«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Mutmaßliche Attentäter durch QSD in Deir ez-Zor festgenommen
Wie das Pressezentrum der QSD bekannt gegeben hat, sind in Zusammenarbeit mit der Internationalen Anti-IS-Koalition zwei erfolgreiche Sicherheitsoperationen in der Region um Al-Busayrah im Osten der Provinz Deir ez-Zor durchgeführt worden. Hierbei sei den Einheiten die Festnahme von drei IS-Terroristen gelungen, die mutmaßlich an Anschlägen auf die Zivilbevölkerung und die Selbstverteidigungseinheiten beteiligt gewesen sind.
Festgenommene sollen für Anschläge in der Region verantwortlich sein
Die erste Operation wurde der Mitteilung zufolge unter Beteiligung von Einheiten der Internationalen Koalition in dem Dorf Al-Bariha durchgeführt. Sie führte zur Festnahme eines Terroristen, der laut QSD nachweislich an Angriffen auf Selbstverteidigungseinheiten und Zivilist:innen in der Region beteiligt war. Darüber hinaus seien eine Menge Waffen und Munition von dem festgenommenen Verdächtigen beschlagnahmt worden.
Weitere Einheiten der QSD führten unterdessen im Dorf Al-Sabha eine zweite Operation durch, bei der den Angaben zufolge eine weitere IS-Terrorzelle zerschlagen werden konnte. So sollen hierbei zwei Männer festgenommen worden sein, die für mehrere Terroranschläge sowohl gegen die Sicherheits- und Selbstverteidigungskräfte als auch gegen die lokale Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht werden.
Die QSD betonen abschließend, dass sie an ihrem Engagement gegen die Überreste des selbsternannten Islamischen Staates festhalten werden, bis auch jegliche „finanziellen und ideologischen Quellen“ beseitigt seien, um „jegliche terroristische Aktivitäten zu verhindern, die die Sicherheit und Stabilität der Region bedrohen“.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/minenexplosion-verletzt-qsd-kampfer-bei-deir-ez-zor-48252 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/neun-is-soldner-in-deir-ez-zor-festgenommen-48200 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-is-anschlag-vereitelt-und-drei-terroristen-festgenommen-48191 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-is-funktionar-in-ostsyrien-fest-und-vereiteln-anschlag-48171
Weiterhin offene Fragen im Todesfall von Rojin Kabaiş
Rojin Kabaiş studierte im ersten Jahr Kinderpädagogik an der Universität in Wan (tr. Van), als sie 2024 nach ihrem Verschwinden tot aufgefunden wurde. Die Ermittlungen im Fall der 21-Jährigen sorgen für umfassende Empörung, da bis heute weder Tatverdächtige noch Tatablauf bekannt sind, obwohl das Institut für Rechtsmedizin DNA-Spuren von zwei Männern an ihrem Körper festgestellt hat.
Das Gutachten über den DNA-Fund gab das Institut erst am 10. Oktober dieses Jahres heraus, nachdem die Anwaltskammern von Amed (Diyarbakır) und Wan mit einer Strafanzeigen gegen die Zurückhaltung vorgegangen waren. Da die Spuren an der Brust und im Vaginalbereich des Körpers gefunden wurden, bestehen die Jurist:innen darauf, den Fall nicht als Selbstmord, sondern als verdächtigen Todesfall zu betrachten und betonen die Möglichkeit einer sexuellen Nötigung. Sie forderten die Einleitung der notwendigen Ermittlungen und die Aufnahme von Zeugenaussagen.
Die Anwältin Helin Tapancı ist Mitglied des Vorstands des Frauenrechtszentrums der Anwaltskammer von Amed. Sie sprach mit ANF über die rechtliche Dimension des Falls und stellte fest, dass die „materielle Wahrheit“ noch immer nicht „ans Licht gekommen“ sei. Tapancı geht davon aus, dass ein Großteil der Beweise während der Ermittlungsphase manipuliert worden sei und dass die Überwachungskameras in der Gegend angeblich als „defekt“ bezeichnet und daher nicht untersucht worden seien.
Nachlässigkeit hat den Prozess behindert
Die Ermittlungen im Fall Rojin seien laut der Anwältin in vielerlei Hinsicht voller Mängel und Nachlässigkeiten. „Die Akte ist recht komplex, und leider konnten wir das gewünschte Ergebnis nicht erzielen. Von Zeit zu Zeit fahren wir nach Wan, um die notwendigen Besprechungen mit dem Staatsanwalt zu führen, und versuchen, so viel wie möglich beizutragen. Allerdings gab es gleich zu Beginn des Falles schwerwiegende Nachlässigkeiten“, erläuterte sie.
Unzureichende Vorsichtsmaßnahmen und verschleppte Ermittlungen
Die damaligen Vorsichtsmaßnahmen sowohl der Polizei als auch der Wohnheimleitung und der Universitätsverwaltung hält Tapancı für unzureichend. Mit gravierenden Folgen: „Das Ergebnis ist, dass wir heute dort stehen, wo wir stehen. In diesem Fall gab es nur sehr geringe Fortschritte.
Es wurden Berichte von der forensischen Abteilung der Karadeniz Technical University (KATÜ) eingeholt und Aussagen aufgenommen, aber der Bericht der forensischen Medizinischen Einrichtung weist gravierende Mängel auf. Es gab eine erhebliche Verzögerung bei den Abstrichproben, die von Rojins Leiche genommen wurden, was sich negativ auf die Ermittlungen auswirkt.“
Insbesondere, dass das rechtsmedizinische Gutachten zunächst verschwieg, an welchen Körperstellen die DNA-Proben gesichert wurden, entspräche laut der Juristin nicht den Anforderungen.
Alle erforderlichen Aussagen müssen aufgenommen werden
Obwohl auch Staatsanwaltschaft, die Informationen wiederholt beantragt hatte, seien sie erst jetzt zur Verfügung gestellt worden. Nun müssten, so Tapancı, alle erforderlichen Aussagen in diesem neuen Licht erneut aufgenommen werden. „Es gab in diesem Prozess gravierende Mängel seitens der gerichtsmedizinischen Einrichtung.
Nach diesem Bericht müssen die Aussagen der Personen in der Umgebung einzeln aufgenommen werden. Es besteht der starke Verdacht auf sexuelle Nötigung. Eine detaillierte Untersuchung dieses Verdachts wird die Verdächtigen zu Tage fördern. Daher müssen sowohl die Zeugenaussagen als auch die Ermittlungen effektiv durchgeführt werden.“
Beweise nachlässig oder nicht gesichert
Tapancı kritisierte auch, dass die Polizei bei der Beweissicherung grob fahrlässig gehandelt habe: „Das Kopftuch, das auf Rojins Kopf gefunden wurde, war mit Wasser getränkt und wurde dann entfernt. Dadurch bestand die Gefahr, dass DNA-Spuren verloren gingen. Außerdem wurde das Kopftuch eine Zeit lang am Strand liegen gelassen und nicht ordnungsgemäß aufbewahrt.
Es wurde auch festgestellt, dass eine der Kameras am Tatort nicht funktionierte, aber darüber hinaus wurden keine Maßnahmen ergriffen. Wir wissen nicht, ob die Kamera später untersucht wurde oder nicht, wir haben keine Informationen darüber. Wären die Beweise ordnungsgemäß gesichert worden, hätten wir heute vielleicht schon Verdächtige und der Fall wäre viel weiter fortgeschritten.“
Sicherheitsversagen auf dem Campusgelände
Gegen das forensische Institut hat die Anwaltskammer Wan mittlerweile Strafanzeige gestellt. Die Vorwürfe: Beweisvereitelung und Amtsmissbrauch. „Der Grund dafür, dass dieser Fall nicht vorangekommen ist, sind die anfänglichen Fehler bei der Beweissicherung, die Nachlässigkeit und die mangelnde Sorgfalt der Gerichtsmedizin. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass es keine Kameraaufnahmen aus dem Bereich gibt, nachdem Rojin die Grenze zu dieser Zone überquert hatte, ein schwerwiegendes Sicherheitsversagen. Dies zeigt die Schwäche der Verwaltung des Wohnheims und der Campus-Sicherheit“, resümierte die Anwältin.
Selbstmordtheorie nicht von Beweisen gestützt
Trotz der zahlreichen und gravierenden Mängel, die bisher die Aufklärung der Tat vereitelten, seien die gefundenen Spuren verwertbar. Ein sogenanntes „Kontaminationsrisiko“ konnte durch die Rechtsmedizin ausgeschlossen werden – die gefundenen DNA-Spuren sind nicht durch Ermittlungsbeamte verunreinigt. Nun gelte es, eine umfassende Untersuchung durchzuführen und alle Personen, die das Gelände zum fraglichen Zeitraum betreten oder verlassen haben, zu befragen, so Tapancı.
Weiter erklärte die Juristin: „Als Kommission halten wir die Möglichkeit eines Selbstmords für äußerst unwahrscheinlich. Es gibt keine Beweise in der Akte, die einen Selbstmord stützen. Die Treffen mit Rojins Familie und ihrem Umfeld sowie bestimmte Erkenntnisse aus der Akte, die wir aus Gründen der Vertraulichkeit nicht offenlegen können, schwächen diese Möglichkeit vollständig ab. Wir glauben, dass es sich um einen verdächtigen Todesfall handelt.“
Rojins Telefon noch immer nicht ausgewertet
Eine weitere scharfe Kritik übte die Rechtsanwältin Helin Tapancı ob der bisher versäumten Telefonauswertung. An die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und die zuständigen Institutionen gewandt sagte sie: „Rojins Telefon wurde immer noch nicht ausgewertet. In einem Land, in dem der Staat jederzeit Zugriff auf die intimsten Daten hat, wenn er dies wünscht, ist es für uns schwer nachvollziehbar, warum der Zugriff auf ein Telefon im Fall des Todes einer Frau so schwierig ist.
Als Kommission fordern wir sowohl die Gerichtsmedizin als auch die zuständigen Institutionen zur Erfüllung ihrer Pflicht auf. Die trauernde Familie hat das Recht zu erfahren, warum ihre Tochter gestorben ist.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/amed-studierende-fordern-aufklarung-zum-tod-von-rojin-kabais-48378 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/fall-rojin-kabais-strafanzeige-gegen-gerichtsmedizin-und-proteste-in-wan-48368 https://deutsch.anf-news.com/frauen/widerspruche-im-fall-rojin-kabais-dem-abgeordnete-fordert-unabhangige-untersuchung-48364 https://deutsch.anf-news.com/frauen/fall-rojin-kabais-juristin-fordert-verfahren-wegen-sexualisierter-gewalt-48345
Çira Fokus: Politikerin Gabi Fechtner über Internationalismus
Die heutige Studiogästin in der von Yilmaz Pêşkevin Kaba moderierten Sendung Çira Fokus ist die Politikerin Gabi Fechtner von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Im Mittelpunkt der Sendung steht ein ausführliches Gespräch über die gesellschaftliche und politische Lage in der Bundesrepublik Deutschland.
Fechtner wird hierbei die aktuellen Verhältnisse analysieren, bewerten und einordnen. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf internationaler Solidarität im Verständnis von Internationalismus liegen, wobei insbesondere auf die Situation in Kurdistan eingegangen wird.
Parteipolitisches und internationalistisches Engagement
Auf dem zehnten MLPD-Parteitag im November 2016 wurde Gabi Fechtner einstimmig zur Parteivorsitzenden gewählt. Sie trat ihr Amt am 1. April 2017 offiziell an. Bei der Bundestagswahl 2021 war sie Spitzenkandidatin der Landesliste der MLPD in Nordrhein-Westfalen und kandidierte zudem direkt im Wahlkreis Essen II.
Gemeinsam mit weiteren Internationalist:innen leitete Gabi Fechtner im Sommer 2015 eine Solidaritätsbrigade der International Coordination of Revolutionary Parties and Organizations (ICOR) in Kobanê (Rojava, Nord- und Ostsyrien). Ziel der Brigade war der Aufbau eines Gesundheitszentrums in einer Stadt, die zuvor in der Schlacht um Kobanê durch die Angriffe der Terrormiliz des selbsternannten Islamischen Staats (IS) weitgehend zerstört worden war.
Die Sendung Çira Fokus am 16. Oktober 2025 beginnt um 20 Uhr und kann live über den Stream https://linktr.ee/ciratv, alternativ: https://myflixtv.com/ verfolgt werden, nachträglich auch über den YouTube-Kanal von Çira TV, über die Eingabe Çira Fokus. Die Sendungsübersicht ist erreichbar über: Playlist - ÇIRA FOKUS.
Wer selbst Interesse an einer Teilnahme an einer Sendung bei Çira Fokus hat und unter anderem eigene Initiativen, Kampagnen, Organisationen, Projekte, etc. vorstellen möchte, kann unter der E-Mail-Adresse peskevin@gmail.com Kontakt mit der Redaktion aufnehmen.
Titelbild © Anneke Dunkhase
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/netzwerk-Ezidischer-politiker-innen-bei-Cira-fokus-48199 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-fokus-kandidatinnen-der-nrw-kommunalwahlen-im-studio-47805 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cira-report-der-9-oktober-aus-ezidischer-und-kurdischer-sicht-48305
PKK-Prozess in Hamburg: Entscheidung zur Haftprüfung verschoben
Am Oberlandesgericht in Hamburg (OLG) ist am Mittwoch der fünfte Verhandlungstag im Prozess wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft gegen den kurdischen Aktivisten aus Kiel, Nihat Asut, und einen Genossen aus Lübeck zu Ende gegangen. Den Vormittag über verlas der Vorsitzende Richter Sakuth zwei Schriftstücke zur Lebensgeschichte der beiden Angeklagten sowie die von der Verteidigung geforderten Neu-Übersetzungen der PKW-Überwachungen.
Nach der Mittagspause fand eine mündliche Haftprüfung bezüglich Nihat statt, die Entscheidung des Gerichts wird in den kommenden Tagen schriftlich bekannt gegeben. Auch an diesem Prozesstag war der Zuschauer:innenraum im OLG wieder restlos mit solidarischen Menschen gefüllt.
Flucht, Folter und Kampf für Gerechtigkeit
Beim zweiten vormittags verlesenen Schriftstück handelte es sich um einen Zeitungsartikel aus der Özgür Politika aus dem Jahr 2019, in dem der Lübecker Genosse porträtiert wird. Aufgewachsen in einer kleinen Stadt in Nordkurdistan musste er schon früh die Ermordung enger Familienmitglieder durch den türkischen Staat verkraften. Auch der Genosse selbst wurde politisch verfolgt und nach erlittener Folter für zehn Jahre ins Gefängnis gesperrt.
Mitte der 2000er Jahre flüchtete er nach Europa, wurde dort für ein halbes Jahr in der Slowakei inhaftiert und kam anschließend nach Deutschland. Hier betätigte er sich weiter aktiv, bemühte sich um die Organisierung der hiesigen kurdischen Jugend und beteiligte sich an den Protesten und Hungerstreiks für die Freilassung von Abdullah Öcalan.
Aus dem Artikel blieb ein Zitat besonders eindringlich zurück: „Ich glaube es gibt keine kurdische Familie, die in diesem Kampf keinen hohen Preis gezahlt hat.“ Da die aufgewühlten Erinnerungen den Angeklagten und das Publikum sichtlich bewegten – denn für viele der Anwesenden waren die Lebensgeschichten mit ihren erschütternden Details zuvor nicht in Gänze bekannt, wurde die Verhandlung kurz unterbrochen.
„Lammfleisch ist immer noch lecker“ - Neue Übersetzung der PKW-Überwachung
Scheinbar unbeeindruckt vom zuvor Gehörten, verlas der Vorsitzende Richter anschließend die neu übersetzten Protokolle der PKW-Überwachungen. Bei den bereits am zweiten Verhandlungstag behandelten Protokollen hatte die Verteidigung der Angeklagten richtigerweise kritisiert, dass die Kompetenz der Dolmetschenden nicht bekannt sei, die Übersetzungen teilweise lückenhaft und in den Zusammenfassungen der Gespräche bereits inhaltliche Interpretationen enthalten seien.
So wurden knapp 20 Abhörprotokolle, neu und nachweislich gedolmetscht, verlesen. Einige Stellen wichen dabei durchaus von den Schriftstücken des zweiten Verhandlungstages ab, inhaltlich hat sich mit Blick auf den Prozess allerdings nicht viel geändert. Abfolgen à la „Person A: Wie? Person B: Was? Person A: Unverständlich. Person B: Unverständlich. Person A: Ja.“ oder mäßig interessante Aussagen rund um das Wetter oder den Geschmack von Lammfleisch in den kurdischen Hochebenen dominierten die nächsten eineinhalb Stunden vor der Mittagspause. Kurz vor 12 Uhr wurde der Verhandlungstag für die Öffentlichkeit dann für beendet erklärt.
Noch keine Entscheidung bei der Haftprüfung
Wichtigster Punkt der heutigen Verhandlung war aber die Haftprüfung von Nihat, über die nach der Mittagspause hinter verschlossener Tür verhandelt wurde. Nihat sitzt mittlerweile seit über sieben Monaten in Untersuchungshaft, obwohl mehrfach verdeutlicht wurde, dass im Prinzip keinerlei Fluchtgründe bestehen. Trotz Alter, Familie und Einlassung bei der letzten Verhandlung ließ es sich Oberstaatsanwalt Scharkau nicht nehmen, die Aufrechterhaltung der Haft von Nihat zu fordern.
Das Gericht verschob eine endgültige Entscheidung über die Freilassung, welche aber in den kommenden Tag schriftlich mitgeteilt werden soll. Währenddessen warteten Familienangehörige und Freund:innen vor dem Gerichtsgebäude vergeblich auf die Bekanntgabe einer „positiven“ Entscheidung des Gerichts und mussten schließlich ohne die „beste Nachricht der Woche – nämlich die Freilassung Nihats aus der U-Haft“ abreisen, wie eine Prozessbeobachter:in schilderte. Nihats Lieblingsessen war bereits vorbereitet…
Weiterhin solidarische Protestbegleitung
Damit die „beste Nachricht“ bald wahr wird: Es gilt weiterhin die Angeklagten zu unterstützen, politischen Druck aufrecht zu erhalten und auch während der Prozesstage Solidarität vor Ort zu zeigen. Der kommende Verhandlungstag findet am 5. November um 9 Uhr im Oberlandesgericht in Hamburg (Sievekingsplatz 3) statt.
Weitere Prozesstage: 5.11.| 6.11.| 17.11.| 19.11.| 27.11.| 28.11.| 2.12.| 3.12.
Die Gerichtsverhandlungen beginnen um 9 Uhr – plant genügend Zeit für die aufwändigen Sicherheitskontrollen ein, wenn ihr den Prozess im Gerichtssaal begleiten möchtet.
Aktuelle Infos: freenihat.noblogs.org
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Gül: Die DEM-Partei sollte Treffen in Roma-Vierteln abhalten
In der Türkei erlebte die Roma-Gemeinschaft neben dem kurdischen Volk die härteste Assimilationspolitik, bis heute verkleinert sie sich. Hat die Regierung im vorherigen Friedensprozess die Beteiligung der Roma explizit gefördert, bleiben sie heute unerwähnt. Dennoch verfolgt die Community die aktuellen Entwicklungen in der Türkei genau und geben trotz Vorsicht ihre Hoffnung nicht auf.
Sergen Gül ist Vertreter des Vereins Romani Godi, zu dessen Gründungszielen die Veröffentlichung Dokumentation der Assimilation, Angriffe und Diskriminierungen gegen Roma in der Türkei ebenso zählen, wie die Schaffung eines kollektiven Gedächtnisses. Gegenüber ANF stellte er die Perspektiven der Roma-Gemeinschaft auf die kurdische Bewegung und den laufenden Prozess dar.
Historische Parallelen zwischen Roma und Kurd:innen
Seit Beginn der türkischen Republik seien Roma von einer Assimilationspolitik des Staates betroffen – eine historische Parallele zum kurdischen Volk, findet Gül. Neben der Leugnung ihrer ethnischen Identität und sprachliche sowie kulturelle Assimilation, nannte er hier auch Binnenmigration und die Betroffenheit durch Putschprozesse.
Bis 2006 seien die Roma die einzige Gemeinschaft in der Türkei gewesen, die in Gesetzestexten diskriminierenden Äußerungen ausgesetzt war. Festgehalten wurden beispielsweise ihre vermeintliche „potenzielle Kriminalität“ und die Entbindung nomadischer Roma von der türkischen Identität.
Das Unsichtbar-Machen von Diskriminierung
Die vielfältigen Konsequenzen führte Gül wie folgt aus: „In den Medien, in literarischen Werken und sogar in wissenschaftlichen Studien werden Roma immer noch mit solchen diskriminierenden Themen dargestellt. Manchmal spiegelt sich eine Form der impliziten Diskriminierung wider, indem sie als ‚farbenfrohes Volk‘ beschrieben werden, wodurch die Gemeinschaft auf bloße ‚Pigmente‘ reduziert wird.
Diese Vorstellung von Farbenpracht macht die Diskriminierung und Ungleichheiten, denen Roma beim Zugang zu Rechten und Dienstleistungen ausgesetzt sind, unsichtbar und stellt sie gleichzeitig als einen Lebensstil dar. So sind beispielsweise implizite diskriminierende Praktiken wie ‚Sie sind es bereits gewohnt, ohne Strom, ohne Wasser, in Zelten zu leben‘ oder ‚Sie sind arm, aber glücklich‘ nach wie vor weit verbreitet.“
„Die Behauptung, Roma seien Feinde der Kurd:innen, ist nicht wahr“
Der Romani Godi-Vertreter bestand darauf, dass Behauptungen, Roma seien Feind:innen der Kurd:innen, nicht der Wahrheit entsprächen. Vielmehr lebten die Dom- und Abdal-Gemeinschaften, die Teil des Volkes der Roma sind, seit Jahrhunderten mit Kurd:innen in Ost- und Südostanatolien zusammen. „Sie werden vor Ort auch als „Mırtıp“ und „Karaçi“ bezeichnet. Diese Roma-Gruppen sind ebenso wie die Kurd:innen von regionalen Konflikten betroffen“, erklärte Gül.
Gleichzeitig herrsche in diesen Gebieten eine besonders starke Diskriminierung, so sei es dort laut Gül eine der häufigsten Beleidigungen, jemanden als „Mırtıp“ zu bezeichnen. „Mit anderen Worten: Obwohl es eine gemeinsame Geschichte der Koexistenz gibt, sind auch in Gebieten mit kurdischer Mehrheit kulturelle Konflikte und soziale Ausgrenzung gegenüber diesen Gruppen zu beobachten.“
Insbesondere in Gebieten, in denen nicht traditionell beide Gemeinschaften lebten, sei das gegenseitige Bild hauptsächlich durch die dominanten Medienberichte über die jeweiligen Gruppen geprägt. „Diese Berichte schüren Konflikte zwischen den Gemeinschaften“, stellte Sergen Gül klar.
Solidarität und kultureller Austausch
Solidarität zwischen den beiden Völkern sei jedoch genauso ein Bestandteil ihrer gegenseitigen Beziehung. Mit der Migration, die durch die Industrialisierung zunahm, ließen sie sich häufig in denselben oder benachbarten Stadtvierteln nieder, wusste Gül zu berichten. „Es entstehen in der Regel positive Interaktionen. Die wirtschaftliche und klassenbasierte Integration stärkt den sozialen Zusammenhalt, und durch den kulturellen Austausch lernen sich die Völker besser kennen“, so der Aktivist.
Türkisch-nationalistische Tendenzen
Sergen Gül beobachtet innerhalb der Roma-Gemeinschaft teil auch eine türkisch-nationalistische Strömung. Er führte diese auf den Schutz vor langjähriger Diskriminierung zurück. „Wenn die Identifizierung als Roma zu Diskriminierung führt, kann man diese durch die Erklärung, Türke zu sein, bis zu einem gewissen Grad reduzieren“, erklärte Gül. Außerdem sei die Roma-Rechte in der Türkei recht jung, die ersten Vereinigungen seien in den 2000er Jahren entstanden.
„Ihre seit einem Vierteljahrhundert andauernde Bewegung“ stehe „in einem anderen Zeitrahmen als der kurdische Kampf“, hielt Gül fest und sah eine weitere Parallele zum kurdischen Volk: „Auch in den Anfangsjahren der kurdischen Bewegung gab es Spuren des türkischen Nationalismus. So war beispielsweise Ziya Gökalp, einer der ersten Ideologen des Turkismus, selbst Kurde.“
Wie sehen Roma den „neuen Prozess“?
Laut Sergen Gül hat der Verein keine konkreten Daten oder Feldforschungen darüber, wie die Roma den neuen Prozess sehen. Er wies jedoch auf einige Unterschiede in der Perspektive hin: „Als Roma werde ich meine Überlegungen darüber teilen, wie die Roma die kurdische Bewegung wahrnehmen, die der wichtigste Teil der Demokratisierungsbewegung in der Türkei ist. Wir müssen die Frage weiter untersuchen: ‚Ist dieser Prozess wirklich neu?‘ oder ‚Welche Dynamiken unterscheiden diesen Prozess von den vorherigen?‘ Wenn wir Antworten auf diese Fragen suchen, können wir die Perspektive der Roma auf den heutigen Prozess genauer bewerten.“
Vorherige Prozesse: Vom „Frühlings des Friedens“ zum „Schneesturm des Krieges“
Sergen Gül bezog sich im weiteren auf den letzten Friedensprozess zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Türkei, der von 2013 bis 2015 andauerte. Er endete, als die Demokratischen Partei der Völker (HDP) nach den Wahlen vom 7. Juni 2015 mit gut dreizehn Prozent der Stimmen ins türkische Parlament einzog und die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) hierdurch erstmal seit 2002 ihre parlamentarische Mehrheit verlor.
„Dies markierte den Beginn einer neuen Konfliktphase. Die Monate bis zum 1. November 2015 waren äußerst schmerzhaft und von Trauer und Gewalt geprägt. Fast über Nacht verwandelte sich die Atmosphäre eines ‚Frühlings des Friedens‘ in einen ‚Schneesturm des Krieges‘“, beschrieb Gül.
Die damalige Atmosphäre sei, so erinnerte sich der Aktivist aus seiner Zeit in Edirne, in den Nachbarschaften und Kaffeehäusern von Diskussionen über den Frieden geprägt gewesen, Selahattin Demirtaş sei viel Bewunderung entgegengebracht worden. „Von AKP-Anhängern bis hin zu CHP-Wählern sagten die Menschen: ‚Lasst dieses Blutvergießen aufhören, lasst die Mütter nicht weinen.‘ Natürlich gab es auch diejenigen, die dem Prozess mit Vorsicht begegneten“, führte Gül aus. Darstellungen scharfer Feindseligkeiten in der Westtürkei, wie die Medien sie seinerzeit widerspiegelten, wies er zurück.
Das „Band“ zwischen Erdoğan und den Roma
In einer Rede im März 2010, als er noch Premierminister war, sagte Erdoğan, dass die Roma in der Türkei nicht von den Bürgerrechtsprivilegien profitiert haben und entschuldigte sich dafür im Namen des Staates. Sergen Gül bezeichnete diesen Schritt als einen „wichtigen Wendepunkt im Kampf der Roma“ mit „enormer Wirkung“ in der Roma-Community, in dessen Folge Forschungsinstitute für die Roma-Sprache und -Kultur an zwei Universitäten eingerichtet wurden.
„Diese Maßnahmen schufen bei einem bedeutenden Teil der Roma-Bevölkerung Sympathie für Recep Tayyip Erdoğan“, stellte Gül fest. Obwohl die unternommenen Schritte nicht von Dauer gewesen seien, hätten sie letztlich zu einem „Band“ zwischen Erdoğan und den Roma geführt.
„Roma-Öffnung“ im Schatten der „Kurdischen Öffnung“?
Demgegenüber kritisierte der Aktivist, dass die HDP ihr zentrales Konzept der „Geschwisterlichkeit der Völker“ in der Praxis nicht vollständig umgesetzt hatte: Trotz der Wahl von Vertreter:innen vieler anderer Gemeinschaften, stellte sie keinen Roma-Abgeordneten im türkischen Parlament.
„Die Roma verglichen ihre Situation mit der ‚kurdischen Öffnung‘. Es wurden Fragen gestellt wie: ‚Warum gibt es TRT Kurdi, aber kein TRT Roma?‘ Letztendlich blieb die Roma-Öffnung im Schatten der kurdischen Öffnung. Zwar wurden keine Roma-Abgeordneten aus der AKP gewählt, doch für die Partei CHP zog Özcan Purcu als erster offen bekennender Roma als Abgeordneter ins türkische Parlament ein“, führte Gül aus.
Roma müssen Akteur:innen in der Vision einer demokratischen Türkei sein
Sergen Gül machte auch auf diesem Hintergrund auf das Fehlen von Roma-Vertreter:innen im neuen Prozess aufmerksam. „Heute, in dem sogenannten ‚neuen Friedensprozess‘, sehen wir keine:n Roma-Abgeordnete:n, Berater:in oder andere aktive Persönlichkeiten innerhalb der Partei. Als Roma macht mich das traurig. Im kurdischen Kampf für Rechte und in der Vision einer demokratischeren Türkei ist es unerlässlich, dass die Roma als aktive Akteur:innen daran teilnehmen“, konstatierte er deutlich.
Bei einem Treffen mit der Führung der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) habe diese das Defizit anerkannt und ihre Bemühung versichert, bei kommenden Wahlen eine entsprechende Vertretung sicherzustellen. Gül bewertete dies als positiv: „Es ist ermutigend zu sehen, dass die Partei wärmere Beziehungen zu den Roma aufgebaut hat als andere Parteien und häufig parlamentarische Anfragen zu Roma-Themen stellt.“
Unterschiede zum vorherigen Prozess
Sergen Gül benannte gleich mehrere ihm wichtig erscheinende Unterschiede zum vorherigen Friedensprozess: „Es gibt auch Unterschiede zum früheren Prozess. Im Vergleich zu 2013 werden Menschenrechte heute weltweit weniger geschätzt, die Meinungsfreiheit ist stärker eingeschränkt und autoritäre Regime sind dominanter. Ein Friedensprozess unabhängig von den Entwicklungen im Nahen Osten ist nicht denkbar. Der Kampf ums Überleben der Kurd:innen in Syrien, im Irak, im Iran und in Jordanien zeigt, wie dringend eine demokratische Lösung wirklich ist.“
Auch die Hauptthemen und Methoden des Prozesses hätten sich geändert, betonte Gül: „Auch wirtschaftlich sieht die Lage anders aus als 2013. Während damals Rechte und Freiheiten die Hauptthemen waren, ist heute die zunehmende Armut das wichtigste Thema. Außerdem wurde der Prozess 2013 offener geführt, unter Einbeziehung des Komitees der ‚Weisen‘, von Wissenschaftler:innen und Akteur:innen der Zivilgesellschaft. Heute ist er geschlossener. Aus den Fehlern der Vergangenheit sollten Lehren gezogen und mehr öffentliche Versammlungen, Sensibilisierungskampagnen und Informationsinitiativen durchgeführt werden. Es muss stärker betont werden, dass Frieden nicht nur eine Angelegenheit zwischen zwei Seiten ist, sondern alle Völker betrifft.“
„Frieden ist eine Notwendigkeit“
Aufgrund der bedrohlichen und akuten Lebensrealitäten vieler Roma in der Türkei nach der COVID-19-Pandemie und den Erdbeben vom Februar 2023, könnten selbst wichtige Themen wie der Friedensprozess „außerhalb ihrer unmittelbaren Agenda liegen“, räumte Gül ein.
„Auf persönlicher Ebene jedoch macht mich der neue Friedensprozess als Roma glücklich. Der ehrenvolle Kampf des kurdischen Volkes für seine Rechte muss nun mit dem Kampf aller Völker für Gleichheit und ein menschenwürdiges Leben verschmelzen. Frieden ist kein Geschenk, sondern eine Notwendigkeit, die durch den Kampf und die Opfer der Völker verdient wird. Wie Cemal Süreya sagte: ‚Es ist Zeit, Hoffnung zu wecken und Verzweiflung zu lindern.‘“, konstatierte der Aktivist.
Der Kampf der Kurd:innen für Koexistenz als historische Grundlage für Roma
Sergen Gül betonte weiter, dass die Türkei auch für die Roma eine bedeutende historische und soziale Dynamik habe und der kurdische Kampf für Koexistenz auch eine historische Grundlage für die Roma bilde. Er fuhr fort: „Die Geografie der Türkei birgt sowohl für die Roma als auch für die Kurd:innen eine wichtige historische, soziale und kulturelle Dynamik. Zwischen dem vierten und neunten Jahrhundert nutzten die aus Indien eingewanderten Roma dieses Land als Brücke auf ihrem Weg nach Europa. Als Brücke zwischen Europa und Asien war diese Region für die Roma-Gruppen schon immer von entscheidender Bedeutung.
Aufgrund dieses historischen Hintergrunds ist die Türkei das einzige Land der Welt, in dem Roma-, Dom- und Lom-Gruppen leben. Im Osten Anatoliens leben Dom- und Abdal-Gemeinschaften seit Jahrhunderten mit Kurd:innen zusammen. Aus diesem Grund bildet der Kampf der Kurd:innen für ein Zusammenleben in der Türkei auch eine historische Grundlage für die Roma.
Der Kampf für ein Zusammenleben muss jedoch auf der gleichberechtigten Anerkennung der Teilhabe, der Rechte und der Kulturen aller ethnischen Identitäten und Minderheiten in der Türkei beruhen. Der Friedensprozess darf sich nicht nur auf Türk:innen und Kurd:innen beschränken, sondern muss allen in der Türkei lebenden Völkern gemeinsame Vorteile bringen.“
Die DEM-Partei muss eine Politik für die Roma entwickeln
Zu Beginn des neuen Prozesses organisierte die DEM-Partei öffentliche Versammlungen. Mindestens eine solche Versammlung, unterstrich Sergen Gül entschieden, sollte in einem Roma-Viertel abgehalten werden, um deren Beteiligung sicherzustellen. Alternativ könnten spezielle Treffen ausschließlich mit zivilgesellschaftlichen Organisationen der Roma stattfinden. Er betonte auch die Notwendigkeit, dass die DEM-Partei spezifische Maßnahmen für Roma entwickelt.
„Es sollten Maßnahmen geplant werden, um sicherzustellen, dass bei den nächsten Wahlen ein:e Vertreter:in der Roma ins Parlament einzieht, und um die aktive Beteiligung der Roma innerhalb der Partei zu fördern“, schloss Gül. Sowohl die Regierungsparteien wie auch die CHP verfügten über solch spezifische Aktionspläne. Auch wenn an deren Angemessenheit Kritik bestünde, sei es dringend nötig, dass die DEM-Partei Ähnliches für Roma in ihren Gemeinden aufstelle. „Wie bei anderen politischen Organisationen wäre die Ernennung von Roma-Berater:innen und -Koordinator:innen ein entscheidender Schritt, um die wirksame Beteiligung der Roma an diesem Prozess sicherzustellen.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/wir-teilen-herkunft-aber-nicht-das-wissen-ubereinander-46641 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/romani-godi-fordert-unterstutzung-fur-roma-in-der-turkei-38256 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/hdp-solidaritatserklarung-zum-internationalen-tag-der-roma-31578
Raqqa: Zwei Zivilisten sterben bei Angriff auf Kontrollpunkt
Der Kontrollpunkt Al-Manakher im östlichen Umland von Raqqa in der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) ist von zwei bewaffneten Männern auf einem Motorrad angegriffen worden.
Der Angriff führte zum Tod von zwei Zivilisten, die den Kontrollpunkt der inneren Sicherheit von Nord- und Ostsyrien (Asayîş) passierten. Diese hätten umgehend auf die Quelle der Schüsse reagiert, einen der Angreifer verfolgt und ihn schließlich getötet. Außerdem sollen seine Waffe und das Motorrad, auf dem er gefahren war, von den Asayîş beschlagnahmt worden sein.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/asayis-verurteilt-drohnenangriff-in-dair-hafir-48256 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/angriff-auf-asayis-posten-in-Sexmeqsud-48071 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/angriff-auf-kontrollpunkt-in-deir-ez-zor-ein-toter-zwei-verletzte-47921
DAANES: Frauendemonstrationen für die Freiheit von Öcalan
Mit betonter Entschlossenheit demonstrierten Frauen in mehreren Städten in der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) für die Freiheit des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan, der seit 1999 in der Türkei in politischer Geiselhaft sitzt. Sie bekräftigten, ihren Kampf bis zum Erfolg fortführen zu wollen und betonten die entscheidende Rolle junger Frauen bei der Bekämpfung von Gewalt und der Verteidigung der Werte des Zusammenlebens und des Friedens.
Öcalan als Symbol für freies Denken
In den Regionen Deir ez-Zor, Raqqa und Tabqa haben am Mittwoch jeweils Massendemonstrationen stattgefunden, die von der Vereinigung junger Frauen unter dem Motto „Wir werden uns versammeln“ organisiert wurden. Laut der Initiatorinnen sollten die Märsche die Einheit der Herzen vor den Schritten verkörpern, vereint um eine zentrale Forderung – die Freiheit für Abdullah Öcalan, der als Symbol für freies Denken und demokratische Philosophie gilt.
Selma Mousa erklärte gegenüber der Frauennachrichtenagentur JINHA im Namen der Vereinigung junger Frauen, dass die Staaten, die für die internationale Geheimdienstoperation verantwortlich sind, in deren Konsequenz sich Öcalan seit nun mehr über 26 Jahren in Isolationshaft befindet, konkrete Ziele hätten. Seine Stimme solle Schweigen gebracht und die Verbreitung seiner Friedensbotschaft verhindert werden. Mousa fügte hinzu, dass der Nahe Osten – insbesondere Syrien – seit mehr als 14 Jahren unter unerbittlichen Konflikten leide, und unterstrich: „Die jüngsten Verbrechen und Verstöße gegen die alawitischen und drusischen Gemeinschaften haben das Ausmaß eines Völkermords erreicht.“
Die Einheit aller Gemeinschaften
„Wir müssen zusammenstehen, Hand in Hand, um Rêber Abdullah Öcalan zu sagen, dass wir kämpfen und Widerstand leisten werden, bis seine physische Freiheit erreicht ist. Er ist der Initiator des Friedens – deshalb versammeln wir uns heute, um ihm unter allen Umständen unsere volle Unterstützung zu bekunden. Diejenigen, die ihn entführen und isolieren wollten, wollten seine friedliche Philosophie vor der Welt verbergen“, fuhr Mousa fort und betonte ferner, dass Frauen – insbesondere junge Frauen – angesichts von Gewalt und Blutvergießen nicht schweigen würden:
„Als junge Frauen mit unerschütterlicher Entschlossenheit werden wir weiterhin den von Rêber Öcalan vorgezeichneten Weg gehen – den Weg der Freiheit. Wir werden unsere Stimmen laut gegen Unterdrückung und Herrschaft erheben und unseren Kampf intensivieren, bis wir unseren Traum vom Aufbau eines freien Syriens unter der Führung freier Frauen verwirklicht haben.“
„Ja zum Frieden“
Auch Noor Mohammed, Aktivistin der Vereinigung junger Frauen in Deir ez-Zor, erklärte am Rande der Demonstration gegenüber JINHA: „Frauen, insbesondere junge Frauen, werden angesichts von Gewalt und Mord nicht tatenlos zusehen. Wir sagen Nein zu Unterdrückung, Nein zu Blutvergießen und Ja zum Frieden – geleitet vom Geist des freien Willens der Frauen.“
Sie betonte, dass die Jugend, wie von Öcalan beschrieben, die Stimme und das Bild der Gesellschaft repräsentiere und den Kampf fortsetzen werde, bis seine physische Freiheit erreicht sei. Sie fühlten sich seiner Rolle bei der Verbreitung der Botschaft des Friedens und der Freiheit tief verbunden, so Mohammed.
„Sein Gedanke überwindet Mauern und Grenzen“
Waheeda Al-Abdullah, Mitglied der Frauenunion Zenobiya, sagte ihrerseits: „Ich habe heute an diesem Marsch teilgenommen, um die Freiheit von Rêber Öcalan zu fordern, der seit mehr als 26 Jahren inhaftiert ist. Ziel war es, seine universelle und freie Ideologie zum Schweigen zu bringen – aber diese Verschwörung ist gescheitert. Sein Gedanke lebt weiter und überwindet Mauern und Grenzen.“ Sie bekräftigte ihre Entschlossenheit, weiterhin Proteste zu organisieren und öffentlich seine Freilassung zu fordern.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/1-800-briefe-an-abdullah-Ocalan-aus-cizire-48383 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-ruft-zu-protesten-fur-Ocalans-freilassung-und-losung-der-kurdischen-frage-auf-48288 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tja-protestmarsch-erreicht-ankara-forderung-nach-Ocalans-freilassung-und-neuer-friedenspolitik-48277
Festival in Kerkûk zur Bedeutung der kurdischen Sprache
Verwaltungs- und Bildungsbeamt:innen in Kerkûk (Kirkuk) organisierten zusammen mit kurdischen Lehrkräften und Schüler:innen ein Festival mit dem Titel „Errungenschaften und die neue Etappe der Rückkehr zur Muttersprache“ (Destkeft û Qonaxa Nû ya ji bo Vegera li Zimanê Dayîkê). Auf der lokalen Veranstaltung haben die Bedeutung der kurdischen Sprache und die Zukunft der Muttersprachenbildung im Zentrum der Ansprachen gestanden.
Das Festival begann mit der Rezitation der Hymne „Ey Reqîb“ und einer Schweigeminute zum Gedenken an die Gefallenen. Anschließend erklärte der für die kurdische Bildung in Kerkûk zuständige Lehrer Kameran in seiner Rede: „Wir sind stolz auf unsere Erfolge im Bereich der kurdischen Bildung und auf die Leistungen unserer Schüler:innen. Unsere Lehrkräfte werden diese Erfolge in kürzester Zeit noch weiter ausbauen.“
Kulturelle Beiträge und Preisverleihung
Auf Kamerans Rede folgte eine Diashow über die Arbeit im Bereich des kurdischen Sprachunterrichts in der Stadt und Grundschüler:innen betraten die Bühne, um künstlerische Darbietungen vorzuführen. Zwei Schülerinnen lasen Gedichte vor, die sie selbst geschrieben hatten, was das Publikum mit lautstarkem Applaus honorierte.
Die Reden und Veranstaltungen während des gesamten Festivals unterstrichen die Bedeutung der kurdischen Sprache in den Bereichen Identität, Kultur und Bildung. Am Ende des Programms verlieh die kurdische Bildungsbehörde von Kerkûk ausgewählten Lehrkräften und Schüler:innen Leistungs- und Ehrenauszeichnungen.
https://deutsch.anf-news.com/kultur/wan-unsere-sprache-ist-unsere-rote-linie-48395 https://deutsch.anf-news.com/kultur/anatolische-kurd-innen-bewahren-ihre-sprache-47801 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/aktionen-fur-anerkennung-der-kurdischen-sprache-46435 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kck-gratuliert-zum-tag-der-kurdischen-sprache-46299
Al-Mihbash: „Eine militärische Lösung ist keine Option mehr“
Abid Hamid al-Mihbash, der stellvertretende Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats (MSD), bestätigte, dass die jüngsten Treffen zwischen den Sicherheits- und Militärkomitees der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Übergangsregierung in Damaskus „im Wesentlichen erfolgreich und fruchtbar“ gewesen seien, und betonte das Bekenntnis zu einem dezentralisierten Syrien.
Die Zukunftspartei Syriens hat am Mittwoch südlich der Stadt Raqqa eine Versammlung abgehalten, an der neben Vertreter:innen ziviler und militärischer Institutionen auch der Exekutivrat des Kantons Raqqa, Dutzende Einwohner:innen, Scheichs und Stammesführer teilgenommen haben.
„Eine militärische Lösung ist keine Option mehr“
Das Treffen begann mit einer Schweigeminute zu Ehren der Gefallenen. Anschließend gab Abid Hamid al-Mihbash einen Überblick über die Entwicklungen im politischen Prozess und die laufenden Verhandlungen zwischen der DAANES und der Übergangsregierung in Damaskus.
Al-Mihbash stellte klar, dass das Treffen mit der amerikanischen Delegation unter der Leitung des US-Sonderbeauftragten für Syrien, Thomas Barrack, positiv verlaufen sei und zur Bildung von zwei Sicherheits- und Militärkomitees geführt habe, welche Damaskus besucht und sich mit der Übergangsregierung getroffen hätten. Der Verhandlungsprozess gehe beidseitig in die richtige Richtung. Insbesondere sagte Al-Mihbash, dass eine militärische Lösung als Option nicht mehr in Betracht komme.
Faire Selbstvertretung in einem dezentralisierten Staat
„In Nord- und Ostsyrien haben wir qualifizierte Menschen, die in der Lage sind, das Land zu regieren und an der Regierungsführung mitzuwirken. Unsere Forderung gilt jedoch nicht Positionen oder Macht, sondern einer fairen Vertretung Nord- und Ostsyriens im Rahmen eines dezentralisierten Staates“, bekräftigte der MSD-Vertreter die politische Agenda der DAANES.
Er vertrat die Ansicht, dass der Sturz des Regimes von Baschar al-Assad den ersten Schritt in der syrischen Revolution darstellte, dass aber der Weg zum Aufbau eines „partizipativen demokratischen Syriens für alle seine Bestandteile“ noch lang sei. Er betonte, dass die Revolution „noch nicht vorbei ist und nicht enden wird, bis ihre Ziele vollständig erreicht sind“.
Demokratische Einheit Syriens
Das frühere Regime habe „tiefe Wunden in der Erinnerung der Syrer:innen hinterlassen und massive Zerstörungen verursacht, deren Wiederaufbau Jahre kontinuierlicher Arbeit erfordern wird“, kritisierte Mihbash. Demgegenüber müsse der Zugang zur Regierungsführung und Verwaltung heute über die Wahlurne erfolgen. Der Politiker stellte klar: „Die Legitimität geht vom Volk aus, das seine Vertreter:innen im Parlament, in der Regierung und sogar im Präsidialamt wählt.“
Er erklärte, dass die DAANES große Opfer gebracht habe und an ihrer Vision festhalte, „einen demokratischen, pluralistischen, dezentralisierten Staat und eine einzige nationale Armee, die alle Syrer:innen vertritt“, aufzubauen.
Verhalten der Nachbarstaates besorgniserregend
Al-Mihbash äußerte sich besorgt über den wachsenden Einfluss der Türkei nach dem Sturz des Regimes sowie über die Ausweitung der israelischen Besatzung auf neue Gebiete und bezeichnete dies als „Bedrohung für die Einheit Syriens und die Unabhängigkeit seiner nationalen Entscheidungen“.
Er wies darauf hin, dass „auf jede Verhandlungsrunde zwischen der Delegation Nord- und Ostsyriens und der Übergangsregierung ein Besuch von Damaskus in Ankara oder umgekehrt folgt“, was darauf hindeute, dass die Türkei in diesem Zusammenhang Druck auf Damaskus ausübt.
Verbesserung durch internationale Begleitung
In diesem Zusammenhang bestätigte Al-Mihbash, dass die DANNES sowohl die Vereinigten Staaten wie auch Frankreich gebeten habe, als Garanten in den Verhandlungen zu fungieren, was auch tatsächlich geschehen sei und zu einem verbesserten Verlauf der Gespräche beigetragen habe.
Zu den konkreten Ergebnissen der Verhandlungen gehörte laut Al-Mihbash beispielsweise die Durchführung von Grund- und Sekundarabschlussprüfungen in Nord- und Ostsyrien, was die Belastung für Schüler:innen und ihre Familien erheblich verringert hat.
Al-Mihbash bekräftigte, dass das Projekt der DAANES nicht auf eine Teilung abziele, sondern auf die Verwirklichung von Demokratie und Gerechtigkeit in ganz Syrien, und sagte: „Unser Ziel ist nicht nur Nord- und Ostsyrien, sondern eine Demokratie, die das gesamte Land umfasst, ohne jemanden auszuschließen.“
Vor diesem Hintergrund warnte er auch vor der Gefahr, die von den Ereignissen in der Stadt Suweida und den Küstengebieten ausgehe, bekräftigte die Unterstützung für die Forderungen der Bevölkerung von Suweida „innerhalb des nationalen Rahmens“ und betonte, dass „alle Syrer:innen Mitwirkende bei der Erreichung des Erfolgs sind“.
Al-Mihbash schloss seine Ausführungen mit der Betonung, dass „das syrische Volk über die Zukunft Syriens entscheidet, nicht diejenigen, die eine Region befreien oder eine andere kontrollieren“, und forderte die arabischen Stämme auf, ein Faktor der Stabilität und Einheit zu sein und sich weder an konfessionellen noch an ethnischen Konflikten zu beteiligen.
Bilder © ANHA Agency
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-delegation-schliesst-gesprache-mit-Ubergangsregierung-in-damaskus-ab-48367 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/nordostsyrische-delegation-zu-sicherheits-und-militarfragen-in-damaskus-48357 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/annaherung-zwischen-selbstverwaltung-und-Ubergangsregierung-bei-treffen-in-damaskus-48283
Wan: „Unsere Sprache ist unsere rote Linie“
In Wan (tr. Van) findet derzeit ein zweitägiger Strategieworkshop zur Zukunft der kurdischen Sprache statt, den die Plattform Demokratischer Institutionen (DEKUP) in Kooperation mit mehreren kurdischen Sprach- und Kulturorganisationen organisiert hat. Unter dem Motto „Her dem Kurdî, her der Kurdî“ („Immer Kurdisch, überall Kurdisch“) diskutieren Vertreter:innen unterschiedlichster gesellschaftlicher Bereiche konkrete Strategien und politische Leitlinien für die Stärkung der kurdischen Sprache.
Dilbihar: „Die kurdische Sprache ist unsere rote Linie“
In der Eröffnungsrede widmete Heval Dilbihar, Mitglied des Vorbereitungskomitees des Workshops, die Zusammenkunft Abdullah Öcalan und den Gefallenen der kurdischen Freiheitsbewegung. Er zitierte Öcalan mit den Worten „Sprache ist für eine Nation so wichtig wie Wasser und Brot“ und betonte, dass die Muttersprache für den sozialen Fortschritt von grundlegender Bedeutung sei.
In diesem Zusammenhang müsse der kurdischen Sprache endlich ein offizieller Status zuerkannt werden, so Dilbihar: „Wir wissen, dass es weder Frieden noch Ruhe geben wird, solange die kurdische Sprache nicht anerkannt ist und Kurdisch nicht als Muttersprache unterrichtet wird. Deshalb ist die kurdische Sprache unsere rote Linie.“
Es brauche dauerhafte Strategien und Mechanismus, um die kurdische Sprache zu etablieren und die Situation aufzulösen, dass sie zum Gegenstand von Kritik werde.
Heval Dilbihar (DEKUP)
Schwerpunkte der erste beiden Panels
Der Schwerpunkt des ersten Panels lag auf der Verbindung zwischen dem Kampf für die kurdische Sprache und dem Paradigma der Freiheitsbewegung und der demokratischen Nation, während sich die Vorträge des zweiten Panels thematisch auf die Verbindung mit den lokalen Verwaltungen und der Selbstverwaltung sowie diesbezügliche Leitlinien konzentrierte.
Colemergî: „Wenn du deine Sprache nicht wertschätzt, wirst du verschwinden“
In der ersten Sitzung sagte der Autor İhsan Colemergî: „Der Kampf um die Vorherrschaft und Unterwerfung von Völkern beginnt mit Kultur und Sprache. Wenn du nicht schreibst, wirst du verschwinden, und dein Volk wird mit dir verschwinden. Als vor 400.000 Jahren das Land der Sumerer erobert wurde, waren ihre Sprache und Kultur besonders betroffen.“
Anders als deominierende regionale Mächte, beanspruchten die Kurd:innen ihre Sprache nicht ausreichend, stellte der Autor fest. Fehlende Wertschätzung der eigenen Sprache gegenüber führe jedoch zum Verschwinden der Identität.
„Erinnern wir uns an die Worte von Ehmedê Xanî. Als er gefragt wurde, warum er Mem û Zîn auf Kurdisch geschrieben habe, antwortete er: ‚Wenn das kurdische Volk nicht in seiner eigenen Sprache schreibt, kann es sich mit seiner Sprache keinen Platz unter den Völkern der Welt sichern.‘ Aus diesem Grund müssen wir unsere Sprache verteidigen“, schloss Colemergî.
Zeydan: „Das kurdische Volk wird seine Sprache und Kultur weiterhin schützen“
Abdullah Zeydan ist der gewählte Ko-Bürgermeister der Großstadtgemeinde Wan, er wurde seines Amtes enthoben und durch einen Treuhänder ersetzt. In seinem Beitrag legte er dar, dass das krudische Volk im laufe der Geschichte bereits einen hohen Preis für den Schutz seiner Sprache gezahlt habe, betonte aber: „Solange das kurdische Volk existiert, wird es seine Sprache und Kultur weiterhin schützen. Wir haben viele Probleme, aber dieses Treffen ist sehr wertvoll. Jede Anstrengung erfordert eine Strategie und Kampfgeist.“
Der Politiker zeigte sich überzeugt, dass die während des Workshops gewonnenen Erkenntnisse, den „Weg für die Planung der Zukunft des Kurdischen ebnen“ können. Hierfür müsste Selbstkritik geübt und konsequent Änderungen vorangetrieben werden. „Lokale Verwaltungen und selbstverwaltete Strukturen müssen in dieser Hinsicht mehr Verantwortung übernehmen“, konkretisierte Zeydan.
Auch den aktuellen Prozess in der Türkei betrachtete er für den Kampf für die kurdische Sprache als integralen Bestandteil: „Insbesondere der von Herrn Abdullah Öcalan initiierte Prozess spielt in diesem Kampf eine sehr wichtige Rolle. Wir müssen eine demokratische, ethische und politische Gesellschaft aufbauen. Die Grundlage dafür liegt in der Priorisierung der Sprachforschung. Wir müssen gemeinsam voranschreiten und unsere kollektive Weisheit nutzen.“
Turhallı: „Wir schöpfen Kraft aus unserer Sprache“
Auch Cemile Turhallı, Ko-Sprecherin der Sprach-, Kultur- und Kunstkommission der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) zeigte sich im zweiten Teil und entschlossen hoffnungsvoll: „Der Staat und die Machthaber wollen, dass wir uns durch ihre Politik für unsere Sprache schämen. Warum sollten wir?
Wir schöpfen Kraft aus unserer Sprache. Sprache ist das Erbe eines Volkes. Während die Angriffe des Staates einerseits weitergehen, entsteht andererseits ein großer Widerstand dagegen. Wir werden unsere Sprache weiterhin am Leben erhalten und sie durch unsere Politik und Strategien leben.“
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/kurdische-organisationen-beraten-in-wan-uber-sprachpolitik-und-strategien-48379 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/neuer-verein-in-wan-dadsaz-will-kurdische-rechtssprache-starken-45892 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demonstration-in-istanbul-fur-bildung-auf-kurdisch-47856
Rassismus – ein altbekanntes Phänomen im türkischen Fußball
Rassismus in der Türkei beschränkt sich nicht nur auf die politische Arena, sondern ist ein wachsendes Problem, das in allen Bereichen des Lebens sichtbar ist. In der Welt des Fußballs ist er auf dem gesamten Spielfeld zu spüren.
Heute richten sich rassistische Äußerungen und Einstellungen am deutlichsten gegen kurdische Fußballmannschaften. Rassismus gegen kurdische Stadtmannschaften, insbesondere gegen Amedspor, wird von Fans, Vereinsverantwortlichen, Spielern und Kommentatoren offen zur Schau gestellt.
Rassismus seit der osmanischen Ära
Rassismus im türkischen Fußball reicht bis in die letzten Jahre des Osmanischen Reiches zurück. Es gab sogar Fußballvereine, die direkt vom „Komitee für Einheit und Fortschritt" [Ittihad ve Terraki, türkische nationalistische Organisation, die zwischen 1889 und 1926 aktiv war und 1915 den Völkermord an den Armenier:innen organisierte, Anm. d. Red.] gegründet wurden. Im Einklang mit der turanistischen Ideologie [Der Turanismus ist eine pseudohistorische Ideologie, die einen gemeinsamen Ursprung der Turkvölker, Finno-Ugrier:innen, Mongol:innen und mandschu-tungusischen Völker annimmt. Anm. d. Red.] wurde der Verein Altınordu auf Initiative von Talat Pascha, dem Hauptarchitekten des Völkermords an den ArmenierInnen, gegründet.
In Ankara wurde der Sportverein Ateş-Güneş gegründet, um die Sonnensprachen-Theorie zu fördern [Die Sonnensprachtheorie ist ein pseudowissenschaftliches sprachpsychologisches Konstrukt, dem zufolge der „Urmensch“ der „türkischen Rasse“ angehörte. Aus dessen Urlauten soll sich das Prototürkische als Ursprung aller Sprachen entwickelt haben. Anm. d. Red.]. In den 1950er Jahren wurden Minister und Abgeordnete der regierenden Demokratischen Partei zu Präsidenten verschiedener Vereine ernannt.
Blüte der Feindseligkeit
In den 1990er Jahren, als der Freiheitskampf Kurdistans an Stärke gewann, blühte die Feindseligkeit gegenüber Kurd:innen im türkischen Fußball auf. Rassistische Gruppen und mafiöse Strukturen dominierten fast die gesamte Fußballszene in der Türkei. In den 2000er Jahren wurde die weiße Strickmütze, die der Rechtsextremist und Mörder des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink, Ogün Samast, trug, zu einem Symbol für Rassisten.
Der Kapitän von Trabzonspor erschien mit einer weißen Strickmütze zum Training, und Fans einiger Vereine begannen, mit denselben Mützen zu den Spielen zu kommen. Die jüngste Bestrafung wegen eines kurdischen Schriftzugs auf dem Trikot von Amedspor und die Tatsache, dass dies sogar verteidigt wurde, zeigen deutlich, dass diese rassistische Mentalität auch heute noch fest verankert ist.
„Weg mit den Kurden“-Durchsagen
Rassistische Parolen gegen Kurd:innen im türkischen Fußball sind älter als die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Der 1968 gegründete Verein Diyarbakırspor aus Amed (tr. Diyarbakır) war schon immer antikurdischen Hassreden ausgesetzt. Während des ersten Auswärtsspiels der Mannschaft in Kırıkkale wurden über die Stadionlautsprecher Durchsagen mit dem Inhalt „Weg mit den Kurden“ gemacht. Nach dem Aufstieg in die erste Liga wurde die Mannschaft bei Spielen in Istanbul häufig mit Sprechchören wie „Diyarbakirroo“, einer abwertenden Verspottung, beleidigt.
Politische Hetze durch Sport
Nach dem faschistischen Militärputsch vom 12. September wurden Fußballmannschaften aus kurdischen Städten mit der kurdischen Freiheitsbewegung gleichgesetzt. Der einst gegen Kurd:innen gerichtete Slogan „Weg mit den Kurden“ wurde nach 1980 durch „Weg mit der PKK“ ersetzt. Die rassistischen Einstellungen der Fußballfans in der Türkei gegenüber kurdischen Mannschaften, die vom türkischen Staat beharrlich gefördert wurden, hörten nie auf. Ziel des staatlichen Handeln war es, den Rassismus zu kontrollieren und in die erste Liga zu bringen und so die kurdische Freiheitsbewegung zu schwächen.
Ende der 1990er Jahre gehörte Polizeichef Ali Gaffar Okan zu den Staatsbeamten, die sich für Diyarbakırspor interessierten. Er erklärte offen, sein Ziel sei es, „durch Fußball eine Beziehung zwischen den Kurden und dem Staat aufzubauen und die Stimmen für die die Partei der Demokratie des Volkes (HADEP) auf unter 10 Prozent zu senken“.
Sogar der Name „Amed“ wurde blockiert
Eine wichtige Entwicklung für Kurd:innen wurde der Fußsballbverein Amedspor. Er wurde am 28. Oktober 2014 gegründet, aber sein Name wurde von der Türkischen Fußballföderation (TFF) erst im August 2015 genehmigt. Ein Jahr lang weigerte sich die TFF, den Namen des Teams zu genehmigen, allein wegen des Wortes Amed.
Amedspor war bei jedem Auswärtsspiel rassistischen Angriffen ausgesetzt. Diese Angriffe kamen nicht nur von gegnerischen Fans, sondern auch von rivalisierenden Spielern auf dem Spielfeld. Gegenspieler machten nach jedem Tor beharrlich den Militärgruß. Kommentatoren der Sender, die Amedspor-Spiele übertrugen, vermieden es, „Amedspor“ zu sagen, und bezeichneten die Mannschaft stattdessen als „sie“ oder änderten ihren Namen in „Amed Sportif“. Die Trikotfarben des Teams wurden zur Zielscheibe, und es kam zu Angriffen auf Geschäfte, die Amedspor-Fanartikel verkauften.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Verbindung zwischen Amedspor und der kurdischen Bevölkerung zu einer Widerstandsfront gegen all diese Angriffe. Nach jedem Sieg sangen die Spieler und Fans von Amedspor gemeinsam das Lied „Diren Diyarbakır“ (Diyarbakır widerstehe). Schließlich wurde das Lied zur inoffiziellen Hymne des Teams.
Einige Beispiele rassistischer Übergriffe im türkischen Fußball
1999 – Mehmet Ali Yılmaz, damals Präsident von Trabzonspor, äußerte sich rassistisch gegenüber dem schwarzen Spieler Kevin Campbell.
2002 – Fenerbahçe-Fans riefen israelischen Spielern ihrer Mannschaft „Hitler, wir verstehen dich besser“ zu.
2007 – Während des Spiels zwischen Afyonspor und Bozüyükspor skandierten Fans beider Mannschaften „Wir sind alle Ogün, wir sind alle Türken“ und bezogen sich damit auf Ogün Samast, den Mörder des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink.
2007 – Der Kapitän von Trabzonspor erschien zum Training mit derselben weißen Strickmütze, die auch der Mörder von Hrant Dink getragen hatte.
2007 – Beim Spiel zwischen Konyaspor und Denizlispor trugen einige Fans von Konyaspor dieselben weißen Mützen wie der Mörder von Hrant Dink.
Januar 2007 – Während eines Spiels in Malatya zwischen Malatyaspor und Elazığspor zeigten Fans von Elazığspor ein Transparent mit der Aufschrift „Wir sind weder Armenier noch aus Malatya, wir sind aus Elazığ“ und skandierten „Armenisches Malatya“.
2008 – Fans von Trabzonspor protestierten gegen den Präsidenten des Zentralen Schiedsrichterausschusses, Oğuz Sarvan, mit dem Sprechchor „Völkermord für Oğuz, den Armenier in Trabzon“.
2008 – Trainer Samet Aybaba äußerte sich rassistisch über den ägyptischen Spieler Abdel Sattar Sabry (El Saka), und Fatih Terim benutzte rassistische Sprache gegenüber dem bosnischen Spieler Saffet Sürgün.
2009 – Vor dem Spiel zwischen Diyarbakirspor und Bursaspor begrüßten Bursaspor-Fans die Mannschaft von Diyarbakirspor mit Transparenten mit der Aufschrift „Wie glücklich ist der, der sagt, ich bin Türke“.
2010 – Beim Spiel zwischen Beşiktaş und Bursaspor riefen Bursaspor-Fans dem Beşiktaş-Anhänger Alen Markaryan „Armenische Hunde unterstützen Beşiktaş“ zu.
2010 – Trabzonspor-Fans konfrontierten Mitglieder der Partei Freiheit und Solidarität (ÖDP) bei einer Protestkundgebung für Hrant Dink auf dem Taksim-Platz in Istanbul und skandierten „Ogün Samast, olé“ und „Yasin, der Bombenleger“, womit sie diejenigen lobten, die an rassistischen Gewalttaten beteiligt waren.
2011 – Beşiktaş-Fans beleidigten den Galatasaray-Spieler Emmanuel Eboué, indem sie ihn als „Affen“ bezeichneten.
2013 – Fenerbahçe-Fans schwenkten Bananen und riefen schwarzen Spielern „Affe“ zu. Später hielten sie eine Pressekonferenz ab und sagten: „Wir haben niemanden beleidigt, wir haben auch schwarze Freunde.“
2016 – Amedspor-Fans wurden vor Gericht gestellt, weil sie ein Transparent mit der Aufschrift „Lasst die Kinder nicht sterben, lasst sie zu den Spielen kommen“ gezeigt hatten.
2016–2020 – Amedspor-Fans wurde die Teilnahme an mindestens 70 Auswärtsspielen untersagt.
2015 – Vor dem Spiel Türkei gegen Island in Konya nach dem Massaker von Ankara wurde die Schweigeminute für die Opfer von türkischen Fans ausgebuht, die pfiffen und „Wie glücklich ist der, der sagt, ich bin Türke“ skandierten.
Januar 2016 – Nach einem Tor gegen Amedspor salutierte der Başakşehir-Spieler Semih Şentürk vor den Amedspor-Fans und bezeichnete dies später als „Kriegsgeste“.
Januar 2016 – Die Polizei durchsuchte das Vereinsgebäude von Amedspor und beschlagnahmte Computer.
Februar 2016 – Deniz Naki erhielt nach folgendem Social-Media-Beitrag nach einem Spiel gegen Bursaspor eine Sperre für 12 Spiele: „Als Amedspor haben wir unseren Kopf nicht gesenkt und werden dies auch niemals tun ... Wir widmen diesen Sieg denen, die seit über 50 Tagen in unserem Land unter Unterdrückung getötet und verletzt wurden.“
2014 – Deniz Naki wurde während seiner Zeit bei Gençlerbirliği angegriffen, nachdem er mit den Worten „Bist du der kurdisch-alevitische Spieler?“ provoziert worden war. Später wurde er vom türkischen Fußballverband aus dem türkischen Fußball ausgeschlossen, nachdem er die türkische Offensive gegen Efrîn (Afrîn) kritisiert hatte. Er wurde öffentlich angegriffen und erhielt Morddrohungen.
2017 – Der türkische Twitter-Star Hakan Hepcan bezeichnete den Galatasaray-Spieler Bafétimbi Gomis als „Affen“.
Dezember 2020 – Während eines Spiels benutzte der vierte Schiedsrichter rassistische Ausdrücke gegen den Ko-Trainer von Başakşehir, Pierre Webó.
Dezember 2020 – Der Sportkommentator Emre Bol benutzte in einer Live-Fernsehsendung rassistische Ausdrücke gegen den Galatasaray-Spieler Mbaye Diagne.
2023 – Amedspor wurde während seines Auswärtsspiels gegen Bursaspor mit Transparenten mit den Aufschriften „White Toros“ und „Yeşil, Counter-Guerrilla“ (in Anspielung auf türkische Todesschwadronen des tiefen Staates) empfangen. Es wurden rassistische Sprechchöre angestimmt und Angriffe verübt. Als Bursaspor einen Elfmeter zugesprochen bekam, erklärte der Verein: „Diese Strafe gilt nicht uns, sondern allen patriotischen Fans.“
2024 – Während eines Fußballspiels zwischen der Getronagan Armenian High School und der Istanbul Technical University (ITU) skandierte die Menge „Flüchtlinge raus“.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/strafe-fur-amedspor-anwaltskammern-sehen-angriff-auf-kurdische-sprache-48144 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkische-fussballfans-wegen-yesil-masken-festgenommen-43448 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-graue-wolfe-und-fair-play-im-fussball-42635 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/defend-kurdistan-kein-torjubel-fur-kriegstreiber-42557
Mitglied des Provinzrats von Bagdad getötet
Irakischen Medienberichten zufolge ist Sefa Meşhedani, Mitglied des Provinzrats von Bagdad und Kandidat der „Souveränitätsallianz“ für die bevorstehenden Parlamentswahlen im Irak, durch einen gezielten Anschlag nördlich von Bagdad getötet worden.
Einstimmigen Medienberichten zufolge, sei Meşhedani durch die Explosion einer unter seinem Auto befestigten Bombe getötet worden. Die Tat ereignete sich in der Region Tarmiyah nördlich von Bagdad.
Meşhedani, war derzeit Mitglied des Provinzrats von Bagdad und kandidierte bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im Irak am 11. November auf der Liste der „Souveränitätsallianz“ unter der Führung von Khamis al-Khanjar.
Sein Tod hat Besorgnis über die Sicherheit von politischen Kandidat:innen im Irak ausgelöst. Mehrere politische Führungspersönlichkeiten, einschließlich des irakischen Parlamentspräsidenten, haben den Vorfall verurteilt und eine umfassende Untersuchung gefordert.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/talabani-trifft-franzosischen-botschafter-dorrell-48388 https://deutsch.anf-news.com/weltweit/bafel-talabani-trifft-irakischen-prasidenten-raschid-48346
CPT: Ein kalter Frieden?
Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat vor über sieben Monaten einen einseitigen Waffenstillstand verkündet und vor drei Monaten eine öffentliche Waffenverbrennungszeremonie durchgeführt, die die Einleitung eines Entwaffnungsprozesses symbolisierte. Während die im türkischen Parlament eigens zu Lösung der kurdischen Frage eingerichtete Kommission ihre Arbeit verfolgt, hat es im September erstmals seit dem letzten Friedensprozess 2015 keine türkischen Angriffe auf die kurdischen Guerillagebiete gegeben. Dies berichtet die NGO Community Peacemaker Teams – Iraqi Kurdistan (CPT) in einer aktuellen Mitteilung.
Waffenstillstand ohne Demobilisierung
Regelmäßig veröffentlichten die südkurdischen CPT Bilanzen der von ihnen verzeichneten militärischen Auseinandersetzungen in den kurdischen Guerillagebieten. Blieb eine Reduktion der türkischen Angriffe als Antwort auf den am 1. März verkündeten Waffenstillstand noch aus, so habe sich nach der Zeremonie Mitte Juli ein Rückgang von 97 Prozent gezeigt. Im September dieses Jahres hat die NGO eigenen Angaben zufolge keinerlei Bombardierungen oder Angriffe des türkischen Militärs in der Region beobachtet – zum ersten Mal seit über zehn Jahren.
Dennoch habe es keine Demobilisierung gegeben, die CPT gaben an, gar eine Verstärkung der Militarisierung verzeichnet zu haben.
Angriffe im Juli und August
Die CPT zählten im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 18 türkische Angriffe und Bombardierungen im Juli, 16 im August und keinen im September. Diese seien weit überwiegend Artilleriebeschüsse gewesen, auch ein Drohnen- und ein Hubschrauberangriff wurden verzeichnet. Hierbei sollen 97 Prozent der Angriffe auf die Region Amêdî erfolgt sein.
Zum Vergleich zeigten die Registrierungen der CPT vom 1. März bis zum 30. Juni 1.390 Bombardierungen und Angriffe, mit einem starken monatlichen Anstieg bis Juli.
Anhaltende Einschränkung der Zivilbevölkerung
Dennoch sei die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung aufgrund einer verstärkten militärischen Präsenz in der Region weiterhin eingeschränkt, berichtete die NGO und sprach gebietsweise von „völligen Blockaden“ und „anhaltenden Vertreibungen“. Während die Regionalregierung der Kurdistan-Region des Irak (KRI) Anwohner:innen in Amêdî die Rückkehr zu ihren landwirtschaftlichen Flächen gestattete, seien diese bei dem entsprechenden Versuch vom türkischen Militär festgenommen und des Gebietes verwiesen worden. Ähnliches ereignete sich laut CPT-Angaben in anderen Bezirken.
Auch in der Region Gare sei der vor rund 14 Monaten gewaltsam vertriebenen Bevölkerung die Rückkehr in ihre Dörfer von der KRI-Regierung gestattet worden. Bei ihrer Ankunft stellte sie die breitflächige Zerstörung von Wohngebäuden, Bildungseinrichtungen, eines Krankenhauses und mehrerer Moscheen durch türkische Luftangriffe fest, berichtete die NGO.
Auch habe die Türkei laut CPT die Abholzung und den Export von Holz aus der Zap-Region in die Türkei seit dem 15. September stark voran getrieben.
Verstärkte Mobilisierung
Die NGO gab an, dass das türkische Militär seine militärische Präsenz insgesamt ausgebaut habe, anstatt Truppen abzuziehen. So sei die Errichtung neuer Stützpunkte und Militärstraßen registriert worden. Die CPT halten dies für „eine bedeutende Entwicklung, da die Straßen nun direkt von den Militärstützpunkten zu bewohnten kurdischen Dörfern verlängert“ würden.
Außerdem gab die NGO an, in dem Zeitraum beobachtet zu haben, dass die PKK und andere Gruppen ihre Tunnelnetze in der Region weiter ausbauten.
Aufruf zum Friedensprozess
Die Community Peacemaker Teams forderten abschließend alle Seiten zur uneingeschränkten Beteiligung am Friedensprozess auf und appellierten auch an die irakische Regierung sowie die südkurdische Regionalregierung, einen Beitrag zu diesem zu leisten und die Sicherheit sowie Rechte der Zivilbevölkerung zu garantieren.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/turkische-drohne-sturzt-in-qendil-region-ab-48374 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-turkei-ist-noch-weit-von-einem-positiven-frieden-entfernt-47753 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/turkisches-militar-blockiert-dorfzufahrten-in-der-region-batifa-47339
Anwalt Demir: „Öcalans Freiheit ist die Garantie für den Prozess“
Cemal Demir, Rechtsanwalt und Ko-Vorsitzender der Partei der demokratischen Regionen (DBP) in der Provinz Wan (tr. Van), hat gegenüber ANF seine konkreten Perspektiven und legislativen Vorschläge für die in der Türkei zur Lösung der kurdischen Frage eingerichtete parlamentarische „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ erklärt. Die Bedeutung des Gründers der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, für eine Demokratisierung hält er für umfassend: „Herr Öcalan muss seine körperliche Freiheit erhalten, damit seine historische Rolle und Mission vollständig verwirklicht werden kann.“
Dauerhafte und Übergangslösungen
Die im Parlament eingerichtete Kommission sei, so Demir, noch nicht über die bekannten üblichen Ansätze hinausgegangen. Um ihr Gründungsziel zu erreichen, sollte die Kommission nach Meinung des Juristen ihren Bericht unter zwei grundlegenden Überschriften strukturieren. Demir gab folgende konkrete Empfehlungen ab:
- Gesetz für den Übergangsprozess: Es müssen Änderungen am Ausführungsgesetz und am türkischen Strafgesetzbuch vorgenommen werden, damit Personen, die sich im Gefängnis, im Exil oder in Strafhaft befinden, in das soziale und politische Leben zurückkehren können.
- Dauerhafte Lösung: Die kurdische Sprache und Kultur müssen auf Verfassungsebene anerkannt werden, der Weg für Bildung in der Muttersprache muss geebnet werden und die verfassungsmäßige Staatsbürgerschaft muss neu definiert werden.
EGMR-Urteil und das Recht auf Hoffnung
Demir wies auf die Rolle von Öcalan hin, den er als Hauptakteur in diesem Prozess benannte, und sagte: „Die Freiheit von Herrn Öcalan ist von größter Bedeutung, damit er seine historische Rolle und Mission voll und ganz erfüllen kann. Es gibt die rechtliche Grundlage, um diese Freiheit zu gewährleisten.“ Im Folgenden verwies der DBP-Politiker auf das EGMR-Urteil von 2014 zum sogenannten „Recht auf Hoffnung“, nach welchem eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Aussicht auf Bewährung gegen die Menschenrechte verstößt und fügte hinzu: „Gemäß Artikel 90 der Verfassung ist die Republik Türkei verpflichtet, dieses Urteil umzusetzen.“
„Eine kleine Gesetzesänderung reicht aus“
Bereits eine kleine Änderung des Vollstreckungsgesetzes würde laut Demir für die Umsetzung des „Rechts auf Hoffnung“ ausreichen. Außerdem vertritt er die Meinung, dass die Bestimmung, wonach eine verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe bis zum Tod verbüßt werden muss, generell abgeschafft werden sollte.
Demir unterstrich abschließend: „Das ‚Recht auf Hoffnung‘ muss umgesetzt werden, damit die objektiven und subjektiven Bedingungen für einen gesunden Fortschritt des Prozesses entstehen können.“
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Autonomie in Zeiten des Umbruchs
Das syrische Konfliktfeld hat in den vergangenen zwei Jahren deutlich gemacht, mit welchen Mitteln regionale Machtverhältnisse neu geordnet werden. Der Aufstieg von Abu Mohammad al-Dschaulani, dem Anführer von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), zu einer führenden Figur einer Übergangsregierung Anfang des Jahres und seine zunehmende internationale Sichtbarkeit markieren einen symbolischen Höhepunkt dieses Wandels. Dschaulanis Präsenz dient dabei nicht nur der Suche nach innerer Legitimität, sondern ist zugleich Teil eines von externen Akteuren unterstützten Wiederaufbauprojekts – finanziert und gefördert durch wirtschaftliche und diplomatische Anreize. In diesem Kontext ermöglichen insbesondere die umfangreichen Investitionszusagen aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten eine kurzfristige ökonomische Stärkung der zentralen Autorität.
Verhandlungen unter asymmetrischen Bedingungen
Diese Entwicklungen stellen die Dezentralisierungsansätze der kurdischen geführten Selbstverwaltung vor eine doppelte Bewährungsprobe. Zum einen gefährden der zentralistische Kurs klassischer Nationalstaaten und die Suche nach externer Legitimität die politische Existenz autonomer Verwaltungen. Ein Beispiel hierfür sind die Gespräche zwischen der Übergangsregierung Syriens und der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES), in denen es um mögliche Integrationsvereinbarungen geht – parallel zu regionalen Forderungen der Türkei. Zwar sind kurdische Vertreter:innen in diese Prozesse eingebunden, doch herrschen dabei ungleiche Machtverhältnisse: Die Verhandlungen leiden unter asymmetrischen Bedingungen, schwachen Sicherheitsgarantien und der Gefahr, dass lokale Rechte an politische Bedingungen geknüpft werden.
Zum anderen steht die kurdische Selbstverwaltung vor der Herausforderung, internationale Anerkennung unter Bedingungen zu erhalten, die stark von geopolitischen Interessen geprägt sind. Aussagen aus dem US-amerikanischen politischen Umfeld zeigen, wie eng solche Unterstützung mit strategischem Bedarf verknüpft ist. Weil diese Legitimation nicht auf völkerrechtlichen Normen, sondern auf Machtkalkül basiert, wird es für die kurdische Seite zunehmend schwieriger, ihre Autonomieansprüche auf internationaler Ebene glaubwürdig zu vertreten.
Während Abdullah Öcalans Appelle für Frieden und eine demokratische Gesellschaft einen Strategiewechsel innerhalb der PKK andeuten, klafft zwischen diesen Forderungen und der Realität auf dem Boden eine erhebliche Lücke. Der türkische Staat hält weiterhin an einem zentralistischen Sicherheitsverständnis und an der Konstruktion eines einheitlichen Nationalstaats fest. Aus dieser Perspektive werden lokale Selbstverwaltungsmodelle als Sicherheitsrisiko wahrgenommen – was dazu führt, dass kurdische Bewegungen sowohl politisch als auch militärisch zunehmend an den Rand gedrängt werden.
Zur Einordnung dieser Dynamiken sind drei strukturelle Grundtatsachen entscheidend:
Erstens wird die Machtkonsolidierung von Nationalstaaten nicht nur durch militärische und bürokratische Mittel vorangetrieben, sondern zunehmend über politische Ökonomie.
Zweitens mag externe Legitimität kurzfristig für Stabilität sorgen, doch ohne eine langfristige gesellschaftliche Verständigung bleibt diese Stabilität fragil.
Drittens besteht kein automatischer Zusammenhang zwischen einer Stärkung des Nationalstaats und demokratischem Rückschritt – allerdings erhöhen zentralistische Politiken den Druck auf Minderheitenrechte und lokale Autonomie erheblich.
In einem Satz zusammengefasst: Dezentralisierte Modelle liefern vor Ort Argumente für Legitimität und Effizienz – doch die materielle und diplomatische Unterstützung, die Nationalstaaten von internationalen Akteuren erhalten, droht diese Argumente zu entwerten.
Mehrere Szenarien erscheinen denkbar:
Erstens: Der Zentralstaat bindet die autonomen Akteure im Zuge des Wiederaufbaus mit begrenzten Rechten in seine Strukturen ein. Dieses Modell könnte kurzfristig Stabilität schaffen, bliebe jedoch in seiner Fähigkeit, gesellschaftliche Zustimmung zu erzeugen, eingeschränkt.
Zweitens: Ein zentralistisch geprägtes Staatsnarrativ schwächt lokale Institutionen zugunsten einer einheitlichen Identitätspolitik. Dies könnte Spannungen verschärfen, Fluchtbewegungen auslösen und letztlich zu einer Intensivierung von Assimilationsstrategien führen.
Drittens: Eine begrenzte Autonomie bleibt bestehen – allerdings abhängig von den Interessen externer Investoren und regionaler Akteure. Das würde auf eine hybride Ordnung hinauslaufen, die stark von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bestimmt ist.
In jedem Fall bedarf es einer genaueren empirischen Beobachtung der aktuellen Entwicklungen. Wer erhält welche Aufträge? Wer profitiert vom Wiederaufbau? Auf welche rechtlichen Grundlagen stützen sich Sicherheitskooperationen – und welche konkreten materiellen Auswirkungen haben sie auf lokale Gemeinschaften? Diese Fragen sollten systematisch untersucht werden.
Zugleich ist es wichtig, bei der Bewertung internationaler Anerkennung nicht nur offizielle Stellungnahmen zu betrachten, sondern auch diplomatische Kontakte, Investitionszusagen und propagandistische Narrative parallel zu analysieren.
Im aktuellen Umbruch gewinnt die Rolle der Kurd:innen an strategischer wie gesellschaftlicher Bedeutung – als geopolitischer Faktor ebenso wie als Träger kollektiver Erinnerung.
Die zentralistische Neustrukturierung nationalstaatlicher Ordnung und die Suche nach externer Legitimität setzen die kurdischen Selbstverwaltungen zunehmend unter Druck. Doch ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in politischen Forderungen nach Rechten oder Anerkennung. Vielmehr zeigen diese lokalen Selbstverwaltungsmodelle – gestützt auf eine theoretische wie praktische Grundlage – inmitten multipler Krisen ihre Handlungsfähigkeit und ihre Relevanz als tragfähige institutionelle Alternative.
*Sinan Cûdî ist Journalist und lebt und arbeitet in Rojava. Der hier veröffentlichte Artikel erschien im Original als Forumsbeitrag in der Zeitung „Yeni Yaşam“ auf Türkisch.
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Hezro: Wenn die Rebstöcke verbrennen
Im Kreis Hezro in der nordkurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) hat der Klimawandel den traditionellen Weinbau schwer getroffen. Wie Bewohner:innen des Dorfes Qubikê (Bağyurdu) berichten, führte ein extrem trockener Sommer und Wassermangel in diesem Jahr zu massiven Hitzeschäden bei Rebstöcken und Trauben. Statt Ernteüberschuss und Vorratsproduktion blieb vielen nur noch ein Bruchteil der gewohnten Ausbeute.
„Ein Großteil der Trauben ist direkt an den Reben verbrannt“, sagte der Landwirt Alihan Kuşlu. Er sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung: „Es gab viele Trauben, aber die Hitze hat sie zerstört. So etwas erleben wir in den letzten Jahren immer öfter.“
Herbstarbeit mit großer Mühe, aber wenig Ertrag
Wie in jedem Jahr begaben sich auch diesen Oktober zahlreiche Familien aus Qubikê in ihre Weinberge, um Trauben für die Wintermonate zu verarbeiten. Traditionell werden daraus Traubensirup, Fruchtleder und Tschurtschchela hergestellt. Die Vorbereitungen – von der Lese über das Einkochen bis zum Trocknen – dauern mehrere Tage und werden größtenteils in Handarbeit erledigt.
„Wir machen alles selbst, vom Pflücken bis zum Kochen“, sagt Mürvet Yıldeniz, eine der Frauen, die an der Verarbeitung beteiligt sind. Der gesamte Prozess sei zwar anstrengend, aber Teil einer über Generationen weitergegebenen Tradition. „Früher stellten wir auch Çekçek, eine schnittfeste Süßigkeit aus Traubensaft und Nüssen, her. Aber wegen der geringen Ausbeute geht das nicht mehr.“
Trotz der harten Arbeit sei der Ertrag in diesem Jahr deutlich geringer ausgefallen. Viele Früchte konnten wegen der Dürre nicht verwendet werden. „Wir arbeiten viel, aber es lohnt sich kaum. Wir konsumieren, was wir selbst herstellen – kaufen tun wir fast nichts“, so Yıldeniz.
Dürre verschärft Existenzsorgen
Die Folgen des Klimawandels, aber auch falscher staatlicher Umweltpolitik, treffen laut den Dorfbewohner:innen nicht nur Trauben, sondern auch andere landwirtschaftliche Produkte wie Pistazien und Gemüse. Die steigenden Temperaturen, ausbleibender Regen und damit verbundene Ernteausfälle verstärken die wirtschaftlichen Sorgen in ländlichen Gebieten zusätzlich zur allgemeinen Wirtschaftskrise.
„Früher verbrachten wir auch unsere Freizeit in den Weinbergen. Heute ist vieles nur noch Routine – aber ohne Freude. Der Geschmack, die Menge, alles ist anders“, sagt Alihan Kuşlu. Für die kommenden Jahre befürchten viele weitere Einbußen. „Wenn es so weitergeht, wird es noch schlimmer. Es braucht dringend Lösungen.“
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Konferenz in Berlin: Mut zur Wahrheit
Für den 8. November lädt das Berliner Online-Medium Gegenwind unter dem Titel „Mut zur Wahrheit“ in die Räumlichkeiten des Kreuzberger bUm. In mehreren Diskussionsveranstaltung soll der Spielraum vermessen werden, der kritischem Journalismus in einer Zeit zunehmender kriegerischer Auseinandersetzungen noch bleibt. Die Podien sind dabei besetzt mit Pressevertreter:innen, die aus eigener Erfahrung berichten können, wie hart dieser Job mittlerweile geworden ist. „Wir wollen ins öffentliche Bewusstsein rücken, wie gefährlich es mittlerweile geworden ist, die Wahrheit zu filmen, zu schreiben oder zu sagen“, sagt Andrej Vogelhut, Redakteur bei Gegenwind und einer der Organisatoren der Konferenz, im Interview mit ANF Deutsch. Dabei sei es gerade jetzt wichtiger denn je, dass kritischer Journalismus die Gesellschaft aufḱläre. „Wir gehen offenbar auf immer mehr und immer größere Kriege zu. Da ist es eigentlich die Pflicht der Presse, gegenzusteuern.“
Kurdischer Journalist Nedim Türfent als Redner angekündigt
Wo es um die Beschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit geht, muss auch über Kurdistan und die Türkei gesprochen werden. Die Türkei belegt in den internationalen Ranglisten zur Pressefreiheit regelmäßig Plätze ganz am Ende der Liste. Sie gehört zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalist:innen, darunter ausnehmend viele Kurd:innen. Einer von ihnen, der selbst wegen seiner journalistischen Tätigkeit inhaftiert war und gefoltert wurde, ist Nedim Türfent. Er wird am 8. November auf dem Podium unter dem Titel „Haft, Folter, Zensur – Erdogans Angriff auf kurdische Journalist:innen“ sprechen. Türfent, geboren im nordkurdischen Gever (tr. Yüksekova), arbeitete für die Nachrichtenagentur Dicle (DIHA). 2016 wurde DIHA per Notstandsverordnung verboten, im selben Jahr wurde Türfent unter diversen Vorwänden festgenommen und später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Palästinensische Reporter:innen berichten über Erfahrungen
Seine Geschichte ist aber kein Einzelfall. Hunderte kurdische Journalist:innen sahen sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit Todesdrohungen, Folter, Übergriffen und Haft konfrontiert. Immer wieder tötete der türkische Staat auch Medienschaffende im Rahmen seiner vermeintlichen „Anti-Terror-Operationen“.
Darin ähnelt die Situation in Kurdistan der in Palästina. Auch hier findet seit geraumer Zeit, lange vor dem 7. Oktober 2023, die Verfolgung und systematische Ermordung von Journalist:innen statt. Im Rahmen des aktuellen Angriffs auf Gaza eskalierte die israelische Besatzungsarmee die Gewalt gegen Pressevertreter:innen in einem kaum je gesehenen Ausmaß. Allein in den vergangenen zwei Jahren ermordete Israel mehr als 200 Journalist:innen. In Berlin werden am 8. Nobember gleich zwei Reporter:innen mit eingehender Erfahrung aus dem Kriegsgebiet in Palästina sprechen: Ahmad al-Bazz und Faten Elwan. Letztere wurde im Rahmen ihrer Berichterstattung selbst zwei Mal angeschossen.
Ziel der Herrschenden: Kritische Stimmen zum Schweigen bringen
„Wir wollen mit der Konferenz zeigen, wie sehr sich die Erfahrungen von Journalist:innen gleichen, wenn sie sich nicht Staat und Kapital unterordnen. Sie werden verfolgt, zensiert, oft auch getötet“, beschreibt Andrej Vogelhut den Zweck der Konferenz. „Das Ausmaß unterscheidet sich. Aber das Ziel der Herrschenden ist überall dasselbe: Die kritischen Stimmen sollen zum Schweigen gebracht werden.“ Das sei auch in Deutschland nicht anders. Ein Panel mit junge-Welt-Chefredakteur Nick Brauns und dem Red-Media-Gründer Hüseyin Doğru hat die Situation von linken Journalist:innen hierzulande zum Gegenstand. Insbesondere der Fall von Doğru zeigt, wie rabiat auch deutsche und europäische Behörden gegen alternative Medien vorgehen. Doğru, selbst Kommunist und Antiimperialist, wurde von der EU als „russischer Agent“ sanktioniert – ohne Beweise und ohne Prozess. Die Konten des Familienvaters wurden eingefroren und sein Unternehmen in den Ruin getrieben. Sich juristisch gegen die Anschuldigungen zu wehren dauert Jahre – und kostet Unsummen.
Zeichen gegen „Haus- und Hofschreiberlinge“ setzen
„Was uns auffällt“, sagt Gegenwind-Redakteur Vogelhut, „ist, dass sich auch relativ wenige Journalist:innen in Deutschland für ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Weder für die in Gaza getöteten, noch für die in Deutschland sanktionierten oder durch Polizei, Verfassungsschutz und Co. schikanierten. Es scheint die meisten Haus- und Hofschreiberlinge der großen Medien nicht zu interessieren, was mit der Pressefreiheit jenseits ihrer eigenen Gehaltsklasse passiert.“ Gegen diesen braven, harmlosen Journalismus wolle man ein Zeichen setzen. „Die wahren Journalisten sind nicht die, die bei Springer gut bezahlt vom Schreibtisch aus Meldungen abschreiben. Der Journalismus, der den Namen verdient, wird heute in Kurdistan eingesperrt und gefoltert, in Deutschland zensiert und sanktioniert und in Palästina kaltblütig ermordet.“
Die Konferenz findet am 8. November 2025 ab 9:30 Uhr im bUm Kreuzberg (Paul-Lincke-Ufer 21, 10999 Berlin) statt. Ticketvorverkauf: https://gegenwind.news/konferenz/
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Karaca: Kurdische Rechte müssen gesetzlich verankert werden
Angesichts des seit Monaten in der Türkei laufenden „Prozesses für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ hat die EMEP-Abgeordnete Sevda Karaca konkrete gesetzliche Schritte zur Lösung der kurdischen Frage gefordert. „Der Staat muss handeln – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt“, sagte Karaca mit Blick auf politische Blockaden.
Die kurdische Bevölkerung habe über Jahre hinweg legitime Forderungen erhoben, so Karaca. Diese müssten nun „nicht symbolisch, sondern gesetzlich abgesichert“ werden, sagte sie im Hinblick auf die im Parlament eingerichtete Kommission, die gesetzliche Rahmenbedingungen für eine politische Lösung der kurdischen Frage vorbereiten soll. Zu den wichtigsten Punkten zählte Karaca die Freilassung gewählter kurdischer Mandatsträger:innen, ein Ende der Zwangsverwaltung von Kommunen sowie die Anerkennung des Rechts auf Muttersprache.
„Gesellschaftlicher Prozess, keine Verhandlung der Eliten“
Karaca warnte davor, den angestoßenen Prozess auf die Interessen von Machteliten oder wirtschaftlichen Akteuren zu verengen. Der „Aufruf für Frieden und demokratische Gesellschaft“ des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan vom 27. Februar habe breite Diskussionen ausgelöst und Hoffnungen auf eine friedliche Lösung neu belebt – doch bisher sei von staatlicher Seite keine substanzielle Reaktion erfolgt.
„Wir sehen, dass sich gesellschaftlich ein neues Fenster geöffnet hat. Doch die politische Verantwortung dafür darf nicht verdrängt werden“, sagte Karaca. Ihre Partei, die Partei für Arbeit, habe sich in ihrem Programm stets für eine Lösung auf Grundlage gleicher Rechte und des Selbstbestimmungsrechts der Völker ausgesprochen.
Drei Forderungen als Ausgangspunkt
Karaca sieht drei konkrete Schritte als unverzichtbaren Ausgangspunkt für jede weitere Öffnung: die Freilassung aller inhaftierten kurdischen Abgeordneten und Bürgermeister:innen, das Ende der Praxis der Treuhänder, also der staatlichen Absetzung gewählter Lokalpolitiker:innen, und die rechtliche Anerkennung des Kurdischen als öffentliche Sprache – einschließlich muttersprachlicher Dienstleistungen. „Diese Forderungen sind nicht radikal. Sie sind realistisch und selbst unter den derzeitigen Machtverhältnissen möglich“, betonte Karaca. Es sei höchste Zeit, den „Status quo der Verweigerung“ zu durchbrechen.
Kritik an Isolation Öcalans
Die Abgeordnete äußerte zudem scharfe Kritik an der anhaltenden Isolation Öcalans auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali. „Der Staat weiß, dass Öcalan eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielt – dennoch wird jede Form von Kommunikation blockiert.“ Die Isolation verhindere einen offenen Dialog und schade der Glaubwürdigkeit des Prozesses.
Gemeinsamer Kampf für Frieden
Karaca forderte zum Schluss den Aufbau einer breiten, demokratischen Friedensbewegung. „Die Forderungen der Kurdinnen und Kurden – nach Frieden, Gleichheit und Sprache – sind auch die Forderungen der Werktätigen im ganzen Land.“ Die EMEP werde weiter daran arbeiten, eine gemeinsame gesellschaftliche Basis für eine demokratische Lösung zu schaffen, betonte sie.
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Koçak: Unser Sternmarsch ist ein Plädoyer für Demokratie und Frieden
Die Konföderation der Gewerkschaften der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (KESK) hat einen Sternmarsch gestartet, um die Wiedereinstellung von per Notstandsdekret entlassenen Staatsbediensteten und die Wiederherstellung demokratischer Rechte in der Türkei zu fordern. Die Aktion begann am Montag in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır), weitere Züge traten in Riha (Urfa), Dîlok (Antep), Semsûr (Adıyaman), Adana und Mersin an. Das gemeinsame Ziel ist die türkische Hauptstadt Ankara. Dort soll am Freitag ein Protest vor dem Parlament stattfinden.
KESK: Demokratie seit 2016 massiv eingeschränkt
Die Ko-Vorsitzende von KESK, Ayfer Koçak, hat mit ANF über die Hintergründe der Aktion gesprochen. Sie kritisiert insbesondere die Folgen der seit dem Putschversuch 2016 verhängten Notstandsdekrete. „Bereits vor diesen Dekreten gab es Probleme mit der Demokratie in der Türkei, doch seit 2016 sind rechtsstaatliche Verfahren de facto außer Kraft gesetzt“, sagte sie. Die daraus resultierenden Maßnahmen hätten insbesondere in kurdischen Provinzen durch die Zwangsverwaltung von oppositionell regierten Kommunen und die Inhaftierung gewählter Politiker:innen eine neue Dimension erreicht.
Ayfer Koçak (Mitte) beim Auftakt des Sternmarschs in Amed
Laut Koçak beschränkten sich die Dekrete nicht allein auf Entlassungen. Vielmehr sei im Zuge des vermeintlichen Putschversuchs, für den die AKP-Regierung die Gülen-bewegung verantwortlich macht, ein „System der systematischen Ausgrenzung“ entstanden – unter anderem durch Sicherheitsüberprüfungen und willkürliche Auswahlverfahren bei Neueinstellungen im öffentlichen Dienst. Dies treffe insbesondere regierungskritische junge Menschen.
Wirtschaftliche Belastung und soziale Spaltung
Die Gewerkschaftschefin verwies zudem auf zunehmende soziale Ungleichheit: Viele der entlassenen Mitglieder lebten heute unterhalb der Armutsgrenze. „Unsere pensionierten Kolleginnen und Kollegen sind zum Teil auf die Hälfte des Existenzminimums angewiesen“, so Koçak. Auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sei Ausdruck eines autoritären Systems. Während in der Türkei der Anteil der Millionäre deutlich steige, verarme ein Großteil der Bevölkerung.
Friedensforderung als zentrales Element
Ein weiterer Aspekt des Protests sei die Forderung nach einer politischen Lösung der kurdischen Frage und die Rückkehr zu einem friedlichen Dialogprozess. Koçak erinnerte an den gescheiterten Friedensprozess vor rund zehn Jahren und erklärte: „Der Krieg trifft immer die arbeitende Bevölkerung zuerst – es sind die Kinder der Armen, die im Konflikt sterben.“
Der Gewerkschaftsbund betrachte die aktuelle Protestaktion deshalb auch als „Plädoyer für Demokratie und Frieden“. Nur durch die Beteiligung der Bevölkerung, die Anerkennung von Freiheitsrechten und den Wiederaufbau demokratischer Institutionen könne ein nachhaltiger Frieden gelingen, betonte Koçak.
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Talabanî trifft französischen Botschafter Dorrell
Der Vorsitzende der Patriotischen Union Kurdistans (YNK), Bafel Talabanî, hat am Sitz der politischen Akademie seiner Partei in Hewlêr (Erbil) den französischen Botschafter im Irak, Patrick Dorrell, empfangen. Im Mittelpunkt des am Dienstag geführten Gesprächs standen die Regierungsbildung in der Kurdistan-Region des Irak (KRI), die anstehenden Wahlen im Irak sowie bilaterale Beziehungen.
Wie das Präsidialbüro der YNK mitteilte, betonten beide Seiten die Bedeutung der langfristigen und stabilen Beziehungen zwischen Frankreich und der Bevölkerung Kurdistans. Frankreich gilt als einer der wichtigsten europäischen Partner der Autonomieregion.
Foto: YNK-Pressebüro
Talabanî fordert gerechte und dienstleistungsorientierte Regierung
Im Gespräch habe Talabanî betont, es müsse eine leistungsfähige, gerechte und bürgernahe Regionalregierung gebildet werden. Die YNK strebe keine Eskalation, sondern Stabilität und Zusammenarbeit an, so der Parteivorsitzende. Dieses Ziel wolle man „mit aller Kraft“ verfolgen. Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen im Irak unterstrichen beide Gesprächspartner die Notwendigkeit freier, transparenter und pünktlich durchgeführter Wahlen.
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