«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Çiğdem Doğu: Frauen müssen frei und autonom zusammenleben
Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ vom 27. Februar hat auch auf den Kampf der Frauen spezifische Auswirkungen. Çiğdem Doğu, Exekutivratsmitglied der Gemeinschaft der Frauen Kurdistans (KJK), hat diese gegenüber der Zeitung Yeni Yaşam erläutert. Die Entfremdung der Frauen vom gemeinschaftlichen Leben, so Doğu, bedeute den Tod der Sozialität selbst: „Frau bedeutet Gesellschaft. Frau bedeutet Leben.“
Die Dialektik zwischen Gesellschaft und Frauen
Als Ausgangspunkt der Analyse und dementsprechend der Suche nach Lösungen für die Probleme der heutigen Gesellschaft setzt Doğu eine einfach scheinende Feststellung: „Wo die Gesellschaft gestorben ist, wurde die Stimme der Frauen zum Schweigen gebracht.“ Abdullah Öcalan habe den Ansatz verfolgt, eigenständige und autonome Frauenorganisationen aufzubauen. Wie Doğu ausführt, ermöglichte dies, „sowohl den sozialen Kampf, den Kampf für den Sozialismus, als auch den kurdischen nationalen Befreiungskampf“ voranzutreiben.
„Die Entwicklung einer autonomen und eigenständigen Frauenorganisation hat auf bemerkenswerte Weise die Dialektik zwischen Gesellschaft und Frauen offenbart. Denn was die Sozialität zerstört, ist die männlich dominierte Mentalität“, erklärt sie. „Ich halte es für einen unschätzbaren Grundsatz, auf eigenständige und autonome Weise organisiert zu sein. Wir haben unsere eigene Organisation, die wie unser eigener Raum ist. Es ist von großer Bedeutung, dass Frauen auf gemeinschaftliche, eigenständige und autonome Weise zusammenleben.“
„Frauen müssen ihre eigene Konvention schaffen“
Dem Ausstieg der Türkei aus der Istanbul-Konvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt stellt Çiğdem Doğu die Perspektive entgegen, dass Frauenbewegungen nun ihre eigene Konvention schaffen müssen. Ein solcher Schritt verlange jedoch organisatorische Voraussetzungen: „Eine Konvention, die besagt, dass nie wieder eine Frau getötet wird; eine Konvention, die besagt, dass unsere Kinder nie wieder ermordet werden. Wenn man keine eigene Form der Organisation und Solidarität hat, kann es keinen Reflex geben, um zu reagieren.
Wir sind mit staatlicher und polizeilicher Gewalt konfrontiert. Wir haben eine schwere Form des Faschismus erlebt und leben weiterhin darunter. Es konnte kein starker Kampf dagegen geführt werden. Warum? Weil es nicht genug Organisation gab und keine Agenden erstellt wurden.“
Die Art der Organisation ist entscheidend
Doğu unterstreicht die Notwendigkeit eines echten und autonomen Organisationsmodells und erläutert: „Wenn wir von Organisation sprechen, meinen wir nicht irgendeine Organisation, sondern eine, die unverwechselbar und autonom ist. Wir diskutieren dies aus der Perspektive aller sozialistischen und anarchistischen Bewegungen. Können wir dieses massive, von Männern dominierte System mit einer klassischen zivilgesellschaftlichen Struktur überwinden? Können wir eine Struktur verändern, die jeden Tag tötet, vergewaltigt und den Willen bricht? Nein. Daher muss die Organisationsform kommunal sein.“
„Eine eigenständige und autonome Frauenorganisation ist unerlässlich“
Die KJK, so Doğu, fungiert als ein konföderales System von Frauen, das durch Kommunen, Frauenversammlungen und Frauenakademien aufgebaut wurde. „Wir arbeiten mit einer Strategie, die darauf abzielt, Frauen zu befähigen, ihre eigene Selbstverteidigung innerhalb der Gesellschaft aufzubauen, und wir sind entsprechend organisiert.“
Mit Bezug zu Öcalans aktuellen Reflexionen fährt Doğu fort: „In der neuen Phase ist einer der Hauptpunkte, auf die Öcalan als Kritik, Selbstkritik und Transformation Bezug nimmt, genau dieser, und er stützt sich dabei fest auf die Kommunalisierung. Der Ort, an dem diese Kommunalisierung wirklich zum Willen sowohl der Frauen als auch der Gesellschaft wird, ist der Ort, an dem der Dolch endlich aus dem Rücken der Frau gezogen wird.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/dogu-eine-neue-inklusiv-gedachte-turkei-identitat-ist-notig-47534 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/soydan-akay-gesellschaftliches-sein-ist-sozialistisch-47054 https://deutsch.anf-news.com/frauen/Cigdem-dogu-kontinuitat-im-wandel-46345
Amed: Aufruf zur Teilnahme an 9. Oktober-Demonstration
Mit der erzwungenen Ausweisung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan aus Syrien am 9. Oktober 1998 hat eine internationale Geheimdienstoperation begonnen. Seine völkerrechtswidrige Verschleppung aus der griechischen Botschaft in Nairobi auf die türkische Gefängnisinsel Imrali war ihre Folge.
Die Plattform Demokratischer Initiativen in Nordkurdistan hat nun zur Teilnahme an einer Demonstration aufgerufen, die in Amed (tr. Diyarbakır) an dem Jahrestag der Ausweisung stattfinden soll. An exponierter Stelle prangte während der Pressekonferenz im Provinzbüro der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) in Amed ein Banner mit der Aufschrift „Bi rebertiya azad ber bi civaka azad“ (dt. „Mit einer freien Führung (Abdullah Öcalan) zu einer freien Gesellschaft“).
Die Isolation durchbrechen
Das kurdische Volk habe bis heute zwar seine Existenz bewiesen, doch mit der Verschleppung Öcalans vor 26 Jahren ging anschließend auch seine beispiellose Isolation einher, leitete Abbas Şahin, Ko-Vorsitzender der DEM-Partei in Amed, ein. „Durch diese Verschwörung versuchten sie, die Errichtung eines demokratischen Systems im Nahen Osten zu verhindern und die demokratische Lösung der kurdischen Frage zu blockieren. Anstatt jedoch Abdullah Öcalans Verbindung zum Volk durch Isolation zu unterbrechen, hat sie diese nur noch weiter gestärkt.“
Der DEM-Politiker unterstrich folgend die weitreichende Bedeutung des Friedensaufrufs von Öcalan vom 27. Februar. Diese könne ihre Wirkung nicht voll entfalten, solange Öcalan von den konkreten Verhandlungen ausgeschlossen bliebe: „Es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit Herr Öcalan seine Rolle und Mission erfüllen kann. Am 9. Oktober um 16:30 Uhr werden wir unter dem Motto „Mit einer freien Führung zu einer freien Gesellschaft“ einen Marsch auf dem Scheich-Said-Platz (Dağkapı-Platz) veranstalten. Wir laden unser gesamtes Volk ein, sich dem Marsch anzuschließen.“
„Für ein demokratisches Leben“
Auch die Bewegung freier Frauen (TJA) ruft zur zahlreichen Teilnahme in Amed auf. Die TJA-Aktivistin Gülistan Sarılı sagte: „Wir werden am 9. Oktober auf dem Scheich-Said-Platz eine Demonstration gegen die Verschwörung abhalten. Unsere Demonstration wird bis nach Balıkçılarbaşı weitergehen. Wir rufen unser Volk auf, sich dieser Demonstration anzuschließen, Frauen, junge Menschen und ältere Menschen gleichermaßen. Lasst uns für ein demokratisches Leben und für die Freiheit der Gefangenen auf die Straße gehen.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-ruft-zu-protesten-fur-Ocalans-freilassung-und-losung-der-kurdischen-frage-auf-48288 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kongra-star-ruft-zu-protesten-am-9-oktober-auf-48247 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-friedensprozess-braucht-klare-politische-und-juristische-grundlagen-48225 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalans-pladoyer-fur-den-freien-menschen-als-horbuch-download-38839
TJK-E ruft zu Protesten für Öcalans Freilassung und Lösung der kurdischen Frage auf
Zum Jahrestag des Beginns des internationalen Komplotts gegen den PKK-Begründer Abdullah Öcalan am 9. Oktober hat die Kurdische Frauenbewegung in Europa (TJK-E) zu Protesten in zahlreichen Städten aufgerufen:
Wofür steht der 9. Oktober?
Am 9. Oktober 1998 musste Abdullah Öcalan, Gründer und Vorsitzender der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), auf militärischen und politischen Druck der Türkei und der NATO Syrien verlassen. Zwei Möglichkeiten boten sich ihm: Entweder in die Berge Kurdistans zu gehen, wo der bewaffnete Kampf zwischen der PKK und der türkischen Armee geführt wurde, oder in Europa für eine politische Lösung des Konflikts aktiv zu werden. Er entschied sich für den zweiten Weg. Aber dieser sollte zu einem Irrweg werden, in der europäische Staaten ihn zur Persona non grata erklärten und ihm jegliche Tore verschlossen wurden. Seine Odyssee durch drei Kontinente endete am 15. Februar 1999 in seiner Verschleppung aus der griechischen Botschaft in Kenia durch NATO-Geheimdienste in die Türkei, wo er seitdem unter Isolationsbedingungen inhaftiert ist. Für Kurd:innen markiert der 9. Oktober deshalb den Beginn des internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalan.
27 Jahre Kampf für Frieden - trotz Isolation
Abdullah Öcalan hat unter schwersten Isolationsbedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali in den vergangenen 27 Jahren seine Bemühungen für eine Beendigung des bewaffneten Konflikts und eine politische Lösung der kurdischen Frage ununterbrochen fortgesetzt. Dabei hat er jede noch so kleine Chance ergriffen und sich für Verhandlungen mit dem türkischen Staat stark gemacht. In diesem Zusammenhang hat im Oktober letzten Jahres ein neuer politischer Prozess mit Gesprächen zwischen Öcalan und Ankara begonnen. Meilensteine in diesem Prozess waren Öcalans Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft, die Selbstauflösung der PKK und die erklärte Bereitschaft, die Strategie des bewaffneten Widerstands zu beenden. In einem symbolischen Akt haben dann 30 Guerillakämpfer:innen im Juli ihre Waffen verbrannt. Daraufhin hat im August eine parlamentarische Kommission zum Dialogprozess ihre Arbeit aufgenommen.
Freiheit für Abdullah Öcalan
Trotz aller Zeichen des guten Willens auf kurdischer Seite hat die türkische Regierung bisher keine Taten auf ihre Worte folgen lassen. Weder hat die parlamentarische Kommission Abdullah Öcalan als kurdischen Hauptakteur angehört, noch sind bestehende antidemokratische Gesetze geändert und neue Gesetze erlassen worden, um den Prozess voranzubringen. Dabei braucht es rechtliche Grundlagen, um den Weg für einen umfassenden politischen Prozess, der die friedliche Lösung der kurdischen Frage und die Demokratisierung der Türkei zum Ziel hat, zu öffnen. Abdullah Öcalan ist hierbei Hauptverhandlungsführer und muss dementsprechend frei agieren können. Deshalb fordern wir seine Freiheit, die unmittelbar mit der politischen Lösung der kurdischen Frage zusammenhängt. Wir rufen in diesem Zusammenhang die europäische Öffentlichkeit und EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, endlich einen positiven Beitrag für ein Ende des bewaffneten Konflikts zu leisten und den Prozess für Frieden und eine demokratische Lösung zu unterstützen.“
Die von der TJK-E angekündigten Proteste finden unter dem Motto „Freiheit für Abdullah Öcalan – Für Frieden und demokratische Lösung“ statt. Angekündigt wurden Aktionen in:
8. Oktober 2025 (Mittwoch)
Schweiz – Genf
12:00 Uhr
Vor dem UN-Gebäude
Deutschland – Aurich
16:00 Uhr
Marktplatz
9. Oktober 2025 (Donnerstag)
Deutschland – Hannover
17:00 Uhr
Hauptbahnhof (HBF)
10. Oktober 2025 (Freitag)
Deutschland – Berlin
17:00 Uhr
Alexanderplatz
Deutschland – Hamburg
16:00 Uhr
Schulterblatt 71 / Rote Flora
Schweden – Stockholm
15:00 Uhr
Mynttorget
11. Oktober 2025 (Samstag)
Niederlande – Den Haag
14:00 Uhr
Carnegieplein 1
Deutschland – Frankfurt am Main
14:00 Uhr
Hauptbahnhof
Deutschland – Düsseldorf
13:30 Uhr
DGB-Haus
Frankreich – Paris
14:00 Uhr
Place de la République
Frankreich – Marseille
13:00 Uhr
Canebière
Frankreich – Bordeaux
15:00 Uhr
Place Stalingrad
Frankreich – Straßburg
14:00 Uhr
Place Dauphine
Österreich – Wien
15:00 Uhr
Westbahnhof, 1060 Wien
Dänemark – Kopenhagen
12:00 Uhr
Nytorv
Kranker politischer Gefangener soll Suizid begangen haben
Im Hochsicherheitsgefängnis in der zentralanatolischen Provinz Kırıkkale soll sich der seit Jahrzehnten inhaftierte politische Gefangene Abdülkadir Tatlı das Leben genommen haben. Das teilten die zuständigen Vollzugsbehörden am Dienstag mit, ohne nähere Angaben zu machen. Menschenrechtsorganisationen fordern eine umgehende Aufklärung des Falls.
Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD stand Tatlı auf der Liste schwerkranker Gefangener. Der seit 1999 inhaftierte Kurde habe seit Langem an mehreren Krankheiten gelitten und sei zuletzt in einer Zelle untergebracht gewesen, die für drei Personen ausgelegt ist, in der er jedoch allein gehalten wurde.
Die Leiche Tatlıs wurde gestern zunächst zur Obduktion in das staatliche Krankenhaus von Kırıkkale gebracht. Bereits am Abend ist der Leichnam zur Beisetzung in seine Heimatstadt Farqîn (tr. Silvan) in der kurdischen Provinz Amed (Diyarbakır) überführt worden.
Die Parlamentsabgeordnete Newroz Uysal Aslan von der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) schrieb auf der Plattform X von einem „weiteren Todesfall in Haft“. Sie wies darauf hin, dass laut Angaben des Justizministeriums allein im Jahr 2024 818 Gefangene in türkischen Haftanstalten ums Leben gekommen seien, darunter 68 Fälle, die als Suizid registriert wurden.
Uysal Aslan sprach von einem „systemischen Problem“, das von „verdächtigen Todesfällen bis hin zur Vernachlässigung schwerkranker Gefangener“ reiche. „Gefängnisse sind zu Orten geworden, an denen Tod durch Isolation, Druck und Nachlässigkeit alltäglich geworden ist“, erklärte die Politikerin. Sie forderte eine unabhängige Untersuchung und ein Ende der Zustände, die sie als „tödliches Vollzugsregime“ bezeichnete.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/bericht-systematische-menschenrechtsverletzungen-in-turkischen-gefangnissen-48175 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/politischer-gefangener-yildirim-han-tot-42616 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/der-politische-gefangene-reber-soydan-ist-tot-42161 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/22-jahriger-politischer-gefangener-in-wan-gestorben-43969
Türkei legt gegen EGMR-Urteil zu Demirtaş Berufung ein
Die Türkei will ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall des früheren HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş anfechten. Wie das Justizministerium mitteilte, wurde eine Delegation nach Straßburg entsandt, um eine Überprüfung durch die Große Kammer des Gerichts zu beantragen.
Der EGMR hatte Anfang Juli zum zweiten Mal eine Verletzung von Demirtaş’ Rechten festgestellt und seine Inhaftierung als politisch motiviert eingestuft. Die Entscheidung fiel nach einer Beschwerde seiner Anwält:innen, die unter anderem mangelnde Beweise und politische Beweggründe für seine fortgesetzte Haft geltend gemacht hatten.
Demirtaş war im November 2016 unter vorgeblichen Terrorvorwürfen festgenommen worden. 2020 urteilte der EGMR erstmals, dass seine Inhaftierung nicht ausreichend begründet sei und forderte die sofortige Freilassung. Ankara reagierte damals mit einem neuen Haftbefehl, diesmal wegen des Vorwurfs der Anstiftung zu Straftaten. Auch diese Verhaftung wurde nun vom EGMR als menschenrechtswidrig gewertet.
In dem aktuellen Urteil kritisierte das Gericht neben der politischen Motivation auch die Verzögerungen beim türkischen Verfassungsgericht sowie Einschränkungen für Demirtaş’ Verteidigung. So sei sein Recht auf Freiheit und Sicherheit ebenso verletzt worden wie das Recht auf ein faires Verfahren.
Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien werfen Ankara seit Langem vor, die Justiz zur Ausschaltung politischer Gegner:innen zu instrumentalisieren. Die Türkei weist die Vorwürfe zurück. Mit dem Einspruch in Straßburg will die Regierung erreichen, dass das Urteil von der Großen Kammer – dem höchsten Gremium des EGMR – überprüft wird.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/egmr-verurteilt-turkei-erneut-wegen-inhaftierung-von-selahattin-demirtas-46995 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/anwaltskammer-amed-fordert-freilassung-von-demirtas-48265 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/neue-anklage-gegen-selahattin-demirtas-48123 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/dem-partei-fordert-freilassung-aller-kobane-gefangenen-48214
Salih Muslim: Ziel ist, uns zur Aufgabe unseres Systems zu zwingen
Während es an den Kontaktlinien zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und den von der syrischen Übergangsregierung kontrollierten Gebieten vermehrt zu Angriffen und Gefechten kommt, intensivieren auch Zellen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ihre Angriffe. Der kurdische Politiker Salih Muslim, Mitglied des Exekutivrats der PYD, analysiert im Gespräch mit ANF die aktuelle militärische und politische Lage in Syrien – mit besonderem Blick auf die Autonomiegebiete, die Interessen internationaler Akteure sowie die Strategien regionaler Staaten.
Muslim kritisiert die wachsenden Drohungen und Druckversuche durch die Türkei und die selbsternannte Regierung in Damaskus. Deren Forderung, die DAANES solle ihre Waffen abgeben und sich dem Staatsapparat unterwerfen, lehne man ab, betont er. Auch die Zunahme der Angriffe durch türkeitreue SNA-Milizen sowie durch Islamisten von „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) sei Ausdruck eines koordinierten Vorgehens. Muslim wirft der syrischen Staatsführung vor, die Vereinbarungen des 10.-März-Abkommens zu missachten. Ein geplantes Abkommen in Paris unter internationaler Aufsicht sei auf Druck der Türkei gescheitert. Angesichts der zunehmenden Bedrohungslage betont er die Entschlossenheit der Selbstverwaltung, geeignete Maßnahmen zur Verteidigung zu ergreifen.
Herr Muslim, in Dair Hafir kam es jüngst zu Angriffen auf die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und zivile Siedlungsgebiete. In Deir ez-Zor intensiviert der IS in Gebieten unter HTS-Kontrolle seine Aktivitäten. Gleichzeitig hat die sogenannte Übergangsregierung den Verkehrsweg zwischen Aleppo und Raqqa gesperrt. Was sind die Hintergründe dieser Entwicklungen?
Die Übergangsregierung verfolgt seit Langem bestimmte Pläne – ebenso wie die Kräfte, die sie überhaupt erst ins Amt gebracht haben. Um ihr internationale Legitimität zu verschaffen, hat man sie bei den Vereinten Nationen sprechen lassen und sie offiziell empfangen. Das Ziel ist klar: Man will uns in diese Übergangsregierung integrieren und sie dadurch stärken. Man verlangt von uns, dass wir unsere Waffen abgeben, uns dem Militär anschließen und Teil des Staates werden – unter massivem Druck.
Einige ihrer Ziele überschneiden sich mit denen des türkischen Staates. Die Türkei wiederum nutzt genau diese Strukturen, um Druck auf uns auszuüben. Es gibt Gruppen, die direkt von Ankara gesteuert werden – etwa die sogenannte „Syrische Nationalarmee“ (SNA). Diese Milizen haben uns über vier Monate (November 2024 bis März 2025, Anm. d. Ü.) hinweg ununterbrochen angegriffen, um nach Osten vorzudringen. Sie sind damit gescheitert. Danach kam es zum 10.-März-Abkommen. Seitdem vermitteln die USA und die internationale Anti-IS-Koalition, und es konnte ein Waffenstillstand erzielt werden.
Trotzdem scheint das Abkommen nicht umgesetzt zu werden. Was läuft schief?
Man will sich von diesem Abkommen wieder lösen – verschleppt die Umsetzung, ignoriert die Inhalte und erfüllt keine der vereinbarten Bedingungen. Gemeinsam mit der Türkei versucht man, uns unter Druck zu setzen und uns hinters Licht zu führen. Aber das wird nicht funktionieren – wir haben ein stabiles System, das Bestand hat.
Ein weiterer zentraler Punkt ist das Öl. In Deir ez-Zor gibt es bedeutende Vorkommen, die man sich aneignen will. Unsere Kräfte leisten dort entschlossenen Widerstand. Gleichzeitig droht die Türkei regelmäßig – und darauf folgen oft Angriffe durch IS-Zellen. Mit all dem sind wir täglich konfrontiert. Zuletzt wurde erneut Dair Hafir angegriffen, dabei wurden einige unserer Kämpfer:innen verletzt.
Man versucht, uns durch ständigen Druck zu zermürben. Und die internationale Gemeinschaft – einschließlich der USA – sieht das, schweigt aber. Denn an diesen Druckkampagnen ist die Türkei beteiligt, und niemand will Ankara verärgern. Das Ziel ist, uns in die Knie zu zwingen. Aber wir leisten Widerstand.
Wie ist der Stand der Gespräche zwischen der nordostsyrischen Selbstverwaltung und der Übergangsregierung auf Basis des 10.-März-Abkommens? Wo liegen die Blockaden? Und wie unterscheiden sich die Vorstellungen zur Dezentralisierung und Integration?
Das Abkommen besteht aus acht Punkten. Damals wurde vereinbart, für jeden dieser Punkte ein eigenes Komitee einzurichten. Themen sollten unter anderem sein: Wie wird das neue Syrien aussehen? Diktatur, Republik oder Demokratie? Wie wird die Macht verteilt? Wie werden die QSD eingebunden?
Wichtig ist: Als Mazlum Abdi das Abkommen unterzeichnete, tat er das nicht im eigenen Namen. Er handelte im Namen der Autonomieverwaltung, des Demokratischen Syrienrats und der Demokratischen Kräfte Syriens. All diese Akteure hatten sich vorher abgestimmt und den Kurs gemeinsam festgelegt. Doch kaum war das Abkommen unterschrieben, begann die andere Seite, sich wieder davon zu distanzieren. Die versprochenen Komitees wurden nie gebildet, ernsthafte Diskussionen blieben aus.
Geplant war auch eine Verhandlungsrunde in Paris unter internationaler Aufsicht. Was ist daraus geworden?
Diese Verhandlungen sollten unter Aufsicht internationaler Akteure wie den USA, Frankreich und Großbritannien stattfinden. Doch sie wurden blockiert – offenbar auf Druck der Türkei. Denn eine solche Konferenz hätte die syrische Frage auf die internationale Bühne gehoben. Das wollte man offenbar verhindern.
Stattdessen heißt es nun: „Wir sprechen nur in Damaskus.“ Die Türkei stellt sich klar gegen das Abkommen. Deshalb kommt es höchstens zu technischen Treffen, während zentrale politische Fragen gar nicht erst verhandelt werden. Man versucht, uns mit der Botschaft zu demütigen: „Ihr habt verloren – und wir haben die Türkei und die USA hinter uns.“
In der Türkei laufen derzeit Gespräche über eine mögliche Lösung der kurdischen Frage. Hat das Auswirkungen auf die Situation in Rojava?
Natürlich. In der Türkei und in Nordkurdistan gibt es derzeit einen Prozess zur Lösung der kurdischen Frage. Jüngsten Umfragen zufolge unterstützen rund 75 Prozent der Bevölkerung diesen Weg – sowohl Kurd:innen als auch Türk:innen. Doch es gibt Kräfte, die diesen Prozess sabotieren wollen – und zwar, indem sie gezielt Unruhen in Rojava provozieren.
Man kann nicht Kobanê bombardieren und gleichzeitig in Amed über Frieden sprechen. Wenn es Frieden geben soll, dann überall. Abdullah Öcalan hat es deutlich gesagt: „Rojava ist unsere rote Linie.“ Aber manche Akteure wollen hier im Westen gezielt einen Konflikt provozieren, um den Friedensprozess im Norden zu untergraben. Sie wollen einen Krieg in Rojava entfachen.
Es wurde viel diskutiert – aber es gab keine Fortschritte. Manche sagten, in einem Jahr könne eine Lösung gefunden werden. Doch wenn es so weitergeht, wird auch in einem Jahr nichts erreicht sein. Ohne Einigung kann das 10.-März-Abkommen nicht umgesetzt werden. Es ist nicht nur für unsere Gebiete gedacht, sondern für ganz Syrien. Deshalb gibt es so viele Blockaden.
Sowohl die Türkei als auch Abu Mohammed al-Dschaulani – alias Ahmed al-Scharaa – behaupten, die QSD und die Selbstverwaltung würden weder die arabische Bevölkerung noch die Mehrheit der Kurd:innen repräsentieren. Gleichzeitig gibt es Kontakte zum Kurdischen Nationalrat (ENKS). Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Man behauptet, die QSD verträten nicht die Kurd:innen, weil viele ihrer Mitglieder Araber:innen seien. Ja, das stimmt teilweise – vielleicht ist etwa die Hälfte der QSD arabisch. Aber die QSD sind ein multiethnisches Bündnis: Kurd:innen, Araber:innen, Assyrer:innen, Armenier:innen – sie alle sind Teil davon. Was sie vereint, ist das gemeinsame Projekt der Autonomie.
Es sind also nicht nur die Kurd:innen, die Autonomie wollen – auch die anderen Völker fordern sie. Die Kurd:innen haben das Projekt angestoßen, aber in Städten wie Deir ez-Zor und Raqqa gibt es zivile und militärische Räte, in denen ausschließlich lokale Vertreter:innen sitzen – die Kinder und Angehörigen der dortigen Bevölkerung. Bei den letzten Angriffen in Deir ez-Zor waren es vor allem arabische Kämpfer, die ihr Leben verloren haben.
Als Mazlum Abdi das 10.-März-Abkommen unterzeichnete, war das kein rein militärischer Schritt der QSD. Es war ein gemeinsamer politischer Beschluss – getragen von der Selbstverwaltung, dem Demokratischen Syrienrat und allen angeschlossenen Parteien und Institutionen. Mazlum Abdi handelte mit ihrer Zustimmung.
Die QSD sind also Teil dieses Prozesses – aber eben nur ein Teil. Zu sagen, sie „repräsentieren die Kurd:innen nicht“, ist schlicht Unsinn. Der Vereinigte Kurdische Kongress hat sie beauftragt – das ist eine legitime Repräsentation. Wer das nicht anerkennt, sucht nur nach Vorwänden. Und wer Ausreden sucht, wird immer welche finden.
Bei der 80. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde auch die Lage in Syrien thematisiert. Beobachter:innen berichten, Dschaulani werde zunehmend international legitimiert. Welche Folgen hätte das für die Region – und wie verlaufen die aktuellen Gespräche der Selbstverwaltung in Europa?
Was haben die Vereinten Nationen jemals wirklich gelöst, dass sie nun ausgerechnet die Probleme Syriens lösen sollten?
Dschaulani nutzte seinen Auftritt dort, um eigene Propaganda zu verbreiten. Er forderte Hilfe, das Ende der Sanktionen und stellte sich als Alternative für Syrien dar. Doch faktisch hat sich nichts verändert. Man hat ihn öffentlich aufgewertet – so wie Erdoğan ihm bereits auf regionaler Ebene Legitimität verschafft hat, verleiht man ihm nun auch auf internationalem Parkett Ansehen.
Aber echte Legitimität bezieht sich nicht von außen – sondern vom eigenen Volk. Eine Regierung braucht Unterstützung durch die eigene Bevölkerung, nicht durch fremde Staaten. Und Dschaulani hat diese Unterstützung nicht. Niemand im Land betrachtet ihn als legitimen Vertreter.
Deshalb sage ich ganz klar: Es hat sich nichts verändert. Die Erklärungen und Entscheidungen der Vereinten Nationen sind wirkungslos. Sie sind Worte ohne Konsequenzen.
Der US-Sondergesandte für Syrien, Tom Barrack, hatte im Juli die Formel „ein Land, ein Volk, eine Armee“ für Syrien betont und sich gegen föderale oder dezentralisierte Lösungsmodelle ausgesprochen – relativierte diese Aussagen aber später. Wie bewerten Sie seine Äußerungen und die Absetzung seines alten Teams? Gibt es Unterschiede zwischen dem Pentagon, dem US-Kongress und der Trump-Regierung, was die Haltung zu Rojava betrifft?
Tom Barrack ist weder Politiker noch Diplomat – er stammt aus der Geschäftswelt. Seine ursprünglichen Aussagen wie „eine Sprache, ein Volk, eine Flagge“ richteten sich offenbar an bestimmte konservative Kreise. Doch als der öffentliche Druck – sowohl innerhalb der USA als auch international – zunahm, hat er seine Position abgeschwächt. Dann hieß es plötzlich: Auch andere Modelle, etwa Formen von Autonomie, seien denkbar.
In den USA gibt es viele, die uns unterstützen – nicht nur klassische Lobbys, sondern auch aufrichtige Menschen mit einem politischen Gewissen, die unser Projekt für richtig halten. Natürlich gibt es auch organisierte Gruppen, die uns helfen. Der Druck auf Barrack war so groß, dass er seine Rhetorik ändern musste.
Mit dem Pentagon arbeiten wir nun seit über zehn Jahren eng zusammen – wir stehen auf derselben Seite der Front. Auf praktischer Ebene hat sich daraus ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Aber auf politischer Ebene – insbesondere wegen NATO-Interessen – sieht es anders aus. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch andere Konflikte in der Region, etwa Palästina oder die Ukraine.
Was Donald Trump betrifft: Niemand kann vorhersagen, was er als Nächstes tun oder sagen wird. Wie schon 2019 könnte er plötzlich Erdoğan freie Hand geben. Das ist keineswegs ausgeschlossen. Wir müssen daher wachsam bleiben und unsere Verteidigung sichern. Es ist ein kritischer Moment – und das müssen wir auch als solchen erkennen.
Wie sind die aktuellen Drohungen aus der Türkei zu bewerten?
Die Türkei versucht, mit aggressiver Außenpolitik von internen Problemen abzulenken – und so die öffentliche Meinung im eigenen Land zu beeinflussen. Gleichzeitig betrachtet sie die sogenannte Dschaulani-Regierung in Idlib als Chance, sich in Syrien neuen Raum zu schaffen. Es ist ein Konkurrenzkampf, auch mit Israel, um Einflussgebiete.
Die Drohungen aus der Türkei kommen von höchster Stelle – vom Präsidenten, dem Verteidigungsminister, dem Generalstabschef. Wenn solche Aussagen wiederholt werden, müssen wir sie ernst nehmen. Natürlich hoffen wir, dass diese Eskalationen verhindert werden – aber wenn nicht, müssen wir vorbereitet sein. Wir haben keine andere Wahl, als Vorsorge zu treffen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Grundlagen für den Aufbau eines demokratischen Syriens? Welche Rolle sollten Minderheiten wie Drus:innen, Alawit:innen oder Kurd:innen spielen – und was gehört in eine künftige Verfassung?
Wenn Syrien wirklich einen Neuanfang will, dann muss dieser mit einer demokratischen Verfassung beginnen. Es braucht eine Verfassung, die alle gesellschaftlichen Gruppen anerkennt – und die grundlegende Rechte wie Sprache, Kultur, Glaubensfreiheit und das Zusammenleben garantiert.
Das System, das wir in der Demokratischen Selbstverwaltung aufgebaut haben, könnte als Modell für ganz Syrien dienen. Aber dafür müssen wir bei der Verfassung anfangen. Es braucht faire Wahlgesetze, klare Regelungen für Parteien und umfassende Freiheitsrechte.
Minderheiten wie Alawit:innen, Drus:innen, Ezid:innen oder Suryoye müssen sowohl in ihrer religiösen als auch in ihrer ethnischen Identität anerkannt werden. Wenn man eine dieser Dimensionen ignoriert, schafft man neue Konflikte. Deshalb müssen alle an einem Tisch zusammenkommen, offen diskutieren und – wenn es keine äußeren Einmischungen gibt – einen gemeinsamen Nenner finden.
Bisher fehlt dieser Prozess. Aus unserer Sicht ist ein dezentralisiertes Regierungssystem ein realistischer und gangbarer Weg. Eine ernsthafte, inklusive Debatte über die Zukunft Syriens ist dringend nötig und liegt im Interesse aller.
Hinweis: Das Gespräch mit Salih Muslim wurde vor den jüngsten Angriffen syrischer Regierungstruppen gegen die kurdischen Stadtteile von Aleppo geführt.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/annaherung-zwischen-selbstverwaltung-und-Ubergangsregierung-bei-treffen-in-damaskus-48283 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zwei-tote-und-60-verletzte-nach-angriff-auf-kurdische-viertel-in-aleppo-48274 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/selbstverwaltung-verurteilt-angriffe-auf-kurdische-viertel-in-aleppo-48275
Europaweit Proteste gegen Angriffe auf kurdische Viertel in Aleppo
In mehreren europäischen Städten haben am Dienstag kurdische Organisationen und solidarische Gruppen gegen die jüngsten Angriffe auf die überwiegend kurdisch bewohnten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo organisiert. Die Angriffe, die durch Fraktionen unter dem Kommando der syrischen Übergangsregierung erfolgten, stießen innerhalb der kurdischen Gesellschaft auf Wut und Empörung.
In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien forderten Vereine, Initiativen und Einzelpersonen ein sofortiges Ende der Gewalt sowie eine internationale Reaktion auf das Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung.
Hamburg, Köln, Stuttgart – „Rojavas Widerstand ist Menschlichkeit“
In Hamburg kamen zahlreiche Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz zusammen. Die Aktion wurde von verschiedenen Jugendgruppen organisiert. In Redebeiträgen wurde betont, dass die Angriffe nicht nur den Menschen vor Ort gelten, sondern auch der „über Jahre erkämpften demokratischen Ordnung in Rojava“. Auf einem großen Transparent war „Frieden für Rojava und Syrien – Nein zum Krieg“ zu lesen.
Köln
Auch in Köln, Stuttgart und Heilbronn fanden Kundgebungen statt. In Köln beteiligten sich unter anderem das Demokratische Gesellschaftszentrum sowie Frauengruppen und Studierende. Die Redner:innen warnten vor einer Normalisierung der Angriffe auf kurdische Zivilist:innen in Syrien.
In Stuttgart forderten Teilnehmende auf der Königstraße ein Ende der Blockade von Şêxmeqsûd und Eşrefiyê.
Heilbronn
Paris, Marseille, Villiers-le-Bel – Solidarität mit Rojava
In mehreren französischen Städten – darunter Paris und Marseille – fanden ebenfalls Proteste statt. In Villiers-le-Bel, einem Pariser Vorort, erklärten das örtliche Kurdische Gemeinschaftszentrum und der Frauenrat Evin Goyi, die Angriffe seien ein gezielter Schlag gegen die Selbstverwaltung in Rojava und die kurdische Bewegung. In Marseille wurde außerdem für die Teilnahme an einer überregionalen Demonstration anlässlich des Beginns des internationalen Komplotts gegen Abdullah Öcalan am 9. Oktober 1998 und für die Freiheit des kurdischen Repräsentanten am kommenden Wochenende mobilisiert.
Marseille
Amsterdam und Arnhem – Appelle an die EU
In Amsterdam versammelten sich Aktivist:innen am Hauptbahnhof und riefen dazu auf, die Waffenlieferungen an kriegsführende Länder in Nah- und Mittelost zu stoppen und diplomatischen Druck auf die Übergangsregierung in Syrien auszuüben. In Arnhem wurde zudem eine Solidaritätserklärung mit der Bevölkerung in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê verlesen. Immer wieder wurden Parolen wie „Bijî berxwedana Rojava“ und „Bijî YPG“ gerufen.
Arnhem
Stockholm – „Diese Errungenschaften lassen wir uns nicht nehmen“
Auch in der schwedischen Hauptstadt Stockholm wurde protestiert. Die Vertreter:innen der in Rojava aktiven Partei PYD erinnerten an den jahrelangen Kampf der Bevölkerung Nord- und Ostsyriens gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und betonten: „Diese Errungenschaften lassen wir uns nicht nehmen. Rojava wird sich nicht beugen.“
London – Protest vor dem Amtssitz des Premierministers
Besonders deutliche Worte fanden die Demonstrierenden in London, wo eine Kundgebung vor der Downing Street stattfand. Dort erklärten Vertreter:innen der kurdischen Gemeinde, die Angriffe stellten einen Bruch internationalen Rechts dar. „Diese Barbarei ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit – und Schweigen ist Komplizenschaft“, hieß es in der Rede. Die britische Regierung wurde aufgefordert, sich für ein Ende der Gewalt in Syrien einzusetzen.
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Annäherung zwischen Selbstverwaltung und Übergangsregierung bei Treffen in Damaskus
In Damaskus haben sich am Dienstag führende Vertreter:innen der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) mit der syrischen Übergangsregierung getroffen. Ziel der Gespräche war es, zentrale Punkte des sogenannten 10.-März-Abkommens weiter zu konkretisieren – darunter die Integration ziviler und militärischer Institutionen der Autonomieregion in den syrischen Staat, sicherheitspolitische Fragen sowie eine mögliche Verfassungsreform.
An dem Treffen nahmen der Oberkommandierende der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, die Ko-Außenbeauftragte der DAANES, Ilham Ehmed, der Vorsitzende der Zukunftspartei Syriens, Abid Hamid al-Mihbash, der stellvertretende Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats (MSD), Ghassan al-Yousef und Rohilat Efrîn, Kommandantin der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) teil. Die Übergangsregierung war vertreten durch den selbsternannten Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa und Außenminister Assaad al-Schaibani.
Verfassungsreform und Integration der Sicherheitskräfte diskutiert
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen wurde kein offizielles Dokument unterzeichnet, jedoch sei eine grundsätzliche Verständigung über vier zentrale Themenbereiche erfolgt. Ein Schwerpunkt der Gespräche war die mögliche Integration der QSD und der Behörde für Innere Sicherheit (Asayîş) in eine künftige gesamtstaatliche Sicherheitsstruktur. Auch wenn es sich zunächst um ein mündliches Einvernehmen handelt, wird dieser Punkt von Beobachter:innen als möglicher Schritt zur Schaffung einer einheitlichen, pluralistischen syrischen Armee gewertet.
YPJ-Kommandantin Rohilat Efrîn begrüßt am Montag den US-Syriengesandten Tom Barrack in Hesekê | Foto: YPJ
Darüber hinaus wurde eine künftige Verfassungsreform thematisiert. Ziel sei ein Grundgesetz, das die Vielfalt der Bevölkerung Syriens widerspiegele, Rechte schütze und politische Teilhabe ermögliche. Vertreter:innen der Selbstverwaltung fordern seit Langem eine dezentrale Struktur, die alle ethnischen und religiösen Gruppen Syriens einbezieht.
Waffenruhe für Aleppo und Nordostsyrien angekündigt
Im Zuge des Treffens wurde auch eine Waffenruhe vereinbart – nicht nur für die kurdisch geprägten Stadtteile in Aleppo. „Wir haben uns auf eine umfassende Waffenruhe an allen Fronten und Militärstützpunkten im Norden und Nordosten Syriens geeinigt“, hieß es auf dem X-Account des syrischen Verteidigungsministers Murhaf Abu Kasra. Die Übereinkunft erfolgt vor dem Hintergrund der zuletzt angespannten Lage in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê, wo es in der vergangenen Nacht zu schweren Angriffen durch syrische Regierungstruppen und Gefechten gekommen war. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet, über 60 weitere verletzt.
Rückkehr Geflüchteter und Anti-Terror-Strategien im Fokus
Ein weiterer Tagesordnungspunkt war die Frage der Rückkehr von Vertriebenen sowie der gemeinsame Umgang mit Terrorismus. Beide Seiten betonten, dass diese Themen für die langfristige Stabilität des Landes von zentraler Bedeutung seien.
Das Treffen reiht sich ein in eine Serie diplomatischer Kontakte, die zuletzt an Dynamik gewonnen hatten. Bereits am Montag hatte die Delegation im nordostsyrischen Hesekê den US-Sondergesandten für Syrien, Tom Barrack, den CENTCOM-Kommandeur Admiral Brad Cooper sowie weitere Kommandanten der internationalen Anti-IS-Koalition empfangen.
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Hatimoğulları: Gespräche mit Öcalan wären politisch „wichtiger Schritt“
Die Ko-Vorsitzende der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları, hat sich positiv zu dem Vorschlag geäußert, Mitglieder des Parlaments könnten zu Gesprächen mit dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf die türkische Gefängnisinsel Imrali reisen. Ein solches Treffen sei geeignet, „eine politische Blockade zu durchbrechen“, sagte Hatimoğulları am Dienstag gegenüber Medien nach der Fraktionssitzung ihrer Partei im Parlament.
Hintergrund ist eine Rede von MHP-Chef Devlet Bahçeli, in der dieser überraschend erklärte, die parlamentarische „Kommission für Nationale Einheit, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ könne Öcalan befragen, um neue Impulse für den politischen Prozess in der kurdischen Frage zu gewinnen. Der Vorsitzende der türkischen Ultranationalisten schloss nicht aus, dass Ergebnisse der Gespräche auch öffentlich gemacht werden. „Wir stimmen mit dieser Einschätzung überein“, sagte Hatimoğulları. „Die Kommission sollte auf jeden Fall mit Herrn Öcalan als Hauptverhandlungspartner Gespräche auf Imrali führen. Dies wäre politisch ein wichtiger Schritt.“
Vorsichtiger Ton gegenüber Bahçelis QSD-Forderung
Mit Blick auf Bahçelis Forderung, Öcalan solle auch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) explizit zum Niederlegen der Waffen auffordern, zeigte sich Hatimoğulları zurückhaltend. Die Inhalte möglicher Appelle könne man nicht im Voraus bewerten – dies solle Thema eines direkten Gesprächs sein. „Die Kommission soll hingehen, sich selbst ein Bild machen und seine Meinung einholen“, so Hatimoğulları. Sie verwies zugleich auf laufende Gespräche zwischen den QSD und der syrischen Übergangsregierung in Damaskus. Ihre Partei begrüße und unterstütze den Dialog über eine Integration der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und ihrer Institutionen in ein neues Syrien, betonte die Abgeordnete.
Appell zur Umsetzung der EGMR-Urteile
Hatimoğulları forderte in dem Pressegespräch außerdem die umgehende Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall der ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie weiterer Inhaftierter im Zusammenhang mit dem sogenannten „Kobanê-Verfahren“. „Der EGMR hat inzwischen mehrfach festgestellt, dass ihre Inhaftierung rechtswidrig ist. Die Türkei hat bis spätestens morgen Zeit, die jüngste Entscheidung umzusetzen. Wir erwarten, dass die Betroffenen in den nächsten Stunden freigelassen werden“, sagte Hatimoğulları. Das Verfahren belaste nicht nur die Betroffenen selbst, sondern verletze auch das Gerechtigkeitsempfinden breiter Teile der Gesellschaft. Die Urteile des EGMR müssten „verbindlich umgesetzt“ werden, forderte sie.
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MHP-Chef Bahçeli: Kommission soll Kontakt zu Öcalan aufnehmen
Der Vorsitzende der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli, hat sich erneut auf den Friedensaufruf des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan vom 27. Februar dieses Jahres bezogen und betont, diese sei für seine Partei „bindend“. Zugleich sprach er sich dafür aus, dass die im türkischen Parlament für eine Lösung der kurdischen Frage eingerichtete Kommission direkte Gespräche mit Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali führen sollte.
„Wenn nötig, sollten Abgeordnete aus der ‚Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie‘ nach Imrali reisen und die Position Öcalans direkt anhören“, sagte Bahçeli am Dienstag bei einer Fraktionssitzung im Parlament. Ziel sei es, „die Erklärung vom 27. Februar zu aktualisieren, zu erweitern und zu vertiefen“, um eine stabile Grundlage für den innerstaatlichen Dialog zu schaffen.
QSD sollen ebenfalls dem Imrali-Aufruf folgen
Bahçeli betonte, dass Öcalans Friedensappell nach seiner Interpretation nicht nur für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelte, sondern auch für die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und deren Rückgrat, die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Diese hätten sich bislang nicht dem Aufruf Öcalans angeschlossen.
„Unser Verständnis ist, dass der Aufruf alle Bestandteile des separatistischen Terrors umfasst – also auch die QSD/YPG“, sagte Bahçeli. Er forderte daher, dass Öcalan explizit die QSD auffordere, dem im März mit Damaskus geschlossenen Abkommen „Folge zu leisten“. Die Vereinbarung sieht unter anderem eine Integration aller zivilen und militärischen Institutionen in Nord- und Ostsyrien in die Verwaltung des syrischen Staates vor.
Keine Verhandlungen, aber Dialog erwünscht
Trotz der Gesprächsoffensive betonte Bahçeli, dass es keine Zugeständnisse oder politischen Verhandlungen im klassischen Sinne geben werde. Der Prozess müsse sich auf „nationale Einheit, öffentliche Ordnung und gesellschaftlichen Frieden“ stützen. Seine Partei sei nicht bereit, Kompromisse einzugehen oder sich auf politische Tauschgeschäfte einzulassen.
Gleichzeitig plädierte Bahçeli für einen breiten und realistischen Verhandlungsrahmen. Die Kommission, die am Mittwoch zu ihrer 14. Sitzung zusammentreten soll, müsse die Voraussetzungen für rechtliche und politische Reformen schaffen. „Jeder in diesem Land hat etwas zu sagen – es geht darum, zuzuhören und den sichersten Weg für die Zukunft zu wählen“, sagte er.
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Cansu Özdemir fordert Bundesregierung zu Kurswechsel in Syrienpolitik auf
Nach den jüngsten Angriffen auf kurdische Wohnviertel in Aleppo hat die Bundestagsabgeordnete Cansu Özdemir (Die Linke) die Bundesregierung zu einem klaren Kurswechsel in ihrer Syrienpolitik aufgefordert. Die Politikerin bezeichnete die Lage in der Region als weiterhin „fragil“ und warf Berlin eine beschönigende Haltung gegenüber islamistischen Milizen vor.
„Zehntausende Zivilist:innen – Kurd:innen, Christ:innen, Ezid:innen – leben weiter in Angst“, erklärte Özdemir. Die Angriffe durch die syrische Übergangsregierung auf die Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê zeigten, dass der Syrien-Konflikt keineswegs befriedet sei. Auch wenn die derzeitige Waffenruhe ein wichtiges Signal sei, bleibe unklar, ob sie Bestand haben werde.
Scharfe Kritik an Umgang mit Dschaulani
Besonders deutlich fiel Özdemirs Kritik am Umgang der Bundesregierung mit Ahmed al-Scharaa, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dschaulani. Der Anführer der offiziell aufgelösten Islamistenallianz „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) fungiert seit dem Sturz des ehemaligen Machthabers Baschar al-Assad als Präsident der sogenannten syrischen Übergangsregierung, der zunehmend von der internationalen Gemeinschaft als Gesprächspartner hofiert wird.
„Ich sage ganz klar: Dschaulani ist und bleibt ein islamistischer Terrorist“, erklärte Özdemir. Dass dieser trotz seiner Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen von der Bundesregierung akzeptiert werde, sei „erschreckend“. Berlin dürfe keine Normalisierung solcher Akteure zulassen.
Forderung nach inklusivem Friedensprozess
Özdemir forderte stattdessen ein entschlossenes Eintreten für einen politischen Friedensprozess, der alle ethnischen und religiösen Gruppen Syriens einbezieht und ein dezentral organisiertes Syrien schafft. „Was in Syrien geschieht, ist kein Wiederaufbau, sondern die Wiederholung der Geschichte – nur mit neuen Täter:innen, die alte Methoden anwenden. Als Linke stehen wir an der Seite der Menschen in Rojava und Aleppo“, so Özdemir.
Angriffe in Aleppo
Am Montag kam es in Aleppos kurdisch geprägten Stadtteilen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê zu schweren Angriffen syrischer Regierungstruppen auf die Zivilbevölkerung, bei denen schwere Waffen, Panzer und Drohnen eingesetzt wurden. Zuvor waren beide Bezirke abgeriegelt worden. Nach Angaben der Behörden in den selbstverwalteten Stadtteilen wurden im Zuge der Gewalt zwei Menschen von Panzerfahrzeugen überrollt und getötet, mehr als 60 weitere Menschen wurden verletzt. Einige von ihnen erlitten Schussverletzungen, andere wurden mit Reizgasvergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert.
Foto: Cansu Özdemir im November 2024 bei einer Demonstration zum Tag gegen Gewalt an Frauen in Hamburg © ANF
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Yüksel Genç: „Dieser Marsch dauert seit 26 Jahren an“
Im Anschluss an den Protestmarsch der kurdischen Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad) von Amed (tr. Diyarbakır) nach Ankara hat die Soziologin und Aktivistin Yüksel Genç am Dienstag im türkischen Parlament gesprochen. In der Fraktionssitzung der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) betonte sie die Notwendigkeit einer politischen Lösung der kurdischen Frage und erinnerte an die lange Geschichte des Kampfes der Kurd:innen um Frieden.
Genç, die heute das in Amed ansässige Zentrum für sozialpolitische Feldforschung (SAMER) koordiniert, ist ehemalige Guerillakämpferin der PKK und war Mitglied der ersten Friedensgruppe, die am 1. Oktober 1999 auf Aufruf Abdullah Öcalans aus Südkurdistan in die Türkei zurückkehrte, um zur Beilegung des bewaffneten Konflikts beizutragen. Die aktuelle Aktion der TJA sei daher für sie nicht einfach ein einwöchiger Protest, sondern Teil eines „26 Jahre andauernden Marschs für Frieden“.
Der Mut zum Frieden
Genç würdigte den Mut der Frauen, die sich trotz gesellschaftlicher Repression für Dialog und Versöhnung einsetzten. Die Demonstration von Amed nach Ankara sei Ausdruck einer Haltung, die an das Friedenspotenzial der Gesellschaft appelliere – gerade in einer Zeit, in der sich viele zurückzögen. Die Verweigerung politischer Lösungen in der Vergangenheit habe zehntausende Menschenleben gekostet, so Genç. Anstelle eines „Teufelskreises der Verluste“ müsse nun endlich ein „Modell des beiderseitigen Gewinns“ durchgesetzt werden. „Die Gleichung des Friedens führt zu gemeinsamen Gewinnen“, sagte sie.
Kadınlar son durakları olan mecliste/ pic.twitter.com/qaBqvc8gyx
— Medine Mamedoğlu (@MamedogluMedine) October 7, 2025Öcalan als Schlüsselperson benannt
Besondere Aufmerksamkeit richtete Genç auf die Rolle Abdullah Öcalans, dem seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Begründer der PKK. „Wenn die Politik sich wirklich für Frieden entscheidet, muss sie die Voraussetzungen für Öcalans Teilnahme an einem demokratischen Verhandlungsprozess schaffen. Nur so kann ein stabiler, tragfähiger Frieden entstehen“, so die Soziologin. Sie erinnerte daran, dass bereits 1999 Bedingungen für einen Waffenstillstand vorgeschlagen wurden – diese aber von türkischer Seite ignoriert wurden. Die jetzige Staatsführung müsse aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, mahnte Genç.
Parlament zur Rückbesinnung auf seine Rolle aufgefordert
Ihr Auftritt im Parlament habe auch symbolischen Charakter, so Genç. Sie forderte die Nationalversammlung auf, sich an ihre ursprüngliche demokratische und inklusive Rolle bei der Staatsgründung vor über 100 Jahren zu erinnern. Die Vielfalt der Bevölkerung müsse sich auch institutionell widerspiegeln.
„Unsere Bewegung zeigt, dass Würde und Vielfalt miteinander gehen“, sagte Genç. Ziel sei eine freie, demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft und die Öffnung des Weges nach Imrali sei dabei eine notwendige Etappe.
„Dieser Protest ist ein Zwischenhalt, kein Ende“
Genç betonte zum Abschluss ihrer Rede, dass der Protest der TJA weitergehe – symbolisch wie praktisch. Erst wenn in der Türkei politische Gleichheit herrsche, politische Gefangene freigelassen seien und PKK-Kämpfer:innen ihre Waffen niederlegen und zurückkehren könnten, sei dieser „lange Marsch“ beendet. Bis dahin bleibe Ankara nur „eine Zwischenstation“.
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Delegation der kurdischen Frauenbewegung im türkischen Parlament
Nach dem Abschluss ihres Protestmarschs unter dem Motto „Mit Hoffnung in die Freiheit“ will die kurdische Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad) nun das türkische Parlament für ihre Anliegen gewinnen. Vertreterinnen der Bewegung kündigten Gespräche mit drei Fraktionen an, die in der Nationalversammlung vertreten sind. Zuvor waren sie unter „Bijî Serok Apo“-Rufen und Victory-Zeichen ins Parlament gezogen und beteiligten sich an der Gruppensitzung der DEM-Fraktion.
Im Zentrum des Handelns der TJA steht ein Bericht, den die Aktivistinnen auf ihrer einwöchigen Demonstration von Amed (tr. Diyarbakır) nach Ankara erarbeitet haben. Dieser soll den Mitgliedern der parlamentarischen „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ übergeben werden.
Gespräche mit AKP, CHP und Yeni Yol geplant
Die Gespräche finden in Form bilateraler Treffen statt. Den Auftakt bildet am heutigen Dienstag ein Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierungspartei AKP. Im Anschluss will die Delegation die Mitglieder der Partei Yeni Yol (Neuer Weg) treffen. Am Dienstagmorgen ist zudem ein Austausch mit Mitgliedern der Republikanischen Volkspartei (CHP) geplant.
Delegation unter Leitung erfahrener Aktivistinnen
Die TJA-Delegation besteht aus bekannten Persönlichkeiten der kurdischen Frauen- und Demokratiebewegung. Angeführt wird sie von Meral Danış Beştaş, Ko-Sprecherin des Demokratischen Volkskongresses (HDK) und Abgeordnete der DEM-Partei, sowie den TJA-Aktivistinnen Ayla Akat Ata und Hülya Alökmen. Ebenfalls Teil des Teams ist Devrim Demir, die abgesetzte Ko-Bürgermeisterin der kurdischen Großstadt Mêrdîn (Mardin).
Ziel: Demokratische Lösung der kurdischen Frage
Mit dem Dialogangebot will die Frauenbewegung politische Verantwortungsträger:innen an die Notwendigkeit einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage erinnern. Der vorgelegte Bericht enthält nach Angaben der TJA politische, rechtliche und gesellschaftliche Empfehlungen – darunter die Aufhebung der Isolationshaft von Abdullah Öcalan, die Einleitung eines neuen Friedensprozesses, sowie Maßnahmen zur Stärkung demokratischer Teilhabe insbesondere für Frauen und Minderheiten.
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TJA-Marsch erreicht Ankara – Forderung nach Öcalans Freilassung und neuer Friedenspolitik
Der Protestmarsch der kurdischen Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad), der vor sechs Tagen in Amed (tr. Diyarbakır) begonnen hatte, ist am Dienstag im Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara angekommen. Mit der Initiative unter dem Motto „Mit Hoffnung in die Freiheit“ fordern die Teilnehmerinnen ein Ende der Isolationshaft des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan sowie dessen Einbindung in eine politische Lösung der kurdischen Frage.
Die Gruppe hatte auf ihrem Weg in mehreren Städten Station gemacht, darunter in Riha (Urfa), Dîlok (Antep), Adana und Mersin, bevor sie am siebten Tag in Ankara eintraf. Ziel war eine Demonstration vor dem türkischen Parlament. Die Polizei verhinderte jedoch den Marsch dorthin und errichtete Sperren am Güvenpark im Stadtzentrum. Eine geplante Kundgebung musste daraufhin spontan dort abgehalten werden.
Öcalans Rolle im Friedensprozess im Zentrum der Forderungen
In einer Erklärung unterstrichen die Aktivistinnen, dass Öcalans Freilassung eine zentrale Voraussetzung für einen glaubwürdigen und nachhaltigen Friedensprozess sei. Die ehemalige HDP-Abgeordnete Sebahat Tuncel erklärte, man werde nicht aufhören sich für dieses Ziel einzusetzen, bis Öcalan frei sei: „Er hat immer wieder betont: Die Freiheit des Volkes ist wichtiger als seine eigene. Wir verstehen das, und sagen: Seine Freiheit ist unsere Freiheit.“
Kritik an Untätigkeit des Staates
Tuncel warf der Regierung Untätigkeit in der kurdischen Frage vor. Ein echter Friedensprozess erfordere politische und rechtliche Reformen – nicht nur symbolische Gesten. Der Staat müsse konkrete Schritte unternehmen, um Dialog und Versöhnung zu ermöglichen, insbesondere durch die Freilassung politischer Gefangener und die Abschaffung repressiver Gesetze.
Auch politische Parteien seien in der Pflicht: „Frieden ist nicht nur Aufgabe der Regierung, sondern aller politischen Kräfte“, sagte Tuncel. Die Frauenbewegung werde daher ihre Forderungen in Form eines Aktionspapiers an alle Fraktionen im Parlament übermitteln.
Verweis auf aktuelle Konflikte in Syrien und Palästina
In ihrem Redebeitrag bezog sich Tuncel auch auf die aktuelle Lage in der Nahostregion. Sie verwies auf die Angriffe der selbsternannten syrischen Übergangsregierung auf die kurdischen Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo. Die Türkei dürfe nicht länger eine Politik unterstützen, die sich gegen die kurdische Bevölkerung in Syrien richte. Eine Lösung der kurdischen Frage müsse auch regionale Aspekte einbeziehen.
Zudem forderte Tuncel einen sofortigen Rückzug Israels aus den besetzten palästinensischen Gebieten. Der Protest richte sich auch gegen Unterdrückung weltweit – „ob in Rojava oder in Gaza“, so Tuncel.
Fokus auf „verhandelnde Demokratie“
Während der Kundgebung wurde auch ein schriftlicher Gruß Abdullah Öcalans an die Teilnehmerinnen verlesen und von den Anwesenden mit Applaus und Sprechchören aufgenommen. Im Zentrum der Botschaft steht das Konzept des 76-Jährigen einer „verhandelnden Demokratie“, die politische Partizipation über Mehrheitsentscheidungen hinausdenkt. Tuncel betonte, dass dauerhafter Frieden nur möglich sei, wenn alle Gruppen – auch die kurdische Bevölkerung – gleichberechtigt in die politische Ordnung eingebunden würden.
TJA-Delegation im Parlament
„Wir fordern alle gesellschaftlichen Kräfte auf, sich an diesem Weg zu beteiligen“, sagte Tuncel zum Abschluss der Aktion. Die Frauen kündigten an, ihre Mobilisierung fortzusetzen – nicht nur für die Freiheit Öcalans, sondern auch für eine demokratische, friedliche Zukunft. Eine größere Gruppe von TJA-Aktivistinnen zog anschließend unter Victory-Zeichen und „Bijî Serok Apo“-Rufen ins Parlament, um sich an der Gruppensitzung der DEM-Fraktion zu beteiligen. Für den späten Nachmittag sind mehrere Gespräche einer Abordnung der Bewegung mit verschiedenen Parteien im Parlament geplant.
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KON-MED mobilisiert zu Protesten gegen Angriffe auf Kurd:innen in Aleppo
Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) hat angesichts der Gewalt gegen kurdische Stadtteile in Aleppo zu Protesten in mehreren deutschen Städten aufgerufen. Bei den Übergriffen durch Truppen der syrischen Übergangsregierung und verbündeter Islamistenmilizen in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê waren in der Nacht zum Dienstag zwei Menschen getötet und über 60 weitere verletzt worden.
In einer Erklärung kritisiert der Dachverband die Angriffe scharf und warnt vor einer weiteren Eskalation. „Die Angriffe auf Şêxmeqsûd und Eşrefiyê sind Teil gezielter Provokationen gegen das friedliche Zusammenleben der Völker“, heißt es in dem Statement. Besonders besorgniserregend sei der Einsatz schwerer Waffen sowie die versuchte Mobilisierung über religiöse Kanäle wie Moscheen, um die Bevölkerung gegeneinander aufzuhetzen. Ziel sei es, das gesellschaftliche Miteinander zu zerstören, so KON-MED.
Protestaktionen in bisher sieben Städten geplant
Die Organisation ruft alle Kurd:innen in Deutschland sowie solidarische Gruppen dazu auf, sich an Demonstrationen zu beteiligen, „um gegen Krieg und für Menschlichkeit Stellung zu beziehen“. Der Appell richtet sich auch an deutsche Institutionen.
„Wir fordern die Bundesregierung, politische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen dazu auf, eine klare Haltung gegenüber diesen massiven Angriffen auf die kurdische Zivilbevölkerung einzunehmen“, erklärte KON-MED weiter. Der Angriff auf die kurdischen Viertel sei ein direkter Angriff auf die Errungenschaften der Rojava-Revolution und die demokratischen Strukturen in Nord- und Ostsyrien.
Die ersten Proteste sind für den heutigen Dienstag, den 7. Oktober um 17:00 Uhr angekündigt. Geplant sind Kundgebungen an folgenden Orten:
Hannover: Kröpcke (Einkaufszentrum)
Saarbrücken: Europa-Galerie
Berlin: Breitscheidplatz
Hamburg: Hachmannplatz
Bochum: Hauptbahnhof
Stuttgart: Pusteblumebrunnen / Königstraße
München: Sendlinger Straße
KON-MED ruft ihre Mitgliedsverbände und Gemeinden auf, die Proteste gemeinsam mit lokalen Unterstützer:innen zu organisieren. „Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen und ein starkes Zeichen der Solidarität zu setzen“, so der Verband.
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Selbstverwaltung verurteilt Angriffe auf kurdische Viertel in Aleppo
Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat die Angriffe auf die kurdisch geprägten Stadtteile Şêxmeqsûd und Eşrefiyê in Aleppo durch Truppen der syrischen Übergangsregierung scharf verurteilt. In einer Mitteilung bezeichnete die Selbstverwaltung die Vorfälle als „Fortsetzung einer Politik der Unterdrückung und ethnischen Ausgrenzung“.
Die Angriffe auf die beiden Viertel, die am 6. Oktober von Einheiten der Übergangsregierung mit Panzern, Drohnen und schwerer Artillerie eingekreist und beschossen wurden, seien Teil eines „rassistischen Kurses“, der die Spaltung der Gesellschaft Syriens vertiefe, so die Erklärung. Besonders betroffen sei die Bevölkerung aus dem türkisch besetzten Efrîn, die in den Vierteln Zuflucht gesucht hatte und nun erneut massiven Repressionen ausgesetzt sei.
Warnung vor innerstaatlichem Kollaps
Die Selbstverwaltung warnt davor, dass dieselbe politische Haltung, die bereits im alawitisch geprägten Latakia und anderen Gebieten an der Westküste und in der drusischen Provinz Suweida zu Massakern und schweren Spannungen geführt habe, nun erneut das Land an den Rand eines Kollapses bringe. „Es ist offensichtlich, dass die Verantwortlichen nichts aus den früheren Katastrophen gelernt haben“, heißt es weiter. Die Übergangsregierung sei auf dem Weg, Syrien in eine „unumkehrbare Katastrophe“ zu führen.
Die DAANES ruft deshalb alle demokratischen Kräfte Syriens, die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen dazu auf, entschieden gegen die Eskalation in Aleppo vorzugehen und eine politische Lösung zu fördern.
Kritik an fehlendem politischen Willen zur Lösung der Syrien-Krise
Die Selbstverwaltung sieht in den jüngsten Entwicklungen ein klares Zeichen dafür, dass zentrale politische Fragen – insbesondere im Zusammenhang mit der kurdischen Bevölkerung – weiterhin unbeantwortet bleiben. Es mangele in Damaskus an echtem Willen, „demokratische und inklusive Lösungen für ein pluralistisches Syrien zu entwickeln“.
Statt Dialog und Verständigung setze die selbsternannte Pbergangsregierung auf „Waffen, Gewalt und die Sprache der inneren Spaltung“, heißt es in der Erklärung weiter. Diese Strategie sei zum Scheitern verurteilt und gefährde die Stabilität des gesamten Landes.
Appell zum zivilen Widerstand
Die Selbstverwaltung ruft die Bevölkerung in Nord- und Ostsyrien, insbesondere die Jugend, dazu auf, sich solidarisch mit der Zivilbevölkerung in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê zu zeigen und deren legitimen Widerstand gegen die militärischen Angriffe zu unterstützen. Die Verantwortung für das humanitäre Leid liege eindeutig bei den angreifenden Aggressoren.
Aufruf an alle Völker Syriens
Abschließend richtet sich die Erklärung auch an die syrische Gesamtbevölkerung. Alle ethnischen und religiösen Gemeinschaften sollten sich vereint gegen Versuche stellen, Feindseligkeit zwischen den Volksgruppen zu säen. „Die Wiederholung früherer Tragödien darf nicht zugelassen werden“, betont die DAANES. Ein Ende der Syrien-Krise sei nur über einen friedlichen, demokratischen Dialog möglich. Der gezielte Beschuss von Zivilisten und sicheren Gebieten sei nicht nur völkerrechtswidrig, sondern führe unweigerlich zu weiterer Zerstörung.
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Zwei Tote und 60 Verletzte nach Angriff auf kurdische Viertel in Aleppo
Bei den Angriffen syrischer Regierungstruppen in den kurdischen Stadtteilen von Aleppo sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen, über 60 weitere wurden verletzt. Das gab der Volksrat der beiden selbstverwalteten Viertel Şêxmeqsûd und Eşrefiyê am Dienstag nach einer ersten Bilanz bekannt.
Was war passiert? Die Angriffe begannen am späten Nachmittag des 6. Oktober, nachdem Einheiten der islamistischen Regierung in Damaskus zunächst sämtliche Zugangsstraßen zu den Vierteln mit Erdbarrieren blockiert und eine vollständige Abriegelung umgesetzt hatten. Gegen 17 Uhr wurden alle Ein- und Ausgänge geschlossen. Kurz darauf flogen Kleindrohnen über beiden Vierteln mehrere Angriffe.
Begleitet wurden die Attacken von dem Versuch, mit Panzern sowie gepanzerten Fahrzeugen und schweren Waffen in die dicht besiedelten Wohngebiete vorzudringen. Der Allgemeine Rat von Şêxmeqsûd und Eşrefiyê rief daraufhin die Bewohner:innen beider Viertel zu friedlichen Protesten gegen die Abriegelung und Militärpräsenz auf.
Hunderte Menschen folgten dem Aufruf und versammelten sich auf den Hauptstraßen, um ein Ende der Belagerung zu fordern. Die Truppen der Übergangsregierung gingen mit Tränengas und scharfer Munition gegen die Demonstrierenden vor. Mindestens 25 Personen mussten wegen Reizgasvergiftungen medizinisch behandelt werden.
Im Anschluss kam es zu einem großangelegten Angriff aus vier Richtungen mit Panzereinheiten. Lokale Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung (Asayîş) leisteten Widerstand, woraufhin es zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Nach Angaben des Volksrats kam es bei dem Versuch, in die Viertel einzudringen, zu schweren Übergriffen. Mehrere Menschen wurden von gepanzerten Fahrzeugen erfasst, zwei davon tödlich verletzt.
Später in der Nacht setzten die Truppen Mörsergranaten gegen die dicht besiedelten Viertel ein. Erst in den späten Nachtstunden zogen sich die Regierungseinheiten aus den unmittelbaren Randzonen der Viertel zurück. Seitdem herrscht vor Ort eine angespannte Ruhe.
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Anwaltskammern in kurdischen Provinzen fordern rechtstaatliche Reformen
In einer gemeinsamen Erklärung fordern 16 Anwaltskammern aus Nordkurdistan strukturelle Reformen zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Der Schutz anwaltlicher Unabhängigkeit, die Achtung der Verteidigungsrechte sowie eine demokratische Lösung der kurdischen Frage stehen im Zentrum eines Positionspapiers, das nun nach einem am Samstag in Dersim (tr. Tunceli) abgehaltenen Treffen veröffentlicht wurde.
Die Kammern betonen, dass Anwält:innen zunehmend Ziel von Druck, Gewalt und Repression seien – teils sogar in Gerichtsgebäuden selbst. Es mangele an sicheren Arbeitsbedingungen und wirtschaftlicher Absicherung. Die unzureichenden Honorare im Pflichtverteidigungsbereich sowie juristische und faktische Hürden bei der Zahlung von Anwaltsgebühren in Fällen mit staatlicher Beteiligung machten den Beruf auf Dauer untragbar.
Kritisiert wird auch die Kriminalisierung anwaltlicher Tätigkeit: „Die Gleichsetzung von Verteidigungsarbeit mit Parteinahme führt zu einer massiven Gefährdung des Rechts auf Verteidigung und beschädigt das Vertrauen in die Justiz“, heißt es in der Erklärung. Der Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit sei ein „unverzichtbares Element des Rechtsstaats“.
Politische Lösung der kurdischen Frage gefordert
Die Anwaltskammern unterstreichen die „lebenswichtige Bedeutung“ einer politischen Lösung der kurdischen Frage für eine Demokratisierung der Türkei. Die Fortsetzung sicherheitszentrierter Politik, das Festhalten an repressiven Praktiken gegen die kurdische Sprache und Kultur sowie Eingriffe in demokratische Prozesse untergrüben die gesellschaftliche Unterstützung für eine friedliche Lösung.
„Eine dauerhafte Lösung ist nur möglich durch die konsequente Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Grundrechte und Stärkung demokratischer Strukturen“, so die Erklärung. Die Kammern verweisen auf die fortbestehenden Verbote und Eingriffe gegen kurdische Identität trotz friedlicher Signale wie dem erklärten Rückzug der PKK aus dem bewaffneten Kampf.
Kritik an politisch motivierten Inhaftierungen
Mit Nachdruck verweisen die Kammern auch auf politisch motivierte Haftstrafen, etwa gegen Selahattin Demirtaş. Unter Berufung auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 18. September 2019 und 8. Juli 2025 fordern sie dessen sofortige Freilassung. Eine erneute Anrufung der Großen Kammer des EGMR müsse unterbleiben, da die Rechtslage klar sei. Auch die anhaltende Inhaftierung des Philanthropen Osman Kavala und anderen politischen Gefangenen sei mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.
Zugang zu Gesundheitsversorgung in Haft
Scharfe Kritik äußern die Kammern zudem an der Behandlung schwer kranker Gefangener. Die eingeschränkte medizinische Versorgung verstoße gegen Artikel 17 der türkischen Verfassung und Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung festschreibt. Der Zugang zu unabhängigen medizinischen Gutachten, Möglichkeiten der Haftverschonung und menschenwürdige Bedingungen müssten gewährleistet werden.
Auch wird auf das sogenannte „Recht auf Hoffnung“ verwiesen: Lebenslange Haftstrafen ohne realistische Aussicht auf Entlassung seien laut EGMR-Urteilen nicht mit der Menschenwürde vereinbar. Gesetzliche Reformen im Strafvollzug seien deshalb dringend geboten.
Kritik an willkürlicher Verwaltungspraxis
Als weiteren Missstand benennen die Kammern die Anwendung sogenannter „Beobachtungskommissions“-Entscheidungen in Vollzugsanstalten, die insbesondere kranke oder politisch inhaftierte Personen betreffen. Diese Praxis unterlaufe gerichtliche Entscheidungen und verletze das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Alle Verwaltungsentscheidungen müssten rechtsstaatlichen Kriterien genügen und willkürliche Freiheitsbeschränkungen beendet werden.
Warnung vor politisierter Justiz
Die Politisierung der Justiz stelle eine zentrale Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat dar. Die Zunahme von Verfahren gegen Oppositionelle, Journalist:innen, Kunstschaffende und Menschenrechtsaktivist:innen zeige, wie weit die Justiz von ihrer Unabhängigkeit entfernt sei. Dies widerspreche Artikel 138 der türkischen Verfassung, der richterliche Unabhängigkeit garantiert.
Hilfe für Gaza: Aufruf zur Einhaltung des Völkerrechts
Abschließend äußern sich die Anwaltskammern zur Situation im Gazastreifen. Sie beobachten aufmerksam die Entwicklungen um die Gaza-Flottille Sumud, die sich auf einer humanitären Mission befand. In der vergangenen Woche wurden die Schiffe der Hilfsflotte dann von Israel auf See abgefangen. Die Boote mit mehr als 400 Aktivist:innen an Bord wurden von der israelischen Armee davon abgehalten, den Gazastreifen zu erreichen.
Viele der daraufhin in Israel festgesetzten Helfer:innen wurden inzwischen ausgewiesen. „Jede Behinderung des zivilen Hilfseinsatzes stellt einen Verstoß gegen die Genfer Konventionen und das Seerecht der Vereinten Nationen dar. Die internationale Gemeinschaft muss ihrer Schutzverantwortung gegenüber Zivilist:innen gerecht werden“, so die Kammern.
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KNK warnt vor Massakern an Kurd:innen in Aleppo
Der Nationalkongress Kurdistan (KNK) hat angesichts der anhaltenden Belagerung kurdischer Stadtteile in Aleppo vor einem drohenden Massaker an der Zivilbevölkerung gewarnt. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung ruft das Exekutivkomitee des KNK die internationale Gemeinschaft zum sofortigen Handeln auf, um Angriffe durch Truppen der syrischen Übergangsregierung unter dem selbsternannten Präsidenten Ahmed al-Scharaa zu stoppen.
„Zehntausende Menschen, darunter auch Angehörige christlicher und ezidischer Minderheiten, sind akut bedroht“, heißt es in dem Appell. Die kurdisch geprägten Viertel Şêxmeqsûd und Eşrefiyê wurden von Einheiten der Übergangsregierung abgeriegelt, unter denen sich auch Mitglieder der Türkei-treuen Milizen Sultan-Sulaiman-Schah und Hamza-Division befinden. Beide Gruppen waren in der Vergangenheit laut Menschenrechtsorganisationen in schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verwickelt, darunter in die Massaker an alawitischen und drusischen Zivilist:innen
Nach jüngeren Krankenhausangaben wurden bei den Angriffen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê etwa 25 Menschen durch den Einsatz von scharfer Munition und Tränengas verletzt. Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) warfen Damaskus gezielte militärische Provokationen vor und verurteilten den Einsatz von Panzern und schweren Waffen in Wohngebieten. Die an die Selbstverwaltung angebundenen Kräfte für innere Sicherheit (Asayîş), die anders als die QSD nach einem im April mit Damaskus geschlossenen Abkommen in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê verblieben waren, versuchen die Lage unter Kontrolle zu halten.
Der KNK äußert in seiner Erklärung die Sorge, dass sich das Muster früherer Gewalttaten wiederhole. Die gleichen Kräfte, die für Angriffe auf Alawit:innen und Drus:innen im Frühjahr und Sommer 2025 verantwortlich gemacht werden, würden nun auf kurdische Zivilist:innen in Aleppo zielen – „ermutigt durch das politische Entgegenkommen gegenüber der Übergangsregierung und das fortgesetzte Schweigen gegenüber der Gewalt gegen kurdische Gemeinschaften“.
Zwar wurde am Morgen des 7. Oktober ein Waffenstillstand verkündet, doch der KNK warnt vor einem erneuten Aufflammen der Gewalt. Ahmed al-Scharaa nutze militärische Mittel zur Machtsicherung im Inneren, heißt es in der Erklärung. Ein nachhaltiger politischer Frieden sei unter diesen Bedingungen kaum vorstellbar.
Das kurdische Exilparlament fordert die Vereinten Nationen, die USA, die Arabische Liga und andere internationale Akteure auf, „entschieden gegen die Belagerung der kurdischen Bevölkerung in Aleppo vorzugehen und eine politische Lösung zu fördern, die die Rechte aller Bürger:innen Syriens schützt“. Auch ein direkter Dialog zwischen der Übergangsregierung und der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien müsse Teil eines inklusiven politischen Prozesses sein.
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Aleppo: KCDK-E ruft zu Protesten gegen Belagerung kurdischer Viertel auf
Der Dachverband der kurdischen Gemeinschaften in Europa (KCDK-E) hat angesichts der Angriffe in Aleppo zu dringenden Protesten aufgerufen. In einer in der Nacht zum Dienstag veröffentlichten Erklärung fordert die Organisation Kurd:innen und Unterstützer:innen in Europa, Kanada, Australien und Großbritannien dazu auf, öffentlich gegen das Vorgehen der syrischen Übergangsregierung in den Stadtteilen Şêxmeqsûd und Eşrefiyê Stellung zu beziehen.
Hintergrund ist die Belagerung der beiden überwiegend kurdisch bewohnten Viertel im Norden Aleppos durch islamistische Truppen der Damaszener Führung. Die Asayîş in Şêxmeqsûd und Eşrefiyê berichtet von Mörserangriffen, dem Einsatz schwerer Waffen und Zusammenstößen mit Protestierenden aus der Zivilbevölkerung. Dabei sind bislang mindestens 15 Personen verletzt worden. Berichte vom Montagabend über Todesopfer bestätigte die Behörde indes nicht.
Der KCDK-E macht in seiner Mitteilung neben den Regierungstruppen, die überwiegend aus Milizen der Dschihadistenkoalition „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) bestehen, auch bewaffnete Gruppen der pro-türkischen „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) für die Angriffe verantwortlich. Diese sollen nach gezielt auf Demonstrierende geschossen und Drohnen zur Einschüchterung eingesetzt haben, berichteten auch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD).
„Die Blockade und Angriffe auf Şêxmeqsûd und Eşrefiyê richten sich nicht nur gegen die lokale Bevölkerung, sondern gegen das gesamte demokratische Gesellschaftsmodell in Rojava“, erklärte der KCDK-E. Man sehe Parallelen zum besetzten Efrîn und Entwicklungen in anderen Regionen Syriens, wo Islamisten gezielt auf Polarisierung unter ethnischen und religiösen Gruppen hinarbeiten würden.
Zugleich warnt der KCDK-E vor einer gezielten Untergrabung des politischen Dialogs durch militärische Eskalation. Der Verband ruft alle im Ausland lebenden Kurd:innen sowie solidarische Gruppen dazu auf, sich in den kommenden Tagen an Protestaktionen zu beteiligen. Ziel sei es, auf internationaler Ebene Druck auszuüben, um die Blockade zu beenden und weitere zivile Opfer zu verhindern.
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