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Aktualisiert: vor 18 Minuten 12 Sekunden

15 Tote: Großangriff auf Besatzer in Metîna

4. Mai 2024 - 15:00

In der Metîna-Region in Südkurdistan sind am Samstag mindestens 15 Angehörige der türkischen Armee von der Guerilla getötet worden. Wie das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) dazu mitteilt, erfolgte der Angriff in Form einer koordinierten Guerillaaktion am frühen Morgen im Widerstandsgebiet Golka: „Nach einer kurzen Observierung der Eindringlinge, die sich im Gebiet Kanî Botkê bewegten, gingen unsere Kräfte von mehreren Seiten vor. Aus dem Nahabstand wurden Handgranaten, Standardgewehre und halbautomatische Waffen eingesetzt. Der Tod von 15 Besatzern ist sicher festgestellt worden. Darüber hinaus wurden fünf Armeezelte und zwei Stellungen vernichtet.“

Die HPG äußern sich in ihrer Mitteilung auch zu Angriffen, die von der türkischen Armee in den letzten Tagen gegen Südkurdistan verübt wurden und in früheren Erklärungen noch nicht bekannt gegeben worden waren. So verzeichnete die Guerillaorganisation seit vergangenem Donnerstag sechs Luftangriffe in der Gare-Region, die sich gegen die Gebiete Girê Reşîd, Girê Zengil und Deşta Kafya richteten. Vier weitere Luftschläge wurden im selben Zeitraum in Dergelê und Serê Metîna in Metîna sowie in Ava Lolanê in Xakurke verzeichnet. Darüber hinaus registrierten die HPG am 1. sowie am 3. Mai zeitgleichen Artilleriebeschuss vom Boden und aus Kampfhubschraubern in Golka und Şêlazê sowie in Şehîd îbrahîm im Zap.

Die türkische Armee hat am 16. April stillschweigend und ohne mediale Begleitung eine Invasion in Metîna eingeleitet. Unterstützung bei der Besatzungsoperation erhält Ankara von Truppen der PDK (Demokratische Partei Kurdistans), die in Hewlêr (Erbil) die autonome Regierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) dominiert. Auch die irakische Regierung versucht der türkische Staat zu einer aktiven Beteiligung an der Invasion Südkurdistans zu bewegen.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-die-guerilla-ist-taktisch-versiert-und-psychologisch-uberlegen-42056 https://anfdeutsch.com/kurdistan/guerilla-schlagt-in-metina-und-zap-zu-42046 https://anfdeutsch.com/hintergrund/kriegsplane-von-ankara-im-spannungsfeld-des-iraks-und-sudkurdistans-42015

 

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QSD: IS-Söldner bei Anschlagsversuch getötet

4. Mai 2024 - 14:00

Bei einem missglückten Anschlag auf ein Mitglied der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) ist am Freitag in der Nähe von Deir ez-Zor ein Söldner der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) getötet worden. Der Mann hatte nach Angaben der QSD versucht, auf einer Fahrstraße in der Kleinstadt Busayrah von einem Motorrad aus auf den Wagen eines Beamten des Militärrats von Deir ez-Zor zu schießen. Der QSD-Angehörige sei den Kugeln erfolgreich ausgewichen und hätte auf den Mann und seinen Begleiter geschossen. Einer der Angreifer sei dabei getötet worden, der zweite überlebte wohl schwer verletzt.

Die QSD teilten weiter mit, dass die Angreifer neben Maschinengewehren auch Sprengstoffgürtel bei sich hatten. „Öffentliche Plätze, an denen sich viele Zivilpersonen aufhalten, werden von IS-Terroristen immer wieder angegriffen. Unsere Kräfte bleiben wachsam, um unsere Gemeinschaft zu schützen, und werden diese Terroristen unnachgiebig verfolgen, um ihre vollständige Ausrottung sicherzustellen“, hieß es weiter.

Der IS hat in Syrien kein Gebiet mehr dauerhaft unter seiner Kontrolle. Es gibt aber mehrere Schläferzellen, die immer wieder Angriffe auf die QSD, Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung in der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) und die Zivilbevölkerung verüben. Neben dem IS verüben aber auch Attentäter der libanesischen Hisbollah und Iran-treuer Milizen Anschläge in den nordostsyrischen Autonomiegebieten.

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/mutmassliche-is-attacke-gegen-regime-soldaten-42038 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/asayis-nimmt-in-Sedade-mutmassliche-regime-soldner-fest-42002 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-ranghohe-is-dschihadisten-fest-41976

 

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Keine Isolation auf Imrali?

4. Mai 2024 - 14:00

Abgeordnete der DEM-Fraktion haben am 7. Dezember 2023 eine Anfrage zu der Isolation von Abdullah Öcalan an den Menschenrechtsausschuss im Parlament der Türkei gestellt. Der PKK-Begründer ist seit 25 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert, seit März 2021 gibt es von ihm und seinen drei Mitgefangenen kein Lebenszeichen mehr. Auch ihre Anwält:innen und Angehörigen haben keinen Kontakt zu ihnen. In der Antwort der Generaldirektion für Gefängnisse und Haftanstalten des türkischen Justizministeriums wurde behauptet, dass Abdullah Öcalan seine Rechte wahrnehmen könne und es keine Isolation gebe.

Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die die vier Imrali-Gefangenen vertritt, hat schriftlich zu der Antwort des Ministeriums Stellung bezogen. Die Kanzlei moniert, dass sich die Anfrage der DEM-Abgeordneten auf die Entwicklungen auf Imrali seit 2011 bezogen hat und das Justizministerium nur auf das Jahr 2023 eingeht: „Drei der im Jahr 2023 verhängten Disziplinarstrafen werden aufgelistet und es wird lediglich erwähnt, dass Besuche von Angehörigen aufgrund dieser Strafen nicht stattfinden konnten. Es wird jedoch beispielsweise nicht erklärt, aus welchen Gründen diese Disziplinarstrafen verhängt wurden, warum sie in Dreimonatszeiträumen (15. März, 26. Juni, 27. September 2023) erfolgten und warum die Disziplinarverfahren bewusst vor den Anwältinnen und Anwälten verheimlicht wurden.“

Eine vierte Disziplinarstrafe, die am 28. Dezember 2023 verhängt wurde, sei in der Antwort des Ministeriums nicht aufgeführt, so die Kanzlei: „Auch hier handelte es sich wie üblich um ein Disziplinarverfahren in einer Angelegenheit, die nichts mit Familienbesuchen zu tun hatte, und zwar auf völlig unbegründete und willkürliche Weise, und auch hier wie üblich unter Ausschluss der Anwältinnen und Anwälte. Die Entscheidungen des Vollstreckungsrichters zur Verhinderung von Anwaltsbesuchen, die das Ministerium nicht näher erläuterte und die im Jahr 2023 fortgesetzt wurden, erfolgen ebenfalls heimlich, willkürlich und rechtswidrig.“

Anwält:innen von Abdullah Öcalan waren zuletzt im August 2019 zu einem Besuch in dem Inselgefängnis, Hamili Yıldırım, Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş haben seit ihrer Verlegung nach Imrali im März 2015 nicht mehr mit einem Anwalt sprechen können. Wie die Kanzlei Asrin mitteilt, argumentiert das Justizministerium, dass der Begriff „Isolation“ laut Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur zutreffe, „wenn die Kommunikation des Gefangenen mit seinem Anwalt, seinen Verwandten oder anderen Gefangenen vollständig unterbunden“ werde.

„Das Ministerium versucht quasi, die letzten Grenzen der Isolation zu bestimmen, die eine unmenschliche Behandlung darstellt“, erklärt die Anwaltskanzlei. In der Antwort habe es weiter geheißen, „der Antragsteller wurde nicht daran gehindert, sich mit seinen Anwälten und Angehörigen zu treffen“. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage möge die Öffentlichkeit selbst beurteilen, tatsächlich habe seit 2020 kein Anwalt und kein Familienmitglied die Gefängnisinsel betreten. „Mit solchen vagen Aussagen können die Folterbedingungen auf Imrali nicht unsichtbar gemacht und beschönigt werden“, stellt die Kanzlei fest und betont, dass die Rechte der Gefangenen systematisch verletzt werden, auch keine schriftliche oder telefonische Kommunikation möglich ist, keine Informationen über den Gesundheitszustand ihrer Mandanten vorliegen und alle Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten sind.

Kontakte zu Abdullah Öcalan und seinen Mitgefangenen seit 2011

Den Angaben der Kanzlei zufolge finden seit dem 27. Juli 2011 keine Anwaltsgespräche auf Imrali statt, mit Ausnahme von fünf Besuchen im Jahr 2019, die mit einem Massenhungerstreik durchgesetzt wurden (2. Mai 2019, 22. Mai 2019, 12. Juni 2019, 18. Juni 2019 und zuletzt am 7. August 2019). Seit dem 6. Oktober 2014 werden Familienbesuche verboten, auch für Angehörige gab es aufgrund von öffentlichen Drucks fünf Ausnahmen (11. September 2016, 12. Januar 2019, 5. Juni 2019, 12. August 2019 und zuletzt 3. März 2020).

Veysi Aktaş, Hamili Yıldırım und Ömer Hayri Konar hatten in den neun Jahren ihrer Inhaftierung auf Imrali keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und durften dreimal Familienbesuch empfangen, Yıldırım sogar nur zweimal. Alle anderen Besuchsanträge wurden abgelehnt.

Telefongespräche waren im gesamten Zeitraum zweimal möglich, am 27. April 2020 und am 25. März 2021. Seitdem gibt es keine Nachrichten von den Imrali-Gefangenen.

Verhinderte Freilassung von Veysi Aktaş

Die Anwaltskanzlei weist außerdem auf die verhinderte Freilassung von Veysi Aktaş hin und teilt mit, dass ein Widerspruch gegen die willkürliche Verlängerung der Haftdauer um ein Jahr abgelehnt worden ist. Der Beschluss zur Haftverlängerung wurde dem Verteidigerteam nicht zugestellt.

„Imrali in ein juristisches schwarzes Loch zu verwandeln, reicht nicht aus, um die Politik der Isolation und die administrativen und politischen Entscheidungen bezüglich dieser Praxis unsichtbar zu machen“, erklärt die Kanzlei und fordert Ministerium und Justiz auf, die „Zustände des absoluten Kommunikationsverbots und die freiheitsentziehenden Entscheidungen zu beenden“.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/dem-fraktion-fordert-untersuchungsausschuss-was-geschieht-auf-imrali-42035 https://anfdeutsch.com/aktuelles/haft-von-veysi-aktas-auf-imrali-um-ein-jahr-verlangert-42011 https://anfdeutsch.com/aktuelles/cpt-imrali-besuch-zu-gegebener-zeit-41941 https://anfdeutsch.com/aktuelles/internationales-solidaritatsnetzwerk-fordert-cpt-besuch-auf-imrali-41821

 

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14 kurdische Aktivisten in Rojhilat verschleppt

4. Mai 2024 - 12:00

In Rojhilat (Ostkurdistan/Westiran) sind in den letzten Tagen mindestens 14 kurdische Aktivisten von iranischen Sicherheitskräften festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Das teilte das Kurdish Human Rights Network (KHRN) am Freitag mit.

Den Angaben zufolge wurden die Kurden, darunter der Musiker Hadi Lawa, zwischen dem 30. April und dem 2. Mai in der Stadt Şino (Oshnavieh) und umliegenden Dörfern in der iranischen Provinz Westaserbaidschan festgenommen. Die Festnahmen seien hauptsächlich vom Geheimdienst des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) durchgeführt worden und stehen im Zusammenhang mit der Organisation einer Newroz-Feier im März, so das KHRN.

Bei den Festgenommenen handelt es sich laut dem kurdischen Menschenrechtsnetzwerk um Yousef Haji Khosh, Rahim Rafati, Fakhraddin Modarresi, Omid Rashid-Pak, Arman Ebrahimi, Salah Ghazi, Hesamoddin Mahmoudi, Mowloud Rousta, Hassan Rasouli, Jafar Rasouli, Mohammad Soltanpour, Ghafour Sheikh-Mohammadi, Hadi Lawa und Ako Ebrahimi.

Yousef Haji Khosh ist den Angaben zufolge ein führendes Mitglied der Vereinigten Kurdischen Front. Sein Haus im Dorf Kona Ghala wurde am Abend des 1. Mai von Sicherheitskräften gestürmt, bei seiner Festnahme wurde Gewalt angewendet.

Foto: KHRN

https://anfdeutsch.com/menschenrechte/kurdischer-gefangener-anvar-khezri-im-iran-hingerichtet-42031 https://anfdeutsch.com/frauen/prozess-gegen-varishe-moradi-verschoben-41748 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/rojhilat-regime-vollstreckt-todesurteile-gegen-zwei-kurden-41366

 

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Naturmedizin in Aleppo

4. Mai 2024 - 12:00

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien werden neben der traditionellen Medizin zunehmend alternative Heilungsmethoden erforscht und eingesetzt. Auch für die selbstverwalteten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiye in Aleppo ist vor fünf Jahren ein Naturheilkundezentrum gegründet worden. Die Mitarbeiterin Rîham Hemreş erklärte gegenüber ANF:

„In einer Zeit, in der sich die Gesellschaft den Krankenhäusern zuwendet, haben wir beschlossen, uns mit dem Erbe unserer Großmütter und Mütter zu befassen und uns der Naturmedizin zu widmen. Einige chemische Medikamente können schnelle Ergebnisse erzielen, aber ihre Nebenwirkungen breiten sich mit der Zeit im ganzen Körper aus. Die Behandlung durch die Naturmedizin ist langwieriger, verursacht aber keine Nebenwirkungen und schadet dem Patienten nicht. Früher war die Naturheilkunde sehr beliebt. Die Nachfrage ging im Laufe der Zeit zurück. Wir müssen das Bewusstsein der Gesellschaft schärfen, um den Glauben an die Naturheilkunde wieder zu stärken.“

 


Rîham Hemreş sagte, dass sie von den Erfahrungen weiser Menschen profitieren: „Wir ziehen auch Schlussfolgerungen, indem wir die Vorteile von Pflanzensorten erforschen. Oder wir beschäftigen uns mit den Ursachen von Krankheiten. Das Forschen nach einer korrekten Diagnose und das Nutzen des Wissens erfahrener Menschen hat unsere Arbeit verbessert.“

So seien Behandlungsmethoden entwickelt worden, die Diabetes, Knochenkrankheiten, Körperentzündungen, Hautkrankheiten und Übergewicht vorbeugen, erläuterte Rîham Hemreş. Die Patientinnen und Patienten, die sich an das Naturheilkundezentrum gewandt haben, seien mit der Behandlungsmethode und dem Ergebnis der Behandlung zufrieden. Die meisten Pflanzen, die bei der Behandlung verwendet werden, stammen aus Şehba. Das Zentrum bietet auch Informationen über Methoden zur Krankheitsvorbeugung und -behandlung sowie Schulungen an. Körperschmerzen werden zudem mit Physiotherapie gelindert. Laut Rîham Hemreş gilt der Grundsatz, dass jeder Mensch die Behandlung bekommt, die er braucht: „Die Naturmedizin trägt zur gesellschaftlichen Gesundheit bei.“

https://anfdeutsch.com/frauen/Sifa-jin-es-gibt-nichts-was-heilender-ist-als-freiheit-18423 https://anfdeutsch.com/frauen/frauen-in-dirbesiye-betreiben-naturmedizin-19732 https://anfdeutsch.com/frauen/dritte-fachtagung-genderstudien-trifft-jineoloji-durchgefuhrt-39136

 

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HPG: Die Guerilla ist taktisch versiert und psychologisch überlegen

4. Mai 2024 - 12:00

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat eine Kriegsbilanz für April veröffentlicht. „Die Freiheitsguerilla Kurdistan ist mit der Newroz-Begeisterung in den Frühling eingetreten und hat den April mit demselben Widerstandsgeist begonnen. Von Bakurê Kurdistanê [Nordkurdistan] bis zu den Medya-Verteidigungsgebieten setzt die Guerilla ihren Kampf mit apoistischer Opferbereitschaft fort und hat auch im April entschlossen daran festgehalten“, heißt es einleitend in der Bilanz.

Guerilla in Bakur

Die HPG teilen mit, dass die türkische Armee im April in vielen Gebieten im Norden Kurdistans Militäroperationen durchgeführt hat, „von Dersim bis Mêrdîn und von Botan bis Colemêrg“. Keine dieser Operationen sei für die Armee erfolgreich gewesen. „Die Guerilla in Bakur hat ihre mit dem Frühling beginnende Jahrespraxis vorteilhaft begonnen“, lautet das Fazit der HPG.

Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten

Die Medya-Verteidigungsgebiete seien im Zuge der türkischen Besatzungsangriffe ununterbrochen aus der Luft und vom Boden aus bombardiert worden. Der türkische Staat habe intensive Gespräche und schmutzige Verhandlungen geführt, um Unterstützung für die Angriffe auf die Guerilla und die Besatzung von Başûrê Kurdistanê (Südkurdistan) zu finden. Damit habe die Türkei eingestanden, allein keine Chance gegen die Freiheitsguerilla zu haben, so die HPG:

„Die türkische Besatzerarmee hat am 16. April stillschweigend und ohne mediale Begleitung eine Invasion in Metîna eingeleitet. Sie setzt darauf, sich mit Unterstützung der PDK langsam im Feld festzusetzen und Schritt für Schritt vorzurücken. Über diesen Invasionsbeginn wurde nicht offen berichtet. Während die türkische Armee einerseits den Beginn des Besatzungsangriffs verheimlicht, werden auf der anderen Seite täglich Lügen über unsere angeblichen Verluste von den faschistischen Spezialkriegsmedien verbreitet. Im April sind unsere Weggefährtinnen Berjîn Canda, Ararat Herekol und Zîn Zagros gefallen. Ihre Identität wurde bekannt gegeben und unserem patriotischen Volk und der Öffentlichkeit mitgeteilt.“

In der Erklärung wird betont, dass die kurdischen Guerillaarmeen HPG und YJA Star (Verbände freier Frauen) in jeder Hinsicht vorbereitet und zum Kampf entschlossen sind. Mit ihrer taktischen Versiertheit und dem selbstlosen Geist des Apoismus sei die Guerilla in psychologischer Hinsicht eindeutig überlegen.

Angriffe der türkischen Armee

Wie aus der HPG-Bilanz hervorgeht, hat die türkische Armee die Guerillagebiete im April in 279 Fällen mit Kampfjets und 30-mal mit Kampfhubschraubern angegriffen. Bei elf weiteren Angriffen wurden unkonventionelle Sprengmittel eingesetzt, in einem Fall chemische Kampfstoffe. Neun Luftangriffe auf Guerillastellungen erfolgten mit Drohnen, die mit Sprengstoff beladen waren.

Aktionen der Guerilla

Die Guerilla hat den Angaben zufolge 29 Aktionen durchgeführt, bei denen zwölf Soldaten der türkischen Invasionstruppen getötet und drei weitere verletzt wurden. Eine feindliche Stellung, ein Radarsystem, acht Überwachungskameras und ein Projektor wurden zerstört. Die Guerilla beschlagnahmte ein Infanteriegewehr vom Typ MPT-55, ein Waffenfernrohr, eine Kopflampe und eine Brille. Ein Transporthubschrauber vom Typ Sikorsky wurde von der Guerilla beschossen und getroffen, so die HPG-Bilanz.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-pdk-eskorte-fur-turkische-besatzer-in-metina-41959 https://anfdeutsch.com/hintergrund/gefahrliche-provokation-der-turkei-und-pdk-42052 https://anfdeutsch.com/kurdistan/kriegsbilanz-der-hpg-fur-marz-41688 https://anfdeutsch.com/kurdistan/film-uber-guerillaoperation-ein-schlag-ins-herz-ankaras-41927

 

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„Es ist sehr hart, einen solchen Freund und kämpferischen Menschen zu verlieren“

4. Mai 2024 - 10:00

Die Ko-Vorsitzenden des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) bezeichnen den Tod von Celal Başlangıç als schweren Verlust. Der türkische Journalist und Autor starb in der Nacht zum Freitag im Alter von 68 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in Köln.

„Es ist sehr hart, einen solchen Freund und kämpferischen Menschen zu verlieren“, erklären die KCK-Vorsitzenden. Celal Başlangıç sei ein wertvoller Mensch gewesen, der mit seiner Haltung und seinem Kampf vorgelebt habe, wie man sich im notwendigen Moment zu verhalten habe: „Er stand in den schwierigsten Zeiten, wenn sich alle zurückzogen und schwiegen, an der Seite des kurdischen Volkes und hat jede Gefahr in Kauf genommen, um über den Schmerz der Kurdinnen und Kurden zu schreiben und die stattfindenden Massaker zu benennen. Er hat viele vom türkischen Staat in Kurdistan begangene Verbrechen aufgedeckt und dafür gesorgt, dass die Wahrheit öffentlich bekannt wird.“

Damit habe Başlangıç einen großen Beitrag dafür geleistet, die Realität des türkischen Staates aufzuzeigen, so die KCK-Vorsitzenden: „Er war ein wahrer Freund des kurdischen Volkes und ein Verfechter der Wahrheit. Weil er Tatsachen zur Sprache brachte und sich an die Seite des gerechten kurdischen Kampfes stellte, war er staatlicher Repression ausgesetzt. Gegen ihn wurde ermittelt und er wurde verurteilt. Trotzdem hat er sich dem Druck und den Drohungen nicht gebeugt und nicht davon abgesehen, für die Wahrheit einzustehen und diese zur Sprache zu bringen. Seine Haltung und sein Kampf waren beharrlich und entschlossen.“

Die KCK weist darauf hin, dass Celal Başlangıç auch für die kurdischen Medien großen Einsatz gezeigt und wertvolle Beiträge geliefert habe: „Bis zu seinem Tod war er solidarisch mit der Freien Presse. Bekanntlich wurde er wegen dieser Solidarität verfolgt und verurteilt und musste ins Exil gehen. Auch im Exil hat er an seiner Haltung festgehalten und seinen Kampf fortgesetzt. Die kurdischen Medien haben ihm viel zu verdanken.“

Die KCK-Vorsitzenden sprechen der Familie und den Freundinnen und Freunden von Celal Başlangıç sowie der demokratischen freien Mediengemeinschaft ihr Beileid aus und erklären, sich angesichts seiner Freundschaft zum kurdischen Volk, seiner mutigen Publikationen, seiner Überzeugung vom Kampf für Demokratie und seines Einsatzes für diese Werte respektvoll zu verneigen.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/journalist-celal-baslangic-gestorben-42045

 

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Der Lange Marsch, organisiert durch die PKK?

4. Mai 2024 - 9:00

Am 2. Mai 2024 nahm an dem Prozess gegen Kenan Ayaz vor dem OLG Hamburg neben den deutschen Verteidiger:innen Antonia von der Behrens und Stephan Kuhn auch der zypriotische Anwalt Efstathios C. Efstathiou teil. Dem kurdischen Aktivisten wird vorgeworfen, Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Auf welch abenteuerliche Weise das Gericht dies nachweisen möchte, wurde auch an diesem Tag sichtbar.

Der Prozesstag begann mit der Verlesung von Kurznachrichten vom 10. und 11. September 2019, deren Absender laut Gericht der Angeklagte Kenan Ayaz sein soll – darunter Sätze wie „Wir sind am Laufen, Marschieren“ oder „Aber das Essen ist noch nicht da". Diese sollen im Kontext des zeitgleich stattfindenden „Langen Marsches“ der kurdischen Jugendbewegung für die Freiheit Abdullah Öcalans verfasst worden sein. Gesetzt dem Fall, dass hier eine Verantwortlichkeit in der Organisation für Kenan Ayaz festgestellt werden könne, stelle für das Gericht auch eine Beteiligung an dem Langen Marsch eine strafbare Betätigung für die PKK dar. Interessant dabei ist, dass die Staatsanwaltschaft bei einem Hauptverhandlungstag Anfang Dezember 2023 unterstellte, dass es sich bei den zitierten Sätzen um Nachrichten handele, die sich auf das angebliche Sammeln von Spendengeldern für die PKK bezögen. Nachdem die Verteidigung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass diese Nachrichten zeitgleich mit dem Langen Marsch versandt worden seien und sich darauf bezogen haben können, ist das Gericht einfach umgeschwenkt. Nun sollen diese Nachrichten nicht das Spendensammeln, sondern die Beteiligung an dem Langen Marsch betreffen, was genauso strafbar sein soll. Dies zeigt, dass Kenan Ayaz kaum Raum hat, sich zu verteidigen, da alles gegen ihn gewandt wird. Es scheint also darum zu gehen, Kenan Ayaz die Mitgliedschaft in und die Betätigung für die als terroristisch eingestufte PKK zu belegen und ein entsprechendes Urteil zu verhängen.

Dies erscheint umso absurder, als eine der Richterinnen einen ANF-Artikel zum „Langen Marsch“ 2019 verliest. Geht aus diesem doch deutlich hervor, dass sich Abdullah Öcalan trotz seiner 1999 erfolgten Inhaftierung seit vielen Jahren dafür einsetzt, „günstigere Bedingungen für eine friedliche, politische Lösung des Konflikts herbeizuführen. Jahrelang führte er mit der türkischen Regierung Gespräche über eine Lösung. 2009 legte er seine ,Roadmap für den Frieden' vor. 2013 stoppte sein Aufruf zum Rückzug der Guerilla effektiv den bewaffneten Konflikt in der Türkei. Immer wieder ist er die Stimme des Friedens und der Vernunft. Die 2013 begonnenen Friedensgespräche zwischen der AKP-Regierung und der PKK brach der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Sommer 2015 abrupt ab und ging wieder zu Gewalt gegen die kurdische Bevölkerung über.“

Deutlich wird, dass die PKK bzw. Abdullah Öcalan nicht nur ihren Willen für eine Beilegung der militärischen Auseinandersetzung kundgetan haben, sondern auch notwendige Schritte hierfür gegangen sind. Allerdings hat Erdoğan offensichtlich kein Interesse an einer friedlichen Koexistenz. Dennoch sind es die PKK und Abdullah Öcalan, die von der Bundesregierung als terroristisch bezeichnet werden. Dabei hat sogar der vom Gericht bestellte Sachverständige Günter Seufert deutlich gemacht, dass Friedensverhandlungen nur mit Beteiligung von Öcalan möglich seien. Er wird sowohl im erwähnten Artikel zum „Langen Marsch“ als auch vom Sachverständigen als Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung bezeichnet. Dies stehe im Widerspruch zu den Verlautbarungen der Bundesanwaltschaft (BAW), wie die Verteidigung in einer Erklärung deutlich machte, da die BAW Öcalan doch als Anführer der kurdischen Bewegung bezeichne und ihm unterstellt, trotz der inzwischen jahrelangen totalen Isolation faktischen Einfluss auf die Geschicke der PKK auszuüben. Doch rein faktisch sei dies gar nicht möglich, wie die Verteidigung klarstellte.

Politische Tätigkeit nur unter Hinnahme von Menschenrechtsverletzungen möglich“

Im weiteren Verlauf des Hauptverhandlungstages stellte die Verteidigung noch einige Anträge, wobei hier auf einen Antrag näher eingegangen werden soll. Dieser Antrag bezog sich unmittelbar auf die Lebensgeschichte von Kenan Ayaz, der bei den Kommunalwahlen 2009 in der primär von Kurd:innen bewohnten Stadt Agirî (tr. Ağrı) den kurdischen Kandidaten unterstützt hatte und nach den Wahlen und der Aufdeckung des Wahlbetruges festgenommen und sechs Monate zu Unrecht inhaftiert worden war. Die Verteidigung forderte mit dem Antrag ein Sachverständigengutachten zu diesen Kommunalwahlen, bei denen die AKP die Wahlen gegen den kurdischen Kandidaten manipuliert habe. Es soll damit aufgezeigt werden, dass die AKP alles daransetzt, legale Möglichkeiten prokurdischer Politik zu konterkarieren. Habe bereits der Sachverständige Günter Seufert in seinem Gutachten genau auf diese Beschneidung hingewiesen, komme der beantragten Beweisführung eine darüber hinausgehende verfahrensrechtliche Bedeutung zu, so die Verteidigung.

„[D]enn sie wird indiziell auf die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen hindeuten, soweit er angab, bei den antragsgegenständlichen Wahlen Murat Öztürk, einen engen Freund, den er aus dem Gefängnis kannte, in Ağrı im Wahlkampf unterstützt zu haben. Dieser habe die Wahl gewonnen, jedoch habe es eine offene Wahlfälschung zu Gunsten des AKP-Kandidaten gegeben und es sei schließlich erklärt worden, dieser habe die Wahl gewonnen. Als er, während die darauf folgenden Proteste noch andauerten, morgens das Haus verlassen habe, sei er zusammen mit zwei seiner Freunde ohne weiteren Anlass festgenommen worden.

Herr Ayaz hat also am eigenen Leib erfahren, dass in der Türkei politische Tätigkeit für die legale kurdische Partei nur unter Inkaufnahme unrechtmäßiger Festnahme und Inhaftierung möglich ist und seine politische Handlungsfähigkeit sowie diejenige von unzähligen anderen Kurden nicht nur eingeschränkt war, sondern nur unter Hinnahme schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen möglich war.“

Ob dieser und die anderen gestellten Anträge positiv beschieden werden, wird man aller Voraussicht nach am 31. Mai 2024 ab 13 Uhr erfahren. An diesem Tag findet der nächste Prozesstermin statt. Bis dahin sollen die letzten Anträge durch die Verteidigung eingereicht werden. Das Gericht selbst hat die Beweisaufnahme abgeschlossen.

Weitere Verhandlungstermine

Weitere anberaumte Termine sind: 31.5. ab 13 Uhr, 6.6., 19.6. bis 13 Uhr, 27.6., 2.7., 9.7., 11.7., 17.7., 22.7. und 19.8. Der Prozess findet im 1. Stock des OLG Hamburg am Sievekingplatz 3 statt, entweder in Saal 237 oder 288. Die Verhandlungen beginnen in der Regel um 9:30 Uhr.

Postadresse und Spendenkonto

Auf der Seite kenanwatch.org werden Informationen in den Sprachen Griechisch, Englisch und Deutsch über den Prozess und die Proteste auf Zypern und in Deutschland angeboten. Kenan Ayaz freut sich über Post. Briefe können auch in anderen Sprachen als Kurdisch oder Türkisch geschrieben werden, da eine Übersetzung gewährleistet ist. Zu beachten ist die Schreibweise des Behördennamens „Ayas“, damit die Briefe auch zugestellt werden.

Kenan Ayas
Untersuchungshaftanstalt Hamburg
Holstenglacis 3
20355 Hamburg

Spendenkonto:
Rote Hilfe e.V. OG Hamburg
Stichwort: Free Kenan
IBAN: DE06200100200084610203

https://anfdeutsch.com/aktuelles/prozess-gegen-kenan-ayaz-gericht-lehnt-befragung-von-verfassungsschutz-ab-41931 https://anfdeutsch.com/aktuelles/Offentlichkeit-als-zumutung-fur-das-gericht-41865 https://anfdeutsch.com/hintergrund/also-lasst-deutschland-sie-festnehmen-41864

 

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Gedenktag für den Völkermord von Dersim

4. Mai 2024 - 9:00

„Tertele“ – der Tag, an dem die Welt unterging. So bezeichnen Überlebende und Nachkommen den Massenmord an den alevitischen Kurdinnen und Kurden Dersims in den Jahren 1937 und 1938. Der 4. Mai 1937 gilt als „Roza Şaye“ (Schwarzer Tag). An diesem Tag fasste die türkische Regierung den Beschluss zur Durchführung der „Operation Züchtigung und Deportation“ gegen die alevitisch-kurdische Bevölkerung der Region, die sich den Assimilierungsbestrebungen der Zentralmacht widersetzte.

In Dersim (tr. Tunceli) findet heute eine zentrale Gedenkveranstaltung statt. Am Freitag wurden in Erinnerung an den aufständischen Anführer Pîr Sey Rızo (Seyid Riza) und seine Mitstreiter vierzig Setzlinge gepflanzt. An dem Gedenken in Axdat im Landkreis Pulur (Ovacık) nahmen Vertreter:innen des alevitische Verbands DAD, der DEM-Partei, der Stadtverwaltung von Dersim, des Kulturvereins Pir Sultan Abdal (PSAKD) sowie Nachkommen von Pîr Sey Rızo und weitere Menschen teil.

Der Völkermord von Dersim

Das Massaker in Dersim war der zweitgrößte Massenmord in der Türkei nach dem Genozid an den Armenier:innen von 1915. Etwa 70.000 bis 80.000 Menschen wurden von der Armee systematisch vernichtet, aus Flugzeugen bombardiert, mit Giftgas und Geschützen vergast, niedergemetzelt, verbrannt, zehntausende in andere Landesteile deportiert. Möglich waren diese Verbrechen durch das Schweigen des Auslands.

Hintergrund der Ereignisse war der Wunsch der Regierung unter Atatürk nach einem homogenen Staatsvolk und die daraus resultierende Türkisierungs- und Islamisierungspolitik. Laut dem „Besiedlungsgesetz“ (İskan Kanunu) von 1934 sollten größere Konzentrationen nichttürkischer beziehungsweise nichtmuslimischer Bevölkerungsgruppen auf dem Staatsgebiet aufgelöst werden, indem diese Menschen in andere Landesteile deportiert werden. Die Region Dersim, der es angesichts ihrer geografischen Gegebenheiten zur Zeit des Osmanischen Reiches weitgehend möglich war, einen de-facto autonomen Status und ein Mosaik aus ethnischen und religiösen Gruppen aufrechtzuerhalten, war das erste Gebiet, in dem das Gesetz der Entvölkerung zur Geltung kommen sollte. Denn dort hatte es am 1926 bereits erste Aufstände und größere Unruhen gegen die ethnische Homogenisierung der Türkei gegeben, 1930 wurden ca. 10.000 Alevit:innen in westliche Gebiete der des Landes deportiert, mit dem Ziel, sie zu assimilieren und Dersim zu schwächen.

Samt der Wurzel ausrotten“

In seiner Rede zur Parlamentseröffnung im Jahr 1936 postulierte Atatürk: „Wenn es etwas Wichtiges in unseren inneren Angelegenheiten gibt, dann ist es nur die Dersim-Angelegenheit. Um diese Narbe, diesen furchtbaren Eiter in unserem Innerem, samt der Wurzel anzupacken und zu säubern, müssen wir alles unternehmen, egal was es koste, und die Regierung muss mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden, damit sie dringend erforderliche Entscheidungen treffen kann.“

Noch im selben Jahr wurden alle Institutionen der tribalen und religiösen Führung in der Region abgeschafft und ihr Grundbesitz konfisziert. Dersim wurde in Tunceli (tr: Eiserne Hand) umbenannt und unter Militärverwaltung gestellt, die nach Belieben Verhaftungen und Deportationen durchführen konnte. Beabsichtigt war eine politisch-administrative Reorganisation mit Hilfe militärischer Repression. Hierfür wurde der militärische Ausnahmezustand über Dersim verhängt.

Aufstand unter der Führung von Pîr Sey Rızo

Daraufhin formierte sich 1937 unter der Führung von Pîr Sey Rızo (Seyid Riza) ein Aufstand gegen die Assimilations- und Türkisierungspolitik des kemalistischen türkischen Staats. Er forderte die Abschaffung der „Tunceli”-Gesetze und Gewährung einer Verwaltungsreform und nationaler Rechte. Den bewaffneten Widerstand wiederum führte das Paar Alişêr und Zarife an.

Die Ereignisse eskalierten, als das türkische Militär im Frühjahr 1937 mit 30.000 bis 40.000 Soldaten in Dersim einmarschierte und bis zu 14.000 Menschen tötete. Männer, Frauen, Alte und Kinder wurden erschossen oder – um keine Munition zu verschwenden – mit Bajonetten erstochen. Kinder wurden mit ihren Müttern in Heuschuppen gelockt oder verschleppt und dort bei lebendigem Leibe verbrannt. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt und mit Kampfflugzeugen bombardiert. Hilferufe der Alevit:innen Dersims an den Völkerbund wurden überhört, denn dort wurde das Massaker als innere Angelegenheit der Türkei betrachtet.

Im September 1937 bot die türkische Regierung einen Waffenstillstand samt Friedensvertrag und sogar Kompensationen an. Daraufhin begab sich der damals 75-jährige Aufstandsanführer Sey Rıza für Friedensgespräche nach Ezirgan (Erzincan). Dort wurde er jedoch in einem Hinterhalt verhaftet, im Schnellverfahren zum Tode verurteilt und am 15. November 1937 gemeinsam mit seinem Sohn und fünf seiner Freunde in Xarpêt hingerichtet.

Nach der Ermordung des Geistlichen ging der Widerstand weiter – doch schon im Frühjahr 1938 schlug das Militär erneut zu: da Dersim keinen Anführer mehr hatte, hatte das Militär leichtes Spiel, den Aufstand vollständig niederzuwerfen. Die inzwischen rund 100.000 Soldaten gingen nun noch brutaler vor, 60.000 bis 70.000 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, wurden auf grausame Weise getötet. Zivilist:innen, die in Berghöhlen Zuflucht suchten, wurden eingemauert, ausgeräuchert oder verbrannt. Viele Opfer, vor allem Frauen, stürzten sich aus Verzweiflung von den Bergklippen in den Munzur, um nicht gefangen genommen zu werden. Erneut wurden Zehntausende zur Deportation gezwungen.

Forderungen an den türkischen Staat

Alevitische Verbände fordern vom türkischen Staat seit Jahren eine offizielle Entschuldigung und die Anerkennung des Massakers als Völkermord. Für die Aufarbeitung müsste Zugang zu allen Staatsarchiven und anderen Quellen der Jahre 1937 bis 1939 gewährt werden. Weitere Forderungen sind Nachforschungen nach dem Verbleib von Vermissten, die Identifizierung aller Toten; die Rückbenennung der Provinz in Dersim und die Preisgabe des anonymen Massengrabs, in dem die hingerichteten Anführer des Aufstands verscharrt wurden: Sey Rızo, sein Sohn Resik Ûşen und seine fünf Weggefährten Wusênê Seydi, Aliye Mirzê Sili, Hesen Ağa, Fındık Ağa und Hesenê Ivraimê.

Fotos: MA

https://anfdeutsch.com/aktuelles/4-mai-1937-roza-Saye-der-schwarze-tag-37346 https://anfdeutsch.com/kurdistan/koloniales-nicht-gedenken-in-dersim-23551 https://anfdeutsch.com/kultur/dersim-38-im-internet-frei-zugaenglich-19033 https://anfdeutsch.com/hintergrund/atatuerk-und-die-nazis-16026

 

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Gefährliche Provokation der Türkei und PDK

4. Mai 2024 - 7:00

Die historischen Probleme des Nahen Ostens werden heute nach wie vor von Konflikten, Spannungen und Kriegen begleitet, und der Machtkampf zwischen internationalen Mächten und lokalen Regierungen nimmt neue Dimensionen an. Die Türkei und die Erdoğan-Regierung gehören zu den Hauptnutznießer dieser Konflikte. Für Erdoğan und die AKP-Regierung ist das Ausnutzen des chaotischen Umfelds und der durch Kriege entstehenden Gelegenheiten zur bestimmenden Politik geworden. Die Besatzung von Teilen Syriens und des Irak und die türkische Präsenz in Libyen folgten genau diesem Opportunismus. Im ukrainisch-russischen Krieg versucht die Türkei, die sich selbst die Aufgabe der Neutralität und des Schlichters auferlegt hat, von beiden Staaten zu profitieren. Im Gaza-Krieg erweckt sie einerseits den Anschein, die Hamas zu unterstützen, unterhält andererseits aber alle möglichen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu Israel.

Rücksichtsloses Spiel mit Krieg

Das rücksichtslose Spiel der Türkei mit Kriegen und den durch Kriege geschaffenen Gleichgewichten wird in naher Zukunft, wenn nicht schon heute, einen hohen Preis haben. Denn die Türkei hat ernste politische und soziale Probleme, vor allem wirtschaftliche Probleme. Die Gesellschaft der Türkei und die Kurdinnen und Kurden haben auf diese jahrelang vertuschten und hinausgeschobenen Probleme reagiert, indem sie die Erdoğan-Regierung bei den Kommunalwahlen am 31. März abgestraft und die AKP zur zweitstärksten Partei degradiert haben.

Die Türkei und die Erdoğan-Regierung befinden sich nicht nur in einer Wirtschaftskrise, sondern auch in der Außenpolitik und der Diplomatie in einem schweren Dilemma. Die Beziehungen zu den USA und der Europäischen Union sowie das Verhältnis als Mitglied der NATO zu Russland und dem Iran stehen kurz vor einem Kollaps.

Im Visier steht die kurdische Freiheitsbewegung

Der türkische Staat und die Erdoğan-Regierung sehen in einem neuen und größeren Krieg den einzigen Weg, um diese Krise und den Stillstand zu überwinden. Sie haben ihre Entscheidung in diese Richtung endgültig getroffen und im Visier stehen das kurdische Volk und die Freiheitsbewegung Kurdistans. Nach diesem Verständnis muss der Wille der Kurdinnen und Kurden gebrochen und die Freiheitsbewegung Kurdistans um jeden Preis liquidiert werden. Inzwischen sind alle Verrenkungen, die ganze Wut und das Betteln und Flehen des Faschisten Erdoğan und des AKP-Staates vollständig auf dieses Ziel ausgerichtet. Dafür gibt es keinen Kompromiss, den sie nicht eingehen würden, keinen Wahnsinn, den sie nicht tun würden, egal, mit wem sie zu tun haben.

Erdoğans Bagdad-Expedition

Auch die Expeditionen Erdoğans nach Bagdad und Hewlêr (Erbil) sind aus dieser Perspektive zu bewerten. Erdoğan ist sich der grundlegenden Probleme und Schwachstellen Bagdads bewusst. Dazu zählen große wirtschaftliche Probleme, politische Instabilität und der Konflikt mit der Regierung von Südkurdistan. Der AKP-Staat hat mit all diesen Problemen des Irak zu tun. Mit dem Iraq Development Road Project will er den Irak dazu bringen, Beziehungen zur Türkei zu unterhalten. Mit der Wiederaufnahme des Ölhandels will er sich in die problematischen Beziehungen zwischen Bagdad und Hewlêr einmischen und die Krise verschärfen. Durch die zur PDK und sunnitischen Turkmenen aufgebauten Beziehungen will er die politische Instabilität im Irak vertiefen und fortsetzen. Er versucht, den Irak mit der Wasserfrage zu locken und ihm Zugeständnisse abzuringen. Der türkische Staat sagt, wenn der Irak die notwendigen und ausreichenden Maßnahmen gegen die PKK ergreift, könne er im Gegenzug auf alles verzichten.

Offene und verdeckte Zugeständnisse

Über die Gespräche und Vereinbarungen, die der faschistische Staatschef Erdoğan in Bagdad getroffen hat, gab es viele Diskussionen und Bewertungen. Es zeigt sich, dass Bagdad viele Zugeständnisse gemacht hat. Einige davon sind vermutlich nicht in vollem Umfang öffentlich gemacht worden, andere wurden geheim gehalten. Dass die PKK und die Kurdinnen und Kurden den irakischen Staat auffordern, die Behauptungen und Gerüchte zu diesen Fragen zu klären, ist selbstverständlich. Sie müssen ihre Politik entsprechend der sich ändernden Situation aktualisieren und alle notwendigen Maßnahmen rechtzeitig und ohne Verzögerung ergreifen.

Gemeinsame Operationszentrale?

Wenn der Irak mit dem faschistischen Staatschef Erdoğan vereinbart hat, dass die türkische Armee über Truppen verfügen und Operationen auf irakischem Gebiet in einer Tiefe von 40 bis 50 Kilometern durchführen kann, ist das natürlich eine ernste Situation. Die PKK wird diese Situation bewerten. Wenn der Irak eine gemeinsame Operationszentrale mit dem türkischen Staat gegen die kurdische Freiheitsguerilla eingerichtet hat, ist die Lage noch gefährlicher.

Betätigungsverbot für die PKK

Es wird auch behauptet, dass der so genannte Unterstaatssekretär für nationale Sicherheit des Irak eine Anweisung und ein Dekret über die PKK vorbereitet und an alle relevanten Stellen im Irak und in der Kurdistan-Region geschickt hat. In dieser Anweisung heißt es, dass die PKK nirgendwo im irakischen Hoheitsgebiet, einschließlich Südkurdistan, politische, militärische oder soziale Aktivitäten entfalten darf, aus welchem Grund auch immer. In der Anweisung wird gefordert, dass solche Aktivitäten verhindert werden.

Irakische Grenztruppen

Unter der Hand wird auch die Nachricht verbreitet, dass die Heres Hudut, die so genannten Grenztruppen, vor allem in den Gebieten Pencêwîn und Asos eingesetzt werden sollen, dass der Irak Vorbereitungen dafür trifft und dazu entschlossen ist. Durch die Stationierung der irakischen Heres Hudut an der türkischen und syrischen Grenze, insbesondere in Behdînan, wurden PDK-Kräfte unter irakischer Flagge in eine Position versetzt, in der sie die Arbeit der türkischen Besatzer erleichtern. Damit werden die Probleme weiter verschärft.

YNK steht unter Druck

Obwohl die YNK in all diesen Fragen unter großem Druck steht, kann nicht behauptet werden, dass sie direkt und vollständig in diesen Plan involviert ist. Es zeigt sich, dass die YNK eine Politik verfolgt, die mit allen zurechtzukommen versucht, ohne jemanden zu konfrontieren.

Mögliche iranische Beteiligung

Der Iran möchte vielleicht kein Partner in einer Politik sein, die dazu dient, den türkischen Staat zu stärken und mehr Initiative in der Region zu gewinnen. Aber vermutlich ist die Frage, in der er sich am leichtesten mit dem türkischen Staat einigen kann, die vollständige Kontrolle der irakischen Grenzen durch die Heres Hudut. Insofern mag auch der Iran einen gewissen Anteil und eine Rolle bei der Einkreisung der kurdischen Freiheitsbewegung haben. Den Entwicklungen nach zu urteilen, ist diese Möglichkeit nicht unwahrscheinlich.

Irakische Ohnmacht

Im Vordergrund steht momentan die ohnmächtige und willensschwache Haltung des Irak. Zunächst einmal sollte der irakische Staat wissen, dass das Eindringen des türkischen Staates in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes, aus welchem Grund auch immer, bedeutet, dass das Gebiet besetzt und annektiert wurde. Das war in Zypern, Libyen und Syrien der Fall. Im Irak ist die Türkei seit vierzig Jahren ein- und ausgegangen und hat ihre Besatzung und ihre Operationen ohne Probleme durchgeführt. Inzwischen hat sie mehr als 50 Militärstützpunkte auf irakischem Gebiet errichtet, insbesondere in Mosul und Başîka, wo es keine kurdische Guerilla gibt. In diesen Stützpunkten sind Tausende Soldaten stationiert. Das sollte für einen Staat wie den Irak natürlich nicht akzeptabel sein. Denn hier handelt es sich nicht nur um Drohungen und Schikanen gegen irakisches Territorium, sondern um eine direkte Invasion und einen Vergewaltigungsangriff. Damit werden die Souveränität des Irak und das Völkerrecht mit Füßen getreten. Wenn es dennoch stimmt, dass der irakische Staat auf dieser Ebene Vereinbarungen mit dem türkischen Staat getroffen hat, wäre es unvereinbar mit der Ehre und Würde eines unabhängigen und souveränen Landes.

Von der PKK geht keine Gefahr aus

Der Irak ist sich mehr als alle anderen bewusst, dass die kurdische Freiheitsguerilla Widerstand gegen den IS geleistet hat. Die Guerilla hat die Sicherheit und die Interessen der irakischen Gesellschaft verteidigt, dafür gekämpft und einen hohen Preis bezahlt. Von der PKK und der Freiheitsguerilla Kurdistans kann daher absolut keine Bedrohung und Gefahr für das irakische Volk oder den irakischen Staat ausgehen. Die größte Bedrohung und Gefahr geht von dem kolonialistischen türkischen Staat aus, der syrische und irakische Gebiete im Nahen Osten besetzt und annektiert hat und seit jeher eine kontinuierliche Expansionspolitik betreibt. Es liegt auf der Hand, dass der Irak diese grundlegenden Tatsachen anerkennen und als Grundlage für seine Politik und seine Entscheidungen in Bezug auf die Freiheitsbewegung Kurdistans heranziehen muss.

Familie Barzanî und die Wahlen in Südkurdistan

Hinzu kommen die Rolle und die Aufgaben, die die PDK als treuer und enger Partner des türkischen Staates in diesem Prozess übernommen hat. Sie sind eine Schande und eine Blamage für alle Kurdinnen und Kurden. Die derzeitige Position der PDK ist schlimm und sehr schmutzig. Es ist bekannt, dass die Barzanîs ihre Familieninteressen immer über alle nationalen Interessen gestellt haben. Jetzt stecken sie ihre Köpfe mit dem türkischen Besatzungsstaat zusammen und schmieden Pläne, damit die PKK und der irakische Staat sich gegenseitig bekämpfen. Die PDK will dafür die irakische Flagge benutzen. Sie will eindeutig einen Krieg in Südkurdistan. Im Juni sollen in Südkurdistan Parlamentswahlen stattfinden und es zeichnet sich eine Niederlage für die PDK ab. Ihr Verhältnis zum türkischen Staat, ihre absolute Feindschaft zur PKK, die Verwicklung der Barzanî-Familie in Korruption und profitable Geschäfte, ihr luxuriöses und verschwenderisches Leben weit über dem Lebensstandard der Gesellschaft, ihre unterdrückerische Macht und die Schaffung eines totalitären Regimes, das auf tyrannischer Gewaltherrschaft beruht, haben ihrem Ansehen und ihrer Respektabilität in der Gesellschaft schwer geschadet. Aus diesem Grund fürchtet die PDK die bevorstehenden Wahlen und greift auf alle möglichen legalen und illegalen Mittel und Methoden zurück, um sie zu verschieben und zu verhindern. Nach irakischem Recht können Wahlen nicht im Kriegszustand abgehalten werden. Genau aus diesem Grund versucht die PDK ihr Bestes, um eine außergewöhnliche Situation und einen Krieg in Südkurdistan zu schaffen.

Im Interesse des Irak

Zusammenfassend sollte der Irak die aktuelle Situation und die Entwicklungen mit einer historischen Perspektive bewerten und nicht in den Fehler verfallen, in Partnerschaft mit dem türkischen Besatzungsstaat gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans zu handeln und sich am Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden zu beteiligen. Die Interessen des Irak und die Voraussetzungen für ein unabhängiges und souveränes Land machen es notwendig, sich der Invasion des türkischen Staates im Norden des Landes entgegenzustellen und eine entsprechende politische Haltung einzunehmen.

Das kurdische Volk darf nicht passiv bleiben

Auch das kurdische Volk darf nicht passiv bleiben. Das gilt insbesondere für die Menschen im Süden, aber auch in allen anderen Teilen Kurdistans und im Ausland, die politischen Parteien und Institutionen. Die Besetzung und Annexion kurdischen Bodens darf nicht wieder und wieder zugelassen werden. Den neuen Besatzungsversuchen der Türkei und der kollaborativen Haltung der PDK muss entgegengetreten werden.

https://anfdeutsch.com/hintergrund/kriegsplane-von-ankara-im-spannungsfeld-des-iraks-und-sudkurdistans-42015 https://anfdeutsch.com/hintergrund/turkischer-irak-feldzug-als-beginn-eines-neuen-konzepts-41936 https://anfdeutsch.com/hintergrund/die-pkk-hat-den-interessen-des-irak-nie-geschadet-41825 https://anfdeutsch.com/aktuelles/erdogan-in-bagdad-turkei-hat-erwartungen-beim-kampf-gegen-pkk-41900

 

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Gespräch zwischen CHP und DEM-Partei in Ankara

3. Mai 2024 - 19:00

Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel ist in Ankara mit den DEM-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan zusammengetroffen. Nach dem rund zweistündigen Gespräch äußerten sich die Parteivorsitzenden auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in der CHP-Zentrale. Am Vortag hatte Özel, dessen Republikanische Volkspartei (CHP) aus den Kommunalwahlen in der Türkei Ende März als stärkste Partei hervorgegangen war, mit dem Staatspräsidenten und AKP-Vorsitzenden Tayyip Erdoğan in der AKP-Zentrale gesprochen.

Özel: Gegenseitiger Gedankenaustausch

Özgür Özel erklärte auf der Pressekonferenz, das Gespräch mit den DEM-Vorsitzenden sei eine Gelegenheit gewesen, Gedanken und Meinungen auszutauschen und zu bewerten. Unter anderem seit es um die Auswirkungen der Kommunalwahlergebnisse auf die Parlamentswahlen, die aktuellen Probleme und das Demokratiedefizit in der Türkei, die Debatte über eine Verfassungsänderung und sein Treffen mit Erdoğan gegangen. Weiter sagte Özel: „Nach den letzten Kommunalwahlen hatte die Demokratie in der Türkei eine große Wunde erlitten. Zuerst trat die Situation in Wan auf. Dort wurde eine sehr wichtige Solidarität gezeigt. Die Erteilung der Bürgermeisterlizenz an den zweitstärksten Kandidaten war eine Schande und ein Fehler und wurde rückgängig gemacht. Ich möchte meine vorsichtige Genugtuung darüber zum Ausdruck bringen, dass es bisher nicht zu der Ernennung von Treuhändern gekommen ist.“

Tuncer Bakırhan, Tülay Hatimoğulları, Ali Özel

Bakırhan: Ein produktives Treffen

Tuncer Bakırhan bewertete das Treffen als produktiv im Sinne eines Dialogs: „Bis heute waren zwischen den politischen Institutionen Mauern errichtet worden, es gab eine Polarisierung. Infolge dieser Polarisierungen konnte in der Politik nicht frei und nicht genug über die Probleme der Türkei und der Region diskutiert werden. Am 31. März hat das Volk der Politik eine wichtige Botschaft übermittelt. Die gegenwärtigen Krisen in der Türkei lassen sich mit dem Ansatz der derzeitigen Regierung nicht mehr lösen, sie vertiefen sich. Es gibt ernsthafte Probleme hinsichtlich der Demokratie und der Freiheiten. Jeden Tag begegnen wir verschiedenen Beispielen zum Thema Gedanken- und Meinungsfreiheit. Der politische Wille, der in den Wahlergebnissen zum Ausdruck kommt, wird immer noch nicht akzeptiert. Das sind die Gründe, warum die Opposition und die politischen Parteien zusammenkommen.“

Die CHP trägt Verantwortung

Bakırhan betonte, dass die Probleme des Landes gelöst werden müssen, das sei eine der Hauptaufgaben der Opposition: „In den kommenden Tagen werden wir als Opposition stärker zusammenkommen. Wir werden uns bemühen, die Probleme durch Dialog und Verhandlungen zu lösen. Diese Botschaft haben uns auch die Menschen in der Türkei bei den Wahlen gegeben. Die politische Institution soll eine Rolle spielen und Verantwortung übernehmen. Sie soll eine konstruktive Rolle bei der Lösung der bestehenden Probleme übernehmen. Natürlich hat die Republikanische Volkspartei in dieser Hinsicht große Verantwortung. Wir wissen, dass es für die Opposition in den kommenden Tagen wertvoll ist, sich auf einer gemeinsamen Grundlage zu treffen und durch den Austausch gemeinsamer Ansichten zu handeln, um die Sprache und Stimme des Volkes zu sein und die Probleme der Menschen, der Werktätigen und der Armen zu lösen. In diesem Zusammenhang erklärte der CHP-Vorsitzende, dass er eine konstruktive Rolle spielen werde.“

Die Opposition sollte mutiger sein

Bakırhan fuhr fort: „Die Politik, die in der Türkei bis heute betrieben wird, hat eine tiefe Krise verursacht. Der Gezi-Prozess, der Kobanê-Prozess, die politische Repression, die Entwicklungen im Justizwesen und in der Wirtschaft zeigen, dass wir uns in keiner guten Situation befinden. In der kommenden Zeit werden wir uns mit anderen politischen Parteien, insbesondere der CHP, zusammensetzen und uns über die Lösung dieser Probleme austauschen. Die Opposition sollte mutiger sein. Wir werden eine größere Verantwortung übernehmen, um die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, durch demokratische Wege und Methoden, Verhandlungen und Dialog zu lösen.“

Hatimoğulları: Gemeinsam für Demokratisierung kämpfen

Tülay Hatimoğulları erklärte, dass während des Treffens viele Themen besprochen wurden und die Diskussion über Lösungen für die aktuellen Probleme eine starke Koordination erfordere: „Leider hat die Politik bis heute immer getrennt und polarisiert. Wir hoffen, dass wir unsere Arbeit für eine demokratische Türkei, eine demokratische Republik, gemeinsam fortsetzen können, im Bewusstsein der Pflicht und Verantwortung, die unsere Bürgerinnen und Bürger nach den Wahlen vom 31. März allen Segmenten, insbesondere der Opposition, auferlegt haben.“

Fotos: MA

https://anfdeutsch.com/hintergrund/wendepunkt-in-der-turkischen-politik-41737 https://anfdeutsch.com/hintergrund/turkischer-irak-feldzug-als-beginn-eines-neuen-konzepts-41936 https://anfdeutsch.com/aktuelles/chp-vorsitzender-Ozel-besucht-zentrale-der-dem-partei-40195

 

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Ferah Solmaz zum Ko-Bürgermeister von Êlih ernannt

3. Mai 2024 - 18:00

Ferah Solmaz ist neuer Ko-Bürgermeister der kurdischen Provinzhauptstadt Êlih (tr. Batman). Das teilte Mustafa Mesut Tekik, Ko-Vorsitzender des örtlichen DEM-Verbands, heute auf einer Pressekonferenz in der Parteizentrale mit. Die Entscheidung sei von der Koordination der Institutionen in Êlih im Konsens getroffen worden.

Bei den Kommunalwahlen am 31. März ist die DEM-Politikerin Gülistan Sönük mit großer Mehrheit zur Bürgermeisterin von Êlih gewählt worden, die DEM-Partei bekam 64 Prozent der Stimmen. Ferah Solmaz wurde in den Stadtrat gewählt. Im Wahlkampf hatte sich die DEM von dem zuvor aufgestellten Ko-Bürgermeisterkandidaten Mehdi Öztüzün wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten getrennt. Die DEM ist überall mit Ko-Kandidat:innen angetreten, das Prinzip der genderparitätischen Doppelspitze gilt in allen Parteigremien. Um diesem Grundsatz gerecht zu werden, ist jetzt Ferah Solmaz an Gülistan Sönüks Seite ins Amt berufen worden.

Das System der Ko-Bürgermeister:innen wurde im Oktober 2014 vom Verwaltungsgericht Diyarbakır (ku. Amed) als gesetzeswidrig erklärt. Als nach dem Putschversuch von 2016 die Bürgermeister:innen in fast allen kurdischen Kommunen festgenommen und durch Zwangsverwalter ersetzt wurden, wurde das Doppelspitzensystem als einer der Gründe dafür angeführt. Der türkische Staat erkennt nur eine Person als Bürgermeister:in an.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/Elih-jin-jiyan-azadi-hat-uber-is-mentalitat-gesiegt-41630 https://anfdeutsch.com/kurdistan/Elih-schulter-an-schulter-gegen-den-faschismus-41940 https://anfdeutsch.com/hintergrund/mit-paritatischer-vertretung-das-herrschende-system-bekampfen-40040 https://anfdeutsch.com/kurdistan/regierung-versucht-alles-um-menschen-in-Elih-von-der-dem-parte-abzubringen-41575

 

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Guerillakämpferin Viyan Helo in Qendîl gefallen

3. Mai 2024 - 17:00

Die Guerillakämpferin Viyan Helo ist gefallen. Wie das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) heute mitteilte, ist die aus Rojhilat stammende Kurdin am 21. April im Qendîl-Gebirge in Südkurdistan ums Leben gekommen. Die HPG würdigen Viyan Helo als mutige Militante der Partei freier Frauen in Kurdistan (PAJK) und erklären, dass sie mit ihrer eindeutigen Haltung gegen patriarchale Herrschaft ein Vorbild für junge Frauen gewesen sei. Sie habe mit hohen Ansprüchen und großer Entschlossenheit für die Befreiung Kurdistans gekämpft und bei der Guerilla Verantwortung übernommen. Den Angehörigen von Viyan Helo und dem kurdischen Volk, insbesondere der Bevölkerung Ostkurdistans, sprechen die HPG ihr Mitgefühl aus und erklären: „Das Andenken an Hevala Viyan wird in unserem Kampf für ihren Traum von einem freien Kurdistan weiterleben.“

Zur Identität der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:

Codename: Viyan Helo
Vor- und Nachname: Ilham Saedmucîşî
Geburtsort: Kamîran
Namen von Mutter und Vater: Zuleyha – Hussein
Todestag und -ort: 21. April 2024 / Qendîl


Viyan Helo ist in Kamîran (Kamyaran) geboren und im Bewusstsein ihrer kurdischen Identität aufgewachsen. Die PKK war ihr bereits als Kind bekannt, in ihrem familiären und sozialen Umfeld wurden Abdullah Öcalan und die Guerilla hoch geschätzt. Als junge Frau las Viyan Analysen von Öcalan zur Frage der Frauenbefreiung und fand ihre eigenen Empfindungen und Einschätzungen darin bestätigt. Während ihres Studiums an einer Universität befasste sie sich intensiv mit Kurdistan und entschied sich zum Kampf. Unter dem Eindruck des Widerstands insbesondere kurdischer Frauen gegen den IS, des Beitritts weiterer Familienmitglieder und der in diesem Kampf Gefallenen schloss sie sich am 27. November 2015 der Guerilla in Qendîl an.

 


Im Qendîl-Gebirge nahm Viyan an einer Grundausbildung für neue Kämpfer:innen teil. Durch ihre Motivation und Begeisterung gelang es ihr schnell, sich an ihre neuen Lebensumstände zu gewöhnen. Auftretende Schwierigkeiten bewältigte sie mit großer Geduld und zunehmend wachsendem Verständnis. Sie entwickelte sich ideologisch weiter und widmete sich mit Sorgfalt ihrer militärischen Ausbildung, um auf die intensiven Kriegsbedingungen reagieren zu können. Innerhalb eines Jahres wurde Viyan in Qendîl zu einer fähigen Kämpferin der Verbände freier Frauen (YJA Star).

Aufgrund ihres ideologischen Tiefgangs und ihrer Fähigkeiten im Kontakt mit anderen Menschen ging Viyan anschließend in die Arbeit der Komalên Ciwan (Jugendgemeinschaften) und setzte sich lange Zeit dafür ein, die Jugend Ostkurdistans zu organisieren und zum Kampf zu motivieren. Ihre Wirkung auf junge Frauen und Männer war groß und sie sammelte wichtige Erfahrungen. Angesichts der massiven Angriffe des türkischen Staates auf die Errungenschaften des kurdischen Volkes und die Medya-Verteidigungsgebiete wollte sie zur Verteidigung beitragen und an der Front kämpfen. Wegen des bestehenden Bedarfs blieb sie jedoch in Qendîl und setzte ihre Arbeit bis zuletzt vorbehaltlos als Militante der PKK und PAJK fort.

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Organisationen fordern Ende der Repression gegen kurdische Presse

3. Mai 2024 - 15:00

Das International Press Institute (IPI), die Media and Law Studies Association (MLSA), das Committee to Protect Journalists (CPJ) und zwei Dutzend weitere Organisationen, die sich weltweit für Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzen, haben die kürzliche Verhaftung von drei kurdischen Medienschaffenden in der Türkei verurteilt und die türkische Regierung aufgefordert, ihre Verpflichtung zur Pressefreiheit einzuhalten und die inhaftierten Journalist:innen unverzüglich freizulassen. „Die Türkei muss sich an ihr Pressegesetz, die Verfassung und die europäische Menschenrechtskonvention halten und davon absehen, kurdische Medien ins Visier zu nehmen, und es allen Journalist:innen ermöglichen, ihre berufliche Tätigkeit, die für eine funktionierende Demokratie unerlässlich ist, ohne Angst vor Einschüchterung auszuüben“, fordern die Organisationen in einer Erklärung zum Internationalen Tag der Pressefreiheit.

Anfang vergangener Woche waren türkische Behörden in Istanbul, Ankara und Riha (tr. Urfa) gegen kurdische Medienschaffende vorgegangen. Vier Journalistinnen und fünf Journalisten wurden festgenommen, darunter Mitglieder der Belegschaft der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA). In den ersten 24 Stunden des Gewahrsams hatten sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Drei von ihnen; Esra Solin Dal, Mehmet Aslan und Erdoğan Alayumat, sitzen mittlerweile wegen des angeblichen Verdachts der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ in Untersuchungshaft.

 „Trotz dieser gravierenden Anschuldigung enthalten ihre Akten keine Indizien, die diese Behauptung untermauern würden“, hält die Rechtsabteilung der MLSA fest, die den Medienschaffenden anwaltliche Pro-Bono-Unterstützung bietet. Im staatsanwaltlichen Verhör seien Dal und ihre Kollegen lediglich zu ihrer journalistischen Arbeit, ihren Quellen und ihren Aktivitäten in den sozialen Medien befragt worden. Die konkrete Begründung für den angeblichen Terrorverdacht sei weiterhin unbekannt, da die Staatsanwaltschaft den Zugang zum Haftantrag mit Verweis auf eine Geheimhaltungsverfügung verweigere. MLSA legte dagegen zwar Einspruch ein, die Entscheidung steht allerdings noch aus.

Schikanen und Einschüchterungen gegen kurdische Medienschaffende

„Kurdische Medien und Journalist:innen sind in den letzten Jahren zunehmend ins Visier der türkischen Regierung geraten“, heißt es in der Erklärung weiter. „Im vergangenen Jahr wurde eine alarmierende Zahl kurdischer Medienschaffender - insgesamt neun - für bis zu sieben Monate inhaftiert. In einem anderen Fall wurden elf kurdische Presseleute unmittelbar vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai 2023 verhaftet. 2022 befanden sich mindestens 25 kurdische Journalist:innen in Haft.

Die Plattform Mapping Media Freedom, die Einschränkungen, Bedrohungen und Verstöße erfasst, die Medienschaffende bei ihrer Arbeit behindern oder einschränken, verzeichnete seit 2022 mindestens 43 Fälle, die 118 kurdische Journalist:innen, in der Presse tätige Personen oder Medieneinrichtungen betreffen. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Fälle juristischer Schikanen, die häufig zu Festnahmen und Inhaftierungen führen.

Anlässlich des Welttags der Pressefreiheit am 3. Mai erneuern wir daher unseren dringenden Appell an die türkischen Behörden, die Schikanen und Einschüchterungen gegen kurdische Journalist:innen einzustellen. Wir fordern sie nachdrücklich auf, die Sicherheit und den Schutz aller Journalist:innen im Einklang mit den Verpflichtungen der Türkei gemäß ihrem eigenen Pressegesetz und ihrer Verfassung zu gewährleisten. Wir fordern außerdem, dass die ständige Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts der Pressefreiheit, wie sie in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt sind, eingestellt wird.“

https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/drei-journalist-innen-verhaftet-wir-werden-weiterschreiben-41966 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/journalistin-esra-solin-dal-entwurdigender-nacktdurchsuchung-unterzogen-41977 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/kritische-stimmen-sollen-zum-schweigen-gebracht-werden-41932

 

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Dutzende Festnahmen in Istanbul, Mêrdîn und Izmir

3. Mai 2024 - 15:00

In der Türkei sind mehr als fünfzig Menschen wegen vermeintlichen Terrorverdachts festgenommen worden. Allein 47 Personen nahm die Polizei am Freitag bei frühmorgendlichen Razzien in Istanbul fest. Wie die Anwaltsvereinigung ÇHD meldete, stehen die Festnahmen dort im Zusammenhang mit der Kundgebung zum 1. Mai, die von den Behörden trotz eines gegenteiligen Urteils des Verfassungsgerichts verboten worden war. Bereits am Tag der Arbeit hatte die Polizei hunderte Menschen in Istanbul in Gewahrsam genommen.

Bei den nun Festgenommenen soll es sich laut ÇHD um Mitglieder verschiedener linker Organisationen handeln, darunter von der Gruppe „Volkshäuser“ (Halkevleri), Revolutionäre Bewegung (Devrimci Hareket), Linke Partei (SOL Parti), Vereine der revolutionären Jugend (Devrimci Gençlik Dernekleri) und Initiative sozialistischer Kampf (Sosyalist Mücadele İnisiyatifi). Alle Betroffenen, darunter auch einige Frauen, seien in das als Folterzentrum berüchtigte Polizeipräsidium Vatan im Istanbuler Bezirk Fatih gebracht worden. Dort sollen sie einem Verhör unterzogen werden.

Filmemacher in Izmir in Gewahrsam

In der Ägäis-Metropole Izmir wurde der Kameramann Koray Kesik festgenommen. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) berichtete, wurde der 53-Jährige nach einer Durchsuchung seiner Wohnung von der Polizei abgeführt. Kesik, der gebürtig aus der Schwarzmeerprovinz Giresun stammt, hat unter anderem an der 2015 erschienenen Dokumentation „Bakur“ (Kurdisch für „Norden“) über den Alltag der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mitgewirkt. Deren Macher Çayan Demirel und Ertuğrul Mavioğlu werden bis heute wegen des Films von der türkischen Justiz verfolgt. Ob Kesiks Festnahme im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung von „Bakur“ steht, ist unklar. Die Polizei machte keine Angaben zu den Gründen, nannte nur einen angeblichen Terrorverdacht.

Festnahme in Nisêbîn

Aus Nisêbîn (tr. Nusaybin) in der kurdischen Provinz Mêrdîn (Mardin) wurden Razzien durch die Gendarmerie (Militärpolizei) gemeldet. Mindestens drei Wohnungen im ländlichen Marîn seien am Morgen gestürmt worden, bestätigt wurde eine Festnahme. Dabei soll es sich um einen Kurden mit dem Namen Abdürrahim D. handeln. Auch gegen ihn werde wegen Terrorverdachts ermittelt, worum es dabei konkret gehen soll, ist jedoch unklar. D. wurde auf das Revier des militärpolizeilichen Kreiskommandos gebracht. In der Provinzhauptstadt Mêrdîn befinden sich darüber hinaus zwei Schüler seit gestern unter Terrorvorwürfen in Gewahrsam. Auch in ihrem Fall ist nicht bekannt, auf welche Beschuldigung sich der Vorgang genau bezieht.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/hunderte-festnahmen-in-istanbul-42023 https://anfdeutsch.com/aktuelles/terror-festnahmen-in-bursa-42037 https://anfdeutsch.com/kurdistan/zwei-dem-mitglieder-in-riha-wegen-terrorverdachts-in-u-haft-42001

 

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Guerilla schlägt in Metîna und Zap zu

3. Mai 2024 - 13:00

In der von einer türkischen Invasion bedrohten Metîna-Region in Südkurdistan sind vier Angehörige der Besatzungstruppen von der Guerilla getötet worden. Wie die Pressestelle der Volksverteidigungskräfte (HPG) dazu mitteilt, ereignete sich der Vorfall am Donnerstagabend im Widerstandsgebiet Golka. Kämpfer der Organisation nahmen die Gruppe von Soldaten demnach in dem Moment ins Visier, als sie sich in ein Armeezelt zurückzogen. Bei der Aktion setzten die HPG eigenen Angaben zufolge mittelschwere Waffen ein.

Auch an der Westfront der Zap-Region ging die Guerilla gegen türkische Eindringlinge vor. Die HPG berichten von fünf verschiedenen Aktionen am 29. April und 1. Mai, die sich gegen türkische Militärtechnik richtete. Konkretes Ziel waren Überwachungskameras, die in der Gegend der Massive Girê FM und Girê Amêdî installiert worden waren und von Sniper-Einheiten zerstört wurden. In einem Fall schalteten Kämpferinnen der Verbände freier Frauen (YJA Star) die Überwachungstechnik aus.

Angriffe der türkischen Armee

Zu den Angriffen der türkischen Armee teilen die HPG mit, seit Mittwoch mindestens 22 Luftangriffe von Kampfflugzeugen auf verschiedene Regionen Südkurdistans verzeichnet zu haben. Mit zehn an der Zahl zielten die meisten Bombardements auf Teile von Gare. Konkret handelte es sich dabei um die Gebiete Deşta Nehlê und Deşta Kafya. Weitere Luftschläge betrafen Bêşîlî, Şêlazê und Bazê in Metîna, Girê Bahar und Şehîd Îbrahîm im Zap sowie Sinînê in Xakurke. In Metîna wurden darüber hinaus die Gebiete Golka und Şêlazê von Kampfhubschraubern bombardiert.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/metina-unter-heftigem-beschuss-42030 https://anfdeutsch.com/kurdistan/zweiflankenangriff-auf-besatzer-in-metina-13-tote-42021 https://anfdeutsch.com/hintergrund/kriegsplane-von-ankara-im-spannungsfeld-des-iraks-und-sudkurdistans-42015

 

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Journalist Celal Başlangıç gestorben

3. Mai 2024 - 13:00

Der türkische Journalist und Autor Celal Başlangıç ist tot. Er starb in der Nacht zum Freitag im Alter von 68 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung im Universitätsklinikum Köln, wie seine Angehörigen bestätigten. Seine Beerdigung soll in den kommenden Tagen in der Domstadt stattfinden.

Celal Başlangıç schloss sein Journalismus-Studium Ende der siebziger Jahre in Izmir ab. In den Beruf eingestiegen war er bereits 1975 bei der Zeitung Ege Ekspres. Nach weiteren Stationen bei lokalen Blättern wechselte er zur Tageszeitung Cumhuriyet und war die Jahre nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 Verantwortlicher des Büros in Adana und das Ressort Innenpolitik.

1989 sorgte Başlangıç für ein Fanal, als er aufdeckte, dass in einem Dorf bei Cizîr (tr. Cizre) in der kurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) mehrere Bewohner von türkischen Soldaten zum Essen ihrer Exkremente gezwungen worden waren. Als die Cumhuriyet sich aus Furcht vor der Rache des Staates weigerte, die Story zu bringen, drohte Başlangıç mit Kündigung. Daraufhin veröffentlichte die Zeitung den Folterfall von Cizîr auf ihrer Titelseite. Sein Beharren darauf, dass die Öffentlichkeit von der Realität des Krieges in Kurdistan erfuhr, ebnete den Weg für die Bestrafung der Verantwortlichen. In einem bei Bianet erschienenen Text schrieb er Jahre später:

„Dies war gewiss nicht der erste Vorfall, bei dem kurdische Dorfbewohner von Sicherheitskräften gezwungen worden waren, Kot zu essen. Aber es war das erste Mal, dass die Verantwortlichen für ihr Handeln bestraft wurden – auch wenn dies am Ende eines langwierigen Prozesses geschah. Obschon die nationalen und internationalen Gerichte keine Zweifel an der Richtigkeit unserer Berichterstattung hatten, war auf den Korridoren des Generalstabs niemals zu überhören, dass ich als ‚Verräter‘ galt.“

1995 war Celal Başlangıç einer der Mitbegründer der Zeitung Evrensel und ein Jahr später baute er das Blatt Radikal mit auf. Er schrieb Kolumnen für T24, Gazete Duvar, Bianet und Haberdar und war Autor mehrerer Bücher, darunter „Kanlı Bilmece“ (Blutiges Rätsel) über den Krieg in Kurdistan. In der Mitte der 2010er Jahre hielt er sich regelmäßig in den kurdischen Provinzen auf. „Es geht mir um Solidarität mit der Bevölkerung“, sagte er. Es war die Zeit der Ausgangssperren und Militärbelagerung, die auf die Proklamierung der Selbstverwaltung gefolgt waren, die einen demokratischen Gegenentwurf zum von der AKP vorgeschlagenen totalitären „Präsidialsystem“ darstellte.

2019 wurde Başlangıç wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda“ zu fünfzehn Monaten Haft verurteilt, weil er sich als „symbolischer Chefredakteur” im Rahmen der Kampagne „Bereitschaftsjournalismus“ mit der im Oktober 2016 per Notstandsdekret verbotenen prokurdischen Tageszeitung Özgür Gündem solidarisiert hatte. Zu dem Zeitpunkt lebte der Journalist bereits in Köln. Dort hatte er seit 2017 die Exilsender Artı TV und die Webzeitung Artı Gerçek aufgebaut, an deren Gründung er bereits in der Türkei gearbeitet hatte. 2021 wurde bekannt, dass Celal Başlangıçs Name auf einer „Hinrichtungsliste“ mit mehr als fünfzig Erdoğan-Gegnern stand.

https://anfdeutsch.com/hintergrund/baslangic-staat-mit-mafiastruktur-26189 https://anfdeutsch.com/pressefreiheit/deutsche-polizei-warnt-kritischen-journalisten-aus-der-turkei-27402

 

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Viyan Leyla: Frauen müssen sich selbst vom Staat befreien

3. Mai 2024 - 11:00

Die Theorie des radikalen Bruchs mit dem patriarchalen System, mit den Beziehungsmodellen, der Ehe und der patriarchalen Familie durch die kurdische Freiheitsbewegung ist immer wieder Gegenstand intensiver Debatten. Für den Sender Jin TV beantwortete Viyan Leyla aus der Partei der freien Frau in Kurdistan (PAJK) einige Fragen dazu.

Unter welchen Umständen kam die Theorie der dauerhaften Loslösung und des Bruchs auf die Tagesordnung der Freiheitsbewegung?

Das Konzept der Theorie des Bruchs kam 1998 auf die Tagesordnung der Freien Frauenbewegung. Die Bedingungen dieser Zeit erforderten die Organisierung der Frauen und den Aufbau einer entsprechenden Ideologie. Warum? Weil bereits zuvor einige Aktionen stattgefunden haben. Durch den Opfertod von Heval Bêrîtan kam die Frauenarmee auf die Tagesordnung unserer Bewegung. Zur gleichen Zeit, mit der Aktion von Heval Zîlan, kam auch die Theorie des Bruchs auf unsere Tagesordnung. Später wurde die Frauenbefreiungsarmee von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] konzipiert. Rêber Apo führte Heval Zîlan als Beispiel für die Theorie des Bruchs an. Als Heval Zîlan die Freiheitsbewegung kennenlernte, hatte sie ein anderes Leben, eine klassische Ehe. Sie lebte und arbeitete in der ihr vorgegebenen Ordnung.

In kurzer Zeit lernte sie die Freiheitsbewegung kennen, trennte sich von allem und leitete nach ihrem Beitritt einen großen Aufbruch ein. Obwohl seit ihrem Beitritt erst ein Jahr vergangen war, sah sie, dass sich das Komplott gegen Rêber Apo gegen die Frauenbewegung und die Freiheitsbewegung insgesamt richtete. Daher entschied sie sich zu ihrem Selbstopfer bei der Aktion. Sema Yüce zeigte sich als ihre Nachfolgerin. Wenn Rêber Apo von Bruch sprach, meinte er den Bruch mit dem patriarchalen System. Mit den Gesprächsnotizen kam das Konzept der dauerhaften Loslösung auf unsere Tagesordnung.

Im Jahr 2009 hat Rêber Apo dieses Konzept auf unsere Tagesordnung gebracht. Er definierte das System als ein Vergewaltigungssystem, das das Patriarchat mit seiner 5.000 Jahre alten Zivilisation über die Frauen gebracht hat und insbesondere über Frauen Macht ausübt. Er sagte, dass wir uns zuerst dauerhaft von der Autorität der Männer befreien müssen. So kam dieser Begriff auf unsere Tagesordnung. Dementsprechend führten wir Diskussionen über die Fragen, wie wir mit dem System brechen können, wie wir uns dauerhaft loslösen können. Als Rêber Apo die dauerhafte Loslösung auf unsere Tagesordnung setzte, beschäftigten sich auch viele Philosophinnen und Philosophen und Forschende mit diesem Thema.

Vor allem in Frankreich wurde die männliche Vergewaltigungspraxis untersucht. Sie nannten es ewige Liebe. Rêber Apo sagte: „Liebe kann unter diesen Bedingungen nicht gelebt werden. Denn es herrscht ein Vergewaltigungssystem. Deshalb kann die gegenwärtige Liebe unter Vergewaltigungsbedingungen keine wahre Liebe sein. Wenn eine Frau sich von diesen dominanten männlichen Praktiken befreien will, sollte sie nicht die ewige Liebe, sondern die ewige Loslösung verwirklichen.“ Wenn Frauen dies erkennen, werden sie sich von dem seit fünftausend Jahren von Männern beherrschten System befreien.

Es geht also nicht nur um physische Trennung?

Nein, es geht darum, sich von dem ganzen System zu lösen. Dieses System ist nicht nur materiell. Es will ein Verständnis, eine Kultur, eine Moderne aufbauen. Es gibt Institutionen, die das System entwickeln. Es ist notwendig, all dies aufzugeben.

Als Rêber Apo diese Konzepte und die Theorie des Bruchs aufstellte, wie sah die Situation für Frauen in der Freiheitsbewegung bis dahin aus?

Es gab bereits eine Frauenorganisierung. In Verbindung damit gab es auch eine Frauenarmee. Aber es fehlte noch der Glaube an die Kraft der Frauen. Was kann eine Frau erreichen, kann sie kämpfen, kann sie Waffen tragen, kann sie sich gegen Männer behaupten, kann sie sich organisieren, kann sie für ihre Bedürfnisse sorgen, kann sie ohne Männer leben? Es gab Zweifel an diesen Fragen. Es wurde bezweifelt, dass eine Frau ihr Leben unabhängig und physisch getrennt von Männern fortsetzen kann. Doch Heval Zîlan setzte diesen Diskussionen mit ihrer Aktion ein Ende. Sie zeigte der ganzen Welt die Macht der Frauen. Die Frau erkannte sich selbst, organisierte sich und brach aus dem männlichen System aus; sie zeigte es der ganzen Welt. Niemand hatte damals von einer Frau erwartet, dass sie auch nur allein das Haus verlässt.

Heval Zîlan verließ ihr Zuhause, verließ ihren Mann und ihre Familie, ging in die Berge, kämpfte in den Bergen, verband ihre Identität, ihre Existenz und ihr Bewusstsein als Frau mit der Philosophie von Rêber Apo und explodierte wie eine Bombe im Hirn und Herz des patriarchalen Systems. Heval Zîlan wurde zum Symbol für eine starke Frau. Das Auftauchen von Heval Zîlan und Heval Sema Yüce in der Freiheitsbewegung und in der Gesellschaft ist eine Antwort auf das falsche Vorgehen gegenüber Frauen.

Heute ist die Beteiligung der Frauen an Partei und Armee eine andere. Die Frauen entwickeln ihren Konföderalismus, sie schaffen soziale Bündnisse. Das ist ein Ergebnis der Theorie des Bruchs. Je mehr sich die Frau von der patriarchalen Mentalität und dem System löste, desto mehr entwickelte sie sich. Die kurdische Frau ist heute zu einer Inspirationsquelle für alle Frauen geworden, die kämpfen. Sie brechen mit der Sklaverei, mit den Selbstzweifeln und der klassischen Ordnung und bewegen sich in Richtung Freiheit.

Sie haben gesagt, dass die dauerhafte Trennung nicht nur physisch sei. Was werden also die ökonomischen, intellektuellen und kulturellen Folgen sein?

Unser konkretes Modell ist das System der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK). Es hat in jeder Hinsicht Ergebnisse geschaffen. Es ist eines der Ergebnisse des demokratischen Konföderalismus. Der Bruch muss jedoch Schritt für Schritt vollzogen werden. Wir müssen uns physisch von der patriarchalen Ordnung lösen. An einem Ort, an dem Männer den Diskurs beherrschen, an dem Männer Einfluss haben, an dem Männer das Sagen haben, können Frauen sich nicht frei äußern. Die Frauen können ihren Willen nicht offenbaren. Wenn sie also sie selbst sein wollen, müssen sie sich von denen abgrenzen, die die Frauen besitzen wollen. Wer will eine Frau besitzen? Der Vater will es, der Liebhaber will es, der Bruder will es, der Staat will es. Wenn es nicht zu einem physischen Bruch kommt, wird es immer Drohungen mit Mord, Entführung und Übergriffe geben. Nach dem physischen Bruch muss dieser Bruch auch mental vollzogen werden. Wir müssen uns von dieser männlichen Mentalität befreien. Wir müssen wir selbst sein. Wir gehören nicht uns selbst. Unsere Ideen und Gefühle sind gestohlen worden.

Wie präsentieren sich die Frauen heute? Sie imitieren Männer, wenn sie zur Armee gehen, werden sie wie Männer. Sogar in der Politik hat das kapitalistische System den Frauen unter dem Namen der Freiheit der Frau den Weg geebnet, und Frauen sind jetzt Abgeordnete und Ministerpräsidentinnen. Aber schauen wir uns Tansu Çiller und Angela Merkel an. Inwieweit sie Frauen sind, darüber lässt sich streiten. Der Form nach sind sie Frauen, aber inhaltlich sind sie Männer. Bakunin hat eine Analyse zur Macht; er sagt: „Selbst wenn man den besten Menschen in eine Machtposition bringt, wird er innerhalb von 24 Stunden zum Despoten.“ Rêber Apo sagt auch: „Wenn diese Person eine Frau ist und an die Macht gebracht wird, wird die Situation schlimmer sein als die eines Despoten.“ So ist das mit der Macht. Sie setzen Frauen in wichtige Positionen ein. Einige Frauen werden als Vorzeigeobjekt hingestellt. Mit anderen Worten, eine Frau ist entweder eine Nachahmung eines Mannes oder ein Vorzeigeobjekt für einen Mann.

Ein anderes Modell, das für Frauen gewählt wird, ist im Schatten eines Mannes zu stehen. Was ist der Schatten eines Mannes? Es gibt erfolgreiche, kenntnisreiche Experten, Wissenschaftler. Hinter ihnen steht eine ruhige, stille Frau. Sie tragen ihre Frauen herum wie eine Tasche. Es gibt männliche und weibliche Rollenmodelle. Sie wird für ihren Mann Kinder großziehen, sie wird immer an seiner Seite sein wie eine Zierde. Auch Diktatoren zeigen die Frau wie eine Zierde an ihrer Seite. Das Verständnis von Macht trennt die Frau von ihrem Wesen. Sie wird entweder zu einem Schutzschild oder sie imitieren den Mann. Die Frauen haben ihren Sinn für ihr Geschlecht verloren. Was es bedeutet, eine Frau zu sein, was das Bewusstsein der Frau ist, all das ist in Vergessenheit geraten. Da es keinen Prozess in Bezug auf Frauen gegeben hat, da keine moralische und politische Gesellschaft für Frauen aufgebaut wurde, hat sich das Konzept des Matriarchats nicht entwickelt.

Warum sind wir zu diesem Verständnis verurteilt? Warum werden wir nach diesem Konzept geformt? Wie hat uns diese Haltung genützt? Abgesehen von Mord, Belästigung, Vergewaltigung, Assimilation und Auflösung, was haben wir von den Männern erfahren? Selbst eine Person, die sich selbst als demokratischste bezeichnet, wird zum Vergewaltiger, wenn er in die Nähe von Frauen kommt. Du kannst nicht als freie Frau leben. Das Wort über dich ist gesprochen. Du wirst als Prostituierte, unehrlich und unmoralisch abgestempelt werden, und das Ergebnis wird deine Ermordung sein. Wenn du nicht an dem dir zugeschriebenen Ort bleibst, wirst du verhaftet. Wenn du auch im Kerker nicht aufhörst, lassen sie dich verrotten. Mit anderen Worten: Wenn du aus diesem System aussteigen willst, werden sie dich einkreisen, dich in einen Käfig sperren und dir alles Mögliche üble antun. Diese Erkenntnis hat uns einige Zwänge auferlegt. Sei ein gutes Mädchen, zeige dein Haar nicht, halte deinen Kopf gesenkt, lache nicht laut, befolge die Regeln, wie man mit Jungen befreundet ist, wie man mit Mädchen befreundet ist, wie man lebt, dass die Ehre des Hauses nicht in Frage gestellt wird, all diese Dinge bringen sie uns bei. Dann wirst du einen männlichen Beschützer finden, damit dein Name und dein Körper nicht beschmutzt werden. Dieser Mann soll sich um dich kümmern. Du musst dich herausputzen und schmücken, um diesen Mann zu sehen und dein so genanntes Leben zu retten.

Welche Rolle spielt die Familie und die Institution der Ehe?

Die Familie bereitet das Mädchen schon in jungen Jahren auf die neue Familie vor. Eine Frau ohne Familie und Ehemann hat keine Chance auf Leben. Heutzutage wollen einige Leute einige Dinge verändern und mit einer liberalen Politik aufweichen. Unter dem Namen der sexuellen Freiheit fördern sie Dinge, die die Gesellschaft moralisch angreifen. Dies ist ein anderes Übel. Die Institution Familie ist der erste Prototyp des patriarchalen Systems. Denn die erste Erziehung erhält man von seiner Familie. Die Regeln und Vorschriften, die der Vater und der Bruder aufstellen, können nicht übertreten werden. So wie der Staat Tränengas, Polizei, Gewalt und Verhaftungen einsetzt, wenn gegen die Regeln des Staates verstoßen wird, greifen auch der Bruder und der Vater zu Schlägen und Einsperren, wenn gegen ihre Regeln verstoßen wird. Manche Frauen heiraten, um sich von diesem Druck zu befreien.

Die Ehe ist auch eine Familienangelegenheit. Sie sind drei oder vier Monate verheiratet und wollen sich von ihren Männern scheiden lassen. Denn sie kennen nun die Wahrheit über die Männer. Was passiert dann, sie werden ermordet. Schauen sie sich die ermordeten Frauen an, das sind meist diejenigen, die sich von ihren Männern scheiden lassen wollten. Der Staat fördert auch die Ehe. Denn wenn es Eheschließungen gibt, wächst die Bevölkerung des Staates. Er macht eine Spezialpolitik in diesem Sinne. Niemand soll sagen, dass seine Beziehung eine freie Beziehung ist. Niemand sollte sich etwas vormachen. Frauen leben in Knechtschaft unter der Herrschaft der Männer. Zu Hause beweisen die Männer ihre Herrschaft über die Frauen.

Das ist Vergewaltigung. Neben der Ehe gibt es auch einige Begriffe, die auf falscher Freiheit basieren. Das sind Begriffe, die sexuelle Freiheit in Beziehungen zwischen Männern und Frauen definieren, und man will das auf die Tagesordnung der Frauen setzen. Eine Frau ist frei, eine Beziehung mit einem Mann zu haben, den sie will. Aber auch dahinter steckt die Vergewaltigungskultur. Was ist der Unterschied zur Ehe? Ob sie nun ein Dokument mit dem Staat unterzeichnet haben oder nicht, ist das Verständnis des Mannes ein anderes, wenn es kein Papier gibt? Wie viele Frauen sind von angeblichen Liebhabern ermordet worden? Das sind die Lügen und Widersprüche der kapitalistischen Moderne. Wir müssen uns von der Familie, der Arbeit, den Medien, der Institution der Ehe, den Universitäten, dem Militär und den staatlichen Schulen befreien.

Es ist schwierig, eine Mentalität zu ändern, wie haben Sie dieses Konzept im Kampf und in der Organisierung als Freiheitsbewegung in die Praxis umgesetzt?

Im physischen Sinne wurden die Gebiete getrennt. In seinen Gesprächsnotizen fragte Rêber Apo: „Haben Frauen ihre eigenen Berge?“ Die physische Trennung unserer Gebiete gab den Frauen Selbstvertrauen. Bis dahin galten Frauen als körperlich schwach und machtlos. Sie könnten die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht allein befriedigen usw. Aber jetzt sind die Frauen nicht nur in der Lage, die lebensnotwendigen Bedürfnisse allein zu befriedigen, sondern kämpfen auch mit Waffen in der Hand gegen die Invasionstruppen. Gibt es noch etwas deutlicheres? Das Trillern der Frauen macht den Mächtigen heute Angst.

Es wurden Frauenakademien gegründet. Die Frauen analysierten das patriarchale System und diskutierten neue Erkenntnisse. Sie haben diese Diskussionen selbst geführt. Sie erhalten unabhängige Schulungen und beginnen auch mit der Bildung der Männer. Mit anderen Worten, sie haben begonnen, an der Veränderung der Männer zu arbeiten, zusammen mit dem Kampf für den Bruch mit dem Patriarchat. In der Gesellschaft ist die Situation die gleiche. Ihr Ziel ist es, die Männer in der Gesellschaft zu verändern, und sie setzen dies auch um. Die Frauen organisieren sich in ganz Kurdistan, weil sie ihre eigene Macht erkannt haben.

Die Freiheitsbewegung war der Vorreiterin. Wie wirkt sich die Wirkung des Bruchs nach der Revolution in Rojava aus?

Die Revolution von Rojava wurde zur Hoffnung und zog die Aufmerksamkeit aller auf sich, die gegen das System kämpften. Die Frauen haben der Revolution von Rojava die Richtung gegeben, sie haben sich am stärksten im Kampf, in der Gesellschaft und an der Umwälzung beteiligt. Jetzt funktioniert dort ein demokratisches, ökologisches und auf Frauenbefreiung basierendes System, und alle Institutionen entwickeln sich auf der Perspektive der Jineolojî. Die Selbstorganisierung entwickelt sich in allen Bereichen.

https://anfdeutsch.com/hintergrund/den-mann-toten-41958 https://anfdeutsch.com/hintergrund/bese-erzincan-die-kjk-ist-nicht-nur-fur-frauen-39771 https://anfdeutsch.com/hintergrund/ethik-und-Asthetik-in-der-kurdischen-frauenbefreiungsideologie-iii-40954 https://anfdeutsch.com/hintergrund/viyan-leyla-freies-denken-basiert-auf-gleichheit-respekt-und-vertrauen-40517

 

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Leyla Mûrad – Kämpferin im revolutionären Volkskrieg

3. Mai 2024 - 10:00

Leyla Mûrad stellte sich 2012, als Regimetruppen und dschihadistische Söldner Şêxmeqsûd in Aleppo angriffen, an vorderster Front den Verbrecherbanden entgegen. Für die Mutter von drei Kindern war die Entscheidung zum bewaffneten Widerstand keine Frage. Im ANF-Gespräch erklärte sie: „Ich war Mutter von drei Kindern, aber ich hatte auch die Pflicht, dieses Land hier zu verteidigen, diese Pflicht wiegt schwerer als meine Pflicht als Mutter. Wenn ich dieses Land nicht verteidigte, würde ich auch keine Zukunft für meine Kinder aufbauen können.“

 


Drei Brüder in der PKK, ein Sohn und ein Bruder gefallen

Leyla Mûrads Familie stammt aus dem Bezirk Bilbilê in Efrîn, sie selbst ist in Aleppo geboren und aufgewachsen. Die 40-Jährige ist Mutter von drei Kindern. Ihr Sohn Cûdî Amanos ist am 16. Februar 2018 im Widerstand gegen die türkische Invasion in Efrîn gefallen. Einer ihrer Brüder ist ebenfalls gefallen. Drei ihrer Brüder kämpfen in der PKK.

Sie erinnerte an den Beginn des Kampfes: „Wir ahnten, dass der Krieg auf unsere Nachbarschaft übergreifen würde. Mit den Provokationen des syrischen Regimes und seiner Söldnergruppen wollte man der Geschwisterlichkeit der Völker ein Ende setzen. Im Jahr 2012 kam der Krieg bis vor die Haustür von Şêxmeqsûd. Mein Mann, meine drei Kinder und ich haben unser Dorf nicht verlassen. Wir kämpften viele Jahre lang gegen Angriffe, Gewalt, Repression, Hunger und Durst, kurz gesagt, unter sehr schwierigen Bedingungen. Es war unsere erste Erfahrung und eine harte Prüfung. Logistik und medizinische Versorgung waren kaum vorhanden. Wir waren eingekesselt und als Viertel isoliert. Unsere Solidarität untereinander war groß, dabei war es nicht wichtig wer kurdisch oder arabisch war. Alle haben wir uns für unsere Kinder an der Front eingesetzt. Die Bewohnerinnen und Bewohner verteidigten das Viertel. Kinder, Frauen und ältere Menschen rannten von einem Viertel zum anderen, um die notwendigen Lebensmittel zu besorgen.“

Ein Nachbarschaft in bewaffnetem Widerstand

Leyla Mûrad berichtete, wie sie mit ihrem gefallenen Sohn Cûdî und ihrem Mann an vorderster Front kämpfte und führte aus: „Das Viertel hatte Selbstverteidigungskräfte aufgebaut. Es gab niemanden außer uns. Es waren unsere Nachbarn, unsere Kinder und unsere Freunde. Wir haben Schulter an Schulter in einem Kampfgebiet auf engstem Raum Widerstand geleistet. Die Aggressoren hofften, dass wir fliehen würden, aber da hatten sie sich getäuscht. Die Angriffe wurden durch unseren Kampf verhindert. Wir kämpften in einem revolutionären Volkskrieg gegen die in kleinen Gruppen organisierten Söldner.

Selbstverteidigungskräfte

Leyla Mûrad war Teil Bataillons Şehîd Gûlê Selmo. Das Bataillon wurde am 13. März 2012 gegründet. Mûrad erinnerte daran: „Eine Frau war gefallen. Deshalb erhoben sich die Menschen, die Wut des Volkes ließ nicht nach. Insbesondere Frauen waren vom Tod von Gûlê Selmo sehr betroffen. Wir mussten unsere Selbstverteidigung stärken. Ich beteiligte mich an der Frauenselbstverteidigungskräften, als diese zum ersten Mal in Aleppo ausgerufen wurden, und begann dann, dem Feind an vorderster Front Widerstand zu leisten. Ich empfand es nun als meine Pflicht, mein Land und meine Frauen zu verteidigen. Sie mussten den Mut und die Stärke der kurdischen Frauen erkennen. Ich begann in der Logistik und wurde dann zur Frontkämpferin. Ich war Mutter von drei Kindern, aber ich hatte die Pflicht, dieses Land zu verteidigen, das war wichtiger als meine Pflicht als Mutter. Wenn ich mein Land nicht verteidigte, würde ich keine Zukunft für meine Kinder aufbauen können.“

Verletzt und sofort wieder an die Front

Leyla Mûrad kämpfte unter anderem an der Front im Dorf Pîno. Sie führte aus: „Mein jüngstes Kind war fünf Jahre alt. Ich bin in den Kampf gezogen, ohne zu sagen, dass ich Mutter bin, ohne an mein Kind zu denken, und ich bin monatelang nicht nach Hause gekommen. Bevor ich verwundet wurde, war ich einen Monat lang nicht zu Hause gewesen. Mein Mann und mein Sohn waren an der Front. Nach einem Monat wollte ich nach Hause gehen, um mich drei Tage lang zu erholen. Damals wurde ich am Fuß verwundet. Nachdem meine Wunde genäht worden war, ging ich sofort nach Hause und sah meinen Sohn Reşîd. Ich kehrte nach Pîno zurück, ohne auch nur einen Tag bei ihm zu bleiben. Vielleicht konnte ich nicht mehr so kämpfen wie früher, aber ich konnte meine Genossinnen nicht allein lassen.“

Ein Volk in Waffen

Mûrad schloss mit den Worten: „Unser Widerstand rührt daher, dass wir darauf bestanden haben, die Träume der Gefallenen zu verwirklichen. Wir haben wunderbare Menschen verloren. Wir wussten, dass der Verzicht auf Widerstand zum Verrat führen würde, und wir haben bis zum Ende Widerstand geleistet. Wir haben unsere Organisierung gestärkt, unsere Institutionen und Einrichtungen aufgebaut. Wir leisten immer noch Widerstand gegen die Angriffe und das Embargo. Wir haben den Namen von Şêxmeqsûd und Eşrefiyê als eine Hochburg des Widerstands in die Geschichte eingeschrieben, und wir werden weiterhin Widerstand leisten.“

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/aleppo-lesekreis-zu-verteidigungsschriften-Ocalans-42028 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/aleppo-solidaritatskonvoi-mit-der-guerilla-41992 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/widerstandshochburg-in-aleppo-Sexmeqsud-40411 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/Ocalan-park-in-Sexmeqsud-ein-ort-des-gedenkens-und-innehaltens-23100

 

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Zwei weitere Lastenträger getötet

3. Mai 2024 - 8:00

Die Besetzung Kurdistans basiert auf Vierteilung des Landes. Jede Bewegung zwischen den Teilen Kurdistans soll kontrolliert und sanktioniert werden. Menschen die sich dennoch frei über die Grenzen bewegen, insbesondere Kurd:innen, befinden sich im Visier der Staaten, die Kurdistan für sich beanspruchen. Insbesondere Kolbar, kurdische Lastenträger, die Tee, Tabak oder auch Elektrogeräte von einem Teil Kurdistans in den anderen auf ihren Rücken transportieren, sind im Visier der Regime die Kurdistan beherrschen. Erst am 28. April waren zwei Kolbar von türkischen Kampfflugzeugen in der südkurdischen Region Lolan getötet worden. Nun wurden zwei weitere Kolbar von iranischen Regimetruppen umgebracht.

Celal Suhrabî

Nach einem Bericht von Kolbernews haben iranische Regimetruppen in der Nähe der ostkurdischen Stadt Bane das Feuer auf eine große Gruppe Kolbar eröffnet. Dabei sei ein Kolbar namens Celal Suhrabî getötet worden. Der 40-jährige Vater von zwei Kindern stammt aus Bane.

Zuvor, am 1. Mai, hatten iranische Truppen das Feuer auf Lastenträger eröffnet und den 45-jährigen Hêmîn Ahmedî getötet. Wie das Kurdische Menschenrechtswerk berichtet, hatte das iranische Militär in der Nähe der ostkurdischen Stadt Saqiz das Feuer auf eine Gruppe Kolbar eröffnet und Ahmedî dabei getötet.

Hêmîn Ahmedî

Nach einem Bericht von Kolbernews wurden zwischen dem 1. Mai 2023 und dem 1. Mai 2024 52 Kolbar getötet und 450 verletzt.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/turkische-kampfflugzeuge-toten-zwei-kurdische-zivilisten-42017 https://anfdeutsch.com/kurdistan/kurdischer-lastentrager-durch-iranische-truppen-getotet-41388 https://anfdeutsch.com/menschenrechte/zwei-kolbar-bei-minenexplosion-schwer-verletzt-41297 https://anfdeutsch.com/kurdistan/angriffe-auf-kolbar-nehmen-zu-40594

 

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