Drei Menschen und die Auswege aus ihren Miseren

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Drei Menschen und die Auswege aus ihren Miseren
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Drei Menschen und die Auswege aus ihren Miseren

Verwandlung als Rettungsversuch

von Thomas Eblen

Franz_Kafka_Prag_Kierling_Die_Verwandlung_Kaefer_Ungeziefer_Apfelwurf_innere_Konflikte_Normalitaet_des_Tragischen_Brief_an_den_Vater_Gregor_Samsa_Kritisches-NetzwerkDie Poetik-Ecke XVI skizziert am Beispiel von Franz Kafka, Peter Handke und Gertrud Kolmar, wie Menschen Auswege aus ihren Miseren suchen, indem sie eine Gegenwelt auffächern.

Der du dies liest, gib acht; denn sieh, du blätterst einen Menschen um.“ Dieses Zitat stammt von der deutschen Lyrikerin und Schriftstellerin Gertrud Kolmar. Thomas Eblen beleuchtet in der Poetik-Ecke XVI drei Künstler, die ihr Schicksal und ihr Leben in unaufgeregte, aber betörende Bilder, Räume, ja Welten verwandelt haben. Die Möglichkeit der Verwandlung ist einer der großen Vorzüge des Menschen.

► Franz Kafka: Die Verwandlung

Ein Mensch wacht eines Morgens auf und ist ein Käfer, ein Ungeziefer. Eine berühmte Erzählung des 1924 verstorbenen Schriftstellers Kafka. Gregor Samsa, eine der vier Hauptpersonen der Erzählung, fragt: „Was ist mit mir geschehen.“ Dann diese Ruhe, wenn er vor sich hinsagt: „Wie wäre es, wenn ich noch ein wenig weiterschliefe und alle Narrheiten vergäße.“ Heutzutage eine Unmöglichkeit. Jeder, der heute als ein Ungeziefer aufwachte, würde entweder Influencer oder Talkmaster werden. Also Ruhe, die Veränderung wahrnehmen und dann zuerst einmal weiterschlafen.

Nur die Menschen um ihn herum erschrecken über seine Verwandlung, aber sie fragen sich nie, so mein Eindruck, wie es möglich ist, sich in einen Käfer, in ein Ungeziefer zu verwandeln. Für sie ist die körperliche Veränderung der ausschlaggebende Moment. Gregor nimmt es hin. Gerade die Überhöhung ins Groteske, wie Kafka es erzählt, kann besänftigend oder ausgleichend wirken.

Das Unglaubliche schafft Freiheit. Nicht im medial, bildlichen Sinn, das wäre Unterhaltung, sondern als eine Ausweichbewegung vor den inneren Konflikten.

Der Konflikt zwischen der Arbeit als Angestellter und Privatmensch ist, neben der Auseinandersetzung mit dem Vater, ein Grundthema dieser Erzählung. Und alles ironisch verbrämt. Welcher Angestellter träumt nicht von einem Leben in völliger Freiheit? Hier der Ausschnitt:

Ach Gott, dachte er, was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt. Tag aus Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch die Plage des Reisens auferlegt, die Sorge um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr.

Eher eine larmoyante Traurigkeit als ein widerständiger Frust, zumal er, wir wissen es als Angestellte, irgendwie an der Firma hängt.

Franz_Kafka_Vaterkonflikt_Lebensschwierigkeiten_Die_Verwandlung_Normalitaet_des_Tragischen_Kindheitserlebnisse_selbststaendiges_Wegkommen_vom_Vater_Kritisches-NetzwerkEin kurzer Blick auf den Konflikt Gregors mit seinem Vater: Dieser fügt dem Sohn, mit einem Apfelwurf eine tödliche Wunde zu. Der Vater verwandelt sich davor zu einem Militär, oder zu einem Bänker, mit Uniformrock. Zitat:

Über dem hohen steifen Kragen des Rockes entwickelte sich ein starkes Doppelkinn; unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen frisch und aufmerksam hervor; dass sonst zerzauste weiße Haar war zu einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt.

Einer der Äpfel streift ihn, ein anderer trifft ihn tödlich am Rücken. Viele andere verfehlen ihr Ziel.

Der Vater beschießt den Sohn eher aus einem Impuls heraus. Gregor hat nicht damit gerechnet. Doch kein Geschrei, keine Gegenwehr. Alles wird wie selbstverständlich hingenommen. Zitat:

„So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer, ohne dass sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne dass das Ganze infolge seines (des Vaters) langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung gehabt hätte.“

Keine Aufgeregtheit, kein Sensationsreport, sondern „Normalität des Tragischen“, die Ruhe der Selbstgewissheit, nämlich des menschlich, allzu menschlichen. So müsste man den Leiden der Menschen begegnen — wenn es auch für Gregor tödlich endet.

Franz Kafka: Die Verwandlung", gelesen von Ulrich Matthes (Dauer 2:30 Std.)

Franz Kafka: Brief an den Vater", gelesen von Hans-Jörg Große (Dauer 2:16:14 Std.)

► Peter Handke Journale

Der im Dezember 1942 geborene österreichische Schriftsteller und Übersetzer Peter Handke ist vielen bekannt durch den Jugoslawienkrieg, wo er beispiellos seine eigene Wahrnehmung beschrieb und starken Angriffen ausgesetzt war. Doch das soll hier nicht das Thema sein, obwohl ich ihn dafür sehr bewundere, zumal ich selber private Beziehungen zu dem damaligen Jugoslawien hatte. Gerade lese ich seine Journale, so eine Art Tagebuch. Seine Wahrnehmungen, seine Eindrücke, seine Einfälle. Hier ein Zitat aus dem Vorwort:

Soll ich die Eigenheit des Ganzen hier andeuten, so vielleicht folgend: Maximen und Reflexionen? Nein, eher Reflexe; Reflexe, die aus einer Bedachtsamkeit kommen, einer grundsätzlichen und in deren Folge hin und wieder ausschwingen, auch ausschwingen wollen, über den bloßen Reflex, so weit der Atem reicht.

Peter_Handke_Journalen_Griffen_Kaernten_Sprachschablonen_Bewusstseinsschablonen_Jugoslawienkrieg_Serbien_Kritisches-NetzwerkHandke hat immer wieder betont, dass er die Schärfe der Beobachtung ablehnt, er ein Schauernder sei. Einer der den Blick hat für das normale, alltägliche, aber diesen Blick dann in eine eigene Sprache verwandelt. Natürlich darf man das nicht mit Idylle verwechseln, im Gegenteil, so eine Sprache kann, in ihrer Einfachheit und Schlichtheit provozieren. Aber das wäre sicher nicht im Sinne von Handke.

Obwohl seine Tiraden, die in der Prosa auch vorkommen, unglaublich emotional sind und mich deshalb sehr bewegt haben, ist das wohl nur ein Seitenthema seiner Kunst.

Wichtig bleibt für mich seine Schreibhaltung, die Bedingungslosigkeit und Durchsetzungskraft. In den Journalen kann man die Leichtigkeit seiner Reflexionen und Anschauungen wunderbar nachverfolgen.

Darunter Sätze, wie ich sie liebe:

Das Leuchten der ersten Wegerichblätter gestern Abend in der Dämmerung — tatsächlich eine Art Wundblättern, Blättern, die den Schmerz, laut Volksmund, aus der Wunde ‚ziehen‘.“ Oder: „Etwas weit weg von sich legen: das Messer; etwas nah zu sich: den Bleistift“, oder: „kleiner dunkler Nachtfalter sitzt im Hahnenfuß, klein genug, käferklein, für dessen Blüte“.

Auch bei ihm, so scheint es mir, ist die Sprache kein Suchen, sondern ein Finden.

Der Blick ist auf die nächste Umgebung gerichtet, schaut, erkennt, ohne Zwang und wollen. Die Umgebung fällt ihm zu, wie einem Kind die Tätigkeit seiner Mutter oder seines Vaters. Das finde ich wohltuend, so als gäbe es mir Anleitung genauso zu schauen, wobei das verlorene Liebesmühe ist. Man sollte nicht nachahmen, sondern selber den Blick heben, und eine Sprache dafür finden. Also an ihm lernen, ohne ihn zu kopieren. Für mich hat Peter Handke eine Welt erschaffen, etwas Eigenes und Beschützenswertes, etwas, dass die Lebendigkeit auf eine sehr schöne Weise beschreibt.

Natürlich werden in seinen Erzählungen auch Konflikte ausgetragen, Morde begangen und so weiter. Aber sie sind, so mein Eindruck, unaufgeregt erzählt, wie ich es auch bei Kafka gefunden habe. Gerade weil sie eine eigene Welt darstellen und sich deshalb dem alltäglichen Diskurs entziehen. Eben nicht zuerst einen Reiz setzen, wo man zuerst piksen muss, um eine Reaktion zu erhalten, sondern einen Umweg findet, ein Gedicht, eine Erzählung, ein Roman.

Das kann nur die Literatur.

► Gertrud Kolmar, die Dichterin

Gertrud Kolmar, mit bürgerlichem Namen Chodziesner, ist eine jüdische Dichterin und wurde in Berlin am 10. Dezember 1894 geboren. Ort und Datum ihres Todes sind unbekannt. Sie wurde 1943 in ein Konzentrationslager deportiert.

Gertrud Kolmar ist meine Lieblingsdichterin. Das sagt zunächst nichts aus. Bei ihr ist die Sublimierung ihrer Lebensnot durch Gedichte, zumindest für mich, am offensichtlichtesten. In früher Kindheit vernachlässigt, einen starken Vater, eine leidende, aber lebendige Mutter. Später dann eine enttäuschte Liebe und eine Abtreibung. Danach ein Selbstmordversuch. Sie fand für sich einen Ausweg, eben in der Kunst. Der Kunst wundervolle Gedichte und Erzählungen zu schreiben.

„Abschied" von Gertrud Kolmar, Rezitation: Fritz Stavenhagen

Nach Osten send' ich mein Gesicht:
Ich will es von mir tun.
Es soll dort drüben sein im Licht,
Ein wenig auszuruhn
Von meinem Blick auf diese Welt,
Von meinem Blick auf mich,
Die plumpe Mauer Täglich Geld,
Das Treibrad Sputedich.

Sie trägt, die Welt in Rot und Grau
Durch Jammerschutt und Qualm
Die Auserwählten, Tropfentau
An einem Weizenhalm.
Ein glitzernd rascher Lebenslauf,
Ein Schütteln großer Hand:
Die einen fraß der Mittag auf,
Die andern schluckt der Sand.

Drum werd' ich fröhlich sein und still,
Wenn ich mein Soll getan;
In tausend kleinen Wassern will
Ich rinnen mit dem Schwan,
Der ohne Rede noch Getön
Und ohne Denken wohl
Ein Tier, das stumm, ein Tier, das schön,
Kein Geist und kein Symbol.

Und wenn ich dann nur leiser Schlag
An blasse Küsten bin,
So roll' ich frühen Wintertag,
Den silbern kühlen Sarkophag
Des ew'gen Todes hin,
Darin mein Antlitz dünn und leicht
Wie Spinneweben steht,
Ein wenig um die Winkel streicht,
Ein wenig flattert, lächelnd bleicht
Und ohne Qual verweht.

Der Zustand des Fabulierens ist eine starke menschliche Ausdruckskraft, so wie der Hang zu Kontrolle, oder das Bezirzen eines potenziellen Liebespartners.

Zeitlebens gab sich die jüdische Dichterin Gertrud Kollmar unscheinbar. Es gibt ein Familienfoto, auf dem man sie am Rande stehen sieht. Keine Körperspannung, ihre Kleidung einfach, das Gesicht ausdruckslos. Oft erzeugt eine lebendige Innenwelt ein Desinteresse darüber, wie man in der Umgebung wirkt.

Sie sah sich als schöpferischen Menschen. Ihr war bewusst, dass sie ein außerordentliches Talent besaß, doch war sie wahrscheinlich nicht darauf aus, Erfolg zu haben. Weil wohl der Erfolg zwiespältige Gefühl auslöste.

Im letzten Brief an ihre Schwester gibt sie Einblick in ihre Dichterwerkstatt. Hier ein kleiner Ausschnitt.

Wenn ich jedoch umgekehrt, aus einem Ohnmachtsgefühl heraus das neue Werk beginne, so bin ich wie einer, der von unten, aus der Tiefe heraus, zur Gipfelwanderung sich anschickt; zunächst ist das Ziel noch so fern, der Anblick versperrt, doch mit dem Fortschreiten wird die Aussicht immer schöner und weiter. Bei diesem allmählichen Aufsteigen ermatte ich nicht, wie mir es geschieht, wenn ich mich von einem raschen Aufschwunge der Fantasie hinreißen lasse.

Es gibt ein bekanntes am Oktober 1933 verfasstes Gedicht von ihr, „Die Kröte“, dass einiges über sie selber und ihre Wahrnehmung aussagt. Die Ambivalenz des Konfliktes in ihr zeigt dies auf einzigartige Weise: Einerseits das Aushalten und Leiden, anderseits den eigenen Schmerz, nicht als Überhöhung, sondern durch Verwandlung zu etwas anderem, zu kompensieren. Es ist ein innerer Prozess in dem die Macht, die sie von außen spürt, keine Waffe wird, sondern Bild und Raum. Also Entspannung, vielleicht sogar Erlösung. Hier ein Ausschnitt:

Ich atme, schwimme
In einer tiefen, beruhigten Pracht,
Demütige Stimme
Unter dem Vogelgefieder der Nacht.
Komm denn und töte!
Mag ich nur ekles Geziefer dir sein:
Ich bin die Kröte
Und trage den Edelstein ...

„Die Kröte“ von Gertrud Kolmar, gelesen von Petra Kopf:

Einschneidend für sie war die Abtreibung ihres Kindes, das sie mit einem Offizier zeugte. Der Offizier wollte sie nicht heiraten. Das bewirkte natürlich eine unglaubliche innere Spannung, die nach Wegen der Auflösung, der Verwandlung drängte. Hier ein Beispiel aus der Sammlung „Tierträume“:

Ein Kind

Wo harrt, die dich geboren hat,
Wie lächelt, die dich wiegte,
Die schwebend ein betautes Blatt
Um deine Knospe schmiegte,
Die dich in Schmerz und Erde warf
Aus ihres Schoßes Falten,
Dich mit den Lippen trinken darf
Und mit den Augen halten?

Sie hängt der Garten, liebste Frucht,
An ihres Morgens Bäumen.
O Süßigkeit, O Eifersucht!
O blonder Bäche Schäumen
Um Rasengrund und Wurzelherd
Zur fernen finstren Grube!
O Kugelnetz und Steckenpferd
Auf einer Glockenstube

Wie willst du heißen: Nichts im All
Und Mensch aus Menschenrotte,
Ein Hüpfen deinem Gummiball
Ein Scherzen deinem Gotte?
Was bist du? Brauner Goldfasan.
Was bist du? Blumenwespe.
Was bist du? Sonne Löwenzahn.
Was bist du? junge Espe.

Dein Leben ist ein Kreiselpflock,
Hat rot und grüne Ränder,
Du schlägst ihn mit dem Peitschenstock
Durch hundert reiche Länder
An unserer Straße, mürrisch alt,
mit Fenstern, die erblinden;
Da springt er in den Pflasterspalt
Und lässt sich nie mehr finden.

Gertrud_Kolmar_Kaethe_Chodziesner_Auschwitz_Konzentrationslager_Die_Kroete_Lebensnot_Der_Engel_im_Walde_Tiertraeume_Thomas_Eblen_Kritisches-NetzwerkWenn man dieses Gedicht liest und den Verlust des Kindes mitdenkt, findet man immer wieder neue Zusammenhänge. Es ist keine Zumutung, so ein hermetisches Gedicht zu lesen, sondern ein Erkenntnisgewinn.

Die letzten Jahre in Nazideutschland war für Gertrud Kolmar ein Martyrium, das sie, so zumindest in den Briefen, mit einem unglaublichen Gleichmut hinnahm. Dies lesend überkommt einen eine ohnmächtige Wut. Wozu Menschen fähig sind, sollte uns aufmerksam machen, denn es braucht nur eine Atmosphäre, in der diese Schläfer, diese Mörder und Feiglinge wieder erwachen. [Foto zur Vergrößerung bitte anklicken. H.S.]

Wer mehr über Gertrud Kolmar wissen möchte, empfehle ich die Biografie von Johanna Woltmann: „Gertrud Kolmar: Leben und Werk“, Suhrkamp Verlag. [>> z.B. bei booklooker. H.S.]

Empfehlenswert auch einen literarischer Versuch von Dieter Kühn, Fischer Verlag erschienen: „Gertrud Kolmar: Leben und Werk, Zeit und Tod“. [>> z.B. bei booklooker. H.S.]

Doch vor allem empfehle ich die Gedichte selber, die in vielfältigen Ausgaben erschienen sind.

Gertrud Kolmar „Der Engel im Walde", Rezitation: Fritz Stavenhagen

Ich aber traf ihn nachmittags im Wald.
Ein Wunder, das durch Buchenräume ging,
So menschenfern, so steigend die Gestalt,
Daß blaue Luft im Fittich sich verfing;

Das Antlitz schien ein reines, stilles Leid,
Sehr sanft und silbrig rieselte das Haar,
In großen Falten schritt das weiße Kleid.
Er schaffte nichts, er sagte nichts; er war.

Und nichts an ihm, was schreckte, was verbot,
Und dennoch: keines Sterbens Weggenoß,
Daß meine Lippe, ob auch unbedroht,
Erstaunten Ruf, die Frage stumm verschloß.

Ein Blatt entwehte an sein Gürtelband,
Vergilbt und schon ein wenig krausgerollt;
Er fing und trug es in der schmalen Hand
Wie ein Geschenk aus Bronze und aus Gold.

Wer sah ihm zu ? Das Eichhorn, rot am Ast,
Und Rehe, die das Buschwerk schnell verlor.
Und Erlen wanden schon im Abendglast
Wie schwarze Schlangen züngelnd sich empor.

Er regte kaum die dünne Blätterschicht
Mit weichem Fuß. Er hatte ewig Zeit
Und zog: wohin? In Stadt und Dörfer nicht;
Er wallte außer aller Wirklichkeit.

Nicht unsre Not, nicht unser armes Glück,
Nur keusche Ruhe barg sein Schwingenpaar
Ich folgte nach und stand und blieb zurück.
Er brachte nichts, er sagte nichts: er war.

► Resümee

Kafka, Handke und Kolmar zeigen mit ihrem Schaffen auf, welche Kraft die Kunst hat, wenn sie als eine Möglichkeit der Verwandlung begriffen wird. Sie zeigen Auswege auf, auch Irrwege, natürlich.

Thomas_Eblen_Kuenstler_Heimerdingen_Dichterseele_Spiralen_im_Luftgespraech_Isolierstation_Rueckzug_aus_der_Gesellschaft_Sehnsuchtsort_Kritisches-NetzwerkEs geht darum, Kunst nicht als Freizeitvergnügen zu begreifen, als Unterhaltung, sondern als ein tiefes Muster menschlicher Wirklichkeit.

Literaturhinweise zu den Autoren:

Franz Kafka, Die Verwandlung. S. Fischer Verlag. Die Erzählungen. Einmalige Sonderausgabe 2007.
Peter Handke, Journale. Suhrkamp Verlag 2018.
Gertrud Kolmar, Weibliches Bildnis. DTV München 1980.

Thomas Eblen, Ditzingen-Heimerdingen >> info@thom-eblen.de

P.S.: Ich freue mich auf neue Kontakte, ziert Euch nicht und schreibt mir. Lest bitte auch meine weiteren Artikel, die Ihr hier weiter unten aufgelistet findet.
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Thomas Eblen, Jahrgang 1962, ist Handwerksmeister und hat 30 Jahre mit psychisch kranken Menschen gearbeitet. Jetzt ist er freischaffender Künstler, Dichter, Musiker und Maler. Er betreibt den Podcast „Dichterseele“ auf Spotify, wo man seine Musik und Texte hören kann. Er hat eine CD mit eigener Klaviermusik herausgebracht. Sie heißt „Spiralen im Luftgespräch“. Man kann sie auf den meisten Streamingdiensten hören und beim Künstler erwerben.

Weitere Informationen unter thom-eblen.de.

  »Zumutungen sollen nicht Abwehr, sondern Neugier erzeugen. Auf der Isolierstation (III).

Vorbem. Manova-Red.: "Im Literatur-Salon von Manova (vormals Rubikon) soll ab und zu auch Platz für Texte sein, welche Erkenntnisse über den Menschen und das Menschenmögliche, über Kommunikation und Isolation, über die „Condition humaine“ (Bedingungen oder Umstände des Menschseins) experimentell aus der Sprache herausdestilliert. Platz für Texte, die verstören. Hier ist ein solcher Text. Viel wird über Spirituelles und Seele und Selbstfindungen theoretisiert ― dieser Text kommt von der anderen Seite her.

Er ist eine gelebte, in Sprache gesetzte Vision in verschiedenen Teilen, die wohl besser als Impressionen zu bezeichnen sind. Aus dem Innern, aus einem Konzert, aus einem Restaurant. Gedanken schießen durch den Kopf. Ungehindert, auch politisch, eine kurze klare Reflexion inbegriffen. Am besten laut lesen, langsam ― ein Tropfen Rotwein kann förderlich sein. Das Licht nicht zu grell."

T. Eblen: Dicke Wand: Liege da, schwimme auf meinem eigenen Horizont. Die Nase, um das Atmen zu gewährleisten, versucht sich durch das eigene Medium zu drücken, damit sie Luft bekommt. Die Arme winden sich, sie halten den Körper in der Waagrechten. Der Blick geht nach oben und sieht nichts. Als ob ich in einem Gewässer läge. Früher schon war mein Blick liegend am sehnsüchtigsten.

Ist er es jetzt auch? . . Zumindest bin ich unauffindbar oder auch unauflösbar.

Es gibt Menschen, die mich begreifen, aber die Unzahl derer, die vor mir eine dicke Wand bilden, scheint übermächtig. Sie lieben keine Geheimnisse. Man hat sie niemals aufgeklärt. In der Klarheit der Argumentation, oder der Prosa erinnerter Schulaufsätze, ist alles so einfach. Führt zu nichts, bleibt eine Kreisbewegung, hat keinen Zug in die Tiefe. Diese Tiefe ist mein Schatz, den ich zugleich heben und küssen will. Ich begehre ihn. . . Wäre er nur weiblich.« Von Thomas Eblen, im KN am 22. Juni 2023 >> weiter.

»Facetten des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Gesellschaft. Die Möchtegern-Proletarier. Vorbemerkung der Manova-Red.: Versuche, Intellektuelle und Arbeiter zusammenzubringen, gibt es schon lange ― meist scheitern sie, weil sich beide Milieus zutiefst fremd geblieben sind. Thomas Eblen, ein Arbeiterkind zeit seines Lebens, beleuchtet in einem essayistischen Streifzug Facetten des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Gesellschaft. Er zeigt insbesondere, dass das „Proletariat“ überwiegend für akademische Theorien instrumentalisiert wird, selbst aber keine eigene Stimme bekommt. Intellektuelle linker Ausrichtung sprechen mit Vorliebe über, selten aber mit Arbeitern. In der Widerstandsbewegung, die mit Corona aufgekommen ist, droht sich dieses Muster zu wiederholen.

Thomas Eblen: Ich stamme aus dem Milieu der Arbeiter und bin dortgeblieben. Doch wer sind eigentlich die Arbeiter. Sie werden von der Intelligenz, so nenne ich die Deutungsmacht, definiert und instrumentalisiert für ihre Theorien. Mit ihnen wird kaum gesprochen, geschweige denn, dass sie Platz bekämen im Debattenraum. Besonders enttäuschend für mich ist, dass auch die freien Medien nicht in der Lage sind, mit ihnen wirklich in einen Dialog zu treten beziehungsweise ihnen eine Stimme zu geben.

Es scheint mir, kritische Kreise würden die Arbeiter lediglich brauchen für den Fall, dass es eskaliert, da die Arbeiter bei weitem die größte gesellschaftliche Gruppe ausmachen, also den Gesellschaftskörper bilden, während die Intellektuellen meist nur Einflüsterer sind. Aber zu Macht sollen Arbeiter nicht kommen, das soll in der Hand der sogenannten Eliten bleiben. Oder interpretiere ich das falsch? Dazu einige Anmerkungen. « Von Thomas Eblen, im KN am 16. Juni 2023 >> weiter.

  »Drei Menschen und die Auswege aus ihren Miseren. Verwandlung als Rettungsversuch. Die Poetik-Ecke XVI skizziert am Beispiel von Franz Kafka, Peter Handke und Gertrud Kolmar, wie Menschen Auswege aus ihren Miseren suchen, indem sie eine Gegenwelt auffächern.

„Der du dies liest, gib acht; denn sieh, du blätterst einen Menschen um.“ Dieses Zitat stammt von der deutschen Lyrikerin und Schriftstellerin Gertrud Kolmar. Thomas Eblen beleuchtet in der Poetik-Ecke XVI drei Künstler, die ihr Schicksal und ihr Leben in unaufgeregte, aber betörende Bilder, Räume, ja Welten verwandelt haben. Die Möglichkeit der Verwandlung ist einer der großen Vorzüge des Menschen.« Von Thomas Eblen, im KN am 16. März 2023 >> weiter.

»Massenverkasperungen durch Politik, Wirtschaft und Medien. Irgendwo lauert der Irrsinn! Nachrichten aus Gagaland Teil 2 - ein ironisch grotesker Seitenblick. Politik: Der neue Verteidigungsminister hat ein innovatives Waffensystem in Auftrag gegeben. Schon seine Vorgängerin war darüber informiert, zögerte allerdings zu lange, was, so aus gemieteten Kreisen, ein Grund für den Rücktritt in voller Länge war. Der Arbeitstitel heißt 'Wespe Maya'. Ein Zwitter zwischen Angriff und Verharmlosung, Scharfschütze und Badewanne, zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren.« von Thomas Eblen, im KN am 08. März 2023 >> weiter.

»Eine verrückt gewordene Gesellschaft. Nachrichten aus Gagaland - ein ironisch grotesker Seitenblick. Wenn das Unerträgliche unerträglich wird, müssen wir die Wahrnehmung brechen, um ein wenig Distanz zu gewinnen. Dazu gehört die Ironie, der Sarkasmus oder die Absurdität. Ansonsten bleibt einem nur noch die Depression, so dass wir im Weltschmerz gleichzeitig erfrieren und verglühen.

Somit ist das Lachen, wenn es einem nicht im Hals stecken bleibt, befreiend in dem Sinn das man Abstand gewinnt. Eine beliebte Art die Menschen auf Distanz zu halten, oder ihnen verblümt die Meinung zu sagen. Da wir in einer verrückten Welt leben, muss man mit einer noch verrückteren antworten, neben der viel wichtigeren Wahrhaftigkeit und die damit verbundene Aufklärung.

Die Wissenschaft und die Politik versucht Ordnung in die Sphäre zu bringen, indem sie Gesetze formuliert oder deduktive Ketten der Vernunft beschreibt. Das ist „voll witzig“ denn wer jemals einen Menschen kennengelernt hat, weiß dass sein innerer Haushalt aus Gefühlen und daraus resultierenden Irrationalitäten besteht, wir alle der unheimlichen Kontingenz unterliegen, und versuchen mit unseren eingeschränkten Sinnen, eine Wahrnehmung in eine Festung zu verwandeln, wo der Feind keinen Weg findet uns zu erobern.

Da ist alles möglich. Darum die jetzt noch ironisch überhöhte Sicht die in der Zukunft wirklich werden könnte. Ohne Spaß!« von Thomas Eblen, im KN am 09. Februar 2023 >> weiter.

»Gedanken zu Art und Weise über Kunst und Künstler: Die Kunst, die wieder vonnöten wäre, beginnt bei Selbsterkenntnis und endet in Bewegung. Im Geiste des Hölderlin-Zitats „Komm! ins Offene, Freund!“ Heutzutage wird ja immer zuerst gefragt. Darf ich noch Kinder in die Welt setzen, darf ich noch ein Mann, eine Frau sein, muss ich mich einschränken, darf ich über meine körperlichen Verhältnisse leben, darf ich noch reisen, lieben, schwimmen, anders sein, gleich sein und so weiter und so weiter.

Wenn man Fragen stellt, glaubt man, sie nicht selber beantworten zu können. Deshalb gibt es Experten, die genau dies tun. Doch dies zeugt von einer fast schon degenerierten Eigenwahrnehmung. Thomas Eblen denkt im Geiste des Hölderlin-Zitats „Komm! ins Offene, Freund!“ auf originelle Art und Weise über Kunst und Künstler nach und zeigt dadurch die Leerstellen dieser Zeit.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 08. Februar 2023 >> weiter.

»Unsere Wahrnehmung von Geschwindigkeit, Zeit, Mitmenschen. Der Mensch ist ein Betrüger seiner selbst und betrügt auch die anderen. Die Wiedergewinnung der Langsamkeit.

Wenn wir unseren allzu hektischen und zerrissenen Alltag erfolgreich entschleunigen wollen, brauchen wir vor allem wieder mehr Mut zur Selbstbegegnung. Ja, die Langsamkeit ist ein Phänomen, das wir meistens an anderen wahrnehmen, und zwar wenn wir in Eile sind. Sie ist also dynamisch und von unserer Wahrnehmung abhängig. Dadurch dass wir, zumindest heutzutage, nur die Langsamkeit der anderen wahrnehmen — und zwar als Last, als Ärgernis — merken wir selber nicht, wie schmerzlich wir sie vermissen. Denn jeder Langsamkeit geht ein Grundgefühl voraus, nämlich Zeit zu haben. Also frei über sie verfügen zu können.

Hier nun einige Beispiele, wie sehr uns das heutige Leben unsere verfügbare Zeit raubt. Wir können auf diese Weise gar nicht mehr zu uns selbst kommen. Vielleicht wollen wir es auch gar nicht, denn um uns selbst kennenzulernen, braucht es Zeit. Und Mut!« von Thomas Eblen, im KN am 22.01.2023 >> weiter.

»Unser Wahrnehmungsvermögen und seine Tücken. Paranoia, Unsicherheit, Gruppengefüge, Kontrollzwang und der unsichtbare Feind. Die Angst vor einer nicht greifbaren Gefahr bewirkt, dass sich Menschen nur noch mit einer bedrohlichen Außenwelt beschäftigen, statt sich selbst zu vertrauen.

Da unser Wahrnehmungsvermögen eingeschränkt ist, sehen wir immer nur einen Bruchteil der Wirklichkeit. Hätten wir das Sehvermögen eines Adlers oder den Geruchssinn eines Hundes, würden wir die Welt völlig anders wahrnehmen. Eben weil wir ahnen, dass da mehr ist, als wir überblicken können, macht uns dies unsicher. Deshalb bilden wir uns manchmal vorschnell ein Urteil oder sind angewiesen auf die Einschätzung anderer.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 15. Januar 2023 >> weiter.

»Der Akademikeranteil in der Bevölkerung ist zu hoch. Er lässt eine Gesellschaft in eine destruktive Eigendynamik abgleiten. Das akademische Übergewicht bringt die Gesellschaft ins Ungleichgewicht. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Anteil akademisch ausgebildeter Menschen in der Gesellschaft drastisch erhöht. Man kann es an der deutlich gestiegenen Anzahl Studierender sehen, die sich in Universitäten und Fachhochschulen um einen Abschluss bemühen, um für die höhere Laufbahn in Institutionen und Ministerien oder der Wirtschaft und den Medien bereit zu sein. Manche bleiben auf der Universität, um zu lehren oder Wissenschaft zu treiben; andere gehen in Unternehmen oder in staatliche Institutionen, um dort Karriere zu machen.

Durch das hohe Angebot und die relativ geringe Nachfrage entsteht einerseits ein hoher Leistungsdruck, aber ebenso ein starker Anpassungswille. Hinzu kommt noch die mediale Ehrgeizpropaganda, nach der jeder seines Glückes Schmied sein soll. Man fragt sich: Wozu werden so viele Akademiker gebraucht?« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 12. Januar 2023 >> weiter.

»Das Du im Widerstreit mit dem Ich. Das Du in mir. Auseinandersetzungen in der Außenwelt sind oft nur ein Spiegel der Dialoge, die wir mit Instanzen in uns selbst führen. Unser inneres Geschehen ist überbordend, irrational, emotional und vor allem weltgestaltend. Wir projizieren es auf unser Umfeld. Um uns selbst zu rechtfertigen, verfallen wir in Monologe oder treten mit uns selbst in einen Dialog, um uns entweder zu bestätigen, zu verteidigen oder gar zu zerstören.

Diesem Dialog, in dem das Ich mit dem Du konferiert, geht der Dichter Thomas Eblen nach, indem er Situationen beschreibt, in denen sich dieses Du im Widerstreit mit dem Ich artikuliert. Dabei wird das Ich empfänglich, auch für das, was uns anfällig macht: Angst. Auch politische Verletzungen und Wünsche können auf jenen Kampf zurückgeführt werden, den wir mit dem Gegenüber in uns selbst führen. Eine unpolitische-politische Meditation.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 11. Januar 2023 >> weiter.

»Die echten Gefühle bleiben heute auf der Strecke. Sie werden zum großen Teil künstlich geschaffen. Als Fiatgeld bezeichnet man ein Zahlungsmittel, das aus dem Nichts geschaffen wird. An diesem Prinzip gab es viel Kritik. Doch wie steht es mit den Gefühlen, die über Kino, Fernsehen, die Zeitung und andere Medien auf uns einströmen? Sind diese Gefühle nicht auch aus dem Nichts geschaffen, um uns, die Empfänger, zu manipulieren?

Für eine genauere Betrachtung muss man zwei Sphären unterscheiden, jene der persönlichen Begegnung und die der virtuellen Sphäre. Der Bildschirm ist es, von dem all die Gefühle in unsere Herzen strömen, ohne dass wir uns bewusst sind, was diese mit uns machen.

Echte Gefühle sind keine Wissenschaft, die man lehren oder erlernen kann. Schon gar nicht kann man sie standardisieren, weil sie unmittelbar wirken. Sie haben ihren Nährboden in der unmittelbaren Nähe anderer Menschen. Die Gefühle aus der virtuellen Welt zerstören dagegen diese Nähe. Dazu nachfolgend einige meiner Gedanken.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 7. Januar 2023 >> weiter.

»Szenen sanfter Ausgewogenheit: Bewahren und Festhalten, Veränderung und innere Leere. Ein stiller Beobachter nähert sich in der nötigen Distanz den Menschen. Thomas Eblen, der Dichter aus der Isolierstation, zeigt hier Situationen, denen Menschen ausgesetzt sind und denen sie manchmal berechnend, oft aber nur hilflos gegenüber stehen. Es geht um das Bewahren und Festhalten, um Veränderung und die innere Leere, die dazu führt, dass sich Menschen in unserer Angestelltengesellschaft nur noch verhalten. Sie werden nie zur Person. Am Ende steht noch ein sehr dichter Text — zugegeben eine Zumutung — als Ausklang gedacht.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 5. Januar 2023 >> weiter.

»Die Menschen haben sich in eine Schläfrigkeit begeben. Die Schönheit des Lebendigen scheint vergessen. Der freischaffende Künstler, Dichter, Musiker und Maler Thomas Eblen hat auf die Dichter-Kollegen gewartet, auf ihr Wort zu dieser Zeit. Dieses Wort blieb aus. Und so hat er selber nach diesen Worten gesucht, nach Worten, die vor Augen führen, was in dieser Zeit geschieht. Herausgekommen ist ein essayistischer, mit Bildern durchsetzter Text eines „Außenseiters“, der bei aller Beklemmnis einen Weg aufzeichnet. Wie werden wir mit der Macht, die über uns und in uns ist, fertig? In dem Sinn, dass wir mit ihr leben können?« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 29. Dezember 2022 >> weiter.

»Rückzug aus der Gesellschaft, auf Isolierstation. Zeugnis eines Verzweifelten und zugleich Hoffenden. Hier geht es um einen Menschen, der sich vollkommen aus der Gesellschaft zurückgezogen hat — er ist nur noch Beobachter, der Wahnsinn des Normalen macht ihn ohnmächtig. Er hat viele Möglichkeiten. Er kann sich ausdrücken in Musik, Bild und Sprache. Doch er ist anachronistisch, wie es so schön heißt. Er kann nicht an die heutige Welt andocken, zu hermetisch sind seine Aussagen. Deshalb verharrt er in einem seltsamen Inneren.

Das Äußere überwältigt ihn, ohne ihn zu berühren. Er ist fassungslos. Er ist nicht fähig, Widerstand zu leisten, zu weich ist sein innerer Kern. Er kann nur seine Welt, seinen Sehnsuchtsort, nach außen tragen. Ja, es ist die Reise eines Abenteurers ohne Mut, eines Feiglings, der trotzdem genug Kraft aufbringt, um etwas aus sich selbst heraus zu schaffen, um es der Öffentlichkeit preis zu geben. Hier nun Teile seiner Aufzeichnungen.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 27. Dezember 2022 >> weiter.


► Quelle: Der Artikel erscheint am 16. März 2023 als Erstveröffentlichung bei RUBIKON >> rubikon.news/ >> Artikel. RUBIKON versteht sich als Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung, vertreten durch die Geschäftsführerin Jana Pfligersdorffer. RUBIKON unterstützen >> HIER.

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Bild- und Grafikquellen:

1. Franz Kafka (tschechisch gelegentlich František Kafka, geboren 3. Juli 1883 in Prag, Österreich-Ungarn; gestorben 3. Juni 1924 in Kierling, Österreich) war ein deutschsprachiger Schriftsteller. Foto/Urheber: unbekannt. Quelle1: Kafka-Museum >> https://kafkamuseum.cz/de/fotogalerie/. Quelle2: Wikimedia Commons. Dieses Medium (Bild, Gegenstand, Tondokument, …) ist gemeinfrei, da das Urheberrecht abgelaufen ist und die Autoren anonym sind.

2. Fassadenmalerei zu Ehren von Franz Kafka - Tykocin - Polen. Foto: Adam Jones, Ph.D. / Kelowna, BC / Canada - Associate Professor, Dept. of Political Science, University of British Columbia Okanagan. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) (CC BY-SA 2.0) lizenziert.

Kafkas Schreiben an seinen Vater bezeichnet der Sohn als ein selbstständiges Wegkommen vom Vater. Trotz des Vaters Ablehnung hatte er aber immer wieder – allerdings vergeblich – versucht, dessen Anerkennung zu gewinnen und wollte ihm auch seine Veröffentlichungen nahebringen.

In dem Brief tauchen verschiedene Motive auf, die vorher und nachher auch in Kafkas Literatur erscheinen. Speziell im Urteil treten verwandte Themen auf, die Riesenhaftigkeit des Vaters, seine unberechenbare Unzufriedenheit, auf die der verunsicherte Sohn verbal gar nicht reagieren konnte, und sein absolutes Aburteilen erst der Verlobten, dann des Sohnes. Laut Brief verglich der Vater zweimal Menschen mit widerlichem Ungeziefer – das Thema der Erzählung Die Verwandlung.

Kafkas Werke wurden zum größeren Teil erst nach seinem Tod und gegen seine letztwillige Verfügung von Max Brod veröffentlicht, einem engen Freund und Vertrauten, den Kafka als Nachlassverwalter bestimmt hatte. Kafkas Werke werden zum Kanon der Weltliteratur gezählt. Seine Art der Schilderung von ungewöhnlichen Situationen wird gelegentlich mit dem eigens gebildeten Adjektiv „kafkaesk“ beschrieben.

3. Peter Handke (* 6. Dezember 1942 in Griffen, Kärnten) ist ein österreichischer Schriftsteller und Übersetzer. Er wurde vielfach ausgezeichnet und gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren. Im Jahre 2019 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur zuerkannt. Ab 1996 stellte er sich in den Jugoslawienkriegen wiederholt an die Seite Serbiens und serbischer Nationalisten, was bis in die Gegenwart zu Kontroversen führt. Foto: Peter_Handke_(c) Lillian Birnbaum. Quelle: Flickr. Die Datei ist mir der CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0) lizenziert. 

4. Gertrud Kolmar (Pseudonym für Gertrud Käthe Chodziesner, geboren am 10. Dezember 1894 in Berlin; gestorben vermutlich Anfang März 1943 in Auschwitz) war eine deutsche Lyrikerin und Schriftstellerin. Gertrud Kolmar, von deren Werk zu Lebzeiten relativ wenig erschien, gilt heute als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach eher konventionellen Anfängen fand sie in ihren Gedichten vor allem ab Ende der Zwanzigerjahre zu einem eigenen, unverkennbaren Ton, geprägt von großer sprachlicher Virtuosität und Expressivität, unter gleichzeitiger Beibehaltung traditioneller Formen. In ihrem Werk herrschen Natur- und Frauenthemen vor, oft ins Mystische und Hymnische gesteigert.

Bildbeschreibung: Stolperstein, Gertrud Kolmar, Münchener Straße 18a, Berlin-Schöneberg, Deutschland. Foto: OTFW, Berlin. Quelle: Wikimedia Commons. Die Datei ist mit der CC-Lizenz Diese Datei ist unter den Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ (CC BY-SA 3.0), „2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“ lizenziert.

5. Thomas Eblen bei Aufnahmen in den Bauerstudios Ludwigsburg >> https://www.bauerstudios.de/. Aus diesen Aufnahmen entstand die CD: Spiralen im Luftgespräch. Die CD kann man auf fast allen Streamingdiensten anhören oder direkt beim Künstler erwerben. Foto: Copyright ©️ Thomas Eblen. Das Foto bitte nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Thomas Eblen zur redaktionellen Nutzung veröffentlichen. >> info@thom-eblen.de.