Arbeitsdruck und politische Erwartungshaltung, die Ausgaben im Sozialetat zu begrenzen, könnten dazu führen, dass Sicherheitsdenken dominiert: Lieber früher zum Jobwechsel drängen, als noch länger in eine unklare Selbstständigkeit zu investieren.

Rechtliche Grauzonen: Berufsfreiheit und Zumutbarkeit

Die Debatte hat auch eine rechtliche Dimension. Die Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit aus Artikel 12 des Grundgesetzes schützt grundsätzlich auch die Entscheidung, als Selbstständige oder Selbstständiger tätig zu sein.

Allerdings ist der Bezug von Grundsicherung keine Pflichtleistung ohne Gegenleistung, sondern an Mitwirkung und Zumutbarkeitsregeln geknüpft. Die öffentliche Hand kann daher unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass Leistungsberechtigte die Form ihrer Erwerbstätigkeit anpassen, wenn diese dauerhaft nicht existenzsichernd ist.

Bereits im Zuge der Kritik des Bundesrechnungshofs hatte das Bundesarbeitsministerium darauf hingewiesen, eine starre zeitliche Begrenzung der Selbstständigkeit könne die Berufsfreiheit berühren.

Die nun geplante Regelung versucht dieses Spannungsfeld zu entschärfen, indem sie keine automatische Pflicht zur Aufgabe der Selbstständigkeit nach einem Jahr vorsieht, sondern eine verbindliche Prüfung mit Ermessensspielraum des Jobcenters.

Ob dieser Ausgleich in der Praxis trägt, wird stark davon abhängen, wie differenziert die Jobcenter prüfen und wie sorgfältig sie dabei dokumentieren, warum sie eine Selbstständigkeit als nicht mehr zumutbar einstufen. Rechtsstreitigkeiten vor den Sozialgerichten sind absehbar, insbesondere in Fällen, in denen Betroffene ihre Unternehmung als langfristig erfolgversprechend ansehen, während das Jobcenter anders urteilt.

Unsicherheit, Anpassungsdruck und die Frage nach fairen Regeln

Für viele Selbstständige im Bürgergeldbezug bedeutet die geplante Grundsicherung zunächst eines: mehr Unsicherheit. Spätestens nach einem Jahr Leistungsbezug müssen sie damit rechnen, dass ihre Tätigkeit unter die Lupe genommen wird – mit der realen Möglichkeit, dass die Behörde von ihnen einen Kurswechsel verlangt.

Für andere – etwa in kreativen oder strukturschwachen Branchen – besteht die Gefahr, dass sie zwischen ambitionierter, aber schleppend laufender Selbstständigkeit und niedrig entlohnter Beschäftigung zerrieben werden.

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Bürgergeld: Totaler Leistungsentzug auch bei Kindern

17. November 2025 - 12:36
Lesedauer 3 Minuten

Jobcenter dürfen bei Verletzung der Mitwirkungspflicht Leistungen total versagen. Das gilt sogar dann, wenn Kinder betroffen sind, die selbst keinen Antrag auf Leistungen stellen können. So entschied das Sozialgericht Augsburg. (S3 AS 308/23).

Behörde fordert Unterlagen zum Antrag auf Sozialleistungen

Die Betroffene stellte für sich und ihre drei minderjährigen Kinder 2021 einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (damals Hartz IV. Heute Bürgergeld). Das Jobcenter forderte sie daraufhin zur Mitwirkung auf und verlangte Unterlagen wie Antragsformulare, aktuelle Kontoauszüge, Mietvertrag, Geburtsurkunden der Kinder und Bescheide über Unterhaltsvorschuss.

Frist von zwei Wochen

Das Jobcenter setzte der Betroffenen eine Frist von knapp zwei Wochen, um diese Unterlagen vorzulegen und wies ausdrücklich schriftlich darauf hin, welche Konsequenzen möglich seien, wenn sie dieser Frist nicht nachkomme. Dann könnten die Geldleistungen so lange versagt bleiben, bis sie die Mitwirkung nachhole.

Mutter sagt Termin ab und reicht die Unterlagen nicht pünktlich ein

Die Mutter sagte einen persönlichen Vorsprachetermin beim Jobcenter telefonisch ab und reichte die fehlenden Unterlagen bis zum Stichtag nicht ein. Eine Woche nach Verstreichen der Frist schickte ihr das Jobcenter einen Bescheid, in dem die Behörde die Leistungen versagte.

Unterlagen liegen in der Verantwortung der Antragstellerin

Das Jobcenter argumentierte, es liege nicht in seinem Machtbereich, die Antragsformulare vollständig auszufüllen, zu unterschreiben und die notwendigen Unterlagen bei Dritten einzuholen.

Zudem hätte die Antragstellerin keinen Grund genannt, der ihre Versäumnisse entschuldigen würde, was das Jobcenter im Rahmen der Ermessensausübung zu ihren Gunsten hätte auslegen können. Ohne die Unterlagen sei es nicht möglich, den Antrag zu prüfen und eine Hilfebedürftigkeit zu erkennen.

Ein Jahr später richtet die Mutter sich mit Anwalt an das Jobcenter

Erst am 25. Juli 2022, also mehr als ein Jahr nach dem ersten Antrag, wandte sich die Mutter erneut an das Jobcenter. Diesmal unterstützte sie ein Anwalt. Sie legte im September und Oktober 2022 einige Formulare vor, diese blieben allerdings weiterhin unvollständig. Zudem stellte sie einen Eilantrag beim Sozialgericht Augsburg.

Im Rahmen dieses Eilverfahrens legte sie die fehlenden Unterlagen vor. Jetzt bewilligte das Jobcenter ihr Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Doch die Gerichte beschäftigte der Fall weiterhin.

Überprüfung des Erstantrags

Die Mutter stellte nämlich im Dezember 2022 einen Überprüfungsantrag und forderte einen neuen Bescheid zu dem Antrag vom Juni 2021. Das Jobcenter lehnte den Überprüfungsantrag an und begründete dies damit, dass die Ablehnung rechtens gewesen sei, denn die Betroffene habe auf den nicht beigebrachten, aber erforderlichen Nachweisen beruht.

Die Mutter legte Widerspruch ein, und das Jobcenter erklärte diesen als unbegründet. Deshalb erhob die Mutter Klage vor dem Sozialgericht Augsburg, um ihren Anspruch durchzusetzen.

Wie argumentierte die Mutter?

Sie begründete die Klage damit, dass der Versagungsbescheid rechtswidrig gewesen sei. So sei die Frist zur Mitwirkung mit zwei Wochen zu kurz gewesen, und es hätte nur eine unzureichende Rechtsfolgenbelehrung gegeben. Auch hätte die Versagung, selbst wenn sie berechtigt gewesen sei, nicht gegenüber allein Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgen dürfen, denn die Kinder hätten keine Mitwirkungspflichten verletzt.

Warum wies das Gericht die Klage ab?

Die Richter am Sozialgericht hielten diese Argumentation nicht für stichhaltig. Die Frist sei ausreichend gewesen, und sie sei der Aufforderung, die Unterlagen einzureichen, auch bei einer Fristverlängerung nicht nachgekommen (und auch nicht trotz wiederholter Aufforderungen).

Bedarfsgemeinschaft trägt die Konsequenzen

Zwar liege die Mitwirkungspflicht bei den Eltern, doch die gesamte Bedarfsgemeinschaft trage die Konsequenzen. Da die Mutter ihre Pflicht nicht erfüllt hätte, bedeute das auch für die Kinder, keine Leistungen zu erhalten, ohne dass diese eine eigene Pflicht zur Mitwirkung hätten.

Versagung der Leistungen ist hier keine Sanktion

Ein Versagen der Leistungen bei einem Erstantrag wegen fehlender Unterlagen ist keine Sanktion während des Bezugs der Leistungen. Wer zum Beispiel unentschuldigt zu Terminen mit dem Jobcenter nicht erscheint oder eine sogenannte zumutbare Arbeitsstelle ablehnt, dem kann das Jobcenter die Leistungen kürzen.

Keine Leistungen ohne Nachweis der Hilfebedürftigkeit

Bei der Mitwirkung am Erstantrag geht es indessen um etwas Anderes. Das Jobcenter prüft in diesem Fall erst einmal, ob überhaupt ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht, und wenn dann in welcher Höhe.

Deshalb überzeugt in dieser Situation das Argument nicht, dass die Kinder keine Schuld an der Verletzung der Mitwirkungspflicht tragen. Es ist nämlich noch gar nicht geklärt, ob die Kinder (die Bedarfsgemeinschaft)  hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches II sind.

Anmerkung vom Bürgergeld-Experten Detlef Brock

Bei der Entscheidung des SG Augsburg dürfte es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln, welche die Landessozialgericht — nicht gefolgt sind.

Nach Aussage des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen gilt nämlich folgendes:

Versagungsbescheide vom Jobcenter gelten nicht für die gesamte Bedarfsgemeinschaft, denn bei Versagungsbescheiden gilt keine Sippenhaftung.

Versagungsbescheide der Jobcenter sind grundsätzlich rechtswidrig bei Sanktionierung der gesamten Bedarfsgemeinschaft ( LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 08.10.2025 – L 13 AS 241/23 – Revision zugelassen).

§ 66 Abs. 1 S. 1 SGB I ermächtigt bei einer Person, die eigene Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat, auch dann nicht zu einer Versagung von Leistungen, wenn eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II besteht und eine andere Person in dieser Bedarfsgemeinschaft Mitwirkungspflichten verletzt hat (Anschluss an LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Juni 2016 L 6 AS 121/13).

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Rentenzuschlag: Bis zu 563 Euro monatlicher Zuschlag bei kleiner Rente

17. November 2025 - 12:25
Lesedauer 3 Minuten

Grundsicherung im Alter bedeutet eine kleine Rente. Zumindest haben sich die Gesetze inzwischen so geändert, dass diese Rente nicht mehr in Gänze auf den zusätzlichen Betrag angerechnet wird. Wir erklären, was es damit aufsich hat.

Ein Teil der Einkünfte bleibt erhalten

Der Sozialverband Deutschland informiert: “In den vergangenen Jahren hat es eine Reihe von Änderungen in der Grundsicherung gegeben.

Wer eine kleine Rente hat und vielleicht sogar noch privat vorsorgen konnte, darf nun einen ordentlichen Teil dieser Einkünfte behalten. Das Geld wird nicht mit der Grundsicherung verrechnet.

Auch private Renten bleiben erhalten

Ein Freibetrag gilt seit 2018 auch für private Renten wie die Riester-Rente. Diese wurde zuvor als ganze in der Grundsicherung verrechnet. Es blieb also nichts über.

Jetzt sind hundert Euro dieser privaten Rente Freibetrag, und was danach kommt wird mit 70 Prozent angerechnet. Damit bleiben immer noch 30 Prozent frei.

Der Freibetrag ist allerdings nicht unbegrenzt, sondern darf maximal 281,50 Euro betragen, was sich auch auf andere Sozialleistungen mit ähnlichen Grenzen bezieht wie Bürgergeld oder Grundsicherung.

Diese 223 Euro Freibetrag bleiben Ihnen also bei einer Riester- oder Rürup-Rente ebenso wie bei einer Betriebsrente oder einer anderen privaten Rentenversicherung.

Freibeträge in der gesetzlichen Rente

Seit 2021 gelten solche Freibeträge auch für Einküngfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier profitieren die Betroffenen deutlich mehr, denn fast alle, die in der geetzlichen Rente Grundsicherung beziehen, haben eine Rente als Basis (auch wenn diese meist klein ausfällt).

Auch hier bleiben bis zu 281,50 Euro anrechnungsfrei und kommen zur Grundsicherung hinzu.

Ein Beispiel: Ein Rentner, der über mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten verfügt, erhält eine monatliche Bruttorente von 800 Euro. Davon sind 100 Euro von der Anrechnung ausgenommen. Von den restlichen 700 Euro bleiben zusätzlich 30 Prozent, also 210 Euro, anrechnungsfrei. Somit beläuft sich das Einkommen, das nicht auf die Sozialleistungen angerechnet wird, auf insgesamt 310 Euro.

Dieser Betrag übersteigt jedoch 50 Prozent des Standardsatzes für die Grundsicherung, der 281,50 Euro beträgt. Daher muss der Freibetrag auf 281,50 Euro beschränkt werden.

Das heißt, dass von der Gesamtrente von 800 Euro letztendlich 518,50 Euro (800 Euro minus 281,50 Euro) auf Leistungen wie die Grundsicherung oder das Wohngeld angerechnet werden.

Freibetrag gibt es erst nach der Grundrentenzeit

Doch bei der gesetzlichen Rente gibt es eine Hürde zu überwinden. Eine Grundrentenzeit von 33 Jahren muss nachgewiesen werden, in der die Betroffenen in der Rentenkasse erfasst wurden – vor allem durch rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, aber auch durch Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen.

Zeiten, in denen Sie Leistungen bei Krankheit oder Rehabilitation bekamen, werden ebenfalls als Grundrentenzeit gewertet.

Achtung: Arbeitslosigkeit und Zeiten der Erwerbsminderungsrente werden in diesen 33 Jahren nicht erfasst. Ebenso wenig fallen Zeiten mit versicherungsfreien oder gering versicherten Beschäftigungen nicht in die Grundrentenzeit. Auch Phasen mit freiwilligen Beiträgen werden nicht erfasst.

Diese geforderte Grundrentenzeit führt dazu, dass viele Grundsicherungsempfänger keinen (!) Anspruch auf einen Freibetrag haben.

Der doppelte Freibetrag

Wenn Sie zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung (und 33 gezählten Grundrentenjahren) mit einer privaten Versicherung vorgesorgt haben und Grundsicherung beziehen, dann sieht es hingegen besonders gut für Sie aus.

Bis zu 563 Euro Freibetrag sind möglich

Sie können dann nämlich die beiden Freibeträge miteinander addieren. 281,50 Euro für die private und 281,50 Euro für die gesetzliche Rentenversicherung machen 563 Euro, und dieser Betrag kommt zusätzlich auf ihre Grundsicherung.

Ein Beispiel aus der Praxis

Herr Müller, 67 Jahre alt, lebt in Hannover und bezieht eine monatliche Altersrente von 800 Euro. Seine monatlichen Ausgaben setzen sich wie folgt zusammen:

  • Regelbedarf 2025: 563 Euro
  • Miete inklusive Nebenkosten: 500 Euro
  • Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: 150 Euro

Insgesamt belaufen sich seine monatlichen Ausgaben somit auf 1.213 Euro.

Da seine Rente die monatlichen Ausgaben nicht deckt, hat Herr Müller Anspruch auf Grundsicherung im Alter. Die Berechnung gestaltet sich wie folgt:

  1. Gesamtbedarf: 563 Euro (Regelbedarf) + 500 Euro (Miete) + 150 Euro (Versicherungsbeiträge) = 1.213 Euro
  2. Anrechenbares Einkommen: 800 Euro (Rente)

Die Differenz zwischen dem Gesamtbedarf und dem anrechenbaren Einkommen beträgt 413 Euro. Diesen Betrag erhält Herr Müller als Grundsicherung, sodass ihm monatlich insgesamt 1.213 Euro zur Verfügung stehen.

Wichtig zu beachten ist, dass bei der Berechnung der Grundsicherung bestimmte Freibeträge berücksichtigt werden. So bleiben beispielsweise bei zusätzlichen Altersvorsorgeleistungen, wie der Riester-Rente, mindestens 100 Euro monatlich anrechnungsfrei.

Zudem werden die Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Grundsicherung übernommen, sofern sie als angemessen gelten. Was als angemessen betrachtet wird, variiert je nach Region und orientiert sich an den örtlichen Mietspiegeln.

Herr Müller sollte daher prüfen, ob seine Wohnkosten im Rahmen des Angemessenen liegen, um sicherzustellen, dass sie vollständig übernommen werden.

Durch die Kombination von Rente und Grundsicherung kann Herr Müller seinen Lebensunterhalt bestreiten und seine monatlichen Ausgaben decken.

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Abfindung: Gleichstellung ist ein regelrechter Abfindungsbooster bei einer Kündigung

17. November 2025 - 11:10
Lesedauer 4 Minuten

Der Gleichstellungsantrag ist eines der wirksamsten Instrumente im deutschen Arbeitsrecht, wenn es um Kündigungsschutz und um Verhandlungsmacht bei Abfindungen geht. Wer ihn rechtzeitig stellt und klug einsetzt, kann den Arbeitsplatz sichern – oder, wenn der Abschied ohnehin gewollt ist, die Ausgangsposition für eine möglichst hohe Abfindung spürbar verbessern.

Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover, erklärt, wie Betroffene am besten vorgehen.

Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen

Gleichstellung bedeutet, dass Beschäftigte mit einem Grad der Behinderung unterhalb der Schwelle zur Schwerbehinderung in zentralen Schutzbereichen so behandelt werden, als wären sie schwerbehindert.

Praktisch wichtig ist das vor allem beim Kündigungsschutz, sagt Lange:” Eine Kündigung ist dann nur noch mit behördlicher Zustimmung möglich. Genau diese Hürde verschiebt die Kräfteverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich – im Kündigungsschutzprozess ebenso wie in Gesprächen über Abwicklungs- oder Aufhebungsverträge.”

Für wen sich der Antrag lohnt

Der Gleichstellungsantrag ist in der Regel einschlägig, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 30, aber weniger als 50 festgestellt ist. Wer bereits einen GdB von 50 erreicht, gilt als schwerbehindert und braucht die Gleichstellung nicht mehr.

Daneben muss ein Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt bestehen, in der Praxis also ein Wohnsitz oder Arbeitsplatz in Deutschland.

“Als dritte Komponente kommt die Frage hinzu, ob die Behinderung den Arbeitsplatz konkret gefährdet oder die Aufnahme beziehungsweise Fortsetzung einer Beschäftigung wesentlich erschwert”, so der Anwalt.

Diese Hürde sollte man pragmatisch betrachten: Absolute Sicherheit im Job gibt es selten.

Weil der Antrag keine Kosten verursacht und eine Ablehnung das Schlimmste ist, was passieren kann, empfiehlt sich die Antragstellung in vielen Grenzfällen.

“In einzelnen Konstellationen kann sogar bei einem geringeren GdB ein frühzeitiger Antrag sinnvoll sein, etwa wenn sich eine Verschlechterung abzeichnet oder der Arbeitsplatz ohnehin als unsicher gilt”, rät der Arbeitsrechtsanwalt.

Der praktische Weg: So läuft die Antragstellung

Die Gleichstellung wird bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt. Das geht persönlich bei der zuständigen Dienststelle oder komfortabel online über die bereitgestellten Formulare. Das Antragsformular fragt zunächst die persönlichen Daten und den festgestellten GdB ab. Es folgen Angaben zum Arbeitsverhältnis und zum Arbeitgeber.

Im Mittelpunkt stehen dann die konkreten Einschränkungen im Arbeitsalltag: Wer glaubhaft schildert, wo Belastungen bestehen, warum etwa Zeitdruck, Schichtarbeit, körperliche Tätigkeiten oder lange Wege problematisch sind, schafft die Grundlage für die Gleichstellung.

Wichtig ist die kurze, nachvollziehbare Darstellung dessen, was man mit dem Antrag erreichen möchte. Wenn der besondere Kündigungsschutz im Vordergrund steht, sollte das so benannt und erläutert werden. Abgefragt werden zudem Fehlzeiten, soweit sie mit der Behinderung zusammenhängen.

Hier gilt Augenmaß sagt Lange: “Weder beschönigen noch dramatisieren, sondern sachlich dokumentieren. Am Ende steht die Unterschrift unter wahrheitsgemäßen Angaben. Falsche Angaben gefährden nicht nur das Verfahren, sie können später im Streitfall erheblich nachteilig wirken.”

Der Effekt: Sonderkündigungsschutz als starkes Druckmittel

Mit der Gleichstellung greift der besondere Kündigungsschutz, der ansonsten schwerbehinderten Menschen zusteht. Arbeitgeber benötigen für eine Kündigung die Zustimmung der zuständigen Behörde. Das ist mehr als eine Formsache – insbesondere wenn die Kündigung in irgendeinem Zusammenhang mit der Behinderung steht.

“Selbst wenn die Behörde am Ende zustimmt, verlängern sich Verfahren, es steigt die Rechtsunsicherheit und die Kostenrisiken wachsen”, sagt der Anwalt im Gespräch mit unserer Redaktion.

“All das erhöht die Vergleichsbereitschaft und damit häufig die Abfindung. Genau deshalb ist die Gleichstellung im „Abfindungspoker“ so wertvoll: Sie verknappt für den Arbeitgeber die gangbaren Optionen und macht einvernehmliche Lösungen attraktiver.”

Zeitpunkt und Taktik: Offenlegen – aber richtig

Eine strategische Frage lautet, wann man den Arbeitgeber über GdB und Gleichstellung informiert.

“Solange keine unmittelbaren Vorteile im Arbeitsalltag zu erwarten sind, entscheiden viele Betroffene zunächst für Diskretion. Spätestens im Fall einer Kündigung ist Tempo gefragt. Maßgeblich ist, dass der Arbeitgeber rechtzeitig informiert wird, damit der besondere Kündigungsschutz greift; in der Praxis orientiert man sich an der dreiwöchigen Klagefrist nach Zugang der Kündigung”, sagt Lange.

Wer den Schutz nutzen will, muss sicherstellen, dass die Information nachweisbar zugeht. “Geeignet sind zum Beispiel die Zustellung durch einen Boten mit späterer Zeugnisfunktion oder die Übergabe gegen Empfangsbestätigung”, rät der Anwalt.

Ob man in besonderen Konstellationen mit der Information taktisch noch wartet, etwa wenn eine Kündigung aus anderen Gründen offensichtlich unwirksam erscheint, sollte man nur nach individueller Prüfung entscheiden.

“Ohne fachliche Begleitung ist Zurückhaltung riskant, weil ein falsches Timing den Sonderkündigungsschutz faktisch entwerten kann”, warnt der Rechtsanwalt.

Offenlegen im laufenden Arbeitsverhältnis: Chancen und Risiken

Die frühe Mitteilung an den Arbeitgeber kann Vorteile bieten, wenn im Betrieb Unterstützung, technische Hilfen oder Umsetzungen auf leidensgerechte Arbeitsplätze realistisch sind. Gerade größere Arbeitgeber verfügen häufig über Strukturen, die Betroffene spürbar entlasten.

In sozialen Auswahlverfahren oder bei Personalabbaurunden lässt sich die besondere Schutzbedürftigkeit zudem positiv berücksichtigen. Dem steht die erfahrungsgesättigte Erkenntnis gegenüber, dass Stigmatisierung möglich ist und die Kenntnis von Gleichstellung und GdB im Unternehmen Vorbehalte auslösen kann.

Diese Ambivalenz spricht dafür, den Kommunikationszeitpunkt bewusst zu wählen und die eigenen Ziele – Arbeitsplatzsicherung, Veränderungswunsch, Verhandlungsstrategie – klar zu definieren.

Auswirkungen auf Abfindung und Verhandlungen

“In laufenden Kündigungsschutzverfahren erhöht die Gleichstellung die Unsicherheiten auf Arbeitgeberseite gleich doppelt, weil nicht nur die Kündigungsgründe, sondern auch die vorgelagerte behördliche Zustimmung angreifbar werden”, so Lange.

Das führt oft zu höheren Vergleichsangeboten: “Bei Aufhebungsverträgen wirkt der Mechanismus ähnlich: Je komplizierter der Weg einer einseitigen Trennung, desto eher zahlt der Arbeitgeber für eine einvernehmliche Lösung. Auch wenn Beschäftigte selbst gehen möchten, kann die Gleichstellung die Verhandlungsposition stärken.”

Wer den Arbeitgeber etwa auf die Pflicht zur Prüfung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes verweist und zugleich die Hürden einer Kündigung in den Raum stellt, schafft Anreize für eine saubere, vergütete Trennung statt einer Eigenkündigung ohne Ausgleich.

In Sozialplan- und Interessenausgleichsverfahren werden schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen regelmäßig besonders berücksichtigt, was sich in Punktesystemen und Faktoren niederschlägt und am Ende die Abfindung zusätzlich erhöht. Sorgfalt in der Umsetzung: Dokumentieren, begründen, belegen.

Für den Erfolg des Antrags zählt die Qualität der Darstellung. “Wer nachvollziehbar erklärt, weshalb die Behinderung die aktuelle Tätigkeit erschwert oder die Beschäftigungsfähigkeit gefährdet, legt das Fundament für die behördliche Entscheidung”, betont Lange.

Dazu gehören stimmige Angaben zur Tätigkeit, konkrete Belastungsbeispiele und – wo vorhanden – ärztliche Unterlagen, die die Funktionsbeeinträchtigungen beschreiben.

Die Behörde bewertet keine Diagnosen, sondern deren Auswirkungen auf den Arbeitsplatz. Ebenso wichtig ist es, im Streitfall die rechtzeitige Information des Arbeitgebers nachweisen zu können. Eine saubere Aktenführung zahlt sich in allen Verfahrensstadien aus.

Kleine Hürde, große Wirkung

Der Gleichstellungsantrag ist ein vergleichsweise niedrigschwelliger Schritt mit erheblichen Effekten. Er kann den Arbeitsplatz schützen, die Verhandlungsposition bei Trennungen stärken und die Aussicht auf eine angemessene Abfindung erhöhen.

Weil der Antrag kostenfrei ist und eine Ablehnung keine Nachteile nach sich zieht, spricht viel dafür, ihn in allen realistischen Risikoszenarien frühzeitig zu stellen. Entscheidend ist, das Vorgehen bewusst zu planen: die Antragsbegründung sachlich aufzubauen, Fristen im Blick zu behalten, die Information an den Arbeitgeber gezielt zu timen und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen.

Wer diese Punkte beherzigt, verwandelt die Gleichstellung von einer Formalität in einen wirkungsvollen Hebel – für mehr Schutz, mehr Optionen und bessere Ergebnisse.

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Mehr Rente durch Heirat ab 2026

17. November 2025 - 10:30
Lesedauer 3 Minuten

Wenn Sie im Rentenalter heiraten, dann kann das Ihre Steuerlast um mehrere tausend Euro mindern, und pro Jahr können Sie bis zu 1.000 Euro Steuern einsparen, oder sogar noch mehr. Grundlage für dieses Plus im Geldbeutel ist das Ehegattensplitting.

Gemeinsame Verrechnung bei der Einkommenssteuer

Das Ehegattensplitting berechnet die Einkünfte beider Partner zu einem Gesamteinkommen bei der Einkommenssteuer. Das Finanzamt addiert also beide Einkommen, halbiert sie dann, versteuert sie nach der Splittingtabelle und verdoppelt die Steuer erst danach.

Ein Anspruch besteht nur bei der gesetzlichen Rente

Dabei gibt der Partner oder die Partnerin mit dem höheren Rentenanspruch einen Teil seines Anspruchs an den Partner oder die Partnerin ab. Dadurch sind die gesetzlich erworbenen Rentenansprüche gleich hoch. Rentensplitting gibt es nur bei der gesetzlichen Rente. Bei einer betrieblichen Altersvorsorge haben Sie keinen Anspruch, die Bezüge durch ein entsprechendes Splitting aufzuteilen.

Progressive Steuer

Das Steuersystem in Deutschland ist progressiv. Verheiratete Paare zahlen umso deutlicher weniger Stern, desto größer die Unterschiede im Einkommen der beiden Partner sind. Für Rentner heißt das: Die Steuerlast bei Verheirateten sinkt besonders dann, wenn ein Partner eine kleine oder keine Rente bezieht.

Die Aufteilung mindert den Steuersatz des Mehrverdieners

Denn durch die Aufteilung gilt für den Partner mit dem höheren Einkommen ein niedrigerer Steuersatz, sie mindert also die Progression der Einkommenssteuer.

Das Ehegattensplitting ist also umso lukrativer, je größer die Einkommensunterschiede beider Ehepartner sind. Bekommen Sie zum Beispiel 40.000 Euro Rente pro Jahr, und Ihr Ehepartner nur 10.000, dann sparen Sie oft mehrere hundert Euro pro Jahr ein, oder sogar 1.000, im Vergleich zu Unverheirateten.

Steuer-Vorteil durch Heirat (ab 2026) Wie Rentner konkret sparen können Ehegattensplitting bei Renten Die steuerpflichtigen Renten und sonstigen Einkünfte beider Partner werden zusammengezählt, halbiert, nach Tarif versteuert und die Steuer dann verdoppelt. Bei unterschiedlich hohen Renten kann das die Einkommensteuer um mehrere hundert bis über tausend Euro pro Jahr senken. Gemeinsame Nutzung des Grundfreibetrags Durch die Zusammenveranlagung wird der Grundfreibetrag faktisch gemeinsam genutzt. Hat ein Partner wenig oder keine steuerpflichtige Rente, „zieht“ der andere von seinem Einkommen indirekt mit am ungenutzten Freibetrag des Partners – weniger Einkommen wird überhaupt besteuert. Doppelter Sparer-Pauschbetrag Verheiratete haben gemeinsam 2.000 € Sparer-Pauschbetrag statt 1.000 € pro Person. Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden, Fondsgewinne) können flexibel so verteilt oder Freistellungsaufträge gesetzt werden, dass möglichst viel davon komplett steuerfrei bleibt. Verdoppelte Frei- und Pauschbeträge Viele Frei- und Pauschbeträge (z. B. Sonderausgaben-Pauschbetrag, Sparer-Pauschbetrag, teils Behinderten- oder Pflege-Pauschbetrag) stehen in der gemeinsamen Steuererklärung beiden zu und wirken zusammen. So sinkt das gemeinsame zu versteuernde Einkommen. Splittingvorteil auch für Zusatz­einkünfte Neben der Rente werden auch Einkünfte aus Vermietung, Minijobs, Teilzeitarbeit oder betrieblicher/privater Zusatzrente in den Splittingtarif einbezogen. Besonders wenn vor allem ein Partner zusätzliche Einkünfte hat, senkt das den durchschnittlichen Steuersatz auf das gesamte Alterseinkommen. Kombination mit Aktivrente ab 2026 Ab 2026 können arbeitende Rentner bis zu ca. 2.000 € monatlich steuerfrei hinzuverdienen. Die darüber hinausgehenden Beträge und die Rente selbst profitieren wiederum vom niedrigeren Steuersatz durch Ehegattensplitting, wenn nur ein Partner (viel) hinzuverdient. Günstigerprüfung bei Kapitalerträgen Durch den Splittingtarif sinkt oft der persönliche Durchschnittssteuersatz des Paares. Liegt er unter 25 %, kann sich bei der Günstigerprüfung lohnen, Kapitalerträge über die Steuererklärung abzurechnen – zu viel einbehaltene Abgeltungsteuer wird dann erstattet. Schenkungssteuer sparen Ehepartner können sich alle 10 Jahre bis zu 500.000 € schenkungssteuerfrei übertragen; ohne Trauschein liegt der Freibetrag nur bei 20.000 €. So lassen sich größere Vermögen Schritt für Schritt steuerfrei auf den Partner übertragen. Erbschaftsteuer & Familienheim Im Todesfall hat der Ehepartner einen Erbschaftsteuer-Freibetrag von 500.000 € und zusätzliche Vergünstigungen beim selbstgenutzten Familienheim. Das senkt oder vermeidet Erbschaftsteuer auf Haus, Wohnung und Vermögen, die bei einer unverheirateten Partnerschaft schnell anfiele. Wie funktioniert das Ehegattensplitting?

Sie müssen mehrere Bedingungen erfüllen, um das Splitting zu nutzen. Entweder, Sie sind verheiratet oder es besteht eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Egal, wie lange die Beziehung ansonsten besteht und egal, ob Sie mit Ihrem Partner zusammen in einem Haushalt leben, haben Sie sonst keinen Anspruch auf das Ehegattensplitting.

Sie müssen eine gemeinsame Steuererklärung abgeben

Dann müssen Sie mit Ihrem Partner eine gemeinsame Steuererklärung abgeben. Bei getrennten Steuererklärungen gilt kein Splitting. Zudem müssen beide Partner in Deutschland leben oder sich dort gewöhnlich aufhalten. Sie dürfen zudem nicht dauerhaft getrennt leben.

Steuervorteil anhand eines Rechenbeispiels

Wenn beide Partner Ihr Einkommen gemeinsam versteuern, das Finanzamt dies also per Splitting verrechnet, betrug 2024 bei einem Gesamteinkommen von 60.000 Euro die Steuerlast 8.824 Euro. Nehmen wir an, das der eine Partner 40.000 Euro Einkommen versteuern muss, und der andere 20.000, dann stiegen die Steuern bei Einzelveranlagung auf 9.186 Euro.

Verdient ein Partner jetzt die gesamten 60.000 Euro und der andere nichts, dann musste der Alleinverdiener bei Einzelveranlagung 14.646 Euro Steuern abführen – das sind fast doppelt so viel wie bei einer gemeinsamen Steuererklärung.

Ehegattensplitting ist auch im Scheidungsjahr möglich

Im Scheidungsjahr ist bis zu einem Jahr nach der Trennung eine gemeinsame Veranlagung der Ehegatten möglich. Dafür muss zwischen den Eheleuten zumindest an einem Tag eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden haben. Das geht nur, wenn beide (Ex)Partner einer solchen Regelung zustimmen. Ansonsten ist nur eine Einzelveranlagung möglich.

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Finanzamt fordert jetzt von 99-Jähriger Rentnerin eine Steuererklärung trotz 39 Jahre langer Rente

17. November 2025 - 10:18
Lesedauer 3 Minuten

Wie die Rechtsanwältin und Steuerexpertin Patricia Lederer berichtet, wurde in einem Fall eine damals 99-jährige Frau in einem Pflegeheim dazu aufgefordert, Steuererklärungen für mehrere Jahre nachträglich einzureichen.

Der Fall sorgte für Empörung, besonders da die betroffene Rentnerin eine Pflegestufe 5 hat und so nicht in der Lage ist, ihre Steuerpflichten selbst zu erfüllen.

Doch wie sieht die rechtliche Lage in Deutschland aus, und welche Möglichkeiten gibt es für Betroffene?

Was ist passiert?

Eine damals 99-jährige Frau, die in einem Pflegeheim lebt und auf eine geringe Rente angewiesen ist, erhielt ein Schreiben vom Finanzamt.

Sie wurde aufgefordert, Steuererklärungen für 3 Jahre innerhalb von vier Wochen einzureichen. Ihr Sohn, selbst 76 Jahre alt, gab an, dass seine Mutter aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht in der Lage sei, dieser Aufforderung nachzukommen, so die Anwältin.

Der Fall wirft die Frage auf: Darf das Finanzamt so vorgehen, und welche Pflichten haben Senioren in solchen Fällen?

Darf das Finanzamt Steuererklärungen von Rentnern verlangen?

Die einfache Antwort lautet: Ja, das Finanzamt darf Steuererklärungen auch von älteren Menschen, die in Pflegeheimen leben, verlangen, sofern sie bestimmte Einkommensgrenzen überschreiten, sagt Lederer.

In Deutschland gilt die Verpflichtung, eine Steuererklärung einzureichen, wenn das Einkommen einen bestimmten Grundfreibetrag übersteigt. Im Jahr 2024 liegt dieser bei Grundfreibetrag bei 11.784 Euro pro Person.

Auch Rentner sind steuerpflichtig, wenn ihre Rente diesen Freibetrag überschreitet, betont die Steuerexpertin.

In dem vorliegenden Fall hat die Dame vermutlich sowohl eine gesetzliche Rente als auch eine Witwenrente bezogen.

Seit einigen Jahren sind Renteneinkünfte steuerpflichtig, und das Finanzamt verfolgt dies zunehmend konsequent. Insbesondere der Bezug einer Witwenrente könnte der Auslöser für das Schreiben des Finanzamtes gewesen sein.

Was passiert, wenn die Steuererklärung nicht abgegeben wird?

Wenn Steuerpflichtige – unabhängig von ihrem Alter oder gesundheitlichen Zustand – die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ignorieren, hat das Finanzamt verschiedene Mittel, um Druck auszuüben.

Zunächst kann es Mahnungen verschicken und eine Fristverlängerung gewähren. Sollte die Steuererklärung weiterhin ausbleiben, droht das Finanzamt mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes. Dies ist eine finanzielle Strafe, die zusätzlich zu eventuellen Steuern erhoben wird.

In besonders hartnäckigen Fällen kann das Finanzamt sogar eine Schätzung der Einkünfte vornehmen.

Diese Schätzung fällt in der Regel höher aus als die tatsächlichen Einnahmen, was für den Betroffenen eine höhere Steuerlast bedeutet.

Zudem kann das Finanzamt ein Steuerstrafverfahren einleiten, das dazu führt, dass Steuererklärungen nicht nur für drei, sondern für bis zu zehn oder sogar zwölf Jahre rückwirkend verlangt werden können, warnt auch der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt.

Welche Fristen sind zu beachten?

Im Fall der 99-jährigen Frau wurde eine Frist von nur vier Wochen gesetzt, was selbst für steuerlich versierte Menschen eine Herausforderung ist.

Eine solch kurze Frist kann besonders für ältere Menschen und ihre Angehörigen zu erheblichen Schwierigkeiten führen.

In solchen Fällen empfiehlt es sich, beim Finanzamt eine Fristverlängerung zu beantragen, sagt die Rechtsanwältin. Dies ist in der Regel problemlos möglich, wenn plausible Gründe wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit angegeben werden.

Welche Ausgaben können Rentner von der Steuer absetzen?

Rentner haben verschiedene Möglichkeiten, ihre Steuerlast zu senken. Insbesondere Pflege- und Krankheitskosten können in der Steuererklärung geltend gemacht werden. Zu den absetzbaren Kosten gehören:

  • Pflegekosten: Die Kosten für die Unterbringung in einem Pflegeheim sowie zusätzliche Pflegeleistungen können steuerlich geltend gemacht werden.
  • Krankheitskosten: Ausgaben für Arztbesuche, Medikamente und medizinische Behandlungen sind ebenfalls absetzbar.
  • Versicherungen: Bestimmte Versicherungen wie die Haftpflicht- oder Krankenversicherung können teilweise von der Steuer abgesetzt werden.
  • Handwerkerleistungen: Auch Ausgaben für Handwerkerleistungen, die beispielsweise im Rahmen von altersgerechten Umbaumaßnahmen anfallen, sind steuerlich absetzbar.
Was sollten Betroffene tun, wenn sie eine solche Aufforderung erhalten?

Wenn ein älterer Mensch oder dessen Angehörige eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung erhalten, ist es wichtig, schnell zu handeln.

Der erste Schritt sollte sein, eine Fristverlängerung zu beantragen, um genügend Zeit zu gewinnen, die notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Anschließend sollten die Einnahmen und Ausgaben sorgfältig zusammengestellt werden.

Es ist empfehlenswert, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Dies muss nicht zwangsläufig ein Steuerberater sein.

Auch Lohnsteuerhilfevereine bieten Unterstützung für Rentner und Senioren an. Diese können die Betroffenen darüber informieren, welche Ausgaben absetzbar sind und wie die Steuerlast effektiv gesenkt werden kann, rät Anhalt.

Warum sollte man die Steuererklärung ernst nehmen, selbst wenn die Steuerlast gering ist?

Viele Senioren denken, dass sich der Aufwand für die Erstellung einer Steuererklärung nicht lohnt, da am Ende keine oder nur eine geringe Steuerlast entsteht.

Doch die Abgabe der Steuererklärung ist eine gesetzliche Pflicht, und das Ignorieren kann erhebliche Konsequenzen haben. Neben dem Zwangsgeld und der Schätzung der Einkünfte kann ein Steuerstrafverfahren eingeleitet werden, das es dem Finanzamt ermöglicht, bis zu zwölf Jahre rückwirkend Steuererklärungen einzufordern.

Selbst wenn keine Steuern anfallen, schützt die fristgerechte Abgabe der Steuererklärung vor zusätzlichen Kosten und einem möglichen Strafverfahren. Wer diese Pflicht missachtet, kann mit Zwangs- und Strafgelder belegt werden, warnt abschließend die Anwältin.

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Rente: Regelaltersgrenze erreicht – So den Job trotzdem behalten

17. November 2025 - 9:18
Lesedauer 4 Minuten

Mit 67 ist für viele Beschäftigte längst nicht Schluss. Wer die Regelaltersgrenze erreicht, kann weiterarbeiten, die Rente aufschieben oder beides kombinieren – und damit seine Situation spürbar verbessern. Entscheidend ist nicht der Geburtstag, sondern was im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag und im Sozialversicherungsrecht steht.

Kein automatisches Jobende mit Erreichen der Regelaltersgrenze

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch, nur weil jemand 66 oder 67 wird oder einen Rentenanspruch hat. Weder der bloße Anspruch auf eine Altersrente noch der Rentenbescheid sind ein Kündigungsgrund.

Endet der Vertrag dennoch „von selbst“, liegt in aller Regel eine Altersgrenzenklausel zugrunde, etwa mit der Formulierung, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird.

Fehlt eine solche Regelung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag, läuft das Arbeitsverhältnis weiter. Wer dann aufhören will, muss selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag schließen. Der Arbeitgeber kann nicht allein wegen des Alters kündigen, sondern benötigt – wie bei jüngeren Beschäftigten – einen Kündigungsgrund und muss die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes beachten.

Altersgrenzenklauseln als entscheidender Faktor

Viele Arbeitgeber nutzen Altersgrenzen, um den Ruhestand planbar zu machen. Solche Klauseln sind zulässig, wenn sie klar an die Regelaltersgrenze anknüpfen, transparent formuliert sind und in Textform vereinbart wurden. In zahlreichen Branchen, etwa im öffentlichen Dienst oder im Gesundheitswesen, regeln Tarifverträge das Ausscheiden.

Wer einen Arbeitsvertrag mit Tarifverweis hat, sollte rechtzeitig prüfen, ob eine Altersgrenze vorgesehen ist, ob sie wirksam einbezogen wurde und ob Formfehler vorliegen. Ist eine Altersgrenzenregelung unwirksam, endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze – ein Punkt, der im Streitfall entscheidend sein kann.

Weiterarbeiten, Rente aufschieben oder beides kombinieren?

Wer die Regelaltersgrenze erreicht, hat im Kern drei Strategien zur Auswahl.

Rente aufschieben und voll weiterarbeiten

Wer keinen Rentenantrag stellt und weiterarbeitet, verschiebt den Rentenbeginn nach hinten. Für jeden Monat des Aufschubs erhöht sich die spätere Rente dauerhaft um 0,5 Prozent, also um 6 Prozent pro Jahr, zusätzlich zu den Entgeltpunkten aus den laufenden Beiträgen.

Für Personen mit stabilem Gesundheitszustand und gutem Einkommen kann sich so ein erheblicher Rentenzuschlag aufbauen, der das Ruhestandseinkommen dauerhaft stärkt.

Rente beziehen und trotzdem im Job bleiben

Die zweite Option besteht darin, bereits eine Altersrente zu beziehen und weiterzuarbeiten. Seit 2023 gibt es bei der Altersrente keine Hinzuverdienstgrenzen mehr, das heißt, Rentenbezieher können grundsätzlich beliebig viel hinzuverdienen, ohne Rentenkürzungen befürchten zu müssen.

Damit rücken Steuern und Sozialabgaben in den Mittelpunkt: Wer hohe Nebeneinkünfte erzielt, sollte unbedingt prüfen, wie sich das zusätzliche Einkommen auf die Steuerprogression und auf Beitragspflichten auswirkt.

Gleitender Übergang mit Teilzeit und Teilrente

Als dritte Variante eignet sich ein gleitender Übergang. Viele reduzieren allmählich ihre Arbeitszeit, kombinieren Teilzeit mit Voll- oder Teilrente und passen ihren Lebensstandard Schritt für Schritt an. Solche Modelle lassen sich, sofern beide Seiten einverstanden sind, relativ flexibel gestalten.

Welche Strategie sinnvoll ist, hängt von Einkommen, Gesundheit, familiärer Situation und persönlichen Plänen ab; eine Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung und eine steuerliche Beurteilung verhindern teure Fehlentscheidungen.

Sozialversicherung: Wie sich Beiträge im Rentenalter verändern

Wer nach der Regelaltersgrenze weiterarbeitet, bleibt formal Arbeitnehmer, sozialversicherungsrechtlich verschieben sich aber wichtige Parameter, die direkt das Nettoeinkommen betreffen.

Rentenversicherung nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Mit Beginn einer Vollrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze besteht grundsätzlich Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung. Der Arbeitgeber zahlt zwar weiterhin seinen Beitragsanteil, dieser erhöht die Rente jedoch nicht automatisch.

Wer seine Rente weiter steigern will, kann schriftlich auf die Versicherungsfreiheit verzichten und den eigenen Beitragsanteil zahlen. Dann werden die Beiträge aus dem Job jährlich in zusätzliche Entgeltpunkte umgerechnet und zum 1. Juli des Folgejahres gutgeschrieben. Gerade bei längerer Weiterarbeit können diese Zuschläge die Rente deutlich anheben.

Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung

In der Kranken- und Pflegeversicherung fallen Beiträge sowohl auf die laufende Rente als auch auf das Arbeitsentgelt an, sofern es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handelt.

Altersrentner, die weiterarbeiten, bleiben häufig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- oder freiwillig versichert und tragen den Arbeitnehmeranteil auf ihr Gehalt, während auf die Rente Beiträge im Rahmen der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erhoben werden.

Arbeitslosenversicherung und Minijobs im Blick

Mit Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt zumeist die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, neue Ansprüche auf Arbeitslosengeld I entstehen in der Regel nicht mehr. Wer trotzdem seinen Job verliert, kann sich zwar arbeitsuchend melden, muss aber kaum noch mit klassischen ALG-I-Leistungen rechnen.

Für Minijobs gelten Besonderheiten. Altersrentner können auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verzichten und kleine eigene Beiträge zahlen, während der Arbeitgeber einen pauschalen Beitrag entrichtet.

Auch so lassen sich zusätzliche Entgeltpunkte erwerben, was für Rentner mit niedrigen Ansprüchen eine interessante Option sein kann. Insgesamt sollten insbesondere Personen mit geringer Rente sorgfältig prüfen, ob zusätzliche Beiträge sich langfristig lohnen und wie sich Mehrverdienste auf Steuern und eventuelle Sozialleistungen auswirken.

Hinausschiebensvereinbarung: So bleibt der Job trotz Altersgrenze erhalten

Selbst wenn im Vertrag oder Tarif eine Altersgrenze vorgesehen ist, muss dies nicht das letzte Wort sein. § 41 Satz 3 SGB VI ermöglicht es, den Beendigungszeitpunkt einvernehmlich hinauszuschieben. Voraussetzung ist eine wirksame Altersgrenzenregelung, die an die Regelaltersgrenze anknüpft.

Die Hinausschiebensvereinbarung muss geschlossen werden, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht, also vor dem ursprünglich vorgesehenen Enddatum, und sie muss in Textform erfolgen, in der Praxis meist als kurze schriftliche Ergänzung.

Spielräume und Risiken der Verlängerung

Die Verlängerung kann auf einen bestimmten Zeitraum befristet werden und nach der Rechtsprechung auch mehrfach hintereinander erfolgen, solange kein Missbrauch erkennbar ist. Problematisch wird es, wenn Verlängerungen mit deutlich schlechteren Bedingungen nur für ältere Beschäftigte verknüpft werden; hier droht ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

Wer weiterarbeiten möchte, sollte daher frühzeitig mit dem Arbeitgeber sprechen und eine saubere Hinausschiebensvereinbarung schließen, statt kurz vor der Altersgrenze unter Zeitdruck zu handeln.

Aktivrente ab 2026: Steuerbonus für weiterarbeitende Rentner

Mit der geplanten Aktivrente setzt die Politik ein deutliches Signal für längeres Arbeiten. Vorgesehen ist ein Start zum 1. Januar 2026. Wer die Regelaltersgrenze erreicht hat und sozialversicherungspflichtig weiterarbeitet, soll auf einen Teil des Erwerbseinkommens einen steuerlichen Freibetrag von bis zu 2.000 Euro im Monat erhalten.

Begünstigt werden abhängig Beschäftigte; Selbstständige, Minijobber und Beamte sollen den Freibetrag voraussichtlich nicht nutzen können.

Damit würde sich das Weiterarbeiten doppelt lohnen: Die Rente steigt durch spätere Inanspruchnahme und zusätzliche Beiträge, während ein Teil des Arbeitseinkommens steuerfrei bleibt.

Kritiker bemängeln, dass vor allem gut verdienende Fachkräfte profitieren, während Menschen mit niedrigen Löhnen oder gesundheitlichen Einschränkungen faktisch kaum länger arbeiten können. Für alle, die zeitlich flexibel in den Ruhestand gehen können, ist es trotzdem sinnvoll, die künftigen Regeln bereits heute in die eigene Planung einzubeziehen.

Typische Fehler – und wie man sie vermeidet

Der häufigste Fehler besteht darin, einfach abzuwarten. Wer seinen Vertrag und den einschlägigen Tarifvertrag nicht prüft, merkt womöglich zu spät, dass eine Altersgrenzenklausel greift und der Job tatsächlich mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet.

Ein späterer Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Klausel ist dann schwierig. Ebenso riskant ist es, einen Rentenantrag zu stellen, ohne Steuern, Sozialabgaben und mögliche Zuschläge für späteren Rentenbeginn grob durchzurechnen.

Hinzu kommt, dass viele auf professionelle Beratung verzichten, obwohl die Kombination aus Rentenrecht, Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht komplex ist.

Wer rechtzeitig mit der Deutschen Rentenversicherung spricht, Lohnsteuerhilfe, Sozialverbände oder Fachanwälte einbezieht, kann die eigene Situation realistisch einschätzen und die passende Strategie wählen, statt sich von Mythen und Halbwissen leiten zu lassen.

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Krankengeld: Vertragsarzt ist nicht zwingend für eine AU

17. November 2025 - 9:16
Lesedauer 3 Minuten

Ärztliche Bescheinigung reicht für Krankengeld – es muss kein Arzt der Krankenkasse sein. Wenn ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, dann gilt dies auch in einem Entlassungsschreiben aus der Rehabilitation und rechtfertigt auch in diesem Fall den Bezug von Krankengeld. So entschied das Hessische Landessozialgericht gegen die zuständige Krankenkasse. (L 1 KR 282/19)

Krankenkasse verweigert Krankengeld

Der Betroffene beansprucht von der Krankenversicherung ein Krankengeld von 802,71 Euro brutto für eine strittige Zeit von acht Tagen im Mai (5. Mai bis 13. Mai).

Er arbeitete als Geräteführer und wurde arbeitsunfähig, nachdem er an Nierenkrebs erkrankt war. Er erhielt eine Nierentumorresektion, dann folgte eine stationäre Behandlung im Urologischen Kompetenzzentrum für  Rehabilitation der Kliniken Hartenstein.

Eingliederung nicht erfolgversprechend

Hier kam es zu dem strittigen Punkt. Die am 24. April eingegangene Entlassungsmitteilung der Klinik sagt aus, dass der Betroffene arbeitsunfähig ist. Eine “Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung” hält eine stufenweise Eingliederung für nicht erforderlich, da diese voraussichtlich die Arbeitskraft nicht wiederherstelle.

Arbeitsunfähigkeit auch nach Beendigung der Reha

Ebenfalls am 24. April stellte sein behandelnder Arzt dem Erkrankten bis zum 4. Mai eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, die die Krankenkasse am 20. April erhielt. Es folgten weitere Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit, mit der immer gleichen Diagnose einer „bösartigen Neubildung der Niere (C64G).

Versicherung will nicht für den gesamten Zeitraum zahlen

Die Versicherung genehmigte Krankengeld für folgende Zeiträume:

  • vom 25. April bis 4. Mai,
  • sowie für den 14. Mai.

Für den Zeitraum vom 5. Mai bis zum 13. Mai verweigerte sie jedoch die Zahlung. Als Begründung führte die Versicherung an, dass die Arbeitsunfähigkeit erst am 16. Mai erneut ärztlich attestiert wurde. Da zwischen dem letzten attestierten Datum und der neuen Feststellung mehr als eine Woche vergangen sei, habe der Anspruch in diesem Zeitraum geruht.

Der Kläger legte Widerspruch ein, die Versicherung wies diesen ab, der Betroffene zog vor das Sozialgericht und nachdem dieses seine Klage bestätigt hatte, kam es zum Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht.

Der Entlassungsbericht ist gültig

Beide Instanzen sahen den Erkrankten im Recht und verwiesen darauf, dass der Entlassungsbericht vom 24. April gültig sei. Dieser erkläre den Kläger für arbeitsunfähig mit der Diagnose „Nierenzellkarzinom im Tumorstadium pT1a RO, Nierentumorresektion links am 6. März 2018 sowie Erschöpfungssyndrom“.

Weiter steht in diesem Bericht, dass der Betroffene vermutlich zwar seine berufliche Tätigkeit wieder ausüben könne. Doch stufenweise Wiedereingliederung könne dies nicht beschleunigen:

„Eine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden könne aufgrund der psycho-physischen Belastung innerhalb von vier Wochen nicht erreicht werden.“

Laut Krankenkasse ersetzt Reha-Mitteilung keine Bescheinigung

Die Krankenkasse argumentierte, dass eine Reha-Entlassungsmitteilung grundsätzlich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzen könne. Weder weise sie einen Arbeitsunfähigkeitszeitraum noch den Tag der ärztlichen Feststellung oder die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen aus.

Unklarheit über Bescheinigung der Reha-Klinik

Die Ärzte in der medizinischen Rehabilitation dürften keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Der Versicherte müsste die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse melden.

Die Entlassungsmitteilungen würden ausschließlich den Krankenkassen übermittelt, um die Voraussetzungen für eine stufenweise Wiedereingliederung zulasten der Renten- oder Krankenversicherung zu prüfen.

Die Checkliste, die instabile Narben festhalte, sei bereits am 9. April verfasst worden und damit fast zu Beginn der Maßnahme. Es sei fraglich, ob dies bei der Entlassung gegolten habe.

Zudem sei unklar, ob die Person, die unterschrieben hätte, berechtigt sei, eine solche Bescheinigung zu verfassen. Deshalb sei das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

Gericht weist Berufung zurück

Das Landessozialgericht erklärte die Berufung jedoch für unbegründet. Die Krankenversicherung muss das Krankengeld für den strittigen Zeitraum zahlen.

Das Gericht widersprach der Krankenkasse. Denn eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung müsse zwar durch einen Arzt erfolgen, nicht aber durch einen Vertragsarzt der Versicherung. Dabei verwies es auf einen Beschluss des Bundessozialgerichts. (B 3 KR 5/18 B)

Es gibt keinen Grund, warum die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt nicht ausreichen solle, weil er in der Reha-Einrichtung tätig sei. Außerdem müsse der Arzt auch nicht den für Vertragsärzte vorgeschriebenen Vordruck verwenden, wie die Krankenkasse behauptete.

Inhaltlich reiche eine persönliche Untersuchung, bei der der Arzt feststelle, dass der Patient erkrankt sei und seiner letzten Beschäftigung nicht nachgehen könne. Die genauen Diagnosen müsste der Arzt auch nicht in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufführen.

In einem Reha-Entlassungsbericht könne die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit enthalten sein, und dies gelte auch für die „Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung.“

Es hätte eine persönliche Abschlussuntersuchung durch die Oberärztin und einen Facharzt gegeben.

„Im Entlassungsbericht wurde festgestellt, dass eine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden aufgrund der psycho-physischen Belastung innerhalb von vier Wochen nicht erreicht werden kann. (…) Ferner wurde in der “Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung” ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeit durch stufenweise Wiedereingliederung nicht wieder hergestellt werden könne, weil noch Narbeninstabilität bestehe.“

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Krankenkassen prüfen die Auszahlung von Krankengeld äußerst gründlich. Wie dieser Fall zeigt, legen sie dabei mitunter eigene Regeln fest und präsentieren diese als gesetzlich verbindlich – obwohl ein solches Vorgehen in Wirklichkeit rechtswidrig ist.

So hat die Krankenversicherung keinen Rechtsanspruch darauf, dass ein von ihr eingesetzter Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, sondern das kann auch ein anderer Arzt oder eine andere Ärztin tun.

Das Gericht klärte im Sinne der Versicherten, dass die Krankenkassen sich an geltendes Recht zu halten haben und dieses nicht mit ihren eigenen Vorlieben verwechseln. Diese Klärung ist zu begrüßen.

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Krankengeld: Wenn die Arbeitsagentur einen Reha-Antrag stellt musst du vorsichtig sein

17. November 2025 - 9:15
Lesedauer 3 Minuten

Wenn das Krankengeld ausläuft, stehen viele Betroffene vor einer unsicheren Zukunft. Der Übergang vom Krankengeld zum Arbeitslosengeld ist mit zahlreichen bürokratischen Hürden verbunden, und die richtige Vorgehensweise ist oft unklar.

Was bedeutet Aussteuerung des Krankengeldes?

Der Begriff „Aussteuerung“ bezeichnet den Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist.

Hierzulande ist das Krankengeld in der Regel auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Krankheit begrenzt.

Sobald dieser Zeitraum erreicht ist, endet die Zahlung durch die Krankenkasse.

An diesem Punkt stellt sich für viele die Frage: Wie geht es weiter? Für die meisten Betroffenen führt der erste Weg zur Agentur für Arbeit.

Was passiert nach der Aussteuerung des Krankengeldes?

Wenn das Krankengeld ausläuft, erhalten die meisten Betroffenen etwa zwei Monate vorher eine Benachrichtigung von ihrer Krankenkasse.

Dieser Brief weist darauf hin, dass das Krankengeld bald endet und man sich bei der Arbeitsagentur melden muss.

Die Arbeitsagentur prüft dann, ob der oder die Betroffene weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld hat und unter welchen Bedingungen dieser Anspruch gewährt wird.

Was ist die Nahtlosigkeitsregelung?

Die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung (§ 145 SGB III) soll verhindern, dass Versicherte nach dem Ende des Krankengeldes ohne finanzielle Unterstützung dastehen.

Sie tritt in Kraft, wenn der medizinische Dienst der Arbeitsagentur zu dem Schluss kommt, dass der Betroffene weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten kann.

In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, bis über eine mögliche Erwerbsminderungsrente entschieden wird.

Wer entscheidet über die Nahtlosigkeitsregelung?

Die Entscheidung, ob die Nahtlosigkeitsregelung zur Anwendung kommt, trifft der ärztliche Dienst der Arbeitsagentur.

Dieser prüft anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen, ob der oder die Betroffene in der Lage ist, mindestens 15 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass dies nicht möglich ist, wird die Nahtlosigkeitsregelung angewendet. Ist der Betroffene jedoch in der Lage, mehr als 15 Stunden pro Woche zu arbeiten, greift diese Regelung nicht.

Was tun, wenn die Nahtlosigkeitsregelung nicht angewendet wird?

Falls der Gutachter zu dem Schluss kommt, dass die Betroffene mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten kann, wird die Nahtlosigkeitsregelung nicht angewendet.

In diesem Fall ist es wichtig, der Arbeitsagentur deutlich zu machen, dass man sich trotz gesundheitlicher Einschränkungen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt. Dies ist entscheidend, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben.

Wie stellt man sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung?

Es mag paradox erscheinen, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, obwohl man gesundheitlich eingeschränkt ist.

Dennoch ist es notwendig, um Arbeitslosengeld zu erhalten. In dieser Situation sollte man angeben, dass man bereit ist, im Rahmen der gesundheitlichen Möglichkeiten in Vollzeit zu arbeiten. Auch wenn dies unrealistisch erscheinen mag, ist diese Angabe notwendig, um die vollen Leistungen zu erhalten.

Vorsicht bei Krankschreibungen

Eine häufige Frage ist, wie man sich verhalten soll, wenn man weiterhin krankgeschrieben ist, die Nahtlosigkeitsregelung jedoch abgelehnt wurde. In dieser Situation ist es wichtig, auf die Krankschreibung zu achten.

Eine fortlaufende Krankschreibung kann den Anspruch auf Arbeitslosengeld gefährden. Mehr dazu ist in weiteren Fachbeiträgen zu finden, aber grundsätzlich gilt: Die Krankschreibung sollte gut überlegt und abgestimmt sein.

Was passiert, wenn die Nahtlosigkeitsregelung greift?

Sollte der ärztliche Dienst zu dem Schluss kommen, dass der Betroffene weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten kann, greift die Nahtlosigkeitsregelung.

In diesem Fall wird ein Verfahren in Gang gesetzt, das letztlich darauf abzielt, eine mögliche Erwerbsminderungsrente zu prüfen. Hierbei spielt auch die Beantragung einer Rehabilitationsmaßnahme (Reha) eine zentrale Rolle.

Warum ist eine Reha notwendig?

Die Reha dient nicht nur der Verbesserung der gesundheitlichen Situation, sondern auch der Feststellung des verbliebenen Leistungsvermögens.

In der Reha wird überprüft, inwieweit der Betroffene nach Abschluss der Maßnahme arbeitsfähig ist.

Der abschließende Reha-Bericht ist demnach für die Frage wichtig, ob eine Erwerbsminderungsrente gewährt wird oder nicht.

Was ist, wenn man kürzlich bereits eine Reha absolviert hat?

Auch wenn man erst kürzlich eine Reha-Maßnahme abgeschlossen hat, kann es sein, dass die Arbeitsagentur eine erneute Prüfung verlangt.

Dies liegt daran, dass die Arbeitsagentur keinen Ermessensspielraum hat und die Notwendigkeit einer Reha in jedem Fall geprüft werden muss, um die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente zu klären.

Wie lange erhält man Arbeitslosengeld nach dem Krankengeld?

Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld hängt vom Alter und der Beitragszeit ab. Personen über 58 Jahren können bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld beziehen. Jüngere Personen haben einen entsprechend kürzeren Anspruch, der in der Regel bei 12 Monaten liegt. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die individuellen Ansprüche zu informieren.

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Bürgergeld: Miete vom Jobcenter auch ohne einen Mietvertrag

17. November 2025 - 9:07
Lesedauer 5 Minuten

Auch ohne schriftlichen Mietvertrag haben Sie Anspruch auf Übernahme Ihrer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) durch das Jobcenter, wenn Sie Bürgergeld beziehen oder beantragen. Entscheidend ist der Nachweis Ihrer tatsächlichen, angemessenen Kosten.

Viele leben zur Untermiete, bei Verwandten oder mit mündlicher Vereinbarung und stoßen auf Probleme mit Jobcentern. Dieser Artikel erklärt Ihre Rechte und wie Sie diese durchsetzen.

Was das Jobcenter zahlt: Ihre Kosten der Unterkunft (KdU) im Detail (§ 22 SGB II)

Das Jobcenter zahlt Ihre tatsächlichen, angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Diese umfassen die Kaltmiete (Grundmiete) für die reine Raumnutzung, die kalten Betriebskosten (Nebenkosten), sofern diese vereinbart sind – dazu zählen laufende Kosten wie Grundsteuer, Wasser/Abwasser, Müllabfuhr, Versicherungen oder Hausmeisterdienste – sowie die Heizkosten für die Beheizung der Wohnung und gegebenenfalls die zentrale Warmwasserbereitung.

Sollte Warmwasser dezentral erzeugt werden, beispielsweise durch einen Durchlauferhitzer, kann hierfür ein Mehrbedarf beim Regelbedarf geltend gemacht werden.

Was gehört NICHT zu den KdU?

Einige Kosten müssen Sie selbst aus Ihrem Regelsatz bezahlen. Dazu gehört der Haushaltsstrom für Licht und Elektrogeräte, da dieser im Regelbedarf enthalten ist. Eine Ausnahme kann bei untrennbaren Pauschalmieten gelten. Stromnachzahlungen sind meist selbst zu tragen; nur im Notfall (drohende Sperre) ist eventuell ein Darlehen möglich.

Auch Telefon und Internet sind aus dem Regelbedarf zu decken. Kosten für Möblierung gehören nur dann zu den KdU, wenn die Wohnung anders nicht anmietbar war und die Gesamtmiete angemessen bleibt. Für eine Erstausstattung gibt es separate Leistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II). Bei selbst genutztem Eigentum werden zwar Zinsen, Grundsteuer und Nebenkosten übernommen, jedoch keine Tilgungsraten für Kredite.

Seien Sie wachsam bei Pauschalmieten; unberechtigte Kürzungen sollten Sie per Widerspruch anfechten.

Wohnen ohne Papiere: Typische Fälle ohne schriftlichen Mietvertrag

Nicht jeder hat einen Standardmietvertrag. Häufige Situationen sind das Wohnen bei Eltern oder Verwandten, wobei das Jobcenter genau prüft, ob eine WG oder eine unterstützungspflichtige Haushaltsgemeinschaft vorliegt. Auch die Untermiete “per Handschlag” ist verbreitet; hier sind mündliche Verträge gültig, aber die Vereinbarungen müssen nachgewiesen werden.

Bei informellen Wohnformen, etwa bei Freunden, können Kosten anerkannt werden, wenn sie belegbar sind. Für Menschen in Notunterkünften oder bei Wohnungslosigkeit besteht ebenfalls Anspruch auf Bürgergeld und Kostenübernahme (z.B. Tagessätze). Bei selbst genutztem Eigentum ersetzen Nachweise über Zinsen, Grundsteuer und Nebenkosten den Mietvertrag.

Nachweise statt Mietvertrag: So belegen Sie Ihre Wohnkosten überzeugend

Entscheidend ist der Nachweis, dass Ihnen tatsächlich Kosten entstehen und Sie zur Zahlung rechtlich verpflichtet sind, egal ob mündlich oder schriftlich vereinbart. Auch günstige Mieten (z.B. unter Verwandten) werden anerkannt, solange eine echte, nachweisbare Zahlungsverpflichtung besteht. Scheinverträge zählen nicht.

Als Belege eignen sich Kontoauszüge, die regelmäßige Mietüberweisungen mit klarem Verwendungszweck zeigen. Bei Barzahlung sind detaillierte Quittungen unerlässlich (Datum, Betrag, Zeitraum, Namen, Adressen, Unterschrift). Eine formlose Bestätigung des Unterkunftgebers über Wohnverhältnis, Größe, Kosten (aufgeschlüsselt) und mündlichen Vertrag ist ebenfalls hilfreich.

Selbst ein nachträglich aufgesetzter (Unter-)Mietvertrag ist besser als nichts, kann aber Misstrauen wecken, wenn er kurz vor Antragstellung erfolgt und vorher keine Miete floss. Bei Wohnen mit Verwandten kann eine schriftliche Kosten- und Nutzungsvereinbarung sinnvoll sein. Auch Nebenkostenabrechnungen oder Bescheinigungen von Notunterkünften dienen als Nachweis.

Umgang mit der “Vermieterbescheinigung”

Jobcenter fordern oft eine “Mietbescheinigung” (Anlage KDU). Hierbei ist wichtig zu wissen: Die Mitwirkung des Vermieters ist freiwillig. Das Jobcenter darf aus Datenschutzgründen nicht verlangen, dass der Vermieter die Bescheinigung direkt schickt oder dies der einzige Nachweis ist (§ 67a SGB X). Der Bundesdatenschutzbeauftragte kritisiert diese Praxis seit Jahren.

Ihre Strategie sollte sein: Weisen Sie auf Ihr Datenschutzrecht hin, bieten Sie alternative Nachweise an (Kontoauszüge, Quittungen, formlose Bestätigung an Sie) und füllen Sie die Anlage KDU gegebenenfalls selbst mit Belegen aus. Legen Sie bei Druck Widerspruch ein.

Jobcenter fordern die Bescheinigung oft aus Bequemlichkeit. Bleiben Sie standhaft. Glaubhafte Nachweise (regelmäßige Zahlungen, klare Kostenaufschlüsselung) sind ohne Mietvertrag besonders wichtig.

Spezialfall: Wohnen bei der Familie – WG, Haushalts- oder Bedarfsgemeinschaft?

Beim Zusammenleben mit Verwandten prüft das Jobcenter die Art der Gemeinschaft, was erhebliche Folgen für Ihre Leistungen hat. In einer Wohngemeinschaft (WG) lebt jeder finanziell für sich. Das Jobcenter zahlt nur Ihren Kopfanteil der angemessenen KdU; Einkommen/Vermögen der Mitbewohner sind irrelevant.

Bei einer Haushaltsgemeinschaft (HG) wird gemeinsam gewirtschaftet. Hier vermutet das Jobcenter gesetzlich eine Unterstützung durch Verwandte (§ 9 Abs. 5 SGB II) und kann deren Einkommen/Vermögen anrechnen; die KdU werden meist pro Kopf geteilt. Eine Bedarfsgemeinschaft (BG) besteht bei Partnern, Ehepartnern und Kindern unter 25 im Haushalt.

Hier wird das Einkommen/Vermögen aller gemeinsam betrachtet, und die KdU werden für die gesamte BG berechnet.

Problem: Jobcenter unterstellen oft fälschlich eine HG

Nachweis einer reinen WG: Da das Gesetz bei Verwandten Unterstützung vermutet, müssen Sie das Gegenteil beweisen. Hilfreich sind Nachweise über getrennte Konten, ein (Unter-)Mietvertrag oder eine Kostenvereinbarung, Belege für getrennte Lebensführung oder eidesstattliche Versicherungen der Mitbewohner, dass getrennt gewirtschaftet wird. Legen Sie bei falscher Einstufung Widerspruch ein. In einer WG wird Ihr Kopfanteil der angemessenen KdU übernommen.

Wichtig: Wohnen Sie nachweislich mietfrei bei Verwandten, gibt es i. d. R. keinen Anspruch auf KdU nach SGB II, da keine Kosten entstehen. Die BSG-Entscheidung zu fiktiven Kosten betrifft SGB XII und ist nicht direkt übertragbar.

Spezialfall: Obdachlosigkeit und Notunterkünfte

Auch ohne feste Wohnung können Sie Bürgergeld erhalten. Stellen Sie den Antrag beim Jobcenter am Ort Ihres “gewöhnlichen Aufenthalts”. Ein gültiger Personalausweis ist unerlässlich. Stellen Sie Ihre postalische Erreichbarkeit sicher, z.B. über die Adresse einer Beratungsstelle, eines Freundes oder ein Postfach.

Kosten für Notunterkünfte (Tagessätze) können als KdU übernommen werden, lassen Sie sich dies von der Einrichtung bestätigen. Sprechen Sie das Jobcenter auf Unterstützung bei der Wohnungssuche, Kaution (als Darlehen) oder Erstausstattung an. Die Auszahlung kann auch bar, per Scheck oder tageweise erfolgen. Suchen Sie bei Bedarf Hilfe bei Beratungsstellen für Wohnungslose.

Nicht zu teuer, nicht zu groß: Die “Angemessenheit” Ihrer Kosten

Das Jobcenter zahlt KdU nur bis zur lokalen Angemessenheitsgrenze. Geprüft wird die Bruttokaltmiete (Kaltmiete + kalte Nebenkosten) sowie separat die Heizkosten. Die Grenzen legen Kommunen fest, oft basierend auf Mietspiegeln oder “schlüssigen Konzepten”. Fragen Sie bei Ihrem Jobcenter nach oder recherchieren Sie online.

Eine wichtige Erleichterung ist die Karenzzeit von einem Jahr ab Erstbezug (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II). Während dieser Zeit wird die Angemessenheit der Bruttokaltmiete nicht geprüft, die tatsächlichen Kosten werden übernommen.

Die Heizkosten müssen von Anfang an angemessen sein! Die Karenzzeit gilt zudem nicht bei vorheriger Kürzung oder bei Umzug in eine unangemessen teure Wohnung ohne Zustimmung.

Nach der Karenzzeit kann das Jobcenter bei zu hohen Kosten ein Kostensenkungsverfahren einleiten. Sie erhalten dann meist sechs Monate Zeit, die Kosten zu senken (z.B. durch Umzug, Untervermietung), währenddessen werden die vollen Kosten weitergezahlt. Danach ist eine Kürzung möglich, wenn die Senkung trotz nachweisbarer Bemühungen nicht gelang.

Eine Kostensenkung (insbesondere Umzug) kann jedoch unzumutbar sein, z.B. wegen Alter, Krankheit, Pflege, Alleinerziehung oder kurz bevorstehendem Renteneintritt/Schulabschluss. Diese Gründe müssen Sie aktiv mitteilen und nachweisen!

Nutzen Sie die Karenzzeit zur Prüfung Ihrer Situation. Für Umzüge brauchen Sie immer die Zustimmung des Jobcenters zur Kostenübernahme, auch während der Karenzzeit.

Tabelle 1: Beispielhafte Angemessenheitsgrenzen (Bruttokaltmiete) für Musterstadt (Stand 2025)

Haushaltsgröße Angemessene Wohnfläche (ca.) Max. Bruttokaltmiete (€) 1 Person 50 qm 450,00€ 2 Personen 60-65 qm 550,00€ 3 Personen 75 qm 650,00€ 4 Personen 90 qm 780,00€ 5 Personen 105 qm 900,00€ Jede weitere Person + 15 qm + 120,00 €

Quelle: Fiktive Werte zur Illustration. Die tatsächlichen Werte an Ihrem Wohnort können erheblich abweichen! Bitte erfragen Sie die für Sie gültigen Grenzen bei Ihrem zuständigen Jobcenter oder Ihrer Kommune.

Ihre Rechte durchsetzen: Praktische Tipps und Strategien

Bei der Antragstellung füllen Sie den Antrag und die Anlage KDU vollständig aus und reichen Kopien (!) aller Nachweise ein. Erklären Sie Ihre Situation ohne Mietvertrag kurz schriftlich und legen Sie alternative Belege bei.

In der Kommunikation mit dem Jobcenter sollten Sie proaktiv sein, Änderungen melden und alles schriftlich erledigen (Anträge, Fristsetzungen), idealerweise mit Eingangsbestätigung. Reichen Sie nur zulässige Unterlagen ein und bleiben Sie hartnäckig.

Die goldene Regel lautet: Holen Sie immer die schriftliche Zusicherung des Jobcenters zur Kostenübernahme ein, bevor Sie einen neuen Mietvertrag abschließen oder umziehen. Ohne diese Zusicherung riskieren Sie, auf Umzugskosten, Kautionsdarlehen und möglicherweise einem Teil der Miete sitzenzubleiben. Dies gilt besonders streng für Personen unter 25, die aus dem Elternhaus ausziehen möchten.

Wenn es Probleme gibt, legen Sie innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch gegen fehlerhafte Bescheide ein und begründen Sie diesen. Suchen Sie Hilfe bei unabhängigen Beratungsstellen, Sozialberatungen oder Mietervereinen. Bei Ablehnung des Widerspruchs oder komplexen Fällen kann ein Anwalt für Sozialrecht helfen, eventuell mit Beratungs- oder Prozesskostenhilfe.

Zusammenfassung: Ihr Recht auf ein Dach über dem Kopf

Ein fehlender Mietvertrag ist kein Hinderungsgrund für die Übernahme der KdU. Entscheidend ist der glaubhafte Nachweis Ihrer tatsächlichen, angemessenen Kosten durch alternative Belege. Achten Sie auf die Angemessenheitsgrenzen und die Karenzzeit (die Heizkosten nicht umfasst!). Holen Sie immer die schriftliche Zusicherung vor einem Umzug oder Vertragsabschluss ein.

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Bürgergeld-Bezieherin erreicht Mehrbedarf für Schuhe vom Jobcenter

17. November 2025 - 9:04
Lesedauer 5 Minuten

Ein ungewöhnlicher Fall aus Hamburg zeigt, wie eng medizinische Probleme und soziale Absicherung miteinander verknüpft sein können. Eine 56-jährige Bürgergeld-Empfängerin hat vor dem Sozialgericht Hamburg erreicht, dass ihr ein laufender zusätzlicher Betrag gewährt wird, weil eine neurologische Erkrankung ihre Schuhe in kurzer Zeit untragbar macht.

Das Gericht verpflichtete das Jobcenter, einen monatlichen Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II anzuerkennen.

Der Fall verdeutlicht, wie wichtig es ist, krankheitsbedingte Besonderheiten bei der Berechnung von Leistungen zu berücksichtigen – und wo die Zuständigkeit von Jobcenter und Krankenkasse verläuft.

Folgen bei jedem Schritt

Die Klägerin leidet unter einer neurologischen Störung, die zu Fehlstellungen der Beine, Sprunggelenke und Füße führt. In der Folge ist ihr Gangbild deutlich verändert: Es handelt sich um einen sogenannten ataktischen Gang, bei dem Bewegungen unsicher, unkoordiniert und schwankend sind.

Was für Außenstehende zunächst nur wie ein unsicherer Gang wirken mag, hat für die Frau handfeste finanzielle Folgen. Durch die Fehlbelastung nutzt sich das Innere ihrer Schuhe in ungewöhnlich kurzer Zeit ab. Handelsübliche Damenschuhe sind bereits nach ein bis zwei Monaten so stark beschädigt, dass sie nicht mehr tragbar sind.

Ärztliche Atteste bestätigten dieses Bild. Mehrere behandelnde Ärztinnen und Ärzte sowie ein Amtsarzt beschrieben den untypischen, innerseitigen Verschleiß der Schuhe. Damit stand fest: Die Klägerin benötigt deutlich häufiger neue Straßenschuhe als gesunde Menschen – und dies nicht aus modischen Gründen, sondern aus gesundheitlichen Gründen, um überhaupt sicher laufen zu können.

Merkosten für alltägliche Schuhe

Die Zahlen, die die Frau dem Gericht vorlegte, sprechen eine deutliche Sprache. Innerhalb von etwa fünf Monaten musste sie vier Paar Schuhe erwerben. Insgesamt gab sie dafür 256,84 Euro aus. Rechnet man diese Beträge auf einen längeren Zeitraum um, wird deutlich, dass die üblichen Pauschalen im Bürgergeld-Regelsatz für Bekleidung und Schuhe bei ihr nicht ausreichen.

Statistische Berechnungen zeigten, dass der durchschnittliche monatliche Bedarf für Damenschuhe bei 5,30 Euro liegt. Bei der Klägerin ergab sich hingegen ein monatlicher Schuhbedarf von 24,76 Euro. Die Differenz von 19,46 Euro stellt nach Auffassung des Gerichts einen zusätzlichen, stetig wiederkehrenden Bedarf dar, der über das hinausgeht, was mit dem Regelsatz abgedeckt ist.

Genau diesen Mehrbetrag muss das Jobcenter nun monatlich als Mehrbedarf zahlen. Für den gesamten Bewilligungszeitraum summiert sich das auf 116,76 Euro.

Vom Jobcenter zur Krankenkasse – und zurück

Zunächst hatte das Jobcenter den Antrag der Frau abgelehnt. Die Begründung: Die Klägerin solle sich an ihre Krankenkasse wenden. Dort stieß sie jedoch auf die nächste Hürde.

Die Krankenkasse erklärte, dass sie lediglich die Kosten für Hilfsmittel trage. Darunter fallen beispielsweise orthopädische Schuhe, Einlagen oder andere medizinische Spezialversorgungen. Normale Straßenschuhe – selbst wenn sie aus Krankheitsgründen schneller verschleißen – zählen dagegen zu Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens.

Damit entstand eine Lücke: Die Krankenkasse sieht sich nicht zuständig, weil es sich nicht um Hilfsmittel im sozialrechtlichen Sinne handelt. Das Jobcenter wiederum hatte zunächst argumentiert, gerade die Krankenkasse müsse einspringen.

Erst das Sozialgericht Hamburg schob diesem Zuständigkeits-Pingpong einen Riegel vor und stellte klar, dass die besondere Situation der Klägerin im Rahmen des Bürgergeldes zu berücksichtigen ist.

Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II

Rechtlich stützt sich die Entscheidung auf § 21 Absatz 6 SGB II. Diese Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, zusätzlich zum Regelsatz einen sogenannten Mehrbedarf zu gewähren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Vorausgesetzt wird ein Bedarf, der regelmäßig anfällt, sich deutlich vom Üblichen unterscheidet und nicht lediglich einmalig auftritt. Zudem muss dieser Bedarf unabweisbar sein. Das bedeutet: Die betroffene Person kann ihn weder vermeiden noch aus anderen Mitteln decken, ohne in existentielle Schwierigkeiten zu geraten.

Genau hier setzte das Gericht an. Der Regelsatz ist pauschaliert und soll typische Ausgaben des täglichen Lebens erfassen – darunter auch Bekleidung und Schuhe. Er ist so bemessen, dass er den durchschnittlichen Bedarf in der Bevölkerung widerspiegelt. Treten jedoch besondere Lebensumstände hinzu, die zu deutlich höheren Ausgaben führen, kann ein Mehrbedarf zugesprochen werden.

Im Fall der Hamburger Klägerin stellte das Gericht fest, dass ihr Bedarf an Straßenschuhen von den Durchschnittswerten erheblich abweicht. Ursache ist allein ihre neurologische Erkrankung. Ohne regelmäßig neue Schuhe könnte sie ihren Alltag nicht bewältigen, da stark abgenutzte Schuhe Stürze fördern und die Gehbehinderung weiter verschärfen.

Argumentation des Gerichts

Das Sozialgericht Hamburg sah den Bedarf der Klägerin als laufend, besonders und unabweisbar an. Die gesundheitlich bedingte, übermäßige Abnutzung der Schuhe führt nicht nur zufällig hin und wieder zu Mehrkosten, sondern fortlaufend.

Die Richterinnen und Richter betonten, dass dieser Mehrbedarf durch die pauschalen Regelbedarfe nicht erfasst wird. Die statistische Grundlage des Regelsatzes sieht für Schuhe nur einen deutlich geringeren Betrag vor, der bei der Klägerin nachweislich nicht ausreicht.

Ausschlaggebend war auch, dass der Mehrbedarf sorgfältig belegt war. Neben ärztlichen Attesten lag ein amtsärztliches Gutachten vor, das den auffälligen innerseitigen Verschleiß der Schuhe nach kurzer Tragezeit bestätigte. Hinzu kamen Quittungen und Nachweise über die tatsächlichen Schuhkäufe, sodass sich der monatliche Mehrbedarf von 19,46 Euro rechnerisch nachvollziehen ließ.

Damit erfüllte die Klägerin genau das, was die Rechtsprechung verlangt: Sie konnte sowohl den Grund des Mehrbedarfs als auch seine Höhe nachvollziehbar darlegen.

Keine Zuständigkeit der Krankenkasse

Ein wichtiger Punkt des Urteils betrifft die Abgrenzung zwischen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Leistungen der Grundsicherung.

Die Krankenkasse übernimmt nach den einschlägigen Vorschriften die Kosten für Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen oder eine Behandlung zu unterstützen. Orthopädische Maßschuhe, Einlagen oder Schienen fallen darunter.

Normale Straßenschuhe gehören jedoch zu den alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Sie werden grundsätzlich von allen Menschen benötigt, ob gesund oder krank. Deshalb zählen sie nicht zu den Hilfsmitteln, die die Krankenkasse finanzieren muss.

Das Gericht stellte klar: Wenn solche Gebrauchsgegenstände wegen einer Krankheit in deutlich kürzeren Abständen ersetzt werden müssen, entsteht ein besonderer Bedarf innerhalb des Systems der Grundsicherung. Die Verantwortung liegt dann beim Jobcenter und nicht bei der Krankenkasse.

Keine realistischen Einsparmöglichkeiten

Bei der Frage, ob ein Mehrbedarf anerkannt wird, spielt zudem eine Rolle, ob die Betroffenen theoretisch an anderer Stelle sparen könnten.

Das Gericht verneinte solche Möglichkeiten. Die Klägerin bezieht Bürgergeld und verfügt damit nur über sehr begrenzte finanzielle Spielräume. Schon ohne den erhöhten Schuhbedarf ist der Regelsatz kaum ausreichend, um alle laufenden Lebenshaltungskosten abzudecken.

Hinzu kommt, dass die Erkrankung der Frau weitere Ausgaben verursacht. Sie berichtete, dass sie aufgrund ihrer Gangstörung häufiger stürzt und dadurch öfter Kleidung beschädigt wird, die dann ersetzt werden muss. Außerdem entstehen zusätzliche Kosten für Arztbesuche, etwa für regelmäßige Kontrollen oder Therapien.

Unter diesen Umständen sah das Sozialgericht keine realistische Option, den besonderen Schuhbedarf durch Einsparungen an anderer Stelle zu kompensieren. Der Mehrbedarf sei daher unabweisbar – ein entscheidendes rechtliches Kriterium.

Übernahme der außergerichtlichen Kosten

Neben dem laufenden Mehrbedarf verpflichtete das Sozialgericht Hamburg das Jobcenter auch zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Dies bedeutet, dass die Frau nicht auf Anwaltskosten oder anderen im Zusammenhang mit dem Verfahren entstandenen Auslagen sitzen bleibt. Auch dieser Aspekt ist für viele Leistungsberechtigte bedeutsam: Wer einen berechtigten Anspruch vor Gericht durchsetzt, soll finanziell nicht schlechter dastehen, nur weil er sich gegen eine ablehnende Verwaltungsentscheidung gewehrt hat.

Bedeutung des Urteils für andere Betroffene

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg (Az. S 39 AS 100/21) hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung. Es zeigt, dass krankheitsbedingte Besonderheiten, die zu dauerhaft erhöhten Ausgaben führen, im Rahmen des Bürgergeldes berücksichtigt werden können – auch wenn es um Gegenstände des täglichen Lebens geht.

Wichtig ist jedoch der Hinweis: Es handelt sich um eine Entscheidung einer Sozialgerichtskammer als Eingangsinstanz. Sie ist nicht automatisch für alle Jobcenter in Deutschland verbindlich. Höchstrichterliche Rechtsprechung, etwa durch das Bundessozialgericht, entfaltet eine stärkere Bindungswirkung.

Trotzdem kann das Hamburger Urteil als Argumentationshilfe dienen. Bürgergeld-Beziehende, die aufgrund einer Krankheit dauerhaft höhere Ausgaben haben – etwa für Schuhe, Kleidung oder bestimmte Alltagsgegenstände – können sich darauf berufen, wenn sie selbst einen Mehrbedarf beantragen. Entscheidend ist stets, dass der Bedarf medizinisch begründet, laufend und nicht aus dem Regelsatz zu decken ist.

Praktische Hinweise für Leistungsbeziehende

Aus dem Verfahren lassen sich einige praktische Lehren ableiten. Wer einen krankheitsbedingten Mehrbedarf geltend machen möchte, sollte ihn gegenüber dem Jobcenter möglichst konkret schildern und belegen.

Dazu gehört, dass die Erkrankung und ihre Folgen ärztlich dokumentiert sind. Im Fall der Hamburger Klägerin waren sowohl Atteste der behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch ein amtsärztliches Gutachten ausschlaggebend. Ebenso wichtig ist eine nachvollziehbare Aufstellung der Mehrkosten, etwa durch Rechnungen und Quittungen über mehrere Monate hinweg.

Wird der Antrag abgelehnt, besteht die Möglichkeit des Widerspruchs. Bleibt auch dieser erfolglos, kann der Weg vor das Sozialgericht offenstehen. Das Urteil aus Hamburg macht deutlich, dass sich dieser Schritt lohnen kann, wenn der Mehrbedarf gut begründet und nachweisbar ist.

Der Beitrag Bürgergeld-Bezieherin erreicht Mehrbedarf für Schuhe vom Jobcenter erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

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Grad der Behinderung bei Psyche in 2026 – Tabelle

17. November 2025 - 8:15
Lesedauer 8 Minuten

Viele Betroffene geben in Suchmaschinen „grad der behinderung psyche tabelle“ ein, weil sie wissen möchten, welcher Grad der Behinderung (GdB) bei Depression, Angststörung, PTBS oder anderen psychischen Erkrankungen möglich ist – und wovon das konkret abhängt. Der Eindruck, es gebe eine einfache Liste „Diagnose = GdB X“, ist weit verbreitet. Die Realität ist deutlich komplizierter, aber es gibt klare rechtliche Leitlinien.

Dieser Beitrag erklärt, wie psychische Erkrankungen beim GdB eingeordnet werden, wie die maßgebliche „Psyche-GdB-Tabelle“ nach der Versorgungsmedizin-Verordnung aufgebaut ist und wie Betroffene diese Informationen realistisch einordnen können.

Was der Grad der Behinderung (GdB) bei psychischen Erkrankungen bedeutet
Der GdB beschreibt die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Er wird in der Regel in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 festgestellt; 100 steht für besonders schwerwiegende Einschränkungen. Psychische, körperliche, kognitive und Sinnesbeeinträchtigungen werden dabei gleichberechtigt berücksichtigt, sofern sie länger als sechs Monate bestehen oder voraussichtlich bestehen werden.

Wichtig ist: Es geht nicht nur um eine Diagnose wie „Depression“ oder „Angststörung“, sondern vor allem darum, wie stark sich die Erkrankung auf Alltag, Beruf, soziale Beziehungen und Selbstversorgung auswirkt. Eine Person mit einer „mittelschweren Depression“ auf dem Papier kann im Alltag sehr unterschiedlich beeinträchtigt sein – je nach Verlauf, Behandlung, Ressourcen und Umfeld.

Ab einem GdB von 50 spricht das Gesetz von einer Schwerbehinderung. Ab diesem Wert sind umfangreiche Nachteilsausgleiche möglich, etwa im Arbeitsrecht, im Steuerrecht oder beim Thema Mobilität.

Rechtliche Grundlage: Versorgungsmedizin-Verordnung und Versorgungsmedizinische Grundsätze

Die Beurteilung des GdB beruht in Deutschland auf der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). In ihrer Anlage sind die sogenannten Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) enthalten. Diese enthalten eine GdS- bzw. GdB-Tabelle für zahlreiche Krankheitsgruppen, darunter das Kapitel „Nervensystem und Psyche“.

Dort sind für verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen Spannbreiten angegeben, etwa „GdS 30–40“ oder „GdS 50–70“. Beim GdB wird diese Logik übernommen. Die Werte verstehen sich als Anhaltswerte, die Gutachterinnen und Gutachtern einen Rahmen geben. Jeder Fall ist trotzdem einzeln zu beurteilen; Diagnosen, Verlauf, Behandlung und konkrete Einschränkungen müssen zusammengedacht werden.

Für psychische Erkrankungen ist insbesondere Teil B, Nummer 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze maßgeblich. Dort wird beschrieben, in welchen Bereichen sich der GdB je nach Schwere der seelischen Störung bewegt.

Die „Psyche-Tabelle“: Schweregrade seelischer Störungen

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze unterscheiden bei seelischen Störungen grob vier Stufen. Entscheidend ist dabei nicht nur die Symptomschwere, sondern die Frage, wie stark Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie soziale Anpassung beeinträchtigt sind.

Zusammengefasst lässt sich die offizielle Systematik so beschreiben:
  • Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen: typischerweise GdB 0–20.
  • Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit: meist GdB 30–40.
  • Schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten: in der Regel GdB 50–70.
  • Schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten: häufig GdB 80–100.

Beispiele für Erkrankungen, die in diesem Rahmen eingeordnet werden, sind unter anderem Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, somatoforme Störungen, Persönlichkeitsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen sowie Psychosen. Entscheidend ist jedoch immer die konkrete Ausprägung im Einzelfall.

Übersicht: „Grad der Behinderung Psyche – Tabelle“ als Orientierung

Die folgende Tabelle fasst die in der Praxis wichtigen Schweregrade seelischer Störungen und die typischen GdB-Spannbreiten zusammen. Sie soll eine Orientierung bieten, ersetzt aber nicht die individuelle Begutachtung durch die zuständigen Stellen.

Schweregrad psychischer Störungen Orientierender GdB-Bereich, Beispiele und typische Merkmale Leichte psychovegetative oder psychische Störungen ohne nachhaltige Einschränkung GdB 0–10. Es bestehen psychische oder psychovegetative Auffälligkeiten, die zwar belastend erlebt werden, den Alltag aber nur gering und meist vorübergehend beeinträchtigen. Typisch sind zeitweise Schlafstörungen, innere Unruhe, leichte depressive Verstimmungen oder Anpassungsschwierigkeiten nach belastenden Lebensereignissen. Beruf und Ausbildung können im Regelfall weiter ausgeübt werden, Ausfallzeiten sind selten. Die Teilnahme am sozialen Leben ist überwiegend erhalten, Rückzugstendenzen sind meist phasenhaft und nicht dauerhaft. Hilfsangebote wie ambulante Gespräche oder kurzfristige psychotherapeutische Unterstützung werden häufig in Anspruch genommen, führen aber zu einer recht stabilen Tagesgestaltung. Leichte bis mittelgradige Störungen mit erkennbarer, aber noch begrenzter Einschränkung GdB 20. Hier liegen bereits behandlungsbedürftige Störungen vor, etwa wiederkehrende depressive Episoden leichter bis mittlerer Ausprägung, beginnende Angststörungen, somatoforme Störungen oder eine noch überschaubare Zwangssymptomatik. Die Betroffenen berichten über eine erhöhte Erschöpfbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und Motivation sowie eine spürbare Minderung der Lebensfreude. Berufliche Aufgaben können noch erledigt werden, jedoch mit deutlich höherem Kraftaufwand und gelegentlichen Ausfalltagen. Im privaten Bereich kommt es zu merklichen Einschränkungen bei Hobbys und sozialen Kontakten, diese sind jedoch nicht vollständig aufgegeben. Die Funktionsfähigkeit ist insgesamt erhalten, zeigt aber klare Brüche in Belastungsphasen. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit GdB 30–40. Die Symptomatik ist ausgeprägt und über einen längeren Zeitraum nachweisbar, etwa bei mittelgradigen depressiven Störungen mit wiederholten Episoden, deutlicher Angst- oder Panikstörung, ausgeprägten somatoformen Beschwerden oder relevanten Zwangshandlungen. Die Leistungsfähigkeit im Beruf ist deutlich reduziert, häufig kommt es zu längeren Krankschreibungen oder zu einer Reduktion des Stundenumfangs. Verantwortung und komplexe Aufgaben werden nur noch eingeschränkt übernommen. Im Alltag zeigt sich eine deutliche Einengung des Aktionsradius: soziale Kontakte werden reduziert, Aktivitäten außerhalb der Wohnung werden seltener, es besteht eine ausgeprägte Unsicherheit im Umgang mit Stress. Die Betroffenen sind vielfach auf ein stabiles therapeutisches Setting angewiesen, um den Alltag weiter führen zu können. Schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 50–70. In diesem Bereich liegen schwere seelische Störungen vor, etwa rezidivierende oder chronische schwere Depressionen, ausgeprägte Angst- und Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen oder psychotische Störungen mit anhaltender Symptomatik. Die Teilhabe am Erwerbsleben ist erheblich beeinträchtigt, häufig besteht nur noch eingeschränkte oder zeitweise Erwerbsfähigkeit, in vielen Fällen sind längere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder der Erwerbsminderung dokumentiert. Im sozialen Bereich treten deutliche Konflikte, Rückzug und Isolation auf, Beziehungen brechen ab oder können nur mit erheblichem Aufwand aufrechterhalten werden. Selbstversorgung, Haushaltsführung und Tagesstruktur gelingen oft nur mit Unterstützung oder unter Nutzung von Hilfsangeboten wie betreutem Wohnen, Tagesstätten oder intensiver ambulanter Therapie. Ein anerkannter Grad von 50 und mehr bedeutet in der Praxis häufig eine Schwerbehinderung mit entsprechender Bedeutung für Arbeitsrecht und Sozialrecht. Schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten GdB 80–100. Es handelt sich um besonders gravierende, meist langjährige Störungsbilder mit massiven Einschränkungen, etwa schwere Psychosen mit ausgeprägten Residualsymptomen, schwere Persönlichkeitsstörungen mit wiederholten Krisen und Selbstgefährdung, komplexe Traumafolgestörungen oder kombinierte seelische und kognitive Beeinträchtigungen. Die Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit ist im Regelfall stark eingeschränkt oder aufgehoben, häufig besteht eine dauerhafte Erwerbsminderungsrente. Die Alltagsbewältigung ist nur noch in einem eng begrenzten Rahmen möglich, es bestehen große Schwierigkeiten in der Organisation des Tagesablaufs, bei Behördenkontakten und im Umgang mit alltäglichen Anforderungen. Die Betroffenen sind oftmals auf langfristige Unterstützung durch Angehörige, ambulante Dienste oder stationäre bzw. teilstationäre Einrichtungen angewiesen. Soziale Kontakte sind stark reduziert, vielfach beschränken sie sich auf wenige Bezugspersonen oder professionelle Helfer. Die Hilfebedürftigkeit ist dauerhaft und prägt das gesamte Leben. Kombination psychischer Störungen mit zusätzlichen körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen Der GdB wird in diesen Fällen nicht durch einfache Addition einzelner Werte ermittelt, sondern im Rahmen einer Gesamtschau festgelegt. Liegen neben der psychischen Erkrankung weitere Einschränkungen vor, etwa chronische Schmerzsyndrome, neurologische Erkrankungen, Sinnesbeeinträchtigungen oder ausgeprägte kognitive Defizite, kann der Gesamt-GdB deutlich höher ausfallen, als es eine einzelne Diagnose vermuten lässt. Entscheidend ist, wie die Beeinträchtigungen zusammenspielen und welche Auswirkungen sich auf Erwerbsleben, Selbstversorgung und soziale Teilhabe ergeben. In der Praxis werden in solchen Konstellationen häufig GdB-Werte oberhalb von 50 festgestellt, wenn die Kombination der Störungen zu erheblichen und dauerhaften Teilhabeeinschränkungen führt. Verlauf, Stabilität und Behandlungssituation Unabhängig von der Diagnose wird bei der GdB-Bewertung stets der längerfristige Verlauf berücksichtigt. Eine psychische Störung, die seit vielen Jahren besteht, wiederholt zu stationären Aufenthalten geführt hat und trotz intensiver Behandlung nur unzureichend stabilisiert werden kann, wird anders bewertet als eine erstmals aufgetretene, gut behandelbare Episode. Auch die Frage, ob Hilfsangebote wie Psychotherapie, medikamentöse Behandlung, Soziotherapie oder betreutes Wohnen notwendig sind, fließt in die Einschätzung ein. Je stärker das Leben durch Krisen, Rückfälle, stationäre Aufenthalte und wiederkehrende Einschränkungen geprägt ist, desto höher ist üblicherweise der GdB-Bereich, in dem sich die Einstufung bewegt.

Diese Einordnung orientiert sich an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen und ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Fachliteratur. Sie ist bewusst allgemein gehalten, weil jedes Gutachten die aktuelle Situation einer Person umfassend berücksichtigen muss.

Wie Sachverständige den passenden GdB-Bereich bestimmen

In der sozialmedizinischen Begutachtung werden mehrere Ebenen betrachtet. Zunächst wird geprüft, welche psychischen Diagnosen vorliegen, wie lange sie bestehen und wie sich der Verlauf darstellt. Dann geht es darum, welche Folgen sich daraus im Alltag ergeben.

Von praktischer Bedeutung sind unter anderem folgende Fragen:
Wie regelmäßig kann jemand einer Beschäftigung nachgehen? Wie zuverlässig gelingt es, Termine einzuhalten oder den Tag zu strukturieren? Wie belastbar ist die Person in sozialen Kontakten, im Familienleben und in Konfliktsituationen? Wie stark ist die Selbstversorgung eingeschränkt, etwa bei Körperpflege, Haushaltsführung oder Umgang mit Behörden?

Gutachter orientieren sich an der Spannbreite der VMG, prüfen aber zusätzlich, ob Besonderheiten vorliegen, die eine höhere oder niedrigere Einstufung rechtfertigen. So kann etwa eine mittelgradige Depression bei sehr ungünstigem Verlauf, wiederholten Klinikaufenthalten und deutlicher sozialer Desintegration höher bewertet werden als bei stabiler Behandlung und guter Unterstützung im Umfeld.

Depression, Angststörungen, PTBS und andere Diagnosen

Die Versorgungsmedizin-Verordnung arbeitet nicht mit einer starren Liste „Diagnose = GdB-Wert“, sondern mit Funktionsbeeinträchtigungen. Trotzdem lassen sich aus Praxis und Fachinformationen grobe Bereiche ablesen.

Bei Depressionen wird der GdB in der Praxis häufig zwischen 20 und 100 festgestellt, abhängig von Schweregrad, Dauer, Rückfällen und Auswirkungen auf den Alltag. Leichtere depressive Episoden ohne große Funktionsverluste bewegen sich eher im unteren Bereich, chronische oder schwere Verläufe mit deutlichen Einschränkungen von Arbeitsfähigkeit, sozialem Leben und Selbstversorgung eher im mittleren bis oberen Bereich.

Ähnliches gilt für Angststörungen, Zwangsstörungen und somatoforme Störungen: Entscheidend ist, ob die Symptome das Leben nur gelegentlich behindern oder ob etwa Panikattacken, Zwangshandlungen oder schmerzhafte Körperbeschwerden weite Teile des Tages bestimmen, Aufenthalte außerhalb der Wohnung kaum noch möglich sind oder soziale Kontakte stark reduziert wurden.

Bei Psychosen und schweren Persönlichkeitsstörungen liegt der GdB häufig im Bereich von 50 aufwärts, wenn die Erkrankung länger andauert und erhebliche Anpassungsprobleme verursacht. Affektive Psychosen mit häufigen und langdauernden Phasen können ebenfalls hohe Werte erreichen. Auswertungen verschiedener Tabellen und Rechtskommentare zeigen, dass je stärker die soziale Anpassungsfähigkeit beeinträchtigt ist, desto höher der GdB-Bereich angesetzt wird.

Neurodivergente Verläufe wie ADHS oder Autismus-Spektrum-Störungen werden ebenfalls im Rahmen dieser Systematik eingeordnet. Auch hier reicht das Spektrum von geringen Einschränkungen bis hin zu ausgeprägten Teilhabestörungen, etwa wenn Schule oder Erwerbsleben kaum zu bewältigen sind oder der Alltag ohne Assistenz nicht mehr gelingen kann.

Wann eine Schwerbehinderung vorliegt – und welche Folgen das hat

Ab einem GdB von 50 liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor. Das ist für viele Betroffene ein wichtiger Schwellenwert, weil sich damit unter anderem ein erweiterter Kündigungsschutz, zusätzliche Urlaubstage im Arbeitsverhältnis, steuerliche Vergünstigungen und – abhängig von weiteren Merkzeichen – Erleichterungen bei der Mobilität verbinden können.

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist dieser Status nicht nur wegen der finanziellen oder arbeitsrechtlichen Wirkungen bedeutsam. Er ist häufig auch eine gesellschaftliche Anerkennung dafür, dass seelische Erkrankungen schwerwiegende, dauerhafte Beeinträchtigungen darstellen können – vergleichbar mit vielen somatischen Erkrankungen.

Zugleich ist klar: Eine Schwerbehinderung bedeutet nicht zwangsläufig, dass jemand „immer krank“ oder „nicht mehr belastbar“ ist. Viele psychisch erkrankte Menschen mit anerkanntem GdB von 50 oder mehr können mit geeigneter Behandlung, Teilzeitmodellen, betrieblichen Hilfen und sozialer Unterstützung in bestimmten Bereichen weiterhin aktiv und leistungsfähig sein.

Antrag auf Feststellung des GdB bei psychischer Erkrankung

Wer einen GdB feststellen lassen möchte, stellt einen Antrag bei der zuständigen Behörde – meist dem Versorgungsamt oder dem kommunalen Landesamt. In vielen Bundesländern sind Online-Anträge möglich. Der Antrag sollte alle relevanten Diagnosen und Beeinträchtigungen umfassen, nicht nur die psychische Erkrankung.

Gerade bei seelischen Störungen ist es sinnvoll, den Alltag möglichst konkret zu schildern: Schwierigkeiten beim Aufstehen, bei der Tagesstruktur, beim Umgang mit Stress, bei der Konzentration oder bei sozialen Kontakten helfen, die Auswirkungen nachvollziehbar zu machen.

Ärztliche Befundberichte, Psychotherapie-Berichte und Entlassungsbriefe aus Kliniken spielen eine wichtige Rolle. Die Behörde kann zusätzlich Gutachten in Auftrag geben.

Im Bescheid werden dann der GdB und eventuell Merkzeichen (etwa „G“ oder „B“) festgelegt. Wer die Einstufung für zu niedrig hält, kann Widerspruch einlegen und im nächsten Schritt Klage vor dem Sozialgericht erheben. Die Rechtsprechung beschäftigt sich intensiv damit, ob die Einstufung zu den Maßstäben der VersMedV passt – in vielen Urteilen geht es genau um die Auslegung von Teil B Nr. 3.7 bei psychischen Erkrankungen.

Was in der Praxis häufig unterschätzt wird

Psychische Erkrankungen sind im Gegensatz zu vielen körperlichen Behinderungen oft nicht „auf den ersten Blick“ sichtbar. Das führt dazu, dass Betroffene ihre Einschränkungen lange selbst eher kleinreden oder befürchten, nicht ernst genommen zu werden.

In Gutachten und Anträgen zeigt sich dann häufig ein Spannungsfeld: Die Berichte der Betroffenen schildern ein hohes Leidensniveau, während Außenstehende weiterhin Arbeitsfähigkeit oder soziale Aktivität wahrnehmen – etwa, weil Betroffene große Kraft in Fassade und Funktion investieren.

Hinzu kommt, dass psychische Erkrankungen häufig schwankend verlaufen. Es gibt gute und schlechte Phasen, Zeiten mit stationärer Behandlung und Zeiten stabiler Remission. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze verlangen deshalb eine Beurteilung über einen längeren Zeitraum und berücksichtigen, ob eine Störung voraussichtlich dauerhaft ist.

Ein weiterer Punkt ist die Kombination mehrerer Gesundheitsstörungen. Nicht selten kommen bei psychischen Erkrankungen körperliche Erkrankungen hinzu – etwa Schmerzsyndrome, Herz-Kreislauf-Probleme oder Stoffwechselerkrankungen. Der Gesamt-GdB ergibt sich dann nicht durch einfache Addition der Einzelwerte, sondern durch eine Gesamtschau, bei der geprüft wird, wie die Beeinträchtigungen zusammenwirken.

Aktuelle Entwicklungen und gesellschaftlicher Blick auf psychische Behinderung

In den vergangenen Jahren ist die Aufmerksamkeit für psychische Erkrankungen deutlich gestiegen. Sozialverbände und Fachverbände betonen immer wieder, dass Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen denselben Anspruch auf Anerkennung und Nachteilsausgleiche haben wie Menschen mit körperlichen Behinderungen. Aktuelle Informationsangebote verweisen ausdrücklich darauf, dass psychische und seelische Behinderungen in den GdB-Verfahren berücksichtigt werden und Betroffene entsprechende Anträge stellen können.

Gleichzeitig wird über Barrieren im System diskutiert: lange Bearbeitungszeiten, unklare Gutachten, unterschiedliche Bewertungspraxis zwischen Bundesländern oder sogar innerhalb einer Behörde. Die Versorgungsmedizin-Verordnung wird immer wieder evaluiert, um sie an den Stand von Medizin und Rehabilitation anzupassen. Für Betroffene bedeutet dies, dass Informationen aktuell gehalten werden sollten – insbesondere bei längeren Verfahren.

Grenzen der „GdB Psyche Tabelle“ und Bedeutung individueller Beratung

Die häufig gesuchte „grad der behinderung psyche tabelle“ vermittelt auf den ersten Blick etwas, das es in dieser Einfachheit nicht gibt: eine mechanische Zuordnung von Diagnose und Prozentzahl. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze liefern zwar klare Rahmenwerte und Kategorien, die Entscheidung über den konkreten GdB beruht aber immer auf einer individuellen Gesamtwürdigung.

Wer einen Antrag plant oder bereits im Verfahren steckt, kann von Unterstützung profitieren. Sozialverbände wie VdK oder SoVD, unabhängige Beratungsstellen, psychosoziale Dienste und auf Sozialrecht spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte helfen bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten, beim Formulieren des Antrags, beim Widerspruch und gegebenenfalls bei einer Klage.

Dieser Beitrag kann eine fachliche Orientierung bieten, ersetzt aber keine persönliche Rechtsberatung. Gerade bei komplexen psychischen Verläufen und längerer Krankengeschichte ist eine individuelle Einschätzung sinnvoll, um Chancen und Risiken eines Verfahrens realistisch zu beurteilen.

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Rente: Antrag abgelehnt wegen „fehlender Mitwirkung“ – obwohl alle Unterlagen vorlagen

16. November 2025 - 18:24
Lesedauer 4 Minuten

Viele Versicherte kennen das Szenario: Der Rentenantrag ist sorgfältig ausgefüllt, ärztliche Unterlagen, Reha-Berichte und Versicherungsverlauf sind beigefügt – und trotzdem flattert ein Bescheid ins Haus: „Der Antrag wird wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt.“

Für Betroffene fühlt sich das an wie ein Schlag ins Gesicht und oft auch wie eine gezielte Verzögerungstaktik – jedenfalls aus ihrer Sicht. Genau hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Rechtslage, denn nicht jede Berufung auf „fehlende Mitwirkung“ ist zulässig.

Was „Mitwirkung“ im Rentenverfahren tatsächlich bedeutet

Wer eine Rente beantragt, ist nach den §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dazu gehört vor allem, dass Sie die Antragsformulare vollständig und wahrheitsgemäß ausfüllen, Änderungen mitteilen und angeforderte Unterlagen fristgerecht beibringen.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) beschreibt die Mitwirkungspflicht so: Versicherte sollen insbesondere bei der Klärung ihres Versicherungsverlaufs, beim Nachweis von Beschäftigungszeiten und bei medizinischen Fragen helfen.

In der Praxis bedeutet das etwa: Sie legen Lohnunterlagen, Bescheide der Krankenkasse oder der Agentur für Arbeit vor, reichen Arzt- und Klinikberichte ein und nehmen an ärztlichen Untersuchungen teil, wenn die DRV eine Begutachtung für erforderlich hält.

Wichtig ist aber: Die Mitwirkungspflichten ergänzen den sogenannten Amtsermittlungsgrundsatz. Die Rentenversicherung muss den Sachverhalt von Amts wegen aufklären und darf sich nicht bequem zurücklehnen und alles auf die Versicherten abwälzen. Genau hier kollidiert die Praxis mancher Sachbearbeitung mit den Rechten der Betroffenen.

§ 66 SGB I: Wann eine Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung überhaupt erlaubt ist

Die rechtliche Grundlage für eine Versagung lautet § 66 SGB I. Danach darf die Behörde Leistungen ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn jemand seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.

Außerdem müssen die Leistungsvoraussetzungen gerade wegen dieser fehlenden Mitwirkung nicht nachweisbar sein.

Die Fachanleitungen der DRV betonen, dass es sich um ein formalisiertes Verfahren handelt: Es braucht eine konkrete Mitwirkungsaufforderung, eine angemessene Frist, einen klaren Hinweis auf die drohenden Rechtsfolgen sowie eine nachvollziehbare Ermessensentscheidung.

Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und die versicherte Person trotzdem nicht reagiert, darf ein Antrag wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt werden – und auch dann nur bis zur Nachholung der Mitwirkung.

Das ist die entscheidende Hürde: Liegen alle wesentlichen Unterlagen tatsächlich vor, oder könnten sie mit geringem Aufwand von Amts wegen beschafft werden, ist die Berufung auf § 66 SGB I rechtlich hoch angreifbar.

Typische Muster in der Praxis: Zeitdruck und Nachforderungen

In der Beratungspraxis zeigen sich immer wieder ähnliche Muster, wenn die Begründung „fehlende Mitwirkung“ im Raum steht – viele Betroffene empfinden diese als vorgeschoben:

Erstens verschickt die Behörde Standardbriefe, in denen pauschal „Unterlagen“ nachgefordert werden, ohne genau zu benennen, was eigentlich fehlt. Für Betroffene ist dann kaum nachvollziehbar, woran es konkret hängen soll.

Zweitens werden Unterlagen doppelt angefordert, obwohl sie schon mit dem Antrag eingereicht wurden oder aus anderen Verfahren (zum Beispiel Krankengeld oder Reha) längst in der Akte liegen. Dabei hat die DRV über ihre internen Verfahren und Kooperationen gute Möglichkeiten, Daten selbst zu beschaffen.

Drittens werden Versicherte unter Druck gesetzt, pauschale Schweigepflichtentbindungen für „alle behandelnden Ärzte“ zu unterschreiben. Dafür gibt es keine Pflicht: Die Mitwirkungspflicht verlangt nur, dass Sie erforderliche medizinische Unterlagen zugänglich machen – entweder durch gezielte Entbindungen oder indem Sie selbst entsprechende Berichte besorgen und weiterleiten.

Viertens kommt es vor, dass immer neue Mitwirkungsaufforderungen verschickt werden, während die eigentliche Entscheidung über Monate aufgeschoben wird. Dann wird „offene Mitwirkung“ faktisch als Vorwand genutzt, um keine Entscheidung treffen zu müssen.

Wo echte Mitwirkung fehlt – und warum das wichtig ist

Damit Betroffene sich wehren können, ist auch die Gegenperspektive wichtig: Es gibt Fälle, in denen echte Mitwirkungspflichtverletzungen vorliegen. Ein prominentes Beispiel ist ein Verfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg.

Dort verweigerte ein Kläger mehrfach die Teilnahme an medizinischen Begutachtungen, obwohl genau diese Gutachten für die Klärung der Erwerbsminderungsrente entscheidend waren. Das Gericht stellte klar: Wer notwendige Gutachten blockiert, kann seine Erwerbsminderung nicht beweisen und riskiert die Ablehnung der Rente.

Für Ihren Fall bedeutet das: Die Grenze verläuft dort, wo Sie zentrale Untersuchungen oder Unterlagen ohne triftigen Grund verweigern. Haben Sie dagegen alles beigebracht, was verlangt wurde, und nehmen an Untersuchungen teil, passt das Etikett „fehlende Mitwirkung“ nicht – und Sie sollten es nicht hinnehmen.

Verdacht auf vorgeschobene Mitwirkung: So prüfen Sie Ihren Bescheid

Wenn Ihr Rentenantrag mit Verweis auf „fehlende Mitwirkung“ abgelehnt wurde, sollten Sie zuerst den Bescheid genau lesen. Entscheidend sind drei Fragen:

Erstens: Wurde ausdrücklich auf § 66 SGB I Bezug genommen? Formulierungen wie „Die Rente wird wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt“ zeigen, dass es sich um eine formale Versagung und nicht um eine inhaltliche Ablehnung handelt.

Zweitens: Nennen die Schreiben der DRV konkret, welche Unterlagen oder Handlungen gefehlt haben sollen – und bis wann Sie diese nachreichen sollten? Eine pauschale Aufforderung, „alle relevanten medizinischen Unterlagen einzureichen“, reicht oft nicht aus, um eine so harte Rechtsfolge zu rechtfertigen.

Drittens: Können Sie anhand Ihrer Unterlagen nachweisen, dass Sie genau das bereits erledigt haben – etwa durch Kopien, Einlieferungsbelege, Faxprotokolle, Upload-Bestätigungen oder Schriftverkehr mit der DRV?

Wenn Sie diese Fragen zu Ihren Gunsten beantworten können, spricht viel dafür, dass die Ablehnung rechtswidrig ist oder zumindest angreifbar.

Mitwirkung nachholen – und die DRV zur Entscheidung zwingen

Selbst wenn tatsächlich eine Lücke bei der Mitwirkung bestand, ist das Verfahren damit nicht automatisch verloren. § 67 SGB I regelt ausdrücklich, dass die Leistung nachgeholt werden kann, sobald die versäumte Mitwirkung nachgeholt wird.

Die versagte Leistung darf dann nach pflichtgemäßem Ermessen auch rückwirkend gewährt werden, wenn die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen.

Praktisch bedeutet das: Reichen Sie fehlende Unterlagen so schnell wie möglich nach, verweisen Sie in einem kurzen Anschreiben konkret auf die frühere Mitwirkungsaufforderung und auf § 67 SGB I und verlangen Sie eine erneute Entscheidung über Ihren Rentenantrag. Fügen Sie direkten Nachweis hinzu, dass alle geforderten Unterlagen jetzt vorliegen.

Parallel dazu können Sie gegen die Versagung Widerspruch einlegen. Im Widerspruch begründen Sie, welche Unterlagen bereits mit dem Antrag vorlagen, was Sie inzwischen nachgereicht haben und warum die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 SGB I Ihrer Ansicht nach nicht erfüllt waren.

Hier lohnt es sich, deutlich zu machen, dass die DRV auch eigene Ermittlungsmöglichkeiten hatte und diese offenbar nicht ausgeschöpft hat.

Wenn nichts mehr passiert: Untätigkeitsklage nach § 88 SGG

Bleibt die Behörde über längere Zeit untätig – etwa, indem sie trotz vollständiger Unterlagen monatelang keinen neuen Bescheid erlässt – steht Versicherten ein scharfes Instrument zur Verfügung: die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG.

Nach dieser Vorschrift kann in der Regel geklagt werden, wenn über einen Antrag länger als sechs Monate oder über einen Widerspruch länger als drei Monate nicht entschieden wird und kein zureichender sachlicher Grund für die Verzögerung vorliegt.

Die Deutsche Rentenversicherung muss dann gegenüber dem Sozialgericht erklären, warum sie untätig geblieben ist; pauschale Hinweise auf Arbeitsüberlastung reichen dafür regelmäßig nicht aus.

Die Untätigkeitsklage zwingt die Behörde zwar nicht automatisch zu einem positiven Rentenbescheid, aber zumindest zu einer Entscheidung. Gerade wenn immer wieder neue Mitwirkungsaufforderungen ohne echten Mehrwert versendet werden, kann das den Druck erheblich erhöhen.

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Bürgergeld: Erstausstattung abgelehnt – In diesen Fällen muss das Jobcenter trotzdem zahlen

16. November 2025 - 17:47
Lesedauer 4 Minuten

Die Wohnung ist leer, der Kühlschrank fehlt, die Kinder schlafen auf Matratzen: Genau für solche Situationen gibt es den Anspruch auf Erstausstattung. Trotzdem erleben viele Bürgergeld- und Sozialhilfe-Beziehende, dass ihre Anträge auf Möbel, Haushaltsgeräte oder Kleidung abgelehnt werden.

Meist mit ein paar Standardfloskeln – oft rechtswidrig. Wer die wichtigsten Regeln kennt, kann sich deutlich besser wehren.

Gesetzlicher Anspruch in Kurzform

Beim Bürgergeld regelt § 24 Abs. 3 SGB II, bei Sozialhilfe und Grundsicherung § 31 SGB XII:

  • Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten
  • Erstausstattung für Bekleidung
  • Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt

Diese Leistungen sind Zuschüsse, keine freiwilligen Extras und kein Darlehen. Sie kommen zusätzlich zum Regelbedarf. Gemeint ist eine einfache Grundausstattung: Bett, Tisch, Stühle, Schrank, Herd, Kühlschrank, grundlegende Küchen- und Haushaltsgegenstände sowie notwendige Kleidung.

Wichtig: Erstausstattung ist bedarfsbezogen. Entscheidend ist, ob aktuell eine angemessene Ausstattung fehlt – nicht, ob irgendwann früher schon einmal ein Haushalt vorhanden war.

Wann Sie typischerweise Anspruch haben

Ein Erstausstattungsanspruch entsteht vor allem bei einem neuen oder wieder aufgebauten Haushalt, zum Beispiel wenn:

Ein Anspruch auf Erstausstattung besteht zum Beispiel, wenn Sie nach einer Trennung oder Scheidung eine eigene Wohnung beziehen und die Möbel beim Ex-Partner bleiben oder wenn Sie nach Haft, einer stationären Therapie oder Wohnungslosigkeit erstmals wieder eine eigene Wohnung bekommen.

Er kann auch vorliegen, wenn Ihre Möbel durch Brand, Wasserschaden oder eine Räumung verloren gegangen sind oder wenn Sie aus dem Elternhaus oder einer Jugendhilfe-Einrichtung in die erste eigene Wohnung ziehen.

Bei Bekleidung besteht ein Anspruch insbesondere, wenn nach Brand, Flucht, Wohnungslosigkeit oder starken krankheitsbedingten Gewichtsveränderungen kaum tragbare Kleidung vorhanden ist.

Bei Schwangerschaft und Geburt gehören dazu die Erstlingsausstattung (z. B. Kinderbett, Kinderwagen, Babykleidung) und Schwangerschaftsbekleidung. Viele Kommunen zahlen Pauschalen – diese dürfen aber den tatsächlichen Mindestbedarf nicht unterschreiten.

Warum Jobcenter und Sozialämter Anträge häufig ablehnen

In der Praxis tauchen immer wieder die gleichen Ablehnungsgründe auf – oft zu Unrecht:

1. „Ersatzbeschaffung – bitte aus dem Regelsatz zahlen“
Fehlt eine Waschmaschine, ein Bett oder ein Kühlschrank, wird behauptet, das sei normale Ersatzbeschaffung. Tatsächlich handelt es sich nach einer Trennung, einem Umzug in die erste eigene Wohnung oder einem Totalverlust häufig gerade nicht um Ersatz, sondern um eine erstmalige Ausstattung des neuen Haushalts.

2. „Sie hatten doch früher Möbel“
Beliebt ist der Hinweis auf den früheren gemeinsamen Haushalt oder die alte Wohnung. Häufig wird unterstellt, dass diese Möbel noch zur Verfügung stehen. Entscheidend ist aber, was jetzt in Ihrer Wohnung steht. Wenn Sie keinen Zugriff mehr auf frühere Möbel haben (z. B. bei Ex-Partner, Eltern, Vermieter), liegt ein neuer Bedarf vor.

3. „Zu spät beantragt“
Manche Jobcenter lehnen ab, weil der Antrag nicht direkt zum Einzug gestellt wurde. Dabei ist es gerade bei knappen Mitteln normal, erst einmal provisorisch zu leben und später Erstausstattung zu beantragen. Solange Sie noch auf Matratzen schlafen oder keinen Herd haben, besteht der Bedarf weiter – auch Monate nach dem Einzug.

4. Dumpfe Pauschalen und Verweis aufs Sozialkaufhaus
Oft werden sehr niedrige Pauschalen gewährt, die eine echte Grundausstattung kaum abdecken. Zusätzlich kommt der pauschale Verweis auf Sozialkaufhäuser oder Spendenmöbel. Das ersetzt aber keinen gesetzlichen Anspruch auf eine funktionierende, einfache Standardausstattung, die zeitnah verfügbar ist.

5. Erstausstattung als Darlehen statt Zuschuss
Ein weiterer Trick: Aus dem Zuschuss wird per Bescheid ein Darlehen. Damit würde die Wohnungsausstattung über Jahre den Regelsatz belasten. Für Erstausstattung ist das Gesetz aber eindeutig auf Zuschuss ausgelegt. Ein Darlehen ist nur für andere, nicht von der Erstausstattung umfasste Bedarfe gedacht.

So wehren Sie sich konkret gegen eine Ablehnung

Schritt 1: Frist wahren – Widerspruch einlegen

Ab Zugang des Bescheids haben Sie in der Regel einen Monat Zeit. Reicht die Zeit nicht für eine ausführliche Begründung, genügt zunächst ein kurzer Satz:

„Hiermit lege ich gegen den Bescheid vom … Widerspruch ein.“

Die Begründung können Sie nachreichen.

Schritt 2: Bedarf sichtbar machen

Je konkreter Sie Ihre Lage darstellen, desto besser:

Beschreiben Sie jeden Raum kurz: Was steht tatsächlich darin?
Beschreiben Sie, worauf Sie schlafen, wie Sie kochen, wo Sie Kleidung lagern.
Fügen Sie Fotos der leeren oder provisorisch eingerichteten Wohnung bei.

Formulieren Sie klar, welche Möbel und Geräte fehlen und dass es sich um eine erste Ausstattung dieser Wohnung handelt – nicht um das Austauschen von gebrauchten gegen „schönere“ Möbel.

Schritt 3: Lebenssituation schildern

Erläutern Sie knapp, warum der frühere Haushalt nicht mehr zur Verfügung steht:

Trennung/Scheidung: Möbel verblieben beim Ex-Partner, keine Herausgabe möglich.
Brand/Schaden: Möbel zerstört, Versicherung zahlt nicht oder nicht rechtzeitig.
Rückkehr aus Haft/Einrichtung/Wohnungslosigkeit: Es gab keinen eigenen Haushalt.

Wichtig ist, deutlich zu machen, dass der Hinweis „Sie hatten doch früher Möbel“ an der Realität vorbeigeht.

Schritt 4: Erstausstattung als Zuschuss einfordern

Wenn Ihnen statt eines Zuschusses ein Darlehen angeboten wurde, können Sie klarstellen:

Es wurde ausdrücklich Erstausstattung nach SGB II bzw. SGB XII beantragt.
Erstausstattung ist gesetzlich als Zuschuss vorgesehen.
Ein Darlehen würde den Regelsatz dauerhaft mindern und verfehlt den Zweck der Vorschrift.

Formulieren Sie etwa:

„Ich beantrage die Bewilligung der Erstausstattung als nicht rückzahlbaren Zuschuss. Die Bewilligung als Darlehen entspricht nicht der gesetzlichen Regelung zur Erstausstattung.“

Wenn nichts passiert: Sozialgericht und Eilverfahren

Reagiert das Jobcenter nicht oder lehnt es den Widerspruch ab, können Sie Klage beim Sozialgericht erheben. Das ist für Leistungsbeziehende gerichtskostenfrei.

Ist die Lage besonders dringlich – etwa wenn Sie oder Ihre Kinder auf dem Boden schlafen oder kein Herd vorhanden ist –, kommt zusätzlich ein Eilantrag in Betracht. Dann entscheidet das Gericht vorläufig, ob das Amt Möbel oder Geräte zunächst bezahlen muss, damit die Situation erträglich wird.

Bei älteren, fehlerhaften Entscheidungen hilft der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Damit können rechtswidrige Bescheide bis zu vier Jahre rückwirkend korrigiert werden. Das kann interessant sein, wenn Sie wegen abgelehnter Erstausstattung Schulden gemacht oder auf Möbel verzichtet haben.

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Bürgergeld: Jobcenter dürfen Guthaben nicht anrechnen – SG-Urteil

16. November 2025 - 17:44
Lesedauer 2 Minuten

Jobcenter dürfen bei sogenannten Aufstockern ein Betriebskostenguthaben nicht auf das Bürgergeld anrechnen, wenn dieses Guthaben vollständig aus Eigenmitteln entstanden ist (§ 22 Abs. 3 SGB II).

Wegweisendes Urteil des SG Nürnberg (29.01.2021 – S 22 AS 1385/19)

Das Sozialgericht Nürnberg hat entschieden, dass die Regelung zur Nichtanrechnung von Guthaben für zuvor nicht anerkannte Kosten der Unterkunft und Heizung auch dann gilt, wenn ein Betriebskostenguthaben bei Aufstockern vollständig aus eigenen Mitteln aufgebaut wurde.

Das weicht von der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R) ab.

Mitteilungspflicht: Kontoauszüge allein genügen nicht

Zwar verletzten die Klägerinnen ihre Mitteilungspflicht, weil sie die Auszahlung des Betriebskostenguthabens nicht unverzüglich meldeten und die Abrechnung erst sieben Monate später vorlegten. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I müssen Leistungsbeziehende erhebliche Änderungen unverzüglich aktiv mitteilen.

Ein bloßer Verweis auf Kontoauszüge reicht nicht; erforderlich ist eine klare, aktive Information an das Jobcenter. Die Pflicht zur Mitteilung besteht unabhängig davon, ob sich das Guthaben tatsächlich auf die Leistungs­höhe auswirkt – die Prüfung liegt beim Jobcenter.

Trotzdem keine Aufhebung nach § 48 SGB X

Trotz der Verletzung der Mitteilungspflicht war das Jobcenter nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt, die Leistungen teilweise aufzuheben (§ 48 SGB X).

Der Zufluss der Betriebskosten­erstattung mindert hier nicht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, weil die Klägerinnen als Aufstockerinnen das Guthaben vollständig aus eigenen Mitteln – und nicht aus Sozialleistungen – angespart hatten.

Rechtsgrundlage: § 22 Abs. 3 SGB II und frühere BSG-Sicht

Grundsätzlich mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, ab dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift die Aufwendungen (§ 22 Abs. 3 SGB II).

Nach früherer BSG-Rechtsprechung (22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R) war die Norm nicht auf Rückzahlungen beschränkt, die ausschließlich aus Zahlungen der Leistungsberechtigten resultierten.

Neuregelung seit 01.08.2016: Halbsatz 2 schützt Eigenmittel

Mit dem Neunten Gesetz zur Änderung des SGB II (Rechtsvereinfachungsgesetz vom 26.07.2016; Inkrafttreten 01.08.2016) wurde § 22 Abs. 3 SGB II um einen zweiten Halbsatz ergänzt. Danach wirken sich auch Rückzahlungen, die auf nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entfallen, im aktuellen Monat nicht mindernd aus.

Der Gesetzgeber hält es für unbillig, wenn zuvor aus Eigenmitteln finanzierte Anteile später die Leistungen mindern (BT-Drs. 18/8041, S. 38).

Anwendung auf Aufstocker: gleichgelagerte Interessenlage

Nach Auffassung der Kammer ist § 22 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB II auch auf Aufstocker anzuwenden, die ihr Betriebskostenguthaben vollständig aus Eigenmitteln aufgebaut haben. Die Interessenlage entspricht derjenigen, in der Leistungsbeziehende den unangemessenen Teil der Unterkunftskosten aus dem Regelbedarf bestreiten.

Anmerkung von Bürgergeld-Experte Detlef Brock
  1. Der Rechtsauffassung des SG Nürnberg ist grundsätzlich zu folgen. Auch beim Bürgergeld ist die Grundkonstellation klar: § 22 Abs. 3 SGB II. Rückzahlungen, die sich auf Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
  2. Für Bürgergeld-Beziehende, einschließlich Aufstocker, gilt: Werden Mietkosten nicht vollständig von der Behörde übernommen und wurde sparsam gewirtschaftet, stehen Betriebskostenguthaben nach dem SGB II regelmäßig den Leistungsbeziehenden zu.

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