«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Linker Aktivist Taylan Kulaçoğlu in Istanbul gestorben
Der linke Aktivist Taylan Kulaçoğlu ist tot. Er starb am Dienstag in einem Krankenhaus in Istanbul infolge einer Hirnblutung, die er vor rund zehn Tagen erlitten hatte. Kulaçoğlu wurde 44 Jahre alt.
Geboren 1981als Sohn einer Mutter aus Wan (tr. Van) und einem Vater aus Trabzon, verbrachte Kulaçoğlu einen Teil seiner Jugend in Frankreich. Bekannt wurde er durch sein politisches Engagement im antikapitalistischen, basisdemokratischen Spektrum. Sein Name tauchte mehrfach im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die linke Hackergruppe RedHack auf, auch seine Aktivitäten in sozialen Netzwerken führten zu strafrechtlicher Verfolgung.
Trotz zahlreicher Verfahren und Verhaftungen blieb er eine prominente Stimme der außerparlamentarischen Linken in der Türkei. 2020 war Kulaçoğlu Mitgründer der 2020 ins Leben gerufenen „Bewegung der Namenlosen“ – ein Zusammenschluss junger Menschen, die sich in digitalen Medien gegen politische Repression, soziale Ungleichheit und staatliche Willkür engagierten. Die Bewegung wurde schnell zum Sammelbecken oppositioneller Stimmen, vor allem aus urbanen, prekarisierten Milieus.
Sein Anwalt Tamer Doğan hatte bereits am 7. September öffentlich gemacht, dass Kulaçoğlu mit einer schweren Hirnblutung in ein Krankenhaus eingeliefert und intensivmedizinisch behandelt werde. „Taylan hat viele Krisen überwunden, er ist ein widerständiger Mensch. Ich glaube, dass er auch das übersteht“, schrieb Doğan damals. Heute teilte er mit: „Wie sehr hätte ich mir gewünscht, sagen zu können, dass Taylan gesund zurückkehrt – aber wir haben unseren Freund verloren.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/taylan-kulacoglu-erneut-inhaftiert-19277 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kulacoglu-und-guelseven-gegen-meldeauflagen-freigelassen-19251 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/operation-gegen-internet-kollektiv-isimsizler-21785 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/aktivist-taylan-kulacoglu-in-ayvalik-festgenommen-19203
KJAR: „Freiheit beginnt mit der Frau“
Anlässlich des dritten Jahrestags der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei und dem Beginn der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution hat die Gemeinschaft Freier Frauen in Ostkurdistan (KJAR) eine Erklärung veröffentlicht. Darin würdigt sie die Opfer des Aufstands, ruft zur Fortführung des Widerstands auf und macht deutlich: Der Wandel in Iran beginnt mit den Frauen.
„Wir gedenken der Gefallenen der Revolution für Frieden und Demokratie –, Jina Mahsa Amini, Nika Shakarami, Armita Geravand und viele andere – und erneuern unser Versprechen, diesen Kampf fortzusetzen“, heißt es in der Stellungnahme.
Repression als Ausdruck der Schwäche
Die KJAR sieht das iranische Regime aktuell in einer tiefen Krise. Angesichts wachsender Konflikte, etwa mit Israel, setze die Mullah-Führung in Teheran vermehrt auf Gewalt im Innern: Hinrichtungen, Verhaftungen, Einschüchterung – besonders gegen Frauen. Aktivistinnen wie Zeynab Jalalian, Varisheh Moradi, Sharifeh Mohammadi und Pakhshan Azizi droht derzeit die Vollstreckung der Todesstrafe. Diese Repression solle Stärke demonstrieren, sei in Wahrheit aber ein Zeichen von Angst und Legitimitätsverlust, so die KJAR.
Ein historischer Aufbruch ohne Rückweg
Der Aufstand, der mit Jina Aminis Tod im Herbst 2022 begann, habe einen Bruch mit alten Strukturen markiert. Besonders in Ostkurdistan hätten Frauen den Mut aufgebracht, ein neues Kapitel aufzuschlagen. „Die Frauen in Iran werden ihre Köpfe nicht mehr senken“, erklärt die KJAR. „Die Revolution ist radikal, tiefgreifend und unumkehrbar – getragen von Frauen, aber längst eine kollektive Bewegung.“
Männer hätten sich dem Protest angeschlossen, doch das Zentrum bilde der feministische Aufbruch, heißt es weiter. „Frauen haben sich in Liedern, Tänzen, Symbolen und Gesten selbst neu erfunden und ihre Haare wurden zu Fahnen der Freiheit“, so die Formulierung der Organisation.
Widerstand gegen Staat, Patriarchat und Umweltzerstörung
Im Fokus stehe nicht nur die Emanzipation der Frau, sondern ein umfassender Umbau der Gesellschaft. Die KJAR beruft sich dabei auf das Paradigma des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalans, das Frauenbefreiung, Basisdemokratie und Ökologie miteinander verknüpft. Dessen These, dass das 21. Jahrhundert vom Konflikt zwischen autoritären Staaten und gesellschaftlicher Selbstorganisierung geprägt sei, gelte heute mehr denn je.
Die Revolution habe auch die Vorstellung vom „klassischen Mann“ infrage gestellt. „Die Frauen im Gefängnis haben das patriarchale Denken gleich mit eingesperrt“, heißt es in der Erklärung. Gleichzeitig werde die Natur durch den Staat ebenso unterdrückt wie die Gesellschaft – auch der Widerstand gegen Umweltzerstörung sei Teil des revolutionären Aufbruchs.
Von Ostkurdistan in die Welt
Die Formel „Jin, Jiyan, Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit – sei längst keine regionale Parole mehr, sondern zu einer globalen Bewegung geworden. Die Kämpfe der Frauen in Rojhilat (Ostkurdistan) hätten internationale Wirkung entfaltet. Die Ermordung und Inhaftierung von Aktivistinnen könne diesen Prozess nicht aufhalten – im Gegenteil: „Der Ruf nach Freiheit ist über Irans Grenzen hinausgewachsen und lebt in allen Lebensbereichen weiter.“
Nur die organisierte Frau kann gewinnen
Die KJAR ruft zum Aufbau eines alternativen Gesellschaftsmodells auf – einer „demokratischen Nation“, in der Frauen in Führungsrollen aktiv mitgestalten. Die Antwort auf staatliche Repression sei nicht Rückzug, sondern kollektive Selbstorganisierung. „Freiheit ist ohne Frauen nicht möglich“, heißt es abschließend. „Leben, Demokratie und Gerechtigkeit beginnen mit der Frau – und mit ihrem Widerstand. Deshalb: Jin, Jiyan, Azadî.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/kurdin-stirbt-nach-festnahme-durch-iranische-moralpolizei-34020 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/pjak-jin-jiyan-azadi-ist-das-revolutionare-herz-des-demokratischen-aufbruchs-47973 https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-jin-jiyan-azadi-ist-der-weg-zu-einer-befreiten-gesellschaft-47974 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/generalstreik-in-jina-mahsa-aminis-heimatstadt-seqiz-47975 https://deutsch.anf-news.com/frauen/gedenken-an-jina-mahsa-amini-in-rojava-47976
Künstlerin Pınar Aydınlar droht nächste Haftstrafe
Im Prozess gegen die Musikerin und frühere OB-Kandidatin Pınar Aydınlar hat die Istanbuler Staatsanwaltschaft am Montag einen Freispruch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Organisation“, aber eine Verurteilung wegen angeblicher „Terrorpropaganda“ gefordert. Der Prozess wird am 9. Dezember fortgesetzt.
Aydınlar war im vergangenen Februar bei einer nächtlichen Razzia in ihrer Wohnung in Istanbul festgenommen worden. Spezialeinheiten bedrohten sie und ihre beiden Kinder mit vorgehaltener Waffe, so ihre Aussage vor Gericht. „Ich durfte mir nicht einmal etwas anziehen. Auch mein Sohn und meine Tochter wurden mit Waffen bedroht.“
Die Ermittlungen richten sich gegen den Demokratischen Kongress der Völker (HDK), der trotz eines gegenteiligen Urteils eines Gerichts in Izmir von der Istanbuler Staatsanwaltschaft als „Tarnorganisation der PKK“ eingestuft wird. Die Vorwürfe gegen Aydınlar betreffen ihre frühere HDP-Kandidatur, Auftritte bei HDK-Veranstaltungen sowie Social-Media-Posts. Sie selbst bestreitet jegliche Mitgliedschaft im HDK und betont, ihre Äußerungen seien durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Aydınlar saß fast drei Monate in Untersuchungshaft und steht seit dem Prozessauftakt Mitte Mai unter Meldeauflagen und einem Ausreiseverbot. Der 46-Jährigen droht im Falle einer Verurteilung wegen Terrorpropaganda eine Freiheitsstrafe zwischen eineinhalb und siebeneinhalb Jahren.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/istanbul-30-verhaftungen-in-hdk-verfahren-45380 https://deutsch.anf-news.com/frauen/musikerin-pinar-aydinlar-wegen-terrorpropaganda-verurteilt-42097 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/pinar-aydinlar-im-gefaengnis-misshandelt-4554 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/52-festnahmen-operation-gegen-hdk-in-istanbul-45335 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Cicek-festnahmewellen-gegen-hdk-und-chp-langfristige-strategie-45355
Zweiter Protesttag in Straßburg: Freiheit für Öcalan, Gedenken an Jina Amini
Vor dem Sitz des Europarats in Straßburg ist der am Vortag begonnene Sitzstreik für die Freilassung von Abdullah Öcalan in den zweiten Tag gegangen. Die Aktion, die vom kurdischen Europadachverband KCDK-E in Kooperation mit verschiedenen Organisationen getragen wird, fordert neben Öcalans physischer Freilassung auch die Anwendung des international anerkannten „Rechts auf Hoffnung“ für lebenslänglich Inhaftierte.
Der Protest findet parallel zu den Sitzungen des Ministerkomitees des Europarats statt, der diese Woche zur Überwachung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) tagt. Anlässlich des dritten Jahrestags der Tötung von Jina Mahsa Amini in Iran richteten die Teilnehmenden den zweiten Protesttag dem Gedenken an die Frauenbewegung und den Aufstand „Jin, Jiyan, Azadî“ aus.
Gedenken an Jina Amini mit Theater und Schweigeminute
Auf dem Platz vor dem Europaratsgebäude führten Aktivistinnen ein stilles Theaterstück auf, das die staatliche Gewalt gegen Frauen in Iran thematisierte. Im Anschluss hielten die Versammelten eine Schweigeminute zum Gedenken an Jina Mahsa Amini und alle im Kampf um Freiheit und Demokratie vom iranischen Regime getöteten Menschen ab.
Die Frauen trugen Transparente mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ und Porträts von Amini. Eine von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) vorbereitete Erklärung wurde in mehreren Sprachen verlesen. Die Veranstalter:innen betonten, dass jeder Protesttag unter einem anderen inhaltlichen Schwerpunkt stehe – der heutige sei dem Frauenkampf und dem Andenken an Amini gewidmet.
TJK-E: Jin, Jiyan, Azadî kein bloßer Slogan
In ihrer Rede verwies die TJK-E-Vertreterin Kezban Doğan auf die Worte Abdullah Öcalans: „Hoffnung ist größer als jeder Erfolg.“ Doğan sagte: „Wir Frauen wissen, was das bedeutet. Seit 5.000 Jahren hat das patriarchale System uns entrechtet – unsere bloße Existenz wurde zur Überlebensfrage. Doch Öcalans Philosophie hat uns neue Kraft gegeben. Seine Worte wurden zur Quelle unseres Lebens und zum Fundament unseres Kampfes.“
Sie betonte, dass „Jin, Jiyan, Azadî“ kein bloßer Slogan sei, sondern Ergebnis von „Arbeit, Opfern und einer feministischen Neuschöpfung der Gesellschaft“. Amini sei getötet worden, „weil ein paar Haarsträhnen sichtbar waren – das war der Moment, an dem Geduld in Widerstand umschlug.“
Doğan erklärte weiter, dass die Frauenbewegung nicht nur an Öcalans physischer Freiheit festhalte, sondern insbesondere auf die Anwendung des „Rechts auf Hoffnung“ poche – ein menschenrechtlicher Grundsatz, der auch in europäischen Rechtssystemen verankert sei, aber Öcalan bis heute verweigert werde. „Für uns Frauen ist Abdullah Öcalan ein Hoffnungsträger – für die Frauen, die Völker und die Glaubensgemeinschaften. Und niemand wird uns diese Hoffnung nehmen.“
Seminar mit Ayşe Acar Başaran
Im Rahmen des Protests vor dem Europarat fand zudem ein Seminar mit der kurdischen Politikerin Ayşe Acar Başaran statt. Auch sie sprach über die politische Dimension der Frauenbefreiung, die Lage politischer Gefangener und die Notwendigkeit internationaler Solidarität.
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https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/recht-auf-hoffnung-auftakt-des-sitzstreiks-in-strassburg-47961 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-fordert-deutsche-unterstutzung-fur-friedensprozess-in-der-turkei-47965 https://deutsch.anf-news.com/frauen/offener-brief-an-europarat-frauen-fordern-umsetzung-von-egmr-urteil-zu-Ocalan-47951
Gedenken an Jina Mahsa Amini in Rojava
Anlässlich des dritten Jahrestags der Tötung von Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei haben Frauenorganisationen in Rojava ihrer gedacht und den anhaltenden Widerstand im Zeichen von „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit) gewürdigt. In den Städten Qamişlo und Kobanê fanden am Dienstag zeitgleiche Gedenkveranstaltungen unter dem Dach der Dachorganisation Kongra Star statt.
Qamişlo: Frauen mit „Jin, Jiyan, Azadî“-Schürzen
In Qamişlo versammelten sich hunderte Frauen im 12.-März-Stadion, viele davon aus Frauengruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie trugen Schürzen mit der Aufschrift „Jin, Jiyan, Azadî“ in Kurdisch und Arabisch. Auf Transparenten waren Aufschriften wie „Die Zöpfe der Revolution hängen noch immer am Baum“, „Jina Amini hat die Gewalt gegen Frauen erschüttert“ und „Mit der Freiheit der Frau wird auch die Gesellschaft frei“ zu lesen. Zudem wurden Porträts von Jina Mahsa Amini und Abdullah Öcalan getragen.
Die Sprecherin der örtlichen Sektion von Kongra Star, Rîhan Temo, gedachte in ihrer Rede der Gefallenen des Aufstandes und sprach den Familien ihr Beileid aus. „Heute jährt sich zum dritten Mal der Beginn eines Widerstands, den Frauen und Völker gegen patriarchale, rassistische und autoritäre Strukturen geführt haben“, erklärte sie. „Mit Jina Aminis Tod wurde das Fundament der Tyrannei erschüttert – und das bleibt im kollektiven Gedächtnis.“
Trotz aller Versuche von Repressionsapparaten, den Aufstand niederzuschlagen, dauere der Widerstand an – nicht nur in Ostkurdistan und Iran, sondern weltweit. Der Mut der Frauen sei nach wie vor die treibende Kraft, so Temo. Die Veranstaltung endete mit lautstarken Rufen der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“.
Kobanê: „Der Funke der Revolution brennt weiter in den Gefängnissen“
In Kobanê fand die zentrale Gedenkveranstaltung auf dem Platz der freien Frau statt. Die Aktivistin Meysun Kewar verlas die Erklärung auf Kurdisch. Sie betonte die ideologische Verbindung der Bewegung zu Abdullah Öcalans Gedankenwelt sowie die zentrale Rolle der Frauen im „Jin Jiyan Azadî“-Aufstand.
„Am dritten Jahrestag der Revolution grüßen wir den Widerstand gegen das unterdrückerische und blutige System des iranischen Staates.“ Die Proteste von 2022 seien nicht nur eine Reaktion auf die Kopftuchpflicht gewesen, sondern ein Aufstand für umfassende politische, soziale und wirtschaftliche Rechte. Nicht nur Kurd:innen und Perser:innen, sondern alle ethnischen Gruppen seien Teil dieser Bewegung gewesen, erklärte Kewar.
„Die Funken der Jin-Jiyan-Azadî-Revolution brennen noch immer – in den Gefängnissen des iranischen Regimes.“ Kewar rief dazu auf, den Widerstand für die Freilassung der politischen Gefangenen in Iran und gegen die Todesstrafe auszuweiten. Anschließend wurde auch in Kobanê die Veranstaltung unter „Jin, Jiyan, Azadî“-Rufen beendet.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-jin-jiyan-azadi-ist-der-weg-zu-einer-befreiten-gesellschaft-47974 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/pjak-jin-jiyan-azadi-ist-das-revolutionare-herz-des-demokratischen-aufbruchs-47973 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/generalstreik-in-jina-mahsa-aminis-heimatstadt-seqiz-47975 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kurdin-stirbt-nach-festnahme-durch-iranische-moralpolizei-34020
Generalstreik in Jina Mahsa Aminis Heimatstadt Seqiz
Am dritten Jahrestag der Tötung von Jina Mahsa Amini haben Geschäftsleute in ihrer ostkurdischen Heimatstadt Seqiz (Saqqez) einen Generalstreik ausgerufen. In der gesamten Stadt blieben die Läden geschlossen – aus Protest gegen das Vorgehen des iranischen Staates und zum Gedenken an die 22-Jährige, deren Tod im Polizeigewahrsam im Jahr 2022 weltweit Entsetzen auslöste.
Amini war am 13. September 2022 in Teheran von der „Sittenpolizei“ festgenommen worden, weil sie angeblich gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen habe. Drei Tage später starb sie an den Folgen von in Gewahrsam erlittener Gewalt.
KURDISTAN- Today, on the third anniversary of #JînaAmini's state killing, the people of her hometown, Saqqez, have gone on a general strike. In response, Iran's security forces have deployed heavily across Kurdistan, turning the cities, especially #Saqqez, into militarized zones. pic.twitter.com/1BapY3ntOh
— Kaveh Ghoreishi (@KavehGhoreishi) September 16, 2025Gedenkstreik unter massivem Druck
Wie lokale Quellen berichten, blieb ein Großteil des Einzelhandels in Seqiz heute geschlossen. Mit dem Streik signalisierten Gewerbetreibende ihre Solidarität mit der „Jin Jiyan Azadî“-Bewegung, die sich an Aminis Tod entzündete, und ihren Forderungen nach Freiheit und Demokratie.
Reagiert hat der iranische Sicherheitsapparat wie erwartet mit Repression und Einschüchterung: Sicherheitskräfte sollen Ladenbesitzer:innen telefonisch kontaktiert und massiv unter Druck gesetzt haben, ihre Geschäfte zu öffnen. Auch das Militär und andere Einheiten sind im gesamten Stadtgebiet verstärkt präsent.
„Die Straßen von Seqiz ähneln einem belagerten Gebiet“, heißt es von Aktivist:innen vor Ort. Die Militarisierung sei nicht nur auf Seqiz beschränkt: Auch in anderen Städten Ostkurdistans sei es zu verstärkter Truppenpräsenz gekommen.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/pjak-jin-jiyan-azadi-ist-das-revolutionare-herz-des-demokratischen-aufbruchs-47973 https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-jin-jiyan-azadi-ist-der-weg-zu-einer-befreiten-gesellschaft-47974 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/onkel-von-jina-mahsa-amini-verhaftet-45935 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/angst-vor-trauer-seqiz-unter-militarbelagerung-39029
Varisheh Moradi: „Jin, Jiyan, Azadî“ ist der Weg zu einer befreiten Gesellschaft
Zum dritten Jahrestag der Bewegung „Jin, Jiyan, Azadî“ hat die in Iran zum Tode verurteilte kurdische Aktivistin Varisheh Moradi ein ausführliches Schreiben formuliert, das weit über eine Gedenkbotschaft hinausgeht. In ihrem Text, veröffentlicht von der Kampagne „Free Varisheh“, beschreibt die im Gefängnis von Ghartschak (Qarchak) inhaftierte Kurdin den 16. September nicht nur als Jahrestag eines Aufstandes, sondern als Ausgangspunkt für ein neues gesellschaftliches Paradigma – getragen von Frauen, getragen vom Widerstand gegen patriarchale Gewalt, staatliche Repression und kulturelle Auslöschung. „Dies ist nicht einfach ein Gedenken“, schreibt Moradi, „sondern eine Gelegenheit, das politische Projekt eines freien Lebens erneut zu formulieren.“
„Jin, Jiyan, Azadî“ – viel mehr als eine Parole
Die Bewegung, so Moradi, sei weder bloß ein Ausbruch von Wut auf den Straßen noch eine punktuelle Reaktion einer einzelnen Gruppe. Sie sei komplex, mehrdimensional und strukturell, mit Forderungen, die vom Individuum bis zur Gesellschaft reichen: nach persönlicher Freiheit, kollektiver Selbstbestimmung, wirtschaftlicher Sicherheit, kultureller Gleichberechtigung und einem Bruch mit geschlechterbasierter Unterdrückung. „All diese Forderungen sind Glieder einer Kette“, schreibt sie, „die darauf abzielt, Machtverhältnisse und soziale Beziehungen grundlegend neu zu gestalten – Verhältnisse, die heute auf Gewalt, Kontrolle und Ungleichheit beruhen.“
Frauen im Zentrum der Revolution
Im Mittelpunkt des Textes steht die zentrale Rolle von Frauen als Trägerinnen dieser historischen Veränderung. Ihre Körper, ihr Wille und ihr Geist seien über Jahrzehnte Zielscheibe eines Staates gewesen, der seine Herrschaft auf der Unterwerfung und Unsichtbarmachung von Frauen aufgebaut habe. „‚Jin, Jiyan, Azadî‘ hat die Frau von einem unterworfenen Objekt zur revolutionären Subjektivität erhoben – zur aktiven Akteurin einer Gesellschaft, die sich wandeln will.“ Keine Repression, kein Urteil, keine Exekution könne diese Wahrheit aufhalten, so Moradi. Die Bewegung sei nicht nur eine Reaktion, sondern eine bewusste politische Neudefinition von Freiheit und Demokratie.
Varisheh Moradi © KJAR
Gesellschaftlicher Wandel beginnt im Denken
Ziel sei nicht allein die politische Veränderung der bestehenden Ordnung, sondern die Transformation von Institutionen, Strukturen und Denkweisen. Die Bewegung habe gezeigt, dass Reformen nur dann Bestand haben, wenn sie mit einem vollständigen Umbau von Institutionen, Bildungsmodellen und sozialen Beziehungen einhergehen.
„Es genügt nicht, politische Bühnen zu betreten. Es geht darum, Gesellschaft selbst neu aufzubauen – von Grund auf.“
Das Verständnis von kollektivem Leben, von Entscheidungsfindung und öffentlichem Raum müsse neu gedacht werden, betont Moradi. Der Begriff „freies Zusammenleben“ bedeute dabei nicht Beliebigkeit, sondern ein neues Modell sozialen Handelns, das auf Anerkennung, Solidarität und Pluralität beruhe.
Slogans sind verdichtete Geschichte
Moradi nimmt sich auch die Zeit, über den Charakter revolutionärer Sprache zu reflektieren. Losungen wie „Jin, Jiyan, Azadî“ seien keine bloßen Schlagworte, sondern „aus Geschichte destillierte Worte“, die kollektives Gedächtnis, unterdrückte Erfahrung und Hoffnung verkörpern. „Solche Parolen verbinden Sprache mit Leben. Sie sind Träger des Atems derer, denen das Sprechen verboten wurde.“ Durch ihre Wiederholung in Protest, Lied und Rede entstehe ein widerständiger Raum, in dem Selbstermächtigung und kollektive Neugestaltung möglich würden.
Die „weibliche Avantgarde“ ist mehr als Biologie
In einem zentralen Abschnitt widmet sich Moradi dem Begriff der weiblichen Vorreiterrolle. „Frau“ sei dabei nicht bloß ein biologisches Merkmal, sondern ein ethisch-politisches Prinzip, das auf die Ablehnung von Herrschaft, die Demokratisierung von Beziehungen und die Akzeptanz von Verschiedenheit ziele. „Die Frau ist kein Opfer – sie ist die ideologische Avantgarde eines neuen Gesellschaftsmodells“, schreibt sie. Die Freiheit der Frau sei damit untrennbar mit der Freiheit der Gesellschaft verbunden – nicht als Ziel unter vielen, sondern als Kern revolutionären Handelns.
Hinrichtungen und Repression Ausdruck von Angst
Moradi weist darauf hin, dass die gewaltsame Repression und Todesurteile gegen Aktivist:innen der „Jin Jiyan Azadî“-Bewegung, insbesondere Frauen, nicht nur dem Schutz staatlicher Ordnung dienten, sondern gezielte Angriffe auf die Denkweise und das Selbstverständnis der Bewegung seien. „Hinrichtungen sind der Versuch, Stimme und Körper zu trennen – ein Racheakt gegen das Denken selbst.“ Solche Maßnahmen seien nicht Zeichen von Stärke, sondern Ausdruck der Angst vor Ideen, die Legitimität untergraben. Die Verfolgung von Frauen in Haft und auf der Straße sei Teil einer bewussten Strategie, um „eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft zu verhindern“.
Ein Appell an alle: Organisation, Bildung, Erneuerung
Abschließend ruft Varisheh Moradi dazu auf, den Jahrestag nicht zur bloßen Gedenkveranstaltung verkommen zu lassen. „Briefe, Gespräche, Theoriearbeit, politische Bildung – das alles sind Werkzeuge der Organisierung“, schreibt sie. Es gehe darum, die Lücke zwischen Theorie und Alltag zu überbrücken, und jede Sphäre des Lebens in ein Feld des Widerstands zu verwandeln. „Die Fortsetzung von ‚Jin, Jiyan, Azadî’ ist eine historische Notwendigkeit.“ Ihr Aufruf richtet sich an Frauen, Jugendliche, Lehrer:innen, Arbeiter:innen, Künstler:innen, Studierende und zivilgesellschaftliche Organisationen innerhalb und außerhalb Irans – verbunden durch das gemeinsame Ziel, ein freies, gleichberechtigtes Leben zu gestalten.
Zeichnung Jina Amini © Ercan Altuntaş
https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-die-einzige-losung-ist-die-ruckkehr-zur-kraft-des-volkes-47206 https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-in-lebensgefahr-in-iranischer-haft-45756 https://deutsch.anf-news.com/frauen/inhaftierte-frauen-in-evin-warnen-vor-imperialen-befreiungsillusionen-46812
PJAK: „Jin, Jiyan, Azadî“ ist das revolutionäre Herz des demokratischen Aufbruchs
Anlässlich des dritten Jahrestags der „Jin, Jiyan, Azadî“-Revolution hat die Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK) eine umfassende Erklärung veröffentlicht. Die Bewegung, die 2022 nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini durch die „Sittenpolizei“ in Iran begann, sei laut der PJAK zu einem globalen Symbol für Freiheit, Gleichberechtigung und demokratische Erneuerung geworden.
Die Losung „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit), ursprünglich in der kurdischen Befreiungsbewegung verwurzelt, habe sich in ganz Iran und darüber hinaus verbreitet. Sie verkörpere den Willen unterdrückter Völker und insbesondere von Frauen, die sich gegen patriarchale Unterdrückung zur Wehr setzen. „Diese Revolution hat nicht nur die Gesellschaft in Iran verändert, sondern auch weltweit neue Impulse für den Kampf gegen Patriarchat und Kapitalismus gesetzt“, heißt es in der Erklärung.
Frauen als treibende Kraft
Die PJAK würdigt insbesondere die Rolle der Frauen, die die Revolution ideologisch und praktisch getragen hätten. „Durch ihre bewusste und entschlossene Erhebung gegen die frauenfeindliche Politik der Islamischen Republik haben sie das Fundament des patriarchalen Regimes erschüttert“, so die Partei. Die Bewegung sei Ausdruck eines neuen gesellschaftlichen Paradigmas: ökologisch, demokratisch und feministisch.
Jina „Mahsa“ Amini
Der Aufstand habe nicht nur symbolische, sondern auch strukturelle Auswirkungen gehabt. Frauen, Jugendliche, Arbeitende und unterdrückte Bevölkerungsgruppen hätten durch ihren Einsatz eine gesellschaftliche Renaissance angestoßen – mit Iran als Ausgangspunkt, aber globaler Strahlkraft.
Keine Rückkehr zum Status quo
Die PJAK sieht Iran an einem historischen Wendepunkt. Der Wandel sei unumkehrbar und werde so lange andauern, bis Demokratie und Selbstbestimmung durchgesetzt seien. „Die Revolution beruht nicht auf Gewalt, sondern auf dem Streben nach Frieden und Demokratie“, heißt es weiter. Die Islamische Republik habe durch ihre Weigerung, auf diese Forderungen einzugehen, ihre politische und moralische Legitimität verloren.
Aufruf zur breiten Mobilisierung
Zum Jahrestag ruft die PJAK erneut alle gesellschaftlichen Gruppen in und außerhalb Irans zur aktiven Teilnahme am Wandel auf – darunter Frauen, Jugendliche, Intellektuelle, Lehrkräfte, Arbeiter:innen, Schüler:innen, Studierende, Gewerkschaften, Künstler:innen sowie zivilgesellschaftliche Initiativen und Menschenrechtsorganisationen.
Die Erklärung endet mit dem Appell: „Lasst uns am 16. September erneut die Parole ‚Jin, Jiyan, Azadî‘ rufen und jede Lebenssphäre zu einem Ort des Widerstands machen. Die Zukunft gehört einer freien Gesellschaft, die sich vom Staat befreit.“
Besonders die kurdische Bevölkerung ruft die PJAK dazu auf, an den Gräbern derjenigen zusammenzukommen, die im Zuge der Proteste ihr Leben verloren haben.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/tjk-e-zum-jahrestag-von-jin-jiyan-azadi-der-widerstand-lebt-47953 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/jina-mahsa-amini-un-bericht-macht-iran-verantwortlich-fur-tod-41327 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/bericht-regimekrafte-vergewaltigten-protestierende-der-jin-jiyan-azadi-bewegung-40115
Erhöhtes Erdbebenrisiko in Dersim
Das Gebiet um die kurdische Provinz Dersim (tr. Tunceli) gilt geologisch als Hochrisikozone für starke Erdbeben. Mehrere aktive Störungslinien durchziehen die Region – darunter die Nordanatolische und Ostanatolische Verwerfung sowie die weniger bekannten, aber tektonisch aktiven Bruchzonen Pilûr (Ovacık) und Meletî (Malatya). Fachleute sehen dringenden Handlungsbedarf bei Prävention und Infrastruktur.
Starke Beben möglich – Folgegefahren nicht berücksichtigt
Laut Hüseyin Alan, Vorsitzender der Türkischen Ingenieurkammer für Geologie, können die genannten Verwerfungen Erdbeben der Stärke 7,0 und darüber hinaus auslösen. Neben direkten Schäden durch Erschütterungen warnt Alan insbesondere vor Sekundärgefahren wie Felsstürzen, Hangrutschungen und Überschwemmungen. Diese könnten im Ernstfall wichtige Verbindungsstraßen und Versorgungswege unpassierbar machen.
„Ein Gebäude mag dem Erdbeben standhalten, aber nicht dem Erdrutsch danach“, sagte Alan gegenüber der Nachrichtenagentur MA. Bei den schweren Erdbeben vom 6. Februar 2023 seien rund 4.000 Gebäude in elf Provinzen allein durch Erdrutsche und Felsabgänge beschädigt worden.
Zentralgebäude verlegt, aber strukturelle Probleme bleiben
Inzwischen wurden in Dersim schwer beschädigte Verwaltungsgebäude, darunter das Gouverneursamt und das Gerichtsgebäude, in einen Universitätskomplex verlegt. Doch Fachleute sehen darin keine dauerhafte Lösung. Alan betont, dass umfassende Risikoanalysen und bauliche Vorsorgemaßnahmen fehlen.
Forderung nach alternativen Zufahrtsrouten
Ein zentrales Problem sei die Erreichbarkeit im Katastrophenfall. Alan fordert deshalb den Bau alternativer Verkehrsverbindungen, um Rettungs- und Hilfsteams im Ernstfall den Zugang zur Region zu ermöglichen. „Wenn die Hauptstraßen durch Erdrutsche blockiert sind, ist schnelle Hilfe kaum möglich“, warnte er.
Gesamtgesellschaftliche Verantwortung
Alan mahnt eine übergreifende Zusammenarbeit an: „Wir brauchen eine Priorisierung gefährdeter Gebäude, eine sinnvolle Ressourcenplanung und eine nationale Katastrophenstrategie.“ Die Verantwortung liege nicht nur bei lokalen Behörden, sondern auch bei der Zentralregierung in Ankara, Fachleuten, Planerinnen und Planern sowie der Zivilgesellschaft. „Alle müssen handeln, bevor es zu spät ist“, so der Geologe.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/immer-noch-kein-sauberes-wasser-in-hatay-37864 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/erdbeben-der-starke-4-1-erschuttert-sewas-43237 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/die-vernachlassigung-ist-schlimmer-als-das-erdbeben-40998 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/erdbeben-der-starke-5-0-in-gurgum-43517
Gabar-Gebirge: Zahl der Ölbohrungen soll deutlich steigen
Im Gabar-Gebirge in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) soll die Zahl der Erdölbohrungen massiv ausgeweitet werden. Zu den bisher betriebenen 99 Bohrlöchern sind nach Angaben des Energieministeriums und der Türkischen Erdölgesellschaft TPAO weitere 114 Förderstellen geplant. Umweltorganisationen warnen vor einer dramatischen Zunahme der ökologischen Schäden in der Region.
Zerstörung von Natur und Lebensräumen
Seit Beginn der Erdölsuche im Jahr 2021 wurden im Gabar-Gebirge nach Angaben der örtlichen Umweltplattform und weiteren Klimagruppen großflächig Bäume gerodet und Gelände mit Sprengungen für den Zugang zu den Bohrfeldern vorbereitet. Zahlreiche Militärstraßen, Kontrollpunkte und Wachtürme wurden zusätzlich errichtet. Mit dem Ausbau der Infrastruktur ist die gesamte Bergregion zunehmend für industrielle Nutzung erschlossen worden.
TPAO plant Produktionsausweitung bis Ende 2025
Die bisherigen Bohraktivitäten führten bereits zur Austrocknung oder Verschmutzung mehrerer natürlicher Wasserquellen, die für umliegende Dörfer lebenswichtig sind. Dennoch sollen laut Planungen des Energieministeriums und der staatlichen TPAO bis Ende 2025 insgesamt 213 Bohrlöcher aktiv betrieben werden. Ziel sei es, die tägliche Ölproduktion von derzeit 84.000 Barrel auf 100.000 Barrel zu steigern. Für den Ausbau müssten weitere Flächen gerodet und erschlossen werden. Umweltschützer:innen sprechen von einem „irreversiblen ökologischen Einschnitt“ für die botanisch reiche Region.
Einschränkungen für Bevölkerung – Freie Bahn für Industrie
Während die lokale Bevölkerung seit den 1990er Jahren aus „Sicherheitsgründen“ nur eingeschränkt Zugang zu ihren angestammten Ländereien am Fuß des Gabar-Gebirges hat, schreiten industrielle Erschließung und Rodungen ungehindert voran. Viele Bürgerinnen und Bürger kritisieren, dass ihre Lebensgrundlagen bedroht seien, während wirtschaftliche Interessen Vorrang hätten.
Zudem wurde bekannt, dass für zahlreiche Bohrprojekte keine umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgenommen wurden. In mehreren Fällen sei festgestellt worden, dass entweder gar keine Untersuchungen vorgenommen wurden oder pauschal entschieden wurde, dass „keine Prüfung erforderlich“ sei. Fachleute sehen hierin ein erhebliches Risiko für Umwelt und Gesundheit der Bevölkerung.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/protest-in-Sirnex-frieden-beginnt-in-cudi-gabar-und-besta-47878 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/dorfer-am-gabar-massiv-seit-jahren-ohne-sauberes-wasser-47649 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/waldbrand-in-sperrgebiet-des-gabar-gebirges-46937 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/neue-erdolbohrungen-in-ferasin-trotz-ausbleibender-funde-46776
Schwerkranker Gefangener Civan Boltan soll in Isolationshaft
Die türkischen Behörden haben eine umstrittene Disziplinarstrafe gegen den schwer kranken Gefangenen Civan Boltan im Hochsicherheitsgefängnis von Bolu bestätigt. Trotz schwerwiegender gesundheitlicher Einschränkungen – Boltan hat keinen rechten Arm, ist auf einem Auge blind und hat auf dem anderen nur 20 Prozent Sehkraft – soll er elf Tage in Einzelhaft verbringen. Sein Anwalt spricht von einer Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Die Strafe wurde nach einer Zellenkontrolle im Juni verhängt. Dabei waren Bücher, Notizen und schriftliche Aufzeichnungen beschlagnahmt worden, die laut Anstaltsleitung als „Propaganda für eine terroristische Organisation“ eingestuft wurden. Die Verteidigung wies diesen Vorwurf zurück.
Juristische Kehrtwende nach erfolgreicher Beschwerde
Die Strafmaßnahme war zunächst vom Vollzugsgericht in Bolu aufgehoben worden. Das Gericht verwies auf ein Urteil des türkischen Kassationshofs, wonach der bloße Besitz von Schriften ohne nachgewiesene Zugehörigkeit oder Aufforderung zur Gewalt nicht ausreiche, um eine Propagandastrafe zu rechtfertigen.
Vier Tage später legte jedoch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das zuständige Schwurgericht in Bolu kippte daraufhin die Entscheidung des Vollzugsgerichts und setzte die Einzelhaftstrafe wieder in Kraft. In der Begründung hieß es, das Disziplinarverfahren sei „formell rechtmäßig“ gewesen.
Anwalt spricht von Verstoß gegen Grundrechte
Der Anwalt Mehdi Özdemir kritisierte die Entscheidung scharf. Die Strafe verletze sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht auf menschenwürdige Haftbedingungen. In seiner Beschwerde schrieb er: „Mein Mandant hat keine Gewalt legitimiert oder propagiert. Die Bewertung der beschlagnahmten Schriften erfolgte oberflächlich und pauschal – ohne Berücksichtigung seines Zustands oder der Inhalte.“
Özdemir kündigte an, erneut Rechtsmittel einzulegen. „Civan Boltan kann aufgrund seines Gesundheitszustands nicht allein in einer Zelle überleben. Die Entscheidung ist rechtlich und menschlich nicht vertretbar.“
Mutter: „Er braucht Hilfe, nicht Isolation“
Auch Nazime Boltan, die Mutter des Gefangenen, äußerte sich empört über die Entscheidung. Ihr Sohn könne im regulären Haftalltag nur dank der Hilfe von Mitgefangenen überleben. In Isolationshaft sei dies unmöglich: „Sie lassen ihn leiden, obwohl sie wissen, dass er krank ist. Bücher und Notizen dürfen kein Grund für so eine Strafe sein. In der Zelle wird ihm niemand helfen.“
Seit 2012 im Gefängnis
Civan Boltan befindet sich seit 2012 in türkischer Haft. In jenem Jahr wurde er auf Grundlage der Antiterrorgesetzgebung und „staatsfeindlichem Handeln“ im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Guerilla zu einer erschwerten lebenslangen Haftstrafe plus weiteren 95 Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Bevor Boltan als Guerillakämpfer in Gefangenschaft geriet, versuchte er sich mit einer Handgranate in die Luft zu sprengen. Dabei wurde sein rechter Arm zerfetzt, außerdem verlor er die Sehfähigkeit auf dem linken Auge. Rund siebzig Schrapnelle durchbohrten seinen Körper, das größte steckt bis heute in seinem Schädel.
Als Soldaten ihn entdeckten, wurde er für tot gehalten. Nachdem in einem Krankenhaus festgestellt wurde, dass er noch lebte, führten massive Schläge von Militärs zu schweren Verletzungen auf dem verbliebenen Auge, von dem heute nur noch rund 20 Prozent intakt sind. Sein gesunder Arm wurde an mehreren Stellen gebrochen. Vermutlich deshalb leidet Civan Boltan heute an dem Raynaud-Syndrom – attackenartigen Durchblutungsstörungen in den Fingern mit Verfärbung der betroffenen Bereiche, Missempfindungen, Taubheitsgefühl und Schmerzen.
Doch trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der weiteren Gefährdung seiner schwer angegriffenen gesundheitlichen Verfassung sowie einer ärztlich festgestellten Haftunfähigkeit wird Civan Boltan nicht entlassen. Seine Freilassung wird mit der Begründung verweigert, dass das dem Justizministerium unterstehende Institut für Rechtsmedizin eine andere Auffassung als die der ehemaligen Ärzt:innen vertritt und seine Haftfähigkeit bescheinigt.
Türkei ignoriert EGMR-Urteil
Aussichten auf eine bedingte Entlassung für Civan Boltan gibt es nach gültiger Rechtsprechung nicht: Personen, die zu lebenslanger Freiheitsstrafe mit verschärftem Vollzug wegen Straftaten verurteilt wurden, die sie nach Auffassung des Gerichts innerhalb einer Organisation gegen die „Sicherheit des Staates“ begangen haben, verbleiben bis zum physischen Tod in Haft. Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) verstößt aber die Weigerung, „Lebenslänglichen“ zumindest das Recht auf Hoffnung einzuräumen, gegen das in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) statuierte Folterverbot.
2016 war Boltan vor den EGMR gezogen, weil ihm mit der Haft ohne Aussicht auf eine Entlassung ein „dauerhaft hoffnungsloser Zustand“ von der türkischen Justiz auferlegt worden sei. Die EMRK verbietet es nicht grundsätzlich, einen erwachsenen „Straftäter“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen, vorausgesetzt, sie ist nicht eindeutig unverhältnismäßig. Lebenslänglich kann aber dann gegen das Folterverbot verstoßen, wenn die Strafe nicht reduzierbar ist.
Das Straßburger Gericht gab der Klage von Civan Boltan in seinem Urteil (33056/16) vom 12. Februar 2019 teilweise statt und wies die Regierung in Ankara an, einen Kontrollmechanismus einzuführen, durch den geprüft wird, ob (noch) legitime Gründe für die Aufrechterhaltung der Haft bestehen. Eine gleichlautende Anordnung hatten zuvor bereits die politischen Gefangenen Hayati Kaytan, Emin Gurban und Abdullah Öcalan, der wohl berühmteste Gefangene der Türkei, vor dem EGMR erwirkt. Ankara weigert sich bis heute, diese Urteile umzusetzen und die nationale Rechtsprechung anzupassen.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/eine-kleine-geschichte-der-kurden-der-fall-civan-boltan-29734 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/neue-repression-gegen-kranken-politischen-gefangenen-34346 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/neue-ermittlungen-gegen-kurdischen-journalisten-hakki-boltan-46313
DEM-Partei sammelt Unterschriften für Frieden in Dersim
Der Provinzverband der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) hat in der nordkurdischen Stadt Dersim (tr. Tunceli) eine Unterschriftenaktion für Frieden gestartet. Ein entsprechender Stand wurde auf dem zentral gelegenen Seyit-Rıza-Platz eingerichtet.
Ziel der Aktion ist es laut Parteivertreter:innen, die Forderung nach einem politischen Dialog und einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und anderer gesellschaftlicher Konflikte sichtbar zu machen. Der Stand wird bis Ende September jeweils von 13:00 bis 18:00 Uhr geöffnet sein.
Am ersten Tag der Aktion verzeichnete die Initiative am Montag eine rege Beteiligung von Passant:innen. Die gesammelten Unterschriften sollen zu einem späteren Zeitpunkt an zuständige politische Gremien und staatliche Stellen weitergeleitet werden.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-fordert-dialog-mit-Ocalan-und-kritisiert-autoritaren-kurs-der-regierung-47873 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-frage-wirtschaftsverbande-sprechen-vor-kommission-im-parlament-47920 https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensnobelpreistragerin-jody-williams-fordert-schritte-fur-dialogprozess-in-der-turkei-47944
Zivilgesellschaft in Wan startet Kampagne gegen Gewalt an Frauen
In der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) haben zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen eine dreimonatige Kampagne gegen geschlechtsspezifische Gewalt und mutmaßlich vertuschte Frauenmorde gestartet. Die Initiative firmiert unter dem Motto „Wir organisieren uns, um zu leben und Leben zu schützen“ und wird von lokalen Frauenverbänden, Menschenrechtsgruppen, Anwaltsvereinigungen und Berufsvertretungen getragen.
Die Kampagne wurde am Montag mit einer Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Anwaltskammer Wan offiziell eröffnet. Zu den Initiator:innen gehören unter anderem die Bewegung Freier Frauen (TJA), der Frauenverein STAR, der Menschenrechtsverein IHD, der Juristenverband ÖHD sowie verschiedene Frauenausschüsse von Berufsverbänden und kommunalen Einrichtungen.
Hintergrund: Zunehmende Gewalt und fehlende Aufklärung
Meryema Aslan, Vertreterin des STAR-Frauenvereins, verlas die gemeinsame Erklärung. Sie verwies auf eine besorgniserregende Häufung von Feminiziden und sogenannten „verdächtigen Todesfällen“, die oft ohne gründliche Untersuchung als Suizid eingestuft würden.
„In der Region erleben wir eine Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt, begleitet von organisierter Kriminalität wie Drogen- und Prostitutionsnetzwerken, die das Leben von Frauen direkt bedrohen“, sagte Aslan. Die Gewalt sei Teil einer bewussten Strategie, die gesellschaftliche Kontrolle über Frauen aufrechtzuerhalten und Widerstand zu brechen.
Allein in der vergangenen Woche seien vier Feminizide gemeldet worden, erklärte Aslan – und betonte, dass dies lediglich die bekannten Fälle seien. Die Dunkelziffer sei vermutlich deutlich höher.
Forderung nach systematischer Aufklärung und Ende der Straflosigkeit
Die Initiator:innen kritisieren eine Kultur der Straflosigkeit, in der Täter geschützt, Ermittlungen verschleppt und Todesfälle schnell abgeschlossen würden. Die Kampagne sei daher nicht nur eine Reaktion auf Einzelfälle, sondern ein Versuch, eine dauerhafte und strukturierte Gegenbewegung aufzubauen.
„Wir fordern, dass jeder Fall von mutmaßlicher Gewalt gegen Frauen umfassend, transparent und ergebnisoffen untersucht wird“, sagte Aslan. Es gehe nicht nur um individuelle Gerechtigkeit, sondern um die Verteidigung des Rechts auf Leben – ein Anliegen, das die gesamte Gesellschaft betreffe.
Breite zivilgesellschaftliche Beteiligung
An der Kampagne beteiligen sich auch die Anwaltskammer von Wan und deren Zentrum für Frauenrechte sowie die Kommission für Migration, der Frauenrat der Kommunalverwaltungen in Wan, die Frauenkooperative Evin, der Ortsverband der Ingenieur- und Architektenkammer TMMOB und der linke Gewerkschaftsbund KESK. Die Kampagne soll über drei Monate hinweg mit öffentlichen Aktionen, Bildungsformaten und juristischen Interventionen fortgeführt werden.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/tja-zahl-verdachtiger-todesfalle-von-frauen-in-wan-steigt-47818 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kampagne-in-amed-gegen-unsichtbare-gewalt-47821 https://deutsch.anf-news.com/frauen/dbp-frauenrat-warnt-vor-eskalierender-gewalt-gegen-frauen-47672
Syrien-Forum endet mit Appell für nationalen Dialog und neue Verfassung
Das in der nordostsyrischen Stadt Hesekê veranstaltete 5. Syrien-Forum ist mit einem umfassenden Abschlusspapier zu Ende gegangen. In der Erklärung betonen die Teilnehmenden die Dringlichkeit eines inklusiven nationalen Dialogs, einer gesamtgesellschaftlichen Verfassung und der Stärkung demokratischer Strukturen als Grundlage für eine nachhaltige Friedenslösung in Syrien.
Das Forum stand unter dem Motto „Manifest für Frieden und demokratische Gesellschaft – Grundlage für den Wiederaufbau eines modernen Syriens“ und wurde von der Partei der Demokratischen Einheit (PYD) organisiert. Rund 120 Teilnehmende aus verschiedenen Regionen Syriens – darunter Politiker:innen, Intellektuelle, Vertreter:innen von Organisationen und führende Persönlichkeiten arabischer Stämme – nahmen an den viertägigen Beratungen teil.
Kernforderungen der Abschlusserklärung
PYD-Ratsmitglied Silêman Ereb verlas zum Abschluss die wichtigsten Punkte der gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen. Dazu gehören:
▪ Verbindlichkeit des 10.-März-Abkommens zwischen dem Oberkommandierenden der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und dem selbsternannten Präsidenten der syrischen Übergangsregierung Ahmed al-Scharaa;
▪ Ein umfassender, inklusiver nationaler Dialog, der alle gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen einbezieht;
▪ Einberufung eines gesamtgesellschaftlichen Kongresses zur Ausarbeitung eines neuen Gesellschaftsvertrags;
▪ Ablehnung von Hassrede und ethnischer Ausgrenzung sowie der Aufruf zu kulturellem Zusammenhalt;
▪ Stärkung der Rolle von Frauen als aktive politische und gesellschaftliche Akteurinnen im Demokratisierungsprozess;
▪ Überwindung zentralistischer Staatsstrukturen zugunsten einer dezentralen, partizipativen Regierungsform;
▪ Einsatz für die physische Freiheit des in der Türkei inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan;
▪ Erwartung klarer Verantwortung durch internationale Garantiestaaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA.
In der Erklärung heißt es weiter, das „Manifest für Frieden und Demokratische Gesellschaft“ sei als politisch-intellektuelle Alternative zu bestehenden Staatsmodellen zu verstehen und solle den Weg in eine demokratisch geeinte Zukunft Syriens weisen.
Hoffnung auf Neuanfang
In der abschließenden Bewertung wurde das Forum als „nicht nur politische Option, sondern Hoffnung für die Bevölkerung Syriens“ beschrieben. Die Umsetzung der vorgestellten Vorschläge solle nicht eine Lösung verzögern, sondern zur Schaffung eines neuen Syrien auf der Grundlage von Frieden, Vielfalt und Gleichberechtigung beitragen.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/syrien-forum-der-pyd-in-heseke-47956 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/nord-und-ostsyrien-kritisiert-ausschluss-von-wahlen-47959 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-syrien-darf-nicht-zum-alten-system-zuruckkehren-47948 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/selbstverwaltung-nord-und-ostsyriens-fordert-damaskus-zu-ernsthaftem-dialog-auf-47947
QSD nehmen IS-Bombenbauer bei Einsatz in Raqqa fest
Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben nach eigenen Angaben einen hochrangigen mutmaßlichen Bombenbauer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) bei einem gezielten Einsatz in Raqqa festgenommen. Der Zugriff durch die Sondereinheit TOL erfolgte bereits am vergangenen Samstag nach monatelanger Observation, wie die QSD am Montagabend mitteilten.
Bei dem Festgenommenen handelt es sich demnach um den Syrer Hassan J. alias Abu Abdo, der eine zentrale Rolle beim Bau und der Verteilung von TNT-Sprengstoff an IS-Schläferzellen gespielt haben soll. Die Sprengsätze seien zur Durchführung von Anschlägen auf Sicherheitskräfte, Militärposten, Fahrzeuge und zivile Einrichtungen der Autonomieverwaltung bestimmt gewesen, so die QSD.
In a precision security operation in Raqqa, our SDF's TOL units successfully captured the terrorist Hassan Jafli, aka “Abu Abdo,” an IED-maker, seizing 180 TNT blocks, detonators, circuits, and cash. The terrorist Abu Abdo was responsible for supplying explosives to sleeper cells… pic.twitter.com/eiyShyUzGv
— Syrian Democratic Forces (@SDF_Syria) September 15, 2025Lagerhalle als Sprengstoffwerkstatt
Die Einsatzkräfte lokalisierten das Versteck des Verdächtigen in Raqqa und nahmen ihn bei einer gezielten Razzia fest. Dabei beschlagnahmten sie 180 TNT-Blöcke, Zünder, elektronische Steuergeräte, Mobiltelefone sowie eine größere Menge Bargeld. Der mutmaßliche Terrorist soll eine Lagerhalle als Werkstatt zur Herstellung der Sprengsätze genutzt haben.
Nach Angaben der QSD war der Einsatz Teil der anhaltenden Bemühungen zur Zerschlagung von IS-Schläferzellen in der Region. Das Bündnis bekräftigte seine Entschlossenheit, „alle terroristischen Strukturen und deren Ressourcen nachhaltig zu zerschlagen, um Sicherheit und Stabilität in Nordostsyrien zu gewährleisten“.
Die Stadt Raqqa war bis 2017 die inoffizielle Hauptstadt des sogenannten IS-Kalifats. Trotz der territorialen Niederlage der Miliz operieren weiterhin verdeckte Zellen in der Region.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/zehn-jahre-nach-dem-is-Uberfall-kobane-ruft-zur-solidaritat-auf-47957 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/asayis-nimmt-61-verdachtige-bei-razzien-in-raqqa-und-deir-ez-zor-fest-47952 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/gefechte-zwischen-qsd-und-regierungsnahen-gruppen-in-deir-ez-zor-47937
KON-MED fordert deutsche Unterstützung für Friedensprozess in der Türkei
Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e. V. (KON-MED) hat die deutsche Vertretung im Ministerkomitee des Europarats in einem Schreiben dazu aufgerufen, sich stärker für Menschenrechte in der Türkei und einen politischen Friedensprozess in der kurdischen Frage einzusetzen.
In dem an die Ständige Vertreterin Deutschlands beim Europarat Heike Thiele gerichteten Brief fordert KON-MED unter anderem die Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu den Haftbedingungen des in der Türkei inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Das Urteil von 2014 bewertet die lebenslange Haftstrafe ohne realistische Aussicht auf Freilassung als Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und bekräftigt das sogenannte „Recht auf Hoffnung“.
KON-MED verweist auf „historische Geste“ der PKK
Der Verband verweist in dem Schreiben auch auf eine symbolische Geste der PKK im Juli dieses Jahres, die einen einseitigen Schritt in Richtung Entwaffnung vollzogen hatte – ohne vorherige Zusicherungen durch die türkische Regierung. Dies sei ein „deutliches Zeichen der Bereitschaft zum Frieden“, das nun auch auf politischer Ebene beantwortet werden müsse.
„Die fortgesetzte Missachtung der EGMR-Rechtsprechung blockiert nicht nur grundlegende Menschenrechte – sie verhindert auch konkrete Chancen auf einen neuen Friedensprozess“, heißt es in dem Schreiben, das von den beiden KON-MED-Ko-Vorsitzenden Ruken Akça und Kerem Gök unterzeichnet ist. Entscheidend dafür sei, dass die Türkei diesen Schritt erwidert und dass der Europarat aktive Unterstützung leistet.
Drei zentrale Forderungen an den Europarat
KON-MED richtet in dem Brief drei zentrale Forderungen an die deutsche Delegation im Ministerkomitee des Europarats:
▪ Die vollständige Umsetzung der EGMR-Urteile, insbesondere durch die Schaffung eines Überprüfungsmechanismus für lebenslange Freiheitsstrafen ohne Aussetzungsperspektive;
▪ Die Wahrung der Menschenrechte von Gefangenen auf der Gefängnisinsel Imrali, darunter regelmäßige Kontakte zu Familien und Anwält:innen;
▪ Die Unterstützung eines demokratischen Lösungsprozesses zur kurdischen Frage auf Grundlage von Rechtsstaatlichkeit, Dialog und Menschenwürde.
Appell für ein klares Signal
Abschließend ruft KON-MED die deutsche Vertretung dazu auf, klare politische Signale für Frieden und Menschenrechte zu senden. Nur so könne ein glaubwürdiger internationaler Beitrag zur Lösung des jahrzehntelangen Konflikts geleistet werden. „Ein Friedensprozess kann nur gelingen, wenn auch der Europarat klare Signale sendet: für Frieden, für Dialog, für Demokratie – und für das Recht auf Hoffnung“, heißt es im abschließenden Appell.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/recht-auf-hoffnung-auftakt-des-sitzstreiks-in-strassburg-47961 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/wecker-ruft-zu-frieden-und-demokratisierung-in-der-turkei-auf-47911 https://deutsch.anf-news.com/frauen/offener-brief-an-europarat-frauen-fordern-umsetzung-von-egmr-urteil-zu-Ocalan-47951 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/eutcc-recht-auf-hoffnung-fur-Ocalan-und-andere-gefangene-garantieren-47876 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-frage-wirtschaftsverbande-sprechen-vor-kommission-im-parlament-47920
Tamilische Diaspora protestiert vor UN in Genf gegen Straflosigkeit in Sri Lanka
Anlässlich einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats zur Lage in Sri Lanka haben Angehörige der tamilischen Diaspora am Montag vor dem Sitz der Vereinten Nationen in Genf demonstriert. Die Kundgebung wurde von der Tamil Youth Organisation (TYO) sowie weiteren tamilischen Verbänden organisiert und forderte eine internationale Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in Sri Lanka.
Die Teilnehmenden kritisierten die anhaltende Straflosigkeit für staatliche Verbrechen gegen die tamilische Bevölkerung sowie die ihrer Ansicht nach unzureichenden Reaktionen internationaler Akteure wie der Vereinten Nationen oder der Bundesregierung. Besonders betont wurde die Forderung nach einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission unter UN-Mandat.
Erinnerung an Massaker und „Black July“
In Redebeiträgen wurde auf die lange Geschichte der Gewalt gegen Tamil:innen in Sri Lanka verwiesen – angefangen mit dem „Black July“ (Schwarzer Juli) 1983, bei dem es zu pogromartigen Übergriffen durch singhalesische Mobs kam, bis hin zum Massaker von Mullivaikkal im Jahr 2009, dem Höhepunkt des Bürgerkriegs. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass bei der Militäroffensive gegen die Tamil Tigers bis zu 70.000 Zivilist:innen getötet wurden. Bis heute gelten laut Angaben tamilischer Organisationen über 146.000 Menschen als verschwunden.
Obwohl Sri Lanka mehrfach internationale Verpflichtungen zur Aufarbeitung eingegangen sei, würden viele Aussagen von Betroffenenvertreter:innen als „Lippenbekenntnisse“ gewertet, hieß es bei der Kundgebung. Auch anhaltende Formen von Landenteignung, Diskriminierung und strukturellem Rassismus seien weiterhin Alltag in Sri Lanka.
Kurdische Solidarität
Unterstützung erhielt die Kundgebung auch von kurdischen Organisationen, die ihre Solidarität mit der tamilischen Bewegung bekundeten. Vertreter:innen der kurdischen Community verwiesen auf Parallelen zwischen dem Leid beider Bevölkerungsgruppen, insbesondere in Bezug auf staatliche Unterdrückung und politische Entrechtung. Eine Sprecherin sagte: „Wir wissen, was es bedeutet, in einem System zu leben, das aus unserer Unterdrückung Kapital schlägt. Deshalb unterstützen wir die Forderung nach Gerechtigkeit für die Tamil:innen aus vollem Herzen.“
Die Demonstration endete mit einem Appell an die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten, die historische Verantwortung ernst zu nehmen und verbindliche Schritte zur juristischen Aufarbeitung einzuleiten.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/tamilische-fahrraddemo-unterwegs-zu-vereinten-nationen-47829 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/tamil-innen-demonstrieren-in-brussel-gegen-repression-in-sri-lanka-46805 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/berlin-protest-der-tamilischen-community-gegen-prasidentenbesuch-46646
Gericht vertagt Verfahren gegen CHP-Vorstand
Ein türkisches Gericht in Ankara hat das Verfahren zur möglichen Absetzung des Vorstands der Republikanischen Volkspartei (CHP) und damit auch über die Entmachtung ihres Vorsitzenden Özgür Özel vertagt. Das Gericht verschob die Verhandlung auf den 24. Oktober. Die Partei kann vorerst wie bislang weiter geführt werden.
Bei dem Verfahren geht es um die Annullierung des Parteitages von 2023. Die Anklage wirft den Betroffenen vor, Delegierte damals bestochen zu haben, um Stimmen für Özel zu organisieren. Der CHP-Vorstand und der Parteivorsitzende weisen die Vorwürfe jedoch zurück. Sie bezeichnen das Vorgehen der türkischen Behörden als politisch motiviert
Der Prozess in der türkischen Hauptstadt ist Teil eines seit fast einem Jahr andauernden juristischen Vorgehens gegen führende Mitglieder der CHP. Am Wochenende hatten sich in Ankara mehrere zehntausend CHP-Anhänger:innen versammelt, um gegen die drohende Absetzung Özels zu protestieren.
Foto: CHP-Zentrale in Ankara © ANKA
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Erdoğan und al-Scharaa beraten in Doha über Syrien
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist am Rande eines außerordentlichen Gipfels der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) und der Arabischen Liga in Katars Hauptstadt Doha mit Ahmed al-Scharaa, dem selbsternannten Präsidenten der syrischen Übergangsregierung, zusammengetroffen.
An dem Gespräch nahmen nach offiziellen Angaben auch der türkische Außenminister Hakan Fidan, der Chef des Geheimdienstes MIT Ibrahim Kalın, der Kommunikationsdirektor des Präsidialamts Burhanettin Duran, Erdoğans außen- und sicherheitspolitischer Chefberater Akif Çağatay Kılıç sowie der AKP-Vizevorsitzende Halit Yerebakan teil.
Erdoğan nutzte die Begegnung, um die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) zu kritisieren. Er warf dem multiethnischen Bündnis vor, sich nicht an das am 10. März geschlossene Abkommen zu halten, das einen politischen Rahmen für eine Übergangslösung in Syrien schaffen soll. Zugleich hob Erdoğan hervor, dass al-Scharaas Teilnahme an der bevorstehenden UN-Generalversammlung in New York von „historischer Bedeutung“ sei. Einzelheiten des Treffens wurden nicht bekannt.
An dem Sondergipfel in Doha sind Vertreter:innen von fast 60 arabischen und islamisch geprägten Staaten beteiligt. Die Beratungen finden vor dem Hintergrund eines Angriffs Israels in Katar statt. Die israelische Luftwaffe hatte am vergangenen Dienstag versucht, politische Anführer der islamistischen Terrororganisation Hamas in Katar zu töten. Nach Hamas-Angaben schlug die Attacke jedoch fehl. Der Gipfel ruft zu einem härteren Vorgehen gegen Israel auf.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/selbstverwaltung-nord-und-ostsyriens-fordert-damaskus-zu-ernsthaftem-dialog-auf-47947 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-syrien-darf-nicht-zum-alten-system-zuruckkehren-47948 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bahceli-droht-mit-angriff-auf-nord-und-ostsyrien-47792 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/rojava-ist-meine-rote-linie-pervin-buldan-uber-das-letzte-gesprach-mit-abdullah-Ocalan-47794
„Recht auf Hoffnung“: Auftakt des Sitzstreiks in Straßburg
Vor dem Gebäude des Europarats in Straßburg haben zahlreiche Kurd:innen und Unterstützer:innen aus verschiedenen Ländern für die Freilassung des in der Türkei inhaftierten PKK-Begründers Abdullah Öcalan demonstriert. Der Protest fand am Montag anlässlich des Auftakts der Sitzung des Ministerkomitees des Europarats zur Überwachung der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) statt.
Zu der Kundgebung hatte der Kongress der Demokratischen Gesellschaften Kurdistans in Europa (KCDK-E) aufgerufen. Die Teilnehmenden trugen Banner in mehreren Sprachen und Fotos Öcalans, es wurden wiederholt Parolen für seine Freilassung skandiert.
„Recht auf Hoffnung“ im Fokus
Im Zentrum der Forderungen stand die Umsetzung des sogenannten „Rechts auf Hoffnung“, das sich auf ein Urteil des EGMR aus dem Jahr 2014 bezieht. Damals hatte das Straßburger Gericht festgestellt, dass lebenslange Haftstrafen ohne realistische Aussicht auf Freilassung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
Zübeyde Zümrüt, Ko-Vorsitzende des KCDK-E, kritisierte, dass die Türkei die vom Europarat gesetzten Fristen zur Umsetzung des Urteils bislang ignoriert habe. Die Untätigkeit sei „eine politische Entscheidung“, so Zümrüt. Der Europarat müsse seiner Verantwortung gerecht werden und dürfe keine „Doppelmoral“ dulden.
Auch Engin Sever, ebenfalls Ko-Vorsitzender des kurdischen Europadachverbands, sprach von einem mangelnden Engagement europäischer Staaten. Öcalans Freilassung sei eine „rote Linie für das kurdische Volk“.
Kritik an doppelten Standards
Ayten Kaplan von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa (TJK-E) betonte die politische Rolle Öcalans in einem möglichen Friedensprozess. Es sei nicht hinnehmbar, dass bestimmten Gruppen Rechte gewährt würden, Kurd:innen jedoch davon ausgenommen blieben. „Darauf muss Europa eine Antwort geben“, sagte Kaplan.
Öcalans Anwalt Ömer Güneş forderte vom Ministerkomitee des Europarats konkrete Maßnahmen. Die Türkei müsse wie andere Länder auch Sanktionen unterliegen, wenn sie rechtskräftige Urteile des EGMR missachte. Als Beispiel nannte er Aserbaidschan, gegen das entsprechende Schritte bereits eingeleitet wurden.
Mehrtägige Proteste vor dem Europarat
Bei der Kundgebung sprachen auch Vertreter:innen der Kampagne „Freiheit für Abdullah Öcalan – Politische Lösung für die kurdische Frage“, Aktivist:innen des Europäischen Forums für Frieden und Freiheit sowie Organisator:innen der Öcalan-Dauermahnwache vor dem Europarat.
Im Anschluss an die Kundgebung begann ein vier Tage dauernder Sitzstreik, der die laufenden Beratungen des Europarats begleiten soll. Die Organisator:innen kündigten an, den Druck auf europäische Institutionen aufrechtzuerhalten, bis konkrete Schritte zur Umsetzung des EGMR-Urteils folgen.
[album=21419]
https://deutsch.anf-news.com/frauen/offener-brief-an-europarat-frauen-fordern-umsetzung-von-egmr-urteil-zu-Ocalan-47951 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kcdk-e-kundigt-sitzstreik-in-strassburg-fur-Ocalans-freilassung-an-47943 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-organisationen-mobilisieren-fur-recht-auf-hoffnung-in-strassburg-47526 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/proteste-fur-umsetzung-des-egmr-urteils-zum-recht-auf-hoffnung-47946