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Aktualisiert: vor 1 Stunde 9 Minuten

Die Notwendigkeit, den Sozialismus neu zu denken

12. Dezember 2025 - 19:00

Die auf der Internationalen Konferenz für Frieden und Demokratische Gesellschaft, die am 6. und 7. Dezember in Istanbul stattfand, verlesene Botschaft von Abdullah Öcalan bot einen bedeutenden Impuls für Reflexion und Diskussion. Das große Interesse an dieser Botschaft war dabei keineswegs zufällig. Denn sie ging weit über eine bloße Grußbotschaft hinaus: Öcalan entwirft darin einen umfassenden theoretischen Rahmen zur Krise des Sozialismus, zur historischen Sackgasse des Nationalstaats, zu den tiefen Verwerfungen der Zivilisation, zur konstitutiven Rolle der Frauenbefreiung sowie zu den Möglichkeiten des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft.

Bereits der Titel der Botschaft – „Den Sozialismus durch den Aufbau von Frieden und demokratischer Gesellschaft neu gewinnen“ – verweist auf einen Anspruch, der über die seit Jahren in sich kreisenden und sich von der Gesellschaft zunehmend entfremdenden Debatten der türkischen Linken hinausgeht. Es überrascht daher kaum, dass nahezu jeder Beitrag auf der Konferenz in Beziehung zu Öcalans Botschaft trat. Wirklich bemerkenswert ist vielmehr, dass bestimmte linke und sozialistische Kreise in der Türkei nicht den inhaltlichen Diskurs suchen, sondern den Text reflexhaft abwerten. Hinter diesen Reaktionen verbirgt sich weniger ein theoretischer Widerspruch als ein tief verwurzelter, historisch gewachsener und psychopolitischer Reflex: die Reproduktion einer kolonialen Arroganz, die – nun im Gewand linker Rhetorik – den Kurd:innen das Recht abspricht, sozialistische Subjekte zu sein.

Indem Öcalan den Sozialismus als ein Projekt des gesellschaftlichen Wiederaufbaus definiert, führt er seinen einst geprägten Satz „Auf dem Sozialismus zu beharren, heißt auf dem Menschsein zu beharren“ in einen weiterentwickelten Zusammenhang: Mensch zu bleiben ist heute selbst ein Akt sozialistischen Beharrens. In einer Zeit, in der die kapitalistische Moderne Natur, Gesellschaft und menschliche Beziehungen gleichermaßen zersetzt, ist Sozialismus nicht länger eine abstrakte ideologische Identität, sondern der ethisch-politische und kollektive Weg, das Leben neu zu gestalten. Eine Perspektive, die Frauenbefreiung ins Zentrum rückt, ökologische Sensibilität zur Grundlage macht, demokratische Organisierung priorisiert und kollektive Selbstverteidigung als konstitutives Element versteht, stößt vor allem dort auf Widerstand, wo sich Theorie von der Gesellschaft abgekoppelt hat und nur noch im eigenen Zirkel zirkuliert. Denn wenn Sozialismus sich erneut mit der Gesellschaft verbindet, wird eine Verschiebung theoretischer Deutungshoheit unausweichlich. Und genau deshalb befassen sich manche weniger mit dem Gehalt des Gesagten, sondern in erster Linie mit der Herkunft dessen, der es sagt: ein Kurde.

Auch Öcalans Verhältnis zum Marxismus markiert für ebendiese Kreise eine weitere Schwelle der Irritation. Zwar erkennt er an, dass Marx den Horizont der Menschheit entscheidend erweitert hat, doch verschweigt er nicht die historischen Begrenzungen seines Denkens: Es sei eine Epoche gewesen, in der die ökologische Krise noch unbekannt war, in der die Frauenfrage nur oberflächlich behandelt wurde und in der die Ursprünge von Staat und Nationalstaat nicht in der heute möglichen Tiefe analysiert werden konnten. Dies bedeutet keineswegs eine Absage an Marx, sondern vielmehr die Notwendigkeit, den Sozialismus grundlegend zu erneuern. Für jene Strömungen jedoch, die den Marxismus nicht als Methode, sondern als identitätsstiftendes Dogma begreifen, stellt eine solche Haltung keine theoretische Auseinandersetzung dar, sondern eine positionsbedrohende Infragestellung. Denn Öcalans Versuch, den Marxismus weiterzudenken und zu aktualisieren, rührt an ein Feld intellektueller Privilegien, das innerhalb der türkischen Linken lange Zeit unangetastet geblieben ist.

Gerade deshalb trifft die Einschätzung des vor einiger Zeit aus der Haft auf Imrali entlassenen Veysi Aktaş, der auf Bianet von „Bigotterie“ spricht, einen zentralen Punkt. Jene Kreise, die sich hinter ihren Dogmen verschanzen, ziehen es vor, an ihren überkommenen Glaubenssätzen festzuhalten, anstatt sich mit neuen Begriffen und Perspektiven auseinanderzusetzen. Sie wiederholen dialektischen Materialismus wie eine liturgische Formel, weigern sich aber, den Begriff der Dialektik neu zu verknüpfen – mit Geschichte, Gesellschaft, Frauenbefreiung oder ökologischen Fragen. Ihre Loyalität gilt daher nicht der sozialistischen Theorie selbst, sondern der Deutungshoheit über diese Theorie. Dass Öcalans Botschaft diese Deutungshoheit in Frage stellt und sie aus der Enge ideologischer Kontrolle in die Breite gesellschaftlicher Diskussion überführt, ist der eigentliche Grund für das Unbehagen.

Besonders deutlich tritt das Unbehagen in der Auseinandersetzung um den Nationalstaat zutage. Öcalan beschreibt den Nationalstaat als Gewaltmonopol der kapitalistischen Moderne und konstatiert offen, dass der Realsozialismus letztlich an der Übernahme eben dieser Staatsform gescheitert sei. Der Satz „Der staatsfixierte Sozialismus wurde vom Staat besiegt“ löst insbesondere bei jenen Kreisen, die Reste des türkischen Staatsdenkens in sich tragen, regelrechte Panik aus. Denn in ihren Vorstellungen ist der Sozialismus nach wie vor ein Projekt, das durch die Eroberung des Staates verwirklicht werden soll. Öcalan hingegen vertritt die Auffassung, dass Sozialismus nicht durch den Staat, sondern durch die demokratische Gesellschaft verwirklicht wird. Begriffe wie demokratische Republik, demokratische Nation, die Demokratisierung des Rechts oder der Vorrang von Dialog und Verhandlung gegenüber Gewalt verweisen auf ein politisches Denken, das weit über die traditionelle „Revolution trotz Staat“-Fantasie der türkischen Linken hinausgeht. Öcalans Ansatz legt dadurch die ungelöste Schieflage im Verhältnis der Linken zum Staat offen.

Auch seine historische Perspektive vertieft diese Auseinandersetzung. Anstatt den Kapitalismus auf ein Produkt des 16. Jahrhunderts zu reduzieren, stellt Öcalan einen Bezug zum zehntausendjährigen kommunalen Gedächtnis Mesopotamiens her. Prozesse wie die Unterdrückung kommunalen Lebens, die patriarchale Kastenbildung, die Entstehung des Staates und die Unterwerfung der Natur begreift er als historische Wurzeln der kapitalistischen Moderne. Damit ruft er nicht nur zur Wiederbelebung des Sozialismus auf der Ebene des Klassenkampfs auf, sondern stellt diesen in den größeren Zusammenhang einer zivilisatorischen Gesamtkritik. Und genau an diesem Punkt tritt die eigentliche Irritation dogmatischer Kreise deutlich zutage: Diese Herangehensweise sprengt die vertrauten theoretischen Grenzen, an denen sich diese Milieus seit Jahrzehnten orientieren.

Doch jenseits aller theoretischen Auseinandersetzungen stellt sich eine noch grundlegendere, noch schmerzhaftere Frage: Teile der türkischen Linken tun sich bis heute schwer mit der Vorstellung, dass Kurd:innen eine eigenständige sozialistische Subjektposition einnehmen könnten. Diese Kreise, die seit Jahrzehnten im Namen des Sozialismus sprechen, ohne gesellschaftlich wirkmächtig zu sein, haben offenbar kein Problem damit, dass Kurd:innen kämpfen, sterben, Opfer bringen – wohl aber damit, dass sie beginnen, den Sozialismus neu zu denken, in den Marxismus einzugreifen und den theoretischen Rahmen zu erweitern. Trennlinien wie „Sozialist:innen und Kurd:innen“, die herablassende Reaktion auf Öcalans Botschaft – all das offenbart einen tief verwurzelten Hochmut. Ein Denken, das Kurd:innen als Bündnispartner duldet, sie aber nicht als gleichwertige theoretische Akteur:innen anerkennt, legt die hierarchischen Strukturen innerhalb der Linken selbst offen.

Das Unbehagen richtet sich daher heute nicht allein gegen das, was Öcalan sagt – es entzündet sich vielmehr an der Tatsache, dass Kurd:innen überhaupt sprechen. Denn wenn Kurd:innen über Sozialismus sprechen, dann gerät das jahrzehntelang gepflegte Monopol auf seine Auslegung ins Wanken.

Dabei ist die Realität denkbar einfach: Die Bewegung, die in der Türkei am konsequentesten sozialistische Inhalte gesellschaftlich verankert, Frauenbefreiung, Ökologie und demokratische Gesellschaftspraktiken miteinander verbindet, ist die kurdische Freiheitsbewegung. Das ist keine Lobrede, sondern eine historische Feststellung. Wer heute den Sozialismus neu denken will, kommt nicht umhin, sich dieser Realität zuzuwenden, denn dort nimmt sie konkrete Form an. In diesem Sinne fungieren Öcalans Worte wie ein Lackmustest: Sie durchbrechen die Kette theoretischer Privilegien innerhalb der Linken.

Die Fragen liegen offen zutage: Wer stellt sich der Diskussion, und wer weicht ihr aus? Wer verteidigt die Demokratisierung von unten, und wer verklärt den Staat? Wer ist bereit zur Erneuerung, und wer flüchtet sich hinter Dogmen?

Die Antworten auf diese Fragen machen die tatsächlichen Grenzen der türkischen Linken sichtbar.

Und doch bleibt das Fazit dasselbe: Im Kern geht es nicht um das, was Öcalan sagt, sondern um das Erschrecken vor der Möglichkeit, dass Kurd:innen dem Sozialismus eine eigene Richtung geben könnten. Dieses Erschrecken, das manche als Bedrohung empfinden, entlarvt, wie weit man sich von der Idee entfernt hat, dass Sozialismus ein Projekt der Befreiung aller Völker ist.

Doch die Kraft, die den Sozialismus heute neu begründen kann, geht nicht von lebensfernen Dogmen aus, sondern von jener Linie der Befreiung, in der sich die Kämpfe der kurdischen Bevölkerung, der Frauen, der Arbeiter:innen, der Jugend und der Ökologiebewegungen kreuzen.

Und die Person, die diese Linie theoretisch am klarsten formuliert hat, befindet sich noch immer auf der Gefängnisinsel Imrali: Abdullah Öcalan.

Es wird jene geben, die sich verunsichert fühlen. Es wird jene geben, die das Gesagte herabwürdigen. Und es wird auch jene geben, die – gleichgültig, was sie hören – weiterhin wegsehen werden.

Doch alle, die nicht in Verleugnung verharren, wissen es längst: Die Zukunft des Sozialismus auf diesem Boden wird nicht gegen die Kurd:innen geschrieben, sondern mit ihnen.

Der Kommentar von Amed Dîcle erschien zuerst bei Nûmedya24

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-zeit-fur-demokratischen-sozialismus-49136 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/holloway-Ocalans-theorie-gibt-der-revolution-neue-relevanz-49193 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/veysi-aktas-wirft-turkischer-linken-ideologische-starre-vor-49166 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/lemkow-zetterling-freilassung-Ocalans-ware-erster-glaubwurdiger-schritt-zum-frieden-49168

 

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Massentötung von Wildziegen in Şirnex

12. Dezember 2025 - 19:00

In der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) sind Dutzende Wildziegen von bewaffneten Dorfschützern getötet worden. Nach Angaben des Ökologievereins Şirnex ereignete sich die Massentötung der Tiere in einem ländlichen Gebiet zwischen den Dörfern Cilbiya und Biliga im Landkreis Silopiya (Silopi) sowie nahe der Gemeinde Sêgirkê (Şenoba) im Landkreis Qilaban (Uludere).

Demnach seien insgesamt 36 Wildziegen (kurdisch: Pezkovî) im Cûdî-Gebirge während der Fortpflanzungszeit mit Langwaffen erschossen worden. An der Tat sollen zahlreiche bewaffnete Dorfschützer beteiligt gewesen sein – Paramilitärs im Dienst des türkischen Staates, die sich inzwischen „Sicherheitswachen“ nennen.

Die Umweltorganisation spricht von einem „gezielten Massaker“ und wirft den Behörden vor, durch „ökologische Zerstörungspolitik“ systematisch zur Ausrottung von Wildtieren beizutragen. „Die Natur und das ökologische Gleichgewicht werden durch bewaffnete Kräfte zerstört, die mit staatlicher Rückendeckung handeln“, heißt es in einer Stellungnahme.

In Şirnex getötete Pezkovî © Ajansa Welat

Der Abschuss der Ziegen reiht sich in eine Serie von Eingriffen in das empfindliche Ökosystem der Region ein. Die Tötung habe sich ausgerechnet während der Paarungszeit der Tiere ereignet, was die Auswirkungen auf die Wildtierpopulation zusätzlich verschärfe. „In der Region ist seit Jahrzehnten ein Krieg gegen die Natur im Gange“, so der Verein.

Die Organisation fordert die türkische Provinzverwaltung, das Kultur- und Tourismusministerium sowie das Ministerium für Landwirtschaft und Forstwirtschaft auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Maßnahmen zum Schutz der Wildtiere zu ergreifen. Zudem appelliert der Verein an Umweltbewegungen und Aktivist:innen im ganzen Land, die Tat nicht unbeachtet zu lassen.

https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/lebensraume-von-wildziegen-und-gazellen-in-gabar-gebirge-bedroht-46495 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/gOC-der-ruckkehr-in-dorfer-scheitert-am-dorfschutzersystem-48127 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/illegale-jagd-bergziegen-im-visier-von-wilderern-16306 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/ehepaar-versorgt-angeschossene-bergziege-8625 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/das-sozialismusverstandnis-der-neuen-epoche-und-der-kampf-um-tierbefreiung-49176

 

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DEM-Partei veröffentlicht „Lösungsbericht“ an Parlamentskommission

12. Dezember 2025 - 19:00

In ihrem 99-seitigen Bericht an die im türkischen Parlament eingerichtete „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ fordert die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) einen umfassenden politischen Neustart zur Lösung der kurdischen Frage. Der am Freitag veröffentlichte Bericht plädiert für einen demokratischen Paradigmenwechsel, gesetzliche Reformen, gesellschaftliche Integration und eine Abkehr von sicherheitszentrierten Konfliktstrategien. Im Zentrum steht die Vision einer „Demokratischen Republik“, die auf Gleichheit, kultureller Vielfalt und kollektiver Teilhabe basiert.

Das erste Kapitel trägt den Titel: „Ein prägnanter Blick auf die kurdische Frage aus dem Jahr 2025: Was sie ist – und was sie nicht ist“. Das zweite Kapitel behandelt „Die Perspektive einer demokratischen Lösung und die Rolle Abdullah Öcalans in der Friedensstrategie“. Kapitel drei steht unter der Überschrift „Rechtliche Grundlagen einer Lösung: Friedensgesetz und demokratische Integration“, gefolgt vom vierten Kapitel: „Der rechtliche Aufbau des Friedens: Gesetzesreformen, Demokratie und die Gewährleistung von Freiheitsräumen“. Das fünfte Kapitel widmet sich den „Erkenntnissen aus den Anhörungen der Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“, während das sechste Kapitel unter dem Titel „Begegnungen der DEM-Partei zu Frieden und demokratischer Gesellschaft: Befunde, Bedürfnisse und politische Empfehlungen“ abschließt. Der Bericht schließt mit einer Analyse, die aufschlussreiche Feststellungen zur politischen und administrativen Struktur der modernen Türkei enthält:

Was ist die kurdische Frage – und was ist sie nicht?

Die moderne Türkei wurde auf der Grundlage eines autoritären und strikt zentralisierten politischen und administrativen Systems errichtet, das im Laufe der Geschichte durch die Institutionalisierung von Putschmechanismen, das Zusammenspiel von militärischer und ziviler Bürokratie, antidemokratische Gesetzgebungen und deren ausführende Organe sowie durch die Bevormundung und Schwächung lokaler Verwaltungen geprägt war. In den 102 Jahren seit Gründung der Republik wurde ein staatliches System etabliert, das auf der Verleugnung der Existenz unterschiedlicher Identitäten, Kulturen, Muttersprachen und Glaubensrichtungen basierte – ein System, das auf Ausgrenzung, Assimilation, Monismus und autoritärer Zentralisierung gründete und zur dominanten politischen Praxis wurde.

Ein Konflikt, der über die Landesgrenzen hinausgewachsen ist

Die daraus resultierende kurdische Frage hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts als tiefgreifendes historisches, soziologisches, ökonomisches, politisches und ideologisches Thema in sämtliche Lebensbereiche eingeschrieben – und wirkt bis heute fort. In der Gegenwart ist sie zu einer Schlüsselfrage geworden, die sich im Zentrum der inneren wie äußeren Krisendynamiken der Türkei befindet und längst die nationalen Grenzen hin zu einer regionalen Herausforderung mit geopolitischer Dimension im Nahen Osten überschritten hat.

Ein nicht mehr tragfähiger Zustand

Die seit dem 5. August 2025 unter dem Dach der Großen Nationalversammlung der Türkei (TBMM) durchgeführten Arbeiten der ‚Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie‘ haben erneut verdeutlicht, dass die kurdische Frage als eine der brennendsten und komplexesten Problemlagen des Landes sowie die durch sie verursachten Konfliktdynamiken einen Punkt erreicht haben, an dem ein Weitermachen im bisherigen Rahmen nicht mehr möglich ist.

Die Aussagen Zeug:innen, Einschätzungen von Fachleuten, Berichte zivilgesellschaftlicher Organisationen und Analysen demokratischer Institutionen zeigen unmissverständlich: Es handelt sich nicht bloß um ein Sicherheitsproblem, sondern um eine vielschichtige Demokratisierungsfrage mit politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Dimensionen. Die zentrale Aufgabe, vor der die Türkei heute steht, besteht darin, einen politischen Lösungsweg zu eröffnen, der dauerhaften gesellschaftlichen Frieden schafft, demokratische Rechte und Freiheiten garantiert und das Vertrauen der Bevölkerung in eine würdevolle Zukunft wiederherstellt.

Dauerhafter Frieden ist nur durch gesellschaftliche Integration möglich

Ein nachhaltiger Frieden bedeutet nicht lediglich das Ende bewaffneter Auseinandersetzungen. Er erfordert ebenso die Herstellung gesellschaftlicher Kohäsion, wirtschaftlichen Wohlstands, die Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit, demokratischen Pluralismus sowie menschliche Sicherheit. In diesem Sinne geht der Begriff Frieden weit über ein militärisches Waffenstillstandsabkommen hinaus. §r steht für einen umfassenden politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess.

Internationale Erfahrungen – etwa in Südafrika, Kolumbien, Irland, den Philippinen und anderen Kontexten – zeigen, dass ein dauerhafter Frieden nicht erreichbar ist, wenn er nicht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe gründet. Die Türkei steht nun an der Schwelle, aus diesen globalen Erfahrungen zu lernen und ein eigenes, auf ihre spezifischen Bedingungen zugeschnittenes Friedensmodell zu entwickeln.

Was bedeutet ein neues Paradigma?

Die zentrale Herausforderung des aktuellen Friedensprozesses besteht darin, sich von sicherheitszentrierten Denkmustern zu verabschieden und einen Paradigmenwechsel hin zu einer demokratisch verankerten Gesellschaft vorzunehmen. Dieses neue Paradigma steht für Verständigung statt Konfrontation, für Pluralität statt Feindbildproduktion, für Anerkennung statt Verleugnung.

Die Arbeit der in diesem historischen Prozess eingesetzten Parlamentskommission hat das große Potenzial eines nachhaltigen Friedens für die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklung der Türkei deutlich gemacht. Das Land verfügt über die Fähigkeit, seine strukturellen Altlasten zu überwinden, alle Teile der Gesellschaft auf der Grundlage gleichberechtigter Staatsbürgerschaft zusammenzuführen und eine gemeinsame demokratische Zukunft zu gestalten.

Positive Friedenskonzepte müssen im Zentrum stehen

Der Besuch von Mitgliedern der Parlamentskommission bei Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali am 24. November 2025 hat das Signal einer verstärkten politischen Lösungsbereitschaft in der kurdischen Frage ausgesendet, die rechtliche und legitime Grundlage der Kommission gestärkt und zugleich die Zuständigkeit der zentralen Akteurschaft erneut verdeutlicht. Im Rahmen des Prozesses für Frieden und eine demokratische Gesellschaft markiert dieser Besuch eine historische Etappe, die zur Öffnung eines demokratischen Horizonts beigetragen hat.

Der in diesem historischen Zeitfenster vorgelegte Bericht bietet – gestützt auf die bisherigen Arbeiten der Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie – eine umfassende Analyse der gegenwärtigen Herausforderungen sowie der politischen Möglichkeiten, vor denen das Land steht. Der Bericht beleuchtet sowohl die historische Dimension als auch die aktuelle realpolitische Lage der kurdischen Frage und entwickelt konkrete Lösungsvorschläge. Dabei wird die Problematik auf eine rechtliche und politische Grundlage gestellt, die auf die tatsächlichen Erfordernisse des Prozesses abgestimmt ist. Jeder Schritt im Friedensprozess sollte nicht nur auf die Aufrechterhaltung eines gewaltfreien Umfelds zielen, sondern zugleich die Demokratisierung vertiefen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Anstelle eines „negativen Friedens“, der lediglich auf das Schweigen der Waffen setzt, wird ein „positiver Frieden“ als Leitbild vorgeschlagen – ein Zustand, der in der freiwilligen Verbundenheit der Gesellschaft wurzelt und als ein zu pflegender „Garten des Friedens“ verstanden wird. Dies gilt als Schlüssel sowohl für eine dauerhafte Lösung der kurdischen Frage als auch für die grundlegende demokratische Erneuerung der Türkei. Ein dauerhafter und würdevoller Frieden bedeutet mehr als das Ende von Gewalt oder Konflikt – er eröffnet die Perspektive auf einen umfassenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuanfang für die Zukunft des Landes.

Frieden und Demokratisierung müssen Hand in Hand gehen

Frieden schafft die Voraussetzung dafür, dass lange aufgeschobene Ziele der Demokratisierung verwirklicht werden können – sowohl für die Transformation des Staates als auch für die der Gesellschaft. Die Überwindung tief verwurzelter Ungleichheiten, existenzieller Unsicherheiten, gesellschaftlicher Polarisierung und politischer Blockaden – all dies kann nur durch einen Friedensprozess gelingen, der untrennbar mit einer demokratischen Öffnung verbunden ist.

Die Lösung selbst stellt eine historische Chance dar, um den Horizont einer Demokratischen Republik zu erweitern, die Bürger:innen zu emanzipieren, staatliche Strukturen transparenter zu gestalten und die Rechtsstaatlichkeit auf universellen Prinzipien aufzubauen. Demokratisierung ist dabei nicht nur eine Konsequenz des Friedens, sie ist zugleich dessen Voraussetzung.

Eine politische und demokratische Lösung der kurdischen Frage könnte den Weg ebnen für zentrale Reformen, die in der Türkei seit Jahren aufgeschoben wurden: für einen starken Rechtsstaat, eine unabhängige Justiz, gleichberechtigte Staatsbürgerschaft, lokale Demokratie, freie Medien, effektive gesellschaftliche Kontrollmechanismen und letztlich für eine neue, ganzheitlich demokratische Verfassung.

Es braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag

Im Zentrum der angestrebten demokratischen Transformation steht die uneingeschränkte Gewährleistung der Gedanken- und Meinungsfreiheit – frei von Repression, Zensur oder strafrechtlicher Verfolgung. Diese Freiheit ist nicht bloß ein individuelles Grundrecht; sie bildet zugleich das Fundament einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft, politischer Partizipation und der gesellschaftlichen Verankerung des Friedens. Demokratie ist nicht lediglich ein Regierungsmodell, sondern Ausdruck eines gesellschaftlichen Vertrags, einer Ethik des Zusammenlebens. In der Türkei wurde dieser Vertrag historisch unvollständig und asymmetrisch ausgeformt. In diesem Sinne kann ein nachhaltiger Friedensprozess das seit Langem vorherrschende Klima von Polarisierung und Misstrauen auflösen und gegenseitige Anerkennung, den Willen zum gemeinsamen Leben sowie das Gefühl einer geteilten Zugehörigkeit auf Basis eines neuen, starken gesellschaftlichen Konsenses ermöglichen.

Gemeinsames Leben als demokratische Grundlage

Kulturelle Pluralität, wechselseitige Anerkennung, die Vielfalt des gemeinsamen Lebens und ein kollektives gesellschaftliches Selbstvertrauen werden im Kontext des Friedens gestärkt. Die gesellschaftlichen Potenziale eines Friedensprozesses reichen dabei weit über den Bereich der Demokratisierung hinaus; sie entfalten sich ebenso im kulturellen, sozialen und humanitären Raum. Eine demokratische Lösung der kurdischen Frage würde in der zweiten Republik-Ära der Türkei das dringend benötigte Fundament einer Demokratischen Republik festigen. Sie würde das Konzept von Staatsbürgerschaft neu – und zwar auf der Grundlage von Gleichheit – definieren und somit zur gesellschaftlichen Integration beitragen. Frieden revitalisiert das gesellschaftliche Vertrauen und stärkt die Solidarität. Jahrzehntelange Konflikte haben in weiten Teilen der Gesellschaft verhärtete Vorurteile und Ablehnung gegenüber dem jeweils „Anderen“ hervorgebracht, gemeinsame Räume des Zusammenlebens eingeengt und kulturelle Bindungen geschwächt. Ein politischer Lösungsprozess kann diese zerbrochenen Verbindungen heilen und kulturelle Vielfalt nicht länger als Bedrohung, sondern als gemeinsame Ressource begreifen und etablieren.

Im Zentrum: die Gleichheit der Staatsbürger:innen

Eine Demokratie, in der alle ethnischen Gruppen und religiösen Gemeinschaften auf der Grundlage gleichberechtigter Staatsbürgerschaft zusammenleben, ist nicht nur ein Ideal – sie stellt eines der greifbarsten Resultate eines Friedensprozesses dar. Wenn dieser kulturelle Fortschritt mit der historischen Vielfalt zusammentrifft, auf der die Republik aufgebaut wurde, kann die Türkei ihren „inneren Frieden“ wiederherstellen und die Vision einer gemeinsamen Zukunft stärken. Ein Land, in dem sich Angehörige unterschiedlicher Identitäten, Glaubensrichtungen, Generationen und Geschlechter als gleichberechtigte Bürger:innen verstehen, setzt gesellschaftliche Dynamik und kreative Energien frei. An die Stelle von Angst, Repression und Ausgrenzung treten Vertrauen, Teilhabe und Hoffnung. Die Fähigkeit zur gemeinsamen Gestaltung des öffentlichen Lebens wächst, der Raum für kollektives Handeln wird erweitert – und die Chance, sich um das Gemeinwohl zu versammeln, wird real. Dies stellt eine historische Gelegenheit dar, sowohl den innergesellschaftlichen Frieden als auch die sozialen Bindekräfte der Türkei zu erneuern und zu stärken.

Frieden als Grundlage für langfristigen Wohlstand

Aus wirtschaftlicher Perspektive bringt Frieden der Türkei nicht nur politische Stabilität, sondern eröffnet auch die Aussicht auf langfristigen Wohlstand. Die erheblichen Kosten, die durch die anhaltenden Konflikte für den Sicherheitsapparat entstehen, könnten in einem friedlichen Umfeld drastisch reduziert und die freiwerdenden Ressourcen stattdessen in gesellschaftlich nutzbringende Investitionen umgeleitet werden. Ein Abbau regionaler Ungleichheiten, die Belebung von Landwirtschaft, Tourismus, lokaler Produktion sowie Investitionen zugunsten des Gemeinwohls sind nur unter stabilen und friedlichen Bedingungen realistisch. In einem solchen Klima könnten öffentliche Mittel, anstatt in Sicherheits- und Konfliktpolitik zu fließen, gezielt in Bildung, Gesundheit und soziale Entwicklung investiert werden. Ein friedliches Umfeld würde insbesondere den Zukunftssorgen der jungen Generation entgegenwirken und eine solide Grundlage für qualifizierte Beschäftigung und regionale Entwicklung schaffen. Angesichts der strukturellen Schwächen und wirtschaftlichen Instabilitäten, mit denen die Türkei besonders in den letzten zehn Jahren konfrontiert war, bedarf es eines neuen Impulses – Frieden und Demokratisierung bieten dafür den entscheidenden Hebel. Darüber hinaus ist auch die regionale Wirkung eines friedlichen Wandels von strategischer Bedeutung.

Ein mögliches Modell für die Region

Eine Türkei, die die kurdische Frage auf demokratischem Wege löst und den Konflikt beendet, kann sich als aufstrebender demokratischer Akteur und glaubwürdiges Vorbild für die Region positionieren. Ein innenpolitisch tragfähiger Friedensschluss würde demokratische Prozesse und Friedensinitiativen auch in anderen Ländern des Nahen Ostens positiv beeinflussen. Vor dem Hintergrund der historischen Fragilitäten und Machtkonflikte in der Region könnte ein demokratisch verfasstes und innenpolitisch versöhntes Türkei-Modell zu einem stabilisierenden und vertrauenswürdigen Akteur in der Region werden. Die demokratische Lösung der kurdischen Frage würde nicht nur die Rolle der Türkei im Nahen Osten stärken, sondern auch ihre weltpolitische Position verbessern, ihre diplomatischen Beziehungen vertiefen und die Voraussetzungen für eine friedensorientierte Außenpolitik schaffen.

Ein Impuls für Frieden und Freiheit über Grenzen hinweg

So könnte sich die Türkei in eine strategische Position bringen, in der sie als Modell für Frieden, Dialog und demokratische Zusammenarbeit zwischen den Völkern der Region wahrgenommen wird. Ein umfassender Demokratisierungsprozess in der Türkei hätte das Potenzial, eine grenzüberschreitende Dynamik von Frieden und Freiheit auszulösen, gesellschaftliche Beziehungen über nationale Grenzen hinweg zu stärken und zu einem der entscheidenden Pfeiler für dauerhafte Stabilität in der Region zu werden. Denn das Bedürfnis nach demokratischem Wandel in der Türkei speist sich nicht nur aus inneren gesellschaftlichen Spannungen, sondern ebenso aus den regionalen Umbrüchen.

In einer Zeit zunehmender autoritärer Tendenzen weltweit könnte eine gestärkte demokratische Kultur der Türkei zugleich den inneren sozialen Frieden fördern und ihr außenpolitisches Ansehen erheblich verbessern. Die Rolle der Türkei in einem durch langanhaltende Konflikte geprägten neuen Nahost-Zeitalter kann nur dann substanziell und glaubwürdig sein, wenn sie den inneren Frieden demokratisch absichert. Ein dauerhafter Frieden in der Türkei wäre damit zugleich eine tragende Säule für regionale Demokratie und für ein solidarisches Zusammenleben der Völker im Nahen Osten.

Eine Sprache des Friedens und der Lösung auch in Politik und Medien

In diesem Zusammenhang wird Frieden als ein umfassender Transformationsprozess verstanden, der den Übergang der Türkei zu einer Demokratischen Republik erleichtert, die Gesellschaft befreit, die Wirtschaft stärkt und dem Land regionale Anerkennung verschafft. Frieden ist nicht bloß eine politische Entscheidung, sondern eine historische und strategische Notwendigkeit, die die Zukunft der Türkei sichern kann. Jeder heute unternommene Schritt in Richtung Frieden bildet den Grundstein für ein demokratischeres, friedlicheres und gestärktes Land von morgen – ebenso wie für eine resilientere Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund benennt die DEM-Partei in ihrem Bericht eine Reihe zentraler Erfordernisse, die sich aus der aktuellen historischen Lage ergeben und im Dokument detailliert ausgeführt werden. So muss beispielsweise von negativ konnotierten Begriffen wie „terrorfreie Türkei“ Abstand genommen werden, da diese eher Polarisierung fördern als Versöhnung ermöglichen. Stattdessen ist eine Sprache gefragt, die Frieden, Geschwisterlichkeit, Demokratie und Lösung in den Mittelpunkt stellt – sowohl im politischen Diskurs als auch in der medialen Berichterstattung. Diese friedensorientierte Sprache leistet einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Verankerung des Friedensgedankens.

Gesetzliche Grundlagen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben

Ein dauerhafter Frieden bedeutet auch, dass alle Identitäten und Glaubensgemeinschaften innerhalb eines rechtlichen Rahmens als gleichberechtigte Bürger:innen anerkannt werden. Zu diesem Zweck muss das als zentrale gesetzliche Grundlage verstandene Gesetz zur demokratischen Integration verabschiedet und sogenannte Übergangsgesetze in Kraft gesetzt werden. Diese sollen den Raum für demokratische Politik sichern und erweitern. Jeder Schritt in Richtung einer solchen Gesetzgebung wird nicht nur den Friedensprozess fördern, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie stärken, den Willen zum gemeinsamen Leben bestärken und die Basis für eine gleichberechtigte Staatsbürgerschaft vertiefen.

Die Rolle Abdullah Öcalans im Friedensprozess

In der aktuellen Phase des Friedensprozesses müssen die Bedingungen geschaffen werden, damit der zentrale Gesprächspartner eine wirksamere Rolle im Sinne einer dauerhaften und umfassenden Lösung übernehmen kann. In diesem Zusammenhang sollte die Rolle Abdullah Öcalans – als Schlüsselakteur des Friedensprozesses und Träger des politischen Lösungswillens – im Rahmen des Rechts auf Hoffnung bewertet werden. Damit der Friedensprozess erfolgreich verlaufen kann, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen Öcalan seine Gedanken frei äußern und seine vermittelnde Rolle ausüben kann.

Zugleich sollte ein rechtlich und institutionell verankerter Zugang für jene Akteur:innen gewährleistet werden, die zum Prozess beitragen können – darunter offizielle Stellen wie die unter dem Dach der Nationalversammlung tätige Kommission, ebenso wie Wissenschaftler:innen, gesellschaftlich anerkannte Persönlichkeiten, Journalist:innen, Intellektuelle und zivilgesellschaftliche Organisationen. Nur so kann ein direkter und legitimer Dialog mit Öcalan gewährleistet werden.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass Konflikte auch geschlechtsspezifisch geprägt und durch patriarchale Strukturen verstärkt werden, gilt zudem: Friedensprozesse, an denen Frauen nicht aktiv beteiligt sind, können keine breite gesellschaftliche Verankerung erreichen. Deshalb muss eine geschlechtergerechte Perspektive Grundlage der Friedensarchitektur sein: eine Perspektive, die die Stimmen, Erfahrungen und Beiträge von Frauen systematisch einbindet und stärkt.

Rechtliche Reformen als Wegbereiter für den Wandel

Vor dem Hintergrund, dass der Erfolg des Friedensprozesses untrennbar mit der Stärkung einer demokratischen Gesellschaftsordnung verbunden ist, fordert die DEM-Partei die Umsetzung weitreichender gesetzlicher Reformen – bezeichnet als Freiheitsgesetze. Dazu zählen unter anderem grundlegende Änderungen im Antiterrorgesetz (TMK), im Türkischen Strafgesetzbuch (TCK), in der Strafprozessordnung (CMK) sowie im Strafvollzugsgesetz. Ziel dieser Reformen ist es, die Freiheitsrechte von Gesellschaft und Individuum umfassend abzusichern.

Neben langfristigen verfassungs- und gesetzesbasierten Veränderungen, die das Prinzip der gleichberechtigten Staatsbürgerschaft verankern, sind zunächst auch konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung erforderlich. Die Einrichtung einer Kommission zur Bekämpfung von Diskriminierung innerhalb der Nationalversammlung sowie die Umsetzung entsprechender rechtlicher Regelungen würden entscheidend zur Entwicklung eines gleichheitsorientierten Bewusstseins und einer inklusiven politischen Kultur beitragen.

Welche ersten Schritte notwendig sind

Ein dringend gebotener erster Schritt ist die Verabschiedung eines zivilgesellschaftlichen Gesetzes, das die kollektive Teilhabe der Gesellschaft am öffentlichen Leben stärkt und damit einen Grundpfeiler sowohl für die Verankerung des Friedens in der Gesellschaft als auch für den Aufbau eines tragfähigen demokratischen Gemeinwesens schafft.

Auch überfällige gesetzgeberische Maßnahmen durch die Regierung würden den Friedensprozess erheblich stärken. Dazu gehören:

▪ die Beendigung der Zwangsverwaltungspraxis durch Ernennung von Treuhändern,

▪ die Freilassung schwerkranker Gefangener,

▪ die Umsetzung der Urteile des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR),

▪ sowie rechtliche Regelungen zur Rehabilitierung der Akademiker:innen für den Frieden und zur Aufarbeitung der durch Notstandsdekrete (KHK) verursachten gesellschaftlichen Schäden.

Im Rahmen notwendiger gesetzlicher Reformen muss die Befugnis der Zentralregierung zur Ernennung von Zwangsverwaltern abgeschafft werden. Zudem sollten das Recht auf Bildung und öffentliche Dienstleistungen in der Muttersprache gesetzlich garantiert und lokale Demokratie sowie kulturelle Rechte auf der Grundlage freier und gleichberechtigter Staatsbürgerschaft rechtlich abgesichert werden. Solche Reformen sind entscheidend für die gesellschaftliche Fundierung des Friedensprozesses.

Die Perspektive einer Demokratischen Republik stärken

Es gilt, die Perspektive einer Demokratischen Republik zu festigen – basierend auf dem Prinzip konstitutioneller Staatsbürgerschaft, das unterschiedliche Identitäten und Glaubensrichtungen als gleichberechtigte Gründungselemente anerkennt, auf Teilhabe fußt und eine dezentrale Verwaltungsstruktur vorsieht.

Eine zentrale Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben ist zudem die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die Suche nach Wahrheit. Das Sichtbarmachen und Teilen historischen Leids, die Konfrontation mit der Wahrheit und der Aufbau funktionierender Gerechtigkeitsmechanismen sind unerlässlich für einen dauerhaften Frieden. In diesem Sinne kann der Friedensprozess zu einem gesamtgesellschaftlichen Konsensprozess werden – getragen von allen Teilen der Gesellschaft und auf die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft ausgerichtet.

Die DEM-Partei versteht sich in diesem Prozess als verantwortungsvolle, beharrliche und konstituierende Akteurin – nicht nur im Sinne eines politischen Dialogs, sondern als Trägerin des Projekts eines demokratischen Gemeinwesens: für eine gestärkte demokratische Politik, gesellschaftlichen Frieden und einen neuen Gesellschaftsvertrag im Sinne einer Demokratischen Republik.

Die DEM-Partei sieht sich weiterhin in der Verantwortung

Seit ihrer Gründung versteht sich die DEM-Partei als politische Kraft des Dialogs, der Verhandlung und des friedlichen Ausgleichs. Gegen alle Formen von Repression und Zwang hat sie konsequent auf demokratische Politik gesetzt und wird auch künftig eine aktive Rolle bei der Schaffung der politischen Grundlagen und der gesellschaftlichen Legitimation des Friedensprozesses übernehmen. Die Türkei steht an einem historischen Wendepunkt – geprägt von einem Jahrhundert politischer Erfahrung, aber auch von einem Jahrhundert ungelöster Konflikte.

In dieser Phase der Geschichte ist es eine gemeinsame Aufgabe aller (staatlichen) Institutionen – des Parlaments, der Regierung, der Opposition wie auch der lokalen Verwaltungen –, sich mutig zum Friedensprozess zu bekennen, den Erwartungen der Gesellschaft Gehör zu schenken, die Vision einer Demokratischen Republik zu einem gemeinsamen Horizont zu machen und Perspektiven für Dialog, Verhandlung und Lösung dauerhaft zu institutionalisieren. Auch der politischen und gesellschaftlichen Opposition kommt dabei eine essenzielle Verantwortung zu: Die kurdische Frage ist nicht nur eine historische Herausforderung für Staat und Regierung, sondern auch eine zentrale Aufgabe für sämtliche politischen Kräfte innerhalb und außerhalb des Parlaments.

Ein Aufruf zum gesellschaftlichen Frieden

Die gegenwärtige Phase der Geschichte erfordert Mut zu entschlossenen Schritten. Ein inklusiver demokratischer Wandel kann nur gelingen, wenn auch die Zivilgesellschaft aktiv wird: Gewerkschaften, Frauen- und Jugendbewegungen, Religionsgemeinschaften, Intellektuelle, Wissenschaftler:innen, Meinungsführer:innen, Journalist:innen und alle Bürger:innen sind aufgerufen, zur gesellschaftlichen Fundierung des Friedens beizutragen und die demokratische Politik zu stärken.

Dieser Bericht ist daher nicht nur eine Analyse vergangener Probleme, sondern Ausdruck eines gemeinsamen Willens für die Gegenwart und Zukunft: ein demokratischer Gesellschaftsvertrag und ein Aufruf zum Frieden. In diesem Sinne bekräftigt die DEM-Partei in Verantwortung gegenüber den Völkern dieses Landes ihr unerschütterliches Bekenntnis zu dauerhaftem Frieden, zu einer politischen Lösung und zur Demokratischen Republik. Sie erklärt ihre Bereitschaft, gemeinsam mit allen politischen Akteuren und Teilen der Gesellschaft den Weg der Lösung zu beschreiten.

Unser Aufruf richtet sich an alle: Lasst uns gemeinsam Schritte für einen dauerhaften Frieden unternehmen – für eine Demokratische Republik, die auf Pluralismus statt Einheitsdenken, auf Demokratie statt Autoritarismus, auf gemeinsames Leben statt Spaltung gründet. Lasst uns das zweite Jahrhundert der Republik auf den Grundlagen von Frieden, Freiheit, Demokratie und Geschwisterlichkeit der Völker aufbauen. Denn die Entschlossenheit zur demokratischen Veränderung von Staat und Gesellschaft setzt eine politische und gesellschaftliche Vorstellung voraus, die auf Rechten, Gleichheit und dem gemeinsamen Dasein beruht.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bahceli-offen-fur-dem-vorschlag-zu-friedensgesetz-49224 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/parteien-legen-berichte-zur-losung-der-kurdischen-frage-dem-parlament-vor-49180 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/imrali-delegation-spricht-mit-deva-uber-gesetzliche-grundlage-fur-friedensprozess-49220

 

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„Sternmarsch für Brot und Frieden“ der DEM-Partei auf Ankara

12. Dezember 2025 - 19:00

Mit Demonstrationen aus mehreren Städten in Richtung Ankara hat die DEM-Partei am Freitag eine landesweite Aktion gegen Armut, soziale Ungleichheit und die aktuelle Haushaltsplanung der türkischen Regierung gestartet. Unter dem Motto „Für Brot und Frieden – ein gerechter Haushalt“ fordern die Teilnehmenden einen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

In der kurdischen Stadt Êlih (tr. Batman) leitete die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları den lokalen Auftakt der mehrtägigen Sternmärsche ein. Unterstützt von zahlreichen Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen zog der Protestzug vom Yılmaz-Güney-Park zur Parteizentrale. Dabei wurden Transparente mit Aufschriften wie „Haushalt für Werktätige, Frauen, Jugend – nicht für Krieg“ und „Nan, Aşîtî, Azadî“ (Brot, Frieden, Freiheit) getragen.

Hatimoğulları erklärte in ihrer Rede, der Sternmarsch werde vor dem türkischen Parlament in Ankara seinen Abschluss finden. Die DEM-Partei wolle die Stimmen von Arbeiter:innen, Rentner:innen, Erwerbslosen und Jugendlichen in die Nationalversammlung tragen. „Wir sagen Nein zu einem Haushalt für Krieg und Spekulation – und Ja zu einem Budget für Frieden, Gerechtigkeit und soziale Teilhabe“, sagte sie.

Kritik an Haushaltsplanung und sozialen Verwerfungen

Die Politikerin warf der Regierungskoalition aus AKP und MHP vor, den Haushalt einseitig zugunsten von Militär, Sicherheitsapparat und regierungsnahen Unternehmen auszurichten. Gleichzeitig würden Vorschläge der Opposition systematisch abgelehnt – auch in den laufenden Haushaltsverhandlungen. „Nicht ein Buchstabe wurde geändert. Die Anträge wurden mit den Stimmen der Regierungsmehrheit abgewiesen“, so Hatimoğulları. Sie beschrieb die aktuelle wirtschaftliche Lage als „tiefgreifende Krise“, die besonders Menschen mit geringen Einkommen hart treffe. Die Inflation sei außer Kontrolle geraten, viele Menschen lebten verschuldet. Allein in Êlih gebe es rund 26.000 offene Zwangsvollstreckungsverfahren.

„Gerechter Haushalt ist auch ein Friedenssignal“

Hatimoğulları forderte unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 46.000 Lira, die Rücknahme von Zwangsverwaltungen in kurdischen Kommunen, die Einführung kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung, die Aufhebung von Berufungsverboten gegen entlassene Staatsbedienstete sowie mehr soziale Absicherung für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen. Mit Blick auf den von Abdullah Öcalan am 27. Februar initiierten „Aufruf zu Frieden und demokratischer Gesellschaft“ sagte Hatimoğulları: „Ein Haushalt ist nicht nur eine Zahlenfrage. Er zeigt, wie ein Land regiert wird.“ Ein gerechter Haushalt bedeute gleiche Rechte, faire Löhne, Bildung in der Muttersprache und gesellschaftliche Teilhabe.

„Wir werden in der Schlussabstimmung im Parlament mit Nein stimmen – gegen ein Budget, das Krieg und Profit bedient“, so die Politikerin. Abschließend forderte sie Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit sowie staatliche Grundsicherung für Bedürftige. Auch auf die prekäre Lage in Bildungseinrichtungen, die Ausbeutung junger Arbeitskräfte und fehlende Perspektiven für die Jugend ging sie ein. Zum Abschluss der Veranstaltung überreichten Beschäftigte symbolisch Briefe an die Parteivorsitzende, die in Ankara dem Parlament übergeben werden sollen. Anschließend wurde die Demonstration in Richtung Ankara fortgesetzt.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gewerkschaftsstudie-armut-in-der-turkei-auf-rekordhoch-48264 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-dem-partei-lehnt-haushaltsentwurf-2026-ab-49171 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/bildungsgewerkschaft-protestiert-gegen-ausbeutung-von-kindern-in-berufszentren-49131 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/amed-viele-haushalte-vor-winter-ohne-heizmaterial-48819

 

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Rechtshilfe: Zugang für Frauen in Südostanatolien stark eingeschränkt

12. Dezember 2025 - 17:00

In den kurdischen Provinzen der Türkei erhalten Frauen deutlich seltener Zugang zu staatlicher Rechtshilfe als im Landesdurchschnitt. Das geht aus einem neuen Bericht der Frauenrechtsorganisation DAKAHDER hervor, der am Freitag in Amed (tr. Diyarbakır) vorgestellt wurde. Die Untersuchung mit dem Titel „Zugang von Frauen zur Justiz in Ost- und Südostanatolien – Rechtshilfeleistungen im Vergleich“ basiert auf Daten aus 14 Provinzen, darunter Amed, Dîlok (Gaziantep), Şirnex (Şırnak) und Agirî (Ağrı). Erfasst wurden alle Anträge von Frauen auf unentgeltliche Rechtsberatung oder -vertretung im Zeitraum von Juni bis Dezember 2025.

Nur eine von 1.000 Frauen erreicht Rechtshilfe

Wie DAKAHDER-Koordinatorin Cansel Talay bei der Vorstellung erklärte, erhielten in diesem Zeitraum lediglich 5.582 Frauen Rechtshilfe, obwohl laut amtlicher Statistik rund 5,5 Millionen Frauen in den untersuchten Provinzen leben. „Das bedeutet, dass nur etwa eine von tausend Frauen Zugang zu rechtlicher Unterstützung findet“, so Talay. Im Landesdurchschnitt liege die Quote deutlich höher. Besonders alarmierend: In strukturschwachen Regionen wie Şirnex kommt nur eine Frau von 5.000 in den Genuss juristischer Hilfe. In anderen Provinzen wird ein erheblicher Anteil der Anträge abgelehnt, etwa in Semsûr (Adıyaman) jede dritte, in Reşqelas (Iğdır) nahezu jede zweite Frau.

Gründe: Armut, Sprachbarrieren, geringe Kapazitäten

Die Organisation macht für die niedrigen Zahlen eine Kombination aus Armut, sprachlichen Hürden, abgelegenen Siedlungsstrukturen und einer chronischen Unterfinanzierung der örtlichen Anwaltskammern verantwortlich. „Die Justiz wird für viele Frauen faktisch unsichtbar“, so Talay. Viele Betroffene könnten sich kein Anwaltshonorar leisten, und das Rechtshilfesystem sei in der Region weitgehend auf die Schultern von Freiwilligen ausgelagert worden.

Ein weiteres Problem sei die intransparente Vergabepraxis: In manchen Provinzen gebe es keinerlei objektive Kriterien, welche Fälle von Gewalt oder Scheidung unterstützt würden. Besonders problematisch sei, dass auch Verfahren zu häuslicher Gewalt immer wieder aus dem Rechtshilferahmen fielen.

Kritik am Staat: „Pflicht wird ausgelagert“

„In Regionen wie Amed beträgt der jährliche staatliche Rechtshilfezuschuss für Frauen rechnerisch nur zwölf Lira pro Person“, sagte Talay. „Der Staat kommt seiner sozialen Verantwortung nicht nach.“ Stattdessen trügen Anwaltskammern, Frauenorganisationen und freiwillige Jurist:innen die Hauptlast. „Was eigentlich ein Grundpfeiler des sozialen Rechtsstaats sein sollte, wird zur privaten Ehrenpflicht gemacht.“ DAKAHDER forderte in ihrem Bericht eine umfassende Reform des Rechtshilfesystems, darunter klare Mindeststandards, gezielte finanzielle Aufstockungen in benachteiligten Regionen sowie mehrsprachige Informations- und Beratungsangebote.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/kcdp-bericht-29-femizide-und-22-verdachtige-todesfalle-im-november-49173 https://deutsch.anf-news.com/frauen/workshop-in-amed-gewaltpravention-braucht-institutionelle-vernetzung-49075 https://deutsch.anf-news.com/frauen/munevver-azizoglu-bazan-gewalt-gegen-frauen-ist-ein-globales-systemproblem-48980 https://deutsch.anf-news.com/frauen/staatliches-patriarchat-besonders-sichtbar-im-gefangnis-49132 https://deutsch.anf-news.com/frauen/botschaft-von-abdullah-Ocalan-zum-25-november-48983

 

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Bahçeli offen für DEM-Vorschlag zu Friedensgesetz

12. Dezember 2025 - 15:00

Die Imrali-Delegation der DEM-Partei hat sich im türkischen Parlament mit dem Vorsitzenden der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, zu einem politischen Austausch getroffen. Im Zentrum des Gesprächs standen die Ergebnisse des jüngsten Besuchs beim kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali sowie die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für die nächste Phase des kurdisch-türkischen Dialogs.

An dem Treffen nahmen die DEM-Abgeordneten Pervin Buldan und Mithat Sancar sowie Faik Özgür Erol, Rechtsanwalt von der Istanbuler Kanzleri Asrin, teil. Bahçeli empfing die Delegation persönlich vor seinem Fraktionsbüro. Das eigentliche Gespräch fand anschließend unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Bahçelis Abgeordnetenzimmer statt.

Buldan: Wertvoller Austausch

Nach dem Treffen sprach Buldan vor Journalist:innen von einem „sehr wichtigen und wertvollen Austausch“. Man habe Bahçeli über die Inhalte des Besuchs auf Imrali Anfang Dezember sowie über die politische Dynamik danach informiert. „Wir glauben, dass wir uns inzwischen in einer zweiten Phase des Prozesses befinden“, sagte Buldan. „Für diesen neuen Abschnitt braucht es eine rechtliche und politische Grundlage.“

Foto: DEM-Pressedienst

Ruf nach einem Friedensgesetz

Die kurdische Politikerin forderte die Verabschiedung eines Gesetzes, das politische und gesellschaftliche Versöhnung strukturell absichern soll. „Es muss ein Friedensgesetz geben“, sagte sie wörtlich. Eine solche gesetzliche Regelung sei entscheidend für den Erfolg des derzeitigen Dialogs zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Befreiungsbewegung. Die Partei habe ihre Erwartungen mit Bahçeli geteilt und um Unterstützung geworben.

Buldan betonte zudem die Bedeutung überparteilicher Beteiligung: „Nicht nur die ‚Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie‘, auch die Parteien im Parlament müssen künftig Verantwortung übernehmen.“ Die Rolle Bahçelis im bisherigen Verlauf des Prozesses würdigte sie ausdrücklich. „Wir glauben, dass sein Beitrag auch in der kommenden Zeit wertvoll sein wird.“

Unterstützende Worte von Bahçeli

Für Aufmerksamkeit sorgte vor allem Bahçelis Reaktion. Der MHP-Chef äußerte sich nach dem Treffen kurz, aber unmissverständlich: „Frau Buldan hat alles offen angesprochen. Ich unterschreibe jedes ihrer Worte.“ Die Abgeordnete kündigte abschließend an, dass die Gesprächsreihe mit weiteren Politiker:innen fortgesetzt werde. Ziel sei es, „die gesellschaftlichen Erwartungen an Frieden, Gerechtigkeit und eine demokratische Lösung parlamentarisch aufzugreifen“. Zuvor hatte es bereits ein Treffen mit der DEVA-Partei gegeben.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/imrali-delegation-spricht-mit-deva-uber-gesetzliche-grundlage-fur-friedensprozess-49220 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-demokratie-und-grosstmogliche-soziale-einheit-49101 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/parteien-legen-berichte-zur-losung-der-kurdischen-frage-dem-parlament-vor-49180

 

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Temelli: Haushalt dient Eliten, nicht der Bevölkerung

12. Dezember 2025 - 15:00

In der vom Erdbeben 2023 schwer getroffenen Provinz Hatay hat die DEM-Partei den Auftakt des Çukurova-Zweigs ihres Sternmarschs nach Ankara begangen. Die Aktion ist Teil einer landesweiten Kampagne unter dem Motto „Für Brot und Frieden – ein gerechter Haushalt“, mit der die Partei auf soziale Ungleichheit, Haushaltsprioritäten und fehlende Wiederaufbauhilfe aufmerksam machen will. Die Demonstration startete in einem Park in der Küstenstadt Samandağ. Unter den Teilnehmenden waren auch Mitglieder lokaler Organisationen, kommunaler Gremien und zivilgesellschaftlicher Verbände.

Weiterhin hohe Steuerbelastungen für Erdbebenopfer

Gül Oruç, Vertreterin der DEM-Kommission für Klima und Gerechtigkeit, kritisierte die anhaltende Vernachlässigung Hatays nach dem verheerenden Erdbeben. Obwohl die Region über Jahre hinweg zu den zehn größten Steuerzahlern der Türkei gezählt habe, sei sie nicht als „offizielles Katastrophengebiet“ anerkannt worden. „Das ist die Ungerechtigkeit des Jahrhunderts“, sagte Oruç. Ismail Kılıç von der Handwerkskammer Hatay beklagte die hohen finanziellen Belastungen für Kleinunternehmer:innen in provisorischen Container-Siedlungen und forderte Steuererleichterungen sowie die vollständige Streichung von Sozialabgaben für Betroffene.

Sezai Temelli: Haushalt ist Ausdruck sozialer Entkopplung

Der Fraktionsvize der DEM-Partei im türkischen Parlament, Sezai Temelli, betonte in seiner Rede, der Haushaltsentwurf 2026 sei von den Lebensrealitäten der Bevölkerung völlig abgekoppelt. „Das Parlament diskutiert den Haushalt hinter verschlossenen Türen, ohne Bezug zu den wahren Problemen: Armut, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit.“ Der studierte Finanzökonom kritisierte eine einseitige Mittelverwendung zugunsten von Rüstung, Sicherheitsapparat und Großunternehmen. „Ein Haushalt, in dem Frauen, Werktätige, Bäuer:innen und Rentner:innen nicht vorkommen, ist nicht der Haushalt eines demokratischen Staates“, sagte Temelli. Stattdessen handle es sich um einen „militaristischen Männerhaushalt“, der strukturelle soziale Ungleichheit weiter verfestige.

Forderung nach Umverteilung

Temelli warf der Regierung vor, große Finanzmittel bewusst ungleich zu verteilen: Während Milliardenbeträge für Militär und Schuldendienst bereitgestellt würden, fehle es an Unterstützung für Sozialprogramme, Bildung und kleinbäuerliche Landwirtschaft. „Wir fordern, was uns gehört: den Anteil an dem Reichtum, den wir mit unserer Arbeit schaffen.“ Mit Blick auf die Aussagen des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan in dessen Aufruf zu Frieden und demokratischer Gesellschaft sagte Temelli: „Diese Budgetpolitik widerspricht jeder Friedensidee.“ Er rief dazu auf, finanzielle Mittel künftig für Bildung, Gesundheit, Gleichstellung und lokale Demokratie zu verwenden – sowohl in der Türkei als auch mit Blick auf die Syrien-Frage. Die militärische Außenpolitik der Regierung behindere auch im Inland jede Perspektive auf Frieden.

Haushalt für Menschen, nicht für Militär

Abschließend forderte Temelli eine umfassende Demokratisierung des Haushaltsprozesses. „Die Regierung verwaltet Armut, statt sie zu bekämpfen“, sagte er. „Ein demokratischer Haushalt muss in der Gesellschaft verankert sein, nicht im Interesse einer kleinen Elite.“ Die DEM wolle diesen Protest gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Gruppen auf den Straßen wie im Parlament fortsetzen.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bakirhan-beim-sternmarsch-der-dem-haushalt-dient-nicht-dem-volk-49222 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/sternmarsch-fur-brot-und-frieden-der-dem-partei-auf-ankara-49221 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-dem-partei-lehnt-haushaltsentwurf-2026-ab-49171 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/Oko-Okonomie-als-befreiung-sezai-temelli-uber-Ocalans-alternative-zur-kapitalistischen-moderne-48733 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gewerkschaftsstudie-armut-in-der-turkei-auf-rekordhoch-48264

 

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Barham Salih wird UN-Flüchtlingskommissar

12. Dezember 2025 - 15:00

Der kurdische Politiker und frühere irakische Präsident Barham Salih ist zum Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) ernannt worden. Das bestätigte sein Berater Mohammed Hawrami am Freitag. Salih übernimmt das Amt zu Jahresbeginn und folgt auf den Italiener Filippo Grandi, der die Organisation seit 2016 leitete.

Die Entscheidung markiert einen deutlichen Bruch mit der langjährigen Tradition, wonach das UNHCR seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg fast immer von westlichen Staatsangehörigen geführt wurde. Salih setzte sich in einem Bewerberfeld von rund einem Dutzend Kandidierenden durch, darunter auch Personen aus wichtigen Geberstaaten wie Deutschland, Schweden und der Schweiz. Auch der frühere IKEA-Chef Jesper Brodin gehörte zum engeren Favoritenkreis.

Die endgültige Entscheidung traf UN-Generalsekretär António Guterres, der das Flüchtlingshilfswerk selbst von 2005 bis 2015 geleitet hatte. Aus dem Bewerberfeld wurde eine Shortlist mit drei bis vier Finalisten erstellt, unter denen sich Salih schließlich durchsetzen konnte. „Nach den Anhörungen durch ein hochrangiges UN-Gremium freuen wir uns, mitteilen zu können, dass Dr. Barham Salih für das Amt ausgewählt wurde“, sagte Berater Hawrami. Offiziell bekanntgegeben wurde die Ernennung bislang nicht.

Der Hohe Flüchtlingskommissar gehört zu den ranghöchsten Posten im UN-System. Die Behörde koordiniert den weltweiten Schutz und die Versorgung von aktuell über 120 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter Geflüchtete, Binnenvertriebene und Asylsuchende. Salihs Amtszeit beträgt fünf Jahre, mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung.

Die Kandidatur des 65-Jährigen war Ende Oktober von Hoshyar Zebari, einem führenden Mitglied der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK), öffentlich gemacht worden. Auf der Plattform X sprach er Salih die volle Unterstützung Kurdistans und des Irak aus. Salih bringe „alle Qualifikationen mit, um diese wichtige humanitäre Organisation zu führen“, schrieb Zebari.

Wer ist Barham Salih?

Barham Salih wurde am 12. September 1960 im südkurdischen Silêmanî (Sulaimaniyya) geboren. Schon in jungen Jahren wurde er wegen seines politischen Engagements zweimal vom irakischen Baath-Regime verhaftet. Später lebte er im Exil in Großbritannien, wo er an der Universität Cardiff Bauingenieurwesen und Architektur studierte. Er promovierte in Statistik und Computeranwendungen im Ingenieurwesen.

1976 trat er der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) bei. In den 1990er Jahren war er Vertreter der ersten Regierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) im Ausland und leitete später die außenpolitischen Beziehungen der kurdischen Regionalregierung in den USA.

Salih war von 2001 bis 2004 Premierminister der KRI. Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein wurde er 2004 stellvertretender Premierminister der irakischen Übergangsregierung, anschließend Planungsminister. Unter Ministerpräsident Nuri al-Maliki diente er von 2006 bis 2009 erneut als Vize-Regierungschef. 2007 gründete er die American University of Iraq in Silêmanî (AUIS). Im Oktober 2018 wurde Salih zum achten Präsidenten des Irak gewählt – ein Amt, das er bis 2022 innehatte.

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Bakırhan beim Sternmarsch der DEM: „Haushalt dient nicht dem Volk“

12. Dezember 2025 - 14:00

Im Rahmen des landesweiten Sternmarschs der DEM-Partei in Richtung Ankara hat der Ko-Vorsitzende der Partei, Tuncer Bakırhan, am Freitag im westlich von Istanbul gelegenen Tekirdağ zu verstärktem gesellschaftlichem Widerstand gegen soziale Ungleichheit und die aktuelle Budgetpolitik der Regierung aufgerufen.

Der Marsch, der unter der Losung „Für Brot und Frieden – ein gerechter Haushalt“ steht, führt in mehreren Etappen aus verschiedenen Landesteilen zur Hauptstadt. Bakırhan leitete den Auftakt des Marmara-Zugs, der im Bezirk Çerkezköy startete. Zahlreiche Unterstützende begleiteten den Marsch mit Parolen wie „Brot, Frieden, Freiheit und „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit).

Budget für Rüstung, nicht für das Volk

In einer Rede nach dem ersten Abschnitt kritisierte Bakırhan die Haushaltsplanung der Regierung scharf. „Es gibt ein Budget für Waffen, für Unternehmen und für Zinsempfänger, aber nicht für Studierende, Frauen oder Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen“, sagte er. Mit Blick auf die laufenden Haushaltsberatungen im Parlament warf der Politiker der Regierung vor, Sozialausgaben zu vernachlässigen und wirtschaftlich Schwache systematisch zu übergehen.

„Wir sind die Partei derjenigen, die nicht überleben können“

„Wir werden diese Ungerechtigkeit sowohl im Parlament als auch auf den Straßen sichtbar machen“, so Bakırhan. Seine Partei setze sich für eine Anhebung des Mindestlohns auf 46.000 Lira und eine grundlegend gerechtere Einkommensverteilung ein. Er betonte, die DEM-Partei vertrete nicht nur die kurdische Bevölkerung, sondern breite Schichten der arbeitenden und sozial benachteiligten Bevölkerung. „Wir sind die Partei derjenigen, die nicht überleben können, aber für ein würdevolles Leben kämpfen“, sagte er. Der wirtschaftliche Druck sei für viele untragbar: „Menschen können ihre Miete nicht zahlen, ihre Kinder nicht ausreichend ernähren. Die soziale Not führt zu Verzweiflung und auch zu Suiziden.“

Zudem warf Bakırhan der Regierung vor, Investitionen in den Bildungs- und Sozialbereich zu blockieren. Er forderte unter anderem kostenlose Schulmahlzeiten, eine Anhebung der Renten und gezielte Programme zur Armutsbekämpfung. „Wenn es Geld für Militär und Großunternehmen gibt, muss es auch für Kinder eine warme Mahlzeit geben“, so der Parteivorsitzende. Er verwies in seiner Rede auch auf den kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan, der im Februar mit seinem Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft einen „historischen Impuls“ für Veränderung gesetzt habe.

Aufruf zum gemeinsamen Protest

„Während wir über Frieden sprechen, erhöht die Regierung den Verteidigungsetat um 34 Prozent. Das ist ein falsches Signal“, so Bakırhan. Frieden beginne mit wirtschaftlicher Gerechtigkeit. „Ohne sozialen Ausgleich gibt es keine gesellschaftliche Stabilität. Wenn Menschen verhungern, kann von innerem Frieden keine Rede sein.“ Zum Abschluss rief der DEM-Vorsitzende zu gesellschaftlicher Mobilisierung auf: „Wenn wir, die Armen, die Frauen, die Arbeitslosen, die Rentner:innen, die Jugendlichen zusammenstehen, kann uns keine Regierung ignorieren.“ Seine Partei wolle diese Kämpfe sowohl auf der Straße als auch im Parlament führen und lade zur breiten Beteiligung am Marsch und an der Bewegung ein. 

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/sternmarsch-fur-brot-und-frieden-der-dem-partei-auf-ankara-49221 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-dem-partei-lehnt-haushaltsentwurf-2026-ab-49171 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gewerkschaftsstudie-armut-in-der-turkei-auf-rekordhoch-48264

 

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„Sternmarsch für Brot und Frieden“ der DEM-Partei auf Ankara

12. Dezember 2025 - 14:00

Mit Demonstrationen aus mehreren Städten in Richtung Ankara hat die DEM-Partei am Freitag eine landesweite Aktion gegen Armut, soziale Ungleichheit und die aktuelle Haushaltsplanung der türkischen Regierung gestartet. Unter dem Motto „Für Brot und Frieden – ein gerechter Haushalt“ fordern die Teilnehmenden einen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

In der kurdischen Stadt Êlih (tr. Batman) leitete die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları den lokalen Auftakt der mehrtägigen Sternmärsche ein. Unterstützt von zahlreichen Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen zog der Protestzug vom Yılmaz-Güney-Park zur Parteizentrale. Dabei wurden Transparente mit Aufschriften wie „Haushalt für Werktätige, Frauen, Jugend – nicht für Krieg“ und „Nan, Aşîtî, Azadî“ (Brot, Frieden, Freiheit) getragen.

Hatimoğulları erklärte in ihrer Rede, der Sternmarsch werde vor dem türkischen Parlament in Ankara seinen Abschluss finden. Die DEM-Partei wolle die Stimmen von Arbeiter:innen, Rentner:innen, Erwerbslosen und Jugendlichen in die Nationalversammlung tragen. „Wir sagen Nein zu einem Haushalt für Krieg und Spekulation – und Ja zu einem Budget für Frieden, Gerechtigkeit und soziale Teilhabe“, sagte sie.

Kritik an Haushaltsplanung und sozialen Verwerfungen

Die Politikerin warf der Regierungskoalition aus AKP und MHP vor, den Haushalt einseitig zugunsten von Militär, Sicherheitsapparat und regierungsnahen Unternehmen auszurichten. Gleichzeitig würden Vorschläge der Opposition systematisch abgelehnt – auch in den laufenden Haushaltsverhandlungen. „Nicht ein Buchstabe wurde geändert. Die Anträge wurden mit den Stimmen der Regierungsmehrheit abgewiesen“, so Hatimoğulları. Sie beschrieb die aktuelle wirtschaftliche Lage als „tiefgreifende Krise“, die besonders Menschen mit geringen Einkommen hart treffe. Die Inflation sei außer Kontrolle geraten, viele Menschen lebten verschuldet. Allein in Êlih gebe es rund 26.000 offene Zwangsvollstreckungsverfahren.

„Gerechter Haushalt ist auch ein Friedenssignal“

Hatimoğulları forderte unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 46.000 Lira, die Rücknahme von Zwangsverwaltungen in kurdischen Kommunen, die Einführung kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung, die Aufhebung von Berufungsverboten gegen entlassene Staatsbedienstete sowie mehr soziale Absicherung für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen. Mit Blick auf den von Abdullah Öcalan am 27. Februar initiierten „Aufruf zu Frieden und demokratischer Gesellschaft“ sagte Hatimoğulları: „Ein Haushalt ist nicht nur eine Zahlenfrage. Er zeigt, wie ein Land regiert wird.“ Ein gerechter Haushalt bedeute gleiche Rechte, faire Löhne, Bildung in der Muttersprache und gesellschaftliche Teilhabe.

„Wir werden in der Schlussabstimmung im Parlament mit Nein stimmen – gegen ein Budget, das Krieg und Profit bedient“, so die Politikerin. Abschließend forderte sie Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit sowie staatliche Grundsicherung für Bedürftige. Auch auf die prekäre Lage in Bildungseinrichtungen, die Ausbeutung junger Arbeitskräfte und fehlende Perspektiven für die Jugend ging sie ein. Zum Abschluss der Veranstaltung überreichten Beschäftigte symbolisch Briefe an die Parteivorsitzende, die in Ankara dem Parlament übergeben werden sollen. Anschließend wurde die Demonstration in Richtung Ankara fortgesetzt.

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gewerkschaftsstudie-armut-in-der-turkei-auf-rekordhoch-48264 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-dem-partei-lehnt-haushaltsentwurf-2026-ab-49171 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/bildungsgewerkschaft-protestiert-gegen-ausbeutung-von-kindern-in-berufszentren-49131 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/amed-viele-haushalte-vor-winter-ohne-heizmaterial-48819

 

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Imrali-Delegation spricht mit DEVA über gesetzliche Grundlage für Friedensprozess

12. Dezember 2025 - 14:00

Die Mitglieder der Imrali-Delegation der DEM-Partei haben am Freitag in Ankara mit dem Vorsitzenden der oppositionellen DEVA-Partei, Ali Babacan, über den Fortgang des Dialogprozesses rund um eine politische Lösung der kurdischen Frage gesprochen. Im Zentrum des Treffens stand die Forderung nach gesetzgeberischen Schritten für einen umfassenden Lösungsprozess.

An dem Treffen im DEVA-Parteihauptquartier nahmen die DEM-Abgeordneten Pervin Buldan und Mithat Sancar sowie der Rechtsanwalt Özgür Erol teil, die der Imrali-Delegation ihrer Partei angehören. Babacan sprach im Anschluss bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von einem „wichtigen Austausch in einer sensiblen Phase des Prozesses“.

„Wir haben über die nächsten Schritte, Risiken und Erfolgsaussichten gesprochen“, sagte Babacan. „Wenn auch nur eine fünfprozentige Chance auf eine Lösung besteht, dann unterstützen wir sie.“ Seine Partei wolle mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und politischen Haltung zu einem gelingenden Prozess beitragen. Zugleich kritisierte er die Regierung und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan für mangelnde Transparenz: „Wir erwarten mehr Kommunikation und mehr Aufklärung der Öffentlichkeit durch den Präsidenten.“

Pervin Buldan betonte, dass der erste Abschnitt des laufenden Dialogs abgeschlossen sei und nun gesetzliche Schritte notwendig seien. „Ein Friedensgesetz ist erforderlich“, sagte sie. „Dieser Prozess braucht eine gesetzliche Grundlage, um erfolgreich zu sein.“ Mithat Sancar unterstrich die Bedeutung breiter politischer und gesellschaftlicher Unterstützung. Solche Prozesse seien komplex und herausfordernd, könnten aber durch Konsens und Teilhabe getragen werden.

Sancar sprach zudem von einem neuen Abschnitt, in dem über konkrete Gesetzesinitiativen beraten werde. Sobald der Abschlussbericht der „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ vorliegt und dem Parlament übergeben wird, sollen entsprechende Gesetzesentwürfe erarbeitet werden. Der Politiker kündigte auch weitere Gespräche der Delegation mit Vertreter:innen anderer Parteien ein, darunter mit dem MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli und Staatschef Erdoğan.

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/parteien-legen-berichte-zur-losung-der-kurdischen-frage-dem-parlament-vor-49180 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-kritisiert-justizsystem-und-fordert-gesetze-fur-frieden-und-demokratie-49189 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-abgeordnete-fordern-volle-transparenz-zu-imrali-gesprachen-49124

 

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Jugendrat im Flüchtlingslager Mexmûr hält dritte Konferenz ab

12. Dezember 2025 - 12:00

Im Flüchtlingslager Mexmûr in Südkurdistan ist die dritte Konferenz des örtlichen Jugendrats eröffnet worden. Die Veranstaltung im Jugendzentrum des Camps steht unter dem Motto: „Mit dem Geist der apoistischen Jugend den Aufruf zu Frieden und demokratischer Gesellschaft zum Erfolg führen“. Zahlreiche Delegierte und Gäste nahmen an der Eröffnung im Jugendverein des Camps teil. In seiner Ansprache betonte Ko-Sprecher Sîpan Yaman die Bedeutung der Konferenz in der aktuellen politischen Lage. „Seit Beginn dieses Prozesses liegt eine noch größere Verantwortung bei der Jugend, sich überall zu organisieren“, sagte Yaman.

Der Aktivist hob hervor, dass die Kraft der Jugend entscheidend sei, um „die Stimme Abdullah Öcalans zu stärken“, die kurdische Bewegung mit Leben zu füllen und den Weg zu einer demokratischen Gesellschaft und Frieden voranzutreiben. Die Generation, die heute im Camp lebe, verdanke ihre Existenz den „gefallenen Heldinnen und Helden“. „Wir können uns dank ihnen hier versammeln, über Lösungen für die kurdische Frage nachdenken und unsere Rolle als junge Menschen wahrnehmen“, so Yaman. Die Konferenz sei dem inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan gewidmet.

Im Anschluss an die Eröffnungsrede wurden Videobotschaften kurdischer Jugendorganisationen präsentiert sowie Auszüge aus Schriften Öcalans vorgelesen. Die Versammlung wird mit politischen Einschätzungen zur aktuellen Lage und zur Situation Öcalans fortgesetzt.

Selbstverwaltetes Camp inmitten der Wüste

Camp Mexmûr liegt rund 60 Kilometer südwestlich von Hewlêr (Erbil) in einem zwischen der Regierung der Kurdistan-Region Irak (KRI) und der irakischen Zentralregierung umstrittenen wüstenähnlichen Gebiet. Es wurde in den 1990er Jahren von Geflüchteten aus Nordkurdistan gegründet, die im Zuge der „Aufstandsbekämpfung“ des türkischen Staates und einer Politik der verbrannten Erde vertrieben wurden. Aktuell leben rund zwölftausenden Menschen in dem Lager. Sie bilden damit die größte kurdische Flüchtlingsgemeinschaft weltweit.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/istar-konferenz-in-mexmur-frauen-bekraftigen-engagement-fur-demokratische-gesellschaft-49148 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/mexmur-ko-vorsitzender-von-volksrat-wieder-frei-48182 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/kritik-an-schweizer-asylpraxis-gefluchtete-aus-mexmur-warnen-vor-abschiebung-in-die-turkei-47670

 

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Barham Salih wird UN-Flüchtlingskommissar

12. Dezember 2025 - 12:00

Der kurdische Politiker und frühere irakische Präsident Barham Salih ist zum Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) ernannt worden. Das bestätigte sein Berater Mohammed Hawrami am Freitag. Salih übernimmt das Amt zu Jahresbeginn und folgt auf den Italiener Filippo Grandi, der die Organisation seit 2016 leitete.

Die Entscheidung markiert einen deutlichen Bruch mit der bisherigen Tradition, wonach das UNHCR seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg stets von europäischen Staatsangehörigen geführt wurde. Salih setzte sich in einem Bewerberfeld von rund einem Dutzend Kandidierenden durch, darunter auch Personen aus wichtigen Geberstaaten wie Deutschland, Schweden und der Schweiz. Auch der frühere IKEA-Chef Jesper Brodin gehörte zum engeren Favoritenkreis.

Die endgültige Entscheidung traf UN-Generalsekretär António Guterres, der das Flüchtlingshilfswerk selbst von 2005 bis 2015 geleitet hatte. Aus dem Bewerberfeld wurde eine Shortlist mit drei bis vier Finalisten erstellt, unter denen sich Salih schließlich durchsetzen konnte. „Nach den Anhörungen durch ein hochrangiges UN-Gremium freuen wir uns, mitteilen zu können, dass Dr. Barham Salih für das Amt ausgewählt wurde“, sagte Berater Hawrami. Offiziell bekanntgegeben wurde die Ernennung bislang nicht.

Der Hohe Flüchtlingskommissar gehört zu den ranghöchsten Posten im UN-System. Die Behörde koordiniert den weltweiten Schutz und die Versorgung von aktuell über 120 Millionen Menschen auf der Flucht, darunter Geflüchtete, Binnenvertriebene und Asylsuchende. Salihs Amtszeit beträgt fünf Jahre, mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung.

Die Kandidatur des 65-Jährigen war Ende Oktober von Hoshyar Zebari, einem führenden Mitglied der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK), öffentlich gemacht worden. Auf der Plattform X sprach er Salih die volle Unterstützung Kurdistans und des Irak aus. Salih bringe „alle Qualifikationen mit, um diese wichtige humanitäre Organisation zu führen“, schrieb Zebari.

Wer ist Barham Salih?

Barham Salih wurde am 12. September 1960 im südkurdischen Silêmanî (Sulaimaniyya) geboren. Schon in jungen Jahren wurde er wegen seines politischen Engagements zweimal vom irakischen Baath-Regime verhaftet. Später lebte er im Exil in Großbritannien, wo er an der Universität Cardiff Bauingenieurwesen und Architektur studierte. Er promovierte in Statistik und Computeranwendungen im Ingenieurwesen.

1976 trat er der Patriotischen Union Kurdistans (YNK) bei. In den 1990er Jahren war er Vertreter der ersten Regierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) im Ausland und leitete später die außenpolitischen Beziehungen der kurdischen Regionalregierung in den USA.

Salih war von 2001 bis 2004 Premierminister der KRI. Nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein wurde er 2004 stellvertretender Premierminister der irakischen Übergangsregierung, anschließend Planungsminister. Unter Ministerpräsident Nuri al-Maliki diente er von 2006 bis 2009 erneut als Vize-Regierungschef. 2007 gründete er die American University of Iraq in Silêmanî (AUIS). Im Oktober 2018 wurde Salih zum achten Präsidenten des Irak gewählt – ein Amt, das er bis 2022 innehatte.

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Nachruf auf Berfîn Nûrhaq und Sema Roza

12. Dezember 2025 - 10:00

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben den Tod der Guerillakommandantin Berfîn Nûrhaq und der Kämpferin Sema Roza bekanntgegeben. Demnach kamen beide Frauen bereits im Jahr 2021 bei türkischen Luftangriffen auf die Gare-Region in Südkurdistan ums Leben. Das geht aus einem Nachruf hervor, den die HPG anlässlich des vierten Todestages der beiden Gefallenen am Freitag veröffentlicht haben.

„Berfîn Nûrhaq – selbstlose Apoistin, Guerillakommandantin, weise Frau der Berge und aufopferungsvolle Wegbereiterin unserer Frauenbefreiungsbewegung – widmete ihr Leben der Freiheitsbewegung, getragen vom edlen Erbe des kurdischen Widerstands. Gemeinsam mit ihrer Weggefährtin Sema Roza, die an ihrer Seite fiel, übergeben sie uns ein Banner des Kampfes, das wir aufnehmen und mit Entschlossenheit weitertragen werden, um ihre Ziele zu verwirklichen, dort, wo sie aufgehört haben.

Der Schweiß, die Tatkraft, das Vorangehen, die bedingungslose Hingabe und die heldenhafte Entschlossenheit unserer freien und mutigen Gefährtinnen Berfîn und Sema werden uns überall und jederzeit Vorbild sein. Ihr revolutionäres Leben war in jedem Moment der Wahrheit zugewandt, dem Schönen verpflichtet, im Licht des Bewusstseins verankert und von der Würde des Charakters getragen.

Im Gedenken an diese würdevollen Vorreiterinnen der Berge Kurdistans bekräftigen wir unseren Entschluss: Den freien Frauenaufbruch, den demokratischen Sozialismus und ein freies Kurdistan zu verwirklichen – ebenso wie die physische Freiheit von Rêber Apo [Abdullah Öcalan], die all dies möglich machen wird. In diesem Sinne sprechen wir den wertvollen Familien unserer Gefallenen, allen Frauen, deren Herz für die Freiheit schlägt, und dem patriotischen Volk Kurdistans unser aufrichtiges Beileid aus.“

Zu den Biografien von Berfîn Nûrhaq und Sema Roza machten die HPG folgende Angaben:

                                  

Codename: Berfîn Nûrhaq
Vor- und Nachname: Hanım „Xanê“ Demir
Geburtsort: Gurgum
Namen von Mutter und Vater: Besey – Abdullah
Todestag und -ort: 13. Dezember 2021 / Gare

 

 

Codename: Sema Roza
Vor- und Nachname: Inci Sümbül
Geburtsort: Erzîrom
Namen von Mutter und Vater: Besra – Faruk
Todestag und -ort: 13. Dezember 2021 / Gare

 

Berfîn Nûrhaq

Berfîn Nûrhaq wurde im Jahr 1974 in Osmaniye als Tochter einer ursprünglich aus Albistan in Gurgum (tr. Maraş) stammenden, alevitisch-kurdischen Familie geboren, die infolge staatlicher Repression ins westliche Anatolien vertrieben wurde. Geprägt von einem Leben im Exil, von Armut, Marginalisierung und dem Bewusstsein für die eigene Herkunft, wuchs sie in einer Umgebung auf, die tief verbunden war mit kurdischer Sprache, Alevitentum und Widerstandsgeist. „Unsere Lebensbedingungen waren Bedingungen des Exils“, notierte sie später in ihren Tagebüchern. „Fremdheit, Armut, Kurdischsein, Alevitentum – all das hat unser Denken bestimmt. Meine Mutter sagte immer: ‚Em Kurmanc in, deswegen leben wir so.’“ Diese frühen Erfahrungen prägten nicht nur ihre Persönlichkeit, sondern wurden zur Wurzel eines politischen Erwachens.

 


Während ihres Studiums an der Universität Çanakkale suchte sie den Kontakt zu verschiedenen politischen Strömungen. Inmitten ideologischer Spannungen und wachsender Repression fand sie ihren Platz im revolutionären Umfeld. Der Kontakt zur kurdischen Jugendbewegung YCK und die erste Begegnung mit den Schriften des PKK-Begründers Abdullah Öcalan veränderten ihr Leben grundlegend. Der Wille zur Befreiung sowohl als Kurdin als auch Alevitin und als Frau wurde zur Triebkraft ihres Weges. 1997 schloss sich Berfîn Nûrhaq über die Balkanroute der kurdischen Befreiungsbewegung an. Sie durchlief eine erste Ausbildung an der Parteischule in Damaskus und begegnete dort dem Denken und der Methodik von Abdullah Öcalan. In ihren Erinnerungen beschrieb sie diesen Abschnitt als entscheidenden Wendepunkt: „Wer sich mit der Ideologie der PKK beschäftigt, merkt schnell: Was man tut, reicht nie aus. Je mehr man versteht, desto größer wird die Verantwortung.“

 


In diesen Jahren formte sich ihr revolutionäres Selbstverständnis: Als Frau, als Militante, als Kommandantin. Besonders prägend war für sie das, was sie „Theorie der Trennung“ nannte: Der bewusste Bruch mit patriarchalen, kapitalistischen und kolonialen Denkmustern. In den akademischen Ausbildungen im Frauencamp entwickelte sie sich zu einer Führungspersönlichkeit. Ab 1998 war sie in verschiedenen Guerillagebieten aktiv, zunächst in Metîna, später in Qendîl, Zagros, Xakurke, in den Şaho-Bergen von Rojhilat und Şengal. Sie verstand den bewaffneten Kampf nicht nur militärisch, sondern als kollektiven Prozess der Persönlichkeitsveränderung und als Ausdruck eines revolutionären Lebens. In vielen Gedichten und Texten verarbeitete sie ihre Erfahrungen. Worte wie „Xwîn, xwêdan, hesirê çavan. Bû derya her sê dilop...“ zeugen von ihrer inneren Verbindung zu den Bergen Kurdistans.

In all den Jahren war Berfîn Nûrhaq nicht nur Kämpferin, sondern Ausbilderin, Koordinatorin, Strategin. Sie galt als eine der führenden Kommandantinnen der Verbände freier Frauen (YJA Star) und übernahm Verantwortung in der Frauenpartei PAJK, den Apollo-Akademien sowie in mehreren zentralen Gremien der kurdischen Bewegung. Einer der bedeutendsten Abschnitte ihres Wirkens war ihr Einsatz in der ezidischen Şengal-Region nach dem genozidalen Überfall der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im August 2014. Die Angriffe auf die ezidische Gemeinschaft, insbesondere auf Frauen, erschütterten sie zutiefst.

 


Als Kommandantin der YJA Star beteiligte sie sich an der Verteidigung der Region und an der Organisierung der weiblichen Selbstverteidigungseinheiten YJŞ. Für Berfîn Nûrhaq war dies auch eine persönliche Verpflichtung gegenüber Xanê, einer sich aus Europa dem Widerstand angeschlossenen ezidischen Kämpferin, die 2008 bei der Verteidigung der Angriffe des iranischen Staates auf die kurdische Guerilla in Kelareş ums Leben kam. In Şengal setzte sie sich für den Aufbau von Ausbildungsstrukturen ein, die jungen ezidischen Frauen eine ideologisch wie militärisch fundierte Selbstermächtigung ermöglichen sollten. Die Gründung der „Şehîd-Xanê-Akademie“ war dabei eines ihrer wichtigsten Projekte.

 


„Nachdem Berfîn Nûrhaq ihre Aufgaben in Şengal erfüllt hatte – an jenem Ort, den sie selbst als einen zentralen Ausdruck des Willens und der Verantwortung der Freiheitsbewegung verstand –, kehrte sie in die freien Berge zurück“, heißt es weiter im Nachruf. „Dort übernahm sie als Mitglied des zentralen Hauptquartiers der YJA Star eine der strategisch bedeutendsten Aufgaben innerhalb der Bewegung: die Leitung der Apollo-Akademien. In dieser Funktion widmete sie sich mit ganzer Kraft und Überzeugung der Ausbildung ihrer Weggefährt:innen. Im Mittelpunkt standen dabei das tiefgreifende Verständnis der Philosophie von Rêber Apo, die Entwicklung einer freien Frauenpersönlichkeit sowie die Fähigkeit, Führung mit taktischem Tiefgang und praktischer Umsetzungskraft zu verbinden. Mit Begeisterung, Disziplin und Liebe erfüllte sie diese Aufgabe, die sie als wesentlichen Beitrag zur Organisierung einer befreiten Gesellschaft verstand.

 


Berfîn Nûrhaq lebte ihren Anspruch an ‚komplette Revolution‘ in all ihren Aufgaben. Bis zu ihrem Tod blieb sie diesem Weg treu, getragen von dem Bewusstsein, dass jede Veränderung mit Selbstveränderung beginnt. Ihr revolutionärer Marsch endete am 13. Dezember 2021, als sie bei einem Luftangriff des türkischen Staates in der Gare-Region ums Leben kam. Auch wenn ihr Tod tiefe Trauer bei ihren Weggefährt:innen, in der kurdischen Gesellschaft und in der Freiheitsbewegung hinterlässt, bleibt ihr Vermächtnis lebendig. Ihr Weg, ihre Haltung und ihre Vorstellung von einer freien Frau gelten als Orientierung für eine neue Generation. In Erinnerung an Berfîn Nûrhaq bekräftigen wir das Versprechen, ihre Spuren auf dem Weg zu einer befreiten Frau, einer demokratischen Gesellschaft und einem freien Kurdistan fortzusetzen.“

Sema Roza

Sema Roza wuchs in einer patriotischen Familie in Bêraqdar (auch Qereyazî, tr. Karayazı) in der nordkurdischen Provinz Erzîrom (Erzurum) auf. Ihr politisches Engagement in den Reihen der kurdischen Bewegung begann 2011 in ihrer Heimatstadt. Die Entscheidung, sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen, reifte in ihr spätestens im Jahr 2015, nachdem ihre Schwester sich bereits zwei Jahre zuvor der Guerilla angeschlossen hatte und nicht zuletzt unter dem Eindruck der Ermordung und öffentlichen Demütigung der Guerillakämpferin Ekin Wan durch die türkische Polizei. Im September desselben Jahres trat sie in die Reihen der kurdischen Freiheitsbewegung ein.

„Der starke Bezug zur familiären Widerstandskultur verlieh Sema Roza von Beginn an innere Festigkeit, Klarheit und Beständigkeit. Ihr erklärtes Ziel war es, als Guerillakämpferin der Unterdrückung der Frau in Kurdistan entgegenzutreten und zum Aufbau eines freien Lebens beizutragen“, so die HPG in ihrem Nachruf. Mit der Philosophie Abdullah Öcalans als innerem Kompass war es ihr ein zentrales Anliegen, als vollständige, bewusste, kämpferische Frau Teil der militanten Frauenbewegung zu werden. Nach der Basisausbildung schloss sie sich den Einheiten in den Medya-Verteidigungsgebieten an, wo sie sich vor allem in ideologisch-akademischen Strukturen einbrachte. Die Auseinandersetzung mit der militärischen Theorie und Praxis der kurdischen Bewegung, aber auch mit der Geschichte und Strategie des Befreiungskampfes, verhalf ihr zu tieferer Selbsterkenntnis und politischem Bewusstsein.

 


In diesen Jahren verstärkte sich ihr Verständnis für die Systematik der Herrschaft, der sie entkommen wollte. Mit jeder Etappe des Kampfes entfernte sie sich innerlich weiter vom kapitalistischen System, das sie als Quelle von Ausbeutung, Entfremdung und Geschlechterunterdrückung verstand. Ihre Verbundenheit zu Abdullah Öcalan wie auch ihr Vertrauen in die Veränderbarkeit der eigenen Persönlichkeit durch kollektiven Kampf wuchs stetig. In späteren Jahren übernahm Sema Roza Aufgaben im Hauptquartier der YJA Star und arbeitete eng mit Berfîn Nûrhaq zusammen. In ihr fand sie eine Quelle der Inspiration und eine Persönlichkeit, deren freiheitliche Haltung, Konsequenz und ideologische Klarheit Sema Roza tief beeindruckten.

„In ihrer Praxis zeichnete sich Hevala Sema durch hohe Disziplin, Verlässlichkeit und Hingabe aus. Sie war eine derjenigen Kämpferinnen, die sich selbst stets weiterbildeten – nicht nur für sich, sondern auch, um andere zu unterstützen. Unter ihren Weggefährt:innen galt sie als Fedai-Persönlichkeit, die bereit war, sich ohne Vorbehalt einzubringen, die Aufgaben zu tragen und die Lasten zu teilen. Ihr Wesen war geprägt von tiefer Entschlossenheit und selbstloser Solidarität.“

Am 13. Dezember 2021 befand sich Sema Roza in der Nähe, als ihre Weggefährtin Berfîn Nûrhaq Ziel eines türkischen Luftangriffs wurde. „Ohne zu zögern, setzte sie sich in Bewegung, um ihrer schwer getroffenen Kommandantin zur Hilfe zu kommen. In einem Akt höchster Hingabe und Aufopferung handelte sie ganz im Geist des apoistischen Fedai-Verständnisses, das das Leben der Weggefährt:innen über das eigene stellt. Trotz weiteren massiven Angriffen bewegte sie sich mutig und entschlossen voran: ihre Loyalität ist lebendiger Ausdruck jener genossenschaftlichen Ethik, die im Zentrum der PKK steht.“

 


Dieser selbstlose Akt, der Sema Roza letztlich ebenfalls das Leben kostete, wird von den HPG in dem Nachruf als beispielhaftes Handeln und als Ausdruck wahrer militärischer und menschlicher Größe gewürdigt. „Gemeinsam mit Berfîn Nûrhaq reiht sie sich ein in die lange Reihe derer, die durch Einsatz, Haltung und Opfer zu lebendigen Bausteinen der kurdischen Freiheitsbewegung geworden sind. Ihr Andenken ist ein Auftrag an alle, die den Kampf für ein freies Leben weitertragen. Sema Roza wird in der kollektiven Erinnerung ihrer Weggefährt:innen als entschlossene, bescheidene und kämpferische Persönlichkeit weiterleben.

Im Bewusstsein der historischen Bedeutung ihres Einsatzes gedenken wir der Freundinnen Sema und Berfîn mit tiefer Liebe und Respekt. Ihre Haltung, ihr Einsatz und ihr Opfer stehen für die Wirklichkeit einer Frau, die sich in der Freiheitsbewegung neu erschaffen hat. Unser Versprechen ist klar: Wir werden ihre Werte niemals vergessen, ihr Vermächtnis tragen, und wir werden kämpfen – bis zur physischen Freiheit von Rêber Apo. Als Kommandant:innen und Kämpfer:innen der HPG und YJA Star werden wir diesen Weg mit Entschlossenheit fortsetzen und sind bereit, jeden erforderlichen Preis dafür zu zahlen.“

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Rennes und Amed vereinbaren Städtepartnerschaft

12. Dezember 2025 - 10:00

Die langjährige Freundschaft zwischen der französischen Stadt Rennes und der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) ist in feierlichem Rahmen in ein offizielles Städtepartnerschaftsabkommen überführt worden. Bei einer Zeremonie unterzeichneten Vertreter:innen beider Kommunen am Donnerstagabend ein entsprechendes Protokoll.

Die Partnerschaft knüpft an eine über Jahrzehnte gewachsene Beziehung an, die nun eine formale Grundlage erhält. An dem Empfang nahmen unter anderem Rennes’ sozialistische Bürgermeisterin Nathalie Appéré, ihre Stellvertreterin für internationale Beziehungen, Flavie Boukhenoufa, sowie Mitglieder der Stadtverwaltung teil. Auch André Métayer, Gründer und Ehrenvorsitzender des Kurdisch-Bretonischen Freundschaftsvereins (AKB), war anwesend. Die Stadt Amed wurde durch ihre Ko-Oberbürgermeister:innen Serra Bucak und Doğan Hatun vertreten.

 


Bürgermeisterin Appéré würdigte die Städtepartnerschaft als einen „besonderen Moment“, der die fast 40-jährige Verbindung beider Städte nun auch offiziell sichtbar mache. Die Ko-Bürgermeister:innen aus Amed nannten die Partnerschaft einen „würdrvollen und hoffnungsvollen Schritt“ und hoben die Bedeutung von Zusammenarbeit in Bereichen wie Kultur, soziale Teilhabe und demokratischer Austausch hervor.

Ein besonderer Moment der Veranstaltung war die Ehrung von André Métayer für sein jahrzehntelanges Engagement im Dienste der kurdisch-bretonischen Freundschaft. Er erhielt eine Gedenkplakette sowie ein Trikot des Fußballclubs Amedspor mit seinem Namen als Zeichen des Dankes für seinen Einsatz.

Begleitet wurde die Zeremonie von Musik und traditionellen Tänzen, an denen viele Mitglieder der kurdischen Gemeinschaft in Rennes teilnahmen. Für die Zukunft planen beide Städte einen engen Austausch durch kulturelle Projekte, wechselseitige Besuche und gemeinsame Initiativen.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/amed-wahlt-drei-burgerprojekte-fur-partizipativen-haushalt-aus-48523

 

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„Dengbêjên Me“ – Auf den Spuren des kulturellen Gedächtnisses

12. Dezember 2025 - 8:00

Die Dokumentation „Dengbêjên Me“, die sich der mündlichen Erzähltraditionen der „Dengbêjî“ widmet, archiviert diese kurdische Kultur nicht nur, sondern fungiert zugleich als Brücke, die sie in die Gegenwart trägt. Regisseur Ali Bagdu hat den Film im Rahmen seiner Deutschlandtour in Berlin, Hamburg und Mainz präsentiert; sowohl bei der kurdischen Diaspora als auch bei kulturinteressierten Zuschauer:innen aus Europa ist er auf großes Interesse gestoßen. Im ANF-Interview spricht der Regisseur über die Motivation hinter dieser Reise auf den Spuren des kulturellen Gedächtnisses, den Herausforderungen während der Dreharbeiten und der Rolle des Films für die mündliche Tradition.

Wir sehen, dass die Dengbêj-Tradition bis heute lebendig ist. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Rolle des Films, um diese Tradition an die jüngeren Generationen weiterzugeben?

Dengbêjî ist zwar weiterhin eine lebendige Kultur, aber wenn sie nicht sichtbar gemacht wird, verschwindet sie leise. Film ist hier kein reines Aufzeichnungsinstrument, sondern ein Träger. Die Stimmen, Geschichten und Erinnerungen der Dengbêjs können durch den Film Grenzen überwinden. Die junge Generation hat kaum noch die Möglichkeit, die mündliche Tradition direkt zu hören, aber der Film öffnet eine Tür zu diesem Gefühl. Deshalb ist die Rolle des Films für mich lebenswichtig.

Ali Bagdu

Während der Dreharbeiten zu „Dengbêjên Me“ haben Sie viel Zeit mit verschiedenen Dengbêj-Sängern verbracht. Welcher Moment hat Sie am meisten erschüttert oder verändert?

Am meisten erschüttert hat mich, dass viele Dengbêjs unter sehr schweren Bedingungen leben. Es hat mich tief getroffen zu sehen, wie ein kulturelles Gedächtnis seinem eigenen Schicksal überlassen wurde. Viele sagten: „Es gibt niemanden mehr, der uns zuhört.“ In diesen Momenten spürte ich das Ende einer Epoche. Genau da sah ich den Film nicht mehr als Dokumentation, sondern als eine Verpflichtung.

Was sehen Sie als das größte Problem des heutigen kurdischen Kinos? Welche Rolle kommt unabhängigen Regisseur:innen bei dessen Lösung zu?

Ich denke, das größte Problem ist ganz einfach: Es fehlt an Unterstützung. Alle sagen, „Das kurdische Kino soll sich entwickeln“, aber wenn es um die Praxis geht, legt niemand wirklich Hand an. Junge Regisseur:innen wollen Geschichten erzählen, finden aber keine Finanzierung, keine Drehorte, keine Ausrüstung. Irgendwann geben viele auf.

Ihre Bemühungen, das gesellschaftliche Gedächtnis durch Film zu bewahren, fallen stark auf. Wie würden Sie das Verantwortungsgefühl beschreiben, das diese Mission in Ihnen auslöst?

Diese Verantwortung ist keine Last, sondern eher eine Notwendigkeit. Wenn wir dieses Gedächtnis heute nicht festhalten, könnte morgen niemand mehr davon erzählen. Ich fühle mich weniger wie ein Regisseur, sondern mehr wie jemand, der eine Zeugnispflicht übernimmt. Das zwingt mich zu ständiger Achtsamkeit.

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Frauen haben historisch einen wichtigen Platz in der Dengbêj-Tradition. Warum kommen im Film keine weiblichen Dengbêjs vor?

Die historische Bedeutung weiblicher Dengbêjs ist sehr groß, aber in den Regionen, in denen ich gedreht habe, konnte ich keine Frauen finden, die diese Kunst noch aktiv ausüben. Das war keine bewusste Entscheidung von mir; sie sind mir schlicht nicht begegnet. Einige wollten nicht sprechen, andere wollten nicht aufgezeichnet werden. Ich habe dieses Defizit bewusst festgehalten und möchte es später in einem eigenen Projekt behandeln.

Während Ihrer Deutschlandtour konnten Sie direkt mit dem Publikum in Kontakt treten. Welche Reaktionen haben Sie erhalten? Hat Sie die Haltung des europäischen Publikums gegenüber der kurdischen Kultur überrascht?

Ganz offen gesagt: Ich habe ein viel wärmeres Interesse erlebt, als ich erwartet hatte. Die Menschen kamen nicht nur, um einen Film zu sehen; sie wollten sich austauschen, die Kultur verstehen und wirklich in die Welt der Dengbêjs eintauchen. Am meisten überraschte mich etwas anderes: Die Menschen in Europa zeigten eine Wertschätzung, die wir in unserer eigenen Region oft nicht erfahren.

Wie verläuft der aktuelle Vorführprozess von „Dengbêjên Me“? Haben Sie auf dem Festivalweg die Unterstützung erhalten, die Sie sich erhofft hatten?

Der Vorführprozess läuft tatsächlich besser als erwartet. Besonders dank der Unterstützung von Cemil Qoçgirî und Eda Tanses hatten wir die Möglichkeit, den Film in vielen Städten zu zeigen. Diese Unterstützung war für mich sehr wertvoll; sie hat mir das Gefühl gegeben, mit dem Film nicht allein unterwegs zu sein.

https://deutsch.anf-news.com/kultur/dengbej-kunst-ziert-stadtbild-von-tatos-47822 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kollektive-kunst-als-praxis-von-widerstand-und-hoffnung-46559 https://deutsch.anf-news.com/kultur/dengbej-diwan-in-mantes-la-jolie-42348 https://deutsch.anf-news.com/kultur/die-kraft-der-frauen-Sengal-als-theaterstuck-23025

 

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Anhaltende Repressionswelle in Rojhilat

11. Dezember 2025 - 19:00

In Rojhilat (dt. Ostkurdistan) hält die Repressionswelle iranischer Sicherheitskräfte gegen die kurdische Zivilbevölkerung an. Wie die in Frankreich ansässige Menschenrechtsorganisation Kurdistan Human Rights Network (KHRN) aktuell berichtet, sind in den letzten Wochen 24 Kurd:innen in den Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan festgenommen worden.

Die jüngsten fünf Festnahmen sollen alle ohne Haftbefehl erfolgt sein. In Nexede sind laut KHRN am 7. Dezember Mahmoud Khodadadi und Hemin Rahimi an ihrem Arbeitsplatz festgenommen und geschlagen worden. Nach Rahimis Festnahme hätten die Sicherheitskräfte ihn zum Haus seiner Familie gebracht und das Grundstück durchsucht, wobei sie Haushaltsgegenstände beschädigten, berichtete die Menschenrechtsorganisation.

Kazem Azdeh und Nasser Azarm aus Khalifan sind nach Angaben des KHRN am 9. Dezember ebenfalls ohne Haftbefehl festgenommen. Am folgenden Tag, dem 10. Dezember, sollen Sicherheitskräfte Saman Ghorbani in seinem Elternhaus im Dorf Il-e Teymur in Mahabad geschlagen und auch ihn ohne Haftbefehl festgenommen haben.

Aufenthaltsort und Rechtsstatus unbekannt

Alle fünf Festgenommenen sollen in Haftanstalten des Sicherheitsdienstes in Ûrmiye (Urmia) in der Provinz West-Aserbaidschan gebracht worden sein. Trotz wiederholter Anfragen der Familien hätten die Sicherheits- und Justizbehörden bisher keine Informationen über den Aufenthaltsort oder den rechtlichen Status der Betroffenen gegeben.

Nach Angaben des KHRN haben Sicherheitskräfte in den letzten zwei Wochen mindestens 24 kurdische Zivilist:innen in Merîwan (Marivan), Bokan (Bukan), Mahabad, Şino (Oshnavieh), Pîranşar (Piranschahr), Ûrmiye und Nexede festgenommen. Diese Festnahmen wurden demnach größtenteils von Agenten der Geheimdienstorganisation der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) und des Geheimdienstministeriums durchgeführt.

Bild © KHRN

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/tod-durch-fehlende-medizinische-versorgung-in-haft-49194 https://deutsch.anf-news.com/frauen/rojhilat-bericht-dokumentiert-repression-und-gewalt-gegen-kurdische-frauen-49130 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/kulturaktivist-in-rojhilat-zu-haftstrafe-verurteilt-48728 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/irans-oberstes-gericht-hebt-todesurteile-gegen-funf-kurden-auf-48551

 

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Türkei: Neues Album von Awazê Çiya auf Spotify verboten

11. Dezember 2025 - 19:00

Awazê Çiya ist eine der bekanntesten Stimmen in der Musikszene der kurdischen Guerilla. Mit Werken Destana PKK, ARGK Rizgarî, Navê Vê und Serhildan hat die Gruppe die Herzen von Millionen Menschen erobert. Das nach monatelanger Arbeit im August erschienene aktuelle Album „Dara Jiyanê“ (dt. Baum des Lebens) ist nun aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung auf Spotify in der Türkei nicht mehr hörbar.

Das Album wurde von Hunergeha Şehîd Zerdeşt produziert und veröffentlicht, wodurch zehn neue Werke von Awazê Çiya ihrem Publikum zugänglich gemacht wurden. In seiner Entscheidung verbot ein Strafgericht erster Instanz in Ankara gemäß des Internetgesetzes (Artikel 8/A des Gesetzes Nr. 5651) das Anhören des Albums auf Spotify.

Der Zugriff auf das Album wurde in der Türkei gesperrt, nachdem die türkische Behörde für Informations- und Kommunikationstechnologien Spotify über die Gerichtsentscheidung informiert hatte.

Die Geschichten in den Liedern

Die Songs auf dem Album handeln von Gefallenen, Gefängnissen, dem Widerstand des Volkes und dem Guerillakampf. Die Lieder drücken die Sehnsucht nach „freien Jahreszeiten“ aus.

Auf dem CD-Cover schrieb Awazê Çiya folgende Worte: „Wir widmen dieses Album, Dara Jiyanê, Rêber Apo [Abdullah Öcalan]. Rêber Apo sagte einmal: ‚In den 70er Jahren pflanzten wir einen Samen in den Boden unserer Heimat. Er wurde zu einem Bäumchen und wuchs jedes Jahr weiter.‘ Dieses Bäumchen wurde zu einem Baum, der seine Äste über Kurdistan, den Nahen Osten und die ganze Welt ausbreitete.

Dieses Album besteht aus zehn Liedern. Wir glauben, dass die Lieder auf diesem Album die Gefühle unserer Zuhörer:innen ansprechen werden. Die Lieder drücken die Sehnsucht nach freien Jahreszeiten und das Ziel zukünftigen Erfolgs aus. Mit dem Glauben an freie Tage, die kommen werden ...“

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/konzert-von-koma-awaze-Ciya-bei-feier-in-den-bergen-47564 https://deutsch.anf-news.com/kultur/dara-jiyane-das-neue-album-von-awaze-Ciya-erscheint-morgen-47517 https://deutsch.anf-news.com/kultur/guerillaband-awaze-Ciya-bringt-neues-album-heraus-47304

 

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„Öcalans Freiheit ist die Garantie für den Prozess“

11. Dezember 2025 - 17:00

Zahlreiche Politiker:innen und Fachwissenschaftler:innen aus verschiedenen Ländern haben an der „Internationalen Konferenz für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ teilgenommen, die vom 6. bis 7. Dezember in Istanbul von der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) organisiert worden ist. Unter ihnen Senator Josu Estarrona Elizondo aus dem Baskenland, der im ANF-Interview sowohl seine Eindrücke von der Konferenz als auch seine Einschätzung des Prozesses erläutert.

Die zweitägige Konferenz brachte wichtige Schlussfolgerungen und Beobachtungen hervor, wobei die Teilnehmenden insbesondere betonten, dass im Rahmen des neu initiierten Dialogprozesses Abdullah Öcalan, der in Imrali inhaftiert ist, freigelassen werden muss. Die Entwicklungen, so der Tenor, könnten der Welt und insbesondere dem gesamten Nahen Osten zugutekommen. Es sei nun von Bedeutung, konkrete Schritte einzuleiten und auch eine intensive Diskussion über Sozialismus und Marxismus zu führen.

Nach der Konferenz reiste eine Gruppe von Delegierten nach Amed (tr. Diyarbakır). Dort trafen sie sich mit Frauenorganisationen und der Stadtverwaltung und besuchten historische Stätten im Alstadtbezirk Sûr und Xirabreşk (tr. Göbekli Tepe). Josu Estarrona Elizondo war ebenfalls Teil dieser Delegation.


„Ich habe aus historischer Solidarität an der Konferenz teilgenommen“

Estarrona Elizondo erklärte, der Hauptgrund für seine Teilnahme an der Konferenz sei die historische Solidarität des Baskenlandes und der Euskal Herria Bildu (EH-Bildu) mit dem Kampf des kurdischen Volkes. Auch die Bask:innen seien eine staatenlose Nation, die zwischen zwei Staaten und unterschiedlichen institutionellen Strukturen aufgeteilt ist: „Unser Land ist seit dem 16. Jahrhundert geteilt, und seitdem hat jede Generation irgendeine Form von Konflikt und Widerstand erlebt.“

Ein unumkehrbarer Prozess

Der baskische Abgeordnete zeigte sich fest überzeugt, dass das kurdische Volk seinen Weg zum Frieden begonnen habe und dass dieser Prozess unumkehrbar sei. Der wichtigste Aspekt der Konferenz sei für Estarrona Elizondo die Betonung des Lernens aus internationalen Erfahrungen gewesen.

Die Strategie der linken nationaler Befreiungsbewegungen im Baskenland beruhe laut dem Politiker auf zwei Hauptsäulen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: „Sicherung der Unterstützung und Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft“ und „Ansprache der Teile der baskischen Gesellschaft, die einen unbewaffneten Freiheitsprozess für möglich halten“.

„Führungskräfte dürfen nicht isoliert werden“

Estarrona Elizondo wies darauf hin, dass bestimmte Elemente des Staates Schritte in Richtung Frieden behindert haben, indem sie politische Führungskräfte verhaftet und versucht haben, sie aus dem politischen Leben zu entfernen. Er halte dies indes für einen großen Fehler. „Führungskräfte müssen in der Lage sein, mit der Gesellschaft in Kontakt zu treten, die Stimmung in der Öffentlichkeit zu lesen, einen pädagogischen Ansatz zu entwickeln und mit denjenigen zu diskutieren, die noch nicht überzeugt sind. Die Isolierung von Führungskräften schafft nur neue Probleme für die Zukunft“, hielt er fest.

„Frieden und Demokratie sind für alle wertvoll“

Die Lösung politischer Fragen, sei es die baskische oder die kurdische Frage, müsse zwingend innerhalb eines rechtlichen Rahmens erfolgen. „Dieser Ansatz macht die Demokratisierung staatlicher Strukturen gesünder, schneller und erfolgreicher. Friedensprozesse müssen aus Erfahrungen lernen. Frieden und Demokratie sind für alle wertvoll, und es ist unerlässlich, dass dies im Einklang mit dem Völkerrecht und internationalen Normen geschieht. Frieden und Versöhnung kommen allen zugute“, sagte er.

Die Bedeutung von Öcalans Friedensappell

Abdullah Öcalans Friedensappell vom 27. Februar hält Estarrona Elizondo für die Politik im Nahen Osten und weltweit von großer Bedeutung. Hierbei stelle insbesondere das politische Paradigma Öcalans einen „Ausgangspunkt für die Lösung politischer und sozialer Probleme in der Region“ dar.

In diesem Sinne unterstrich der baskische Abgeordnete erneut die Rolle Öcalans: „Ich glaube, dass Öcalans Aufruf und seine Ideen die Kraft haben, faschistische Denkweisen zu überwinden. Eine wahre Führungspersönlichkeit hat die Fähigkeit, strategische Veränderungen herbeizuführen.“

Öcalans Ideen als Garantie für Frieden und Demokratie

Estarrona Elizondo betonte in diesem Zusammenhang, dass die Freiheit von Abdullah Öcalan die Garantie für diesen Prozess sei, und sagte: „Seine Ideen müssen stärker in die Gesellschaft integriert werden. Die Völker brauchen eine demokratische Nation, die auf demokratischer Modernität und der Idee des Zusammenlebens basiert. Der Weg zu einer friedlichen und demokratischen Gesellschaft in einem freien Kurdistan führt darüber.“

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DEM-Wähler:innen befürworten Friedensprozess

11. Dezember 2025 - 16:00

Das Saha Araştırmaları Merkezi (Zentrum für sozipolitische Feldstudien, kurz SAMER) hat eine Online-Studie mit 1.655 Teilnehmenden durchgeführt und die Haltung von Wähler:innen der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) zum aktuellen Prozess in Kurdistan und der Türkei untersucht. Hierbei sind sowohl der diesbezügliche Wissensstand, die Erwartungen und Einschätzungen der beteiligten Akteur:innen erfragt worden. Über 90 Prozent der Befragten gehen von einem mindestens partiellen Erfolg des Prozesses aus, wobei sie hierfür mehrere Akteur:innen verantwortlich sehen.

Den Ergebnissen zufolge war die Mehrheit der Teilnehmenden mittleren Alters und verfügte über einen höheren Bildungsstand. Insgesamt 94,6 Prozent identifizierten sich als kurdisch, und 96,3 Prozent gaben an, dass sie bei einer heutigen Wahl erneut für die DEM-Partei stimmen würden. Fast 90 Prozent gaben an, über mäßige bis gute Kenntnisse bezüglich des aktuellen Prozesses zu verfügen.

Reaktion auf die Haltung der CHP

Eines der auffälligsten Ergebnisse der Studie betraf den Imrali-Besuch der parlamentarischen „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ und die Entscheidung der Republikanischen Volkspartei (CHP), keine Delegierten zu entsenden. Laut den Umfrageergebnissen waren 95 Prozent der Befragten der Meinung, die CHP hätte teilnehmen sollen, 87 Prozent bewerteten die Entscheidung sogar als negativ.

Insgesamt stieß der Besuch fast einstimmig auf Zustimmung, ebenfalls der Wunsch derlei Treffen fortzusetzen.

Vorsichtiger Optimismus

Die Antworten auf die Frage „Glauben Sie, dass der Prozess erfolgreich sein wird?“ zeigten eine vorsichtige Hoffnung unter den Wähler:innen: Während über die Hälfte mit „Ja“ antwortete und mehr als ein Drittel „teilweise“ sagte, verneinten dies lediglich acht Prozent.

Primäre Erwartung: konkrete Schritte und Rechtsreformen

Die offenen Antworten zeigten, dass die DEM-Wähler:innen klare Erwartungen an den Staat hinsichtlich des Fortschritts des Friedensprozesses haben. Die am häufigsten genannten Prioritäten waren:

- 12,3 Prozent: die Freilassung politischer Gefangener, insbesondere derjenigen, die schwer krank sind,

- 8,3 Prozent: die Freilassung von Abdullah Öcalan,

- 7,4 Prozent: Rechts- oder Verfassungsreformen in Bezug auf die kurdische Frage,

- 6,5 Prozent: die Gewährleistung des Rechts auf Unterricht in der Muttersprache und auf kulturelle Rechte,

- 4,8 Prozent: die Beschleunigung der Demokratisierung,

- 4 Prozent: die Beendigung der Praxis der staatlich bestellten Treuhänder.

Verantwortung wird als Aufgabe mehrerer Akteur:innen gesehen

Die Förderung des Friedensprozesses liege nach Auffassung der Befragten nicht bei einer einzigen Partei, sondern sollte von mehreren Akteur:innen getragen werden. Hierbei war die Reihenfolge der höchsten Prozentsätze (11,5-14,3 Prozent) absteigend wie folgt: AKP, der Staat, Abdullah Öcalan, MHP und DEM-Partei.

Das Umfrageinstitut interpretierte die Ergebnisse wie folgt: „Diese Verteilung zeigt, dass die Öffentlichkeit der Meinung ist, dass sowohl der Staat als auch die kurdische politische Bewegung einen wirksamen, aufrichtigen und koordinierten Ansatz entwickeln müssen, damit der Friedensprozess wiederbelebt werden und Erfolg haben kann. Sie zeigt auch, dass die Teilnehmenden die Verantwortung nicht einzelnen Akteur:innen zuschreiben, sondern durch die Angabe von mehr als einer Antwort ein Feld der Verantwortung mehrerer Akteur:innen skizzieren.“

Saha Araştırmaları Merkezi

Das Saha Araştırmaları Merkezi ist eine in der Türkei ansässige Forschungseinrichtung mit Sitz in Amed (tr. Diyarbakır). Durch Feldstudien und Analysen erforscht es gesellschaftliche und politische Trends in der Türkei. Es konzentriert sich hierbei auf drei Fehler:

Politische Forschung: Erstellung von Umfragen und Berichten über die Wählerbasis politischer Parteien und allgemeine politische Trends.

Frauenstudien: Veröffentlichung von Spezialberichten zu Themen wie Gewalt gegen Frauen und dem Profil von Frauen in der Gesellschaft.

Sozio-kulturelle und aktuelle Studien: Untersuchung verschiedener aktueller gesellschaftlicher Themen wie Migration, Sprache und Wirtschaft.

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