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Migrationsverein: Angriff auf uns ist Angriff auf Zivilgesellschaft

3. September 2024 - 10:00

Auf Beschluss von Innenminister Ali Yerlikaya und Finanzminister Mehmet Şimşek wurden in der Türkei die Vermögenswerte von 39 Einzelpersonen und 19 Organisationen eingefroren. Darunter ist der Verein Göçiz-Der, der sich mit der Situation von Migrant:innen und Binnenflüchtlingen auseinandersetzt. Der Beschluss trat mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Göçiz-Der lud am Montag zu einer Pressekonferenz zu dem Gerichtsbeschluss ins Vereinsgebäude in Istanbul ein. An der Veranstaltung nahmen Mitglieder der Partei der Demokratischen Regionen (DBP), des Anatolischen Vereins für Hilfe und Solidarität mit Familien, die ihre Angehörigen verloren haben (ANYAKAY-DER), der Kurdischen Forschungsgesellschaft, des Solidaritätsnetzwerks für Migrant:innen und Flüchtlinge und des Solidaritätsnetzwerks für Menschenrechtsaktivist:innen teil.

Das ist ein Versuch, Repression auszuüben“

Mine Buse vom Migrant:innen- und Flüchtlingssolidaritätsnetzwerk erklärte, dass das Regime mit der Entscheidung, das Vermögen von Göçiz-Der einzufrieren, versuche, immer größeren Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen aufzubauen und sie zu bedrohen. Sie erklärte: „Aber wir wissen, dass diese Repression keinen Erfolg haben wird. Heute, in dieser Ordnung, in der Krieg und Ausbeutung weitergehen, wird Göçiz-Der seine Arbeit fortsetzen. Als Netzwerk der Migranten- und Flüchtlingssolidarität möchten wir betonen, dass Göçiz-Der seine Arbeit nicht allein fortsetzen wird. Angesichts dieser Entscheidung rufen wir alle, die sich für Arbeit und Demokratie einsetzen, dazu auf, sich mit Göçiz-Der gegen diesen Beschluss zu solidarisieren.“

Diese Repression wird keinen Erfolg haben“

Kamile Kandal, Ko-Vorsitzende von Göçiz-Der, betonte, dass die Repressalien kein Novum seien und wies darauf hin, dass Mitglieder des Vereins in der Vergangenheit bereits aus ähnlichen Gründen vor Gericht gestellt worden waren. Sie hob hervor, dass diese aber immer vollständig freigesprochen worden seien und unterstrich, dass das Einfrieren von Vermögenswerten gegen ihre Vereinigung einen Angriff auf die Persönlichkeit und die verfassungsmäßigen Rechte der Vereinigung und ihrer Mitglieder darstelle.

Begründung der Minister rechtswidrig

In der Begründung ihrer Entscheidung wiesen die Minister auf ein Verfahren vor dem 4. Strafgerichtshof von Ankara hin, in dem der Verein mit „der Terrororganisation“ in Verbindung gebracht wurde. Kandal erklärte, dass das Gericht allerdings offensichtlich anders entschieden habe und warf den Ministern vor, in die Judikative einzugreifen: „Dasselbe Gericht hat in demselben Verfahren die Vereinigung von der Mitgliedschaft in dieser Organisation freigesprochen, mit dem jetzt versucht wird, eine Verbindung zum Terrorismus herzustellen. Der vom Finanzministerium veröffentlichte Beschluss, in der erneut ein Zusammenhang mit dem Terrorismus behauptet wird, lässt uns zu der Überzeugung kommen, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit bewusst außer Kraft gesetzt wurde und politische Motive im Spiel waren. Was wir dazu sagen können, ist, dass juristische Entscheidungen getroffen werden sollten und nicht politische Entscheidungen.“

Durch dieses Vorgehen werde versucht, den Verein zu isolieren: „Man will das Band zwischen den Menschen und den zivilgesellschaftlichen Organisationen durchtrennen. Dass die Regierung eine solche Entscheidung trifft, obwohl ein Urteil vorliegt, ist eine Missachtung des Rechts und der Justiz. Wir möchten jedoch betonen, dass diese Repression zu keinem Ergebnis führen wird.“

Unsere Solidarität mit Schutzsuchenden geht weiter“

Kamile Kandal schloss mit der Ankündigung, dass der Verein seine Arbeit trotz aller Repression und aller Blockadeversuche fortsetzen werde und sagte „In einer Region, in einer Welt, in der Krieg und Ausbeutung weitergehen, in der Millionen von Menschen gewaltsam vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht werden, werden wir als Verein unsere Arbeit, unsere Forschung, unsere Verteidigung der Rechte von Migrant:innen und Flüchtlingen und unsere Solidarität, trotz aller Versuche, uns zu diffamieren und durch in Hinterzimmern getroffene Entscheidungen zu kriminalisieren, fortsetzen.“

Seit 2016 Kampf für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant:innen

Göçiz-Der wurde 2016 in Istanbul gegründet, um eine wirksame gesellschaftliche Solidarität mit Migrant:innen und Menschen auf der Flucht aufzubauen. In diesem Rahmen spielte insbesondere die Situation der in den Jahren 2015/16 durch die Zerstörung von nordkurdischen Städten etwa 500.000 Binnenvertriebenen eine wichtige Rolle. Der Verein versucht mit seinen Berichten und seinen Untersuchungen die Situation der Binnenflüchtlinge in den Fokus zu rücken und sie dabei zu unterstützen, gegen Rechtsverletzungen vorzugehen. Da er damit immer wieder schwerste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen des türkischen Staates thematisiert, gerät der Verein immer wieder ins Visier der Repression.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/vermogen-von-gociz-der-eingefroren-43436 https://anfdeutsch.com/aktuelles/amed-ngo-informiert-uber-fluchtbewegung-nach-europa-40021 https://anfdeutsch.com/aktuelles/wenn-du-nur-den-geringsten-einwand-erhebst-konnen-sie-dich-toten-36111 https://anfdeutsch.com/aktuelles/massenverhaftungen-16-mitglieder-von-migrationsverein-verhaftet-32594

 

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„Rheinmetall Entwaffnen“: Camp gegen Krieg startet im Werftpark

3. September 2024 - 10:00

Nach dem Aufbau am Wochenende beginnt am Dienstag offiziell das antimilitaristische Camp des Bündnisses „Rheinmetall Entwaffnen“ im Kieler Werftpark unter dem Motto: „Krieg beginnt hier! Rüstungsindustrie versenken“. Neben den ersten Anreisen von den geschätzt 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Camps begrüßt das Nachbarschaftscafé um 15.00 die Anwohner:innen. „Im Nachbarschaftscafé bieten wir den Menschen aus der Umgebung, aber auch aus ganz Kiel die Möglichkeit, uns und unsere Inhalte in lockerer Atmosphäre kennenzulernen. Wir freuen uns über alle, die sich das Camp und unser Programm in den nächsten Tagen anschauen wollen“, sagte Fiona Brinkmann, Sprecherin von „Rheinmetall Entwaffnen“.

Mobilisierungsclip von „Rheinmetall Entwaffnen“

Innerhalb der nächsten Woche will das Bündnis im Werftpark ein solidarisches, von gesellschaftlichen Zwängen befreites Miteinander ermöglichen, bei dem alle sich einbringen, vernetzen und bilden können.

„Für die Versorgung aller ist durch eine gemeinsame Küche, die drei köstliche Mahlzeiten am Tag unter dem Einsatz Freiwilliger aus dem Camp zubereitet, gesorgt.“, erklärte Brinkmann. Das Camp soll möglichst barrierearm und zugänglich für alle Interessierten sein, solidarische Unterstützung wird allen gewährt.

Der Aufbau und die Strukturen auf dem Camp wurden auch schon von dem Ordnungsamt abgenommen. Einem erfolgreichen Start steht also nichts im Weg, betonen die Veranstalter:innen. Thematisch wollen sie in den nächsten Tagen verschiedene Schwerpunkte legen. Einer wird der anhaltende Bombenkrieg der türkischen Armee gegen Kurdistan sein. „Das auch in Kiel ansässige Unternehmen Hensoldt hat Sensorik für türkische Drohnen entwickelt, die noch immer auf grausame Art und Weise gegen Zivilist:innen in Nordsyrien und Rojava eingesetzt werden“, unterstrich Jonah Fischer, Sprecher von „Rheinmetall Entwaffnen“. Eine detaillierte Bildungsveranstaltung zu Hensoldt und ihren Verwicklungen in Kriegsverbrechen durch die türkische Armee wird es am Donnerstagvormittag im Camp geben.



Abgesehen davon wartet an allen Tagen ein reichhaltiges, informatives und kulturelles Programm auf die Besucher:innen des Camps, versprechen die Veranstalter:innen. Außerhalb des Camps stehen bereits zwei Termine fest. So sollen am 6. September „gemeinsame Aktionen“ ab dem frühen Morgen stattfinden und für Samstag, 7. September, ruft das Bündnis zu einer überregionalen Demonstration in Kiel vom Bootshafen (Wall) nach Gaarden auf.

 

https://anfdeutsch.com/aktuelles/kiel-aktionscamp-gegen-krieg-im-werftpark-43098 https://anfdeutsch.com/aktuelles/tv-tipp-rheinmetall-entwaffnen-sprecher-bei-Cira-report-43420

 

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AZADÎ kritisiert Urteil gegen Kenan Ayaz

3. September 2024 - 8:00

Der Rechtshilfefonds AZADÎ hat das Urteil gegen Kenan Ayaz scharf kritisiert. Die Entscheidung sei „ein weiteres Glied in der beschämenden Kette an Verurteilungen von Kurd:innen, die sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der kurdischen Gesellschaft engagieren“, erklärte der Verein am Abend schriftlich. AZADÎ fügte hinzu: „Die Bundesregierung steht in der Frage von Frieden oder Krieg in Kurdistan weiterhin auf Seiten der Kriegsbefürworter. Sie versteckt sich und ihre politische Haltung hinter der Justiz, anstatt Verantwortung für einen Frieden im Mittleren Osten zu übernehmen und zu helfen, den Weg für eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts zu ebnen.“

Keine individuellen Straftaten

Der kurdische Aktivist und Politiker Kenan Ayaz ist am Montag wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Das Gericht hält es für erwiesen, dass der 50-Jährige zwischen 2018 und 2020 „Gebietsverantwortlicher“ der PKK gewesen sei, unter anderem in Hamburg und Köln. Konkret wurde ihm vorgeworfen, Versammlungen und Veranstaltungen mitorganisiert zu haben und an Spendensammlungen beteiligt gewesen zu sein. Individuelle Straftaten wurden Ayaz nicht vorgeworfen – wie so häufig in Verfahren wegen PKK-Mitgliedschaft. Trotzdem verurteilte ihn das Gericht wegen „mitgliedschaftlicher Betätigung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ nach §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch. Die Bundesanwaltschaft hatte viereinhalb Jahre Haft gefordert, Ayaz‘ Verteidigung dagegen Freispruch.

Von Zypern an Deutschland ausgeliefert

Kenan Ayaz lebte seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling im griechischen Teil Zyperns. Wegen seiner politischen Aktivitäten war er bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis. Mitte März 2023 war er am Flughafen von Larnaka festgenommen worden, da deutsche Behörden einen europäischen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatten. Trotz vielfältiger, auch internationaler Proteste, intensiver Bemühungen seines Rechtsbeistands sowie eines Hungerstreiks, stimmte das zuständige Gericht einer Überstellung an Deutschland zu, sodass er schließlich Anfang Juni 2023 an die BRD überstellt und in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg (Holstenglacis) inhaftiert wurde. Das Gerichtsverfahren begann Anfang November 2023 und war von einer äußerst konfrontativen Verhandlungsleitung der Vorsitzenden Richterin geprägt, die mehrmals den Anklagten, seine Verteidiger:innen Antonia von der Behrens und Stephan Kuhn sowie das Publikum verbal anging und damit mangelnde Souveränität unter Beweis stellte.

Verteidiger weist auf Widersprüche der deutschen Repressionspraxis hin

„Leider reiht sich das Urteil nahtlos in die verschärfte Verfolgungspraxis des deutschen Staates gegen die kurdische Freiheitsbewegung ein. Immer deutlicher werden dabei vermeintliche geopolitische Interessen über Grund- und Menschenrechte gestellt, immer maßloser Menschen für ihr gewaltfreies politisches Engagement bestraft,“ resümierte Stephan Kuhn nach Prozessende. Er hob des Weiteren die Diskrepanz zwischen der Anerkennung der Kriegsrealität in Kurdistan sowie dem Festhalten an der Kriminalisierung des politischen Engagements von Kurd:innen in der BRD hervor: „Das Gericht hat hier zwar von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es trotz unklarer Beweislage und unter Zugrundelegung zweifelhafter geheimdienstlicher Behauptungen verurteilen wird. Dennoch hat die Urteilsbegründung noch einmal eindrücklich den inneren Widerspruch der deutschen Repressionspraxis gezeigt, einerseits nicht umhin zu können jahrzehntelange menschenrechtswidrige Unterdrückung der Kurden durch den türkischen Staat festzustellen und Verständnis für die hierdurch motivierte, für sich genommen legale politische Betätigung des Angeklagten zu äußern, anderseits eine derart hohe Strafe zu verhängen.“

https://anfdeutsch.com/aktuelles/kenan-ayaz-in-hamburg-zu-uber-vier-jahren-haft-verurteilt-43463 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kenan-ayaz-warum-will-europa-die-kurdische-frage-nicht-losen-43305 https://anfdeutsch.com/aktuelles/wie-schwer-wiegen-meinungs-und-versammlungsfreiheit-42416 https://anfdeutsch.com/aktuelles/olg-hamburg-kein-rederecht-fur-kurden-41357 https://anfdeutsch.com/aktuelles/deckname-kenan-pkk-prozess-in-hamburg-eroffnet-39672

 

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Kenan Ayaz in Hamburg zu über vier Jahren Haft verurteilt

2. September 2024 - 20:00

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat heute den kurdischen Politiker und Aktivisten Kenan Ayaz wegen des Vorwurfs der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ gemäß § 129b StGB zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Dem 50-Jährigen wurde vorgeworfen, sich als „Gebietsverantwortlicher“ der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt zu haben. Dabei soll er lediglich an der Organisation von „Propagandaveranstaltungen und Versammlungen“ wie Demonstrationen und Festivals beteiligt und in Spendensammlungen eingebunden gewesen sein. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

Kenan Ayaz saß aufgrund seines Engagements gegen die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung bereits zwölf Jahre in der Türkei im Gefängnis. Seit 2013 lebte er als anerkannter Flüchtling auf Zypern. Im März vergangenen Jahres wurde er aufgrund eines von der deutschen Justiz erwirkten europäischen Haftbefehls in Zypern festgenommen und nach Deutschland überstellt. Seit Juni befindet er sich im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis. Das Verfahren gegen Ayaz hatte im November vergangenen Jahres begonnen. Die Bundesanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren gefordert, die Verteidigung forderte hingegen einen Freispruch.

„Gegen die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung! Freiheit für Kenan Ayaz!“ war auf einem Transparent vor dem OLG zu lesen © ANF

Letztes Wort von Kenan Ayaz

Begonnen hatte der Gerichtstag mit einer Kundgebung vor dem OLG von Unterstützer:innen des Bündnisses #FreeKenan. Die Teilnehmenden forderten den Freispruch von Kenan Ayaz und eine Beendigung der Verfolgung von Kurdinnen und Kurden.

Im Gerichtssaal begann Kenan Ayaz den letzten Abschnitt seiner Erklärung zu verlesen.  Am 3. August 2014, als der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) Şengal angegriffen habe, seien sowohl die irakische Armee als auch die Peşmerga geflohen. „Es war die kurdische Freiheitsguerilla, die Şengal erreichte und einen größeren Völkermord verhinderte“, erklärte Ayaz.

„Die Auftraggeber des IS, allen voran Erdoğan, wollen verhindern, dass die Kurd:innen ein wesentlicher und mächtiger Akteur in dem neuen System werden, das an die Stelle der zusammengebrochenen despotischen Regime im Irak und in Syrien treten soll. Sie wollen nicht, dass das kurdische Volk einen Status mit eigener Identität, Sprache, Kultur und Freiheit in dem neu gestalteten Nahen Osten erhält. Sie wollen keine freie kurdische Verwaltung in Rojava, genauso wenig wie sie eine freie Verwaltung in Südkurdistan wollen“, so Ayaz.

Erdoğan habe mit den Angriffen auf Şengal und Kobanê den Kurd:innen faktisch den Krieg erklärt. Nach der Einnahme von Mossul und dem Genozid in Şengal habe Erdoğan den IS dazu gebracht, seinen Angriff statt auf Damaskus auf Kobanê zu konzentrieren. „In Kobanê haben Frauen den Widerstand angeführt. Die Welt hatte Angst vor dem IS und der IS hatte Angst vor den Frauen. Der IS, eine der gefürchtetsten Organisationen der Welt, wurde durch den Kampf der Frauen besiegt.“

Erdoğan plant die Vernichtung der Kurd:innen

Die gleichzeitig stattfindenden Verhandlungen zwischen Öcalan und dem türkischen Staat, der sogenannte „Dolmabahçe-Konsens“, einem Abkommen mit einem Zehn-Punkte-Plan für eine Lösung der kurdischen Frage, sei von Erdoğan am 22. März 2015 einseitig aufgekündigt worden. „Viele Menschen in der Türkei und Kurdistan hatten große Hoffnungen in diesen Vertrag gesetzt und gehofft, dass der Krieg beendet würde. Und so begann die Apokalypse, in der wir jetzt leben“, fuhr Ayaz fort. „Erdoğan trat an die Stelle des besiegten IS gegen die Kurd:innen. Er bombardierte Wahlkampfveranstaltungen in Kurdistan und der Türkei und ließ den IS blutige Anschläge auf Friedensdemonstrationen verüben. Und Erdoğan begann, den Genozidplan, den Vernichtungsplan, den er am 30. Oktober 2014 beschlossen hatte, umzusetzen“, beschrieb Ayaz den nun folgenden umfassenden Krieg gegen die Kurd:innen.

Solingen ist eine Folge der Unterstützung des IS durch das AKP-Regime

An dieser Stelle unterbrach Kenan Ayaz seine vorbereitete Rede und kommentierte die Ereignisse von Solingen. Er sprach den Opfern von Solingen sein Beileid aus und wünschte den Verletzten baldige Genesung. Er wies auf die Drohungen hin, die Erdoğan gegen Europa ausgesprochen hatte und die darauffolgenden Anschläge in Paris und Brüssel durch den IS. Dieser habe nicht nur Waffen an den IS geliefert, sondern auch mit der Besatzung von Teilen Nordsyriens dem IS eine neue Basis geschaffen, der wiederum eine Bedrohung für die ganze Welt sei.

Die Terrorismuslüge

Im Folgenden ging Ayaz auf die engen Beziehungen zwischen Erdoğan und dem deutschen Staat ein. Grundlage der historischen Beziehungen sei die geostrategische Lage der Türkei. Diese habe die Türkei immer vermarktet. Deutschland habe die NATO dazu gebracht, sich aktiv an die Seite der Türkei in Bezug auf den Völkermord an den Kurd:innen stellen.

Die Isolierung der Kurd:innen begann laut Ayaz damit, dass man versuchte die Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme am 28. Februar 1986 der PKK anzulasten.  Erst 34 Jahre später sei die PKK von diesem Vorwurf freigesprochen worden. Eine Wiedergutmachung für die Kurd:innen, die seit 34 Jahren Verfolgung, Unterdrückung und Diskriminierung ausgesetzt waren, sei jedoch nicht geleistet worden.  Die „Terrorismus”-Lüge, mit der die PKK aufgrund dieses Mordes etikettiert worden war, sei nicht beseitigt worden.

Türkei darf Massaker verüben, aber Kurd:innen dürfen nicht protestieren

Ayaz kommentierte das 1993 in Deutschland erfolgte sogenannte PKK-Verbot. In dieser Phase habe sich erstmals in Kurdistan ein ernst zu nehmender und übergreifender Widerstand entwickelt, „Zum ersten Mal in der Geschichte Kurdistans haben die Forderungen eines Volkes, das seine Grundrechte auf Freiheit und Anerkennung seiner Identität verteidigt, ein so breites Interesse und die Unterstützung der gesamten Gesellschaft gefunden. 1993 sei aber auch das Jahr gewesen, in dem der türkische Faschismus mit Unterstützung der NATO und Israels den Höhepunkt des Genozids erreichte, der bis 1996 andauerte Massaker und die Vernichtung von 4000 Dörfern, die Vertreibung von Millionen Menschen hätten die Menschen auf die Straße getrieben.

„Am 4. November protestierten die Kurd:innen an vielen Orten. Dies ist einer der Proteste, die Deutschland als Begründung für das PKK-Verbot anführt. Mit anderen Worten: Die türkische Republik darf Massaker verüben, aber die Kurd:innen dürfen nicht protestieren!

Das kurdische Potential in Europa, das die Welt über die Ereignisse in Kurdistan informierte, wurde von Deutschland unterdrückt. Demokratische und friedliche Protestaktionen in Deutschland gegen diesen schweren Angriff und die Brutalität des türkischen Staates gegenüber den Kurd:innen sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit wurden verhindert. Wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der in Europa lebenden Kurd:innen in Deutschland lebt, wird deutlich, dass dieser Angriff darauf abzielt, die Kurd:innen in ganz Europa zu neutralisieren“, führte Ayaz aus.

Die „Terrorliste“ Deutschlands und der EU sei die indirekte Legitimierung und Billigung der Barbarei, der Massaker und der völkermörderischen Politik des türkischen Staates, so Ayaz. Der türkische Staat rechtfertige sein barbarisches Vorgehen mit diesem Verbot und dieser Liste.

Deckmantel für den Genozid

Ayaz erinnerte an den Einmarsch der Türkei in Efrîn (Afrin) in Nordsyrien, an die gemeinsame Besatzung der Region durch die Türkei und die Salafisten, an die Zerstörung von Fabriken, Krankenhäusern, Schulen, Staudämmen, Wasser-, Strom- und Tankstellen, Raffinerien, Gebäuden und Infrastruktur. Der „Kampf gegen den Terrorismus“ sei eine große Täuschung, sagte Ayaz.. Er sei ein Deckmantel für Völkermord. Das Erdoğan-Regime sei heute das Monster des Nahen Ostens. Anstatt diese völkermörderische Mentalität zu bekämpfen, verbiete und verhafte Deutschland das unschuldige kurdische Volk, das sich im Würgegriff des Genozids befinde. Damit unterstütze Deutschland zumindest indirekt Faschismus, Kolonialismus und Völkermord.

Indirekt fördere Deutschland damit auch die Entstehung rechtsfaschistischer Parteien. „Man mag das übertrieben finden, aber wenn Deutschland sich auf die Lösung der kurdischen Frage konzentriert hätte und nicht auf das Verbot, wäre sie leicht zu lösen gewesen. Erdoğan hätte nicht nach Lust und Laune das Tor für Flüchtlinge öffnen und schließen können. Erdoğan hätte nicht über Flüchtlinge verhandeln können. Faschistische Parteien hätten das Flüchtlingsthema nicht ausnutzen können“, so Ayaz.

Sie legitimieren den Genozid

Ayaz erklärte, dass Menschenrechte offensichtlich nicht für Kurd:innen gelten würden. „Denn dann wäre ich heute nicht vor Gericht stehen und unser Volk wäre nicht dem Völkermord ausgesetzt […] Eine Gemeinschaft von mehr als vierzig Millionen Menschen wird im nationalen und internationalen Recht ignoriert.

„Statt die Verantwortlichen für den Völkermord strafrechtlich zu verfolgen - und das gilt insbesondere für Deutschland - legitimieren sie indirekt die genozidalen Handlungen durch die Verfolgung derer, die Widerstand gegen den Völkermord leisten. Unter dem Deckmantel des Terrorismus wird der Völkermord im Grunde vertuscht“, so Ayaz.

Der Kern der Anklage gegen die kurdische Bewegung sei, „dass die Türkei Völkermord begehen darf, dass man nicht einmal dagegen protestieren darf, dass man nicht einmal eine legale demokratische Demonstration organisieren darf. Sie kriminalisiert das demokratische Demonstrationsrecht, das ein Verfassungsrecht ist, als terroristische Aktivität, wenn es um Kurd:innen geht, und bezichtigt legitimen defensiven Widerstand des Terrorismus.

Die Bundesanwaltschaft definiert die PKK als terroristische Vereinigung, die sich zusammengeschlossen habe, um Verbrechen und Morde zu begehen. Sie wissen, dass das nicht stimmt. […] Wenn einem Volk angesichts von Massakern und völkermörderischen Angriffen, angesichts von Ungerechtigkeiten gegen seine Sprache und Kultur alle rechtlichen und politischen Lösungen versperrt sind, kann es notfalls zum kurz- oder langfristigen Widerstand greifen. Dies ist weder Rebellion noch Terrorismus, sondern ein legitimes und rechtmäßiges Recht. Es nicht zu tun, wäre ein Verstoß gegen Recht und Gesetz“.

Ayaz erklärte Selbstverteidigung sei ein verfassungsmäßiges Recht als auch eine Pflicht gegenüber dem Volk. „Seit Jahrzehnten lehne ich mich mit meiner Feder und mit meinen Worten auf. Das ist ein verfassungsmäßiges Recht. Aber in meinem Fall wird die Verfassung übergangen, um Erdoğan zufrieden zu stellen. Das ist auch ein Verstoß gegen das europäische Recht“ so Ayaz.

Er erinnerte an den Aufruf von 69 Nobelpreisträger:innen die einen Appell für die Freilassung Abdullah Öcalans und für eine friedliche Lösung des Konflikts mit den Kurd:innen an das Ministerkomitee des Europarates, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen gerichtet hatten und zitierte Elfriede Jelinek, die gesagt hatte:

„Es ist unerträglich für mich, im Zusammenhang mit Kurdistan und den Kurd:innen immer nur die Totschlagworte Terrorismus, Aufstand, Milizen bekämpfen, PKK-Stellungen vernichten, Operation zur Verdrängung etc. zu hören. Als wäre dieses kurdische Volk, das nur nach Autonomie und Freiheit strebt, der Superterrorist Europas, ja, der Welt. […] Abdullah Öcalan, der vom Großteil der kurdischen Bevölkerung als legitimer politischer Repräsentant gesehen wird, muss endlich, nach bald einem Vierteljahrhundert totaler Isolation, in dem er sich nicht einmal äußern durfte, freigelassen werden. Er wird am Lösungsplan für Kurdistan entscheidend mitarbeiten können. Er ist die große Befreiungsfigur für die Kurden. Seine Freilassung wird die Grundbedingung für eine friedliche Zukunft werden, letztlich auch für die Türkei.“

Mit den Worten: „Die Bundesrepublik Deutschland könnte sowohl bei der Durchsetzung des universellen Rechts als auch bei der Entwicklung der Türkei zu einem säkularen Rechtsstaat eine wesentliche Rolle spielen, indem sie den Appell dieser nobelpreisgekrönten Intellektuellen, Schriftsteller:innen und Wissenschaftler:innen als Gewissen der Menschheit aufgreift und ihre engen Beziehungen zur Türkei für einen politischen Dialog über die kurdische Frage nutzt. Die Bundesrepublik Deutschland kann einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Lösung der kurdischen Frage leisten, indem sie Verantwortung übernimmt und die Initiative ergreift. Damit kann sie einen Beitrag zur Bewältigung des historischen Problems der Türkei leisten. Deutschland hat die Macht dazu, wenn es will“, schloss Ayaz sein letzes Wort.

Er dankte seinen Verteidiger:innen und den Unterstützer:innen. Er habe viel Post von Deutschen bekommen, diese seien das Gewissen des deutschen Volkes.

Verteidiger Kuhn: Verschärfte Verfolgungspraxis gegen kurdische Bewegung

Das zahlreich erschienene Publikum stand auf und klatschte. Nach einer Pause von zweieinhalb Stunden verlas die Richterin Wende-Spohrs ihr Urteil. Erwartungsgemäß verurteilte sie Kenan Ayaz zu vier Jahren und drei Monaten, indem sie behauptete, der kurdische Befreiungskampf sei nicht legitim und Kenan Ayaz sei ein Terrorist, obwohl er sich nur demokratischer Mittel bedient habe.

Der Anwalt von Kenan Ayas Stephan Kuhn kommentierte das Urteil folgendermaßen:

„Leider reiht sich das heutige Urteil nahtlos in die verschärfte Verfolgungspraxis des deutschen Staates gegen die kurdische Freiheitsbewegung ein. Immer deutlicher werden dabei vermeintliche geopolitische Interessen über Grund- und Menschenrechte gestellt, immer maßloser Menschen für ihr gewaltfreies politisches Engagement bestraft.

Es ist bitter zu sehen, dass das türkische Regime auch vom deutschen Staat für seine völker- und menschenrechtsverachtende Politik belohnt wird, während der Glaube an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eine weitere Enttäuschung erfährt.

Das Gericht hat hier zwar von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass es trotz unklarer Beweislage und unter Zugrundelegung zweifelhafter geheimdienstlicher Behauptungen verurteilen wird. Dennoch hat die heutige Urteilsbegründung noch einmal eindrücklich den inneren Widerspruch der deutschen Repressionspraxis gezeigt, einerseits nicht umhin zu können jahrzehntelange menschenrechtswidrige Unterdrückung der Kurd:innen durch den türkischen Staat festzustellen und Verständnis für die hierdurch motivierte, für sich genommen legale politische Betätigung des Angeklagten zu äußern, anderseits eine derart hohe Strafe zu verhängen.

Umso bemerkenswerter ist es, dass Kenan Ayaz bis zuletzt mit umfangreichen politischen und historischen Analysen gegen alle Versuche der Verunglimpfung und Kriminalisierung des kurdischen Freiheitskampfes ankämpfte und das historische und zeitgenössische Unrecht der Herrschenden in der Türkei und Europa schonungslos aufzeigte und benannte“.

Cansu Özdemir: Fatales Signal

Das Urteil gegen Ayaz sorgte auch bei Cansu Özdemir für Empörung. Die justizpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft bezeichnete die Verurteilung des Kurden als „fatales Signal für den Rechtstaat und die Oppositionsbewegung in der Türkei und Kurdistan“. Özdemir ergänzte: „Es ist doch absurd: Ayaz werden vollkommen legale Handlungen vorgeworfen, die nur deswegen strafbar sind, weil die Bundesregierung mit dem PKK-Verbot dem Erdogan-Regime Schützenhilfe leistet. Wenn der deutsche Rechtsstaat aber auf Geheiß Erdogans solche politisch motivierten Anklagen durchwinkt, hat das nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Das Verbot der PKK muss endlich aufgehoben werden.“

Die Meldung wurde aktualisiert

https://anfdeutsch.com/aktuelles/urteil-im-129b-prozess-gegen-kenan-ayaz-erwartet-43430 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kenan-ayaz-warum-will-europa-die-kurdische-frage-nicht-losen-43305 https://anfdeutsch.com/aktuelles/prozess-gegen-kenan-ayaz-lehrstunde-der-geschichte-kurdistans-43136 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kenan-ayaz-die-europaer-mussen-sich-ihrer-verantwortung-fur-den-volkermord-stellen-42996 https://anfdeutsch.com/aktuelles/hamburger-pkk-prozess-kenan-ayaz-setzt-letztes-wort-fort-43073

 

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Ermittlungsakte im Fall Hakim Lokman unter Geheimhaltung

2. September 2024 - 20:00

Im Fall des Kurden Hakim Lokman, der in Istanbul Opfer eines mutmaßlich rassistisch motivierten Gewaltverbrechens wurde, sind die Ermittlungen als Verschlusssache eingestuft worden. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) unter Berufung auf die Anwaltsvereinigung ÖHD berichtete, wurde die Akte auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch eine Strafabteilung am Istanbuler Amtsgericht mit der Geheimhaltungsverfügung belegt. Durch die Anordnung haben Rechtsbeistände keine Einsicht in die Ermittlungsakte. ÖHD will gegen die Entscheidung vorgehen.

Der 45 Jahre alte Hakim Lokman wurde am Samstag in Istanbul erstochen. Der Kurde aus Duhok in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) aß gerade mit zwei seiner Cousins in einem Bistro zu Abend, als er von weiteren Gästen angepöbelt wurde, weil Kurdisch gesprochen worden sei. Diesen Sachverhalt schilderten die beiden Männer sowohl der Polizei als auch der Rechtsanwältin Berivan Barin. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung verließ das Trio das Café offenbar. Wenige Augenblicke später seien sie jedoch von einem Mob aus zehn bis zwölf Personen attackiert worden, darunter auch die vier Pöbler. Mehrere der Angreifer sollen mit Messern bewaffnet gewesen sein und unmittelbar zugestochen haben. Hakim Lokman wurde durch einen Stich ins Herz getötet, er hinterlässt sieben Kinder. Seine Cousins erlitten nicht lebensbedrohliche Stichverletzungen an verschiedenen Körperstellen.

Kritik an „Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation“ 

Seit der Tat sind knapp 48 Stunden vergangenen, doch zur Festnahme von Verdächtigen kam es bislang nicht. Das dem türkischen Kommunikationsdirektor unterstehende „Zentrum zur Bekämpfung von Desinformation“ nannte am Montag lediglich die Initialen von drei männlichen Personen, die als Tatverdächtige gelten würden. Entgegen der „Fake News“, die in sozialen Netzwerken kursierten, wonach es sich bei dem tödlichen Angriff um ein rassistisch motiviertes Verbrechen handelt, sei der „Streit“ zwischen den Opfern und den „drei Angreifern“ – einer davon sei Angestellter des Bistros, in dem Hakim Lokman zu Abend aß – deshalb entbrannt, weil der Getötete „Frauen schief angeguckt“ habe. Die Cousins des Mannes, die den Angriff überlebten und danach über mehrere Stunden in Polizeigewahrsam verbringen mussten, widersprachen den Ausführungen des Büros. Dem türkischen Antidesinformationszentrum wird regelmäßig von oppositionellen Medien und Faktencheck-Portalen vorgeworfen, Desinformation nicht zu bekämpfen sondern gezielt zu verbreiten.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/todlicher-rassismus-kurde-aus-duhok-in-istanbul-erstochen-43455

 

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HPG gedenken Kemal Piling und Devran Cûdî

2. September 2024 - 18:00

Die Volksverteidigungskräfte (HPG) haben einen Nachruf auf Kemal Piling und Devran Cûdî veröffentlicht. Beide Guerillakämpfer kamen im September vor drei Jahren bei einem Angriff des türkischen Staates in den Medya-Verteidigungsgebieten ums Leben. „Wir gedenken unserer Genossen Kemal und Devran, die unsterblich wurden, weil sie ihr Leben für die Freiheit unseres Volkes opferten, mit Respekt und Dankbarkeit und bekräftigen unser Versprechen, ihren Kampf zum Sieg zu führen“, heißt es in der am Montag veröffentlichten Erklärung. Zur Biografie der Gefallenen teilten die HPG mit:

                                                

Codename: Kemal Piling

Vor- und Nachname: Ubeydullah Muhammed Laçin

Geburtsort: Istanbul

Namen von Mutter und Vater: Gulê – Orhan

Todestag und -ort: 5. September 2021 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

 

Codename: Devran Cûdî

Vor- und Nachname: Nimet Fındık

Geburtsort: Şirnex

Namen von Mutter und Vater: Sultan – Mahmut

Todestag und -ort: 5. September 2021 / Medya-Verteidigungsgebiete

 

Kemal Piling

Kemal Piling wurde in der westtürkischen Metropole Istanbul geboren. Seine Eltern stammen ursprünglich aus Agirî (tr. Ağrı), hatten ihre Heimat in den frühen 1990er Jahren verlassen und ihre Kinder aufgrund der damals in Nordkurdistan gültigen Assimilations- und Unterdrückungspolitik praktisch fernab der eigenen Identität und Kultur erzogen. Die Konfrontation mit dieser Realität führte bei Kemal Piling im Jugendalter zu einem ersten tiefgründigen Widerspruch. Mit dem Älterwerden und einer sozialistischen Politisierung erkannte er, dass die kurdische Befreiungsbewegung Lösungen für Diskrepanzen wie diese lieferte. Er wurde innerhalb der Revolutionären Jugend Kurdistans aktiv, weil er die Idee aufgriff, dass der Befreiungskampf der PKK gleichzeitig auch ein Kampf für Freiheit, Gleichheit und ein menschenwürdiges Leben gegen die kapitalistische Moderne ist, die eine „Bankrotterklärung der Menschheit“ sei. „Mit Überzeugung und großem Enthusiasmus widmete Hevalê Kemal sich mit seiner sozialistischen Persönlichkeit unserem Widerstand.“

 


Der Guerilla schloss sich Kemal Piling im Jahr 2011 in Dersim an. Rund zwei Jahre hatte er sich dort aufgehalten, als der in der Türkei in politischer Geiselhaft gehaltene PKK-Begründer Abdullah Öcalan 2013 im Rahmen eines Dialogprozesses mit dem türkischen Staat 2013 die Guerilla zum Rückzug aus der Türkei aufrief. Kemal Piling weigerte sich, Nordkurdistan zu verlassen. „Er ahnte, dass die Absichten des Feindes für Frieden und Versöhnung nur vorgetäuscht waren und beharrte darauf, im Cûdî-Gebirge zu bleiben. Diesen Wunsch konnten wir unserem Freund nicht abschlagen“, so die HPG.

 


Lange blieb der Kämpfer aber nicht in dem Gebirge in der Provinz Şirnex (Şırnak). Schon im darauffolgenden Jahr ging er nach Rojava, um sich in Kobanê am Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) zu beteiligen. Bei einem Gefecht wurde er schwer verletzt. Nach seiner Genesung ging er für kurze Zeit zurück zum Cûdî, wechselte jedoch bald darauf in die Medya-Verteidigungsgebiete. Hier war er nach einer intensiven ideologischen wie militärischen Fortbildung im Bereich strategischer Spezialeinsätze im Einsatz. Die HPG würdigen Kemal Piling als leidenschaftlichen Kämpfer der Revolution, der bis zuletzt die Militanz der PKK repräsentierte.

Devran Cûdî

Devran Cûdî wurde in Silopiya bei Şirnex geboren und gehörte dem Stamm der Teyî an, eine Familienkonföderation, die seit jeher tief verwurzelt mit der kurdischen Befreiungsbewegung ist. Viele ihrer Stammesangehörigen sind in den Reihen der Guerilla gefallen. Diese Tatsache prägte das Leben vieler weiterer Mitglieder der Teyî, so auch das von Devran Cûdî. Er wuchs in einem Umfeld auf, in dem die Gefallenen sowie die Ziele, für die sie eintraten und ihr Leben ließen, aber auch die Gründe, warum sie sich für den bewaffneten Widerstand entschieden hatten, stets präsent waren.

So kam es nicht von ungefähr, dass Devran Cûdî schon als Schüler den Bruch mit dem System vollzog. „Er hatte sich in den Schulen des türkischen Staates, die in Kurdistan als Zentren der Assimilation fungieren, nicht von seiner Realität entfremden lassen, sondern war stets bemüht, sein eigenes Wesen zu bewahren. Er verweigerte den Herrschenden, ihn in ihr System zu integrieren. Das war Hevalê Devrans erster Erfolg gegen die kapitalistische Moderne. Damals ging er in die achte Klasse.“

 


Seine Wut gegen den Staat steigerte sich in den Folgejahren, als das Niveau der Unterdrückung in Nordkurdistan jenes der dunklen 90er sogar übertraf. 2015 schloss Devran Cûdî sich in Botan der Guerilla an. Kurz nach seiner ersten ideologischen und militärischen Ausbildung äußerte er den Wunsch, an die Fronten des heißen Krieges versetzt zu werden. Im Sommer jenes Jahres hatte der türkische Staat den Dialogprozess mit Abdullah Öcalan einseitig beendet und zum Vernichtungsschlag gegen die PKK ausgeholt. Devran Cûdî kam nicht an die Kriegsfront, sondern wirkte im Bereich strategischer Spezialeinsätze mit. In die Medya-Verteidigungsgebiete ging er erst 2017. „Hier stellte Hevalê Devran an vielen Fronten des Widerstands die Unbesiegbarkeit der apoistischen Militanz unter Beweis.“

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Angesichts des Verlusts von Kemal Piling und Devran Cûdî sprachen die HPG den Angehörigen der Gefallenen und der kurdischen Bevölkerung ihr Mitgefühl aus.

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Andauernde Gewalt gegen Bevölkerung von Efrîn-Şehba

2. September 2024 - 15:00

Der Alltag in Efrîn und Şehba ist weiterhin von Gewalt der türkischen Armee und deren islamistischer Milizen geprägt. Praktisch täglich schlagen in der Region im Norden Syriens, die seit einer Neuerung des Gesellschaftsvertrags der Selbstverwaltung zum Kanton Efrîn-Şehba zusammengefasst wurde, Bomben und Granaten ein – abgefeuert in der illegalen Besatzungszone, die der NATO-Partner Türkei dort im Bündnis mit Dschihadistenmilizen betreibt.

Die Dokumentationsstelle der „Befreiungskräfte Efrîns“ (HRE) zählte im Vormonat über 300 Angriffe auf Siedlungen und Dörfer in Efrîn-Şehba. Aufgelistet in dem Bericht der Widerstandsgruppe sind unter anderem 107 Angriffe mit Haubitzen, 109 weitere mit Mörsern und 63 Attacken mit handgeführten Granatwerfern. In sechs Angriffen kamen SPG-9-Geschütze zum Einsatz, weitere 42 Bombardements führten bewaffnete Aufklärungsdrohnen oder Kamikazedrohnen durch. Die Zahl der über den gesamten August in Teilen der Region eingeschlagenen Geschosse beziffern die HRE mit 1.327.

Die meisten Angriffe trafen die Zivilbevölkerung in Dörfern bei Tel Rifat sowie im nicht vollständig von der Türkei besetzten Kreis Şêrawa nahe Efrîn-Stadt und forderten fünf Verletzte. Dabei handelt es sich um eine 15-jährige Jugendliche, die durch Artilleriefeuer gegen das Camp Şehba verletzt worden war, sowie vier männliche Zivilisten im Alter zwischen 27 und 45 Jahren. Sie waren bei zwei aufeinanderfolgenden Kamikazedrohnen-Angriffen in Bênê verletzt worden, als Besatzungstruppen zum wiederholten Mal die Double-Tap-Taktik einsetzten; ein militärisches Vorgehen, bei dem das gleiche Ziel zweimal nacheinander angegriffen wird, um beim zweiten Schlag primär Rettungskräfte und Ersthelfer zu treffen.

Laut den HRE führten die Angriffe im August zu deutlich höheren Schäden an der Infrastruktur der Selbstverwaltung sowie beim Eigentum an der Zivilbevölkerung als in den Monaten zuvor. So hatte die Widerstandsgruppe im Juli rund 120 Angriffe verzeichnet. Das ist ein Anstieg von mehr als fünfzig Prozent im Vergleich zum Vormonat. Eine Aufschlüsselung des Ausmaßes aller Schäden infolge der türkisch-dschihadistischen Militärgewalt lag zuletzt aber nicht vor.

Über die HRE

Die Befreiungskräfte Efrîns (Hêzên Rizgariya Efrînê) haben sich nach der Besatzung von Efrîn im Jahr 2018 mit dem Ziel gegründet, die Region zu befreien und eine Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung zu ermöglichen. Neben regelmäßigen Vergeltungsangriffen, die die Widerstandsgruppe gegen die Besatzer verübt, dokumentieren die HRE auch die türkische Militärgewalt in der Region und veröffentlichen die Zahlen in regelmäßigen Berichten.

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/minbic-tagliches-zerstorerisches-muster-der-besatzungsangriffe-43442 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/15-jahrige-bei-artillerieangriff-auf-camp-Sehba-verletzt-43195 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/double-tap-vier-verletzte-bei-drohnenangriffen-in-efrin-43300

 

 

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Gendarmerie überfällt Wohnungen in Pirsûs

2. September 2024 - 13:00

In der kurdischen Kreisstadt Pirsûs (tr. Suruç) begann die Woche mit Razzien der Gendarmerie. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) am Montag berichtete, stürmten Einheiten der türkischen Militärpolizei mehrere Wohnungen und führten Festnahmen durch. Insgesamt sieben Personen wurden demnach abgeführt und für eine Befragung auf eine örtliche Wache gebracht.

Begründet wurde der Vorgang mit Anti-Terror-Ermittlungen, die im Zuge einer „anonymen Anzeige“ aufgenommen worden seien. Worum es dabei konkret geht, wurde allerdings nicht mitgeteilt. Bei den Festgenommenen handelt es sich um Kurden, einige von ihnen gehörten demnach einer Familie an. Laut MA leben sie in Pirsûs in Vierteln, die unmittelbar an der Grenze zu Kobanê liegen. Die kurdische Stadt im nördlichen Syrien liegt direkt gegenüber von Pirsûs, das sich im Südwesten der Provinz Riha (Urfa) befindet.

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Gerîla TV zeigt Angriff auf Armeefahrzeug

2. September 2024 - 13:00

Im Onlineportal Gerîla TV ist ein Video von einer Aktion gegen türkische Besatzungstruppen in der südkurdischen Zap-Region veröffentlicht worden. Die Aufnahmen zeigen einen Angriff mit einer Kleindrohne gegen ein Armeefahrzeug der Marke Toyota, der vergangene Woche stattgefunden hatte. Nach Angaben der Volksverteidigungskräfte (HPG) war dabei ein Soldat verletzt worden.

Der Angriff vom 26. August hatte sich gegen Angehörige der türkischen Armee gerichtet, die den Ausbau militärischer Infrastruktur in einem besetzten Gebiet in der Nähe des Widerstandsmassivs Girê Amêdî bewachten. Die Gegend liegt an der strategischen Westfront der Zap-Region und ist stark umkämpft.

 


Ausgeführt wurde die Aktion von einer Drohneneinheit, die nach Axîn Mûş benannt ist. Die langjährige Kämpferin, die Mitglied der Kommandoräte der HPG und Verbände freier Frauen (YJA Star) und zugleich Kommandantin der Regionalkommandantur von Amed (tr. Diyarbakır) war, kam im September vergangenen Jahres bei Luftangriffen der türkischen Armee ums Leben.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hpg-fahrzeug-und-drohnen-zerstort-sprengstoffe-beschlagnahmt-43393

 

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Das nepotistische Korruptionswerk des Barzanî-Clans

2. September 2024 - 11:00

Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde im Irak eine föderale kurdische Regionalregierung geschaffen. Diese Regionalregierung untersteht der Zentralregierung in Bagdad. Nach der Bildung einer neuen irakischen Regierung begann damit auch der Ölverkauf im Irak. Unter normalen Bedingungen werden die Ölverkäufe unter der Kontrolle der irakischen Zentralregierung abgewickelt, und das Geld wird bei einer dafür vorgesehenen Bank in den USA hinterlegt. In diesem Sinne behält der Irak seine Bedeutung als zweitwichtigstes Ölförderland. Das Öl bzw. die Gewinne werden von der irakischen Regierung aufgeteilt. Das in den sunnitischen Gebieten geförderte Öl wurde unter den Sunniten aufgeteilt, das in den schiitischen Gebieten geförderte Öl wurde unter den Schiiten aufgeteilt. Ein großer Teil des geförderten Öls befindet sich in Kurdistan. Also teilen sich PDK (Demokratische Partei Kurdistans) und YNK (Patriotische Union Kurdistans) das geförderte Öl unter sich auf.

Daneben gibt es eine weitere Ölregion, die sogenannte Artikel-140-Region, die aus Gebieten wie Şengal und Kerkûk besteht. Das sind Regionen, in denen weder die Zentralregierung in Bagdad noch die Regierung in Hewlêr (Erbil) zuständig ist. Diese Region wird immer wieder neu aufgeteilt, sie war nach der Befreiung vom IS unter kurdischer Kontrolle und ging dann wieder an den Irak über. Seit Jahren teilen sich irakische und kurdische Kräfte inoffiziell das in dieser Region geförderte Öl.

Nur 40 Prozent der Einnahmen gehen an den Staat

Soweit offiziell bekannt, belaufen sich die monatlichen Öleinnahmen Südkurdistans auf etwa 1,4 Milliarden Dollar. Dies entspricht etwa 15 Milliarden Dollar pro Jahr. Der Betrag, der an die Staatskasse überwiesen wird, schwankt jedoch zwischen 400 und 500 Millionen Dollar pro Monat. Alle Ölverkäufe stehen unter der Kontrolle des Ministerpräsidenten von Südkurdistan Mesrûr Barzanî (PDK). Der Finanzminister Südkurdistans hat ebenfalls bestätigt, dass Mesrûr Barzanî die alleinige Kontrolle über alle Verkäufe hat. Er erklärte, dass niemand außer ihm in diese Verkäufe eingreife und dass der an das Finanzministerium überwiesene Betrag zwischen 400 und 500 Millionen Dollar liege. Es ist also bekannt, dass diese 60 Prozent des Gewinns ohne jede demokratische Kontrolle zwischen Silêmanî und Hewlêr aufgeteilt werden.

Ölschmuggel ebenfalls in der Hand des Barzanî-Clans

Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Zu den Ölverkäufen im Wert von 1,4 Milliarden Dollar kommen noch die illegalen Ölverkäufe hinzu. Täglich rollen etwa 2.000 Tanker, um die 300.000 Tonnen illegales Öl im Wert von monatlich 300 bis 500 Millionen Dollar zu verkaufen. Seit 18 Monaten ist der Verkaufswert für 300.000 Tonnen illegal von der Familie Barzanî verkauften Öls verschwunden. Die Verkäufe werden an die Türkei und den Iran getätigt. Die Türkei und der Iran verkaufen das billige Öl über Afghanistan, Pakistan und Turkmenistan an China. Alle diese Verkäufe werden inoffiziell getätigt, und es gibt keine Aufzeichnungen darüber. Die irakische Zentralregierung hatte bisher beide Auge zugedrückt, da sie diese inoffiziellen Ölverkäufe bereits zuvor unterstützt hatte. Im Jahr 2022 erklärte die Zentralregierung all diese Ölverkäufe für illegal und verbot, dass die Region Kurdistan selbst Öl ins Ausland zu verkauft.

Die irakische Regierung schickte keine Haushaltsgelder

Auf Antrag der irakischen Regierung verhängte der internationale Gerichtshof wegen der Ölankäufe aus Südkurdistan eine Geldstrafe gegen die Türkei. Gleichzeitig entwickelte sich ein schwelender Haushaltskonflikt zwischen Bagdad und Hewlêr. Die irakische Regierung gibt die Haushaltsmittel, die sie an die kurdische Autonomieregierung zahlen müsste, nicht frei, weil das Geld aus den illegalen Ölverkäufen Südkurdistans nicht in die Kassen des irakischen Finanzministeriums fließt.

1,25 Millionen „Beamte“ bei sieben Millionen Bürger:innen

Ein weiterer Grund für die Nichtbezahlung des Budgets ist die vollkommen fiktive Beamtenzahl, welche die südkurdische Regierung angibt. Es besteht ein ernsthaftes Ungleichgewicht zwischen der Zahl des Beamten, die der irakischen Regierung als Liste übermittelt wurde, und der Bevölkerungszahl. In Südkurdistan leben sechs bis sieben Millionen Menschen. 1,25 Millionen werden als Beamte deklariert. Die irakische Regierung hält die Zahl für unrealistisch und fordert von der südkurdischen Regierung eine detaillierte Aufschlüsselung der Aufgaben der Beamten. Diese Liste soll durch eine Kommission geprüft werden. Die südkurdische Regierung weicht jedoch aus und da die Liste nicht kommt, stellt die Zentralregierung auch keine Haushaltsmittel bereit. Daher zahlt die südkurdische Regierung auch keinen Lohn an ihre Beamten und so herrscht in Südkurdistan eine Gehaltskrise. Solche Krisen sind nicht die Ausnahme, sondern regelmäßiges Produkt der Korruption in Hewlêr.

Mesûd Barzani besuchte wegen der Gehaltskrise im Juni Bagdad. Er konnte gegen eine Liste der Beamten des Peshmerga-Ministeriums die Juni-Gehälter in Empfang nehmen. Obwohl die Gehaltskrise vom Juni auf diese Weise beigelegt werden konnte, gibt es nun wieder das gleiche Problem. Die Zentralregierung besteht darauf, dass sie die Liste der Beamten erhält. Die Gehälter für die Monate Juli und August wurden den Beamten und Mitarbeitern der Behörden noch nicht ausgezahlt.

Ein korruptes Netzwerk aus bezahlten Unterstützern

Eine weitere Tatsache ist, dass die PDK durch Beamtengehälter bzw. fingiertes Personal ein korruptes Netzwerk aufgebaut hat. Dafür gibt es bereits den Ausdruck Geldautomatengehälter. Gemeint sind dabei Gehälter für Unterstützer der PDK und dem Barzanî-Clan nahestehende Personen, die ohne irgendeine Gegenleistung als fingierte Beamte versorgt werden. Von den 1,25 Millionen Beamten und Behördenmitarbeitern erscheint nicht einmal die Hälfte auf der Arbeit. Um das zu stützen, werden in jedem Dorf, jeder Straße, jedem Viertel vorgefertigte Gesundheitszentren, Moscheen, Schulen usw. gebaut, wo die betreffenden Personen dann als Beamte und Mitarbeiter registriert sind. Das ist der Weg, auf dem die PDK ihre Unterstützung generiert. Für viele Menschen ist die einzige Option an Geld zu kommen, sich in die Fänge der korrupten PDK-Netzwerke zu begeben. Die PDK bindet so die Menschen durch Gehälter an sich. Das Schweigen dieser Personen gegen die zerstörerische Politik der PDK wird so erkauft. Die meisten dieser fest angestellten PDK-Anhänger gehen nicht zur Arbeit, und die Fertigbauten stehen leer; es gibt keine Ärzt:innen, Lehrer:innen oder Imame. Diese Menschen, die durch Gehälter an die PDK gebunden sind, produzieren nichts und leisten auch keinen gesellschaftlichen Beitrag. Gleichzeitig sackt die PDK selbst 10 bis 30 Prozent der von der irakischen Regierung für Gehälter überwiesenen Beträge selbst ein. Das gesamte Budget, das von der Zentralregierung in Form von Personalgehältern und Ausgaben für die Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt wird, kommt nicht bei den Bürger:innen an. Wenn beispielsweise ein Beamter ein Gehalt von 500.000 Dinar erhält, werden davon 100.000 Dinar direkt von der PDK abgezogen.

Anti-PKK-Hetzer und Barzanî-Trolle stehen auf Gehaltslisten der PDK

Ein weiterer Punkt ist, dass es Hunderte von Menschen gibt, die nicht in Südkurdistan leben, aber Geld von der Regierung in Südkurdistan erhalten oder von einem solchen als „Gehalt“ deklarierten Bestechungsgeld abhängig sind. Auf diese Weise organisiert sich die PDK auch außerhalb Südkurdistans. Über gefälschte Gehaltslisten finanziert die PDK ein ganzes Netz von Kollaborateuren und Agenten. Der Irak erhebt in dieser Frage besonders schwere Vorwürfe. Er behauptet, dass Tausende von Menschen, die keine irakischen Staatsbürger seien, und außerhalb des Irak lebten, über diese Listen Gehälter erhielten. Dies mag die wichtigste Dimension dieser Problematik sein. Trollnetzwerke, Agenten der PDK in Nordkurdistan, Personen, die den kurdischen Freiheitskampf weltweit angreifen und mit Antipropaganda überziehen, werden über diese Gehaltslisten finanziert. Sie alle erhalten Gehälter durch falsche Identitäten und falsche Anmeldungen. Auch die Mitarbeiter von Rudaw, die im Namen der PDK in Nordkurdistan für diese agitieren, werden von der PDK in Südkurdistan finanziert. Viele derjenigen, die die kurdische Freiheitsbewegung Tag und Nacht auf Twitter beschimpfen und beleidigen, sie mit Dreck bewerfen und Verleumdungskampagnen führen, stehen als „Geisterpersonal“ auf den Gehaltslisten der PDK.

Der Lohn von Toten wird ausgezahlt

Ähnlich verhält es sich mit den Gefallenen von Anfal und Helebce. Obwohl diejenigen, die Angehörigen bei den Massakern verloren haben, nicht für solche Zahlungen registriert wurden, erhalten viele Menschen, die keine Gefallenen haben, die Renten und Zahlungen für die Opfer von Helebce und Anfal. Dabei ist es keine Seltenheit, dass der Lohn an Verstorbene bezahlt wird. Wer diese Gehälter dann erhält, ist nicht bekannt.

Korruption hat Gesellschaft erfasst und einen Schweigekonsens erzeugt

Die irakische Regierung hat die Namensliste von Staatsbediensteten zur roten Linie gemacht. Die massive Korruption und organisierte Kriminalität bis in die höchsten Regierungskreise in Südkurdistan bedrohen ernsthaft das Leben der Menschen, die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Während sich der Barzanî-Clan an illegalen Ölverkäufen bereichert, hält er seine Organisationsstrukturen mit Geisterpersonal aufrecht und kassiert sogar die Abzüge von den Gehältern der Beamten. Die Menschen werden in Armut und Elend getrieben. Es zeigt sich aber auch, dass es eine geheime Absprache zwischen der Gesellschaft und der Regierung über diese schmutzigen Machenschaften gibt. Die Gesellschaft entwickelt bewusst keine Opposition, die der PDK schaden würde. Denn wenn sich eine solche Opposition entwickeln würde, würden die Menschen ihre Gehälter verlieren. Das ist der Schweigekonsens der Verbrechen in Südkurdistan möglich macht.

Die Bedingungen des Irak

Die irakische Zentralregierung beharrt auf ihrem Standpunkt. Sie stellt zwei Bedingungen. Die erste ist, dass das gesamte geförderte Öl unter die Kontrolle der Zentralregierung gestellt wird und alle Einnahmen an die Zentralregierung abgeführt werden. Zweitens sollen alle Bedienstetenlisten an die Zentralregierung übergeben werden. Dazu gehören Institutionen wie die Polizei, die Terrorbekämpfung, der Geheimdienst und die Peshmerga. Mit anderen Worten: Die schmutzige Politik der Familie Barzanî hat einen Punkt erreicht, an dem die Sicherheit der Regionalregierung Kurdistans gefährdet ist.

Selbst wenn der Haushalt freigegeben wird, ohne dass die beiden Bedingungen der irakischen Regierung erfüllt werden, bedeutet dies, dass die PDK der irakischen Zentralregierung auf anderer Ebene Zugeständnisse gemacht haben wird.

Quelle: Yeni Özgür Politika

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Türkei: Textilindustrie will Löhne noch weiter unter Hungergrenze drücken

2. September 2024 - 10:00

Die Türkei ist eines der Billigproduktionsländer für Textilien in europäischen Fast-Fashion-Discountern. Um für den europäischen Markt Schuhe, Jeans und T-Shirts möglichst billig zu produzieren, wird eine gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter:innen möglichst verhindert und die Arbeiter:innen werden mit niedrigsten Löhnen abgespeist. Nach einer Statistik des Gewerkschafts-Dachverbandes TÜRK-IS lag die Hungergrenze für eine vierköpfige Familie im April dieses Jahres bei 17.725 Lira (505 Euro). Der Mindestlohn, mit dem mehr als die Hälfte der Arbeiter:innen in der Türkei und Nordkurdistan auskommen muss, beträgt dagegen nur umgerechnet 484 Euro. Dass Profitmaximierung jedoch auch nicht unter der Hungergrenze Halt macht, zeigen nun die neuen Forderungen der Textilverbände in der Türkei.

Sinan Öncel, Präsident des Verbandes der Vereinigten Marken (BMD), Berke Içten, Präsident des Verbandes der türkischen Schuhhersteller (TASD), und Ramazan Kaya, Präsident des Verbandes der türkischen Bekleidungshersteller (TGSD), verkündeten bei einem kürzlich abgehaltenen trilateralen Treffen ihre Erwartungen von der Regierung. Dazu gehört eine weitere Aufweichung des Mindestlohns durch die Einführung einer regionalen Flexibilisierung, gleichzeitig sollen die Mindestlöhne durch die Steuerzahler:innen subventioniert und die Sozialversicherungsausgaben auf Seite der Kapitalisten gesenkt werden. Dabei sind die Großunternehmen in der Türkei bereits massiv steuerbegünstigt.

Im ANF-Gespräch äußert sich die Textilarbeiterin aus Denizli, die wir aus Sicherheitsgründen mit dem Pseudonym „Ayşe“ bezeichnen, zur Situation der Textilarbeiter:innen und ihren Forderungen.

Die Schulden werden mit einem Federstrich weggewischt“

Zunächst fragen wir Ayşe zu ihrer Meinung zu den Forderungen der Textilunternehmer. Ayşe kritisiert, dass die Unternehmen bereits so massiv subventioniert werden, Millionengewinne in Dollars einführen und dennoch weitere Förderung aus Steuermittel verlangen. Sie warnte, dass eine regionale Flexibilisierung des Mindestlohns insbesondere darauf abziele, in den kurdischen Provinzen Billigstarbeitskräfte zu schaffen und führte aus: „Während es viele Subventionen gibt, die die Kapitalisten bereits erhalten, wie z.B. die Übernahme der Versicherungsprämien der Arbeit:innen durch den Staat, die Streichung ihrer Steuerschulden mit einem Federstrich, gibt es nun auch die Forderung der Kapitalgruppen nach einem regionalen Mindestlohn. Als ob es nicht genug wäre, dass sie Millionen von Dollar verdient haben. Regionaler Mindestlohn bedeutet: ‚Wenn wir die entsprechenden Anreize erhalten, werden wir Arbeitsplätze einrichten, aber die Löhne müssen niedrig sein, damit wir in diesen Regionen investieren können.‘ Dabei geht es um Gebiete, in denen die Industrie nicht entwickelt ist, wie z.B. in den Regionen im Osten und Südosten. Während der derzeitige Mindestlohn 17.000 TL beträgt, während unsere Löhne angesichts der Inflation dahinschmelzen und unsere Existenzprobleme daher immer größer werden, reicht es nicht einfach nur aus, irgendeinen Mindestlohn festzulegen. Die Lebensbedingungen in jeder Region mögen unterschiedlich sein, aber wenn wir in den Supermarkt gehen, zahlen wir überall im Land den gleichen Preis. Leider ist dies kein Faktor, der unsere Kaufkraft direkt verändert. Während Millionen Dollars von der Regierung mit einem einzigen Federstrich vernichtet werden, gibt es eine Kapitalistenklasse und ihre Sprecherregierung, die uns das Leben mit 1.000 TL auf dem Konto zur Hölle macht.“

Wir arbeiten, ohne das Tageslicht zu sehen“

Ayşe beschrieb, dass der Mindestlohn schon jetzt nicht einmal das Nötigste abdecke und dass eine regionale Flexibilisierung des Mindestlohns eine weitere Verschlimmerung der Lage der Arbeiter:innen bedeute: „Ich bin Textilarbeiterin, ich arbeite seit Jahren, und ich weiß nicht, was ich mir morgen zu essen kauen kann. Wir haben auch nichts von dem Lohn für Überstunden, die wir täglich machen. Wir arbeiten fast, ohne das Tageslicht zu sehen. Dieses System kann so nicht weitergehen. Das Ziel der Bosse ist nicht, den Mindestlohn in den Metropolen zu erhöhen, sondern ihn in den Provinzen, in denen die Industrie nicht entwickelt ist, zu senken. Ja, die Mieten sind in Städten wie Istanbul höher. Der Mindestlohn ist aber der niedrigst mögliche Lohn. Der Mindestlohn sollte so hoch sein, dass man davon menschenwürdig leben kann. In Großstädten sollten die Löhne der Arbeiter entsprechend den Lebensbedingungen höher sein. Egal wie die Bosse für den regionalen Mindestlohn werben, Arbeiter und Gewerkschaften müssen sich dagegen wehren.“

Es gibt keine einzige Textilfabrik mit einer Gewerkschaft und einem Tarifvertrag“

Ayşe berichtete über die gewerkschaftliche Organisierung: „Die Situation der Arbeiter in Denizli unterscheidet sich nicht wesentlich von der in Uşak und Afyon. Es gibt keine einzige Textilfabrik mit einer Gewerkschaft und einem Tarifvertrag. In Denizli wurden die Beschäftigten der Filidea Tekstil, die zur Abalıoğlu Holding gehört, entlassen, weil sie einer Gewerkschaft beigetreten waren. Der Rechtsstreit der beiden entlassenen Arbeiterinnen und ihr Widerstand vor dem Tor dauert an und geht nun schon in den dritten Monat. Die Löhne betragen den Mindestlohn oder zweitausend, dreitausend Lira mehr. Maschinisten, Weber und Färber können nur mit Überstunden 30.000 Lira erreichen. Der Präsident der Industriekammer besitzt ebenfalls eine Textilfabrik, und letzten Monat wurde in Evrensel berichtet, dass er keine Körperschaftssteuer zahlt. Die Bosse können von Subventionen und Steueramnestien nicht genug bekommen. Wenn die Arbeiter ihre Rechte einfordern, sagen sie, dass die Umsätze zurückgegangen sind.

Er-Bakir hat letztes Jahr für 28 Milliarden Lira Umsatz erzeugt. Ist das eine Situation am Rande des Bankrotts? In Denizli arbeiten beide Eheleute in der Textilindustrie und müssen Überstunden machen, um die Miete bezahlen und ihre Kinder zur Ausbildung schicken zu können. Die Mieten beginnen bei 10.000 Lira und gehen bis zu 20.000 Lira. Eine Einzimmerwohnung kostet 10.000 Lira. Wenn die Familie in einer Zweizimmerwohnung leben möchte, kostet sie 15.000 Lira. Mit anderen Worten: Zwei Leute arbeiten, damit einer von ihnen die Miete bezahlen und der andere einkaufen kann. Die Bosse kümmern sich nicht um diese beklagenswerte Situation. Die Arbeiter müssen ihre Rechte einfordern. Bei dem kleinsten Protest droht ihnen die Entlassung. Wir müssen geduldig, mutig und vorsichtig sein. Die Bosse handeln nach einem gut durchdachten Plan, und wir Arbeiter müssen uns organisieren und geplant kämpfen.“

Das Vertrauen in Gewerkschaften nimmt ab“

Ayşe hat die allgemeinen Forderungen der Beschäftigten, ihre Sicht auf den gewerkschaftlichen Kampf und die Lage der Gewerkschaften wie folgt zusammen: „Wir wollen einen existenzsichernden Lohn, der nicht von der Inflation aufgefressen wird, und angemessene Arbeitszeiten, die es uns ermöglichen, unser Sozialleben zu führen und Zeit mit unseren Kindern und unseren Familien zu verbringen. Wir wollen gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten. Wenn wir uns nicht gegen die Firmenchefs zusammenschließen, werden wir zu diesem Leben verdammt sein. In Denizli, wo die Textilindustrie stark ist und die Bosse immer neue Gewinnrekorde brechen, gibt es keinen einzigen gewerkschaftlich organisierten Betrieb. Es gibt große und kleine Widerstandsaktionen, aber das reicht nicht aus. Die Entlassungen haben zugenommen. Selbst die kleinste gewerkschaftliche Forderung kann zur Entlassung führen. In einem solchen Angstumfeld ist die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter das Letzte, was sie sich wünschen ...

Außerdem sind die von Hak-Iş und Türk-Iş organisierten Kundgebungen sehr durchsichtig. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Arbeiter einzuladen. Die Arbeiter sehen das natürlich. Türk-Iş hat beschlossen, in jeder Provinz Demonstrationen zu organisieren, in Denizli haben 20–30 Leute teilgenommen, unterstützt von anderen Organisationen. Wenn ihr die Arbeiter nicht aufruft, geht zu den Arbeitern. Werdet in den Fabriken aktiv. Aber das Ziel ist nicht, die Stimme zu erheben, sondern die Stimme der Arbeiter zu unterdrücken. Für die Gewerkschaftsbürokratie reicht es aus, das Einkommen der Gewerkschaft auf einem bestimmten Niveau der Beiträge zu halten, um den Sitz zu behalten. Deshalb wächst das Misstrauen gegenüber den Gewerkschaften. Dennoch ist es notwendig, sich in den Gewerkschaften zu organisieren und dieses Verständnis von Gewerkschaften zu ändern. Wird das also immer so weitergehen? Nein, es wird sich ändern, wenn wir uns organisieren und uns um unsere Forderungen zusammenschließen. Ansonsten werden wir unser Leben damit verbringen, darauf zu warten, dass andere den Mindestlohn festlegen und über unser Leben entscheiden.“

https://anfdeutsch.com/aktuelles/selbstorganisierung-statt-burokratische-gewerkschaften-38815 https://anfdeutsch.com/aktuelles/migrantische-arbeitskrafte-werden-als-wegwerfware-behandelt-39820 https://anfdeutsch.com/kurdistan/riha-militarpolizei-greift-erneut-protestierende-textilarbeiter-innen-an-40162

 

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Tödlicher Rassismus: Kurde aus Duhok in Istanbul erstochen

1. September 2024 - 19:00

Weil sie miteinander Kurdisch sprachen, sind drei Kurden aus Duhok in der westtürkischen Metropole Istanbul von einem rassistischen Mob angegriffen worden. Der 45-jährige Hakim Lokman wurde bei dem Übergriff durch einen Stich ins Herz tödlich verletzt. Seine beiden Cousins erlitten leichte Verletzungen und befanden sich anschließend über mehrere Stunden in Polizeigewahrsam. Die mutmaßlichen Täter dagegen wurden bislang nicht festgenommen.

Der Angriff ereignete sich am späten Samstagabend vor einem Bistro im zu Fatih gehörenden Viertel Aksaray. Nach Angaben der mit dem Fall befassten Rechtsanwältin Berivan Barin von der Anwaltsvereinigung ÖHD checkte Hakim Lokman, der Staatsbürger der Kurdistan-Region des Irak (KRI) ist und in Duhok einen international tätigen Autohandel betreibt, erst wenige Stunden vor der Tat in einem Hotel unterhalb des Cafés ein. Er sei aus Dubai angereist und habe sich drei Tage in der Bosporus-Metropole aufhalten wollen, so Barin.

Cousins auf Polizeiwache drangsaliert

„Während dem Essen unterhielten Hakim Lokman und seine beiden Cousins sich via Videocall mit einem weiteren Verwandten, als sie von einer vierköpfigen Gruppe angepöbelt wurden. Diese Personen saßen im selben Bistro und echauffierten sich darüber, dass Hakim Lokman und seine Begleiter sich auf kurdisch unterhielten. ‚Dies ist die Türkei und hier wird ausschließlich Türkisch gesprochen‘, sollen sie gesagt und die drei Kurden beleidigt haben“, schilderte Barin in einer Pressemitteilung. „Da Hakim Lokman auch der türkischen Sprache mächtig war, entzündete sich eine kurze, aber hitzige Diskussion. Anschließend verließen er und seine Cousins das Café. Sie waren gerade ein Paar Schritte gegangen, als sie von einem auf etwa zehn bis zwölf Personen angewachsenen Mob, zu dem auch die vier Pöbler gehörten, gestoppt wurden. Umgehend wurden Messer gezückt und den drei Kurden diverse Verletzungen hinzugefügt. Hakim Lokman verblutete auf dem Bürgersteig, da der sofort verständigte Krankenwagen erst sehr spät kam. Seine Cousins, die nach der Tat zur örtlichen Wache gebracht wurden, um den Vorfall als Zeugen und Betroffene zu schildern, wurden von der Polizei drangsaliert. Insgesamt vier Mal wurden sie unrechtmäßig Leibesvisitationen unterzogen, außerdem verweigerte man ihnen Wasser und Nahrung.“

Sonderkommission eingerichtet

Durch die Istanbuler Sicherheitsbehörden sei eine Sonderkommission eingerichtet worden, die sich mit dem tödlichen Angriff auf Hakim Lokman befassen soll. Das sagte der irakische Botschafter in Istanbul. Der stellvertretende Gouverneur der Provinz sowie Beamte der Mordkommission und der Abteilung für öffentliche Sicherheit und Ordnung hätten am Sonntag das Institut für Rechtsmedizin aufgesucht, um Auskunft über die Ergebnisse der Obduktion zu erhalten, die im Laufe des Tages durchgeführt worden sei. Eine Erklärung der Behörden zu dem Sachverhalt lag bisher aber noch nicht vor.

Wut und Entsetzen

Bei der kurdischen Gesellschaft rief die Tat derweil Wut und Entsetzen hervor. Die DEM-Partei verurteilte den Angriff als „vom Rassismus getriebenen Stich ins Herzen der kurdischen Existenz“ und warf dem Regime in Ankara vor, Teile der türkischen Gesellschaft mit einem rassistischen und chauvinistischen Diskurs hysterisiert zu haben. „Dieses abscheuliche Verbrechen ist nur geschehen, weil die herrschende AKP/MHP-Regierung das politische und soziale Klima vergiftet hat“, sagte der Ko-Vorsitzende Tuncer Bakırhan. „Sie ist verantwortlich für die organisierten Angriffe auf kurdische Arbeiter, die kurdische Sprache und Kultur, die in den letzten Wochen nahezu jeden Tag geschahen. Zuletzt erlaubten sich sogar Mobs aus JITEM-Anhängern, mit Masken von „Yeşil“ zu einem Fußballspiel aufzumarschieren, als wären sie von der Regierung in einen Krieg geschickt worden. Wir fordern Ankara auf: Begrabt euren nationalistischen Diskurs und hört endlich auf, die Spaltung in diesem Land weiter zu vertiefen.“

IHD: Lange Reihe rassistischer Angriffe

Auch der Menschenrechtsverein IHD verurteilte die Tat als rassistischen Angriff gegen Kurd:innen. „Dieser gewaltsame Vorfall fügt sich in eine lange Reihe ein“, erklärte die Organisation am Sonntag in Ankara. Es gebe in den letzten Wochen zahlreiche solcher Übergriffe. „Das sind keine Einzelfälle.“ Der IHD forderte eine Aufklärung der Tat und mehr Maßnahmen gegen Rassismus.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/rassistische-gewalt-gegen-kurdische-arbeiter-43449 https://anfdeutsch.com/aktuelles/rassistischer-angriff-auf-kurdische-arbeiter-in-mugla-42736 https://anfdeutsch.com/kurdistan/mordversuch-durch-polizei-an-kurdischem-jungen-in-lice-36781 https://anfdeutsch.com/kultur/kurdisch-verbot-und-assimilation-43400 https://anfdeutsch.com/aktuelles/zweiter-angriff-auf-kurdische-familie-in-konya-sieben-tote-27563 https://anfdeutsch.com/aktuelles/organisierter-lynchangriff-auf-fussballverein-amedspor-36550

 

 

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Drei Kinder bei Explosion nahe Tel Rifat verletzt

1. September 2024 - 18:00

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens sind drei Kinder bei einer Explosion verletzt worden. Die Detonation ereignete sich am Sonntag im Dorf Til Qerah (Tall Qarah), das südöstlich der zu Tel Rifat gehörenden Gemeinde Ehrez (Ahras) liegt, und wurde durch eine Mine ausgelöst. Örtliche Behörden der Selbstverwaltung vermuten, dass es sich bei dem Sprengsatz um eine Hinterlassenschaft der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) handelt.

Die Kinder – drei Jungen im Alter von acht, neun und elf Jahren, deren Eltern Vertriebene aus Efrîn sind – spielten auf einer Fläche außerhalb der Ortschaft, als es zu der Explosion kam. Sie wurden mit leichten Verletzungen in das Avrîn-Krankenhaus in Fafîn gebracht, hieß es. Nach Angaben der Klinikleitung dürften sie noch im Laufe des Tages wieder nach Hause.

Immer wieder Tote durch tödliche Hinterlassenschaften

Detonationen von Landminen und anderen explosiven Kriegswaffen gehören in Syrien zum traurigen Alltag. Nach einem jahrzehntelangen Krieg, der Terrorherrschaft des IS und der andauernden Aggression durch die Türkei und ihren islamistischen Verbündeten kommt es immer wieder zu Vorfällen mit nicht-explodierter Munition, häufig sind Kinder die Opfer. Laut einer Statistik der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) sind im laufenden Jahr mindestens 130 Zivilpersonen in ganz Syrien durch Landminen und Blindgänger ums Leben gekommen, darunter Dutzende Frauen und Kinder. Mindestens 168 weitere Menschen aus der Zivilbevölkerung wurden bei solchen Detonationen verletzt. Bei mehr als der Hälfte der Vorfälle lösten Hinterlassenschaften des IS die Explosionen aus. In ihrer Hochphase verseuchte die Dschihadistenmiliz ganze Landstriche in der Region mit Explosionswaffen, die immer wieder Opfer fordern. Doch auch heute nutzen IS-Zellen selbstgebastelte Sprengvorrichtungen für Anschläge.

https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/Sehba-vater-und-sohne-bei-explosion-verletzt-31260 https://anfdeutsch.com/frauen/leben-riskieren-um-leben-zu-retten-24234 https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/syrische-wuste-mindestens-13-tote-durch-explosion-von-landmine-41153

 

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Zutrittsverbot in ländliche Gebiete Pîrans erteilt

1. September 2024 - 16:00

Die türkischen Behörden in der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) haben ein vorübergehendes Zutrittsverbot in eine Reihe ländlicher Regionen erteilt. Die seit Sonntag gültige Anordnung steht im Zusammenhang mit einer Militäroperation der türkischen Armee gegen die kurdische Guerilla. Für die ansässige Bevölkerung bedeutet die Maßnahme, dass de facto Ausnahmezustand herrscht.

Das vom Gouverneursamt angeordnete Zutrittsverbot gilt in Teilen des im Norden der Provinz gelegenen Landkreises Pîran (Dicle). Neben den Siedlungen Hêredo (Kırpınar), Pîrajma (Kurşunlu) und Şîmgirika Jorin (Kayı), die für die Militäroperation zu sogenannten Sondersicherheitszonen umgewidmet wurden, handelt es sich dabei auch um die Massivregionen Kurşunludüzü und Görese. Laut der Mitteilung des Gouverneurs soll die Anordnung vorerst bis zum 17. September in Kraft bleiben – offiziell, zur „Prävention von Gefahren für die nationale Sicherheit“. Außerdem wolle man „gewalttätigen Zwischenfällen“ vorbeugen. Bei Verstößen gegen das Zutrittsverbot drohen Geld- und Haftstrafen.

Die Schaffung von „Sondersicherheitszonen“ ist Teil einer größeren Entwicklung, bei der militärische Sperrgebiete in verschiedenen Teilen von Nordkurdistan eingerichtet werden. Dadurch werden ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten und unterliegen der Kontrolle und Willkür des Militärs. Diese Maßnahmen führen zu einer erheblichen Belastung für die kurdische Landbevölkerung und erhöhen den Druck auf die Bewohnerinnen und Bewohner, die betroffenen Gebiete zu verlassen.

https://anfdeutsch.com/kurdistan/militaroperation-am-bagok-in-nisebin-43450

 

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Konferenz in Berlin: „Wir weben die Zukunft gemeinsam“

1. September 2024 - 15:00

In Berlin findet an diesem Wochenende eine Friedenskonferenz unter dem Motto „Wir weben die Zukunft gemeinsam“ statt. Veranstalter ist das Europäische Forum für Freiheit und Frieden, das von Akademiker:innen, Journalist:innen, Schriftsteller:innen, Künstler:innen und Politiker:innen aus der Türkei und Kurdistan gegründet wurde und sich als Bewegung gegen den „unerklärten globalen Krieg“ definiert.

Die internationale Konferenz im Mercure Hotel befasst sich mit globalen Konflikten und zielt darauf ab, Dialoge zu fördern, Kriegsverbrechen anzugehen und Friedensbemühungen zu unterstützen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die aktuellen Kriege in der Ukraine, in Syrien, im Jemen, in Palästina und in Kurdistan. Weitere Diskussionsthemen sind Militarismus, Nationalismus, Rassismus, Feminizid und Ökozid. Ein Schwerpunkt ist die kurdische Frage und die damit zusammenhängende Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan in türkischer Haft. Das Forum unterstreicht, dass Frieden, Freiheit, Demokratie und Dialog in der heutigen zerrissenen Welt dringender denn je benötigt werden.

 

Erfahrungen von Oppositionsbewegungen in Konflikten und Verhandlungsprozessen

Die Soziologin Prof. Dr. Neşe Özgen erklärte in der Eröffnungsrede am Samstag, dass das Ziel der Konferenz darin bestehe, Frieden und Demokratie gegen die zunehmenden Konflikte in der Welt zu verteidigen. Hinsichtlich der Türkei und Kurdistans sagte die in Ankara geborene Wissenschaftlerin, dass die Isolation von Abdullah Öcalan beendet werden müsse, damit der Krieg aufhört und ein demokratischer Prozess umgesetzt werden kann: „Diese Isolation muss beendet werden, damit die Kriegspolitik im Nahen Osten aufhört und die Philosophie von Jin Jiyan Azadî, die kurdischen Frauen und allen Frauen der Welt Hoffnung gibt, zum Leben erweckt werden kann, und damit Bedingungen für ein freies und gleichberechtigtes Leben geschaffen werden können.“

In der ersten Sitzung am Samstag wurde über Erfahrungen von Oppositionsbewegungen in Konflikten und Verhandlungsprozessen in Palästina, Philippinen, Kolumbien, Südafrika und Irland gesprochen, das Podium wurde von dem ehemaligen HDP-Abgeordneten Hişyar Özsoy moderiert.

 

Femizid, Ökozid und Soziozid

Zum Thema Femizid, Ökozid und Soziozid referierten Elif Kaya vom Jineoloji-Zentrum Europa, Necmettin Türk von der Mesopotamischen Ökologiebewegung und die Anthropologin Dr. Latife Akyüz unter der Moderation des Journalisten Ertuğrul Mavi. Die Konferenz wird heute fortgesetzt, zum Abschluss soll eine zusammenfassende Erklärung verabschiedet werden.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/september-friedens-und-demokratiekonferenz-in-berlin-43414 https://anfdeutsch.com/aktuelles/kcdk-e-wir-fordern-frieden-fur-die-ganze-welt-43433 https://anfdeutsch.com/aktuelles/konferenz-in-berlin-demokratie-und-freiheit-in-der-turkei-31076

 

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Femizid in Semsûr

1. September 2024 - 15:00

In der kurdischen Provinz Semsûr (tr. Adıyaman) ist eine 26-Jährige durch Pistolenschüsse getötet worden. Als dringend tatverdächtig gilt der 36-jährige Ehemann der Getöteten. Er soll die Frau, deren Name mit Merve Daşcan angegeben wurde, vor den Augen der gemeinsamen drei Kinder im Familienhaus im zentralen Bahçelievler-Viertel erschossen haben, bevor er sich mit derselben Waffe selbst tötete.

Nachbarn hätten am Samstagabend mehrere Schüsse wahrgenommen und die Polizei verständigt. Als diese eintraf und eine Türöffnung veranlasste, stießen die Beamten auf die blutüberströmten Leichen des Paares und die verängstigten Kinder. Die Staatsanwaltschaft Adıyaman hat eine Obduktion veranlasst. Die Kinder der Getöteten – ein einjähriges Baby sowie zwei Kinder im Alter von vier und sieben Jahren – wurden in die Obhut der Provinzvertretung des Ministeriums für Familie und soziale Dienste übergeben.

Kein Tag ohne Femizid

In der Türkei vergeht fast kein Tag ohne Femizid. Allein in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres wurden nach Recherchen der Plattform „Wir werden Frauenmorde stoppen“ (KCDP) mindestens 228 Frauen von Männern aus ihrem Umfeld ermordet. Dazu kommt eine Dunkelziffer von 140 getöteten Frauen, bei denen ein Femizid nicht zweifelsfrei nachzuweisen ist, obwohl der Zusammenhang einen patriarchal motivierten Mord nahelegt. Morde an Frauen werden auch als Femizide oder Feminizide bezeichnet. Der Begriff soll ausdrücken, dass hinter diesen Tötungen oft keine individuellen, sondern gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen. Die in Istanbul ansässige Organisation KCDP sieht die Dichte an tödlicher Gewalt gegen Frauen in der Türkei als Ergebnis der Regierungspolitik von Staatspräsident Erdoğan.

https://anfdeutsch.com/frauen/feminizid-an-yuksel-yargan-prozessauftakt-in-duisburg-43353 https://anfdeutsch.com/frauen/im-schlaf-erschossen-dreifacher-femizid-in-meleti-42819 https://anfdeutsch.com/frauen/femizid-in-merdin-polizist-erschiesst-frau-und-kind-42583

 

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Militäroperation am Bagok in Nisêbîn

1. September 2024 - 13:00

Die türkische Armee hat am Samstag eine Militäroperation gegen die kurdische Guerilla im Landkreis Nisêbîn (tr. Nusaybin, Provinz Mêrdîn/Mardin) eingeleitet. Acht Dörfer und ihr Umland am Gebirgsmassiv Bagok wurden vom Gouverneursamt zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Die Anordnung gilt zunächst für zwei Wochen.

Das Gebiet Xirbê Xelo wurde heute gegen 5.30 Uhr von Kampfjets bombardiert. Danach kamen drei Kampfhubschrauber zum Einsatz. Wie aus der Region berichtet wird, waren Schüsse zu hören. Die Operation wird mit Bodentruppen und der Luftwaffe fortgesetzt.

Foto: Archiv

https://anfdeutsch.com/kurdistan/hubschrauberangriffe-und-schusswechsel-am-bagok-41902 https://anfdeutsch.com/kurdistan/tekik-die-fruher-erlittenen-traumata-kommen-wieder-42878 https://anfdeutsch.com/hintergrund/karasu-kurdistan-steht-in-flammen-43328

 

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Rassistische Gewalt gegen kurdische Arbeiter

1. September 2024 - 13:00

Die polarisierende Politik der Regierung in der Türkei hat in letzter Zeit zu einer Zunahme rassistischer Angriffe und Gewalt geführt. In DEM-regierten Gemeinden wurden auf Anordnung des Innenministeriums kurdische Verkehrshinweise entfernt, Dutzende Menschen wurden festgenommen, misshandelt und verhaftet, weil sie zu kurdischer Musik tanzten.

In den letzten zehn Tagen sind zudem drei weitere rassistische Übergriffe gegen kurdische Arbeiter bekannt geworden. Özgür İpek, Mehmet Argın und Cemal Güzel, Bauarbeiter in Balıkesir, wurden am Abend des 21. August von der Polizei festgenommen und geschlagen, als sie in einem Park kurdische Musik hörten. Am 23. August wurden Arbeiter aus Amed, die an der Installation einer Solarenergieanlage in Nevşehir arbeiteten, mit Pistolen, Messern und Stöcken angegriffen, weil sie Trikots von Amedspor trugen. Am 30. August schließlich wurden Schüsse auf ein Haus in Samsun abgefeuert, in dem sich Landarbeiter aus Riha (tr. Urfa) aufhielten.

Serhat Eren, DEM-Abgeordneter aus Amed

Der DEM-Abgeordnete Serhat Eren erklärte gegenüber MA, dass diese Angriffe mit der Politik der Regierung zusammenhängen und Lynchmobs gegen Kurd:innen geradezu gefördert werden. „Es gibt eine Lynchkampagne in der Türkei. An vielen Orten werden kurdische Arbeiter und zu kurdischer Musik tanzende Menschen angegriffen. Die Grundlage dafür sind der diskriminierende Diskurs und die Hassreden der Regierung gegen die Kurden. Rassismus und Nationalismus werden bewusst angefeuert“, sagte der DEM-Politiker und wies darauf hin, dass zwei der in Balıkesir und Nevşehir angegriffenen Arbeiter verhaftet wurden und ihnen im Gefängnis weitere Gefahren drohten.

Eren forderte die Freilassung der verhafteten Kurden und erklärte, dass Unterdrückung und Einschüchterung das kurdische Volk niemals entmutigen werden: „Wir wissen, dass die Kurdinnen und Kurden seit Jahrhunderten in allen Lebensbereichen Assimilation, Einschüchterung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Die Kurden werden niemals ihre Sprache, ihre Existenz, ihre Identität und ihre Symbol aufgeben. Repression ist keine Lösung, das weiß selbst die Regierung. Deshalb müssen allen ihren Teil dazu beitragen, dass diese politischen Operationen und die nationalistischen und rassistischen Angriffe gegen Kurden, kurdische Frauen, kurdische Identität, Sprache und Medien so schnell wie möglich beendet werden.“

https://anfdeutsch.com/kultur/kurdisch-verbot-und-assimilation-43400 https://anfdeutsch.com/aktuelles/rassistischer-angriff-auf-kurdische-arbeiter-in-mugla-42736 https://anfdeutsch.com/aktuelles/rassistischer-angriff-auf-kurdische-arbeiter-in-ankara-40500 https://anfdeutsch.com/aktuelles/hemmungsloser-hass-turkischer-nationalisten-antikurdischer-rassismus-im-netz-40469

 

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Türkische Fußballfans wegen „Yeşil“-Masken festgenommen

1. September 2024 - 10:00

Ultranationalistische Fußballfans in der Türkei feiern bei Auswärtsspielen von Amedspor immer wieder mit Bildern des berüchtigten JITEM-Agenten Mahmut Yıldırım (Deckname „Yeşil“) die türkischen Todesschwadronen, die während des schmutzigen Krieges in den 1990er Jahren für Tausende Morde an der kurdischen Zivilbevölkerung verantwortlich waren. Als Amedspor vergangene Woche in Istanbul gegen Sakaryaspor spielte, wurden in Internetforen Aufnahmen verbreitet, die Fans von Sakaryaspor auf dem Weg zum Stadion zeigten. Die Männer trugen Masken mit dem Konterfei von „Yeşil“ und machten das Handzeichen der Grauen Wölfe, einer schwenkte ausgelassen in islamistischer Symbolik ein Schwert.

AKP’li başkana göre ‘Yeşil’ maskesi takarak Amedspor maçına giden ırkçı taraftar, vatanseverliklerini ifade etmiş!https://t.co/AoM45d91ui pic.twitter.com/BduyqT90RC

— Yeni Yaşam Gazetesi (@yeniyasamgazete) August 31, 2024

Das Video sorgte für Aufsehen und die Generalstaatsanwaltschaft Sakarya leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Elf Personen wurden daraufhin in ihren Wohnungen festgenommen. Der Clubchef von Sakaryaspor, Gökhan In, gab nach dem Spiel gegen Amedspor seinen Rücktritt bekannt. Der Provinzverbandsvorsitzende der AKP in Sakarya, Yunus Tever, verteidigte die „Yeşil“-Fans und erklärte in einem Statement, sie hätten lediglich ihren Patriotismus und ihre Verbundenheit mit ihrem Fußballclub zum Ausdruck gebracht.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/organisierter-lynchangriff-auf-fussballverein-amedspor-36550 https://anfdeutsch.com/kurdistan/nach-angriffen-auf-amedspor-amed-halt-zusammen-36555 https://anfdeutsch.com/aktuelles/morddrohungen-gegen-linke-politiker-innen-tater-enttarnt-sich-selbst-29523

 

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Langer Marsch in der Schweiz: Freiheit für Öcalan!

1. September 2024 - 10:00

Die kurdische Jugendbewegung TCŞ (Tevgera Ciwanên Şoreşger) und die Bewegung kämpferischer junger Frauen (TekoJIN) haben mit einem langen Marsch (Meşa Dirêj) in der Schweiz die Freilassung des am 15. Februar 1999 in die Türkei verschleppten PKK-Gründers Abdullah Öcalan und eine Lösung der Kurdistan-Frage gefordert.

 


Die Demonstration endete vor dem Sitz der Vereinten Nationen in Genf. Auf der rund fünfzehn Kilometer langen Wegstrecke informierten die Aktivist:innen am Samstag über die Bedeutung von Abdullah Öcalan für eine Lösung der kurdischen Frage. Als die Demonstrant:innen am türkischen Konsulat vorbeikamen, wurde die Wut auf das Erdogan-Regime mit Parolenrufen deutlich gemacht.

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Ein weiterer langer Marsch findet Mitte September in Deutschland statt. Vom 15. bis 20. September werden kurdische und internationalistische Aktivist:innen gemeinsam für die Freiheit Abdullah Öcalans demonstrieren. Auftakt ist in Bielefeld. Die Aktion findet im Rahmen der weltweiten Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage“ statt, es werden Aktivist:innen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, England und weiteren Staaten in Europa erwartet.

Hintergrund: Seit 2021 kein Lebenszeichen

Abdullah Öcalan, der 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begründete, gilt als wirkmächtigster politische Gefangene der Gegenwart. Seit er vor mehr als 25 Jahren im Rahmen eines internationalen Komplotts, an dem unter anderem die USA und Israel beteiligt waren, in Kenia entführt und völkerrechtswidrig an die Türkei übergeben wurde, befindet er sich unter Abschottung von seiner Außenwelt im Inselgefängnis Imrali. Den letzten Anwaltsbesuch erhielt der heute 75-Jährige 2019, letztmaliger Familienbesuch kam 2020 zustande. Im März 2021 wurde bedingt durch eine internationale Protestwelle ein Telefongespräch zwischen Öcalan und seinem Bruder ermöglicht, das jedoch nach wenigen Minuten aus unbekannten Gründen unterbrochen worden ist.

Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan und seinen drei Mitgefangenen Ömer Hayri Konar, Hamili Yıldırım und Veysi Aktaş. Besuchsanträge der Istanbuler Kanzlei Asrin, die die vier Imrali-Gefangenen anwaltlich vertritt, werden von der türkischen Justiz abgelehnt, Auskunftsersuchen bleiben unbeantwortet. Zur juristischen Ummantelung werden alle sechs Monate verlängerte Disziplinarstrafen im Strafvollzug verhängt. Auch internationale Initiativen zur Aufhebung der Isolation auf Imrali werden in Ankara ignoriert.

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) hat nach einem Besuch im Inselgefängnis Imrali im Jahr 2019 festgestellt, dass die Incommunicado-Haft im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsstandards steht. Das Verbot von Anwaltsbesuchen verstößt gegen die 2015 aktualisierten Standard-Mindestregeln der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), gegen die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) und gegen das türkische Vollzugsgesetz.

https://anfdeutsch.com/aktuelles/genf-kurdische-jugendbewegung-demonstriert-fur-Ocalan-43443 https://anfdeutsch.com/aktuelles/mobivideo-fur-langen-marsch-der-kurdischen-jugend-43392 https://anfdeutsch.com/aktuelles/langer-marsch-fur-die-freiheit-von-abdullah-Ocalan-43343 https://anfdeutsch.com/aktuelles/betreff-der-fall-abdullah-Ocalan-43044

 

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