«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Kunstschaffende fordern Arbeit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden
Dichter:innen, Schriftsteller:innen und Kunstschaffende sind in Antalya zusammengekommen und haben mittels einer Pressekonferenz eine friedliche Lösung der kurdischen Frage gefordert. Şükrü Erbaş hat hierbei die gemeinsame Erklärung verlesen und betont, dass Frieden die größte Weisheit sei, die die Menschheit in Tausenden von Jahren des Leidens gelernt habe: „Wir wollen nicht durch Sterben wachsen, sondern durch Leben. Wir wollen die Welt nicht mit den leblosen Augen unserer Toten betrachten, sondern durch sonnige Fenster.“
„Die Welt steht auf vier goldenen Säulen“
Erbaş forderte ein Ende des Konflikts und ein Zusammenleben aller Teile der Gesellschaft auf der Grundlage von Gleichheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden und sagte: „Die Welt steht auf vier goldenen Säulen: Arbeit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Fehlt eine davon, können die anderen drei nicht existieren. Deshalb fordern wir Frieden.“
Er rief die Menschen dazu auf, den Friedensprozess anzunehmen und die soziale Solidarität zu stärken.
Unterzeichnende
Den gemeinsamen Aufruf haben unterzeichnet: İlkay Akkaya, Orhan Alkaya, Abdullah Ataşçı, Şehmus Ay, Erdoğan Aydın, Burç Baysal, Cevahir Bedel, Gökçenur Ç., Abdullah Aren Çelik, Mazlum Çimen, Aydın Çubukçu, Ayşegül Devecioğlu, Şeyhmus Diken, Kubilay Döşeyen, Deniz Durukan, Şükrü Erbaş, Vecdi Erbay, Haydar Ergülen, Selman Ergün, Münip Ermiş, Kerem Fırtına, Erdal Gilgil, Sema Güler, Semih Gümüş, Erdal Güney, Hicri İzgören, Metin Karausta, Hasan Kıyafet, Jülide Kural, Akif Kurtuluş, Mustafa Orman, Altay Öktem, Oktay Özaltun, Mehmet Özer, Nazire Öztürk, Gökmen Sambur, Beşir Sevim, Suavi, Nur Sürer, Hüseyin Şahin, Ertan Taşkıran, Latife Tekin, Ahmet Telli, Mahmut Temizyürek und Mesut Varlık, Eşber Yağmurdereli
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-botschaft-an-kulturfestival-neues-kapitel-fur-freiheit-und-demokratie-beginnt-47926 https://deutsch.anf-news.com/frauen/delegation-der-kurdischen-frauenbewegung-im-turkischen-parlament-48278 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/hisyar-Ozsoy-friedensprozesse-brauchen-Offentlichkeit-und-politische-reformen-48169
Politische Gefangene: Öcalans Leitung führt zum Erfolg
Gefangene in der Türkei haben anlässlich des 9. Oktober eine schriftliche Erklärung abgegeben. An diesem Tag begann mit Öcalans Zwangsausweisung aus Syrien seine Odyssee, die durch eine internationale Geheimdienstoperation schließlich in türkischer Isolationshaft auf Imrali mündete.
Deniz Kaya betonte im Namen der inhaftierten Freiheitskämpfer:innen, dass der 9. Oktober 1998 den Beginn einer Intervention markierte, die nicht nur Abdullah Öcalan, sondern auch die Zukunft des kurdischen Volkes und der Völker des Nahen Ostens zum Ziel hatte. Er wies darauf hin, dass dieser Prozess seitdem zu bedeutenden sozialen und politischen Entwicklungen sowohl in der Türkei als auch im Nahen Osten geführt habe.
„Eine neue Welle von Angriffen richtete sich gegen Hoffnung“
In der Erklärung heißt es: „Zu Beginn des 28. Jahres dieser Verschwörung gedenken wir mit Respekt und Dankbarkeit all unserer revolutionären Gefallenen, insbesondere unserer Genoss:innen Halit Oral und Aynur Artan, die die Proteste unter dem Motto ‚Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln‘ anführten und inspirierten, die einen lodernden Feuerkreis um Öcalan bildeten. Gleichzeitig verurteilen wir mit tiefem Hass alle Kräfte, die an dieser Verschwörung beteiligt sind.
Die internationale Verschwörung markiert auch den Beginn einer großen Intervention gegen die Zukunft der Völker des Nahen Ostens, allen voran des kurdischen Volkes, durch die Person Öcalans. Die dominierenden Mächte, die vor einem Jahrhundert die Grenzen des Nahen Ostens gezogen haben, starteten hundert Jahre später eine neue Welle von Angriffen, die sich gegen alle Strukturen und Ideologien richteten, die den Völkern der Region Hoffnung geben konnten. Öcalans Beharren auf Sozialismus, seine Idee einer ‚Demokratischen Einheit des Nahen Ostens‘ und seine Vision, die auf dem gemeinsamen Kampf der Völker basiert, wurden zu den Hauptzielen dieser Angriffe.“
Die Gefangenen unterstrichen, dass alle damals an der Verschleppung beteiligten regionalen und globalen Mächte, heute noch immer in dem Gebiet präsent sind. Sie seien „für das Inferno des Krieges verantwortlich, das den Nahen Osten weiterhin heimsucht“.
„Angestrebt wurde ein Bürgerkrieg“
Die Entführung und Isolation Öcalans habe die gemeinsame Zukunft des kurdischen und des türkischen Volkes ins Visier genommen, „um einen Bürgerkrieg zu entfachen“. Weiter hieß es in der Erklärung: „Abdullah Öcalan vereitelte diesen finsteren und gefährlichen Plan jedoch mit seiner Haltung und dem demokratischen Lösungsparadigma, das er im Imrali-Gefängnis entwickelte, und zeigte, dass die Völker der Türkei dieser Falle und diesem Strudel der Unsicherheit durch Frieden, Demokratie und Dialog entkommen können.“
Die politischen Gefangenen insistierten darauf, dass es in den letzten 27 Jahren bereits viele Möglichkeiten für einen „sozialen Frieden in der Türkei und eine demokratische Lösung der kurdischen Frage“ gegeben habe, diese Chance „jedoch wiederholt zugunsten engstirniger politischer Interessen geopfert“ wurde. Stattdessen sei die Antwort immer wieder verschärfte Isolation und Zerstörung gewesen. „Nicht nur Öcalan wurde in Imrali inhaftiert, sondern mit ihm auch der soziale Frieden in der Türkei und die Möglichkeit eines freien und gemeinsamen Lebens für die Völker“, so die Erklärung.
„Die Ketten des Faschismus werden gesprengt“
Mit der „Aufhebung der verschärften Isolation und Blockade, die heute gegen Abdullah Öcalan in Imrali“ herrscht, so zeigten sich die politischen Gefangenen sicher, würden „auch die Ketten des Faschismus“ gesprengt werden, „die die Völker der Türkei fesseln“.
Die AKP-Regierung verkennt die Realität
In der Erklärung hieß es, dass Abdullah Öcalan hinreichend verdeutlicht hätte, dass nur eine Demokratische Republik die gravierenden Probleme der Türkei und die kurdische Frage lösen könne. Da die AKP die Realität aber noch immer nicht anerkannt hätte, verfolge sie weiterhin das Ziel auch die Kurd:innen in Rojava zu bekämpfen.
„Aus jeder Perspektive scheint es sicher, dass das achtundzwanzigste Jahr ein Jahr sein wird, in dem das leugnende und assimilierende Regime gestürzt und alle internationalen konspirativen Kräfte besiegt werden. Aber die Macht, die die Verschwörung am Leben erhalten hat, sind die Vereinigten Staaten; das wissen wir sehr gut und darüber täuschen wir uns nicht.
Deshalb dürfen wir beim Abbau des Faschismus der AKP und der MHP nicht zulassen, dass eine neue Garde entsteht, die die Verschwörung weiterführt; wir müssen es schaffen, den Faschismus und die Verschwörung gemeinsam zu stürzen“, lautete die Erklärung weiter.
„Der gerechteste und rechtmäßigste Kampf der Geschichte“
Die abschließenden Wort der Erklärung lauteten: „Unter der Führung von Öcalan hat das kurdische Volk 28 Jahre lang mit dem Slogan ‚Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln‘ Widerstand gegen die internationale Verschwörung geleistet und seinen Kampf für die Freiheit ohne Unterbrechung fortgesetzt.
Dieser Kampf, der auf die Befreiung Kurdistans abzielt, strebt auch die Demokratisierung der Türkei und des Nahen Ostens sowie die Rettung der Menschheit an. Er ist der gerechteste, bedeutungsvollste und gleichzeitig schwierigste Kampf in der Geschichte.
Wir würdigen erneut diesen 28-jährigen Kampf für Freiheit und Menschlichkeit, der im Geiste der Selbstaufopferung geführt wird, und gedenken unserer heldenhaften Gefallenen mit Respekt. Wir wünschen auch allen unseren Genoss:innen in den Gefängnissen und unserem Volk, das auch im 28. Jahr dieses Kampfes weiter Widerstand leistet, viel Erfolg.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/chronik-vom-9-oktober-1998-bis-heute-48300 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/kck-der-erfolg-des-prozesses-wird-die-isolation-vereiteln-48293 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/amed-aufruf-zur-teilnahme-an-9-oktober-demonstration-48289 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-ruft-zu-protesten-fur-Ocalans-freilassung-und-losung-der-kurdischen-frage-auf-48288
QSD: Infiltrationsversuch am Tişrîn-Damm abgewehrt
In Ausübung ihres legitimen Rechts auf Selbstverteidigung haben die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) eigenen Angaben zufolge einen Infiltrationsversuch von Regierungstruppen in der näheren Umgebung des Tişrîn-Staudamms vereitelt.
Wie das Pressezentrum der QSD erklärte, habe eine der selbsternannten Übergangsregierung in Damaskus zugehörige Gruppe am Donnerstagmorgen versucht, QSD-Kämpfer:innen beim Tişrîn-Damm mittels Handgranaten anzugreifen. Da die Angegriffenen sofort auf die Attacke reagierten, sei es der Mitteilung zufolge zu direkten Zusammenstößen gekommen. Hierbei sei einer der Angreifer getötet worden, die anderen flohen aus dem Kampfgebiet und ließen die Leiche ihres Kameraden zurück, so die QSD.
„Unsere Einheiten haben ihr legitimes Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt, indem sie auf die Bedrohung reagiert und den Infiltrationsversuch vereitelt haben, und damit ihre Entschlossenheit bekräftigt, unser Volk zu schützen und die Stabilität der Region zu gewährleisten“, heißt es abschließend wörtlich in der Erklärung.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gefechte-nach-angriff-auf-dorf-bei-til-temir-48228 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/wieder-drohnenangriff-im-umland-des-tisrin-damms-47762 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/angriffe-auf-tisrin-damm-und-stellungen-in-til-temir-47748
KCK gedenkt der Opfer des 10.-Oktober-Anschlags von Ankara
Das brutale Selbstmordattentat am Bahnhof von Ankara, bei dem über 100 Menschen ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden, jährt sich am 10. Oktober zum zehnten Mal. In einer schriftlichen Erklärung würdigen die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) die Opfer des Anschlags. In den aktuellen Entwicklungen sehen sie eine Antwort auf deren Bemühungen: „Der Prozess ‚Frieden und demokratische Gesellschaft‘ ist die Verwirklichung der Bestrebungen derjenigen, die beim Massaker am Bahnhof von Ankara ihr Leben verloren haben.“
„Ihre Ideale leben im Kampf weiter“
Die Erklärung beginnt mit den Worten: „Am 10. Oktober 2015 kamen mehr als 100 Teilnehmende der ‚Kundgebung für Arbeit, Frieden und Demokratie‘ vor dem Bahnhof von Ankara bei einem Bombenanschlag ums Leben, mehrere hundert weitere wurden verletzt. Wir verurteilen dieses verabscheuungswürdige Massaker, das sich gegen die Geschwisterlichkeit der Völker und das Ideal eines demokratischen und gemeinsamen Lebens richtete, auch zum zehnten Jahrestag erneut aufs Schärfste und gedenken in Ehrfurcht derjenigen, die ihr Leben verloren haben. Ihre Ideale der Geschwisterlichkeit unter den Völkern, des Friedens, der Freiheit und des demokratischen Lebens leben im Kampf unserer Völker weiter und setzen ihren Weg zum Sieg fort.“
Der KCK-Exekutivrat führt folgend aus, dass blutige Massaker den Drang nach Gleichberechtigung, Freiheit und Frieden nicht brechen könnten, sondern er sich verwirklichen werde.
Unzureichende Aufklärung
„Die Tatsache, dass das Massaker auch nach zehn Jahren noch nicht vollständig aufgeklärt ist, zeigt die Rolle des Staates und der Regierung selbst bei dem Massaker“, heißt es in der Erklärung weiter. Auch, dass der selbsternannte Islamische Staat (IS) das Attentat für sich reklamierte, könne demnach nicht über die Verantwortung des türkischen Staates hinwegtäuschen. „Der IS wurde bei vielen Anschlägen und Massakern angeleitet und benutzt.“
Auch den Zeitpunkt des Anschlags kurz vor einer „neuen Eskalation“ gegen das kurdische Volk deuten die Ko-Vorsitzenden als Hinweis für eine Steuerung. Sie schreiben: „Das Auftreten vieler solcher Massaker vor den Wahlen am 7. Juni und 1. November kann nicht als Zufall angesehen werden. Die historischen Aktionen von Arbeiter:innen, Frauen und demokratischen sozialen Organisationen in der Zeit, in der solche Angriffe durchgeführt wurden, um Krieg zu verhindern und Frieden zu sichern, werden im Kampf für Demokratie und Freiheit in der Türkei immer in Erinnerung bleiben.“
Dunkle Zeiten für die Demokratie
In Folge der Angriffe seien jegliche „demokratische Räume in der Türkei nach und nach eingeschränkt und die Freiheiten beschnitten“ worden. Die seit zehn Jahren anhaltende verstärkte Repression gegen die kurdische Bevölkerung und die politische Opposition sei die Konsequenz dessen. Dennoch sei die Unterdrückung nicht erfolgreich gewesen, im Gegenteil meint der KCK-Exekutivrat: „Diese Politik hat die Türkei in eine politische, soziale, wirtschaftliche und diplomatische Sackgasse geführt.
Unsere Völker haben in diesen zehn Jahren einen hohen Preis bezahlt, aber sie haben den Kampf für Demokratie, Freiheit und Frieden nicht aufgegeben. Das Ergebnis dieses Kampfes war der Eintritt in den von dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan initiierten Prozess der ‚friedlichen und demokratischen Gesellschaft‘. Der Prozess ‚Frieden und demokratische Gesellschaft‘ ist die Verwirklichung der Bestrebungen derjenigen, die beim Massaker am Bahnhof von Ankara ihr Leben verloren haben. Wenn dieser Prozess erfolgreich ist, wird der hohe Preis, der mit dem Leben unserer Gefallenen bezahlt wurde, noch bedeutungsvoller werden.“
Erfolg des Prozesses braucht aktives Engagement
Abschließend rufen die Ko-Vorsitzenden das kurdische Volk und seine Verbündeten weltweit dazu auf, sich aktiv für den Erfolg des aktuellen Prozesses einzusetzen. „Dies ist die angemessenste Antwort, die wir zum Gedenken an diejenigen geben können, die bei den Massakern ihr Leben verloren haben“, heißt es wörtlich in der Erklärung.
Hintergrund: Das Massaker vom 10. Oktober 2015
Am 10. Oktober 2015 verübten zwei Selbstmordattentäter der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) einen Doppelsprengstoffanschlag auf eine Friedenskundgebung in der Nähe des Hauptbahnhofs von Ankara. 104 Menschen wurden getötet, über 500 verletzt. Die Demonstration war von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) und linken Kleinparteien, zivilgesellschaftlichen Gruppen, Gewerkschaften und Friedensinitiativen organisiert worden. Unter dem Motto „Arbeit, Demokratie, Frieden“ forderte die Demonstration das Ende des Krieges des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung ein. Bis heute werfen Überlebende und Hinterbliebene der türkischen Regierung Versäumnisse bei der Aufklärung und mangelnden Opferschutz vor.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/mahnmal-fur-anschlagsopfer-geschandet-45907 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/lebenslange-haftstrafen-nach-bahnhofsmassaker-von-ankara-42755 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gedenken-an-die-toten-von-ankara-kein-vergeben-kein-vergessen-34373
Zusammenstöße im Westen von Suweida
In der Umgebung des Dorfes Walgha, westlich von Suweida, ist es am Mittwochabend erneut zu Zusammenstößen zwischen den Truppen der selbsternannten syrischen Übergangsregierung und Einheiten des drusischen Zusammenschlusses „Nationalgarde“ gekommen. Laut lokalen Quellen waren in dem Gebiet mehrere Explosionen zu hören, gefolgt von heftigen Schusswechseln.
Bei einem Angriff mit einer mit Sprengstoff beladenen Drohne am Donnerstag Morgen in der Walgha-Straße südlich des Dorfes, ist ein junger Mann namens Rabih Hilal Murshid ums Leben gekommen. Sieben weitere Menschen wurden verletzt. Quellen aus dem Krankenhaus von Suweida gaben an, dass Murshid trotz aller medizinischer Bemühungen nicht gerettet werden konnte. Die sieben Verletzten sollen, lokalen Berichten zufolge, nach einer ersten Behandlung in das nordwestlich von Suweida gelegene Dorf Sela gebracht worden sein.
MSD: Sechsjährige Besatzung beenden, Rückkehr für Vertriebene
Der Demokratischer Syrienrat (MSD) hat anlässlich des sechsten Jahrestags der türkischen Besetzung von Serêkaniyê und Girê Spî eine Erklärung abgegeben. Er forderte ein Ende der Besatzung, die Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung und machte deutlich, dass „die Identitäten in den besetzten Gebieten ausgelöscht werden“.
Die Angriffe vom 9. Oktober 2019 haben, so die Erklärung, zum Tod von Hunderten von Zivilist:innen und zur Vertreibung von mehr als 200.000 Menschen geführt. Sie stellten eine der schwerwiegendsten Verletzungen der Souveränität und territorialen Integrität Syriens dar, erklärte der MSD.
Übergangsregierung muss Besatzung beenden
Die Erklärung verwies darauf, dass der Zusammenbruch des Baath-Regimes im Dezember 2024 und die Bildung der Übergangsregierung den Syrer:innen neue Hoffnung auf die Wiederherstellung ihrer nationalen Würde gegeben habe. Für die anhaltende türkische Besatzung und die Präsenz türkisch unterstützter bewaffneter Gruppen in den besetzten Gebieten sei die Übergangsregierung aber direkt verantwortlich. Der MSD forderte die Übergangsregierung in der Erklärung auf, konkrete Schritte zur Beendigung der Besatzung zu unternehmen.
Es wurde auch betont, dass in den besetzten Städten systematisch gegen das Völkerrecht verstoßen werde und dass die historische Identität und das soziale Gefüge von Serêkaniyê und Girê Spî bewusst zerstört würden. Der MSD erklärte, dass die Beendigung der Besatzung und die Sicherstellung des Rückzugs der bewaffneten Gruppen eine nationale Verantwortung sei, eine Voraussetzung für den Erfolg des Übergangsprozesses und für die Herstellung von Sicherheit und Stabilität in Syrien.
Umsetzung des 10. März-Abkommens
Außerdem insistierte der MSD auf die Umsetzung des Abkommens vom 10. März, das die politische Einheit Syriens und einen gerechten Lösungsprozess garantiert, und drängte die internationalen Mächte und Rechtsinstitutionen zum Handeln. In der Erklärung wurde gefordert, die Rückkehr der gewaltsam vertriebenen Bevölkerung zu garantieren und das normale Leben in den besetzten Gebieten wiederherzustellen.
Abschließend bekräftigte der MSD sein Engagement für den politischen Kampf und den Aufbau eines demokratischen, pluralistischen und dezentralisierten Syriens.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/sechs-jahre-nach-turkischem-einmarsch-serekaniye-48292 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kongra-star-ruft-zu-protesten-am-9-oktober-auf-48247 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/geheimes-treffen-in-serekaniye-47900 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gesprache-in-damaskus-aushandlungen-fur-die-zukunft-syriens-47023
PKK-Prozess: Nihat Asut weiterhin in Untersuchungshaft
Der mittlerweile vierte Verhandlungstag im PKK-Prozess gegen den Kieler Nihat Asut und einen weiteren kurdischen Aktivisten aus Lübeck hat am Mittwoch stattgefunden. Nachdem der letzte Termin am 06. Oktober krankheitsbedingt ausgefallen war, standen gestern die Einlassungen beider Angeklagter im Zentrum. Erneut waren viele Zuschauer:innen zugegen, um den Angeklagten solidarisch zur Seite zu stehen.
Der Prozesstag begann mit der Aushändigung der Einlassungserklärungen in türkischer und deutscher Sprache an alle Prozessbeteiligten, in denen der Satz „Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug Kurde sein“, als nachdrückliches Statement fiel.
Demokratischer Protest wird kriminalisiert
In den Einlassungserklärungen der beiden Angeklagten wurde deutlich, wie eng ihr Leben als Kurden mit der Geschichte des kurdischen Volkes verknüpft ist. Ihr Leben und das Leben aller Kurd:innen sei geprägt von Assimilation, Vertreibung, Folter und Mord durch den türkischen Staat. Doch auch in Deutschland gehe die Unterdrückung und Repression gegen Kurd:innen weiter, was an ihrer Anklage deutlich werde.
Gegen dieses Unrecht und für das Recht auf Frieden für Kurd:innen hätten sie sich mit demokratischen Mitteln eingesetzt, Demonstrationen organisiert und Flugblätter gedruckt. Was für die Staatsanwaltschaft Bestandteil einer Straftat zu sein scheint, ist für die Angeklagten eine lebensnotwendige Interessenvertretung mit demokratisch legitimierten Mitteln.
Das kurdische Leben ist politisch
Im weiteren Verlauf nahmen die beiden Angeklagten Bezug auf den aktuellen Friedensprozess, der am 27. Februar dieses Jahres durch den Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, ausgerufen wurde. Dieser sei von Seiten der Freiheitsbewegung Kurdistans schon seit jeher und aktuell besonders ernsthaft und tatenreich behandelt worden. Nun seien der türkische und der deutsche Staat an der Reihe, ebenfalls ihre Ernsthaftigkeit zu bekunden und erste Schritte zum Beweis ihrer Absicht umzusetzen.
Darauf folgend berichteten beide Angeklagten sehr berührend von ihren privaten und familiären Situationen, die mit der politischen Situation eng verbunden sind. Der Lübecker Aktivist ergänzte an dieser Stelle, dass das Geld, welches bei ihm gefunden wurde, eine private Rücklage gewesen sei. Beide bekräftigten, dass die getroffenen Äußerungen ausdrücklich nur sie selbst beträfen, zu den Behauptungen der Generalstaatsanwaltschaft, was andere getan haben sollen, wer zu welchen Strukturen gehört haben soll und weiteres, würden sie sich nicht äußern.
Asut bleibt trotz Einlassung in Untersuchungshaft
Im Weiteren wurde ein Antrag auf die Aufhebung des Haftbefehls gegen Nihat Asut verlesen, der bereits seit sieben Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Insbesondere nach Abgabe der Einlassung und durch die Schilderung der familiären Situation erschien der Verteidigung eine Fluchtgefahr und eine weitere Inhaftnahme des Angeklagten obsolet.
Der Staatsanwalt machte daraufhin deutlich, dass er in dem Friedensprozess und dem Einsatz der Angeklagten für Frieden in Kurdistan lediglich einen symbolischen Akt sehe. Er vertrat die Auffassung, die Angeklagten würden ihre Rolle in der Organisation kleinreden. Dementsprechend beantragte er Aufhebungsantrag zurückzuweisen, der Haftgrund der Fluchtgefahr und ansonsten der der „Schwerkriminalität“ seien weiterhin gegeben.
Dieser Tatbestand findet häufig Anwendung in Gerichtsprozessen mit dem Vorwurf einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, kurz § 129b. Über den Antrag auf Haftentlassung will das Gericht sich in den kommenden Tagen beraten. Somit wird der Angeklagte Asut zunächst weiterhin in Untersuchungshaft bleiben.
Solidarische Prozessbegleitung
Nach nur einer Stunde wurde der Verhandlungstag durch den Richter beendet. Die Prozessbeobachtungsgruppe ruft zur weiteren solidarischen Unterstützung der Prozesstage auf. Der nächste Prozesstag findet am 14. Oktober um 9 Uhr im Oberlandesgericht in Hamburg (Sievekingsplatz 3) statt.
Weitere Prozesstage: 14.10.| 15.10.| 5.11.| 6.11.| 17.11.| 19.11.| 27.11.| 28.11.| 2.12.| 3.12.
Die Gerichtsverhandlungen beginnen um 9 Uhr – plant genügenden Zeit für die aufwändigen Sicherheitskontrollen ein, wenn ihr den Prozess im Gerichtssaal begleiten möchtet.
Aktuelle Infos: https://freenihat.noblogs.org/ und auf Instagram @freenihat
Solidarität ist unsere Waffe – Wir freuen uns über Spenden!
Spendenkonto:
Rote Hilfe e.V.
Verwendungszweck: Hevgertin – Solidarität
IBAN: DE08 4306 0967 4003 1186 03
BIC: GENODEM1GLS
Çira Report: Der 9. Oktober aus ezidischer und kurdischer Sicht
In der heutigen Ausgabe des deutschsprachigen Formats Çira Report hat Moderatorin Ayfer Özdogan den Eziden und Mitglied des Nationalkongress Kurdistans (KNK), Fikret Igrek, zu Gast. Die Ausweisung Öcalans aus Syrien 1998 und das Şengal-Abkommen von 2020 sind nur zwei Beispiele, die sich an einem 9. Oktober ereigneten und gravierende Auswirkungen auf die kurdische und ezidische Bevölkerung hatten. Die heutige Sendung wirft die Frage auf: Sind das wirklich zwei getrennte Ereignisse – oder Ausdruck einer anhaltenden Strategie internationaler Kontrolle und regionaler Machtpolitik?
Am 9. Oktober 1998 begann das internationale Vorgehen gegen Abdullah Öcalan. Unter Druck der Türkei und der NATO musste der kurdische Repräsentant Syrien verlassen. Wenige Monate später wurde er verschleppt und an die Türkei ausgeliefert – seitdem sitzt er auf der Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft.
Zweiundzwanzig Jahre später, am 9. Oktober 2020, wurde in Bagdad ein Abkommen geschlossen – das sogenannte „Şengal-Abkommen“. Unter Beteiligung der Türkei und der USA wurde dabei über die Zukunft der ezidischen Region Şengal entschieden – allerdings ohne die Menschen, die dort leben. Für viele Ezid:innen gilt dieses Abkommen als Fortsetzung derselben Politik, die einst Öcalan zum Schweigen bringen sollte: die Zerschlagung selbstverwalteter, demokratischer Strukturen.
Das Format Çira Report beginnt um 20 Uhr und kann live über den Stream https://linktr.ee/ciratv?utm_s alternativ: https://myflixtv.com/ - https://ku.karwan.tv/cira-tv.h verfolgt werden, nachträglich auch über den YouTube-Kanal von Çira TV, über die Eingabe Çira Report. Zur Playlist der Sendung geht es hier entlang:
https://www.youtube.com/playlist?list=PL6P1E13_gg5ke8eLPi41dRQFuIGvNBtMo
Als Podcast gibt es Çira Report hier:
https://youtube.com/playlist?list=PL6P1E13_gg5ke8eLPi41dRQFuIGvNBtMo&si=1OmvA4hRdAbDEDL0
Und hier:
https://open.spotify.com/show/5qmRN9Qm5UrS1XRGwKYIdK?si=qMx6FXURSeO_gUdU4NUHug
Wer selbst Interesse an einer Teilnahme an der Sendung hat und eigene Projekte vorstellen will, kann unter der E-Mail-Adresse cirarep@riseup.net Kontakt mit der Redaktion aufnehmen.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-report-sofian-philip-naceur-zu-algerien-47905 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-report-jugendliche-berichten-uber-Sengaldelegation-47710 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-report-Cicek-yildiz-und-robin-graupe-zum-genozidgedenktag-47335
Iran: Zeynab Jalalian 24 Stunden nach OP wieder im Gefängnis
Das in Frankreich ansässige Kurdistan Human Rights Network (KHRN) berichtet, dass Zeynab Jalalian angesichts ihres sich verschlechternden Gesundheitszustands und des wachsenden internationalen Drucks kürzlich unter strengen Sicherheitsvorkehrungen für eine Operation in ein privates Krankenhaus in Yazd verlegt wurde. Während des Transports habe sie dem Bericht zufolge Fußfesseln getragen.
Im Krankenhaus seien ihr mittels der minimalinvasiven Methode einer Embolisation Myomen entfernt worden, so das KHRN. Die NGO gibt an, dass Jalalian bereits 24 Stunden später, noch bevor die notwendige postoperative Versorgung abgeschlossen war, wieder ins Gefängnis zurückgebracht worden sei.
In den letzten Monaten blockierten die Gefängnisbehörden unter verschiedenen Vorwänden wiederholt die Verlegung der schwerkranken Jalalian ins Krankenhaus und verweigerten ihr den Zugang zu medizinischer Behandlung, so das KHRN. Währenddessen habe sich ihr Gesundheitszustand zusehends verschlechtert.
Anhaltendes internationales Engagement für Jalalian
Schließlich veröffentlichten 22 Menschenrechtsorganisationen und dreizehn -aktivist:innen am 16. September eine gemeinsame Erklärung, in der sie den sofortigen Zugang zu medizinischer Versorgung, ein Ende der Schikanen und Drohungen sowie die bedingungslose Freilassung Zeynab Jalalians forderten.
Zuvor hatten am 1. Mai neun Sonderberichterstatter:innen der Vereinten Nationen ihre tiefe Besorgnis über die anhaltende und willkürliche Inhaftierung von Jalalian, ihren sich verschlechternden Gesundheitszustand und Berichte über Folter und andere Formen der Misshandlung zum Ausdruck gebracht. Sie forderten die iranischen Behörden nachdrücklich auf, ihr unverzüglich und bedingungslos Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung in einem unabhängigen zivilen Krankenhaus zu gewähren, und warnten, dass „die Zeit drängt“.
Haftfähig trotz schwerer Krankheit?
Jalalian, der seit mehreren Jahren Familienbesuche verwehrt werden, leidet weiterhin unter zahlreichen gesundheitlichen Problemen. Dennoch hat die forensisch-medizinische Organisation von Yazd sie für haftfähig erklärt.
Unterdessen haben die Sicherheitsbehörden ihre Freilassung davon abhängig gemacht, dass sie Reue und Buße zeigt.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/ngos-fordern-sofortige-krankenhauseinweisung-von-zeynab-jalalian-47992 https://deutsch.anf-news.com/frauen/iran-gesundheitszustand-von-zeynab-jalalian-verschlechtert-sich-46325 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/regime-verhangt-besuchsverbot-gegen-zeynab-jalalian-43759
Vortrag und Demonstration in Jena: Hoffnung und Widerstand
An der Universität in Jena finden derzeit die „Alternativen Orientierungstage für Studierende“ statt. In diesem Rahmen hat das lokale Komitee der Kampagne „Women Defend Rojava“ (WDR) eine Veranstaltung organisiert, bei der über die kommunalen Basistrukturen und die politischen Arbeiten der Frauen in der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) informiert worden ist. Rund 50 Interessierte folgten dem Vortrag, in dessen Anschluss gemeinsam an einer Demonstration gegen die aktuellen Angriffe auf die kurdischen Stadtviertel in Aleppo teilgenommen wurde.
Die Kommune als Kern der Selbstverwaltung
Zwei WDR-Aktivistinnen haben im Rahmen der Kampagne vergangenes Jahr an einer Delegation in die DAANES teilgenommen. Nach einer allgemeinen Vorstellung der Kampagne und der Region, teilten sie ihre Eindrücke und Erfahrungen der Reise und berichteten von verschiedenen Orten, die sie besucht hatten.
So hatten sie die Möglichkeit eine Kommune in Qamişlo kennenzulernen und deren verschiedenen Kommissionen, wie beispielsweise die Jugend, Gerechtigkeitskommission, Frauen und Finanzen, zu treffen. Die Aktivistinnen erklärten die Rolle der Kommune und deren Bedeutung innerhalb der Selbstverwaltung.
Die Frauenstrukturen
Eine weitere Struktur der Basisarbeit, so die Referentinnen, sei das Mala Jin (dt. Frauenhaus), ein Frauenzentrum, in dem Frauen durch Mediation Probleme lösen. Die Aktivistinnen führten im Folgenden dessen Entstehungsgeschichte aus und gingen näher auf die konkreten Arbeiten dieser Institution ein.
Außerdem berichteten sie von Sara, einer Organisation, die sich vor Gericht für die Rechte der Frauen einsetzt. Abschließend stellten sie mit dem Frauenfernsehsender JinTV ein Beispiel der Frauenpresse vor, durch welche die Werte der Frauen und der Revolution in die Öffentlichkeit getragen würden.
Hoffnung und Widerstand
Die Aktivistinnen vermittelten sowohl, was ihnen die Menschen vor Ort erzählt hatten, als auch ihre eigenen Eindrücke und Erfahrungen. Zum Abschluss der Veranstaltung wurden die aktuelle Situation und die Entwicklungen in der Region thematisiert.
Im anschließenden Gespräch wurde zur Sprache gebracht, dass die Revolution in Rojava viel Hoffnung auf ein anderes, solidarisches Zusammenleben gebe. Zugleich wurde diskutiert, dass es in Deutschland eine andere Geschichte und Ausgangslage gebe, an die angeknüpft werden müsse. Viele Teilnehmende äußerten großen Respekt gegenüber der Revolution, ihrem alltäglichen Widerstand und ihren Kämpfen und sahen darin auch ein Vorbild für Deutschland.
Kraftvoller Protest
Nach der Veranstaltung fand auf dem Holzmarkt in Jena eine Demonstration statt. Zahlreiche Menschen versammelten sich, um auf die aktuelle Lage in Syrien, insbesondere in Aleppo, aufmerksam zu machen und die Bedeutung eines demokratischen Syriens zu betonen.
Es gab verschiedene Redebeiträge und es wurden Flyer verteilt, um über die Situation zu informieren. Zum Abschluss wurde gemeinsam getanzt. Durch die unterschiedlichen Komponenten wurden auf der Demonstration sowohl Trauer als auch Wut zum Ausdruck gebracht.
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https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/hannover-vortrag-zur-frage-der-demokratie-in-syrien-48299 https://deutsch.anf-news.com/frauen/hannover-ausstellung-zu-den-errungenschaften-der-frauenrevolution-gestartet-47786 https://deutsch.anf-news.com/frauen/wdr-workshop-in-koln-wenn-die-welt-brennt-hoffnung-als-widerstand-47733
Chronik: Vom 9. Oktober 1998 bis heute
Inmitten eines einseitigen Waffenstillstands 1998 drohte die Türkei mit Unterstützung der NATO Syrien mit Krieg und zwang Abdullah Öcalan, Syrien zu verlassen. Öcalan begab sich nach Europa, um eine politische Lösung der kurdischen Frage zu fördern. An diesem Tag begann die Odyssee Öcalans, die in seiner Verschleppung und Inhaftierung durch eine internationale Geheimdienstoperation mündete. Er kam am 9. Oktober 1998 aus Syrien in Athen an. Am 11. Oktober traf er in Moskau ein.
Am 20. Oktober unterzeichneten die Türkei, Syrien und der Libanon das Adana-Protokoll [Das Adana-Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Türkei und Syrien, der das Verbot von PKK-Aktivitäten in Syrien regelt, Anm. d. Red.]. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien „verbesserten sich rasch“.
Am 4. November beantragte die Duma, das Unterhaus der Russischen Föderation, mit 298 Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme die Anerkennung des Asyls für Öcalan.
Am 12. November reiste Öcalan nach Rom, verließ jedoch am 16. Januar 1999 die italienische Hauptstadt, um nach Moskau zurückzufliegen, von wo aus er am 29. Januar nach Griechenland flog.
Die Entführung im Jahr 1999
Am 31. Januar versuchte Öcalan, nach Weißrussland und in die Niederlande zu reisen, doch keines der beiden Länder erlaubte ihm die Landung. Am 1. Februar kehrte er nach Athen zurück. Am 2. Februar brachten griechische Beamte Öcalan auf dem Weg nach Südafrika zur griechischen Botschaft in Nairobi.
Am 15. Februar 1999 wurde er jedoch in einer internationalen Geheimoperation aus Kenias Hauptstadt Nairobi entführt und in die Türkei gebracht.
Chronologie seit dem 15. Februar 1999
- 16. Februar: Ankunft auf der türkischen Insel Imrali, die von anderen Gefangenen geräumt und zur militärischen Sperrzone erklärt worden war.
- 25. Februar: Erstes Treffen mit Anwält:innen – kurz und nicht unter vier Augen.
- 2. März: Erster Besuch des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT).
- 11. März: Erstes privates Treffen mit Anwält:innen.
- 31. Mai: Beginn des Prozesses.
- 29. Juni: Todesurteil.
- 25. November: Das türkische Kassationsgericht bestätigt das Urteil gegen Öcalan.
- 30. November: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert, das Todesurteil nicht zu vollstrecken.
Das Jahr 2001
- 6. September: Zweiter Besuch des CPT.
Das Jahr 2002
- 9. August: Das türkische Parlament schafft die Todesstrafe in Friedenszeiten ab.
- 3. Oktober: Öcalans Todesstrafe wird in lebenslange Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung umgewandelt.
Das Jahr 2003
- 16.-17. Februar: Dritter Besuch des CPT
- 12. März: Der EGMR entscheidet, dass Öcalan kein faires Verfahren erhalten hat.
Das Jahr 2005
- 12. Mai: Die Große Kammer des EGMR bestätigt das Urteil von 2003.
Das Jahr 2007
- 19.-22. Mai: Vierter Besuch des CPT.
Der Zeitraum 2008-2011
- Öcalan beteiligt sich an Friedensgesprächen mit Regierungsvertretern.
Das Jahr 2009
- 18. April: Zwei Anwälte von Öcalan werden verhaftet.
- 17. November: Öcalan wird zusammen mit fünf weiteren Häftlingen aus anderen Gefängnissen in das neu erbaute Gefängnis auf Imrali verlegt.
Das Jahr 2010
- 26.-27. Januar: Fünfter Besuch des CPT.
Das Jahr 2011
- 27. Juli: Letzter Besuch von Anwält:innen bis Mai 2019.
- 22. November: 42 Anwält:innen von Öcalan werden verhaftet und beschuldigt, Nachrichten an eine terroristische Organisation weitergegeben zu haben.
Das Jahr 2013
- 3. Januar: Öcalan trifft sich mit zwei führenden kurdischen Politiker:innen, Ahmet Türk und Ayla Akat – das erste von vielen Treffen mit Abgeordneten im Rahmen des Friedensprozesses, der bis 2015 andauerte.
- 16.-17. Januar: Sechster Besuch des CPT.
Das Jahr 2014
- 18. März: Der EGMR urteilt, dass Öcalans lebenslange Haftstrafe ohne Bewährung seine Menschenrechte verletzt, ebenso wie seine Haftbedingungen bis 2009.
- 6. Oktober: Familienbesuche werden eingestellt.
Das Jahr 2015
- 16. März: Die fünf ebenfalls auf Imrali inhaftierten Gefangenen werden gegen fünf andere ausgetauscht.
- 5. April: Die Gespräche zwischen Öcalan und Abgeordneten der Demokratischen Partei der Völker (HDP) im Rahmen des Friedensprozesses werden eingestellt.
- Dezember: Zwei der fünf anderen Häftlinge werden in andere Gefängnisse verlegt.
Das Jahr 2016
- 28.-29. April: Siebter Besuch des CPT.
- 15. Juni: Putschversuch gegen Erdoğan, der als Vorwand für ein verstärktes Vorgehen gegen die gesamte Opposition dient.
- 11. September: Öcalan trifft seinen Bruder.
Das Jahr 2018
- 8. November: Leyla Güven tritt in einen Hungerstreik, um ein Ende der Isolation Öcalans zu fordern. Mit der Zeit schließen sich ihr über 8.000 Menschen an.
Das Jahr 2019
- 12. Januar: Öcalan trifft seinen Bruder.
- 2. Mai: Öcalan trifft seine Anwält:innen.
- 6.-17. Mai: Achter Besuch des CPT.
- 22. Mai: Öcalan trifft seine Anwält:innen.
- 26. Mai: Der Hungerstreik wird beendet.
- 12. und 18. Juni sowie 9. August: Öcalan trifft seine Anwält:innen.
Das Jahr 2020
- 27. Februar: Brand auf der Insel Imrali
- 3. März: Öcalan trifft seinen Bruder
- 27. April: Öcalan darf zum ersten Mal telefonieren
Das Jahr 2021
- 25. März: Nachdem Gerüchte über den Tod Öcalans weit verbreitete Ängste ausgelöst hatten, durfte er seinen Bruder anrufen – das Gespräch wurde jedoch nach weniger als vier Minuten unterbrochen.
Das Jahr 2022
- September, neunter Besuch des CPT. Der Bericht wird im März 2023 fertiggestellt sein.
Das Jahr 2023
Kurd:innen und ihre Verbündeten starteten am 10. Oktober 2023, einen Tag nach dem Jahrestag der internationalen Verschwörung, in 74 Städten in ganz Europa eine neue Kampagne unter dem Motto „Freiheit für Öcalan – eine politische Lösung für die kurdische Frage“. Zahlreiche Veranstaltungen fanden in der Türkei, in Europa und weltweit statt.
Das Jahr 2024
Am 28. Dezember traf eine Delegation der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), bestehend aus der Abgeordneten Pervin Buldan aus Wan (tr. Van) und dem Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder aus Istanbul, Abdullah Öcalan im Imrali-Gefängnis.
Das Jahr 2025
Am 27. Februar wird der von Abdullah Öcalan verfasste „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ der Weltöffentlichkeit vorgestellt.
Die Abschlusserklärung des 12. Kongresses der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der vom 5. bis 7. Mai abgehalten wurde, wurde veröffentlicht. Der Kongress hatte beschloss, die Organisationsstruktur der PKK aufzulösen und den bewaffneten Kampf einzustellen, wodurch alle Aktivitäten der PKK effektiv beendet wurden.
Am 11. Juli hielt die PKK eine Zeremonie ab, bei der Guerillakämpfer:innen der „Gruppe für Frieden und demokratische Gesellschaft“ ihre Waffen verbrannten.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/kck-der-erfolg-des-prozesses-wird-die-isolation-vereiteln-48293 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/amed-aufruf-zur-teilnahme-an-9-oktober-demonstration-48289 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-ruft-zu-protesten-fur-Ocalans-freilassung-und-losung-der-kurdischen-frage-auf-48288
Hannover: Vortrag zur Frage der Demokratie in Syrien
Die Frauenrechtlerin und freie Journalistin Nele Möhlmann hat am Mittwochabend in Hannover einem interessierten Publikum von rund 25 Personen von ihren Erfahrungen ihres einjährigen Aufenthalts in den Gebieten der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) im Jahr 2024 berichtet. Auch die aktuelle Situation in Syrien ist zum Thema gemacht worden und einen besonderen haben die Frauen der Region erfahren. Möhlmann stellte deren Errungenschaften ebenso dar, wie ihre Forderungen für die Zukunft eines demokratischen und pluralistischen Syriens.
Zu dem informativen Abend hat die Hannoveraner Gruppe der Kampagne „Women Defend Rojava“ in die Räume des Kulturvereins „Gemeinschaften der Kommunen Mesopotamiens“ (Yekîniyên Komûnên Mezopotamya, YKM) eingeladen. Der Vortrag fand im Rahmen des Begleitprogramms zur Wanderausstellung „Jin Jiyan Azadî – die Errungenschaften der Frauenrevolution“ statt, die noch bis zum 17. Oktober in der Ada- und Theodor Lessing Volkshochschule in Hannover zu besichtigen ist.
Kampf um die Zukunft Syriens
Mit einem Überblick über die aktuelle politische Lage und einer Einordnung in die Geschichte des Aufbaus und der Entstehung der Selbstverwaltung wurden die Teilnehmenden in die Thematik eingeführt. Darin wurden auch die Angriffe auf die selbstverwalteten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo in den vergangenen Tagen noch einmal beleuchtet und in die Gesamtheit der politischen Prozesse eingeordnet.
Seit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 gibt es neue, tiefgreifende politische und gesellschaftliche Entwicklungen in Syrien. Einerseits verfolgt die von Islamisten geführte Übergangsregierung eine Politik, die von Massakern an Minderheiten wie der drusischen oder alawitischen Bevölkerung geprägt ist. Anderseits streben verschiedene Organisationen in der DAANES eine Stärkung der demokratischen Verbindungen zwischen allen Teilen der syrischen Bevölkerung an, allen voran die Frauen.
Frauen als Vorreiterinnen
Besonders deutlich wurde die Bedeutung der Selbstverteidigung. „Es ist sehr beeindruckend, was die Frauen alles erschaffen haben. Sowohl militärisch als auch auf der Ebene der Bildung und vor allem derjenigen Bildung, die auch die Männer miteinbezieht“, so eine Teilnehmerin.
In diesem Zusammenhang wurde vor allem über die Frauenrechtsorganisation Sara berichtet, die sowohl Seminare in den Dörfern gibt als auch von Gewalt betroffene Frauen und ihre Familien vor Gericht vertritt sowie diese auch psychologisch begleitet. Der Kontext verdeutlichte anschaulich die Bedeutung der Vorreiterinnenschaft der Frauen. Diese zeigt sich im alltäglichen Kampf gegen Feminizide und patriarchale Gewalt ebenso, wie beim Veranstalten von Demonstrationen und politischen Festen wie zum 25. November, dem Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen, oder dem 8. März, dem internationalen Frauentag.
Selbstverteidigung als Prinzip
Es wurde im Verlauf des Vortrags auch nachdrücklich ersichtlich, dass der Aufbau einer demokratischen Selbstverteidigung der aktiven Mitgestaltung der gesamten Gesellschaft bedarf, um sich nachhaltig und stetig weiterzuentwickeln. An dieser Stelle kam beispielhaft dem Widerstand am Tişrîn-Staudamm zu Beginn dieses Jahres besondere Aufmerksamkeit zu. Dort hatten Kinder, Frauen und Männer aus der Gesellschaft sowie Kämpfer:innen der Selbstverteidigungskräfte erfolgreich gegen türkische Drohnenangriffe zusammengehalten.
Ein demokratisches Leben für alle
Für die Menschen der demokratischen Selbstverwaltung ist nach der Befreiung vom Assad-Regime die grausame Realität des Krieges nicht verschwunden. Doch trotz dieser Angriffe haben sie ihre Hoffnung für ein freies und demokratisches Syrien nicht verloren, so Möhlmann. Und so bleibe ihr Widerstand ungebrochen. Sie bauten Verbindungen auf, hielten Kongresse ab, gründeten Organisationen und führten diplomatische Beziehungen über das ganze Staatsgebiet hinweg mit dem Ziel, gemeinsam ein demokratisches Leben für alle aufzubauen, erklärte die Journalistin.
Das Gespräch und der Austausch mit der Referentin wurde im Anschluss weiterhin angeregt fortgesetzt, was dafür spricht, dass die Veranstaltung bei den Zuschauenden viel Neugierde geweckt hat, die Errungenschaften der Frauenrevolution weiter kennenzulernen.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/salih-muslim-ziel-ist-uns-zur-aufgabe-unseres-systems-zu-zwingen-48285 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-wahlen-der-Ubergangsregierung-sind-politisches-theater-48263 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/syrische-Ubergangsregierung-streicht-minderheiten-feiertage-48250 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/dialog-ja-unterordnung-nein-foza-yusif-uber-verhandlungen-mit-damaskus-47674
Köln: 6. Festival der Solidarität
Zum mittlerweile sechsten Mal organisiert der Kölner Menschenrechtsverein „Stimmen der Solidarität“ das Festival der Solidarität. Es soll vom 7. bis zum 11. November mit Unterstützung der Stadt Köln, des Kultusministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) sowie der Willi-Eichler-Akademie, des Friedensbildungswerks und der Rosa-Luxemburg-Stiftung stattfinden. Die Veranstaltungen werden in Zusammenarbeit mit dem Kulturbunker Köln, dem Bürgerzentrum Ehrenfeld, dem Buchsalon Ehrenfeld und dem Filmhaus durchgeführt.
Stimmen der Solidarität möchte mit dem Festival „auf Menschenrechtsverletzungen in der Türkei aufmerksam machen, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zusammenbringen und die internationale Solidarität stärken“.
Vielfältiges Programm
Das Festival bietet ein reichhaltiges Programm mit Panels, Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen mit Gäst:innen aus verschiedenen Ländern. Die Eröffnung findet am Freitag, 7. November, im Kulturbunker mit einem Konzert der Devrim Kavallı & Kadıköy Band und der Musikgruppe Üryan statt. Das Wochenendprogramm wird dann im Bürgerzentrum Ehrenfeld fortgesetzt. Dort wird die Fotoausstellung „Sus-ma: Zensur und Selbstzensur innen und außen“, kuratiert von der Susma-Plattform, dem Seen Collective und der Initiative Redfotoğraf, eröffnet. Hierbei wird auch der Menschenrechtsaktivist Adil Okay wird anwesend sein.
Pressefreiheit und Menschenrechte in der Türkei
Während des Festivals finden drei separate Panels statt. Das erste Panel befasst sich mit Presse- und Meinungsfreiheit sowie Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Zu den Gäst:innen zählen die Journalisten Alin Ozinian, Serdar Korucu und Yusuf Karadaş, der Rechtsanwalt Ümit Altaş, der Abgeordnete und Rechtsanwalt der DEM-Partei Dilan Kunt, die Bochumer Rechtsanwältin Heike Geisweid sowie die deutschen Politikerinnen Gönül Eğlence (Bündnis 90/Die Grünen, MdL Nordrhein-Westfalen) und Lea Reisner (Die Linke, MdB). Das zweite Panel befasst sich mit dem Asylrecht, das in Deutschland heftige Debatten ausgelöst hat.
Betroffenen zuhören
Im dritten Panel kommen am Sonntag direkte Betroffene zu Wort: Die Journalist:innen Nedim Türfent, Özgür Sevinç Şimşek und İsminaz Temel, die viele Jahre im Gefängnis saßen, sowie der Lokalpolitiker Zizik Şahbaz, der Menschenrechtsaktivist Adil Okay und Hamide Akbayir aus dem Vorstand des Vereins berichten von ihren Erfahrungen.
Kultur als Spiegel der Unegrechtigkeit
Auch der Literatur- und Theaterteil des Wochenendes verspricht Tiefgang und Abwechslung: Die Schriftstellerin Gül Güzel liest, gefolgt von der Aufführung des Ein-Frau-Stücks „Nichts in der Ferne schauen“. Tülin Şahin Okay schildert darin die Erfahrungen politischer Gefangener, basierend auf Hunderten von Briefen aus Gefängnissen.
Das Festival wird am 10. November mit einer Lesung des Autors Yavuz Ekinci im Buchsalon Ehrenfeld fortgesetzt, moderiert von Çiler Fırtına, der sein neues Buch vorstellt. Den Abschluss bildet am 11. November die Vorführung des Dokumentarfilms „Red“ des Regisseurs und Autors Kadir Akın im Filmhaus Köln. Im Anschluss an die Vorführung findet ein Gespräch mit Akın statt. Der Film erzählt die Geschichte von Paramaz und seinen 19 Kameraden, die 1915 im Osmanischen Reich hingerichtet wurden.
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https://deutsch.anf-news.com/kultur/solidaritatsfestival-in-koln-ein-wochenende-im-zeichen-der-menschenrechte-43760 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/stimmen-der-solidaritat-in-koln-34202
Shabir Balochs Verschwinden: Ein Brief der kleinen Schwester
Im langen Kampf um die Unabhängigkeit Belutschistans verfolgt die Geschichte des Verschwindenlassens Tausende von Familien. Dazu gehört auch die Geschichte von Shabir Baloch, einem jungen führenden Aktivisten der Studierendenbewegung, der vor neun Jahren verschwand. Seine Geschichte spiegelt das Schicksal vieler belutschischer Familien wider, die den Kummer ertragen müssen, dass geliebte Menschen gewaltsam verschwinden und sie nie wieder von ihnen hören.
Shabir Balochs politische Laufbahn begann 2009 bei der Baloch Students Organization (BSO) Azad, einer belutschischen Studierendenorganisation, die sich für die Unabhängigkeit der Belutsch:innen einsetzt. Vier Jahre später wurde er zum Regionsvorsitzenden der BSO Azad in Awaran, seiner Heimatregion, gewählt und 2015 zum Mitglied im Zentralkomitee der Organisation. Schließlich arbeitete er als dessen zentraler Informationssekretär.
Das Verschwinden Shabir Balochs
Als pakistanische Militärs am 4. Oktober 2016 eine großangelegte Militäroperation in der Region starteten, verschwanden mehrere Aktivist:innen. Shabir Baloch verschwand am Morgen um 9:00 Uhr in Gowarkop, Kech. Zu diesem Zeitpunkt war er mit seiner Frau Zarina unterwegs, um organisatorische Angelegenheiten zu erledigen. Auch neun Jahre später fehlt von ihm jegliches Lebenszeichen – er bleibt einer der vielen gewaltsam verschwundenen Belutsch:innen, deren Familien auf Antworten warten.
Shabirs Familie kämpft seither darum, Informationen über seinen Verbleib zu erhalten. Vor allem seine Frau Zarina und seine Schwester Seema organisierten Proteste, Sitzstreiks und Aufklärungskampagnen in Belutschistan, Karatschi und Islamabad. Shabirs Fall wurde zum Symbol für Tausende von Fällen von Verschleppungen in Belutschistan.
Anlässlich des neunten Jahrestags seines Verschwindens hat seine Schwester Sammul einen Brief verfasst, den das Lower Class Magazine ins Deutsche übersetzt hat.
Der Brief
„An meinen geliebten Shabir,
ich sende dir meine Grüße. Ich kann dich nicht nach deinem Befinden fragen, denn in den Gefängnissen und Folterkammern dieses Staates geht es niemandem gut.
Shabir, seit diesem Tag, dem 4. Oktober 2016, sind die Farben unseres Lebens verblasst. Belutschistan sieht mehr denn je wie ein Kriegsgebiet aus. Jeden Tag verschwinden Menschen gewaltsam, und unzählige Leichen werden auf verlassene Straßen und in die Dunkelheit der Nacht geworfen.
Du hast bei deinen Versammlungen oft gesagt, dass der Staat die Belutschen wie Tiere behandeln würde. Damals habe ich das vielleicht nicht ernst genommen. Aber heute, wo ich diese Grausamkeit mit eigenen Augen sehe, treffen mich deine Worte jeden Tag wie ein Stich ins Herz. Ich hätte nie gedacht, dass ich, deine Schwester, dir eines Tages von diesen Umständen berichten würde. Ich habe immer geglaubt, dass du derjenige sein würdest, der mir erklärt, wie sich Sklaverei wirklich anfühlt.
„Belutschistan brennt“
Aber heute ist es meine Feder, die sich bewegt, und ich schreibe diesen Brief, um dir zu erzählen, wie sich unsere Welt verändert hat, seit du verschleppt wurdest, und wie Belutschistan brennt.
Shabir, ich bringe es nicht über mich, Ammas (Mutter) Geschichte voller Trauer und Kummer zu schreiben, also vergib mir bitte im Voraus. Sie sitzt Tag und Nacht an der Tür und hofft, dass ihr Shabir zurückkehrt, damit sie dich an ihre Brust drücken und die Jahre des Schmerzes wegwaschen kann. Sie bleibt nachts wach, als wäre auch ihr Schlaf mit dir gefangen.
„Zarina ist still geworden“
Shabir, seit deinem Verschwinden ist das Glück aus unserem Haus gewichen. Zarina ist nicht mehr die Zarina, die du einmal kanntest. Ihr Lächeln ist verschwunden. Sie geht nicht mehr zu Zusammenkünften, sie spricht nicht mehr. Shabir, Zarina ist still geworden. Ich sage ihr immer wieder, sie solle sich erholen, neue Kleider tragen. Aber sie wird nur still und sagt:
‚Ich werde mich erst schmücken, wenn mein Shabir zurückkehrt. Dann werde ich wieder eine Braut sein.‘
Und als sie das sagt, laufen ihr Tränen über das Gesicht. Ich kann es nicht ertragen.
Die Angst umeinander
Ich habe beschlossen, dir diesen Brief zu schreiben, aber Shabir, wie kann ich neun Jahre in einem einzigen Brief zusammenfassen? Trotzdem versuche ich es.
Weißt du noch, wie wir eines Tages zu einer Kundgebung nach Karachi gefahren sind? Zarina und ich waren die ersten, die im Presseclub ankamen. Aber die Polizei war bereits da. Sobald wir ankamen, steckten sie uns in ein Fahrzeug und brachten uns zu ihrem Kontrollpunkt. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich in einen Polizeiwagen gesetzt wurde. Ich hatte schreckliche Angst; Tränen füllten meine Augen. Aber meine Angst galt nicht mir selbst. Ich dachte nur an dich, wie du wohl in ein solches Fahrzeug gezerrt, geschlagen und mit verbundenen Augen festgehalten worden sein musstest.
Aber Zarina, deine liebe Zarina, tröstete mich und sagte: ‚Mach dir keine Sorgen, wir sind nur am Kontrollpunkt. Uns wird nichts passieren.‘
Unser Leben besteht nun darin, uns gegenseitig zu trösten. Später wurden wir freigelassen, aber diese Momente werden uns immer im Herzen bleiben.
Der Tod Zeeshan Zaheers
Shabir, der Schmerz ist so tief, dass selbst die Feder zögert, ihn zu beschreiben. Kennst du einen jungen Mann namens Zeeshan Zaheer, der für die Freilassung seines vermissten Vaters kämpfte? Eines Nachts wurde auch er gewaltsam verschleppt. Am nächsten Morgen wurde seine verstümmelte Leiche vor sein Haus geworfen, als wäre sie ein ‚Geschenk‘. Sein Märtyrertod stürzte ganz Belutschistan in Trauer. Die Menschen strömten in alle Städte, es wurden Kundgebungen abgehalten und Kerzen angezündet. Auch wir veranstalteten unter dem Banner des BYC (Baloch Yakjehti Committee) eine Kundgebung am Hub-Kontrollpunkt.
Alle vergossen Tränen über Zeeshans Märtyrertod. Aber als wir den Hub-Checkpoint erreichten, hatte die Polizei den Presseclub bereits umzingelt. Sie versuchten, uns aufzuhalten, aber wir weigerten uns, uns zurückzuziehen, und begannen eine friedliche Kundgebung auf der Straße. Innerhalb weniger Minuten griff die Polizei an. Sie schlugen uns, traten uns, schossen auf uns und stießen uns in Fahrzeuge, wobei sie uns mit Worten beschimpften, die uns bis ins Mark erschütterten.
Das Bewusstsein ist dem Staat gefährlich
Shabir, ich habe mich an diesem Tag immer wieder gefragt, welches Verbrechen wir begangen hatten, dass wir geschlagen, beschimpft und gedemütigt wurden. Wir wurden zum Checkpoint gebracht.
Und dann verstand ich: Der Staat foltert uns nicht nur, weil wir unsere Stimme erheben. Er foltert uns, weil er weiß, dass wir nicht mehr unwissend sind. Er weiß, dass Aktivisten wie du, die in seinen Folterzellen eingesperrt sind, uns bewusst gemacht haben.
Der Staat kann versuchen, uns zu unterdrücken, so viel er will, aber solange wir atmen, werden wir weiterhin unsere Stimme für dich und für jeden vermissten Belutschen erheben.
Gewalt statt Antworten
Shabir, nach Zeeshans Märtyrertod, als wir zum Kontrollpunkt gebracht wurden, beschimpften und verfluchten sie uns weiter. Wir wurden wie Kriminelle eingesperrt. Stunden vergingen in erstickender Hitze, und sie gaben uns kein Wasser. Einige der jüngeren Kinder, die bei uns waren, fingen vor Angst an zu weinen.
Spät in der Nacht holten sie uns nacheinander heraus. Die Polizistinnen schlugen uns, zogen uns an den Haaren und stießen uns herum. Dann schoben sie uns wieder hinein. Wir fragten immer wieder: ‚Welches Verbrechen haben wir begangen? Welches Gesetz haben wir gebrochen?‘ Aber statt Antworten bekamen wir nur weitere Tritte und Beleidigungen.
Die Falle
Zwei oder drei Stunden später ertönte plötzlich eine laute Stimme: ‚Steht auf, ihr werdet freigelassen. Eure Leute sind gekommen, um euch abzuholen.‘ Aber Shabir, niemand empfand in diesem Moment Freude. Wir alle sahen uns geschockt und verängstigt an und fragten uns, ob es sich um eine weitere Falle handelte.
Sie brachten uns aus dem Kontrollpunkt heraus und fuhren uns in Polizeifahrzeugen weit weg. Wir dachten, wir würden freigelassen, aber stattdessen brachten sie uns ins Gadani-Gefängnis. Dort wurden wir in schmutzige, stinkende Zellen gesteckt, in denen selbst Tiere sich weigern würden zu bleiben. Der Geruch war unerträglich, überall wimmelte es von Mücken. Wir konnten die ganze Nacht nicht schlafen.
Am nächsten Morgen nahmen sie unsere Namen auf und ließen uns in Reihen stehen, als wären wir Kriminelle. Dann brachten sie uns altes Essen, das kaum genießbar war. Einige der jüngeren Mädchen konnten überhaupt nichts essen. Unsere Kleidung war von den Schlägen zerrissen, unsere Haare zerzaust, unsere Gesichter geschwollen. Aber Shabir, nichts davon hat unseren Geist gebrochen.
„Unsere Entschlossenheit war stärker denn je“
Wir standen vor den Gefängnisbeamten und sagten:
‚Wir sind keine Kriminellen. Wir sind hier, weil wir unsere Stimme für unsere vermissten Brüder erhoben haben. Wenn Sie glauben, Sie könnten uns mit Gefängnissen zum Schweigen bringen, irren Sie sich. Wir werden unsere Stimme noch lauter erheben als zuvor.‘
Nach zwei Tagen ließen sie uns plötzlich ohne Erklärung frei. Sie ließen uns mitten in der Nacht am Straßenrand stehen. Wir kamen erschöpft zu Hause an, unsere Körper waren voller Blutergüsse, aber unsere Entschlossenheit war stärker denn je.
„Der Weg lebt weiter“
Shabir, was ich dir sagen möchte, ist Folgendes: Der Weg, den du uns gezeigt hast, das Bewusstsein, das du uns vermittelt hast, lebt weiter. Der Staat mag uns in Kontrollpunkte, Folterzellen oder Gefängnisse stecken, aber er kann die Kette des Widerstands nicht brechen.
Shabir, erinnerst du dich, wie unsere Schwester Seema vor neun Jahren noch zu schüchtern war, um überhaupt zu sprechen? Sie konnte nicht einmal richtig Urdu sprechen. Aber heute, Shabir, steht Seema auf den Straßen von Karachi und Islamabad und trotzt dem Staat auf Urdu.
Deine Trauer hat uns stark gemacht, Shabir. Wir wachsen in unserer Trauer.
„Solange wir atmen, wird keiner von uns aufhören“
Nun beende ich diesen Brief mit der einzigen Hoffnung, dass dieser Schmerz der Trennung eines Tages ein Ende haben möge. Aber die liebevollen Erinnerungen an dich werden immer in meinem Herzen weiterleben. Und ich gebe dieses Versprechen: Solange wir atmen, wird keiner von uns aufhören, für die Verschwundenen Widerstand zu leisten.
Shabir, wir haben von Dr. Mahrang Baloch gelernt, dass Widerstand Leben ist, und in diesem bleiben wir am Leben.
Die bitteren Erinnerungen an deine Abwesenheit können niemals ausgelöscht werden. Ich kann nur eines wünschen: dass du zusammen mit allen Verschwundenen bald zurückkehrst, damit auch wir wie andere Menschen auf der Welt leben können.
Deine kleine Schwester,
Sammul“
Titelbild: Sammul mit einem Bild ihres Bruders © Lower Class Magazine
https://deutsch.anf-news.com/weltweit/wie-pakistan-den-zivilen-belutschischen-widerstand-unterdruckt-47420 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/vortrag-belutschistan-der-blutige-weg-zur-freiheit-in-leipzig-43986 https://deutsch.anf-news.com/weltweit/nassero-wir-sind-solidarisch-mit-dem-belutschischen-kampf-43058
Einladung zum Gedenken an Konstantin Gedig
Weil er den Gräueltaten des selbernannten Islamischen Staates (IS) nicht tatenlos zuschauen konnte, schloss Konstantin Gedig (Andok Cotkar), ein junger Landwirt aus Schleswig-Holstein, sich 2016 den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG in Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) an. Als die Türkei im Oktober 2019 begann, die syrische Grenzstadt Serêkaniyê (Ras al-Ain) anzugreifen, setzte sie hierbei ebenfalls Dschihadisten ein. Konstantin beteiligte sich aktiv an der Verteidigung der Stadt und verlor hierbei am 16. Oktober 2019 durch einen türkischen Luftangriff sein Leben.
Zum seinem sechsten Todestag lädt die Gruppe „Defend Kurdistan“ Kiel ihm zu Ehren zu einer Gedenkveranstaltung ein. Sie wird am Samstag 18. Oktober, 15-17.30 Uhr im Kurdischen Gemeindezentrum Kiel (Hermann-Weigmann-Straße 20, 24103 Kiel) stattfinden. In würdiger Atmosphäre soll das Andenken an den mutigen Internationalisten lebendig gehalten werden.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/die-blume-des-andok-cotkar-bluht-weiter-44074 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/wurdiges-gedenken-zum-vierten-todestag-von-andok-cotkar-39524 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/funf-jahre-nach-konstantins-tod-in-serekaniye-43930 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/erinnern-heisst-kampfen-internationales-gedenken-in-frankfurt-46957
QSD-Kommandant: Von den QSD gehen keine Angriffe aus
Die Waffenstillstandslinie in Dair Hafir verläuft laut Zuhêr Efrîn, einem Kommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in der Region, nördlich des Dorfes Resm El Felah, wo mehrere Einheiten des multiethnischen Militärbündnis stationiert seien.
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ANHA erklärte Efrîn, dass die QSD bereit seien, auf jede Verletzung oder jeden neuen Angriff in der Region zu reagieren, wie es in der Vergangenheit bereits nötig gewesen sei. Ihr klarer Auftrag sei, das Leben der Zivilbevölkerung zu schützen und die Sicherheit in der Region aufrechtzuerhalten.
Desinformation
Medienbehauptungen der Übergangsregierung oder anderer von der Türkei unterstützer Gruppen, denen zufolge ein Angriff von den QSD ausgegangen sei, wies Efrîn klar zurück: „Diese Behauptungen sind nicht wahr. Wir halten uns an die mit der Übergangsregierung geschlossenen Waffenstillstandsabkommen. Sie jedoch haben diese verletzt und Zivilbevölkerung angegriffen. Wir sind hier, um die Region zu schützen, und wir werden nicht zulassen, dass sich ihre Lügen verbreiten.“
In Bezug auf den Krieg, der neben den Angriffen auch über die Medien geführt werde, sagte Efrîn, dass die syrischen Regierungstruppen propagandistische Erklärungen und Bilder verbreiteten. „Sie berichteten mehrmals, dass sie die Stadt Dair Hafir eingenommen hätten. Die Informationen, die sie verbreiten, sind Teil des Medienkrieges“, ordnete er aktuelle Meldungen ein.
Gemeinsame Selbstverteidigung
Die Kämpfer:innen, die an der Waffenstillstandslinie in Dair Hafir den Schutz der Bevölkerung gewährleisten, gehören Efrîn zufolge verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen an, darunter Araber:innen, Kurd:innen, Alawit:innen, Drus:innen und Stammesangehörige. „Wir versprechen den Menschen in Nord- und Ostsyrien, dass wir diese Gebiete mit aller Kraft verteidigen werden. Die Besatzungstruppen werden nicht durchkommen. Wir werden dieses Versprechen einhalten“, schloss er.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/asayis-verurteilt-drohnenangriff-in-dair-hafir-48256 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/dair-hafir-sieben-angehorige-von-qsd-und-asayis-bei-angriffen-verletzt-48253 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zivilist-bei-beschuss-nahe-dair-hafir-verletzt-48246
Schweiz: Landesweite Solidarität mit Şêxmeqsûd und Eşrefiyê
Mit der syrischen Übergangsregierung verbündete und von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppen haben am 6. Oktober intensive Artillerieangriffe auf die kurdischen Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo begonnen. Bei den Angriffen wurden zahlreiche Zivilist:innen, darunter auch Kinder und ältere Menschen, verletzt, nachdem die Stadtteile vollständig abgeriegelt worden waren. Auch die Grunversorgung der Region mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten ist unterbunden worden.
Als Reaktion auf diese Angriffe riefen die Demokratische Kurdische Gemeinde in der Schweiz (CDK-S) und der Verband der Frauen aus Kurdistan in der Schweiz (YJK-S) in vielen Städten Kurd:innen und ihre Verbündeten zu Protestaktionen auf.
In einer gemeinsamen Erklärung der beiden Dachverbände zu den Protestaktionen hieß es: „Wir verurteilen die Angriffe der syrischen Übergangsregierung auf die kurdischen Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo aufs Schärfste. Alle Angriffe, die auf die Einheit, Identität und Existenz unseres Volkes abzielen, werden scheitern. Die Bevölkerung von Şêxmeqsûd und Eşrefiyê hat sich mit Widerstand gegen den IS, das Baath-Regime und die von der Türkei unterstützten Milizen verteidigt und wird nicht allein gelassen werden.“
Klare Forderungen des landesweiten Protests
In der Erklärung wurden folgende Forderungen aufgeführt:
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Die Angriffe müssen sofort eingestellt werden.
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Alle Straßen und Übergänge müssen geöffnet und Blockaden aufgehoben werden.
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Die Passage humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung muss gewährleistet werden.
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Die Sprache der Drohungen und Gewalt muss beendet werden, stattdessen muss der Weg des Dialogs und der friedlichen Lösung gewählt werden.
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Die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen müssen dringend Maßnahmen ergreifen.
Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Blockaden, willkürlichen Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê das Leben der Menschen in der Region gefährden. CDK-S und YJK-S riefen die internationale Öffentlichkeit zu einem sofortigen Eingreifen auf.
Bern
Die Kundgebung in der Schweizer Hauptstadt Bern begann mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Gefallenen Kurdistans. Anschließend sprach Gulistan Sadon, Sprecherin der Partei der Demokratischen Union (PYD) in der Schweiz: „Keine Macht kann sich über den Willen des kurdischen Volkes hinwegsetzen.“
Sie fuhr fort: „Die syrische Übergangsregierung hat zuerst die Drusen und dann die Aleviten angegriffen, jetzt richtet sie sich gegen das kurdische Volk. Aber keine Macht kann das kurdische Volk vernichten. Wir sind mit aller Kraft bereit; wie auch immer es kommen mag, wir werden darauf reagieren.“
Auch der kurdische Exilpolitiker Nejdet Atalay rief zur Einheit gegen die Angriffe auf: „Wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen, sondern schweigen, werden die Angriffe weitergehen. Verhandlungen waren immer unsere erste Wahl, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Wir werden weiter Widerstand leisten, bis nur noch ein einziger Kurde übrig ist.“
Songül Çelik ist Sprecherin der Föderation der Demokratischen Alevit:innen in Europa (FEDA) in der Scheiz. Sie sagte in Bern entschieden: „Wir werden zu den Massakern nicht schweigen; wir werden den Angriffen Einhalt gebieten. Das werden wir nicht zulassen.“
Die Aktion endete nach der Verlesung einer Pressemitteilung in deutscher Sprache mit „Bijî Berxwedana Rojava“-Sprechchören.
Genf
In Genf versammelten sich kurdische Menschen auf dem Mont-Blanc-Platz, um gegen die Angriffe zu protestieren. Nach einer Schweigeminute wurde die gemeinsame Erklärung von CDK-S und YJK-S auf Kurdisch und Französisch verlesen. In der Erklärung wurde dazu aufgerufen, die Angriffe auf die Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo zu beenden, die Blockaden aufzuheben und humanitäre Hilfe in die Region zu lassen.
Bellinzona
An der Kundgebung in der Stadt Bellinzona im Kanton Tessin nahmen ebenfalls zahlreiche Menschen teil. Unter den Slogans „Viva Kurdistan, Viva Öcalan“, „Bijî Serok Apo“ und „Viva Rojava, Viva QSD“ wurden YPG-Flaggen und Plakate von Abdullah Öcalan getragen.
In einer Erklärung, die Suat Roni und Fahrettin Sümer im Namen des Demokratischen Kurdischen Gemeindezentrums von Bellinzona auf Italienisch und Kurdisch abgaben, wurde darauf hervorgehoben, dass die Angriffe der HTS und und weiterer türkisch-unterstützter Gruppen auf die Errungenschaften des kurdischen Volkes abzielen, und betont, dass alle Völker gemeinsam gegen diese Angriffe kämpfen müssen.
Lausanne
Auch die Aktivist:innen, die sich auf dem St. Laurent-Platz in Lausanne versammelt hatten, protestierten gegen die Angriffe. In einer Erklärung im Namen des Kurdischen Gemeindezentrums wurde das gemeinsame Statement von CDK-S und YJK-S verlesen. In der Erklärung wurde klargestellt, dass die Angriffe in Aleppo gegen das Völkerrecht verstoßen, und die sofortige Lieferung humanitärer Hilfe sowie die Einstellung der Angriffe gefordert.
Luzern
In Luzern versammelten sich Kurd:innen vor dem Kantonsparlament. Die Aktion begann nach einer Schweigeminute mit einer Erklärung im Namen des Kurdischen Gemeindezentrums.
Ercan Güneş, Ko-Vorsitzender des Demokratischen Kurdischen Gemeindezentrums Luzern, sagte in seiner Rede: „Diejenigen, die die Mentalität des Regimes und des IS vertreten, wollten Şêxmeqsûd und Eşrefiyê besetzen. Dieser Angriff ist ein Plan, um die Werte zu zerstören, die die Kurden seit mehr als zehn Jahren errungen haben. Wir, die Kurden in Europa und das kurdische Volk in den vier Teilen [Kurdistans], verurteilen diesen Angriff und bekräftigen erneut, dass wir Seite an Seite stehen.“
Anschließend erklärte Ali Omar im Namen der PYD: „Dieser Angriff wird von Kreisen durchgeführt, die den Friedensprozess sabotieren wollen. Wenn der Lösungsprozess richtig voranschreitet, wird auch dort das Problem gelöst werden. Diese Angriffe sind jedoch das Werk von Kräften, die eine Lösung verhindern wollen. Wir unterstützen den von Rêber Apo initiierten Prozess und bekräftigen, dass wir an seiner Seite stehen.“
Im Namen des Kongresses der demokratischen Gemeinschaften Kurdistans in Europa (KCDK-E) erklärte Musa Farisoğulları abschließend: „Ein Prozess hat begonnen, aber wir dürfen uns nicht in Selbstzufriedenheit wiegen. Wir müssen vorsichtiger sein, uns den Prozess zu eigen machen und uns besser organisieren. Die Freiheit von Rêber Apo ist die Freiheit Kurdistans; die Freiheit Kurdistans ist wiederum mit der Freiheit von Rêber Apo verbunden.“
Chur
An der vor dem Bahnhof Chur organisierten Kundgebung für Rojava nahmen der Ko-Vorsitzende des Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrums, Kureyş Doymaz, Xelîl Derîk im Namen der PYD und die Politikerin Ayşe Acar Başaran teil.
Kureyş Doymaz betonte in seiner Rede die Entschlossenheit zur Selbstverteidigung: „Jeder sollte sich darüber im Klaren sein, dass die QSD, wenn sie einmal zu kämpfen begonnen hat, nicht mehr aufzuhalten ist; wir können bis nach Damaskus vorstoßen. Wir sind jetzt ein organisiertes Volk. Wie Rêber Apo gesagt hat, ist Rojava unsere rote Linie; wir werden Rojava bis zum Ende verteidigen.“
Die Solidarität der kurdischen Diaspora stand im Zentrum der Ansprache des PYD-Politikers Xelîl Derîk: „Unser Volk befindet sich im Krieg, also sollten auch wir uns auf den Krieg vorbereiten. Auch Europa ist ein Kriegsgebiet; die Unterstützer unseres Volkes im Inneren sind hier. Lasst uns immer bereit sein, lasst uns Unterstützung leisten.“
„Die vier Teile des kurdischen Volkes haben sich gegen die Angriffe zusammengeschlossen. In Rojava leisten verschiedene Völker Widerstand für ein gleichberechtigtes und freies Leben. Das Schweigen der internationalen Institutionen ist inakzeptabel“, konstatierte Ayşe Acar Başaran unmissverständlich.
Die Aktion endete mit dem Slogan „Bijî berxwedana gelê Rojava“ (Es lebe der Widerstand des Volks von Rojava).
Winterthur
Bei der Aktion in Winterthur verlas Zafer Goyî im Namen des Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrums eine Presseerklärung. Nach der Erklärung hielten die Aktivist:innen eine halbstündige Sitzblockade ab.
Basel
In Basel versammelten sich Kurd:innen und ihre Verbündeten vor dem Hauptbahnhof. Bei der Aktion wurde eine Pressemitteilung des Rojava-Komitees auf Deutsch verlesen, während Kudbettin Gezgin im Namen des Kurdischen Kulturzentrums eine Rede hielt.
Gezgin sagte: „Das Volk von Rojava kämpft trotz aller Schwierigkeiten weiter für seine Freiheit. Dieser Widerstand ist die gemeinsame Ehre von uns allen“, sagte er. Die Aktionen wurden mit Solidaritätsbotschaften und einer Schweigeminute für die in Rojava ums Leben gekommenen Menschen abgeschlossen und endete mit den Slogans „Bijî YPG“, „Bijî YPJ“ und „Bijî berxwedana gelê Rojava“.
Zürich
Auch in Zürich fand eine Protestaktion gegen die Angriffe der dschihadistischen Gruppen auf die Stadtteile Eşrefiyê und Şêxmeqsûd in Aleppo in Rojava statt. Eine breite Masse versammelte sich am Hauptbahnhof und verurteilte die Angriffe mit Slogans.
Nach einer Schweigeminute für die Opfer verlas Halil Küçük, Mitglied des Demokratischen Kurdischen Kulturzentrums Zürich, eine Erklärung im Namen von CDK-S und YJK-S.
Cemal Özdemir, Ko-Vorsitzender von CDK-S, sagte in seiner Rede: „Die Banden, die die Kurden angreifen, sollten nicht vergessen, dass wir ihre Oberherren, nämlich den IS, besiegt haben. Die Massaker, die sie an Alawiten und Drusen verübt haben, werden sie an den Kurden nicht wiederholen können. Das kurdische Volk ist ein organisiertes Volk.“
Im Namen der PYD verurteilte Omer Elî die Angriffe und kündigte Proteste in ganz Europa an. Diese Bekundungen fanden in der Erklärung im Namen des Rojava-Komitees Zürich Widerhall, in der betont wurde, dass die Internationalist:innen stets mit dem widerständigen kurdischen Volk in Rojava solidarisch seien.
Zahide Hüseyin erklärte im Namen der Gefallenen-Familien: „Wir verurteilen die Angriffe auf die Stadtteile Eşrefiyê und Şêxmeqsûd. Wir sind ein Volk, das sich gegen die Angriffe des IS gewehrt hat, und wir werden uns weder dem türkischen Staat noch seinen Banden unterwerfen. Wir stehen an der Seite der QSD, YPG und YPJ und werden bis zum Ende Widerstand leisten.“
Auch diese Aktion endete mit dem Slogan „Bijî Berxwedana Rojava“ (dt. „Es lebe der Widerstand von Rojava“).
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https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/europaweit-proteste-gegen-angriffe-auf-kurdische-viertel-in-aleppo-48284 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-mobilisiert-zu-protesten-gegen-angriffe-auf-kurd-innen-in-aleppo-48276 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/selbstverwaltung-verurteilt-angriffe-auf-kurdische-viertel-in-aleppo-48275
KCK: Der Erfolg des Prozesses wird die Isolation vereiteln
Mit der der erzwungenen Ausreise Abdullah Öcalans aus Syrien am 9. Oktober vor 27 Jahren begann die internationale Geheimdienstoperation, in deren Verlauf der kurdische Vordenker in die Türkei auf die Gefängnisinsel Imrali verschleppt wurde. Die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) bezeichnen diese Operation in einer aktuellen Erklärung als „eine der schmutzigsten, dunkelsten und finstersten Verschwörungen, die jemals gegen Völker in der Geschichte verübt wurden“. Sie unterstreichen insbesondere die Bedeutung, die Öcalans Freiheit für den sich aktuell andeutenden Friedensprozess in der Türkei trägt.
Einleitend heißt es in der Erklärung: „Gleichzeitig ehren wir alle Gefallenen der Revolution und des Kampfes für Demokratie, die unter dem Motto ‚Ihr könnt unsere Sonne nicht verdunkeln!‘ sofort einen Gegenangriff auf die Verschwörung starteten und dabei ihr Leben ließen, allen voran die Genoss:innen Halit Oral, Aynur Artan und Selamet Menteş. Wir verneigen uns respektvoll vor ihrer kostbaren Erinnerung. Die Erinnerung an diese wertvollen Genoss:innen, die mit ihrer historischen Haltung von großem Mut, Weitsicht und Engagement große Ergebnisse erzielt haben, wird weiterhin das Licht sein, das unseren Weg erhellt.“
Imperiale Interessen und antikurdische Feindseligkeit
Dank des durch sie begonnenen Kampfes hat die Isolation Öcalans, so die Erklärung, ihr Ziel nicht erreichen können. Im Folgenden wird der Verlauf der internationalen Geheimdienstoperation ausgeführt. Unmittelbar nach einer NATO-Versammlung wurden offene Drohungen gegen den syrischen Staat ausgesprochen, wo sich Abdullah Öcalan seinerzeit aufhielt.
„Zweifellos war der türkische Staat aufgrund seiner Feindseligkeit gegenüber den Kurd:innen Teil dieses Plans, aber die Entwickler und Durchführer dieses Plans waren internationale Mächte. Die Kräfte der kapitalistischen Moderne, die den Nahen Osten nach ihren Interessen gestalten und rücksichtslos ausbeuten, entwickelten einen solchen Plan, weil sie die vom kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan entwickelte Linie der Freiheit als Hindernis für ihre kapitalistischen imperialistischen Ziele betrachteten“, heißt es in der KCK-Erklärung zu den Hintergründen.
Die Rolle Europas
Um eine weitere Verschärfung des Krieges zu verhindern und eine demokratische politische Lösung für die kurdische Frage zu entwickeln, habe sich Öcalan in der Folge entschlossen, nach Europa zu gehen. Die europäischen Staaten trugen der KCK zufolge eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der kurdischen Frage. Demnach habe Öcalan ihnen mit seiner Wahl die Möglichkeit geboten, diese „historische Negativität zu kompensieren“, was die KCK als besonders bedeutsam hervorhebt.
„Die europäischen Staaten, die nach dem Plan der USA und der NATO handelten, versäumten es, diese ihnen gebotene Gelegenheit zu nutzen. Im Austausch für politische und wirtschaftliche Interessen verstießen sie offen gegen das Recht und die Werte, die sie zu vertreten vorgaben, und unterstützten die Politik des türkischen Staates, die auf den Völkermord an den Kurd:innen abzielte“, heißt es diesbezüglich in der Erklärung.
Der türkische Staat habe seinerseits „jedes Mal das zweischneidige Schwert, das ihm von den internationalen Hegemonialmächten gereicht wurde“, fest ergriffen, „um jede Entwicklung zu verhindern, die dem kurdischen Volk zugute kommen würde“.
Krieg zwischen Kurd:innen und Türk:innen
Im Folgenden analysiert die KCK in ihrer Erklärung, dass die Provokation eines Kriegs zwischen Kurd:innen und Türk:innen ein grundlegendes Ziel der internationalen Mächte in ihrer Operation war, um ihre Dominanz im Nahen Osten langfristig zu sichern.
„Tatsächlich zeigt das Versäumnis sowohl der europäischen Staaten als auch anderer Mächte, ernsthafte Unterstützung für die unvermeidliche Lösung der kurdischen Frage zu leisten, und stattdessen die Fortsetzung verdeckter und offener Bemühungen, die kurdische Frage ungelöst zu lassen, dass diese Politik bis heute fortgesetzt wird. Am Jahrestag der Verschwörung rufen wir alle an dieser Verschwörung beteiligten politischen Kräfte auf, ihre Ziele aufzugeben, die Verschwörung zu beenden, Selbstkritik zu üben und eine positive Rolle bei der Lösung der kurdischen Frage zu spielen“ lautet die Erklärung weiter.
Der Prozess für Frieden und eine demokratische Gesellschaft
Die KCK führt weiterhin aus: „Der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan erkannte das Ziel der internationalen Verschwörung und konzentrierte sich auf die Wiederherstellung der kurdisch-türkischen Beziehungen. Er setzte sich für die Beseitigung der Leugnung und für das Zusammenleben in einer gemeinsamen Heimat auf der Grundlage von Demokratie, Gleichheit und Einheit statt Separatismus ein. Trotz der Isolation, Folter und des Völkermords, denen er während der 27 Jahre auf der Gefängnisinsel Imrali ausgesetzt war, hat er diese Haltung beharrlich beibehalten und dafür gekämpft.“
Die aktuell in der Türkei begonnen Ansätze eines „Friedens- und Demokratisierungsprozesses“ sieht die kurdische Dachorganisation als Ergebnis der klaren Haltung Öcalans „und seines darauf basierenden Kampfes“.
Die Lösung der kurdischen Frage
In der Erklärung heißt es weiter: „In diesem Sinne wird der Erfolg des Prozesses ‚Frieden und demokratische Gesellschaft‘ die Ziele der internationalen Verschwörung vereiteln und die Lösung der kurdischen Frage sowie die Demokratisierung der Türkei und des Nahen Ostens verwirklichen.
Es ist die historische Verantwortung unseres Volkes und aller demokratischen Kräfte, diese Realität gut zu verstehen und die Bemühungen des kurdischen Wegweisers Abdullah Öcalan zu unterstützen, die darauf abzielen, die kurdisch-türkischen Beziehungen wiederherzustellen und auf dieser Grundlage eine demokratische politische Lösung für die kurdische Frage zu finden und die Türkei und den Nahen Osten zu demokratisieren. In diesem Zusammenhang rufen wir alle dazu auf, die Einheit weiter zu entwickeln und den gemeinsamen Kampf für den Erfolg des Prozesses ‚Frieden und demokratische Gesellschaft‘ auszuweiten, der all diese Dinge verkörpert.“
Zwei Jahre „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“
Abschließend geht die KCK auf das zweijährige Bestehen der Internationalen Kampagne „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ ein. Sie sei demnach Ausdruck dessen, dass „die Völker der Welt, demokratische sozialistische Kräfte, Frauen und die gesamte fortschrittliche Menschheit die Befreiung des kurdischen Wegweisers Abdullah Öcalan und die Lösung der kurdischen Frage als grundlegendes Ziel des universellen Kampfes der Menschheit in den Vordergrund gestellt“ haben.
Die Kampagne habe bereits „großartige Ergebnisse erzielt und tut dies auch weiterhin“. Weiter heißt es in der Erklärung: „Anlässlich des zweiten Jahrestags der globalen Freiheitsbewegung sprechen wir erneut allen internationalen Freund:innen, die diesen Kampf entwickelt und unterstützt haben, unsere Grüße und unseren Respekt aus und bringen unsere Dankbarkeit zum Ausdruck.
Zweifellos wird der Erfolg des Prozesses ‚Frieden und demokratische Gesellschaft‘ mit der physischen Freiheit des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan erreicht werden. Deshalb sagen wir, dass im dritten Jahr der globalen Freiheitskampagne die Zeit gekommen ist, die physische Freiheit Abdullah Öcalans zu sichern. Wir müssen dies als unser grundlegendes Ziel betrachten und auf dieser Grundlage den Kampf überall intensivieren.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/amed-aufruf-zur-teilnahme-an-9-oktober-demonstration-48289 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-ruft-zu-protesten-fur-Ocalans-freilassung-und-losung-der-kurdischen-frage-auf-48288 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/kck-prasidialrat-beteiligt-euch-alle-an-der-freiheitskampagne-40982
Sechs Jahre nach türkischem Einmarsch Serêkaniyê
In aller Öffentlichkeit hat das NATO-Mitglied Türkei am 9. Oktober 2019 die kurdische Region Serêkaniyê (Ras al Ain) im Norden Syriens angegriffen. Seinen völkerrechtswidrigen Angriff nannte das türkische Militär „Operation Friedensquelle“. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) äußert sich anlässlich des Jahrestags zur anhaltenden Besatzung und den dramatischen Konsequenzen für die einstige Bevölkerung.
„Auch sechs Jahre nach der Invasion und ein Jahr nach dem Sturz des Diktators Assad dürfen Kurden, die in weiter östlich gelegenen Regionen Zuflucht gefunden haben, nicht in ihre Heimat zurückkehren“, berichtete Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der GfbV, heute in Göttingen.
70.000 Vertriebene
Laut der NGO leben noch immer rund 70.000 aus Serêkaniyê stammende Menschen in weiter östlich gelegenen Gebieten der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES). Eine Rückkehr sei kaum möglich, erklärte Sido: „Diejenigen, die dennoch eine Rückkehr versuchten, fanden ihre Häuser und Ländereien von radikalen arabisch-sunnitischen Siedlern besetzt, die die türkische Besatzungsmacht dort angesiedelt hat.“
Besatzung, illegale Machenschaften und Kollaboration
Unter der völkerrechtswidrigen Besatzung werden laut GfbV illegale Geschäfte abgewickelt, die das Eigentum der vertriebenen Bevölkerung betreffen. Doch von der selbsternannten syrischen Übergangsregierung seien diesbezüglich keine Konsequenzen zu erwarten: „Häuser von sunnitischen Kurden, Yeziden und Christen wurden vielerorts von Siedlern an andere Siedler verkauft. Diese Käufe und Verkäufe sind illegal.
Die neue islamistische Regierung in Damaskus hat in Serekaniye und den anderen 2019 von der Türkei besetzten Gebieten Syriens nichts zu sagen. Die neuen Machthaber sind vor einem Jahr unter anderem mit Hilfe der Türkei an die Macht gekommen. Sie kooperieren mit der türkischen Besatzungsmacht.“
Abhängigkeit der Übergangsregierung
„Eine Souveränität Syriens, wie die Islamisten sie behaupten, existiert nicht. Vielmehr sind die islamistischen Milizen und Banden von der Gnade der Türkei, anderer NATO-Regierungen, der arabischen Golfstaaten und Israels abhängig. Ohne deren Unterstützung oder Duldung könnten sie in Damaskus keinen Tag an der Macht bleiben“, so der Nahostreferent. Fest steht, dass große Teile des Landes de facto weder unter der Kontrolle der Übergangsregierung stehen noch deren Politik auf breite Zustimmung stößt.
Gleichberechtigung und Demokratie
Sowohl die in der DAANES organisierten Gebieten, wie auch die mehrheitlich alawitisch bevölkerte Mittelmeerküste Syriens und der drusisch geprägte Süden des Landes erkennen die islamistische Regierung in Damaskus nicht bedingungslos an. Sie fordern demokratische und konföderale Strukturen und verfassungsmäßig garantierte, gleiche Rechte für alle Völker Syriens und alle Geschlechter. All dies spiegele weder die Ideologie noch das Handeln der aktuellen Machthaber in Damaskus wieder.
Kein Kurswechsel in der bundesdeutschen Politik
„Leider hat sich der Umgang mit der islamistischen Regierung in Damaskus unter der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD nicht geändert. Der Kuschelkurs der früheren Ampelregierung mit dem Regime Erdogans und die Verharmlosung der neuen islamistischen Machthaber in Damaskus werden auch unter Friedrich Merz fortgesetzt“, bedauerte Sido.
Hintergrund
Am 9. Oktober 2019 begannen die türkische Armee und ihre Söldner mit ihrem Angriff auf Serêkaniyê in Rojava und die umliegenden Dörfer. Infolge der Angriffe wurden 300.000 Zivilist:innen aus der Region in die Flucht getrieben. Die Bedingungen der Flucht treffen Frauen und Kinder besonders schwer.
Titelbild: Auffanglager Waşokanî bei Hesekê, Oktober 2021
https://deutsch.anf-news.com/frauen/kongra-star-ruft-zu-protesten-am-9-oktober-auf-48247 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gesprache-in-damaskus-aushandlungen-fur-die-zukunft-syriens-47023 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/turkei-verfolgt-expansionistische-politik-im-nahen-osten-45882 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/keine-ruckkehr-der-vertriebenen-ohne-ende-der-besatzung-45741
Verbotene kurdische Bücher kehren in die Regale zurück
Trotz jahrhundertelanger Assimilationspolitik setzt das kurdische Volk, dessen Identität, Sprache und Kultur lange Zeit verleugnet wurden, seinen kulturellen Widerstand fort. In Rojava (Westkurdistan) war diese Politik mit am stärksten zu spüren. Der syrische Staat versuchte, die Verbindung des kurdischen Volkes zu seiner eigenen Geschichte zu unterbrechen und hat kurdische Bücher daher jahrelang verboten und verbrannt.
Die Rojava-Revolution brachte einen Wendepunkt. Aufgebaut auf den Prinzipien der Frauenbefreiung und einer demokratischen Gesellschaft, ebnete sie auch den Weg für die kulturelle Wiedergeburt des kurdischen Volkes.
Ein wichtiger Meilenstein dieser Wiederbelebung war die Gründung der Şilêr-Bibliothek. Die Vereinigung der Schriftsteller:innen Nord- und Ostsyriens weihte sowohl das Şilêr-Café als auch die Bibliothek im Literaturzentrum Nord- und Ostsyriens, im Qamişloer Stadtteil Siyahi im Kanton Cizîrê, am 4. September ein.
Ein Kulturzentrum mit 7.500 Büchern
Die Şilêr-Bibliothek beherbergt 7.500 Bücher in verschiedenen Sprachen, darunter auch Werke von Abdullah Öcalan. Neben 765 kurdischsprachigen Büchern, stehen 70 in Fremdsprachen in den Regalen und 7.095 auf Arabisch. Hierbei adressieren sie Leser:innen aus vielen verschiedenen Bereichen, darunter Kinderliteratur, Romane, Kurzgeschichten, Geschichte, Folklore, Poesie, Frauenstudien, Kunst, Politik, Philosophie, Psychologie, Recht, Soziologie, Wissenschaft und Medizin.
Einen weiteren Beitrag zur mehrsprachigen Literaturlandschaft der Region leistete außerdem der Şilêr-Verlag mit der Herausgabe von 870 Bücher in kurdischer, arabischer und türkischer Sprache.
Förderung der Lesekultur
Fidan Muhammed, Mitglied des Verwaltungsrats der Şilêr-Bibliothek und des -Cafés, sprach mit ANF über den Gründungsprozess der Bibliothek und beschrieb deren Zweck wie folgt: „Die Şilêr-Bibliothek beherbergt Bücher in allen Sprachen. Unser Ziel ist es, eine Lesekultur in der Gesellschaft, insbesondere unter jungen Menschen, zu fördern und das Lesen zu einem natürlichen Bestandteil des Alltags zu machen. Die Bibliothek ist ein Ort, an dem sich die Menschen in Ruhe konzentrieren und sich mit Wissen verbinden können.“
Das zur Bibliothek gehörende Café soll auch als ein Ort dienen, an dem Leser:innen über Bücher diskutieren und an intellektuellen Aktivitäten teilnehmen können. Auf diese Weise ist die Bibliothek nicht nur eine Stätte zum Lesen, sondern auch ein Zentrum für kulturellen Austausch und das Teilen von Ideen geworden.
Eine besondere Ecke für Kinder
Die Bibliothek umfasst, so Muhammed, auch einen eigenen Bereich für Kinder: „In unserer Kinderecke gibt es nur Kinderbücher und Geschichten. Oft kommen Lehrer:innen, um Bücher für ihre Schüler:innen auszuleihen.“
Starkes öffentliches Interesse aus allen gesellschaftlichen Bereichen
Obwohl erst kürzlich eröffnet, stoßen die Şilêr-Bibliothek und das Café bei den Menschen in Qamişlo auf große Begeisterung. Von Studierenden bis zu Schriftsteller:innen, von Lehrkräften bis zu Intellektuellen – Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft besuchen die Bibliothek. Fidan Muhammed beschrieb das Interesse: „Schon während der Vorbereitungsphase besuchten Studierende die Bibliothek mit Neugier. Heute ist die Şilêr-Bibliothek zu einem Treffpunkt geworden, an dem verschiedene Kulturen zusammenkommen und die Menschen die Kulturen der anderen kennenlernen.“
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