Szenen sanfter Ausgewogenheit
Bewahren und Festhalten, Veränderung und innere Leere
Ein stiller Beobachter nähert sich in der nötigen Distanz den Menschen.
von Thomas Eblen | RUBIKON
Thomas Eblen, der Dichter aus der Isolierstation, zeigt hier Situationen, denen Menschen ausgesetzt sind und denen sie manchmal berechnend, oft aber nur hilflos gegenüber stehen. Es geht um das Bewahren und Festhalten, um Veränderung und die innere Leere, die dazu führt, dass sich Menschen in unserer Angestelltengesellschaft nur noch verhalten. Sie werden nie zur Person. Am Ende steht noch ein sehr dichter Text — zugegeben eine Zumutung — als Ausklang gedacht.
1
Eilenden Schrittes ging er davon. Er hatte gerade telefoniert und erfahren, dass man ihm kündigen wollte. Vierzig Jahre Arbeit lag hinter ihm, hatte ihn geprägt, seinen Körper in Form gebracht, seine Gedanken an den Vorgaben der Firma geschliffen und gespitzt. Nun war es zu Ende. Was ihm sofort einfiel, war, sich auf den Weg zu machen. Er wollte in Bewegung sein, obwohl er sonst ein recht träger Mensch war, seine Frau ihn immer anstoßen musste, damit er sich aus seinem Sessel bequemte.
Doch auf einmal drängte es ihn, Menschen zu sehen, Gebäude, Straßen und vorbeifahrende Autos. Es musste Lärm herrschen und ihm über den Kopf wachsen. Damit das WARUM, das in ihm kreiste wie ein glitzernder Planet, nicht aufbrach, sich ihm gegenüber positionierte und sein ganzes Leben infrage stellte. Ein innerer, fast porös gewordener Zweifel hatte schon immer in ihm genagt. Doch die Zeit, die Notwendigkeit, die Frau und die Kinder wirkten wie Seile, die, um seinen Körper gebunden, ihn am Sprung hinderten. Er wusste zugleich, dass dies nur eine faule Ausrede war. Sie schützte ihn, war ein Gefühl, das sich zwischen fast jedes Wort gedrängt hatte, das er sagte.
In dieser inneren Spannung hatte er sein Erwachsenenleben verbracht. Was er anders machen wollte, war nur eine Ahnung, eine Möglichkeit, eine Sehnsucht. Vielleicht auch nur eine Flucht vor der eigenen Anstrengung, das Leben überhaupt zu meistern. Nun war er auf der Straße, ging immer schneller, so kam es ihm vor, aber auch ruhiger, sah in Gesichter, lächelte ironisch, hob den Kopf und steckte die Nase in den Wind. Auf einmal war er glücklich. Atmete tief durch und begann ein Lied zu singen. Dann setzte er sich auf eine Parkbank, schlug die Beine übereinander und begann zu träumen.
2
Ein junges Mädchen, die Hosen gekürzt bis an den Schritt, die Haare offen, der Blick ein wenig aufgezwungen, aber auch stolz auf Form und Wirkung, geht auf einer Straße. Neben ihr ein Junge. Groß, stattlich anzusehen, schön. In seinen Bewegungen scheint eine Selbstsicherheit heraus, die sich in die Gesten des Mädchens verfängt und in der Zeit ausbildet. Sie lebt in einer sich erfüllenden Ahnung von Liebe.
Ihre Körperlichkeit ist Stachel und Ruhekissen zugleich. Was sie an Gedanken und Blicken auf sich zieht, bewundert sie wie die Körperpflege einer erfahrenen Frau, doch sie spürt auch Unsicherheit und Schwäche. Was sie fühlt, ist nicht nur Stolz und Macht, nein auch die Schlieren der Gewalt, der unberechenbare Trieb vorbei schlendernder alter Männer, deren Schmutz der Erfahrung, deren sich auftürmende Lust, die plötzlich zusammen fallen will, hängt zwischen ihren Wahrnehmungen wie ein abstraktes Gemälde.
Der Junge dagegen ist träumender Schatten. Schlendert leicht und schuldlos neben ihr her. Hat ihre Hand in der seinen. Trocken und warm fühlt sie sich an. Er sucht den Neid der anderen, der ihn erhöht. Findet ihn und bettet seine Gefühle darin. Wie ruhig er schlafen wird. Doch gleichzeitig entsteht eine Verhärtung ihr gegenüber. Sein Gefühl für ihre Schönheit verflacht. Was sie sich gegenseitig als Liebe erklärt hatten, raschelt schon wie Seidenpapier, mit dem man zerbrechliches Geschirr einpackt.
Er würdigt sie nicht mehr so, wie sie es fühlen will. Auch sie hat ihn nur genommen, wie man ein Kleid von der Stange nimmt, weil man Farbe und Form liebt. Oft streicht sie es glatt, wenn es Falten wirft, oft fährt sie mit den Händen über die Hüfte, um es eng zu machen, oft sucht sie es nach Flecken ab. Irgendwann wird sie aus einem Zufall heraus sich in einem Spiegel sehen und sich wundern darüber, weshalb sie so ein hässliches Kleid habe kaufen können. Sie wird es wohl in eine Kleidersammlung geben. Er dagegen wird sich eines Tages beruhigt in die Fänge anderer Mädchen legen.
3
Er referierte über Verhandlungstaktik. Irgendwann wurde ihm eine Frage gestellt. Darin ein Wort, das ihn lachen ließ. Laut und schallend. Einer zerbrochenen Maske gleich, hatte er die Fassung verloren. Erwartbar für ihn, war es gewesen, dass dieses Wort fallen würde, gerade da er im Vertrieb eines Pharmakonzernes arbeitete, einem Grenzgebiet des Erträglichen. Aber an den Augen und dem starren, festgefrorenen Lachen war auch die Hoffnung, dass der Krug noch einmal an ihm vorüber ginge, abzulesen. Ein wenig schwebend schien er, angespannt in seiner Schauspielerei. Dann entspannte er sich wieder, weil er wusste, wie er antworten musste.
Schlimmer für ihn war gewesen, dass er hoffte, das Wort nicht hören zu müssen, obwohl er gut vorbereitet war. Das laute unverhohlene auffallende Lachen blieb und er führte es, wenn er es brauchte, wieder auf. Wenn er andere aufgrund seiner Fachlichkeit beurteilte und kritisierte, klang dieses Lachen besonders erniedrigend und kalt. Die eigene Überhöhung bedeute für ihn eine Entlastung, in einem Ton, der einem musikalischen Menschen zuwider wäre.
Das Wort, im Übrigen, das er nicht hören wollte, hieß „Moral“. Sein Partner war flink und klein. Ein Professor der Jurisprudenz, der die Argumentationslinie von Verhandlungen darzulegen hatte. (Es habe ihn hierher verschlagen, sagte er des Öfteren, eigentlich hätte er genügend anderes zu tun, aber so ein netter Nebenverdienst sei ja auch nicht ohne und lachte verstockt, fast würgend, als müsse er sich für irgendetwas entschuldigen.)
Der Körper nach vorne strebend und den Zwang, sich unter Kontrolle zu halten, sah man seinem Gesicht an. Verspannt war es und hart.
Höchste Verunsicherung bei gleichzeitiger Überheblichkeit (er beklagte sich einmal über sein „schlechtes Gehalt“ als Professor). Leistungsorientiert und gewissenhaft, das war ihm Fassade genug. Dass was er vortrug, war ihm völlig gleichgültig und um die Waage zu halten, fuhr er intellektuelles Geschütz auf. Immanuel Kant und René Descartes oder Niklas Luhmann.
Ziemliches Unverständnis bei den Zuhörern. Dann Szenen (Rollenspiele) die seine Unsicherheit noch verstärkten. Keine Basis, nirgends. Alles nur Form und Struktur ohne jede Tiefe oder Verankerung. Alleine die Überheblichkeit und die darin mitschwingende Angst hielt ihn auf Kurs. Käme ein Wind unerwartet aus einer anderen Richtung, würde alles weggeblasen und er stünde alleine da.
Thomas Eblen, Ditzingen-Heimerdingen >> info@thom-eblen.de
P.S.: Ich freue mich auf neue Kontakte, ziert Euch nicht und schreibt mir. Lest bitte auch meine weiteren Artikel, die Ihr hier weiter unten aufgelistet findet.
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Thomas Eblen, Jahrgang 1962, ist Handwerksmeister und hat 30 Jahre mit psychisch kranken Menschen gearbeitet. Jetzt ist er freischaffender Künstler, Dichter, Musiker und Maler. Er betreibt den Podcast „Dichterseele“ auf Spotify, wo man seine Musik und Texte hören kann. Er hat eine CD mit eigener Klaviermusik herausgebracht. Sie heißt „Spiralen im Luftgespräch“. Man kann sie auf den meisten Streamingdiensten hören und beim Künstler erwerben.
Weitere Informationen unter thom-eblen.de.
»Zumutungen sollen nicht Abwehr, sondern Neugier erzeugen. Auf der Isolierstation (III).
Vorbem. Manova-Red.: "Im Literatur-Salon von Manova (vormals Rubikon) soll ab und zu auch Platz für Texte sein, welche Erkenntnisse über den Menschen und das Menschenmögliche, über Kommunikation und Isolation, über die „Condition humaine“ (Bedingungen oder Umstände des Menschseins) experimentell aus der Sprache herausdestilliert. Platz für Texte, die verstören. Hier ist ein solcher Text. Viel wird über Spirituelles und Seele und Selbstfindungen theoretisiert ― dieser Text kommt von der anderen Seite her.
Er ist eine gelebte, in Sprache gesetzte Vision in verschiedenen Teilen, die wohl besser als Impressionen zu bezeichnen sind. Aus dem Innern, aus einem Konzert, aus einem Restaurant. Gedanken schießen durch den Kopf. Ungehindert, auch politisch, eine kurze klare Reflexion inbegriffen. Am besten laut lesen, langsam ― ein Tropfen Rotwein kann förderlich sein. Das Licht nicht zu grell."
T. Eblen: Dicke Wand: Liege da, schwimme auf meinem eigenen Horizont. Die Nase, um das Atmen zu gewährleisten, versucht sich durch das eigene Medium zu drücken, damit sie Luft bekommt. Die Arme winden sich, sie halten den Körper in der Waagrechten. Der Blick geht nach oben und sieht nichts. Als ob ich in einem Gewässer läge. Früher schon war mein Blick liegend am sehnsüchtigsten.
Ist er es jetzt auch? . . Zumindest bin ich unauffindbar oder auch unauflösbar.
Es gibt Menschen, die mich begreifen, aber die Unzahl derer, die vor mir eine dicke Wand bilden, scheint übermächtig. Sie lieben keine Geheimnisse. Man hat sie niemals aufgeklärt. In der Klarheit der Argumentation, oder der Prosa erinnerter Schulaufsätze, ist alles so einfach. Führt zu nichts, bleibt eine Kreisbewegung, hat keinen Zug in die Tiefe. Diese Tiefe ist mein Schatz, den ich zugleich heben und küssen will. Ich begehre ihn. . . Wäre er nur weiblich.« Von Thomas Eblen, im KN am 22. Juni 2023 >> weiter.
»Facetten des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Gesellschaft. Die Möchtegern-Proletarier. Vorbemerkung der Manova-Red.: Versuche, Intellektuelle und Arbeiter zusammenzubringen, gibt es schon lange ― meist scheitern sie, weil sich beide Milieus zutiefst fremd geblieben sind. Thomas Eblen, ein Arbeiterkind zeit seines Lebens, beleuchtet in einem essayistischen Streifzug Facetten des Verhältnisses zwischen Arbeitern und Gesellschaft. Er zeigt insbesondere, dass das „Proletariat“ überwiegend für akademische Theorien instrumentalisiert wird, selbst aber keine eigene Stimme bekommt. Intellektuelle linker Ausrichtung sprechen mit Vorliebe über, selten aber mit Arbeitern. In der Widerstandsbewegung, die mit Corona aufgekommen ist, droht sich dieses Muster zu wiederholen.
Thomas Eblen: Ich stamme aus dem Milieu der Arbeiter und bin dortgeblieben. Doch wer sind eigentlich die Arbeiter. Sie werden von der Intelligenz, so nenne ich die Deutungsmacht, definiert und instrumentalisiert für ihre Theorien. Mit ihnen wird kaum gesprochen, geschweige denn, dass sie Platz bekämen im Debattenraum. Besonders enttäuschend für mich ist, dass auch die freien Medien nicht in der Lage sind, mit ihnen wirklich in einen Dialog zu treten beziehungsweise ihnen eine Stimme zu geben.
Es scheint mir, kritische Kreise würden die Arbeiter lediglich brauchen für den Fall, dass es eskaliert, da die Arbeiter bei weitem die größte gesellschaftliche Gruppe ausmachen, also den Gesellschaftskörper bilden, während die Intellektuellen meist nur Einflüsterer sind. Aber zu Macht sollen Arbeiter nicht kommen, das soll in der Hand der sogenannten Eliten bleiben. Oder interpretiere ich das falsch? Dazu einige Anmerkungen. « Von Thomas Eblen, im KN am 16. Juni 2023 >> weiter.
»Drei Menschen und die Auswege aus ihren Miseren. Verwandlung als Rettungsversuch. Die Poetik-Ecke XVI skizziert am Beispiel von Franz Kafka, Peter Handke und Gertrud Kolmar, wie Menschen Auswege aus ihren Miseren suchen, indem sie eine Gegenwelt auffächern.
„Der du dies liest, gib acht; denn sieh, du blätterst einen Menschen um.“ Dieses Zitat stammt von der deutschen Lyrikerin und Schriftstellerin Gertrud Kolmar. Thomas Eblen beleuchtet in der Poetik-Ecke XVI drei Künstler, die ihr Schicksal und ihr Leben in unaufgeregte, aber betörende Bilder, Räume, ja Welten verwandelt haben. Die Möglichkeit der Verwandlung ist einer der großen Vorzüge des Menschen.« Von Thomas Eblen, im KN am 16. März 2023 >> weiter.
»Massenverkasperungen durch Politik, Wirtschaft und Medien. Irgendwo lauert der Irrsinn! Nachrichten aus Gagaland Teil 2 - ein ironisch grotesker Seitenblick. Politik: Der neue Verteidigungsminister hat ein innovatives Waffensystem in Auftrag gegeben. Schon seine Vorgängerin war darüber informiert, zögerte allerdings zu lange, was, so aus gemieteten Kreisen, ein Grund für den Rücktritt in voller Länge war. Der Arbeitstitel heißt 'Wespe Maya'. Ein Zwitter zwischen Angriff und Verharmlosung, Scharfschütze und Badewanne, zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren.« von Thomas Eblen, im KN am 08. März 2023 >> weiter.
»Eine verrückt gewordene Gesellschaft. Nachrichten aus Gagaland - ein ironisch grotesker Seitenblick. Wenn das Unerträgliche unerträglich wird, müssen wir die Wahrnehmung brechen, um ein wenig Distanz zu gewinnen. Dazu gehört die Ironie, der Sarkasmus oder die Absurdität. Ansonsten bleibt einem nur noch die Depression, so dass wir im Weltschmerz gleichzeitig erfrieren und verglühen.
Somit ist das Lachen, wenn es einem nicht im Hals stecken bleibt, befreiend in dem Sinn das man Abstand gewinnt. Eine beliebte Art die Menschen auf Distanz zu halten, oder ihnen verblümt die Meinung zu sagen. Da wir in einer verrückten Welt leben, muss man mit einer noch verrückteren antworten, neben der viel wichtigeren Wahrhaftigkeit und die damit verbundene Aufklärung.
Die Wissenschaft und die Politik versucht Ordnung in die Sphäre zu bringen, indem sie Gesetze formuliert oder deduktive Ketten der Vernunft beschreibt. Das ist „voll witzig“ denn wer jemals einen Menschen kennengelernt hat, weiß dass sein innerer Haushalt aus Gefühlen und daraus resultierenden Irrationalitäten besteht, wir alle der unheimlichen Kontingenz unterliegen, und versuchen mit unseren eingeschränkten Sinnen, eine Wahrnehmung in eine Festung zu verwandeln, wo der Feind keinen Weg findet uns zu erobern.
Da ist alles möglich. Darum die jetzt noch ironisch überhöhte Sicht die in der Zukunft wirklich werden könnte. Ohne Spaß!« von Thomas Eblen, im KN am 09. Februar 2023 >> weiter.
»Gedanken zu Art und Weise über Kunst und Künstler: Die Kunst, die wieder vonnöten wäre, beginnt bei Selbsterkenntnis und endet in Bewegung. Im Geiste des Hölderlin-Zitats „Komm! ins Offene, Freund!“ Heutzutage wird ja immer zuerst gefragt. Darf ich noch Kinder in die Welt setzen, darf ich noch ein Mann, eine Frau sein, muss ich mich einschränken, darf ich über meine körperlichen Verhältnisse leben, darf ich noch reisen, lieben, schwimmen, anders sein, gleich sein und so weiter und so weiter.
Wenn man Fragen stellt, glaubt man, sie nicht selber beantworten zu können. Deshalb gibt es Experten, die genau dies tun. Doch dies zeugt von einer fast schon degenerierten Eigenwahrnehmung. Thomas Eblen denkt im Geiste des Hölderlin-Zitats „Komm! ins Offene, Freund!“ auf originelle Art und Weise über Kunst und Künstler nach und zeigt dadurch die Leerstellen dieser Zeit.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 08. Februar 2023 >> weiter.
»Unsere Wahrnehmung von Geschwindigkeit, Zeit, Mitmenschen. Der Mensch ist ein Betrüger seiner selbst und betrügt auch die anderen. Die Wiedergewinnung der Langsamkeit.
Wenn wir unseren allzu hektischen und zerrissenen Alltag erfolgreich entschleunigen wollen, brauchen wir vor allem wieder mehr Mut zur Selbstbegegnung. Ja, die Langsamkeit ist ein Phänomen, das wir meistens an anderen wahrnehmen, und zwar wenn wir in Eile sind. Sie ist also dynamisch und von unserer Wahrnehmung abhängig. Dadurch dass wir, zumindest heutzutage, nur die Langsamkeit der anderen wahrnehmen — und zwar als Last, als Ärgernis — merken wir selber nicht, wie schmerzlich wir sie vermissen. Denn jeder Langsamkeit geht ein Grundgefühl voraus, nämlich Zeit zu haben. Also frei über sie verfügen zu können.
Hier nun einige Beispiele, wie sehr uns das heutige Leben unsere verfügbare Zeit raubt. Wir können auf diese Weise gar nicht mehr zu uns selbst kommen. Vielleicht wollen wir es auch gar nicht, denn um uns selbst kennenzulernen, braucht es Zeit. Und Mut!« von Thomas Eblen, im KN am 22.01.2023 >> weiter.
»Unser Wahrnehmungsvermögen und seine Tücken. Paranoia, Unsicherheit, Gruppengefüge, Kontrollzwang und der unsichtbare Feind. Die Angst vor einer nicht greifbaren Gefahr bewirkt, dass sich Menschen nur noch mit einer bedrohlichen Außenwelt beschäftigen, statt sich selbst zu vertrauen.
Da unser Wahrnehmungsvermögen eingeschränkt ist, sehen wir immer nur einen Bruchteil der Wirklichkeit. Hätten wir das Sehvermögen eines Adlers oder den Geruchssinn eines Hundes, würden wir die Welt völlig anders wahrnehmen. Eben weil wir ahnen, dass da mehr ist, als wir überblicken können, macht uns dies unsicher. Deshalb bilden wir uns manchmal vorschnell ein Urteil oder sind angewiesen auf die Einschätzung anderer.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 15. Januar 2023 >> weiter.
»Der Akademikeranteil in der Bevölkerung ist zu hoch. Er lässt eine Gesellschaft in eine destruktive Eigendynamik abgleiten. Das akademische Übergewicht bringt die Gesellschaft ins Ungleichgewicht. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Anteil akademisch ausgebildeter Menschen in der Gesellschaft drastisch erhöht. Man kann es an der deutlich gestiegenen Anzahl Studierender sehen, die sich in Universitäten und Fachhochschulen um einen Abschluss bemühen, um für die höhere Laufbahn in Institutionen und Ministerien oder der Wirtschaft und den Medien bereit zu sein. Manche bleiben auf der Universität, um zu lehren oder Wissenschaft zu treiben; andere gehen in Unternehmen oder in staatliche Institutionen, um dort Karriere zu machen.
Durch das hohe Angebot und die relativ geringe Nachfrage entsteht einerseits ein hoher Leistungsdruck, aber ebenso ein starker Anpassungswille. Hinzu kommt noch die mediale Ehrgeizpropaganda, nach der jeder seines Glückes Schmied sein soll. Man fragt sich: Wozu werden so viele Akademiker gebraucht?« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 12. Januar 2023 >> weiter.
»Das Du im Widerstreit mit dem Ich. Das Du in mir. Auseinandersetzungen in der Außenwelt sind oft nur ein Spiegel der Dialoge, die wir mit Instanzen in uns selbst führen. Unser inneres Geschehen ist überbordend, irrational, emotional und vor allem weltgestaltend. Wir projizieren es auf unser Umfeld. Um uns selbst zu rechtfertigen, verfallen wir in Monologe oder treten mit uns selbst in einen Dialog, um uns entweder zu bestätigen, zu verteidigen oder gar zu zerstören.
Diesem Dialog, in dem das Ich mit dem Du konferiert, geht der Dichter Thomas Eblen nach, indem er Situationen beschreibt, in denen sich dieses Du im Widerstreit mit dem Ich artikuliert. Dabei wird das Ich empfänglich, auch für das, was uns anfällig macht: Angst. Auch politische Verletzungen und Wünsche können auf jenen Kampf zurückgeführt werden, den wir mit dem Gegenüber in uns selbst führen. Eine unpolitische-politische Meditation.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 11. Januar 2023 >> weiter.
»Die echten Gefühle bleiben heute auf der Strecke. Sie werden zum großen Teil künstlich geschaffen. Als Fiatgeld bezeichnet man ein Zahlungsmittel, das aus dem Nichts geschaffen wird. An diesem Prinzip gab es viel Kritik. Doch wie steht es mit den Gefühlen, die über Kino, Fernsehen, die Zeitung und andere Medien auf uns einströmen? Sind diese Gefühle nicht auch aus dem Nichts geschaffen, um uns, die Empfänger, zu manipulieren?
Für eine genauere Betrachtung muss man zwei Sphären unterscheiden, jene der persönlichen Begegnung und die der virtuellen Sphäre. Der Bildschirm ist es, von dem all die Gefühle in unsere Herzen strömen, ohne dass wir uns bewusst sind, was diese mit uns machen.
Echte Gefühle sind keine Wissenschaft, die man lehren oder erlernen kann. Schon gar nicht kann man sie standardisieren, weil sie unmittelbar wirken. Sie haben ihren Nährboden in der unmittelbaren Nähe anderer Menschen. Die Gefühle aus der virtuellen Welt zerstören dagegen diese Nähe. Dazu nachfolgend einige meiner Gedanken.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 7. Januar 2023 >> weiter.
»Szenen sanfter Ausgewogenheit: Bewahren und Festhalten, Veränderung und innere Leere. Ein stiller Beobachter nähert sich in der nötigen Distanz den Menschen. Thomas Eblen, der Dichter aus der Isolierstation, zeigt hier Situationen, denen Menschen ausgesetzt sind und denen sie manchmal berechnend, oft aber nur hilflos gegenüber stehen. Es geht um das Bewahren und Festhalten, um Veränderung und die innere Leere, die dazu führt, dass sich Menschen in unserer Angestelltengesellschaft nur noch verhalten. Sie werden nie zur Person. Am Ende steht noch ein sehr dichter Text — zugegeben eine Zumutung — als Ausklang gedacht.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 5. Januar 2023 >> weiter.
»Die Menschen haben sich in eine Schläfrigkeit begeben. Die Schönheit des Lebendigen scheint vergessen. Der freischaffende Künstler, Dichter, Musiker und Maler Thomas Eblen hat auf die Dichter-Kollegen gewartet, auf ihr Wort zu dieser Zeit. Dieses Wort blieb aus. Und so hat er selber nach diesen Worten gesucht, nach Worten, die vor Augen führen, was in dieser Zeit geschieht. Herausgekommen ist ein essayistischer, mit Bildern durchsetzter Text eines „Außenseiters“, der bei aller Beklemmnis einen Weg aufzeichnet. Wie werden wir mit der Macht, die über uns und in uns ist, fertig? In dem Sinn, dass wir mit ihr leben können?« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 29. Dezember 2022 >> weiter.
»Rückzug aus der Gesellschaft, auf Isolierstation. Zeugnis eines Verzweifelten und zugleich Hoffenden. Hier geht es um einen Menschen, der sich vollkommen aus der Gesellschaft zurückgezogen hat — er ist nur noch Beobachter, der Wahnsinn des Normalen macht ihn ohnmächtig. Er hat viele Möglichkeiten. Er kann sich ausdrücken in Musik, Bild und Sprache. Doch er ist anachronistisch, wie es so schön heißt. Er kann nicht an die heutige Welt andocken, zu hermetisch sind seine Aussagen. Deshalb verharrt er in einem seltsamen Inneren.
Das Äußere überwältigt ihn, ohne ihn zu berühren. Er ist fassungslos. Er ist nicht fähig, Widerstand zu leisten, zu weich ist sein innerer Kern. Er kann nur seine Welt, seinen Sehnsuchtsort, nach außen tragen. Ja, es ist die Reise eines Abenteurers ohne Mut, eines Feiglings, der trotzdem genug Kraft aufbringt, um etwas aus sich selbst heraus zu schaffen, um es der Öffentlichkeit preis zu geben. Hier nun Teile seiner Aufzeichnungen.« von Thomas Eblen | RUBIKON, im KN am 27. Dezember 2022 >> weiter.
► Quelle: Der Artikel erschien am 10. März 2022 (2022!) als Erstveröffentlichung bei RUBIKON >> rubikon.news/ >> Artikel. RUBIKON versteht sich als Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung, vertreten durch die Geschäftsführerin Jana Pfligersdorffer. RUBIKON unterstützen >> HIER.
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1. Menschen sind Situationen ausgesetzt, und denen sie manchmal berechnend, oft aber nur hilflos gegenüber stehen. Es geht um das Bewahren und Festhalten, um Veränderung und die innere Leere, die dazu führt, dass sich Menschen in unserer Angestelltengesellschaft nur noch verhalten. Sie werden nie zur Person. Seelenschmerz und Depression sind häufig Folgen einer zunehmend entmenschlichten und verrohenden Gesellschaft. Foto: whoismargot / Małgorzata Tomczak, Bielsko-Biała. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
2. Mann auf einer Parkbank, nachdenkend und träumend. Foto: MabelAmber / Magel Amber. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
3. Selbstbetrachtung im Spiegel: Eine Frau betrachtet sich in einem Spiegel. Foto: whitedaemon / Alexandr Ivanov, Русский / Russland. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Foto.
4. Als Moral wird der Teil der Handlungskonventionen bzw. -regeln bezeichnet, deren Befolgung im zwischenmenschlichen Miteinander als "gut"/"richtig" und deren Nichtbefolgung als "böse"/"falsch" bewertet wird. Der deutsche Ausdruck „Moral“ geht über das französische morale auf das lateinische moralis (die Sitte betreffend; lateinisch: mos, mores Sitte, Sitten) zurück, das im von Cicero neugeprägten Ausdruck philosophia moralis als Übersetzung von êthikê (Ethik) verwendet wird.
Moral beschrieb ursprünglich vor allem, wie Menschen faktisch handeln und welches Handeln in bestimmten Situationen erwartet bzw. für richtig gehalten wird. Dieser deskriptive Bedeutungsaspekt einer Moral wird auch als Sittlichkeit oder Ethos bezeichnet und umfasst „regulierende Urteile und geregelte Verhaltensweisen“, ohne dass die rationale oder moraltheoretische Rechtfertigung derselben beurteilt oder bewertet wird. Eine solche Beurteilung wird als „Reflexionstheorie der Moral“ oder „Ethik“ bezeichnet.
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