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Aktualisiert: vor 33 Minuten 38 Sekunden

«Die große Friedenszeit ist vorbei»

23. September 2025 - 0:13

In Deutschland scheint es unmöglich, sachlich über die Hintergründe und Zusammenhänge des Krieges in der Ukraine zu schreiben. Es gibt Ausnahmen wie das kürzlich veröffentlichte Buch «Mit Russland», aber selbst diese Ausnahmen werden politisch und massenmedial bekämpft.

«Russlandversteher» ist dabei einer der verwendeten Kampfbegriffe. Als ob das Verstehen von etwas schlecht wäre – es ist nur hinderlich bei der unkritischen Aufnahme von Propaganda wie der gegenwärtigen gegen Russland. Das führt dazu, dass ein tatsächlicher Russlandversteher wie Alexander Rahr, jahrzehntelang bei Politik und Medien gefragter Berater in Sachen Russland, schon seit Jahren kein Sachbuch mehr zum Thema geschrieben hat.

Er hat über Wladimir Putin ebenso wie über Russlands Wirtschaft geschrieben, über die Rückkehr des Landes auf die Weltbühne wie über die Versuche des Präsidenten, es mit Europa zu verbinden. Doch Letzteres ist spätestens seit 2008 von den führenden Kräften in Deutschland und damit der Europäischen Union (EU) nicht mehr gewollt – der Konflikt um die Ukraine und der Stellvertreterkrieg auf deren Territorium gegen Russland haben diese Situation weiter zugespitzt.


Alexander Rahr im Gespräch mit Patrik Baab (links) bei der Buchvorstellung am 17. September in Berlin (alle Fotos: Tilo Gräser)

Für den Russland-Versteher und -Erklärer Rahr bedeutete das, zunehmend ins mediale und politische Abseits geschoben zu werden. Es dürfte für ihn sehr schmerzhaft sein, nach all den Jahren im Kontakt mit Mächtigen und Entscheidern auf höchster Ebene, nach all den mitgestalteten Netzwerken zwischen West und Ost sowie dem Einfluss auch in konkreten Fällen, wie der Begnadigung des in Russland inhaftierten Oligarchen Michail Chodorkowski.

Ihn hat aber auch der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 «geschockt» und verstummen lassen, wie er am Mittwoch (17. September) in Berlin eingestand. Er hat die Zeit zum Nachdenken genutzt – und zum Schreiben eines neuen Buches: «Das Goldene Tor von Kiew». Zuletzt hatte er 2021 in dem Buch «Anmaßung» erklärt, «wie Deutschland sein Ansehen bei den Russen verspielt», wie es im Untertitel heißt.

Realität verpackt in Fiktion

In seinem neusten Werk versucht er zu erklären, wie es zu dem Krieg in der Ukraine gekommen ist und welche Folgen dieser haben kann. Das macht Rahr, wie schon in dem 2018 erschienen Buch «2054 –Putin decodiert», in Form eines fiktiven Politthrillers.

Bereits dieses Buch hatte er vor sieben Jahren selbst als «Schrei eines Verzweifelten» bezeichnet. Als solchen habe er sich seit 2013 empfunden, «als vor unseren Augen plötzlich der neue Kalte Krieg begann», erklärte er damals. Der Westen und Russland hätten sich mit neuen Narrativen, also sinnstiftenden Erzählungen, voneinander entfernt und so statt Kooperation eine neue Konfrontation begonnen.

Aus dieser ist nun ein Stellvertreterkrieg auf ukrainischem Boden geworden und die Verzweiflung Rahrs hat nicht abgenommen. Sein neues Buch kann als neuer «Schrei» gelesen werden, als Versuch, die Entwicklung hinter den Ereignissen zu erkennen und zu beschreiben. Als Versuch, zu erfassen, welche Kräfte den Konflikt um die Ukraine zum Krieg werden ließen.

Wie in dem Vorgängerbuch von 2018, dessen Fortsetzung das neue ist, verpackt der Autor als Historiker und Politologe Fakten, eigene Kenntnisse und Erfahrungen sowie tatsächliche Geschehnisse in die fiktiven Erlebnisse und Beobachtungen des Georgi Vetrov. Beim ersten Buch lag nach seinen Aussagen der Faktenanteil bei 85 Prozent. Wie groß er nun ist, verriet er bei der Buchvorstellung leider nicht.

Er dürfte aber ebenfalls recht hoch sein, was sich auch daran zeigte, dass Rahr auf die Fragen zu den aktuellen Bezügen der beiden Moderatoren, Karin von Bismarck vom veranstaltenden Verein WCR und Patrik Baab, wiederholt betonte, er habe das Buch als Literat geschrieben. Um dann aber doch als Politologe zu antworten und deutlich zu machen, wie sehr die Gegenwart die Grundlage für seine literarische Reise durch die Jahrhunderte ist.

Anregungen und Einflüsse

Er verriet, dass er sein neues Buch geschrieben hat, indem er sich auf drei andere Bücher stützte und von diesen wichtige Anregungen und Motive aufgegriffen hat: «Die Nacht von Lissabon» von Erich Maria Remarque (1962), «Die Dämonen» von Fjodor Dostojewski (1873) und «Der heilige Gral und seine Erben» von Henry Lincoln, Michael Baigent und Richard Leigh (1982). Von Erstem habe er die Idee eines langen Gesprächs eines Journalisten mit einem russischen General während einer Schiffsreise übernommen.

Beide sprechen in Rahrs Buch ausführlich über die Hintergründe und die Bedeutung des Ukraine-Konflikts. Von dem Werk Dostojewskis übernahm der Autor nach eigener Aussage «die ganze Dramatik der Entwicklung der Weltpolitik, vor allen Dingen in Russland». Es sei ein sehr «prophetisches Werk», das viele Geschehnisse, die sich erst nach seinem Erscheinen ereigneten, vorausbeschrieben habe.

Von dem Buch der drei britischen Autoren über die Geschichte des «Heiligen Grals» und des Ordens der Tempelritter griff Rahr vor allem die Elemente der Spannung auf, einschließlich der Rolle der Geheimdienste. Aus allen drei Büchern seien wichtige Elemente in sein neues Werk eingeflossen, erklärte er:

«Sie werden ‹die Dämonen› von Dostojewski in dem Buch erleben. Sie werden die ‹Nacht von Lissabon› erleben. Eine spannende Nacht, wo Sie wahrscheinlich viel über die Ukraine-Krise, auch Insider-Wissen von Menschen erfahren werden, die Sie bisher nicht kannten. Und Sie werden auch in die Geheimnisse der Geheimdienste eingeführt werden, die eigentlich in vielerlei Hinsicht doch gerade jetzt in dieser schwierigen Zeit eine Rolle spielen.»

In Berlin las er mehrere Passagen aus dem Buch und beantwortete Fragen der beiden Moderatoren. Diese wollten von ihm immer wieder wissen, was die literarische Geschichte mit der Realität zu tun habe. Rahr betonte, es handele sich um ein literarisches Werk, um dann doch als Politologe und Historiker zu antworten.

Das Ende der Friedenszeit

So erklärte er auf eine Frage von Moderator Baab, ob in der Ostukraine der (west)europäische Moralismus in einem Kulturkampf gestoppt worden sei und der Konflikt in der Ukraine nur «ein kleines Mosaikstück dessen» sei, «was in der Welt, in der wir leben, noch ganz anders uns überraschen und terrorisieren wird»:

«Die große Friedenszeit ist vorbei, leider. Das ist meine These und meine Überzeugung. Und jetzt müssen wir uns alle als geistig motivierte Menschen versuchen, in der neuen Welt zurechtzufinden. Und aus meiner Sicht geht es nur um einen neuen Versuch eines Zusammenlebens mit anderen Nationen, mit anderen Kulturen, mit anderen Zivilisationen.»

In seinem Buch gibt er auch einen, wenn auch fiktiven, aber auf seinen persönlichen Erfahrungen und Kontakten beruhenden Einblick in das Denken und Handeln des russischen Präsidenten Putin sowie in das Machtgefüge im Kreml. Inwieweit die damit verbundene Beschreibung der Motive der handelnden Personen mehr ist als die berüchtigte «Kreml-Astrologie», wie sie im Westen üblich ist, bleibt herauszufinden.


von links: Patrik Baab, Alexander Rahr und Karin von Bismarck

Zumindest lag Rahr mit seinen Analysen und Büchern über Russland und Putin in den vergangenen Jahrzehnten oft richtig und schätzte auch bestimmte grundlegende Entwicklungslinien richtig ein. Das gilt auch für seine Einschätzung der westlichen Arroganz gegenüber Russland und dessen Sicherheitsinteressen, eine der Ursachen für die aktuelle Situation.

Er wolle vor allem den Lesern im Westen klar machen, «dass das alles kein Spiel ist», erklärte er in Berlin. Russland und dessen Präsident würden es ernst meinen mit der Verteidigung der eigenen Sicherheitsinteressen. Das habe Putin bereits 2007 in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz klargemacht.

Die große Unterschätzung

Russland sei nach dem Untergang der Sowjetunion beiseite geschoben worden und seine Vorschläge für ein gemeinsames Europa von Wladiwostok bis nach Lissabon seien ignoriert worden. Das habe nicht nur das Verständnis Moskaus als Großmacht betroffen. Der Westen habe Russland unterschätzt, stellte der Autor fest.

«Die Russen sahen sich als vollwertige Mitglieder eines Europas, in dem sie seit 500 Jahren Vollmitglied waren, wenn man so will, und die europäische Politik mitbestimmen konnten. Aber das funktionierte nicht mehr, wegen der Wertepolitik, wegen der Geopolitik, wegen der NATO, wegen vielem anderem. Das ist eigentlich die Quintessenz, was ich sagen will mit diesen Dialogen. Und rausgekommen ist Krieg.»

Den Weg dahin beschreibt Rahr mit Hilfe seines neuen Politthrillers, der auch Elemente des Buches «2054 – Putin decodiert» aufgreift und fortführt. Wie sein Vorgänger kann das neue Werk helfen, zu verstehen, wie es so weit kommen konnte. In diesem gibt der Autor am Ende einen Ausblick in das Jahr 2054:

«Die alte Welt, die vor drei Jahrzehnten noch die gesamte Welt belehrte, ist in Chaos und Nihilismus untergegangen, und die attischen Ideale von Ordnung und Vernunft haben sich in den Staub der Geschichte verwandelt.»

Bei der Buchvorstellung zeigte er sich zumindest optimistisch, dass es für Europa eine Alternative zum Weg in den eigenen Untergang geben könnte:

«Wir müssen raus aus der Irrationalität, aus diesem Schlafwandel, aus unseren absoluten, falschen Vorstellungen, Illusionen, der werteorientierten Außenpolitik, die unsere ehemalige Außenministerin verkörpert hat und die jetzt die Union verkörpern will.»

Europas Zukunft als Museum

«Im besten Fall» werde Europa «von den anderen überholt und zur Seite gedrängt, von den Chinesen, Indern, von den BRICS-Staaten, von Russland und von den Vereinigten Staaten von Amerika». Dann werde der europäische Kontinent «zu einem schönen Museum, wo dann Chinesen und Russen und Amerikaner und Araber kommen werden, uns anschauen und sagen werden: Wie schön war dieses Europa. 300 Jahre lang hat es die Welt regiert. Es hat so eine tolle Architektur und hat da so gute Ideen herausgebracht. Aber heute ist es marginalisiert.»

Rahr hofft noch darauf, dass die Politiker in Deutschland und der EU wieder zur Vernunft kommen. Es würde dem eigenen Land gut zu Gesicht stehen, die Realität anzuerkennen, statt im alten Denken des Kalten Krieges neue Konfrontationen hervorzurufen, sagte er.

Vor den Folgen dieser falschen Politik warnt er mit seinem neuen Buch – nicht weniger und nicht mehr. Weil es hierzulande immer schwieriger und zunehmend unmöglich wird, offen zu reden und zu diskutieren, hat er die Form des Politthrillers gewählt. Das schadet zumindest dem Buch nicht, wie auch schon bei dessen Vorgänger.

Das sah er vor sieben Jahren als «Kompass für die schwierige Welt» und hoffte, dass es ein breites Publikum erreicht, welches sich für andere Sichtweisen interessiert, und dass das Buch zu einem Dialog beiträgt. Das ist dem neuen Buch auch zu wünschen – und dem Autor, dass er die neuzeitliche Inquisition gegen vernünftige und klare Denker wie ihn aushält.

Buchtipp:
Alexander Rahr: «Das Goldene Tor von Kiew»
Verlag Das Neue Berlin 2025. 432 Seiten; ISBN 978-3-360-02771-9; 30 Euro

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Warum ein Friedensprediger empfiehlt, «dass wir alle Russen werden»

23. September 2025 - 0:11

«Krieg schafft keinen Frieden, sondern nur Friedhöfe» – an diese Erkenntnis erinnerte der Kirchenkritiker und Friedensprediger Eugen Drewermann am 18. September in Berlin. Unter dem Titel «Nur durch Frieden bewahren wir uns selber» sprach er auf einer Veranstaltung des Kulturkreises Pankow über die Wege zum Frieden, ausgehend von der biblischen Bergpredigt.

«Der Krieg muss aufhören und wir müssen dagegen sein», erklärte er seinen Zuhörern im vollen Rudolf-Steiner-Haus in Berlin. Das begründete er mit Aussagen von Jesus, wie sie im Neuen Testament wiedergegeben sind, mit Beispielen aus Kriegen in Vergangenheit und Gegenwart sowie mit den Aspekten des Menschseins.

Sein Ausgangspunkt war die Bergpredigt von Jesus, von welcher aus er einen Weg ins Heute spannte, hin zu einer möglichen Antwort, wie heute Frieden möglich gemacht werden könnte. Dabei bezog er die Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik ab den 1950er Jahren ein, ebenso Aussagen von Bomberpiloten, die 1943 Hamburg und 1945 Hiroshima zerstörten, die heutige Kriegshetze nicht minder wie auch biblische und geschichtliche Erkenntnisse.


Eugen Drewermann am 18. September in Berlin (alle Fotos: Tilo Gräser)

Drewermann ging auch zurück bis zu Kain und Abel, der Geschichte vom Brudermord aus Neid, wie sie im Alten Testament wiedergegeben ist. Für den Theologen begann damit der Weg in die Gewalt des Menschen gegen den Menschen – weil Kain neidisch war auf die Anerkennung, die Abel durch Gott erfuhr. Seitdem hätten sich die Menschen als «Kainiten» durch die Geschichte bis in die Gegenwart bewegt.

Aus seiner Sicht haben sie dabei etwas Wichtiges verloren, was er als «Grundlage aller Ethik» bezeichnete: Mitleid und Respekt. Vor allem Mitleid sei das Gegenteil zur Grausamkeit und mache diese unmöglich, betonte der Theologe. Er zitierte dazu frei eine Szene aus dem Roman «Im Westen nichts Neues» von Erich Maria Remarque, in der ein deutscher Soldat in einem Schützengraben mit einem sterbenden französischen Soldaten liegt und ihn nicht mehr als «Todfeind», sondern als hilfsbedürftigen Menschen sieht.

Eindringliche Frage

Remarque, der zeigte, wie grässlich Krieg ist, stammte aus Osnabrück, wo ein Friedenszentrum nach ihm benannt ist. Drewermann erinnerte daran, dass ausgerechnet in dieser Stadt der SPD-Politiker Boris Pistorius von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister war, der nun Deutschland «kriegstüchtig» machen will.

Der Theologe erinnerte in seinem anderthalbstündigen Vortrag an die Schrecken der Kriege, an die Opfer ebenso wie an die dafür Verantwortlichen. Er verwies auch auf diejenigen wie den Piloten des US-Bombers «Enola Gay», der die Atombombe auf Hiroshima abwarf, die ihr mörderisches Tun mit dem Satz begründen: «Befehl ist Befehl.»

«Warum sind wir Menschen so?», fragte Drewermann und gab eine mögliche Antwort mit dem Hinweis auf die Erziehung hin zu Leistung, für die es Anerkennung gebe. Diese werde den Heranwachsenden nicht zuteil, weil sie sind, wie sie sind, sondern wenn sie sich leistungsbereit zeigen und «Erfolge» erringen. Das habe sich bereits im biblischen Mord Kains an Abel gezeigt.

Seitdem würden die Menschen auch aus Angst immer mörderischere Mittel erfinden, um den Anderen in Schach zu halten oder ihn gar zu bezwingen:

«Die Angst voreinander treibt uns dahin, immer gewalttätiger zu werden, abschrecken zu wollen. Jeder hat Angst vor dem Nächsten, aber er kann die Angst verschieben, indem er grausamer wird, als der grausame Gegner je sein könnte. Dann haben wir ein Gleichgewicht der Schrecken, so hat man in der ganzen Zeit des Kalten Krieges die NATO-Philosophie erläutert.»

Der Staat lasse töten und fordere die Bürger auf, etwas in seinem Auftrag zu tun, was er ihnen eigentlich verbiete, machte der Theologe die Schizophrenie des staatlichen Gewaltmonopols deutlich. Diese spalte die Gesellschaft und der Motor dieser Entwicklung sei die Angst.

«Wenn wir nicht stark sind, wenn wir uns nicht verteidigen können, wenn wir nicht schlimmer sein können als der schlimmste Gegner, den wir uns vorstellen, ist Unsicherheit, Bedrohung, Auslieferung das Ergebnis. Also brauchen wir Panzer, bessere Drohnen, bessere Raketen, bessere Bomber, Besseres endlos weiter – vom Faustkeil bis zur Wasserstoffbombe hat das nie ein Ende gefunden.»

Er zitierte unter anderem den russischen Dichter Leo Tolstoi, der festgestellt hatte, dass, wenn jemand sich groß fühlt, nur weil er im Besitz der schrecklichsten Mordgeräte ist, er nicht hoch zu achten, sondern zu verachten ist. Er erinnerte außerdem an den französischen Friedensaktivisten Jean Jaurès, der vor dem Ersten Weltkrieg gewarnt hatte und kurz vor dessen Ausbruch ermordet wurde.

Gefährliches Engagement

Immer wieder seien jene, die sich für den Frieden eingesetzt haben, getötet worden: «Es ist gefährlich, für den Frieden zu sein», stellte Drewermann fest und erinnerte an Mahatma Gandhi, an Martin Luther King und Jitzchak Rabin. Und fügte mit Blick auf die Gegenwart hinzu:

«Es gibt viele Arten, Menschen umzubringen. Wer heute für den Frieden ist, gehört abgeschafft. Irgendwie, in den Medien kann man das hinkriegen. Was für ein Idiot auch, ein Putin-Versteher, das ist das Schlimmste, was Sie sagen können.»

Er forderte seine Zuhörer auf, zu begreifen, «dass alles, was wir staatlich organisierte Geschichte nennen, spätestens seitdem sie aufgeschrieben wird», ob im antiken Sumer, im alten Ägypten, bei den Griechen und so weiter, «als eine Geschichte des um sich greifenden Wahnsinns» zu betrachten sei. Dahinter stehe: «Du kannst Angst nur bekämpfen, indem du Angst verbreitest.»

Die Erlösung aus diesem Wahn sei nur auf Grundlage der Bergpredigt von Jesus möglich, ist sich Drewermann sicher. Diese Worte, die unter anderem die Friedfertigkeit zum hohen Gut erklären, können aus seiner Sicht helfen, die Geschichte zu ändern, «damit wir Menschen werden oder bleiben», indem wir uns von der Angst befreien.

«Wir sind keine Fantasten, wir sind Realisten», betonte der Theologe dazu mit Blick auf diejenigen, die behaupten würden, mit der Bergpredigt ließe sich keine Politik machen. Eine andere Form der Gewaltvermeidung, als dem Bösen keinen Widerstand zu leisten, sei gar nicht möglich:

«Das ist die Erlösung vom Wahn, den wir Geschichte nennen.»

Wer das Böse mit Gewalt bekämpfe, werde selber böse, stellte er klar. Dann verschwinde nicht das Böse, sondern ergreife von uns selbst Besitz, warnte er und ergänzte: «Wir sind am Ende die Bösewichter.» Mit Blick auf die Gegenwart sagte Drewermann:

«Wer glaubt, dass bei einem Krieg etwas Gutes entstehen könnte, muss von Sinnen sein. Krieg ist nichts weiter als befohlener Massenmord. Alleine die Aufrüstung bringt Millionen von Menschen um, die das Geld nicht haben, sich Brot zu beschaffen. Aber die Waffenindustrie mästet sich daran.»

In seinem Plädoyer für die Gewaltfreiheit sprach er sich mehrmals gegen den «Wahn der Größe» aus, dem Staaten und Politiker anhängen:

«Ein Staat, der uns befiehlt, zu töten, ist nicht groß. Jemand, der meint, er ist nur groß mit der größten Vernichtungswaffe, als Wasserstoffbombenbesitzer, ist verachtenswert niedrig. Ein Wahnsinniger. Er gehört nicht in irgendein Parlament hinein, als Chef. Er gehört in die Psychiatrie zur Behandlung.»

Dringende Erinnerung

Der Theologe kam dabei auch auf den Krieg in der Ukraine zu sprechen und zeigte, dass ihm sehr wohl klar ist, wer für den Weg in diesen verantwortlich ist. Er erinnerte an die Warnungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin 2007 an den Westen, sein Land nicht weiter mit der NATO einzukreisen und die Ukraine nicht zum Aufmarschgebiet der NATO zu machen. Angesichts der politisch und medial entfachten Russlandfeindschaft sagte er:

«Sie dürfen nicht vergessen, dass die Russen uns selten angegriffen haben im 20. Jahrhundert. Wir zum letzten Mal haben uns aus Russland verabschiedet mit 27 Millionen toten Sowjetbürgern. Wir, die Deutschen. Daran darf man nicht denken. Wenn wir Auschwitz begehen, darf kein Russe dabei sein. Aber Auschwitz wurde befreit, nicht von den Alliierten, sondern von den Russen, bekanntlich. Darf man das noch wissen? Besser nicht.»

Drewermann wandte sich gegen eine Moral, die die Menschen wie die Welt in «gut» und «böse» einteilt. Er bedauerte, dass der Wunsch Michail Gorbatschows nach Frieden und Zusammenarbeit vom Westen ebenso ignoriert wurde. Die einstige bundesdeutsche Ostpolitik, die die Aussöhnung zwischen Deutschland und den Völkern der Sowjetunion ermöglichte, werde heute diffamiert.

«So kann Politik nicht sein, wenn sie zum Frieden führen will», sagte er über den neuen deutschen Rüstungswahn, der mit dem alten Feindbild Russland begründet wird. Und warnte:

«Das, was man sät, wird man bekommen. Mit falschen Mitteln kann man nichts Richtiges erreichen. Und die Mittel entscheiden über das Ergebnis.»

Erstaunliche Empfehlung

Mit weiteren zahlreichen Beispielen aus der Geschichte und auch aus der Bibel machte der Theologe deutlich, dass nur Friedfertigkeit zum Frieden führt, dass Frieden selbst der Weg ist, um ihn zu erreichen, wie Gandhi einst gesagt haben soll. Und er zitierte aus dem Gedicht «Dann gibt es nur eins!» von Wolfgang Borchert, der darin seine Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg zusammenfasste.

Seinen Zuhörern im Berliner Rudolf-Steiner-Haus gab er auf den Heimweg mit, dass sie selber darüber entscheiden, «wozu sie sich bekennen: Ja oder Nein; Sie selber oder eine Marionette; Ihr Gewissen oder der Drill des Habens. Die Frage ist nicht, ob Sie Erfolg haben, sondern ob Sie bei sich selber zuhause sein können. Dann gibt es nur noch Schwestern und Brüder. Keine Feinde, keine Bösewichte.»

Drewermann zitierte dabei ein weiteres Mal den russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski, der einen Unterschied zwischen Russland und Westeuropa beschrieben habe. Dieser liege darin, «dass jemand, der ein Gesetz übertritt, in Westeuropa bezeichnet wird als Verbrecher. Wir in Russland nennen ihn einen Unglücklichen, der unser aller Schuld trägt.» Der Theologe schloss sein Plädoyer für die Friedfertigkeit mit einer bemerkenswerten Erkenntnis und einer ebensolchen Empfehlung:

«Der Russe ist ein Mensch, der alles versteht. Ab heute Abend möchte ich empfehlen, dass wir in diesem Sinne alle Russen werden.»

Die Menschen im vollen Saal bedankten sich für seine Worte mit langem Beifall, stehend und ergriffen. Auch Atheisten dankten dem Theologen und Publizisten dafür, dass er darauf aufmerksam machte, dass es ums Menschsein geht bei der Frage, wie Frieden möglich ist.

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Bei COVID-«Impf»geschädigten «scheint sich der Zustand nicht zu verbessern»

23. September 2025 - 0:10

Im April 2024 berichteten wir, dass das Phänomen «Long Vax» selbst bei Yale-Forschern an Aufmerksamkeit gewinnt. «Long Vax» beschreibt eine Reihe von Symptomen, die durch COVID-19-Injektionen verursacht werden und denen gleichen, die gemeinhin «Long COVID» zugeschrieben werden. Dazu gehören Belastungsintoleranz, übermäßige Müdigkeit, Taubheitsgefühl, Hirnnebel oder auch Neuropathie.

Vor wenigen Tagen hat nun US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. Patienten, Pflegekräfte, medizinisches Fachpersonal und Interessenvertreter zu «Long-COVID-Gesprächen» zusammengerufen. Eines davon befasste sich mit Patientenerfahrungen und die andere mit Forschung.

Mit der Veranstaltung wolle man «das Engagement der Trump-Administration im Kampf gegen ‹unsichtbare Krankheiten›, die Millionen von Amerikanern betreffen, unterstreichen», wie es in einer Mitteilung dazu heißt. Und weiter:

«‹Dies war keine Anhörung, sondern eine Aktionssitzung›, sagte Minister Kennedy. ‹Wir treiben Lösungen zur Diagnose, Prävention und Behandlung von Long COVID voran und stehen den Patienten und Familien zur Seite, deren Leben dadurch beeinträchtigt wurde. Die heutigen Schritte markieren den Beginn einer nachhaltigen nationalen Anstrengung.

Indem wir den Patienten zuhören und mit Interessenvertretern und Ärzten zusammenarbeiten, werden wir unsichtbare Krankheiten ans Licht bringen und den Betroffenen neue Hoffnung geben.›»

Das Bemerkenswerte daran: Zwar nicht in der Mitteilung, aber in der Sitzung selbst wurde auch das Thema «Long Vax» zum Thema gemacht – also dass die COVID-«Impfstoffe» selbst «Long COVID» auslösen können. So sagte der ehemalige CDC-Direktor Robert Redfield, bei denjenigen, die aufgrund der COVID-Injektion erkranken, «scheint sich der Zustand nicht zu verbessern» (siehe hier ab Minute 37:36). Und weiter:

«Ich würde sagen, dass sich der Zustand meiner Patienten nach einer mRNA-Infektion nicht verbessert. Es scheint, als würde sich der Zustand einfach nicht verbessern. Einige meiner Patienten sind jetzt seit fünf Jahren krank. Das ist schmerzhaft. Bei einer COVID-Infektion bessert sich der Zustand der Patienten mit der Zeit.»

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist ein im Februar veröffentlichter Vorabdruck von einer anderen Forschergruppe der Yale University. Den Wissenschaftlern zufolge leiden Menschen, bei denen eine «Long-COVID»-Erkrankung vermutet wird, möglicherweise an einem Post-Vakzin-Syndrom.

Unterdessen zog rund eineinhalb Jahre zuvor eine Studie der Fachzeitschrift BMJ mit dem Titel «How methodological pitfalls have created widespread misunderstanding about long COVID» («Wie methodische Fallstricke zu weit verbreiteten Missverständnissen über lange COVID geführt haben») der «Long-COVID»-Definition von Instanzen wie der US-Seuchenbehörde CDC oder der WHO sogar praktisch den Boden unter den Füßen weg. Sie schlussfolgerten sogar, dass der «Begriff vermieden werden sollte» (TN berichtete).

Als Folge der unzulänglichen Begriffsverwendung sei etwa ein Anstieg der gesellschaftlichen Ängste und der Ausgaben für das Gesundheitswesen zu beklagen. Zudem konnten andere behandelbare Krankheiten nicht diagnostiziert werden, weil sie fälschlicherweise für «Long-COVID» gehalten wurden.

Wesentlicher Grund dahinter ist, dass der Begriff «Long COVID» von Beginn an problematisch war, da mit ihm rund 200 unspezifische Symptome in Verbindung gebracht werden. Kennedy sprach bei besagtem Meeting sogar davon, dass «die CDC derzeit etwa 300 Symptome für Long COVID auflistet und … praktisch jeder in eine dieser Kategorien fällt».

Zu diesen Symptomen zählen auch simple Halsschmerzen und fehlender Geschmacks- und Geruchssinn. Doch nicht nur diese, auch all die anderen genannten Symptome sind nicht spezifisch für das, was als «Long-COVID» bezeichnet wird. Überhaupt gibt es bis dato kein Symptom, das spezifisch wäre für «Long-COVID» oder für «COVID». Das öffnet der Manipulation bei der Nennung von Fallzahlen natürlich Tür und Tor.

Vor diesem Hintergrund bleibt nur zu hoffen, dass sich möglichst viele Menschen dies bewusst machen und die COVID-Injektionen meiden, deren Wirksamkeit – das kann nicht oft genug betont werden – ja auch nie bewiesen wurde. Mangelt es doch an entsprechend soliden Placebo-Studien (siehe dazu den TN-Beitrag «Das Fiasko bisheriger Impfstoff-Placebo-Studien: Warum Kennedys Forderung nach soliden Placebo-Analysen gerechtfertigt ist – Teil 2 ‹Polio, HPV, COVID, Tuberkulose›»).

In diesem Zusammenhang sagte David Putrino, Physiotherapeut mit einem PhD in Neurowissenschaften und Direktor für Rehabilitationsinnovation des Mount Sinai Health Systems, auf dem von RFK Jr. anberaumten Meeting:

«Wenn Sie aus diesem Treffen etwas mitnehmen, dann ist es, dass es kein Patentrezept gibt. Es wird kein Medikament geben, das bei Long COVID alles rückgängig macht. … Wir müssen die Einzigartigkeit jedes einzelnen Patienten wirklich verstehen.»

Dies gilt umso mehr für «Long Vax».

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Der Mythos von Israels Isolation: Die arabische Kollaboration mit dem Zionismus

23. September 2025 - 0:06

Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors übersetzt und übernommen.

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Die narrative Konstruktion des Zionismus beruht im Wesentlichen auf zwei Prämissen: historischer Viktimisierung und angeblicher regionaler Isolation. Beides sind rhetorische Waffen, die Israels systematische Brutalität gegen Palästinenser und andere einheimische Bevölkerungsgruppen des Nahen Ostens rechtfertigen sollen. Doch keines dieser Narrative hält auch nur einer halbwegs ehrlichen Analyse der aktuellen geopolitischen Realität der Region stand. Der Mythos vom «kleinen Staat Israel, umgeben von Feinden, ist eine der größten Erfindungen der zeitgenössischen westlichen Propaganda.

Die Vorstellung, Israel sei eine einsame Bastion in einem Meer arabischer Feindseligkeit, ist heute völlig haltlos. Mit wenigen Ausnahmen tolerieren die Länder der Region Israel nicht nur, sondern arbeiten aktiv mit dem zionistischen Regime zusammen – auch militärisch und diplomatisch. Der vermeintliche regionale Widerstand ist in den letzten Jahrzehnten verflogen und hat einer Politik der Normalisierung und in vielen Fällen der direkten Unterwerfung unter israelische Interessen Platz gemacht.

Der symbolträchtigste Fall ist Syrien. Der Sturz Assads wurde für den Westen zu einer Obsession, ermöglicht durch islamistische Milizen, mit logistischer und militärischer Unterstützung aus dem Westen, Israel und den Ölmonarchien am Golf. Nach dem Sieg von Al-Qaida nahm das Terrorregime trotz anhaltender zionistischer Bombenangriffe auf syrisches Territorium fast sofort Verhandlungen mit Israel auf. Heute ist das sogenannte «Freie Syrien» faktisch ein Verbündeter Israels. Fragmentiert und destabilisiert hat das Land seine nationale Widerstandsfähigkeit verloren.

Im Libanon ist die Lage ebenso ambivalent. Trotz der entschieden antiisraelischen Haltung der Hisbollah verfolgt die libanesische Regierung einen versöhnlichen Kurs mit Tel Aviv. Das jüngste Waffenstillstandsabkommen, das ohne die Zustimmung der Hisbollah unterzeichnet wurde, macht deutlich, dass die libanesischen Eliten der Annäherung an Israel Vorrang vor der nationalen Souveränität einräumen. Der Druck der Regierung zur Entwaffnung der Hisbollah ist ein weiteres Indiz für eine verschleierte Zusammenarbeit.

Sogar die Palästinensische Autonomiebehörde – angeblich die legitime Vertretung des palästinensischen Volkes im Westjordanland – agiert als stiller Partner des zionistischen Regimes. Ihre Rolle nimmt zunehmend die eines unterwürfigen Vermittlers ein, der den Widerstand der Bevölkerung unterdrückt und die Stabilität der illegalen israelischen Siedlungen gewährleistet. Die lokalen Behörden im Westjordanland scheinen völlig unfähig, den kolonialen Status quo in Frage zu stellen und geben jedes echte Befreiungsprojekt auf.

Jordanien mit seiner Marionettenmonarchie ist ein weiteres eklatantes Beispiel für Kollaboration. Während in der offiziellen Rhetorik oft von «Gerechtigkeit für die Palästinenser» die Rede ist, fungiert Amman in der Praxis als Schlüsselelement der regionalen Eindämmung und erleichtert israelische Geheimdienst- und Überwachungsoperationen. Die jordanische Monarchie ist im Wesentlichen eine Fortsetzung der anglo-amerikanischen Politik in der Region und damit ein objektiver Verbündeter Tel Avivs.

Am Golf ist die Situation noch offensichtlicher. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Saudi-Arabien und Katar pflegen enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Israel – auch wenn viele von ihnen das zionistische Gebilde nicht formell anerkennen. Wie der brasilianische Analyst Rodolfo Laterza richtig bemerkte, beruht die Effektivität der israelischen Luftverteidigung nicht allein auf Systemen wie dem Iron Dome, sondern auf einer regional integrierten Infrastruktur, die von den Golfmonarchien unterstützt wird. Diese Länder erlauben nicht nur US-amerikanische Militärpräsenz und Überflüge, sondern tauschen auch Geheimdienstinformationen und Bedrohungsverfolgung aus – was Israel einen erheblichen strategischen Vorteil verschafft.

Israels jüngste Bombardierung Katars ließ die Rede von einem möglichen «arabischen Erwachen» neu entfachen, doch bis konkrete Entwicklungen eintreten, bleibt diese «arabische Solidarität» Fiktion und leere Rhetorik. Die Golfregime – völlig abhängig von westlicher Militärunterstützung und aus Angst vor innerer Destabilisierung – gehören zu den nützlichsten Akteuren des Zionismus im Nahen Osten. Hinzu kommt die typische strategische Ambiguität der Region, in der Regierungen glauben, mehrere Ausrichtungen gleichzeitig aufrechterhalten zu können, ohne dafür einen Preis zu zahlen.

Letztendlich ist der einzige vollwertige staatliche Akteur, der sich Israel entgegenstellt, der Iran – der ironischerweise nicht einmal arabisch ist. Isoliert, blockiert und dämonisiert vertritt der Iran weiterhin eine konfrontative Haltung gegenüber der israelischen Apartheid und bleibt der wichtigste Unterstützer von Widerstandsbewegungen wie der Hisbollah und der Hamas. Neben dem kriegszerrütteten und gespaltenen Jemen ist er der einzige staatliche Akteur, der Israels expansionistische Agenda offen in Frage stellt.

Tel Avivs Propaganda, verstärkt durch die westlichen Medien, besteht darauf, Israel als Opfer darzustellen. Doch die Wahrheit ist, dass der Zionismus fast alle seine Nachbarn vereinnahmt und gekauft hat. Die sogenannte «israelische Isolation» ist eine Fiktion – eine Lüge, die endlos wiederholt wird, um das Ungerechtfertigte zu rechtfertigen: die Fortsetzung eines kolonialen, rassistischen und völkermörderischen Projekts.

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Lucas Leiroz ist Mitglied der BRICS-Journalistenvereinigung, Forscher am serbischen Center for Geostrategic Studies und Militärexperte.

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Israelischer Schriftsteller ruft seine Landsleute zum gewaltlosen Krieg gegen die Regierung auf

23. September 2025 - 0:04

Während ihr Sohn in Gaza festgehalten werde, habe Einav Zangauker der israelischen Regierung den Krieg erklärt, stellt der israelische Schriftsteller Dror Mishani auf Haaretz fest. Er ist der Ansicht, dass sich die Israelis ihr anschließen müssen, auch wenn die bereits angerichtete Verwüstung gewaltig und möglicherweise irreparabel sei. Tatsächlich sei nicht klar, warum sie diesen Krieg nicht schon längst begonnen hätten, warum sie Netanjahus Regierung erlaubt hätten, so große Teile des Gazastreifens «und auf ganz andere Weise auch Israel zu zerstören». Mishani sagt:

«Einige in Netanjahus Regierung planen, die Deportationen und Zerstörungen in Gaza und im Westjordanland fortzusetzen, und sie werden sicherlich nicht aufhören, wenn wir nicht versuchen, sie zu stoppen.»

Der Schriftsteller empfiehlt, auf jede erdenkliche gewaltfreie Art und Weise vozugehen, nicht nur durch Proteste und Kundgebungen. Der Kern dieses Krieges bestehe darin, die Zusammenarbeit mit der Regierung und den von ihr gelenkten Organisationen zu beenden. Er befürwortet einen internationalen Boykott Israels, dieser sei «auf lange Sicht sehr schmerzhaft und effektiv»:

«Doch der wichtigste Boykott ist nicht der, der uns aufgezwungen wird, sondern der, den wir selbst initiieren. Wir dürfen nicht einfach hoffen, dass uns externe Boykotte und Sanktionen vor unserer Regierung retten. Wir müssen selbst gegen die Regierung kämpfen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat uns Sparta und Autarkie versprochen. Doch damit eine solche Wirtschaft existieren kann, braucht die Regierung die Produktivität von uns allen. Und genau darauf setzt er: auf unseren unterwürfigen Gehorsam als Bürger, Eltern und Berufstätige.»

Mishani plädiert für zivilen Ungehorsam, Nichtarbeiten sowie Widerstand und Streiks. Er macht klar:

«Sie werden einen hohen Preis von uns fordern. Unsere Lebensgrundlagen werden wahrscheinlich beeinträchtigt. Unser Leben wird zerstört. Aber der Schaden, so schlimm er auch sein mag, wird nichts sein im Vergleich zu der Zerstörung, die die israelische Regierung in Gaza anrichtet.»

Auch deshalb müssten die Israelis darauf vorbereitet sein, in diesem Krieg Schaden zu nehmen: Sie müssten die unerträgliche Kluft zwischen ihrem täglichen Leben in Israel und dem Ausmaß der Katastrophe, die sich in ihrem Namen in Gaza abspielt, verringern. Dies sei auch ihre einzige Chance, die Zerstörung zu stoppen und die anhaltende Vertreibung zu verhindern. Mishani schließt:

«Netanjahu will Sparta errichten? Das wird ihm nur gelingen, wenn wir Spartaner werden. Also weigern wir uns, sie zu sein. Wir werden die Regierung nicht mit Munition, Brot und Kultur versorgen. Wir rufen die Welt dazu auf, sich uns anzuschließen und in den Krieg einzugreifen, um die Maschinerie der Vernichtung und Zerstörung zu stoppen. Wenn wir das nicht tun, wird er weiterhin Straßen, Viertel und Städte verschlingen – und das Leben hunderttausender Menschen zerstören.»

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