«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
ANF NEWS (Firatnews Agency) - kurdische Nachrichtenagentur
Ermittlungen gegen Journalistin nach Bericht über Zwangsprostitution
Gegen die Journalistin Zeynep Durgut ist in der nordkurdischen Provinz Şirnex (tr. Şırnak) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Anlass ist ein Bericht über ein mutmaßliches Zwangsprostitutionsnetzwerk, in das auch aktive Soldaten verwickelt gewesen sein sollen. Die Anzeige stammt von zwei namentlich genannten Beschuldigten.
Durgut hatte im Februar dieses Jahres eine mehrteilige Reportage veröffentlicht, die sich auf eine bereits 2013 eingereichte Anklageschrift stützt. Darin werden unter anderem Mitglieder der Familie Tatar – die Beziehungen bis in höchste Regierungskreise unterhält und zum größten Dorfschützerverband in Nordkurdistan zählt – sowie mehrere Armeeangehörige – darunter ein Unteroffizier und ein Feldwebel – als Teil einer 25-köpfigen Gruppe aufgeführt, die in Şirnex in Menschenhandel und Zwangsprostitution verwickelt gewesen sein soll.
Nach einer Beschwerde von Kenan Tatar – laut Anklage mutmaßlicher Anführer der Gruppe – und seinem Bruder Nihat Tatar leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein. Die Journalistin wurde am Freitag in Begleitung ihres Rechtsbeistands von der Abteilung für Staatsschutz der Polizei im Landkreis Cizîr (Cizre) vernommen.
Vorwurf: „Verbreitung irreführender Informationen“
Durgut wird vorgeworfen, „öffentlich irreführende Informationen verbreitet“ zu haben. In ihrer Aussage wies sie den Vorwurf zurück. Ihre Berichterstattung basiere auf offiziellen Gerichtsunterlagen und diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse. Es seien keine falschen Behauptungen aufgestellt worden. Zugleich erklärte Durgut, dass sie nach Veröffentlichung des Berichts Drohungen erhalten habe. Im Juni habe sie deshalb Strafanzeige gegen mehrere Personen gestellt.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/Sirnex-journalistin-nach-enthullung-zu-zwangsprostitutionsring-bedroht-46840 https://deutsch.anf-news.com/frauen/solidaritat-mit-journalistin-zeynep-durgut-46855 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/zeynep-durgut-unter-meldeauflagen-auf-freiem-fuss-30848
Verein „Zeit der Frau“ unterstützt Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt
Inmitten zunehmender geschlechtsspezifischer Gewalt in der Türkei bietet der Verein „Zeit der Frau“ (tr. „Kadın Zamanı“) seit 2019 Unterstützung für betroffene Frauen an. Mit rechtlicher und psychologischer Beratung sowie präventiven Bildungsangeboten arbeitet die Istanbuler Initiative in mehreren Sprachen und mit feministischen Grundsätzen gegen strukturelle Gewalt – oft dort, wo staatliche Mechanismen fehlen.
„Wir beobachten, dass patriarchale Gewalt systematisch geworden ist; sie geht nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch von Institutionen aus“, sagt Newroz Ünverdi vom Verein im Gespräch mit der MA-Journalistin Yeşim Tükel. Viele Betroffene, insbesondere aus armen Vierteln Istanbuls, suchten Hilfe in psychischen, physischen, sexuellen oder ökonomischen Gewaltkontexten. „Das Ziel ist nicht nur individuelle Hilfe, sondern auch strukturelle Sichtbarkeit und politische Forderung.“
Beratung in Türkisch und Kurdisch
Der Verein richtet sich gezielt an Frauen aus verschiedenen ethnischen und sozialen Hintergründen. Ein Fokus liegt auf kurdischen Frauen, die durch Zwangsumsiedlung in städtische Randbezirke gedrängt wurden. Die Beratung erfolgt in Türkisch und Kurdisch – für viele Betroffene entscheidend, um sich sicher ausdrücken zu können.
Newroz Ünverdi | Foto: MA
Kadın Zamanı bietet rechtliche Ersthilfe, begleitet Gerichtsverfahren, vermittelt an Anwaltskammern oder Frauenorganisationen und verfügt über ein Netzwerk freiwilliger Psycholog:innen. Die Organisation arbeitet eng mit anderen feministischen Gruppen zusammen, um gegenseitige Unterstützung und Weitervermittlung zu ermöglichen.
Workshops zu Rechten, Gesundheit und Selbststärkung
Ein zentrales Element der Arbeit sind regelmäßig stattfindende Workshops: von Informationsveranstaltungen zu gesetzlichen Rechten, etwa zum Gewaltschutzgesetz 6284 oder Scheidung und Unterhaltsansprüche, über kreative Angebote bis hin zu Gesundheitsvorsorge wie Brustkrebsfrüherkennung. „In Räumen, wo Frauen gemeinsam lernen, sich austauschen und kreativ werden, entstehen Selbstermächtigung und Vertrauen“, sagt Ünverdi. Auch Fragen rund um Geschlechterrollen und -bilder würden in interaktiven Formaten behandelt. In Zukunft will der Verein diesen Bereich weiter ausbauen.
Kritik an mangelnder Unterstützung durch lokale Verwaltungen
Trotz Bemühungen um Zusammenarbeit mit Kommunen stoße der Verein oft auf politische Barrieren – insbesondere dort, wo durch staatlich eingesetzte Zwangsverwalter anstelle gewählter Bürgermeister:innen lokale Strukturen verändert wurden. Im Jahr 2023 führte Kadın Zamanı eine Studie zur Verfügbarkeit muttersprachlicher Hilfe in Istanbuler Bezirken durch.
„Viele Frauen haben keinen Zugang zu öffentlichen Angeboten in ihrer Sprache“, sagt Ünverdi. Gespräche mit zwei Bezirksverwaltungen hätten deutlich gemacht, dass es wenig Bereitschaft gebe, diesen Missstand zu beheben. In einem neuen Projekt will der Verein nun systematisch untersuchen, inwiefern kurdischsprachige Frauen bei ihrer ersten Kontaktaufnahme mit kommunalen Hilfsstellen überhaupt Gehör finden.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/dbp-frauenrat-warnt-vor-eskalierender-gewalt-gegen-frauen-47672 https://deutsch.anf-news.com/frauen/zivilgesellschaft-in-wan-startet-kampagne-gegen-gewalt-an-frauen-47968 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kampagne-in-amed-gegen-unsichtbare-gewalt-47821
UN-Sondergesandter Geir Pedersen kündigt Rücktritt an
Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, hat seinen Rücktritt angekündigt. Der norwegische Diplomat wird sein Amt nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) aus persönlichen Gründen niederlegen. Pedersen hatte die Funktion seit Oktober 2018 inne.
UN-Generalsekretär António Guterres habe Pedersens Rücktrittsgesuch akzeptiert, wird der 69-jährige Norweger in einer von den UN veröffentlichten Mitteilung zitiert. Ein genaues Datum für den Amtswechsel steht noch nicht fest. Bis zu seinem Ausscheiden werde er seine Aufgaben jedoch „in vollem Umfang“ weiterführen, hieß es weiter.
Pedersen war mit der Umsetzung einer UN-Resolution beauftragt, die eine politische Lösung der Syrien-Krise zum Ziel hatte. Er war unter anderem mitverantwortlich für die Koordinierung humanitärer Hilfe und förderte internationale Unterstützung für den Wiederaufbau.
Nach dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Baschar al-Assad Ende 2024 gehörte es zu Pedersens Aufgaben, staatliche Institutionen der von Islamisten angeführten Übergangsregierung zu unterstützen und auf Grundlage der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats eine neue Verfassung zu diskutieren.
Im März hatte Pedersen sich angesichts der Massaker an der alawitisch geprägten Westküste Syriens tief besorgt gezeigt und zum Schutz der Zivilbevölkerung aufgerufen. Wer seine Nachfolge antreten wird, ist bislang offen.
https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/un-sondergesandter-fordert-mehr-humanitare-hilfe-fur-syrien-44648 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/un-sondergesandter-fordert-ende-der-gewalt-in-syrien-44493 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/syriens-Ubergangsprasident-will-bei-un-generalversammlung-sprechen-47667
Amed: Stadtverwaltung startet Dialogreihe zu Frieden und Rückkehr
Die von der DEM-Partei geführte Stadtverwaltung von Amed (tr. Diyarbakır) startet Ende September eine neue Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Treffen für Frieden“. Ziel ist es, Perspektiven für ein gemeinsames Leben in Frieden zu diskutieren und vergangene Konflikterfahrungen aufzuarbeiten.
Die Reihe soll über sieben Monate hinweg einmal monatlich stattfinden. Der Auftakt ist für den 28. September geplant. Den thematischen Rahmen der ersten Veranstaltung bildet das Verhältnis von Flucht, Rückkehr und gesellschaftlichem Frieden. Veranstaltungsort ist das historische Cemilpaşa-Herrenhaus im Altstadtbezirk Sûr.
„Rückkehr und Zusammenleben im Fokus“
Die Treffen sollen Akteur:innen aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Literatur und verschiedenen religiösen und ethnischen Gemeinschaften zusammenbringen. Dabei sollen die Bedingungen für eine Rückkehr in verlassene Dörfer, Stadtviertel oder Regionen ebenso diskutiert werden wie die rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Hürden, die dem entgegenstehen.
Laut Mitteilung der Stadtverwaltung steht die Initiative im Zeichen der Suche nach einem gemeinsamen demokratischen Rahmen für die Zukunft. „Wir wollen den Blick nicht nur zurück, sondern nach vorn richten – und Räume schaffen, in denen über Gerechtigkeit, Erinnerung und Versöhnung gesprochen werden kann“, heißt es in der Ankündigung.
Die erste Veranstaltung wird in Kooperation mit dem Verein für Migrationsforschung (Göç-Der) durchgeführt. Der Titel lautet: „Migration, Rückkehr und Frieden“.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/rojava-ist-meine-rote-linie-pervin-buldan-uber-das-letzte-gesprach-mit-abdullah-Ocalan-47794 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/debatte-um-dorfschutzer-system-in-parlamentskommission-48010 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kon-med-fordert-deutsche-unterstutzung-fur-friedensprozess-in-der-turkei-47965
Straße in Cizîr nach Sırrı Süreyya Önder benannt
Die von der DEM-Partei verwaltete Stadt Cizîr (tr. Cizre) in der nordkurdischen Provinz Şirnex (Şırnak) hat eine zentrale Straße nach dem verstorbenen Politiker Sırrı Süreyya Önder benannt. Önder war langjähriges Mitglied der Imrali-Delegation und galt als prominente Stimme des kurdisch-türkischen Dialogprozesses.
Der Stadtrat hatte bereits im August beschlossen, die bisherige Idil-Straße in „Sırrı Süreyya Önder Caddesi“ umzubenennen. Am Donnerstag wurde die neue Straßentafel mit Önders Foto bei einer offiziellen Zeremonie enthüllt. An der Veranstaltung nahmen neben zahlreichen Bürger:innen auch die Ko-Bürgermeister:innen von Cizîr, Güler Tunç Yerbasan und Abdurrahim Durmuş, sowie der DEM-Abgeordnete Mehmet Zeki Irmez teil.
„Ein Vermächtnis des würdevollen Friedens“
In ihrer Rede erklärte Bürgermeisterin Tunç Yerbasan: „Wir sind hier, um den Namen von Sırrı Süreyya Önder lebendig zu halten. Er hat seinem Volk mit großem Einsatz gedient und uns das Ideal eines würdevollen Friedens hinterlassen.“
Auch Irmez würdigte Önders Beitrag zum Friedensprozess. „Er liebte Cizîr, und nun trägt diese Stadt seinen Namen auf einer ihrer Straßen. Gegenüber liegt die Straße, die nach Orhan Doğan benannt ist – zwei Menschen, die ihr Leben dem Frieden gewidmet haben.“
Sırrı Süreyya Önder, der im Mai an den Folgen eines Herzinfarkts verstorben war, war nicht nur Politiker, sondern auch Autor, Regisseur und einer der bekanntesten Vertreter des Dialogprozesses zwischen dem türkischen Staat und der kurdischen Bewegung. Er galt als Vermittler mit kulturellem und politischem Gewicht.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/sirri-sureyya-Onder-die-stimme-das-gedachtnis-das-gewissen-des-kurdischen-volkes-46155
Österreichischer Philosoph Robert Pfaller unterstützt Öcalans Friedensaufruf
Der österreichische Philosoph und Kulturtheoretiker Robert Pfaller hat den Friedensaufruf von Abdullah Öcalan und den Rückzug der PKK aus dem bewaffneten Kampf als „historische Chance“ für die Türkei bezeichnet. In einer Botschaft an die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) würdigte Pfaller den Schritt als mutig und wegweisend.
„Die Entscheidung zur Selbstauflösung der PKK ist ein außerordentlich wichtiger Schritt“, erklärte Pfaller in seinem schriftlichen Statement. „Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie viel Mut und Weitsicht es erfordert hat, diesen Weg einzuschlagen. Ich hoffe, dass alle politischen Akteure in der Türkei erkennen, welche historische Gelegenheit sich hier bietet.“
Der Aufruf Öcalans, die PKK solle sich entwaffnen und einem politisch-zivilen Prozess Platz machen, war im vergangenen Februar von der DEM-Partei öffentlich gemacht und als Grundlage für eine neue Phase der demokratischen Auseinandersetzung präsentiert worden. Die kurdische Arbeiterpartei hatte daraufhin im Mai einen Auflösungskongress einberufen und im Juli eine symbolische Waffenniederlegung vollzogen. In der Folge wurde im türkischen Parlament eine Kommission eingerichtet, die sich mit einer demokratischen Lösung der kurduschen Frage befassen soll.
Wer ist Robert Pfaller?
Robert Pfaller, Jahrgang 1962, ist Professor für Philosophie an der Kunstuniversität Linz. Internationale Bekanntheit erlangte er mit seinen Arbeiten zur Ideologiekritik, Lacanscher Psychoanalyse und dem von ihm geprägten Begriff der „Interpassivität“ – einem Konzept, das beschreibt, wie Individuen Emotionen und Genüsse stellvertretend durch andere erleben.
Pfaller veröffentlichte unter anderem Ästhetik der Interpassivität (2009), Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie (2011) und Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur (2017). Seine theoretischen Ansätze verbinden kulturkritische Fragestellungen mit psychoanalytischen und marxistischen Perspektiven. Für seine Arbeit wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Paul-Watzlawick-Ehrenring der Ärztekammer Wien (2020).
https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensnobelpreistragerin-jody-williams-fordert-schritte-fur-dialogprozess-in-der-turkei-47944 https://deutsch.anf-news.com/frauen/us-philosophin-helen-longino-Ocalans-friedensaufruf-hat-mich-tief-bewegt-47824 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/philosoph-zabala-Ocalans-friedensbemuhungen-nicht-scheitern-lassen-47555 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/julien-schwab-Ocalans-freiheit-ist-voraussetzung-fur-echten-dialog-47827 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/walder-frieden-ist-ein-mutiger-schritt-47577
DEM fordert Umsetzung des EGMR-Urteils: „Recht auf Hoffnung“ gesetzlich verankern
Die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) hat die türkische Regierung und das Parlament dazu aufgerufen, das sogenannte „Recht auf Hoffnung“ endlich gesetzlich umzusetzen. Anlass ist die jüngste Sitzung des Ministerkomitees des Europarats, das der Türkei erneut eine Frist eingeräumt hat, um entsprechende Reformen im Strafvollzugsrecht vorzunehmen.
Bei einer Pressekonferenz in Ankara erklärte Öztürk Türkdoğan, Ko-Vorsitzender der Rechts- und Menschenrechtskommission der DEM-Partei, die Türkei sei völkerrechtlich verpflichtet, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) umzusetzen. Dieser hatte bereits in früheren Entscheidungen festgestellt, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne realistische Möglichkeit auf Entlassung gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoße.
„Der EGMR erkennt die Vollstreckung einer Strafe bis zum Tod als unmenschliche Behandlung an“, sagte Türkdoğan. „Das Gericht fordert, dass bei lebenslanger Haft spätestens nach 25 Jahren eine gerichtliche Überprüfung stattfinden muss – mit der realen Aussicht auf Entlassung. Dieses Recht bezeichnen wir als ‚Recht auf Hoffnung‘.“
Europarat erwartet Gesetzesänderung
Das Ministerkomitee des Europarats, das die Umsetzung der EGMR-Urteile überwacht, hatte der Türkei bereits mehrfach nahegelegt, entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen. In seiner jüngsten Sitzung in dieser Woche hatte das Komitee erneut betont, dass konkrete Maßnahmen erforderlich seien. Bis Juni 2026 wurde Ankara eine Frist zur Einleitung geeigneter Rechtsreformen gesetzt.
„Trotz wiederholter Aufforderungen wurde bislang kein Gesetz verabschiedet, das eine Überprüfung nach 25 Jahren ermöglicht“, kritisierte Türkdoğan. Auch im Fall des seit 1999 inhaftierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan sei eine solche rechtliche Perspektive notwendig. „Der EGMR hat auch im Fall Öcalan klargestellt, dass eine lebenslange Haft ohne Hoffnung auf Entlassung unzulässig ist.“
Appell an Parlament und Justizministerium
Die DEM-Partei hat bereits im September 2024 einen Gesetzentwurf im Parlament eingebracht, um das Recht auf Hoffnung gesetzlich zu verankern. Türkdoğan forderte insbesondere die regierenden Parteien AKP und MHP auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. „Es gibt keine rechtliche oder politische Grundlage mehr, das EGMR-Urteil zu ignorieren“, so Türkdoğan. „Das Justizministerium muss jetzt handeln.“
Zugleich forderte er, dass die im Parlament eingerichtete „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ auch den Kontakt zu Abdullah Öcalan aufnehmen müsse. „Er war der Initiator des Friedensprozesses. Es ist nicht glaubwürdig, über eine politische Lösung zu sprechen, ohne den Hauptakteur in den Dialog einzubeziehen.“
Recht auf Hoffnung als Menschenrecht
Das Recht auf Hoffnung sei ein grundlegendes Menschenrecht, betonte Türkdoğan. „Es geht um die Möglichkeit, sich zu verändern, sich zu rehabilitieren – und um die Anerkennung der Menschenwürde, selbst im Strafvollzug.“ Wenn die Türkei ihre internationalen Verpflichtungen ernst nehme, müsse sie nun handeln. „Es gibt keinen legitimen Grund, länger zu zögern“, so Türkdoğan.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/weitere-frist-fur-turkei-bezuglich-recht-auf-hoffnung-48002 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/internationale-jurist-innen-legen-europarat-stellungnahme-zum-recht-auf-hoffnung-vor-47196 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/turkei-verweigert-Ocalan-weiterhin-recht-auf-hoffnung-46996 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/frist-fur-die-turkei-zum-recht-auf-hoffnung-bis-september-46660
Friedensmütter in Cizîr bereiten Konferenz vor
Vor einer geplanten Konferenz des Rates der kurdischen Friedensmütter am 18. und 19. Oktober hat das regionale Komitee aus der Botan-Region ein Vortreffen in der Stadt Cizîr (tr. Cizre) abgehalten. Das Treffen wurde dem kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan gewidmet.
Die Versammlung fand in den Räumlichkeiten des Kreisverbands der DEM-Partei statt. Zahlreiche Frauen aus Cizîr und anderen Teilen der Provinz Şirnex (Şırnak) nahmen teil. Der Konferenzsaal war mit einem Banner geschmückt, auf dem stand: „Die Friedensmütter von Botan richten ihre Stimme an Imrali“ – eine Anspielung auf die Gefängnisinsel, auf der Öcalan seit 1999 in politischer Geiselhaft des türkischen Staates ist.
Zum Auftakt der Veranstaltung würdigte die Aktivistin der Frauenbewegung TJA, Çimen Fidan, das Engagement der Friedensmütter. Die Frauen hätten große Opfer gebracht und stünden seit Jahren für einen „würdevollen Frieden“ ein, so Fidan. „Wir hoffen, dass die Kriege endlich ein Ende finden.“
Die anschließende Konferenz wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. Die Friedensmütter sind ein Zusammenschluss von Müttern und Angehörigen, die sich für die Beendigung des Krieges gegen die Kurd:innen und eine politische Lösung der kurdischen Frage einsetzen.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensmutter-kritisieren-sprachverbot-in-parlamentskommission-47620 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/keine-mutter-soll-mit-offenen-augen-sterben-47788 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/die-turkei-ist-noch-weit-von-einem-positiven-frieden-entfernt-47753
Bromberger: „Jin Jiyan Azadî ist Widerstand gegen patriarchale Kontrolle“
Der französische Anthropologe Christian Bromberger sieht in der Parole „Jin Jiyan Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit – weit mehr als nur eine Parole der Protestbewegung in Iran. Für ihn ist sie Ausdruck eines tiefgreifenden Widerstands gegen patriarchale Systeme, die versuchen, über den weiblichen Körper zu herrschen.
Im Gespräch mit ANF erklärte Bromberger, dass insbesondere das Kopftuch und die Kontrolle über das Haar von Frauen seit Jahrhunderten als Mittel patriarchaler Machtausübung dienen. „Die Bedeckung der Haare ist ein Mechanismus, mit dem männliche Herrschaft den Körper und die Freiheit der Frau kontrollieren will“, so der Professor der Universität Aix-Marseille.
In vielen Kulturen seien Frauenhaare sexualisiert worden – und dadurch zu einem Symbol geworden, das reguliert, verborgen oder unterdrückt werden müsse. In muslimischen Gesellschaften wie jene in Iran habe dies staatliche Formen angenommen: „Der Schleier ist dort kein individuelles Bekenntnis, sondern ein Zwangsmittel“, sagt Bromberger.
Kein religiöses Gebot im Koran
Entgegen verbreiteten Vorstellungen finde sich im Koran kein Vers, der Frauen explizit dazu auffordere, ihr Haar zu bedecken. „Das Verbot ist nicht göttlichen Ursprungs, sondern kulturell gewachsen“, betont Bromberger. In anderen Religionen gebe es ähnliche Entwicklungen. So sei es in Teilen der orthodoxen jüdischen Gemeinden Osteuropas ab dem 18. Jahrhundert verbreitet gewesen, dass verheiratete Frauen sich die Haare rasierten und Perücken trugen – als Ausdruck religiöser Schamhaftigkeit. In der christlichen Kunst wurde Maria ab dem 14. Jahrhundert zunehmend mit offenem Haar dargestellt, was Reinheit oder Ideal weiblicher Schönheit symbolisierte.
Widerstand gegen religiös-politische Kontrolle
Bromberger betont, dass der Widerstand gegen diese Formen der Kontrolle ebenso alt sei wie die Kontrolle selbst. Der Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 – nachdem sie von der iranischen Sittenpolizei festgenommen worden war – habe weltweit Empörung ausgelöst und eine neue Protestwelle entfacht.
„Der Schleier wurde zum Symbol der Unterdrückung, das Haar zum Symbol des Widerstands“, sagt Bromberger. Die Losung „Jin Jiyan Azadî“ sei dabei zum internationalen Ausdruck einer feministischen Revolte geworden – getragen von Frauen, die sich der religiösen und politischen Bevormundung widersetzen.
Auch in der Türkei: Politischer Druck auf Frauenkörper
Mit Blick auf andere Länder hebt Bromberger hervor, dass sich patriarchale Kontrollmechanismen in unterschiedlichen Formen zeigten – auch in der Türkei. Dort werde das Tragen des Kopftuchs zunehmend religiös-politisch aufgeladen und gefördert. „Auch hier wird das weibliche Erscheinungsbild zum Gegenstand staatlicher Einflussnahme“, so Bromberger.
Kämpferischer Wandel im kurdischen Kontext
Besondere Aufmerksamkeit schenkt der Anthropologe der kurdischen Frauenbewegung. Diese habe in den vergangenen Jahrzehnten einen eigenständigen feministischen Weg eingeschlagen. Frauen aus Kurdistan kämpften – nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Ideen – gegen patriarchale Unterdrückung und für gesellschaftliche Veränderung. „Gerade hier hat ‚Jin Jiyan Azadî‘ eine tiefe Bedeutung erhalten“, sagt Bromberger. Dennoch sei auch in kurdischen Gesellschaften die Vorstellung vom weiblichen Haar als Objekt männlicher Begierde nach wie vor präsent.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/varisheh-moradi-jin-jiyan-azadi-ist-der-weg-zu-einer-befreiten-gesellschaft-47974 https://deutsch.anf-news.com/frauen/gedenken-an-jina-mahsa-amini-in-dutzenden-stadten-47982 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kjar-freiheit-beginnt-mit-der-frau-47979
Neues Massengrab in Şengal entdeckt
In der südkurdischen Region Şengal ist ein weiteres Massengrab entdeckt worden. Es liegt in der Ortschaft Sîba Şêx Xidir, einem der Gebiete, die beim Angriff der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) auf die ezidische Bevölkerung im August 2014 besonders schwer betroffen waren.
Wie die Nachrichtenagentur Roj News berichtet, erfolgte der Fund, als Anwohnende bei Bauarbeiten zwischen dem südlich des Şengal-Gebirges gelegenen Sîba Şêx Xidir und dem benachbarten Til Ezer auf Kleidung, Alltagsgegenstände und menschliche Überreste stießen. Sicherheitskräfte sicherten den Ort ab, die zuständigen Behörden wurden informiert.
In dem Grab wurde auch ein Ausweisdokument gefunden – es gehört dem Eziden Seydo Abbas Chuko, der seit dem 3. August 2014 als vermisst galt. An diesem Tag hatten IS-Söldner Şengal überfallen, Tausende Ezidinnen und Eziden verschleppt, ermordet oder zur Flucht gezwungen.
Auch eine Gebetskette trat nach der Entdeckung zum Vorschein | Foto: Roj News
Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und Angehörige forderten die irakische Regierung auf, rasch forensische Expertenteams in die Region zu entsenden. Es brauche systematische Ausgrabungen, um weitere Massengräber zu dokumentieren und die Identität der Opfer zu klären.
In Şengal und Umgebung werden noch immer Hunderte Menschen vermisst. Viele Angehörige hoffen auch Jahre nach dem Völkermord auf Gewissheit.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/ezidische-opfer-vermutet-massengrab-in-mossul-geoffnet-47553 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/ferman-gedenken-drei-minuten-stillstand-in-Sengal-47370 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/knk-fordert-autonomiestatus-fur-Sengal-47371
Debatte um Dorfschützer-System in Parlamentskommission
Die von der Großen Nationalversammlung der Türkei eingerichtete „Kommission für Nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ hat ihre elfte Sitzung am Donnerstagabend mit kontroversen Debatten beendet. Im Fokus standen unter anderem Forderungen nach einem Ende des umstrittenen Dorfschützersystems sowie ein Eklat um einen Redner mit Nähe zur radikal-islamistischen Hizbullah, der zum vorübergehenden Verlassen der Sitzung durch Abgeordnete der DEM-Partei führte.
Göç-Der: Aufarbeitung der Zwangsvertreibungen der 1990er
In der Sitzungsetappe hörte die Kommission erneut Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dabei forderte der Ko-Vorsitzende des Vereins für Migrationsforschung (Göç-Der), Murat Sarı, die Aufarbeitung der Zwangsvertreibungen der 1990er Jahre. Die Rückkehr vertriebener Dorfbewohner:innen müsse gesetzlich ermöglicht und unterstützt werden, so Sarı. Damals wurden rund 3.700 Dörfer und Siedlungen gewaltsam geräumt, Millionen Menschen seien zur Flucht gezwungen – sowohl innerhalb der Türkei als auch ins Ausland.
Sarı wies auf die langfristigen sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Folgen der Zwangsmigration hin. Vor allem Frauen und Kinder seien in den Städten mit schwierigen Lebensbedingungen konfrontiert gewesen, von prekären Jobs über Schulabbrüche bis hin zu sozialer Isolation. Auch die ökologischen Folgen des Leerstands in den betroffenen Regionen seien gravierend, unter anderem durch anhaltende Umweltzerstörung in ehemaligen Siedlungsgebieten und den Abbau von Rohstoffen, der Rückkehrperspektiven dauerhaft blockiere.
Kritik am Dorfschützer-System
Sowohl Sarı als auch Abdullah Sağır, Vertreter der Föderation für Islamische Studien Mezopotamiens, sprachen sich klar gegen das staatlich organisierte Dorfschützersystem aus. Dieses stelle ein strukturelles Hindernis für gesellschaftliche Versöhnung und sichere Rückkehr dar. Die von den 1980er Jahren an eingesetzten paramilitärischen, bewaffneten Einheiten hätten vielerorts zu einem Klima der Angst und sozialen Spaltung geführt, so Sarı. „Das Dorfschützer-System schafft gesellschaftliche Entfremdung und Misstrauen“, sagte er.
Sağır betonte in seiner Rede, dass echte Geschwisterlichkeit nur auf der Grundlage von Gleichheit möglich sei. Das Verbot und die systematische Verdrängung der kurdischen Sprache und Identität bezeichnete er als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Spannungen durch Rede eines Hizbullah-nahen Redners
Für einen Eklat sorgte die Rede von Mehmet Beşir Şimşek, Vizepräsident des islamistischen Vereins „İslami Tebliğ Derneği“, dem Nähe zur radikalislamistischen Konterguerilla Hizbullah nachgesagt wird. In seiner Rede warf er linken kurdischen Organisationen vor, die traditionelle Identität des kurdischen Volkes zu zerstören. Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen staatliche Sicherheitskräfte.
Die Rede rief scharfe Kritik aus verschiedenen politischen Lagern hervor. Der MHP-Abgeordnete Feti Yıldız warf Şimşek vor, Armee und Polizei zu diffamieren. Abgeordnete der DEM-Partei verließen demonstrativ den Sitzungssaal. „Mit dieser Sprache ist kein Frieden möglich“, erklärte Fraktionsvize Saruhan Oluç, während Abgeordneter Cengiz Çiçek dem Redner vorwarf, Menschen mit Foltermethoden ermordet zu haben.
DEM-Partei: „Nicht Kommission verlassen, sondern Stellung bezogen“
Im Anschluss stellte die DEM-Partei klar, dass es sich nicht um einen Rückzug aus der Kommissionsarbeit gehandelt habe. Man habe die Sitzung lediglich vorübergehend verlassen, um gegen die „verbalen Entgleisungen“ des eingeladenen Redners zu protestieren. In einer schriftlichen Erklärung betonte die Partei, der Einsatz für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage verlange einen respektvollen Ton: „Der Frieden beginnt mit der Sprache.“
Kurtulmuş mahnt zu Mäßigung
Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş mahnte im Anschluss an die Sitzung zur Zurückhaltung: „Niemand sollte Entwicklungen unterstützen, die zu neuen Spaltungen führen“, sagte er mit Blick auf die hitzige Auseinandersetzung. Es gelte, sich auf die konstruktive Suche nach Lösungen zu konzentrieren.
Die Kommission will in der kommenden Woche mit Vertreter:innen von Denkfabriken und Wissenschaftseinrichtungen fortfahren.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurdische-frage-wirtschaftsverbande-sprechen-vor-kommission-im-parlament-47920 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kurtulmus-will-kommission-zugig-zu-endgultigem-ergebnis-bringen-47907 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/chp-chef-Ozel-zur-Ocalan-frage-entscheidung-liegt-bei-der-kommission-47877 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/dem-fordert-dialog-mit-Ocalan-und-kritisiert-autoritaren-kurs-der-regierung-47873
Deutscher Engagementpreis 2025: UTAMARA und die iMpuls-Cafés
Das Team der rund 25 Kilometer südöstlich von Bonn gelegenen Frauenbegegnungsstätte UTAMRA e.V. setzt sich seit fast zwei Jahrzehnten mit großem Engagement für Mädchen, Frauen und Mütter ein – insbesondere für jene, die von Gewalt betroffen sind. Seit 2006 schafft der Verein mit Projekten wie den iMpuls-Cafés geschützte Räume, in denen Frauen unterschiedlicher Kulturen und Religionen zusammenkommen, sich austauschen, gegenseitig stärken und gemeinsam Lösungen für Herausforderungen des Alltags entwickeln können.
Im Interview sprechen die UTAMARA-Mitarbeiter:innen über die besondere Bedeutung der Nominierung für den Deutschen Engagementpreis 2025, die Wirkung der iMpuls-Cafés in der Gemeinschaft sowie darüber, wie Interessierte und Unterstützerinnen dazu beitragen können, dass solche Räume auch in Zukunft bestehen bleiben.
Was bedeutet die Nominierung für den Deutschen Engagementpreis 2025 für UTAMARA e.V. und speziell für die iMpuls-Cafés?
Die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V. ist ein Frauenverein, der 2006 von vielen Frauen aus unterschiedlichen Lebensbereichen gegründet wurde. Seit fast 20 Jahren arbeiten wir – überwiegend ehrenamtlich – für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Dabei handeln wir präventiv, um den Ursprung von Gewalt zu bekämpfen, und greifen in Akutsituationen so schnell wie möglich ein, um Frauen und Kinder zu schützen.
Uns unterscheidet, dass wir gezielt das Selbstbewusstsein von Frauen stärken, sodass sie sich als Individuen wertschätzen und als Frauen wahrnehmen. Dafür arbeiten wir mit verschiedenen Kooperationspartner:innen, in Netzwerken, an Runden Tischen „Gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen“, im Beirat für Migration und Integration sowie in Dachorganisationen, die unsere Vereinszwecke unterstützen.
Sichtbarkeit migrantischen Frauenengagements
Die Nominierung hat für uns einen sehr großen Stellenwert. Sie macht nicht nur den Einsatz von Frauen, sondern auch migrantisches Engagement in Deutschland sichtbar. Es gibt viele Migrantinnenselbstorganisationen, die seit Jahren wertvolle Arbeit in und für unsere Gesellschaft leisten, aber oft unsichtbar bleiben. Die Nominierung von UTAMARA für den Deutschen Engagementpreis 2025 ist ein wichtiges Zeichen für die Vielfältigkeit des Engagements in Deutschland.
Welche konkreten Ziele verfolgen die iMpuls-Cafés, und welche Wirkung haben sie bisher in der Gemeinschaft erzielt?
In den iMpuls-Cafés kommen Frauen unterschiedlicher Kulturen und Religionen im ländlichen Raum zusammen. Der Ursprung des Projekts war der Wunsch vieler Frauen, einen regelmäßigen Ort des Austauschs zu schaffen.
Das iMpuls-Projekt bietet einen geschützten Raum, in dem Frauen über Fragen des Alltags ins Gespräch kommen, gemeinsam Lösungen kennenlernen und entwickeln können. Die Themen der Cafés werden von den Teilnehmer:innen selbst bestimmt. Unterstützt von Expert:innen und Kooperationspartner:innen ist so ein vielseitiges Programm entstanden: von Mutter-Kind-Beziehungen, Heil- und Gartenkräutern, Digitalem Jobcenter und Erste-Hilfe-Kursen über Beckenbodentrainings und Frauenrechte bis hin zu Selbstbehauptungskursen oder gemeinsamer Kirschernte.
Abbau von Barrieren
Sprachmittler:innen bauen Sprachbarrieren ab, Kinderbetreuung ermöglicht die Teilnahme von Müttern. Außerdem finden die Cafés an verschiedenen Orten im Lebensumfeld der Familien statt, und durch die Übernahme von Fahrtkosten werden Mobilitätshürden im ländlichen Raum überwunden.
Von September 2022 bis August 2025 haben wir insgesamt 35 Cafés durchgeführt, an denen rund 500 junge Frauen, Frauen und Mütter teilgenommen haben. Solch kultur- und geschlechtersensible Räume sind im ländlichen Raum leider noch eine Seltenheit – umso wichtiger ist ihre Wirkung.
Wie können Interessierte oder Unterstützer:innen dazu beitragen, dass die iMpuls-Cafés weiterhin bestehen und wachsen können?
Unser iMpuls-Projekt haben wir nach der dreijährigen Förderung im August 2025 offiziell beendet. Dass es weiterhin Austauschräume braucht, steht für uns außer Frage.
Unterstützerinnen und Interessierte können auf vielen Wegen helfen: Wir freuen uns, wenn Frauen Initiative ergreifen, zu uns kommen und eigene Projektideen vorschlagen. In den letzten 19 Jahren haben wir viele Erfahrungen und Kontakte gesammelt und können Räumlichkeiten bereitstellen. Doch all das ist nur wertvoll, wenn wir es gemeinsam als Mädchen, Frauen und Mütter mit Leben füllen.
UTAMARA ist ein Ort, an dem wir gemeinsam Antworten auf die Fragen unseres Alltags finden. Wir sind offen für praktische Unterstützung, zum Beispiel bei kleinen Aktionen wie unseren Gartentagen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, unsere Arbeit als Fördermitglied oder durch einmalige Spenden finanziell zu unterstützen.
https://deutsch.anf-news.com/kultur/kulturcamp-im-frauenzentrum-utamara-34594 https://deutsch.anf-news.com/frauen/tv-tipp-frauenprojekt-nujin-wird-bei-Cira-report-vorgestellt-32348 https://deutsch.anf-news.com/frauen/kinderfest-zerstort-unsere-traume-nicht-von-utamara-32288 https://deutsch.anf-news.com/frauen/erinnerung-an-uta-und-amara-in-mulheim-42387 https://deutsch.anf-news.com/frauen/15-jahre-frauenbegegnungsstatte-utamara-28290
Sitzung des QSD-Militärrats: Priorität auf politischer Lösung
Der Militärrat der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) hielt seine regelmäßige Sitzung unter Beteiligung der Kommandanturen der Militärräte aus allen Regionen und der angeschlossenen militärischen Institutionen ab. Auch der QSD-Oberbefehlshaber, Mazlum Abdi, und Mitglieder des Generalkommandos haben an der Sitzung teilgenommen.
Abdi gab während der Zusammenkunft einen Überblick über die jüngsten politischen und militärischen Entwicklungen in Syrien im Allgemeinen und in Nord- und Ostsyrien im Besonderen. Er bekräftigte die Fortsetzung der Verhandlungen mit der Regierung in Damaskus gemäß den Bestimmungen des Abkommens vom 10. März. Außerdem hob er nachdrücklich hervor, dass die Aufrechterhaltung des bestehenden Waffenstillstands von umfassender Bedeutung sei und Provokationen demnach vermieden werden müssten, um die Region nicht erneut in einen Konflikt zu stürzen.
QSD zum Dialog mit Damaskus bereit
Das Treffen befasste sich mit mehreren internen und organisatorischen Themen, darunter das vorgeschlagene Integrationsprojekt innerhalb der syrischen Armee. Die Bereitschaft der QSD zum Dialog und zu Verhandlungen mit Damaskus sowie zur sofortigen Koordinierung mit den zuständigen Ausschüssen wurde unterstrichen.
In diesem Zusammenhang wurde der inklusive nationale Charakter der QSD bekräftigt: dem multiethnischen Militärbündnis gehören Kämpfer:innen und Fraktionen an, die alle Teile Nord- und Ostsyriens sowie anderer Regionen des Landes vertreten.
Kampf gegen den IS
In Bezug auf den andauernden Krieg gegen den selbsternannten Islamischen Staat (IS) wurde auf der Sitzung der deutliche Anstieg der terroristischen Aktivitäten von IS in mehreren Gebieten Nord- und Ostsyriens festgestellt. Es bestand entschlossene Einigkeit darüber, den Kampf gegen den Terrorismus fortzuführen und die diesbezügliche Zusammenarbeit mit der internationalen Koalition zu verstärken. Im Rahmen dieser Kooperation sollen die endgültige Niederlage des IS sichergestellt und die Schutzmaßnahmen für IS-Gefängnisse verbessert werden.
Amnestie beschlossen
Auf innenpolitischer Ebene wurde eine allgemeine Amnestie für Militärangehörige beschlossen, die sich nicht bei ihren entsprechenden Posten gemeldet haben. Hierdurch sollen sie die Möglichkeit bekommen, wieder einen regulären Status zu erhalten.
Des Weiteren wurden diverse andere Fragen, die auf die Verbesserung der Ausbildung und der allgemeinen Effektivität der militärischen Strukturen abzielen, diskutiert.
Klare Prioritäten
Zum Abschluss der Sitzung bestärkte der Militärrat der QSD sein unerschütterliches Engagement für eine politische Lösung als einzigen gangbaren Weg, um die Stabilität Syriens und die Sicherheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten. Er betonte, wie wichtig es sei, die Sicherheit und den sozialen Frieden in Nord- und Ostsyrien zu gewährleisten und die Rechte aller Bevölkerungsgruppen auf der Grundlage des Zusammenlebens zu garantieren. Der Rat bekräftigte außerdem seine Entschlossenheit, den Kampf gegen den Terrorismus in Abstimmung mit internationalen Partnern fortzusetzen und so zur Stabilität und zur Verwirklichung eines umfassenden Friedens in Syrien beizutragen.
Iran: Zwei kurdische Jugendliche nach Festnahme verschwunden
Das Kurdistan Human Rights Network (KHRN) berichtet, dass iranische Sicherheitskräfte in den frühen Morgenstunden des 17. September die Wohnungen der beiden Jungen, Diyar Gargol und Alan Tabnak, durchsucht und sie ohne Haftbefehl festgenommen haben. Die beiden 16-Jährigen sind an einen unbekannten Ort verbracht worden.
Mit ihrer Festnahme steigt die Zahl kurdischer Minderjähriger, die in der vergangenen Woche in Kamîran (Kamyaran), in der Provinz Kurdistan und in Oshnavieh festgenommen wurden, auf mindestens acht. Der Zugang zu Rechtsbeistand, Familienbesuche und Telefonate werden ihnen seither verwehrt.
Trotz wiederholter Bemühungen ihrer Familien, Informationen zu erhalten, haben die Sicherheits- und Justizbehörden keine Angaben zum Schicksal oder zum aktuellen Zustand der Kinder gemacht.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/rojhilat-16-jahriger-an-folgen-von-folter-gestorben-40479 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/minderjahriger-in-iran-hingerichtet-39952 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/iran-amnesty-international-dokumentiert-folter-an-kindern-36694
Zwei Jahre „Freiheit für Öcalan“ – Aktionstag ausgerufen
Die Internationale Kampagne „Freiheit für Öcalan – Eine politische Lösung für die kurdische Frage“ feiert am 10. Oktober ihr zweijähriges Bestehen und ruft zu diesem Datum einen Aktionstag aus. Die Kampagne wurde 2023 in Straßburg mit Hunderten von Demonstrationen weltweit ins Leben gerufen und hat seitdem Tausende von Aktionen inspiriert:
Lesungen von Abdullah Öcalans Werken, Performances, Kundgebungen, Presseveranstaltungen, Konferenzen und Seminare. Hunderte von Artikeln, Appellen und Videos haben den Ruf nach seiner Freiheit verstärkt. Delegationen haben Istanbul und Ankara besucht, um gegen seine Isolation zu protestieren und kurdische und türkische Friedensaktivist:innen zu treffen, außerdem sind regelmäßig Aktionen vor dem Europarat in Straßburg durchgeführt worden.
„Öcalan glaubt an ein friedliches Zusammenleben“
Die Kampagne schreibt in ihrem aktuellen Aktions-Aufruf: „Menschen aus allen Gesellschaftsschichten – unterschiedlichen Alters, verschiedener Nationen, Glaubensrichtungen und Kulturen – haben sich der Kampagne angeschlossen, darunter Nobelpreisträger:innen, Kunstschaffende, Schriftsteller:innen, Wissenschaftler:innen, Politiker:innen, Gewerkschafter:innen und Gemeindevorstehende. Frauenorganisationen stehen an vorderster Front und vertreten Öcalans Ansicht, dass eine Gesellschaft ohne die Befreiung der Frauen nicht frei sein kann.“
Die Kampagne unterstreicht im Folgenden, dass Abdullah Öcalan seinen „Glauben an die Menschheit und an ein friedliches Zusammenleben“ trotz Folter und Isolation nicht verloren habe und kritisiert in diesem Zusammenhang unter anderem den Europarat, der trotz umfassender Kenntnisse über die türkischen Menschenrechtsverstöße keine Konsequenzen erkennen lasse.
„Nur freie Menschen können verhandeln“
In der Erklärung wird betont, dass „in den letzten zwei Jahren in der Türkei und Kurdistan bedeutende Veränderungen stattgefunden haben. Die türkische Führungsriege erkennt nun, dass die kurdische Frage nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden kann, und Öcalan befindet sich nicht mehr in vollständiger Isolation“.
Angesichts des aktuellen Prozesses und der Aufgaben der „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ sei es „wichtig, dass Öcalan als Verhandlungsführer der kurdischen Bewegung frei arbeiten kann. Wie Nelson Mandela sagte: ‚Nur freie Menschen können verhandeln; Gefangene können keine Verträge abschließen.‘“
Aktionstag am 10. Oktober
Um die Entwicklungen für Frieden und eine demokratische Gesellschaft wirksam zu unterstützen, will die Kampagne ihre Bemühungen für die Freilassung Öcalans verdoppeln. In diesem Sinne ruft sie all diejenigen, die sich der Kampagne bisher noch nicht angeschlossen haben dazu auf, dies zu tun. Außerdem ruft sie für ihren zweiten Jahrestag, einen Aktionstag aus:
„Wir ermutigen Sie, Aktionen zum zweiten Jahrestag der Kampagne am 10. Oktober zu planen. Verbreiten Sie die weltweite Forderung nach Öcalans Freiheit und unterstützen Sie die laufenden Bemühungen um Frieden und Demokratisierung.“
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/freiheit-fur-Ocalan-und-eine-politische-losung-der-kurdischen-frage-39354 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/global-free-Ocalan-days-diskutieren-und-losungen-finden-43812 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/abdullah-Ocalan-prozess-hat-phase-rechtlicher-losungen-erreicht-47993
Konferenz zu Völkermorden von 1915 im Schweizer Parlament
Im Schweizer Bundeshaus sind die Völkermorde, denen die armenische, assyrische und pontische griechische Bevölkerung 1915 zum Opfer fiel, auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die Konferenz betonte, dass der Sayfo (der Genozid an den aramäischen, assyrischen und chaldäischen Christ:innen wird in der eigenen Sprache als Sayfo oder Seyfo, dt. „Schwert“, bezeichnet) nicht nur eine Realität der Vergangenheit, sondern auch eine Verpflichtung der Gegenwart ist.
In Europa bemüht sich der europaweiten Dachverband der Suryoye (ESU) kontinuierlich um parlamentarische Unterstützung und kämpft darum, auf dem gesamten Kontinent mehrere Anerkennungen erhalten. In Zusammenarbeit mit der Schweiz-Suryoye Freundschaftsgruppe hat sie die Konferenz im Bundeshaus in Bern am 17. September organisiert. Die Veranstaltung brachte Schweizer Parlamentarier:innen, Führungspersönlichkeiten verschiedener Parteien sowie prominente Suryoye (aramäisch-assyrisch-chaldäische) und Schweizer Persönlichkeiten zusammen.
Wermuth: Die Geschichte wiederholt sich
In seiner Eröffnungsrede sagte Cédric Wermuth, Ko-Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP), dass in Konflikten zwischen Großmächten immer die schutzbedürftigen Völker am stärksten „unter die Räder kommen“. Er fügte hinzu: „Die Geschichte wiederholt sich nicht genau, aber sie kehrt in seltsam gereimter Form zurück. Die Anerkennung von 1915 ist nicht nur eine Frage des Respekts gegenüber der Vergangenheit, sondern auch eine Pflicht zum Schutz der Rechte der heute lebenden Völker.“
Korkmaz: Völkermord ist nicht nur Vergangenheit, sondern auch Gegenwart
Der Hauptredner der Konferenz war Dr. Toros Korkmaz, der an der Universität Zürich zum Thema „Construction of a public Armenian identity in Turkey“ promovierte. Er wies darauf hin, dass nicht-muslimische Menschen während der osmanischen Ära jahrhundertelang zum Status von Dhimmi, also Bürger:innen zweiter Klasse, verdammt waren.
Die Massaker von 1915 seien durch Propaganda, die sie als „Verräter“ brandmarkte, legitimiert worden. Korkmaz sagte: „Sayfo ist nicht nur eine Katastrophe der Vergangenheit, sondern eine Wunde, die bis in die Gegenwart hineinreicht. Da die Türkei sich dieser Realität noch immer nicht gestellt hat, werden Minderheiten nicht als gleichberechtigte Bürger angesehen.“
Sagur: Die Schweiz muss für die Menschenwürde eintreten
Lukas Sagur sprach im Namen der ESU und hob hervor, dass die Anerkennung von Sayfo durch die Schweiz sowohl eine historische Verantwortung als auch eine Notwendigkeit für die Verteidigung der Menschenrechte in der heutigen Zeit sei.
Asmar: Der Völkermord prägt unsere Gegenwart
Lukas Reimann, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), sagte: „Man kann sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Die Anerkennung des Völkermords bedeutet, die heutige Demokratie und die Gleichheit der Völker zu verteidigen.“ Er erklärte vorsichtig, dass die Schweiz bisher nur kleine, jedoch noch keine „konkreten und endgültigen Schritte“ zur Anerkennung, zum Schutz und zur Unterstützung der betroffenen Minderheiten unternommen habe. Diese Haltung löste eine Debatte im Saal aus. Die Nationalrätin Sibel Arslan betonte die Notwendigkeit einer klareren Haltung.
In seiner Abschlussrede unterstrich Pater Huroyo Kerim Asmar, dass das, was 1915 geschah, nicht nur eine Tragödie der Vergangenheit sei, sondern etwas, das das Leben der Menschen bis heute beeinflusst. Er sagte: „Völkermord ist nicht nur ein Wort aus der Geschichte, sondern eine Realität, die unsere Gegenwart prägt. Wir rufen die Völker der Welt auf, sich dieser Wahrheit zu stellen.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/stille-zeugen-des-sayfo-45973 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/15-juni-gedenktag-an-den-genozid-an-den-suryoye-19788 https://deutsch.anf-news.com/kultur/kirchen-und-kloster-im-tur-abdin-auf-unesco-tentativliste-25989
Europarat fordert erneut die sofortige Freilassung von Demirtaş
Bei seiner vierteljährlichen Tagung zu Menschenrechten vom 15. bis zum 17. September hat das Ministerkomitee des Europarats auch die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überprüft. Auch der Fall Selahattin Demirtaş (Nr. 2) und damit zusammenhängende Fälle wurden kontrolliert.
Unter Hinweis auf die Entscheidungen des EGMR stellte der Ausschuss fest, dass Demirtaş und andere gewählte Parlamentsmitglieder, insbesondere aus dem sogenannten „Kobanê-Verfahren“, ohne ausreichende Beweise inhaftiert worden seien, dass diese Inhaftierungen politisch motiviert gewesen seien und gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und politische Vertretung verstoßen hätten.
Entscheidungen
Das türkische Verfassungsgericht hätte es bislang versäumt, seiner Zuständigkeit nachzukommen, die Situation und Beschwerden der Beschwerdeführenden auf Grundlage der Feststellungen des EGMR zu überprüfen. Über diesen Zustand äußerte der Ausschuss seine „große Besorgnis“
Auch verwies das Ministerkomitee auf die am 25. Juni dieses Jahres veröffentlichte Urteilsbegründung im Kobanê-Prozess und bekräftigte seine Aufforderung, „unverzüglich eine englische Übersetzung der relevanten Teile der Begründung des Schwurgerichts zusammen mit der Analyse der Behörden vorzulegen, damit der Ausschuss beurteilen kann, wie sich das Urteil auf die erforderlichen individuellen Maßnahmen auswirkt“.
Ministerkomitee „ermahnt die Behörden“
Angesichts der konkreten Rechtslage, sei die fortgesetzte Untersuchungshaft der Beschwerdeführenden als „Verlängerung der Verletzung ihrer Rechte“ zu bewerten und als Verstoß gegen die Verpflichtung der Türkei zur Umsetzung der EGMR-Urteile. Das Ministerkomitee „ermahnte die Behörden erneut, die sofortige Freilassung der Beschwerdeführer sicherzustellen, beispielsweise durch die Prüfung alternativer Maßnahmen zur Inhaftierung bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem regionalen Berufungsgericht“.
Ausschuss fordert Freispruch
In der Rechtssache Yüksekdağ Şenoğlu forderte der Ausschuss die Übermittlung aktueller Informationen bezüglich des Strafverfahrens und unterstrich, dass mangels neuer Beweise die Umsetzung des bisherigen EGMR-Urteils und somit der Freispruch der Beschwerdeführenden erforderlich sei.
Ministerkomitee sieht gravierendes Demokratiedefizit der Türkei
Den Feststellungen des EGMR folgend, hielt das Ministerkomitee die Inhaftierungen in den überprüften Fällen für Mittel des türkischen Staates, um „den Pluralismus zu unterdrücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken“. Insbesondere mangele es an „Garantien zum Schutz und zur Achtung gewählter Vertreter:innen der Oppositionsparteien vor ungerechtfertigten Strafverfolgungen und Haftbefehlen“. Dass die Türkei trotz bestehender Urteile weiterhin keine zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz der Meinungsfreiheit für erforderlich halte, bedauerte der Ausschuss.
„Die Zahl der Untersuchungsberichte, die von Staatsanwaltschaften mit Anträgen auf Aufhebung der Immunität von Parlamentarier:innen dem Parlament vorgelegt werden“ seien nach Kenntnis des Ministerkomitees nach wie vor sehr hoch, „was zusammen mit den jüngsten Medienberichten über die Inhaftierung zahlreicher gewählter Bürgermeister darauf hindeutet, dass das vom Gerichtshof hervorgehobene Problem weiterhin besteht“. Mit anderen Worten attestierte das Ministerkomitee des Europarats dem türkischen Staat ein gravierendes Demokratiedefizit.
Schulungen für die Judikative und Einbeziehung der Parlamentskommission
Dementsprechend bekräftigte der Ausschuss seine Forderung nach konkreten Maßnahmen, die die Demokratie und insbesondere gewählte Vertreter:innen der Opposition tatsächlich schützen. Hierzu schlug er explizit die Sensibilisierung und interne Schulung von Staatsanwaltschaften und Richter:innen zu diesem Thema vor. Auch solle die „Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie“ und der aktuelle Friedensprozess, in der Entscheidung als „Initiative ‚terrorfreie Türkei‘“ aufgeführt, genutzt werden, „um Fortschritte bei der Umsetzung der individuellen und allgemeinen Maßnahmen der vorliegenden Fallgruppe zu erzielen“.
Das Ministerkomitee des Europarats entschied, die Umsetzung individueller Maßnahmen in dieser Fallgruppe im Dezember 2025 erneut zu überprüfen und die der allgemeinen im März 2026.
Diese Meldung wurde aktualisiert.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/europarat-fordert-freilassung-von-demirtas-und-yuksekdag-37808 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/egmr-verurteilt-turkei-erneut-wegen-inhaftierung-von-selahattin-demirtas-46995 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/urteilsbegrundung-im-kobane-prozess-lost-berufungsverfahren-aus-46833
Mîrxan Karker: Das Wesen des Islam ist gemeinschaftlich
Mîrxan Karker vom Komitee für Völker und Religionen der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) bewertete im Gespräch mit ANF die gemeinschaftlichen und sozialen Aspekte des Islam. Er wies darauf hin, dass Abdullah Öcalan die Idee der Kommunen wiederbelebt habe, und argumentierte, dass der erste Krieg in der Geschichte nicht zwischen Klassen, sondern zwischen der Kommune und dem Staat stattgefunden habe.
Unter Hinweis auf die Charta von Medina sagte Karker, dass nach der Etablierung der Macht der Staaten die Umayyaden, Abbasiden und das Osmanische Sultanat entstanden seien und diese Charta ad acta gelegt worden sei. Karker betrachtet den Propheten Mohammed als eine Art Kommunarden seiner Zeit und sagte: „Er ist der größte Revolutionär, aber seine Revolution wurde nicht fortgesetzt. Die Grundlage des demokratischen Islam ist die Kommune.“
Eine starre Auslegung des Islam
Trotz der kommunalen Seite des Islam stellte Karker fest, dass einige orientalistische Kreise den Islam in Bezug auf Frauen, Menschenrechte und Weltanschauung starr auslegen und ihn als Hindernis für die Demokratie betrachten. Er argumentierte, dass die Vereinigten Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen neuen Feind brauchten, weshalb der radikale Islam im Nahen Osten in den Vordergrund gerückt wurde und sich das System auf dieser Grundlage aufrechterhalten konnte.
Karker zitierte Dschihadisten wie Sayyid Qutb [Sayyid Qutb war in den 1950er Jahren Urheber einer Radikalisierung, indem er strengere Grundsätze in der Ideologie der Muslimbruderschaft entwickelte, Anm. d. Red.], die selektiv Koranverse verwendeten, um zu argumentieren, dass „diejenigen, die Gottes Gebot nicht befolgen, Ungläubige sind, Demokratie auf diese Weise nicht erreicht werden kann und dass ein Kalifat oder eine Diktatur notwendig ist“.
Er wies jedoch darauf hin, dass Gelehrte dieses Jahrhunderts islamische Begriffe entwickelten, die mit der Demokratie vereinbar sind, indem sie sagten, dass bestehende Gebote zwischen Gott und Individuum bestehen, während Demokratie zwischen Individuen möglich ist.
Umayyaden, Abbasiden, Osmanen
Karker erinnerte daran, dass kurdische Gelehrte Mohammed sowohl vor als auch nach seiner Prophezeiung als sündenfrei betrachteten, und erklärte: „Das ist nicht falsch. Der Glaube baut auf einer solchen Kultur auf. Auch in den Hadithen gibt es Beispiele dafür. Dies zeigt die demokratische und gemeinschaftliche Seite Mohammeds. Er sagte: ‚Lasst uns die Unterdrückten vor den Unterdrückern schützen‘, und die Tapferen der Region kamen zusammen und unterzeichneten eine Charta.
In dieser Charta sagten sie: ‚Wir werden vereint stehen, bis die Unterdrückten ihre Rechte erhalten, und wir werden für Gleichheit in der Wirtschaft sorgen.‘ Öcalan schätzt die Charta von Medina in besonderem Maße. In dieser Charta definierte Mohammed jüdische und muslimische Gläubige als eine Umma [hier im koranischen Sinne als Wertegemeinschaft gemeint, Anm. d. Red.]. Das ist sehr wichtig. Später kamen Staaten an die Macht, die Umayyaden, Abbasiden und Osmanen. Sie legten diese Charta ad acta.“
Fortsetzung des historischen Konflikts
Bald darauf begannen die jüdisch-arabischen Kriege. Der jüdische Stamm der Banu Quraiza wurde einem Völkermord unterworfen. Die Jüd:innen wurden aus Chaibar vertrieben. Karker brachte den heutigen Krieg in Gaza mit diesen historischen Konflikten in Verbindung. „Deshalb hat Öcalan das Paradigma der demokratischen Nation gegen die Mentalität des Nationalstaates vorgebracht“, sagte er und wies darauf hin, dass Öcalan auch Einschätzungen zu den jüngsten Abraham-Abkommen abgegeben habe. „Heute haben Nationalstaaten und radikale Islamisten Palästina in Brand gesetzt und dem palästinensischen Volk den Rücken gekehrt.“
[Als Abraham-Abkommen wird ein multilaterales Abkommen bezeichnet, das am 15. September 2020 von mehr als 15 Staaten unterzeichnet wurde. Es soll die Dialogbereitschaft und Zusammenarbeit zwischen den Unterzeichnerstaaten (insbesondere Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate) fördern und zwischen ihnen noch bestehende Aversionen beenden. Federführend bei die Aushandlung waren die Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Anm. d. Red.]
Diejenigen entlarven, die Religion missbrauchen
Karker betonte, dass bewusste Gelehrte Öcalans Bewertungen studieren und diejenigen entlarven müssen, die den wahren Islam missbrauchen: „Sie nutzen alles für ihre eigenen Interessen und werfen unschuldige Menschen ins Feuer. Doch die Charta von Medina sah jüdische und muslimische Gläubige als eine Umma. Öcalan interpretiert dies mit dem Konzept der demokratischen Nation. Er sagt: ‚Wenn die Gesellschaft sich nicht gegenseitig anerkennt, wird dieses Feuer nicht gelöscht werden.‘ Diese Philosophien und Ideen müssen sich in der Gesellschaft verbreiten.“
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/demokratischer-islam-religion-gegen-macht-krieg-und-unterdruckung-40186 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/kjk-demokratische-nation-als-losung-fur-israel-und-palastina-47707 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/das-rojava-modell-ein-alternatives-system-gegen-den-politischen-islam-45854 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/neun-vertreter-von-demokratischen-religionsverbanden-inhaftiert-27217
Vertritt Al-Scharaa das syrische Volk?
Nach dem Ende der Baath-Herrschaft in Syrien hat sich an den Lebensbedingungen der Menschen nichts wirklich geändert. Die „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS), die die Baath abgelöst hat, machte sich daran, ein System aufzubauen, das noch rückständiger ist als das Einparteiensystem der Baath. Sie behaupteten, sie würden den Staat wieder aufbauen, aber jeder Schritt, den sie unternahmen, war einseitig. Sie schlossen alle Parteien, politischen Akteur:innen und sozialen Gruppen außer sich selbst von diesem Prozess aus.
Die derzeitige Regierung wurde vollständig von der HTS ernannt. Seit dem Machtwechsel sind Monate vergangen, und dieser Prozess war geprägt von den Massakern der HTS. Anstatt nach dem Massaker an den Alawit:innen inne zu halten und Maßnahmen zu ergreifen, wandten sie ähnliche Strategien gegen die Drus:innen an.
Der Westen interessiert sich nicht für die Syrer:innen
Die westlichen Mächte erkannten Ahmed Al-Scharaa als Präsidenten Syriens an und akzeptierten die von ihm eingesetzte Regierung. Obwohl sie Bedenken und Vorbehalte hatten, erklärten sie, dass sie mit der HTS weitermachen würden, da es keine Alternative gäbe. Anstatt jedoch die Lage der Bevölkerung zu berücksichtigen, stellten sie ihre eigenen Interessen in den Vordergrund und konzentrierten sich auf die Schaffung politischer Gleichgewichte.
HTS behauptet, die Einheit Syriens zu schützen. Die stärksten Einheiten basieren jedoch auf Freiwilligkeit und der Zustimmung der Bevölkerung. Die HTS verfolgt dies jedoch mit Zwang, indem sie alle zur Unterwerfung zwingt und ihre Vorherrschaft etabliert. Anstelle von Einheit vertieft sie somit Angst, Furcht und Misstrauen.
Gewalt und Ausschluss statt Einheit
Die Drus:innen sind nun viel weiter von Damaskus entfernt als zuvor. Die Alawit:innen leben in einem Umfeld tiefer Unsicherheit und Angst. Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) war bereit, sich am Aufbau eines demokratischen Syriens zu beteiligen und ihre demokratischen Erfahrungen zu teilen, aber auch sie wurde ausgeschlossen.
Damaskus schloss sich der türkischen Rhetorik an und bezeichnete die Völker dieser Regionen weiterhin als „Separatisten“ und nahm sie ins Visier. Länder wie die USA und Frankreich intervenierten als Vermittler, um die Seiten zu versöhnen, aber diese Initiativen wurden von der Türkei blockiert. Anstatt das syrische Volk zu vereinen und einen Kompromiss mit den verschiedenen Kräften anzustreben, bestand HTS darauf, sich durchzusetzen und seinen eigenen Weg zu gehen.
Keine demokratische Wahl
Es wurde bekannt gegeben, dass Ahmed al-Scharaa an der UN-Generalversammlung teilnehmen wird. Er wird dort im Namen des syrischen Staates sprechen. Doch es wird kaum beachtet, welche Art von Syrien hinter ihm steht. Um seine Regierung als legitim darzustellen, wird er das Thema Wahlen ansprechen und versuchen, sich selbst zu vermarkten, indem er sagt: „Wir haben Wahlen abgehalten, unsere Situation ist normal wie in anderen Staaten.“ In Wirklichkeit gibt es jedoch keine solchen Wahlen.
Nirgendwo auf der Welt finden solche Wahlen statt; vielleicht gab es solche Praktiken zu Beginn des letzten Jahrhunderts, aber heute nicht mehr. Menschen als „Parlamentsmitglieder“ zu bezeichnen, während ein Drittel von ihnen direkt ernannt wird – das sind keine Vertreter des Volkes, sondern Beamte von Al-Scharaa. Auch die übrigen werden nicht vom Volk gewählt, sondern von Kommissionen ausgewählt, die von HTS ernannt werden. (Und es ist nicht einmal sicher, dass eine solche zweifelhafte Wahl tatsächlich stattfinden wird.)
Politische Parteien und verschiedene Organisationen in Syrien können nicht an den Wahlen teilnehmen. Es gibt kein Wahlgesetz und keinen Wettbewerb. Dies als „Wahl“ zu bezeichnen, ist unmöglich. Dennoch hatte die UNO mit der Resolution 2254 bereits eine Wahl und eine politische Lösung in Syrien unter Beteiligung aller Parteien gefordert. Nun wird diese Resolution ignoriert.
HTS kann keine Einheit erschaffen
Wie man sieht, hat sich Syrien weder erholt noch hat es Einheit erreicht. HTS hat weder die Mentalität noch die Praxis dafür. Sie hat sich nicht gegen die militärische Präsenz der Türkei in Syrien oder deren freie Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens gewehrt oder ist dagegen vorgegangen. Durch die Unterdrückung der Drus:innen zwang sie diese zur Flucht nach Israel. Sie versucht auch, die Autonome Region, die einen wichtigen Teil Syriens ausmacht, durch Druck zu unterwerfen, und für den Fall des Scheiterns, bereitet sie einen Angriff vor. In dieser Frage arbeitet sie in voller Übereinstimmung mit der Türkei.
Die Autonome Verwaltung hat ihre Türen für alle Gespräche und Bemühungen um Einheit und eine Lösung für Syrien offen gehalten. Sie hat keinen Vorschlag abgelehnt und war stets bereit, praktische Schritte zu unternehmen. Die Übergangsregierung in Damaskus hat jedoch bis heute keine konkreten Schritte unternommen. Stattdessen hat sie die Autonome Verwaltung beschuldigt, sie habe sich nicht an das Abkommen vom 10. März gehalten.
Wie glaubwürdig ist Al-Scharaa?
Das Abkommen enthält jedoch Bestimmungen zur Einrichtung eines Verhandlungsausschusses und zur Erzielung eines Konsenses über die Vereinigung zwischen den Parteien. Wenn die Autonome Region lediglich ihre militärischen, administrativen und politischen Strukturen an HTS übergeben soll, wozu braucht man dann ein Abkommen oder Verhandlungsausschüsse? Darüber hinaus enthält das Abkommen Klauseln, die die Rechte der Kurd:innen in der Verfassung garantieren. Ahmed al-Scharaa selbst hat dies unterzeichnet. In der später verkündeten Übergangsverfassung waren jedoch keine solchen Artikel oder Garantien enthalten.
Jetzt verbreiten sie weltweit die Propaganda, dass „die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) und die Autonome Verwaltung sich nicht an das Abkommen halten“. Es ist also klar, dass ihre Unterschrift nichts weiter als ein Trick war, um Zeit zu gewinnen und zu täuschen.
Vertritt Al-Scharaa das syrische Volk?
Al-Scharaa erklärt: „Die QSD repräsentieren nicht alle Kurden.“ Dann muss man fragen: Repräsentiert Al-Scharaa alle Menschen in Syrien? Wenn jetzt freie Wahlen stattfinden würden, wie viel Prozent der Stimmen würde er erhalten? Es ist sicher, dass die QSD das Volk in viel größerem Maße repräsentieren als Al-Scharaa.
Das ist nicht die Sprache der Lösung oder Versöhnung. Ausgrenzung und Marginalisierung tragen nicht zur Lösung bei. Die Völker Syriens wollen in einem friedlichen und demokratischen Umfeld zusammenleben. Die Lösung liegt nicht in Krieg und Ausgrenzung, sondern in der Einheit.
https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/dezentralisierung-als-syriens-regierungsmodell-der-zukunft-47986 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/versohnung-ohne-beteiligung-syrien-stellt-plan-fur-suweida-vor-47984 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/msd-syrien-darf-nicht-zum-alten-system-zuruckkehren-47948 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/dialog-ja-unterordnung-nein-foza-yusif-uber-verhandlungen-mit-damaskus-47674 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/nord-und-ostsyrien-konferenz-beschliesst-gemeinsamen-politischen-kurs-47455
Free Kenan: Nikosia, die letzte geteilte Stadt Europas
Kenan Ayaz war im März 2023 auf Betreiben deutscher Behörden in Larnaka (Zypern) festgenommen und drei Monate später an Deutschland ausgeliefert worden. Im September 2024 verurteilte ihn das Oberlandesgericht Hamburg wegen angeblicher Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu vier Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Ihm wurden keine individuellen Straftaten vorgeworfen. Menschenrechtsorganisationen und seine Verteidigung kritisierten das Verfahren als politisch motiviert.
Ein Jahr später wurde der politische Gefangene nun nach Zypern überstellt. Vertreter:innen der Solidaritätsgruppe #FreeKenan sind in Nikosia auf Zypern eingetroffen, um sich ein Bild von Ayaz’ Situation zu machen.
Überstellung war wichtiger Schritt
Die Beobachtungsstelle Kenanwatch hatte nach der Überstellung erklärt, man nehme die jüngsten Entwicklungen im Verfahren mit Zufriedenheit zur Kenntnis. „Wir müssen dem Justizminister Anerkennung zollen für seine koordinierten und wirksamen Maßnahmen, dank derer die Verpflichtung zur Überstellung von Kenan zur Verbüßung seiner Strafe in Zypern umgesetzt wird“, hieß es in einer Erklärung.
Diese Entwicklung stelle einen entscheidenden Schritt dar, um sicherzustellen, dass Kenan die menschenwürdige und respektvolle Behandlung erhalte, die ihm gemäß den Verpflichtungen der Republik Zypern zustehe. Viele Menschen in Zypern, die Zivilgesellschaft, Organisationen und Kollektive sowie einfache Bürger:innen hätten konsequent auf Kenan Ayaz’ Seite gestanden.
Treffen mit zyprischem Anwalt
Kenan Ayaz zyprischer Anwalt Efstathios Efstathiou erklärte gegenüber den Besucher:innen: „Wir sind im Kontakt mit dem Gefängnis und dem Justizministerium, wir setzen uns dafür ein, dass Kenan Ayaz alle Rechte, die ihm als Gefangenem zustehen auch erhalten wird. Hierbei sind die Nelson Mandela Rules unser Leitfaden.“ Die Nelson-Mandela-Regeln sind die von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 verabschiedeten, revidierten UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen. Sie stellen einen globalen Leitfaden dar, der 122 Mindeststandards für eine menschenwürdige Haft und eine sichere Gefängnisverwaltung festlegt.
Besuch im Gefängnis geplant
Freund:innen, Familienmitglieder und verschiedene Institutionen und Organisationen, darunter Mitglieder der grünen und der sozialistischen Partei wollen Kenan Ayaz nun unter den neuen Bedingungen auf Zypern besuchen.
Nikosia, die letzte geteilte Stadt Europas
Gestern konnten sich die Besucher:innen ein Bild von der geteilten Stadt Nikosia machen, deren nördlicher Teil von der Türkei besetzt ist. Die von großer Grausamkeit begleitete türkische Invasion Zyperns am 20. Juli 1974 ist die Ursache für die bis heute andauernde Besetzung Nordzyperns durch die Türkei und die Teilung der Insel. Die Invasion führte zur Besetzung von etwa 37 % des Inselterritoriums und zur Vertreibung von Hunderttausenden griechischen Zypriot:innen in den Süden. Mehr als 1.500 griechische Zyprer:innen gelten bis heute als vermisst.
Der Norden ist seitdem als international nicht anerkannte Türkische Republik Nordzypern faktisch besetzt, während der Süden die international anerkannte Republik Zypern darstellt. „Die Situation ist dieselbe wie in Qamişlo und Nisêbîn“, so eine Besucherin, „der türkische Staat hat den Norden der Stadt besetzt, während der Süden zum freien Rojava gehört.“
Ungebrochene Solidarität
In Zypern sei der Fall Kenan Ayaz sehr bekannt, erklärte Rechtsanwalt Efstathios Efstathiou. Die Solidarität mit der kurdischen Bevölkerung sei aufgrund der eigenen Besatzungserfahrung sehr groß und man werde weiterhin den Kampf für die Freiheit Zyperns und Kurdistans sowie für die Durchsetzung der Rechte aller Menschen unterstützen.
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