«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
DEM-Frauenrat betont Bedeutung rechtlicher Grundlagen für Friedensprozess
Der Frauenrat der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) hat bei einer Veranstaltung in Istanbul die Notwendigkeit eines rechtlich abgesicherten Rahmens für einen dauerhaften Friedensprozess betont. Bei dem Treffen mit verschiedenen Frauenorganisationen im Kulturverein Divriği im Stadtteil Beyoğlu diskutierten die Teilnehmerinnen über aktuelle Entwicklungen und Strategien im Rahmen der Kampagne „Frieden und Demokratische Gesellschaft“. Auch die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, nahm teil.
Im Zentrum der Diskussion standen die seit dem 1. Oktober laufenden Aktivitäten des Frauenrats. Ziel sei es, einen umfassenden Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu führen, um die Grundlagen für einen nachhaltigen Friedensprozess zu schaffen. Dabei wurde betont, dass Frieden nicht allein das Ende militärischer Auseinandersetzungen bedeute, sondern auch die Überwindung struktureller Ungleichheiten und geschlechtsspezifischer Gewalt voraussetze.
Tülay Hatimoğulları (Mitte)
Gewalt gegen Frauen als Teil staatlicher Politik
Mehrere Sprecherinnen verwiesen auf die anhaltenden Repressionsmaßnahmen in der Türkei, insbesondere in kurdischen Provinzen. Die dort praktizierten „Spezialkriegspraktiken“ trügen maßgeblich zur Zunahme von Gewalt gegen Frauen bei. Staatliche Gewalt und patriarchale Strukturen seien nicht voneinander zu trennen, sondern verstärkten sich gegenseitig, hieß es.
Die Teilnehmerinnen riefen dazu auf, die Kämpfe marginalisierter und unterdrückter Gruppen zusammenzuführen, um eine gerechte und friedliche Gesellschaft aufzubauen. Besonders hervorgehoben wurde, dass die weitere Entwicklung des Friedensprozesses auf eine „rechtliche und gesetzliche Grundlage“ gestellt werden müsse. Nur so könne eine nachhaltige, gesellschaftlich verankerte Friedensordnung entstehen.
Austausch über Strategien und Forderungen
Die Veranstaltung endete mit einer offenen Diskussionsrunde, in der Frauen ihre Einschätzungen, Vorschläge und Forderungen zum weiteren Verlauf des Prozesses einbrachten. Die Teilnehmerinnen kündigten an, sich weiterhin aktiv in den laufenden Kampagnen der DEM-Partei einzubringen und für einen feministischen, demokratischen und rechtlich fundierten Friedensprozess einzutreten.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/verein-zeit-der-frau-unterstutzt-betroffene-geschlechtsspezifischer-gewalt-48019 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/dem-partei-verlegt-kampagne-wir-fordern-frieden-weil-nach-amed-48076 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-berat-uber-friedensprozess-und-gesetzesplane-48072
Neue Anklage gegen Selahattin Demirtaş
Gegen den kurdischen Politiker Selahattin Demirtaş ist ein weiteres Strafverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft in Êlih (tr. Batman) wirft dem ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP vor, bei einer Rede im Jahr 2016 den türkischen Staat, seine Institutionen und Sicherheitskräfte „herabgewürdigt“ zu haben. Die Anklage stützt sich auf Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuchs.
Die fragliche Rede hielt Demirtaş im Rahmen einer Friedenskundgebung unter dem Titel „Gegen den Krieg – für den Frieden“ in der kurdischen Stadt Êlih (Batman). Die Staatsanwaltschaft wertet Passagen der Rede, in denen Demirtaş die damalige Regierungspolitik kritisierte und auf die türkische Militärbelagerung zwischen 2015 und 2016 in verschiedenen kurdischen Provinzen einging, als „diffamierend und beleidigend“.
Die Anklageschrift wurde von der 3. Strafkammer des Landgerichts Batman angenommen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zwei Jahren sowie ein politisches Betätigungsverbot nach Artikel 53 des türkischen Strafgesetzbuchs. Der Prozesstermin ist für den 9. Dezember angesetzt.
Zwölf Verfahren nach Artikel 301
Seit der Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität und anschließenden Verhaftung vor rund neun Jahren wurden insgesamt zwölf Verfahren nach Artikel 301 gegen Demirtaş eröffnet – fast alle im Zusammenhang mit öffentlichen Reden. Zehn dieser Verfahren wurden inzwischen vor dem Amtsgericht im südtürkischen Mersin gebündelt. Im Juli 2024 wurde Demirtaş in diesem Komplex zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Verteidigung hat Berufung eingelegt, das Verfahren läuft vor einem Berufungsgericht weiter. Weitere Prozesse wegen ähnlicher Vorwürfe sind derzeit in Amed (Diyarbakır) und erneut in Êlih anhängig.
Europäischer Gerichtshof sieht Menschenrechtsverletzung
Demirtaş sitzt seit November 2016 im Hochsicherheitsgefängnis in Edirne. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei Urteilen – 2020 und 2025 – festgestellt, dass seine Inhaftierung rechtswidrig sei. Das Gericht sah unter anderem einen Verstoß gegen das Recht auf Freiheit und freie Meinungsäußerung und forderte seine Freilassung. Die türkische Regierung hat den Forderungen bislang nicht entsprochen. Im Verfahren um die Proteste vom Oktober 2014 gegen die türkische Unterstützung für die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) beim Überfall auf die Stadt Kobanê in Rojava wurde Demirtaş 2024 zu 42 Jahren Gefängnis verurteilt.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/egmr-verurteilt-turkei-erneut-wegen-inhaftierung-von-selahattin-demirtas-46995 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kobane-verfahren-gericht-lehnt-freilassung-trotz-egmr-urteil-ab-47153 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/demirtas-wir-werden-in-freiheit-und-gleichheit-zusammenleben-46720
„Budapest-Komplex“ – Fünf Jahre Haft für Antifaschistin Hanna S.
Im ersten deutschen Strafprozess im Zusammenhang mit dem sogenannten „Budapest-Komplex“ ist am Freitag am Oberlandesgericht München ein Urteil gesprochen worden. Die Angeklagte Hanna S. wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach die Antifaschistin der gefährlichen Körperverletzung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung schuldig. Der Vorwurf des versuchten Mordes wurde hingegen fallengelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Hanna S. stand wegen Attacken auf Rechtsradikale in Budapest vor Gericht. Ihr wurde vorgeworfen, im Februar 2023 gemeinsam mit weiteren Antifaschist:innen in der ungarischen Hauptstadt gezielt Neonazis angegriffen zu haben. Damals kamen zum sogenannten „Tag der Ehre“ in Ungarn Rechtsextremist:innen aus ganz Europa zusammen, um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt zu gedenken. Ein „Neonazi-Schaulaufen“ hatte ihr Verteidiger Yunus Ziyal die Veranstaltung zum Beginn des Prozesses genannt. „Es handelt sich um das derzeit größte Massenevent der extremen Rechten.“
Politisch motivierter Prozess?
Nach dem Urteil gab es scharfe Kritik von Prozessbeobachter:innen und Unterstützer:innen. Alina Häusler, Sprecherin des Solidaritätskreises München, bezeichnete das Verfahren als „klaren Einschüchterungsversuch gegen alle Antifaschist:innen und Engagierten gegen rechts“. Schon zu Beginn des Prozesses habe das Gericht laut Häusler deutlich gemacht, dass es eine Signalwirkung anstrebe: „Nun ist das Signal klar und deutlich: Wenige Indizien reichen aus, um antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren und Menschen auf Jahre der Freiheit zu
berauben.“
Häusler übte auch grundsätzliche Kritik an der juristischen Zusammenarbeit Deutschlands mit Ungarn in diesem Fall. Die Bundesrepublik sei bislang der einzige EU-Staat außerhalb Ungarns, der Strafverfolgung im Zusammenhang mit den Vorfällen in Budapest aufgenommen habe. Frankreich und Italien hätten Auslieferungsersuchen aus Budapest wegen menschenrechtlicher Bedenken abgelehnt. In Deutschland hingegen komme es zu Verfahren und sogar Auslieferungen. „Deutsche Behörden machen sich zum willfährigen Vollstrecker der rechtsautoritären Politik Viktor Orbáns“, sagte Häusler.
Weitere Verfahren in Düsseldorf
Neben dem Verfahren in München sind weitere Prozesse gegen Beschuldigte aus dem „Budapest-Komplex“ geplant, in den mehrere Personen involviert sein sollen. Sieben von ihnen hatten sich im Januar an verschiedenen Orten den Behörden gestellt, gegen sechs von ihnen hat der Generalbundesanwalt Anklage vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Zu der jetzt in Deutschland verfolgten Gruppe zählt auch die non-binäre Person Maja T., die im vergangenen Jahr nach Ungarn ausgeliefert worden war.
Protest in Nürnberg angekündigt
Als Reaktion auf das Urteil gegen Hanna S. rufen antifaschistische Gruppen zu einer bundesweiten Demonstration am Samstag, 27. September, in Nürnberg auf. Unter dem Motto „Antifaschismus bleibt notwendig – und wir solidarisch“ soll die Demonstration um 12 Uhr im Veit-Stoß-Park beginnen. Die Veranstalter:innen wollen damit gegen die ihrer Ansicht nach politisch motivierte Strafverfolgung protestieren.
Foto: Perspektive Online, CC BY-NC-SA 4.0
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/budapest-komplex-hanna-lass-dein-haar-herunter-43771 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/budapest-komplex-antifaschistin-hanna-aussert-sich-45424 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/budapest-komplex-prozessbeginn-gegen-antifaschistin-hanna-45363
Frauengruppen rufen zu Demonstration für Aufklärung im Fall Rojin Kabaiş auf
In der kurdischen Großstadt Wan (tr. Van) haben mehrere Frauenorganisationen zur Teilnahme an einer Demonstration am 27. September mobilisiert. Mit dem Protest soll eine unabhängige Aufklärung im Fall Rojin Kabaiş gefordert werden. Die junge Frau war vor rund einem Jahr unter bislang ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Die Umstände ihres Todes sorgen in der Region seit Monaten für Kritik und Proteste.
Die Demonstration wird von der „Koordination gegen Gewalt“ organisiert, einem Zusammenschluss von 13 Frauenorganisationen, dem unter anderem die Bewegung Freier Frauen (TJA) und der Frauenverein Star angehören. Die Aktion findet im Rahmen der Kampagne „Wir organisieren uns, um zu leben und Leben zu schützen“ statt. Start ist am 27. September um 18 Uhr in Wan.
Zur Mobilisierung für den Protest verteilten Aktivistinnen am Freitag Flugblätter in der Innenstadt. Begleitet wurden sie unter anderem von der Ko-Vorsitzenden des Provinzverbands der DEM-Parte, Gülşen Kurt, der Parlamentsabgeordneten Gülderen Varlı, der abgesetzten Ko-Bürgermeisterin Neslihan Şedal sowie Vertreterinnen der Friedensmütter und des Stadtparlaments.
Während der Verteilaktion riefen die Teilnehmerinnen Parolen wie „Rojin Kabaiş ist unser Aufschrei“ und „Gerechtigkeit für Rojin – Gerechtigkeit für alle“. Die beteiligten Organisationen kündigten in Gespräche mit Interessierten an, den Druck auf Behörden aufrechtzuerhalten, bis die Todesumstände vollständig aufgeklärt seien. Die Aktion endete mit Beifall und weiteren Parolen.
Rätselhafter Todesfall ohne Aufklärung
Der Fall Rojin Kabaiş steht für viele Frauen in der Region exemplarisch für strukturelle Gewalt und staatliches Schweigen. Die junge Frau studierte Kinderpädagogik an der Universität in Wan. Am 27. September vergangenen Jahres verließ sie das staatliche Studentinnenwohnheim auf dem Universitätscampus – danach galt sie zunächst als vermisst. Erst 18 Tage später, am 15. Oktober, wurde ihre Leiche am Ufer des Wan-Sees nahe des Dorfs Molla Kasım gefunden. Obwohl Staatsanwaltschaft und Polizei seither ermitteln, sind die genauen Umstände ihres Todes bis heute ungeklärt. Angehörige von Rojin Kabaiş gehen davon aus, dass sie Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/ein-jahr-nach-dem-tod-von-rojin-kabais-frauen-in-wan-fordern-aufklarung-48088 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/vater-von-rojin-kabais-stellt-antrag-bei-justizministerium-48032 https://deutsch.anf-news.com/frauen/elf-monate-nach-tod-von-studentin-rojin-kabais-familie-klagt-uber-vertuschung-47628
Aktivist:innen besetzen Bagger im Tagebau Hambach
Aktivist:innen der Gruppe „Pirat*innen“ haben einen Kohlebagger im Tagebau Hambach besetzt. Die Aktion, die über soziale Medien live gestreamt wurde, richtet sich gegen die geplante Rodung von Waldflächen durch den Energiekonzern RWE. An der Stelle des gerodeten Waldes soll ein Yachthafen entstehen.
Die Beteiligten hissten Banner mit Aufschriften wie „Kohlebagger entern, Kapitalismus kentern“ und „Shut Down Capitalism. Save the planet. Install Anarchism“. In einer Stellungnahme kritisieren sie das Projekt als Beispiel für eine aus ihrer Sicht verfehlte Prioritätensetzung in der Klimakrise. „Am Thema Wasser zeigt sich, dass immer noch die Profitinteressen von RWE über den Bedürfnissen von Menschen und Natur stehen“, erklärte ein:e Aktivist:in mit dem Namen „Jessie“.
Solidarität mit der Waldbesetzung „Sündi bleibt“
Die geplante Flutung des Tagebaus und der Bau eines Yachthafens würden überlebenswichtiges Wasser verknappen, während die Region bereits unter zunehmender Trockenheit leide. Auch chemische Risiken werden betont: Durch chemische Reaktionen könne das Wasser im geplanten Restsee versauern – selbst RWE wolle sich den Folgen offenbar nicht stellen, so die Gruppe.
Fotos der Aktion © Pirat*innen/Disrupt Now
Die Aktion versteht sich auch als Zeichen der Solidarität mit der Waldbesetzung „Sündi bleibt“, die derzeit den Sündenwald schützt – ein Gebiet, das nach Einschätzung der Aktivist:innen eine zentrale Rolle für die lokale Frischwasserversorgung spielt. Dort wird in den kommenden Wochen eine Räumung erwartet. RWE plant, unter dem Gebiet Kies abzubauen und damit künstlich eine Insel aufzuschütten.
Orientierung an tatsächlichen Bedürfnissen statt Zerstörung
„Es sagt viel über unser Wirtschaftssystem aus, dass es profitabel ist, Wälder zu roden und Dörfer einzureißen, um giftige Seen zu füllen, Yachthäfen und Luxusapartments zu bauen, und Inseln aufzuschütten“, heißt es in der Mitteilung. Stattdessen brauche es eine Orientierung an tatsächlichen Bedürfnissen: bezahlbarer Wohnraum, intakte Ökosysteme und den sofortigen Kohleausstieg. „Dieses Projekt darf nicht passieren, darum blockieren wir die Zerstörung hier und heute mit unseren Körpern.“
Eine polizeiliche Räumung wird nach Angaben der Aktivist:innen jederzeit erwartet. Die Polizei Düren ist vor Ort. „Wir warten nun auf spezialisierte Höhenretter, um mit den Aktivisten in Kontakt treten zu können und irgendwie zu einer Lagebereinigung zu kommen“, sagte ein Sprecher. Auch ein Hubschrauber sei im Einsatz.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/kohlebagger-im-tagebau-hambach-besetzt-35903 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/zehn-jahre-hambi-der-widerstand-geht-weiter-31668 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/raumung-des-hambacher-forst-beschaftigt-ovg-31598
Journalist Celalettin Yalçın unter Auflagen aus der Haft entlassen
Der wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter vermeintlichen Terrorvorwürfen angeklagte kurdische Journalist Celalettin Yalçın ist nach rund zwei Jahren Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt worden. Das 37. Schwurgericht in Istanbul entschied am Freitag im ersten Termin der Wiederaufnahme, Yalçın unter Meldeauflagen freizulassen.
Zwar hielt das Gericht an dem ursprünglichen Schuldspruch von sechs Jahren und drei Monaten Haft fest, verwies jedoch auf die bereits verbüßte Zeit in Untersuchungshaft. Yalçın war per Videoschalte aus dem Hochsicherheitsgefängnis in der zentralanatolischen Provinz Kırşehir zugeschaltet. Im Gerichtssaal anwesend waren sein Verteidiger Serhat Çakmak, der auch Ko-Vorsitzender der Vereinigung freiheitlicher Juristen (ÖHD) ist, Selman Çiçek vom Vorstand des Journalistenvereins DFG sowie Angehörige und Kolleg:innen.
Celalettin Yalçın (Archivbild, MA)
Das Gericht gestattete Yalçın, seine Verteidigung auf Kurdisch zu führen. In seiner Stellungnahme verwies er auf den Aufhebungsbeschluss des Kassationsgerichtshofs, in dem wesentliche Teile des früheren Urteils verworfen worden waren. „Ich akzeptiere die zu meinen Gunsten getroffenen Feststellungen“, sagte Yalçın.
Die Staatsanwaltschaft forderte dennoch eine Fortsetzung der Haft unter Verweis auf eine angebliche Fluchtgefahr. Yalçın wies dies zurück und erklärte: „Ich sitze seit November 2023 in Haft und befand mich im Rahmen des Verfahrens bereits früher rund ein Jahr im Gefängnis. Ich fordere meinen Freispruch und meine sofortige Entlassung.“
Sein Anwalt betonte, die Zeit in Haft entspreche faktisch der Strafe. Zudem habe der Kassationshof das Urteil wegen unzureichender Beweislage und mangelnder Verhältnismäßigkeit aufgehoben. Die im Verfahren angeführten Indizien – einige Zeitschriften und Notizen – reichten nicht aus, um einen dringenden Tatverdacht zu begründen, so Çakmak.
Ein endgültiges Urteil in dem Verfahren steht noch aus.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/kurdischer-journalist-celalettin-yalcin-in-istanbul-verhaftet-39753 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/gefangene-der-widerstand-geht-weiter-43468 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/dfg-kritisiert-anhaltende-repression-gegen-die-presse-in-der-turkei-47765
Murat Karayılan über Rıza Altun: „Er war Gestalter einer Linie“
Anlässlich des sechsten Jahrestages der Ermordung von Rıza Altun, einem der prägenden Gründungsmitglieder der kurdischen Befreiungsbewegung, fand in den Medya-Verteidigungsgebieten eine Gedenkveranstaltung statt. Anwesend war auch KCK-Exekutivratsmitglied Murat Karayılan, der in einer ausführlichen Rede Leben, Wirken und ideologisches Erbe Altuns würdigte.
Altun war am 25. September 2019 gemeinsam mit zwei Guerillakämpfern bei einem gezielten türkischen Luftangriff in der Nähe des Dorfes Zêwkê in den Qendîl-Bergen ums Leben gekommen. Karayılan rief dazu auf, ihrer mit einer Schweigeminute zu gedenken und erklärte: „Heute jährt sich der Tod von Rıza Altun zum sechsten Mal. Am 25. September 2019 befanden sich unsere Freunde Rıza, Baz und Garzan in der Nähe des Dorfes Zêwkê in einem Stützpunkt, als ein großangelegter Luftangriff stattfand. Alle drei kamen dabei ums Leben. Wir gedenken ihrer mit Respekt und erinnern in diesem Zusammenhang auch an alle anderen Gefallenen Kurdistans.
Gezielt ins Visier genommen
Rıza Altun war ein Ziel der Gegenseite – wie viele andere, die in leitender Funktion innerhalb unserer Bewegung tätig waren. Er war damals für die diplomatischen Aktivitäten der KCK verantwortlich. Bereits am 21. März 2019, am Tag von Newroz, wurde bei einem weiteren Angriff in einem Dorf in Qendîl eine Gruppe unserer Weggefährten getroffen. Darunter waren auch Sînanê Sor, ein Kämpfer der ersten Generation, sowie Serhat Amanos, Mitglied des diplomatischen Komitees. Auch Navdar Sinegir, Serhat Şafak und Şiyar Faraşîn kamen dabei ums Leben. Auch ihnen gilt heute unser Gedenken.
Hevalê Rıza wurde bei diesem Angriff schwer verletzt. Während seiner Behandlung versuchte die Gegenseite erneut, ihn anzugreifen, scheiterte jedoch. Nach seiner Genesung kehrte er an seinen Einsatzort zurück, um seine Aufgaben fortzusetzen. Dort, begleitet von Baz, der für seine Sicherheit verantwortlich war, und Garzan, wurde die Gruppe erneut identifiziert – diesmal mit tödlichem Ausgang.
Frühe Verbindung zur Bewegung
Rıza Altun kam bereits 1975, zu Zeiten der ideologischen Aufbauphase durch Rêber Apo, mit der Bewegung in Kontakt. Soweit ich weiß, lernte er zunächst Kemal Pir kennen. Er lebte im Viertel Tuzluçayır in Ankara – ein Arbeiterviertel, mit einer einfachen, hart arbeitenden Bevölkerung. Rıza war kein Einzelgänger, seine Teilnahme an der Bewegung war von Anfang an kollektiv geprägt. Er schloss sich nicht nur selbst an, sondern brachte seine ganze Familie mit ein. Damit wurde Tuzluçayır zu einem der ersten Orte, an denen die Bewegung in die Gesellschaft vordrang. Es war ein Prozess der sozialen Verankerung, der dort erstmals sichtbar wurde.
Rıza war eine natürliche Führungspersönlichkeit. Er war unter seinen Nachbarn und Schulfreunden bekannt, hatte Einfluss, ohne ihn zu erzwingen. In seinem Umfeld war er eine respektierte Figur. Schon früh erhielt er den Spitznamen „Şirket“ (die Firma), ein Ausdruck für seine Fähigkeit, viele Dinge gleichzeitig zu organisieren. Als er später in militärischen Operationen eine größere Rolle spielte, berichteten auch türkische Medien unter diesem Spitznamen über ihn.
Familiäre Kontinuität und persönliche Entwicklung
Rıza Altuns Bruder, bekannt unter dem Namen Kara Ömer, trat ebenfalls der Bewegung bei. Ich kannte ihn persönlich – wir verbrachten Zeit gemeinsam, unter anderem im Libanon und in Palästina. Er war ein erfahrener Kommandant, mutig und verantwortungsbewusst. Im März 1991 wurde er bei einem Schusswaffenangriff an der Grenze zwischen Qilaban und Heftanîn getötet. Der Täter wurde später lebend gefasst – auch mit seiner Waffe. Vertreter der YNK kamen damals zu uns und forderten seine Auslieferung. Wir entschieden, dass wir ihn selbst zur Rechenschaft ziehen würden, da er unseren Kommandanten getötet hatte. So geschah es.
Auch Rızas Neffen traten in die Bewegung ein. Cumali, ein Mitglied der Spezialeinheiten, fiel 2005 bei einem Gefecht in Elbak. Ein weiterer Neffe, Doğan, kam durch einen Artillerieangriff in Xinêre ums Leben. Die Familie steht der Bewegung bis heute nah. Rızas Mutter, Hatice Altun – vielen bekannt als Hatice Ana – war aktiv eingebunden. Ich erinnere mich daran, wie sie 1992 als Kurierin aus dem Norden zu uns kam. Sie war eine engagierte, aufrichtige Frau. Auch der Vorsitzende kannte und schätzte sie. Nach ihrem Tod schickte er aus dem Gefängnis eine persönliche Beileidsbotschaft.
Organisation, Strategie, Bildung
Rıza Altun war Delegierter des ersten Kongresses und somit Gründungsmitglied der PKK. Er war Teil des ersten militärischen Komitees und spielte eine Schlüsselrolle in vielen Gebieten – darunter auch in Sêwreg, wo er bei einem Einsatz gefangen genommen wurde. Damals waren die Verhältnisse noch nicht wie heute – wir agierten halb militärisch, halb zivil. Nach über zehn Jahren Haft wurde er zur Zeit der Gesetzesänderungen unter Özal freigelassen – gemeinsam mit Duran Kalkan. Danach kehrten beide zur Bewegung zurück.
Rıza übernahm zentrale Aufgaben in der PKK und der KCK, war viele Jahre verantwortlich für die Arbeit in Europa und engagierte sich in Bildungsprojekten. An den Apollo-Akademien arbeitete er wie ein Lehrer, half anderen, sich ideologisch und organisatorisch zu entwickeln. Er selbst hatte sich tief mit der Ideologie Abdullah Öcalans auseinandergesetzt – sowohl inhaltlich als auch methodisch. Er war belesen, analytisch, sprachlich stark. Seine Argumentation war klar, seine Einschätzung präzise, seine Wirkung überzeugend.
Er hatte die Fähigkeit, Probleme nicht nur zu erkennen, sondern auch praktikable Lösungsansätze aufzuzeigen. Seine Initiativen blieben nicht theoretisch, sondern wurden umgesetzt.
Verlässlichkeit, Kritikfähigkeit, Haltung
Was Rıza auszeichnete, war seine Konsequenz in der Sache. Auch wenn es in späteren Jahren in Europa Kritik an seiner Arbeit gab, nahm er diese an, reflektierte, änderte seine Haltung. Dabei verlor er nie den respektvollen Umgang mit seinen Weggefährten – unabhängig von der Situation. Selbst in kritischen Phasen blieb er ein aufrichtiger Kamerad. Er konnte kritisieren, aber auch selbstkritisch sein, wenn es notwendig war. Er übernahm Verantwortung, wenn Entscheidungen getroffen wurden. Und auch in angespannten Situationen blieb er offen für Entwicklung.
Ein Leben für eine Linie
Rıza Altun war Mitbegründer unserer Bewegung, er war bis zuletzt aktiv und blieb der Linie Rêber Apos treu. Er war einer der frühesten Weggefährten, jemand, der nicht nur lange dabei war, sondern sich immer weiterentwickelt hat. Der Feind hat das erkannt – und ihn deshalb gezielt ins Visier genommen.
Alle Mitglieder unserer Bewegung sind für den Gegner ein Ziel. Doch es ist kein Zufall, wenn bestimmte Persönlichkeiten besonders ins Zentrum gerückt werden. Denn ihr Beitrag ist besonders. Der Feind glaubt, mit dem Tod solcher Menschen unsere Bewegung schwächen zu können. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn durch ihr Leben wie durch ihren Tod zeigen solche Weggefährten: Die Linie ist nicht gebrochen, der Wille nicht gebrochen, der Kampf nicht beendet. Es entsteht daraus keine Lücke, sondern neue Verantwortung.
Die Geschichte unserer Bewegung zeigt: Jeder Verlust bringt auch neue Impulse. Wer sich wie Rıza Altun bewährt hat – durch Haltung, Engagement, Verstand und Aufrichtigkeit – ist nicht einfach gefallen. Sein Beitrag lebt fort. Er bleibt Teil der kollektiven Erinnerung. Und er bleibt ein Maßstab für die kommenden Generationen. Rıza Altun lebt in seiner Praxis weiter. Die Gefallenen sind unsterblich.“
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/die-berge-waren-sein-kompass-nachruf-auf-riza-altun-46254 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kondolenzbotschaft-von-Ocalan-fur-altun-und-kaytan-46277 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/europaweites-gedenken-fur-altun-und-kaytan-46344
Kurtulmuş: Gespräch mit Öcalan bislang kein Thema der Kommission
Der türkische Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş hat sich zu den laufenden Arbeiten der „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ geäußert und dabei auch Fragen nach einer möglichen Einbindung von Abdullah Öcalan kommentiert. Ein solches Gespräch sei bislang nicht Gegenstand der Kommissionsarbeit, sagte Kurtulmuş bei einer Pressekonferenz im Parlament zum Beginn des dritten Gesetzgebungsjahres der 28. Legislaturperiode.
„Noch nicht auf der Tagesordnung“
Auf die Frage, ob die Kommission mit Öcalan sprechen werde, antwortete Kurtulmuş: „Diese Frage steht bisher nicht auf der Tagesordnung. Sollte sie aufkommen, wird die Kommission darüber entscheiden. Entscheidungen werden mit qualifizierter Mehrheit getroffen. Ich persönlich treffe keine Einzelentscheidungen.“ Kurtulmuş betonte, dass alle bisherigen Entscheidungen im Rahmen der Kommission einstimmig getroffen und transparent gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert worden seien.
„Sensibler Prozess, aber wir müssen vorankommen“
Mit Blick auf den allgemeinen Stand des Dialogprozesses sagte der Parlamentspräsident: „Wir befinden uns in einem sensiblen, aber auch dringlichen Prozess. Die geopolitische Lage in der Region verändert sich rasant. Das zeigt, dass die Türkei diesen Weg der Versöhnung und des gesellschaftlichen Friedens zügig abschließen muss.“ Man wolle dafür möglichst viele Stimmen hören und eine breite gesellschaftliche Zustimmung erreichen. Gleichzeitig sei es entscheidend, die Balance zu wahren: „Einerseits müssen die Rechte und die Würde der Kurden berücksichtigt werden, andererseits auch die Empfindlichkeiten und der Stolz der türkischen Bevölkerungsmehrheit.“
Hinweis auf Imrali
Kurtulmuş verwies auf frühere Erklärungen Abdullah Öcalans von der Gefängnisinsel Imrali, in denen zu Frieden und einer Entwaffnung der PKK aufgerufen worden war. Symbolische Schritte wie die öffentliche Waffenverbrennungszeremonie der Guerilla im vergangenen Juli im südkurdischen Silêmanî müssten, so der Parlamentspräsident, konkret und dauerhaft fortgesetzt werden.
„Wenn die Organisation sich vollständig entwaffnet und – wie in den damaligen Erklärungen angekündigt – sich selbst auflöst, auch außerhalb der Türkei, dann kann der Prozess sehr viel schneller voranschreiten“, so Kurtulmuş.
Auf die Frage, ob das Parlament den tatsächlichen Waffenverzicht überprüfen werde, erklärte Kurtulmuş: „Das ist nicht Aufgabe des Parlaments. Wir können den Prozess begleiten, aber nicht verifizieren, ob eine Organisation sich tatsächlich aufgelöst hat.“
Abschlussphase mit Geheimdienstchef und Ministern
Die letzten Anhörungen der Kommission sollen laut Kurtulmuş mit Beteiligung des Geheimdienstchefs Ibrahim Kalın sowie mehrerer Minister stattfinden. „In dieser abschließenden Runde wird es darum gehen, eine Bewertung der Gesamtentwicklung aus ihrer Sicht zu hören.“ Auch könnten zivilgesellschaftliche Stimmen – darunter Opfer des Konflikts oder Angehörige ziviler Opfer – einbezogen werden. Entscheidend sei, den Bericht der Kommission zeitnah fertigzustellen und gesetzgeberische Schritte einzuleiten.
Keine Gesetzgebungskommission, aber Empfehlungen
Kurtulmuş betonte, dass die Kommission keine gesetzgebende Funktion habe: „Unsere Aufgabe ist es nicht, konkrete Gesetzestexte zu erarbeiten, sondern einen Rahmen vorzuschlagen: Wo braucht es rechtliche Reformen? Welche Schritte sind notwendig?“ Dieser Rahmen solle dem Parlament als Orientierung für mögliche gesetzgeberische Initiativen dienen. Wenn sich alle Fraktionen auf einen gemeinsamen Kurs einigten, könne eine Umsetzung sehr rasch erfolgen.
Verfassungsreform bleibt Ziel
Auch zur geplanten Verfassungsreform äußerte sich Kurtulmuş. Es sei notwendig, nicht nur die Verfassung, sondern auch zentrale Gesetze wie das Parteiengesetz, das Wahlrecht und die Geschäftsordnung des Parlaments zu überarbeiten. „Das alles dient einem Ziel: die demokratischen Standards der Türkei zu verbessern, die institutionelle Leistungsfähigkeit des Staates zu stärken und das Vertrauen zwischen Staat und Gesellschaft zu festigen“, sagte er. Die derzeitige Verfassung sei nicht mehr tragfähig. Es sei an der Zeit, einen neuen Text mit neuer Sprache und neuem Geist zu erarbeiten – über parteipolitische Grenzen hinweg.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-abgeordneter-Cicek-ohne-imrali-ist-keine-losung-denkbar-48116 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bericht-uber-demokratisierung-und-rechtsstaatlichkeit-angekundigt-48101 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/ekeav-Ocalans-konzepte-konnten-zum-frieden-beitragen-48100
DEM-Abgeordneter Çiçek: „Ohne Imrali ist keine Lösung denkbar“
Die Parlamentskommission für „Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ hat in Ankara ihre zwölfte Sitzung abgehalten. Ziel der Kommission ist es, Wege zur Lösung der kurdischen Frage in der Türkei zu erarbeiten. Während Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş den Eintritt in die Endphase der Arbeit verkündete, bleibt ein zentraler Akteur des Konflikts bisher ungehört: Abdullah Öcalan, Gründer der PKK und seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in politischer Geiselhaft.
Cengiz Çiçek, Abgeordneter der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) und Mitglied der Kommission, kritisierte das scharf. „Wer wirklich eine Lösung auf juristischem und politischem Weg will, kommt an Imrali nicht vorbei“, sagte Çiçek gegenüber der Nachrichtenagentur MA. Der Versuch, Öcalan aus dem Prozess auszuklammern, sei gleichbedeutend mit einem Rückzug von der Lösung selbst.
„Das Problem beim Namen nennen“
Laut Çiçek besteht die zentrale Erkenntnis der bisherigen Kommissionsarbeit darin, das Problem klar zu benennen: „Es geht um die kurdische Frage. Unser Ziel muss es sein, sie aus dem Kontext des Konflikts zu lösen und auf eine politische und rechtliche Basis zu stellen.“
Cengiz Çiçek
Öcalan sei, so Çiçek weiter, historisch wie politisch die zentrale Figur in der kurdischen Frage: „Natürlich gibt es innerhalb der kurdischen Gesellschaft unterschiedliche politische Auffassungen – wie in jeder anderen Gemeinschaft auch. Aber die Existenz dieses Problems ist durch den jahrzehntelangen politischen Kampf Öcalans und der kurdischen Freiheitsbewegung überhaupt erst gesellschaftlich anerkannt worden.“
„Weder politisch naiv noch rechtlich vermeidbar“
Çiçek betonte, dass Öcalan nicht zwingend als einziger Vertreter der kurdischen Bevölkerung zu betrachten sei, wohl aber als „einziger politischer Akteur mit nachhaltiger Erfahrung in Friedensprozessen.“ Seit der ersten Waffenruhe 1993 sei Öcalan in fast allen Etappen der – teils abgebrochenen – Dialoge maßgeblich involviert gewesen.
„Ob man es mag oder nicht – er ist der einzige, der diese langjährige Erfahrung mitbringt. Ihn nicht anzuhören, ist entweder politisch naiv oder reiner Opportunismus“, so Çiçek.
„Lösungswille oder Wiederholung?“
In einer historischen Rückschau erinnerte Çiçek daran, dass die ungelöste kurdische Frage eine strukturelle Schwäche der Republik Türkei sei – eine Schwäche, die mit der Gründung der Republik vor über 100 Jahren ihren Ursprung habe.
„Die Republik kann sich nicht demokratisieren, solange die kurdische Frage nicht auf der Basis von Gleichheit und Gerechtigkeit gelöst wird“, sagte er. Heute stehe die politische Klasse an einem Wendepunkt: „Entweder wird erneut die Rolle des Blockierers eingenommen – oder es wird erstmals ernsthaft Verantwortung übernommen.“
Wenn es gelinge, so Çiçek weiter, Politik als zentrales Mittel zur Lösung zu etablieren, könne die Region in diesem Jahrhundert zu einem Modell für soziale, kulturelle und demokratische Erneuerung werden – „zu einem Jahrhundert von Anatolien und Mesopotamien“.
„Demokratische Republik erfordert neue Ansätze“
Mit Blick auf das politische System warnte Çiçek vor alten Denkmustern und sprach sich für einen Wandel im politischen Diskurs aus. „Wer immer nur wiederholt, was schon gesagt wurde, betreibt politische Rhetorik – aber keine Lösungspolitik. Die oligarchische Republik hat allen geschadet. Die demokratische Republik kann allen nutzen.“
Daher sei es unabdingbar, auch Öcalans Überlegungen zur Demokratisierung der Republik in den öffentlichen Diskurs aufzunehmen. „Wer sich ernsthaft zur Demokratischen Republik bekennt, muss auch die Gedanken jener hören, die diesen Wandel früh eingefordert haben.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/bericht-uber-demokratisierung-und-rechtsstaatlichkeit-angekundigt-48101 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/ekeav-Ocalans-konzepte-konnten-zum-frieden-beitragen-48100 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-partei-politik-und-gesellschaft-wollen-konkrete-schritte-48098
Energieprojekte setzen Natur in Wan unter Druck
In der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) wächst der Druck auf Natur und Wasserressourcen. Der Ausbau von Energieprojekten nimmt rasant zu: Insgesamt 20 Wasserkraftwerke, 18 Solarkraftwerke und zwei Windkraftanlagen sind laut Umweltgruppen bereits in Betrieb oder befinden sich in Planung. Aktivist:innen sprechen von einer „ökozidalen Belagerung“ und warnen vor tiefgreifenden Schäden für Landschaft, Wasserhaushalt und Lebensgrundlagen.
Vor allem die zahlreichen Wasserkraftwerke greifen massiv in das ökologische Gleichgewicht der Region ein. Neun große Anlagen sind bereits in Betrieb, darunter Muradiye Ayrancılar, Koçköprü, Zilan, Çataj Saral 3, Engil, Gürpınar Hoşap, Sarımehmet sowie zwei Kraftwerke im Landkreis Erdîş (Erciş). Sechs weitere Großprojekte sollen folgen. Fast jeder Landkreis ist von einem Wasserkraftprojekt betroffen.
Solaranlagen und Windkraft auf dem Vormarsch
Zudem verfügen mehrere Projekte – etwa das Kraftwerk „Ak“ oder der in Miks (Bahçesaray) geplante Staudamm „Pervari A“ – bereits über eine Produktions- oder Vorlizenz. Auch der weitere Ausbau ist konkret: Neun zusätzliche Wasserkraftwerke sind derzeit in der Planungsphase, darunter Anlagen in Şax (Çatak), Miks, Botan, Erdîş und Elbak (Başkale).
Auch der Ausbau der Solarenergie schreitet voran. In der gesamten Provinz sind 18 Solarkraftwerke registriert – darunter kommunale Projekte in Şax und zahlreiche private Anlagen in Wan-Stadt, Erdîş und Elbak. Zwei Windkraftanlagen – „Van Bağlama“ und „R3 Van 2“ – sind bislang genehmigt.
Umweltschützer:innen sehen auch darin eine Belastung für sensible Ökosysteme. Die Eingriffe erfolgten häufig ohne ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfungen oder Zustimmung der betroffenen Bevölkerung.
Zunehmender Wassermangel und über 10.000 Brunnenbohrungen
Ein besonders drängendes Problem ist laut dem Ökologieverein Van (Van Eko-Der) der übermäßige Zugriff auf Wasserressourcen. Vereinsmitglied Erdoğan Ödük warnt: In der Region gebe es mehr als 10.000 registrierte und nicht registrierte Brunnen – viele davon im Norden der Provinz. Diese förderten häufig sauberes artesisches Grundwasser.
Erdoğan Ödük
„In der Zîlan-Region haben die Wasserkraftwerke viele Quellen fast vollständig versiegen lassen“, sagt Ödük. „Am Wan-See ist der Wasserstand deutlich gesunken. Die Kombination aus Kraftwerksbau, intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und unkontrollierter Bewässerung führt zu einem rasanten Rückgang der Trinkwasserressourcen.“ Pestizide gelangten zudem ins Grundwasser, was Böden und Gewässer nachhaltig schädige.
Artenvielfalt und Lebensräume unter Druck
Auch Solar- und Windenergieprojekte hätten weitreichende Folgen für das ökologische Gleichgewicht. Laut Ödük würden Windräder oft in windreichen Höhenlagen errichtet – dort, wo sich Tierwanderwege befinden und viele endemische Pflanzenarten wachsen. „Wenn 30 oder mehr Windräder nebeneinanderstehen, werden diese Korridore komplett blockiert“, warnt er. Besonders kritisch sei, dass einige Pflanzenarten dadurch womöglich zerstört würden, bevor sie überhaupt wissenschaftlich erfasst seien.
Auch in Ertemêtan (Edremit) seien durch Solaranlagen Bergregionen abgeschnitten worden. „Eine solche Vorstellung von Energieproduktion lehnen wir kategorisch ab“, betont der Umweltschützer.
Forderung nach rechtlichen Konsequenzen
Ödük fordert die Einrichtung unabhängiger Umweltkommissionen, die die ökologischen Schäden dokumentieren und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. „Nach Kriegen wird die Zerstörung aufgearbeitet – für die Natur passiert das bislang nicht. Dabei ist sie unsere gemeinsame Lebensgrundlage“, so Ödük. „Es braucht endlich eine juristische Grundlage, um gegen diese Form der ökologischen Zerstörung wirksam vorzugehen.“
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/wan-Okologie-rat-setzt-auf-basisdemokratischen-umweltschutz-47166 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/Okologische-vernichtung-als-strategie-47638 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/baumpflanzaktion-als-antwort-auf-anhaltende-umweltzerstorung-in-Sirnex-48055 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/trotz-protesten-bergbauunternehmen-in-Semrex-setzt-arbeiten-fort-48075
Ostsyrien: Innere Sicherheitskräfte verschärfen Maßnahmen gegen IS-Zellen
Angesichts zunehmender Angriffe durch Zellen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) hat die Behörde für innere Sicherheit (Asayîş) im ostsyrischen Kanton Deir ez-Zor ihre Schutzmaßnahmen verstärkt. Ziel sei es, potenzielle Angriffe abzuwehren, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Bewegungsfreiheit von IS-Strukturen einzuschränken.
Laut Mahmoud al-Hussein von der Generalkommandantur der Asayîş in Deir ez-Zor, werden seit Wochen verstärkt Patrouillen durchgeführt, Grenz- und Übergangspunkte streng kontrolliert und gezielte Operationen gegen mutmaßliche IS-Zellen durchgeführt. „Unsere Einheiten sind in allen Teilen des Kantons präsent und bereit, auf jede Bedrohung zu reagieren“, sagte al-Hussein am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Hawarnews.
Mehr als 150 Angriffe in neun Monaten
Zuvor hatten die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) Anfang der Woche mitgeteilt, dass zwischen dem 8. Dezember 2024 – dem faktischen Ende der Baath-Herrschaft – und dem 20. September dieses Jahres insgesamt 153 IS-Anschläge in der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens verzeichnet wurden. Diese Zahl deute auf eine verstärkte Reorganisierung der Extremistengruppe hin, so die QSD.
Mahmoud al-Hussein | Foto: Hawarnews (ANHA)
Mahmoud al-Hussein betonte, dass IS-Zellen insbesondere nach dem Rückzug der Baath-Truppen aus mehreren Militärposten im Raum Deir ez-Zor Waffenbestände übernommen und diese für Angriffe auf Sicherheitskräfte und zivile Einrichtungen genutzt hätten. Die im Zuge des Sturzes des alten Regimes entstandene Sicherheitslücke habe die Gruppe vorübergehend gestärkt, doch aktuelle Maßnahmen hätten ihre Bewegungsfreiheit wieder eingeschränkt.
Zusammenarbeit mit der Bevölkerung betont
Al-Hussein erklärte, bei den jüngsten Operationen seien mehrere mutmaßliche IS-Mitglieder festgenommen sowie mittlere und leichte Waffen beschlagnahmt worden. Die Bevölkerung in Nord- und Ostsyrien zeige ein hohes Maß an Aufmerksamkeit gegenüber militärischen und psychologischen Einflussversuchen. Die Zusammenarbeit zwischen Zivilbevölkerung und Sicherheitskräften sei entscheidend für die Stabilität im Kanton.
Abschließend unterstrich al-Hussein die Rolle der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien. Alle gesellschaftlichen Gruppen – Araber:innen, Kurd:innen, Armenier:innen und Suryoye – stünden gemeinsam im Kampf gegen den IS. Die Region werde sich gegen jede Form von Terrorismus zur Wehr setzen.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/funf-qsd-kampfer-bei-abwehr-von-is-angriff-in-ostsyrien-getotet-48112 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-Uber-150-is-angriffe-in-zehn-monaten-gefahr-wachst-trotz-territorialverlust-48063 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-nehmen-is-bombenbauer-bei-einsatz-in-raqqa-fest-47966
Schweiz bekräftigt Bereitschaft zur Vermittlung in kurdischer Frage
Die Schweizer Bundesregierung hat ihre Bereitschaft bekräftigt, im Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Bewegung zu vermitteln – vorausgesetzt, alle Beteiligten sprechen sich dafür aus. Das geht aus einer offiziellen Antwort des Bundesrats auf eine parlamentarische Anfrage hervor.
„Der Bundesrat begrüßt den aktuellen Friedensprozess in der Türkei und ist weiterhin bereit, seine guten Dienste anzubieten, sofern dies von allen Parteien gewünscht wird und einen Mehrwert bringt“, heißt es in der Stellungnahme.
Die Antwort bezieht sich auf eine Interpellation des Nationalratsabgeordneten Nicolas Walder (Grüne/GE), der unter anderem die Rolle der Schweiz im Kontext eines möglichen Friedensprozesses thematisierte. Bereits im Frühjahr hatte der Bundesrat signalisiert, zur Vermittlung bereit zu sein, falls beide Seiten – der türkische Staat und die kurdische Bewegung – dies ausdrücklich wünschen.
Appell zur Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen
Mit Blick auf die Haftbedingungen des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali betont der Bundesrat, dass die Schweiz die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie die Empfehlungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) unterstütze.
„Die Schweiz ruft die Türkei regelmäßig dazu auf, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen und den Grundsätzen des Rechtsstaats zu entsprechen – sowohl im bilateralen Rahmen als auch auf multilateralen Plattformen“, so der Bundesrat weiter.
Die Schweiz ist international als neutrale Vermittlerin in politischen Konflikten anerkannt. Sie war in der Vergangenheit unter anderem in Kolumbien, Iran oder Sri Lanka als Vermittlerin oder Beobachterin in Friedensverhandlungen beteiligt.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/walder-frieden-ist-ein-mutiger-schritt-47577 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/schweiz-bundesrat-begrusst-aufruf-von-abdullah-Ocalan-45554 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-organisationen-in-der-schweiz-fordern-einsatz-fur-frieden-in-der-turkei-46318 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/fabian-molina-Ocalan-muss-sofort-freigelassen-werden-46215
Fünf QSD-Kämpfer bei Abwehr von IS-Angriff in Ostsyrien getötet
Bei Gefechten mit mutmaßlichen Söldnern der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) sind in der ostsyrischen Provinz Deir al-Sor fünf Mitglieder der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) gefallen. Das teilte das Medienzentrum der QSD am Donnerstagabend mit.
Demnach griff eine IS-Zelle am Morgen eine Stellung der QSD in der Ortschaft al-Bahra al-Wusta östlich von Deir ez-Zor an. Bei der Abwehr des Angriffs sei es zu heftigen Gefechten gekommen. Neben den fünf Toten wurde ein weiterer QSD-Kämpfer verletzt.
Die QSD sprachen von einem vereitelten Anschlag und erklärten, man habe die Kontrolle vor Ort wiederhergestellt. Die Gegend werde weiterhin durchkämmt, um verbliebene Angreifer aufzuspüren und Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung auszuschließen.
In einer Stellungnahme betonte das Bündnis „die Entschlossenheit, alle an dem Angriff Beteiligten, Unterstützer wie Planer, strafrechtlich und militärisch zur Rechenschaft zu ziehen“. Gleichzeitig rief das Bündnis die Bevölkerung der Region auf, mit den Sicherheitskräften zu kooperieren und Hinweise auf militante Aktivitäten zu melden.
Die QSD sind ein multiethnisches Bündnis, das im Kampf gegen den IS von den USA unterstützt wird. Zwar gelten die Dschihadisten seit der Einnahme ihrer letzten Bastion 2019 als militärisch geschlagen, doch verüben sie immer wieder Anschläge und Hinterhalte, vor allem in ländlichen Gebieten Ostsyriens.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/qsd-Uber-150-is-angriffe-in-zehn-monaten-gefahr-wachst-trotz-territorialverlust-48063
Intellektuelle unterstützen Öcalans Friedensaufruf
Der norwegische Politikwissenschaftler Kristian Skrede Gleditsch, der in Paris lebende Verleger Sebastian Budgen und die US-amerikanische Philosophin Rebecca Goldstein haben ihre Unterstützung für den Friedens- und Demokratisierungsprozess zum Ausdruck gebracht. In ihren Botschaften betonten sie, dass Dialog, Inklusivität und demokratische Garantien für einen dauerhaften Frieden unerlässlich sind.
Gleditsch: „Leid der Vergangenheit darf nicht die Zukunft blockieren“
Der norwegische Politikwissenschaftler und Professor Kristian Skrede Gleditsch sandte folgende Unterstützungsbotschaft zum Friedens- und Demokratisierungsprozess:
„Der Kurdenkonflikt in der Türkei hat viel Tod und Zerstörung verursacht und beiden Seiten des Konflikts geschadet.
Bemühungen um Dialog und demokratische Lösungen sind in jedem Fall besser als die Fortsetzung des Konflikts. Frieden kann jedoch nur dann dauerhaft und gerecht sein, wenn er durch rechtliche Garantien gesichert ist. In der Türkei muss der laufende Friedensprozess durch präventive und wiederherstellende gesetzliche Regelungen gestärkt werden, und die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan – einem der Hauptakteure im Verhandlungsprozess – müssen verbessert werden. Die wichtigste Voraussetzung in solchen Prozessen ist, dass das Leid der Vergangenheit nicht die Zukunft blockiert.
Ich unterstütze nachdrücklich die Bemühungen zur Beilegung des Konflikts und fordere alle Parteien auf, dazu beizutragen.“
Budgen: „Das Recht auf Hoffnung zu gegebener Zeit in die Praxis umsetzen“
Sebastian Budgen, leitender Redakteur bei Verso Books, einem wegweisenden Verlag der internationalen Linken, sandte ebenfalls eine Botschaft der Unterstützung für den Friedens- und Demokratisierungsprozess:
„Am 27. Februar gab Abdullah Öcalan eine Erklärung ab, in der er zu Frieden und demokratischem Zusammenleben aufrief. Er schlug vor, dass die Zukunft des kurdischen Volkes nicht als vorbestimmt angesehen werden müsse und dass es mit anderen Gemeinschaften in der Region zusammenarbeiten könne.
Jeder Prozess des sozialen oder politischen Wandels profitiert davon, wenn er sowohl in seinen Zielen als auch in seinen Methoden inklusiv ist. Bemühungen, die lokale Gemeinschaften nicht berücksichtigen, finden weniger Unterstützung. Maßnahmen wie Entwaffnung und Beendigung der Feindseligkeiten können als Schritte zur Förderung einer breiteren Beteiligung und eines breiteren Engagements angesehen werden.
Bemühungen zur Förderung der Gleichberechtigung und Zusammenarbeit zwischen Kurden und Türken können dazu beitragen, konfessionelle Spaltungen und ethnische Spannungen zu überwinden. In diesem Zusammenhang betont die kurdische Bewegung die kulturelle Identität und trägt gleichzeitig zu umfassenderen sozialen und politischen Entwicklungen bei.
Ein echter Friedensprozess ist wichtig: Fortschritte in der kurdischen Frage können regionale Bewegungen bei der Bewältigung größerer Herausforderungen im Nahen Osten unterstützen. Die Zusammenarbeit und Selbstbestimmung zwischen kurdischen, türkischen und arabischen Gemeinschaften kann zu diesen Bemühungen beitragen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Haftbedingungen von Öcalan angesichts seiner Beiträge zum Friedensprozess überprüft werden und dass das Prinzip des Rechts auf Hoffnung zu gegebener Zeit in die Praxis umgesetzt wird.“
Goldstein: „Das Menschliche in seiner großartigen Vielfalt fördern“
Die US-amerikanische Philosophin Rebecca Goldstein brachte ebenfalls ihre Unterstützung für den Friedens- und Demokratisierungsprozess zum Ausdruck:
„Ich bin sehr erfreut über den Friedensprozess, der derzeit zwischen der türkischen Regierung und den in der Türkei lebenden Kurden stattfindet.
Die Entscheidung der Arbeiterpartei Kurdistans, sich selbst aufzulösen, war ein mutiger und inspirierender Schritt, um diese historische Möglichkeit zu verwirklichen. Sie hat der Welt gezeigt, dass es manchmal einen Weg aus einer jahrzehntelangen Sackgasse gibt.
Lasst uns endlich die volle Menschlichkeit des anderen anerkennen und daran arbeiten, das menschliche Gedeihen in seiner ganzen großartigen Vielfalt zu fördern.“
Kristian Skrede Gleditsch
Kristian Skrede Gleditsch ist Regius-Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Essex, Direktor des Michael Nicholson Centre for Conflict and Cooperation und Forschungsprofessor am Friedensforschungsinstitut Oslo (PRIO). Seine Forschungsinteressen umfassen Konflikt und Zusammenarbeit, Demokratisierung und die räumlichen Dimensionen sozialer und politischer Prozesse.
Sebastian Budgen
Neben seiner Tätigkeit bei Verso ist Sebastian Budgen auch Redakteur bei Jacobin und Historical Materialism. Budgen hat als Herausgeber und Autor zu Werken wie Contre l’antisémitisme et ses instrumentalisations. Philosophie et révolution, De Kant à Marx, La planète altermondialiste und Lenin Reloaded: Toward a Politics of Truth beigetragen.
Rebecca Goldstein
Goldstein ist vor allem für ihre Bücher zu philosophischen Themen bekannt. Sie ist eine einflussreiche Denkerin mit tiefgreifenden Studien zu Wissenschaft, Religion, Ethik und menschlicher Natur. Neben ihrer philosophischen Karriere hat Goldstein auch bedeutende literarische Werke hervorgebracht.
TJA: „Wir gehen mit Hoffnung in die Freiheit“
Die Bewegung Freier Frauen (Tevgera Jinên Azad – TJA) organisiert vom 1. bis zum 7. Oktober einen Marsch von Amed nach Ankara unter dem Motto „Wir gehen mit Hoffnung in die Freiheit“. Der Rat der Friedensmütter, TJA-Aktivistinnen, Ko-Vorsitzende der Provinzen und Ko-Bürgermeisterinnen der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) sowie viele weitere Frauen haben an der Pressekonferenz im Cemil-Paşa-Palast in Amed (tr: Diyarbakır) teilgenommen, auf der die Aktion angekündigt wurde.
Die Presseerklärung, die von Beritan Güneş, DEM-Abgeordnete für Mêrdîn (Mardin), auf Kurdisch und von Hülya Alökmen, Mitglied der TJA, auf Türkisch verlesen wurde, beginnt mit dem Bezug zu „dem Erbe jahrzehntelangen Widerstands“. Hiervon ausgehend wollen die Frauen vereint und Schritt für Schritt in Richtung Freiheit gehen.
Öcalans Freiheit als Tür zur Demokratie
Abdullah Öcalan habe dem kurdischen Volk auf diesem Weg eine Alternative zu Verleugnung und Assimilation geboten. Aus diesem Grund müsse er, so die Erklärung, als Gesprächspartner im aktuellen Friedensprozess in der Türkei anerkannt werden. Entsprechend wird die unverzügliche Aufhebung der Isolation auf Imrali gefordert.
„Die Freiheit des Wegweisers der Völker Abdullah Öcalan ist die Freiheit der Frauen und aller Völker. Der Weg zu einer auf Wahrheit basierenden Lösung beginnt mit der vollständigen Abschaffung des Isolationssystems von Imrali. Der Lackmustest für die Demokratisierung ist die Freiheit des Wegbegleiters der Völker Abdullah Öcalan. Die Gewährleistung freiheitlicher Bedingungen für ihn wird die Tür zu Demokratisierung und Frieden öffnen“, heißt es in der Erklärung.
Öcalans Bedeutung geht über die Türkei hinaus
Nicht nur für den Friedens- und Lösungsprozess in der Türkei, sondern auch für den gesamten krisengebeutelten Nahen Osten halten die Frauen das Paradigma des kurdischen Philosophen Abdullah Öcalan für entscheidend. Entsprechend der EGMR-Urteile zum „Recht auf Hoffnung“ müsse Öcalan demzufolge als zentraler Akteur „unter freien Bedingungen leben und arbeiten können“. Dies bedeute laut der Erklärung insbesondere auch, dass sich die parlamentarische „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie”, welche eigens zur Lösung der kurdischen Frage eingerichtet wurde, mit Öcalan trifft und ihn als Gesprächspartner anerkennt.
Längst werde die Forderung nach Öcalans Freiheit über die Grenzen der Türkei hinaus vertreten, meint die TJA. Sie sei „die gemeinsame Forderung der multiethnischen, multikulturellen Gesellschaften der Türkei und des Nahen Ostens sowie aller Völker weltweit. Von Südafrika bis Irland, von Lateinamerika bis in verschiedene Ecken der Welt haben uns Beispiele gezeigt: Kein Friedensprozess war jemals erfolgreich und keiner wird es jemals sein, solange der Hauptakteur inhaftiert bleibt. Daher kann es sich die internationale Gemeinschaft nicht länger leisten, angesichts der Realität, dass ‚ein anderes Leben möglich ist‘, zu schweigen“.
Aufruf an Frauen weltweit
Angesichts der universellen Perspektiven, die Öcalan eröffnet, indem er sagt „Die Frauenfrage liegt an der Wurzel aller Probleme“, seien starke Verbindungen zu Frauen von internationalen Frauenbefreiungsbewegungen entstanden. „Von hier aus rufen wir die Frauen aller Völker auf: Schließt euch solidarisch dem Kampf der kurdischen Frauen für Freiheit und Frieden an und helft mit, unseren gemeinsamen Widerstand zu stärken“, lautet daher der entschlossene Appell in der der Erklärung.
Forderungen des Frauenmarschs
Die kurdischen Frauen zeigen sich entschieden, Öcalans „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ mit einem „organisierten Kampf der Frauen zu verwirklichen.
Aus diesem Grund marschieren wir vom 1. bis 7. Oktober unter dem Motto ‚Wir marschieren mit Hoffnung in die Freiheit‘ von Amed nach Ankara. Wir marschieren für die Freiheit der Leitfigur der Völker Abdullah Öcalan und um die Hindernisse zu überwinden, die unsere kollektiven Rechte blockieren. Schritt für Schritt – von Amed nach Urfa, Antep, Adana, Mersin und Ankara – werden wir Freiheit weben, Stich für Stich. Dementsprechend erklären wir:
-
Die physische Freiheit des Wegweisers der Völker Abdullah Öcalan muss unverzüglich gesichert werden, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen.
-
Die unter der Großen Nationalversammlung der Türkei gebildete parlamentarische Kommission muss sich unverzüglich mit Abdullah Öcalan treffen.
-
Es müssen unverzüglich Schritte unternommen werden, um die Existenz, Identität, Kultur und Sprache des kurdischen Volkes verfassungsrechtlich zu garantieren. Unsere Muttersprache, unsere Kultur und unsere Überzeugungen müssen – zusammen mit all unseren kollektiven Rechten – durch das Verfassungsrecht geschützt werden.
-
Die Usurpation des politischen Willens muss ein Ende haben. Unsere durch den demokratischen Willen des Volkes gewählten Ko-Bürgermeister:innen müssen wieder eingesetzt werden. Das Ko-Vorsitz-System, das die politische Vertretung von Frauen stärkt, muss offiziell anerkannt werden.
-
Männlich dominierte, sexistische und militaristische Sprache und Politik müssen aufgegeben werden. Es muss eine gemeinsame Sprache des sozialen Friedens geschaffen werden.
Und schließlich sagen wir: Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam voranzuschreiten – jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam Freiheit zu erlangen, durch den Wegweiser der Völker Abdullah Öcalan.
Wir wissen: Frieden und eine demokratische Gesellschaft werden durch Frauen zustande kommen. Die Freiheit wird uns allen gehören. Wir, die Frauen, werden die demokratische Gesellschaft und das neue Leben aufbauen.“
https://deutsch.anf-news.com/frauen/frauenmarsch-fur-frieden-und-freiheit-46570 https://deutsch.anf-news.com/frauen/frauen-durfen-im-friedensprozess-nicht-nur-zuschauerinnen-sein-sie-mussen-mitbestimmen-47858 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tja-bekraftigt-einsatz-fur-dauerhaften-und-gerechten-frieden-47770
Endlich trifft Erdoğan seinen „Freund Trump“
Sieben Menschen wurden in einem Dorf in der Nähe von Dair Hafir innerhalb der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) bei Angriffen türkischer und mit „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) verbundener Milizen massakriert. Die Opfer waren zwischen einem und fünfundsiebzig Jahren alt. Es handelte sich um sehr arme Menschen, die ums Überleben kämpften. Anscheinend reichte das Massaker an Hunderttausenden in Syrien nicht aus.
Welchen politischen Gewinn verspricht man sich von der Tötung dieser Menschen? Was für ein System hoffen diejenigen zu errichten, die ihre Politik auf Blut, Gewalt und Angst aufbauen? Diese Fragen müssen ernst genommen und entsprechende Positionen bezogen werden. Man sollte sich auch bewusst sein, dass hinter diesen Schritten und den damit ausgesandten Botschaften die Gefahr von Massakern und Völkermord steckt.
Von wem geht Terror aus?
Das türkische Verteidigungsministerium sagt: „Wir werden unsere Soldaten nicht aus Syrien abziehen, bis der Terrorismus beendet ist. Wenn der Terrorismus endet, könnten wir einen Abzug in Betracht ziehen.“ Welche Kräfte definieren sie als Terroristen, und durch wen? Sie sind mit HTS verflochten. Sie erklären, dass sie HTS bedingungslos unterstützen werden, und versuchen, deren blutige Vergangenheit auszulöschen, als ob diese Gruppe nicht auf internationalen Listen terroristischer Organisationen stünde.
Sie sagen nicht: „Wir werden uns zurückziehen.“ Sie sagen, sie würden „einen Rückzug in Betracht ziehen, wenn der Terrorismus beendet ist“. Mit anderen Worten: Sie erklären offen, dass sie beabsichtigen, in Syrien zu bleiben. Wenn HTS und andere Kräfte nicht als Terroristen betrachtet werden, bleiben als Ziel nur noch die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD).
Die QSD wird von keiner Macht der Welt als terroristisch angesehen. Die QSD hat gemeinsam mit der internationalen Koalition, zu der auch die Vereinigten Staaten und europäische Staaten gehören, gegen den selbst ernannten Islamischen Staat (IS) gekämpft und tut dies weiterhin. Die Türkei jedoch hat die QSD zu ihrem größten Feind im Nahen Osten erklärt – weil sie Kurd:innen umfasst. Sie hat wiederholt die DAANES angegriffen und bedeutende Gebiete besetzt; sie hält diese Besatzung weiterhin aufrecht.
Bemühungen, HTS gegen die QSD einzusetzen
Die Regierung Erdoğan unternimmt intensive Bemühungen, HTS gegen die QSD und die Autonome Verwaltung einzusetzen. HTS wurde vollständig in die Zange genommen. Es werden enorme Anstrengungen unternommen, um eine Einigung mit den QSD zu erzielen und die Herstellung von Stabilität in Syrien zu verhindern. Türkische Beamte sind permanent in Syrien präsent und haben sich die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes zur Gewohnheit gemacht. Sie bestehen mehr als alle anderen darauf, ein in jeder Hinsicht einheitliches, exklusives Syrien zu schaffen.
Türkei riskiert Schwächung des Friedensprozesses
Ihr Ziel ist es, die Kurd:innen daran zu hindern, einen Status oder Erfolge zu erlangen. Ob Syrien zu einer faschistischen und dunklen Zukunft verdammt ist, interessiert sie nicht. Sie sind sogar bereit, die Schwächung des Friedens- und Lösungsprozesses in der Türkei zu riskieren. Offensichtlich wird der Friedensprozess nicht als Anerkennung der Rechte und Identität der Kurd:innen betrachtet, sondern als ein Mittel, um das Land von der „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Guerilla-Plage“ zu befreien.
Seit Abdullah Öcalans Aufruf und dem Kongress der PKK sind Monate vergangen, doch es wurden keine konkreten Schritte unternommen. Unterdessen gehen die Drohungen gegen Rojava unvermindert weiter. Wie kann die Türkei hoffen, Einheit und Geschwisterlichkeit mit den Kurd:innen in der Türkei und im gesamten Nahen Osten aufzubauen, wenn sie die Kurd:innen von Rojava in den Völkermord treibt?
Tiefe Feindseligkeit als Motiv
Es gibt starken Druck auf die QSD, sich der syrischen Armee anzuschließen, aber gibt es überhaupt eine vereinte syrische Armee? Alle bewaffneten Gruppen innerhalb der HTS sind weiterhin aktiv. Auch von der türkischen Armee organisierte bewaffnete Gruppen bewegen sich nach Belieben. Im Gegensatz dazu wird eine Struktur wie die QSD in den Dienst der HTS gedrängt. Es ist klar, dass hier böswillige Absichten im Spiel sind.
Es gibt einen Plan, die Kurd:innen und die DAANES verwundbar zu machen und sie zu ungeschützten Angriffszielen zu machen. Außerdem sagen die QSD nicht: „Ich werde mich mit der Armee zusammenschließen.“ Sie sagen: „Ich muss das Gebiet, in dem ich mich befinde, schützen, bis rechtliche und verfassungsmäßige Garantien gegeben sind.“ In einer Zeit, in der der Staat und das System sich auflösen und keine neue Ordnung etabliert ist, kann die Entwaffnung und Auflösung der QSD nur durch tiefsitzende Feindseligkeit und Böswilligkeit erklärt werden.
Warum schmeichelt Erdoğan Trump mit „mein Freund“?
Erdoğan hat Trumps Wahl sehnsüchtig erwartet. Noch bevor alle Stimmen ausgezählt waren, gratulierte er Trump zur gewonnenen Wahl und begann seine Nachricht mit „mein Freund Trump“. Trump, der Israel bei der Zerstörung und dem Massaker in Gaza unterstützt hat, wird von Erdoğan als wichtiger Freund angesehen. Wie kann jemand, der diejenigen unterstützt, die den Palästinenser:innen so viel Leid zugefügt haben, Erdoğans Freund sein?
Erdoğan beschimpft Netanjahu als Hitler und lässt kein gutes Haar an den Israelis, doch warum schmeichelt er dem US-Präsidenten Trump, der Israel in jeder Frage unterstützt und den Nahen Osten nach Israels Sicherheitskonzept umgestalten will, indem er ihn „mein Freund“ nennt? Trump plant, Gaza in Immobilien für Hotels und Kasinos zu verwandeln. Warum nennt er ihn trotzdem „mein Freund Trump“?
Der wichtigste Grund ist einmal mehr die Feindseligkeit gegenüber den Kurd:innen. Zuvor wurden Regionen wie Serêkaniyê (Ras al-Ain) durch Vereinbarungen mit Trump besetzt. Jetzt glaubt Erdoğan, dass er erneut mit ihm verhandeln und Vereinbarungen treffen kann. Er vertraut darauf, dass er mit milliardenschweren Angeboten Trumps Schweigen und Zustimmung kaufen kann, die Kurd:innen zu opfern. Erdoğans wichtigstes Verhandlungsargument im Weißen Haus wird erneut darin bestehen, sich Unterstützung gegen die Kurd:innen zu sichern. Eine weitere Überlegung ist, sich Trumps Rückhalt zu sichern, um an der Macht zu bleiben.
Titelbild: Treffen der beiden Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan und Donald Trump 2019
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-turkei-untergrabt-die-demokratische-option-in-syrien-47697 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/wer-will-was-in-syrien-47332 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/welche-rolle-wird-barrack-in-der-zukunft-syriens-spielen-46921 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/trump-droht-erdogan-mit-ausloeschung-der-tuerkischen-wirtschaft-14410
Mehmet Çakas’ Haftstrafe endet am 2. Oktober
Mehmet Çakas hat sich als Kurde für die Rechte und die Anerkennung der Identität der Kurd:innen eingesetzt. Im vergangenen Jahr hatte ihn das Oberlandesgericht Celle wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Diese hat der Aktivist am 2. Oktober mit Anrechnung der in Untersuchungshaft verbrachten Zeit verbüßt. Dementsprechend endet seine Strafhaft.
Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine weiteren Informationen zu etwaigen ausstehenden Abläufen vor. Aktivist:innen gaben jedoch bereits bekannt, ihn bei seiner Entlassung vor dem Gefängnis in Empfang nehmen zu wollen.
Weiterer Verlauf noch immer unklar
Zuletzt hatte es wochenlang Proteste für den politischen Gefangenen gegeben, da deutsche Behörden seine Abschiebung in die Türkei anvisierten. Nach Ablehnung seines Asylantrags sollte er aus aufenthaltsrechtlichen Gründen in die Türkei abgeschoben werden. Dort – so die Kritik – wären die Menschenrechte des Aktivisten nicht garantiert, im Gegenteil drohe ihm dort politische Verfolgung und Folter.
Nachdem Ende Juli die Abschiebung ein erstes Mal durch einen Gerichtsentscheid verhindert wurde, ist auch die für den 28. August geplante Ausweisung einen Tag zuvor gerichtlich gekippt worden. Einen dauerhaften Schutz genießt Çakas jedoch nicht. Am 24. November 2025 soll das Verwaltungsgericht Lüneburg über die rechtliche Zulässigkeit der geplanten Abschiebung verhandeln. Das Gericht muss dann entscheiden, ob eine Rückführung rechtlich zulässig ist – trotz bestehender Schutzentscheidungen auf deutscher und europäischer Ebene.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/schirdewan-fordert-stopp-der-abschiebung-von-mehmet-Cakas-47859 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/cansu-Ozdemir-fordert-rechtsschutz-fur-mehmet-Cakas-47789 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/vorerst-keine-abschiebung-von-mehmet-Cakas-ausgang-bleibt-offen-47700
Frauenversammlung in Ankara
Die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, die Sprecherin der Frauenversammlung, Halide Türkoğlu, und das Koordinationsmitglied Elif Bulut trafen in Ankara mit Vertreterinnen einer Vielzahl weiterer (Frauen-)Organisationen zusammen. Ziel der Versammlung war es, die Stimmen der Frauen und die Solidarität im Prozess des Aufbaus von Frieden und einer demokratischen Gesellschaft zu stärken.
An dem Treffen nahmen Frauen von SOLDEP, sozialistische Feministinnen der EHP, Frauen der EMEP, der Plattform „Wir werden Femizide stoppen“, der Vereinigung für Gender Studies, der Vereinigung der Frauenbewegung gegen Ableismus, der Frauenbefreiung, der Vereinigung Yeni Yaşam, der DISK-Frauenversammlung, der Revolutionären Föderation der 78er und viele andere Frauen teil.
Während des Treffens, bei dem auch über den aktuellen Stand des Prozesses berichtet wurde, stellten die Vertreterinnen der Frauenversammlung ihre Arbeit mit Frauen aus verschiedenen Gruppen im Rahmen von Abdullah Öcalans Aufruf zu Frieden und einer demokratischen Gesellschaftvor. Sie betonten die Bedeutung des Friedensprozesses für Frauen.
Dabei wurde die Notwendigkeit betont, Frieden zu sozialisieren, und die Bedeutung des Kampfes hervorgehoben. Zudem wurde an die historische Rolle der Frauen im Kampf für Frieden, Abrüstung, Beendigung von Konflikten und gegen Militarismus erinnert. Es wurde betont, dass Friedensprozesse unter Beteiligung von Frauen durchgeführt werden müssen und dass ein Frieden, der Frauen ignoriert, weder echt noch dauerhaft sein kann.
Die Teilnehmerinnen wiesen darauf hin, dass die Lösung des Problems soziologische, soziale, politische, wirtschaftliche und geschlechtsspezifische Dimensionen hat und dass ein dauerhafter Frieden all diese Aspekte umfassen muss. Es wurde festgestellt, dass ein Frieden, der nicht alle diese Dimensionen berücksichtigt, weder dauerhaft noch stabil sein kann.
Die Versammlung endete mit einer Frage-und-Antwort-Runde, in der die Frauen ihre Ansichten, Vorschläge und Einschätzungen zum Prozess austauschten.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/qers-frauen-diskutieren-rolle-im-aufbau-einer-demokratischen-gesellschaft-47294 https://deutsch.anf-news.com/frauen/turkoglu-frauenbefreiung-und-gemeinsame-perspektiven-47115 https://deutsch.anf-news.com/frauen/dem-frauen-demokratischen-frauenkonfoderalismus-von-unten-aufbauen-46450
Kurdische Journalistin in Belgien festgenommen
Heval Arslan, eine kurdische Journalistin und Moderatorin von Medya Haber TV, ist Medienberichten zufolge festgenommen worden, nachdem sie am Abend des 22. September zur Polizeistation der belgischen Stadt Ninove vorgeladen worden war. Die Festnahme soll ohne richterlichen Beschluss erfolgt sein. Zudem sollen alle ihre Habseligkeiten beschlagnahmt worden sein. Nach einer Leibesvisitation sei sie selbst in eine Zelle verbracht worden. Die Berichte besagen insbesondere, dass der Journalistin auf der Polizeiwache mit einer Kettenabschiebung nach Frankreich und schließlich in die Türkei gedroht worden sei.
Heval Arslan, die seit 2003 für kurdische Medien wie Roj TV, Med Nûçe und Medya Haber TV tätig ist, war zuletzt Moderatorin der Hauptnachrichtensendung von Medya Haber TV.
Wird Ausländerrecht zur politischen Repression missbraucht?
In Frankreich aufgewachsen, absolvierte Arslan ein Journalismusstudium. Obwohl sie seit vielen Jahren als Journalistin tätig ist, verwehrte Frankreich ihr die Staatsbürgerinnenschaft. Gleichzeitig weigerte sich das türkische Konsulat, ihren Reisepass zu verlängern. Infolgedessen wurde Arslan das Recht auf Freizügigkeit und die Ausübung ihres Berufs entzogen, sodass sie gezwungen war, in Belgien Asyl zu beantragen.
Kettenabschiebung in die Türkei droht
Arslan wird derzeit im Abschiebezentrum in Brügge festgehalten. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der in Belgien ansässigen kurdischen Exil-Journalistinnen-Vereinigung RO-JIN. In einer Erklärung betonte RO-JIN, dass im Falle einer Auslieferung von Heval Arslan an Frankreich ihr Recht auf Asyl ungewiss sei und die Gefahr bestehe, dass sie an die Türkei ausgeliefert werde.
„Die ungerechte Behandlung der kurdischen Presse durch Frankreich ist bekannt. Die Auslieferung von Heval Arslan an Frankreich birgt die Gefahr, dass sie in den türkischen Staat abgeschoben wird. Wir haben daher ernsthafte Bedenken. Als kurdischer Journalistinnenverband RO-JIN fordern wir ein Ende dieser Ungerechtigkeit und die Freilassung von Heval Arslan“, heißt es in der Erklärung.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/kurdischer-journalist-serkan-demirel-schildert-abschiebevorgang-in-deutschland-47407 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/kurdischer-journalist-in-den-niederlanden-festgenommen-42340 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/de-standaard-razzia-bei-kurdischen-sendern-auf-franzosisches-ersuchen-41915 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/lese-tipp-aktuelle-iz3w-ausgabe-zu-kritischem-journalismus-44726
Baumwollbäuer:innen warnen vor Produktions-Aus
Im Bezirk Xana Axpar (Çınar) in der nordkurdischen Provinz Amed (Diyarbakır) bauen Bäuer:innen Baumwolle, Weizen, Gerste und Linsen an, während andere ihr Land in Gemüsegärten umwandeln. Die Hauptprobleme, mit denen sie konfrontiert sind, sind die jüngsten Preissteigerungen für Strom, Diesel, Düngemittel und Pestizide. Aufgrund dieser Erhöhungen konnten einige Landwirt:innen in diesem Jahr nur einen Teil ihres Landes bepflanzen.
Die seit vielen Jahren andauernde Zwangslage durch die Stromgesellschaft DEDAŞ hat die Bauern dazu gebracht, die Produktion aufzugeben: Während die Energieversorgung kaum gesichert ist, steigen ihre Preise umso mehr. Baumwollproduzenten aus dem Dorf Caferkê (Kuruyazı) in Xana Axpar sprachen mit ANF über ihre Schwierigkeiten.
Verkauf deckt Ausgaben nicht
Einer der Bauern ist Ahmet Çelik. Durch die steigenden Kosten sei die Produktion unmöglich geworden, erklärte er. „Ich habe den Baumwollanbau von meinem Vater und meinem Großvater geerbt. Seit etwa fünf Jahren betreibe ich ihn alleine. Unser größtes Problem ist, dass unsere Ausgaben zu hoch sind und wir diesen Wert nicht durch den Verkauf erzielen.
Dieses Jahr habe ich 6,5 Hektar Land bepflanzt und meine Verluste sind enorm. Im Vergleich zum letzten Jahr haben sich die Preise für Dünger, Diesel und Strom verdoppelt, aber der Preis für Baumwolle ist gleich geblieben. Wenn wir Baumwolle verkaufen, deckt das unsere Ausgaben nicht. Ich werde keine Baumwolle mehr anbauen. Wenn ich nichts verdienen kann, warum sollte ich diesen Beruf dann weiter ausüben?
Vor allem die Stromrechnungen haben uns das Genick gebrochen. Alle beschweren sich über diese Situation. DEDAŞ stellt nach Belieben Rechnungen über Tausende von Lira aus und verschwindet dann. Deshalb sind wir in großer Not.“
„Wir wurden zu Arbeiter:innen auf unserem eigenen Land“
Basri Ekinci, der seit vielen Jahren in der Landwirtschaft tätig ist, äußerte seine Frustration über die staatliche Agrarpolitik. Die Preise blieben sehr niedrig, sodass sie mit der von ihnen produzierten Baumwolle keinen Gewinn erzielen könnten. Auch er berichtet davon, dass der Verkauf die Ausgaben nicht decken könne. Das Vorgehen der Stromgesellschaft schränke zudem auch seine Möglichkeiten zur Bewässerung ein.
„Vor allem gibt es die Unterdrückung durch DEDAŞ. Ich hatte zwei Brunnen zur Bewässerung. Sie kamen und schlossen einen davon. Ich versuchte, mit dem verbleibenden Brunnen zu bewässern, aber das reichte nicht aus. Dann verhängten sie eine Geldstrafe von 1 Million 750 Tausend Lira gegen mich. Obwohl ich diese Schuld bezahlt habe, haben sie meinen Brunnen immer noch nicht wieder geöffnet. Aus diesem Grund konnte ich nicht bewässern. Ehrlich gesagt wissen wir nicht mehr, was wir tun sollen.
Wenn es so weitergeht, werden wir aufhören zu pflanzen. Wir sind zu Arbeiter:innenn auf unserem eigenen Land geworden. Der Staat unterstützt uns wirklich nicht. Wenn der Staat wirklich nicht will, dass wir Landwirtschaft betreiben, sollte er das offen sagen. Wir erwarten Unterstützung vom Staat, aber er gibt uns keine. Wenn alle Brunnen der Bauern geschlossen werden, was sollen diese Menschen dann tun? Ich bin kurz davor, die Produktion aufzugeben, weil die Kluft zwischen Einkommen und Ausgaben immer größer wird“, klagte auch Ekinci.
https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/ein-jahr-nach-grossbrand-dedaS-setzt-weiter-auf-repression-46761 https://deutsch.anf-news.com/frauen/saisonarbeiterinnen-in-amed-kampfen-ums-Uberleben-46976 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/protest-in-merdin-dorf-fordert-ruckgabe-von-weideflachen-48051