Postwachstumsökonomie (Degrowth)
Wie eigentliche Probleme ausgeblendet werden
von Christian Jakob
E-Mobilität, CO2-Abgabe, Klimawandel... Diese Schlagworte sind aktuell in aller Munde. Nicht zuletzt durch den medial weit verbreiteten Appell eines 16-jährigen Mädchens aus Schweden und die daraus resultierende Schülerbewegung „Fridays for Future“, hat das Thema mittlerweile auch Wirtschaft und Politik in den höchsten Kreisen erreicht. Es haben sich verschiedene Lager gebildet und die Debatte ist allgegenwärtig. Jede Seite weist auf ihre Spezialisten und Experten hin, die Medien schaukeln vieles hoch und bedienen sich dabei an Aussagen und Texten, die teilweise völlig sinnfrei und entfremdet wiedergeben werden, oder die komplett aus dem eigentlichen Kontext gerissen worden sind. Und jeder Politiker gibt sofort ein Statement ab sobald auch nur ein Mikrofon oder eine Kamera in ihrem Dunstkreis auftaucht.
Das fatale daran ist, das die eigentlichen, wirklichen Probleme des 21. Jahrhunderts dabei völlig auf der Strecke bleiben und dem breiten Diskurs weichen.
► Wachstumsexzesse
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten ca. 850 Mio. Menschen auf diesem Planeten. Durch die Industrialisierung mit ihrem Ursprung im keynesianischen England wuchs neben der Produktivität in den Fabriken und Betrieben nicht nur der gesellschaftliche Wohlstand, sondern auch die Weltbevölkerung nahm stark zu. In einem Zeitraum von etwas mehr als 200 Jahren sprang die Anzahl der Menschen auf der Erde durch höhere Lebenserwartungen (verbesserte Hygiene, Gesundheitswesen, Arbeitsbedingungen etc.), bessere Bildung und größer werdenden Anteil am Sozialleben auf ca. 7,7 Mrd. (Stand 2018) Menschen an - in jeder Sekunde wächst die Weltbevölkerung um 2,6 Menschen. Gleichzeitig erhöhte sich allerdings neben dem Verbrauch an Rohmaterialien und die daraus erstellten Güter ebenso der Energiebedarf und die Mobilität.
Zwar gab es in diesen 200 Jahren immer wieder neue, technische Innovationen und Entwicklungen, die Arbeitsabläufe erleichterten, Ressourcenverarbeitungen effizienter und kostengünstiger machten und die Mobilität immer weiter individualisierten und beschleunigten, jedoch ging man immer von der gleichen Prämisse dabei aus - es ist von allem genug da. Schon 1972 wurde der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“, eine Studie des MIT (Massachusetts Institute of Technology) im Auftrag des Club of Rome veröffentlicht, daß ein stetiges wirtschaftliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht möglich ist. Und dennoch ging es immer höher, immer schneller und immer weiter voran, als gäbe es kein Morgen mehr. Letztendlich siegte die Gier über die Vernunft.
Es mag vielleicht die romantische Wunschvorstellung gewesen sein, das ein jeder ein Anrecht auf gewisse Produkte oder Dienstleistungen haben dürfe, jedoch kann man eher davon ausgehen, das in erster Linie auf den Konsumenten als Einnahmequelle gezielt wurde, um weitere Gewinne zu erwirtschaften. Unterstützung vom ewigen Wachstum kommt seit Jahren aus der Politik. „Wirtschaft, Wachstum, Wohlstand“ lautet das gebetsmühlenartige neoliberale Mantra welches als Hauptargument für jegliche Entscheidung hergenommen wird. Wachstum bedeutet Arbeitsplätze, Arbeitsplätze bieten Wohlstand, und dieser konsumiert in der Wirtschaft. Ein immer blühender und unerschöpflicher Kreislauf. Und so verwundert es niemanden mehr, daß erst auf die Umwelt Rücksicht genommen werden kann, wenn das Mantra stimmt.
Nach dieser Prämisse wurden damalige Luxusgüter, die wir heute als unverzichtbare Selbstverständlichkeit betrachten, in Massen hergestellt. In der Mitte des 20. Jahrhunderts war es im Gegensatz zu heute nicht allgemein verbreitet, das jeder Haushalt ein Auto, einen Fernseher oder ein Telefon hatte. Oder das man 7 Tage in der Woche mindestens einmal Fleisch auf seinem Essensplan stehen hätte. Heute hingegen wäre das Fehlen solcher Produkte oder Nahrungsmittel für die Meisten fast undenkbar. Durch die stetig weiterentwickelte Form der Mobilität fielen geografische Grenzen, ehemals weiter entfernte Reise- und Handelsziele waren in Kürze erreiche - die Welt rückte geographisch zusammen. Wo Großvater noch selbstfahrend mit dem Auto im Tessin oder dem Bayrischen Wald Urlaub machte, reicht es heute schon fast nicht mehr bis zu den Malediven, um von Urlaub sprechen zu dürfen. Pauschalreisen, Kreuzfahrten, Langstreckenflüge über Kontinente hinweg sind heutzutage Normalzustand und Allgemeinbegriff.
Aus dieser Form der Massenproduktion wurde in vielen Bereichen eine Überproduktion. Aus vormals nachhaltig und langlebig produzierten Waren und Gütern wurden Wegwerfprodukte und Gebrauchsartikel, die z.T. durch geplante Obsoleszenz vorzeitig kaputtgehen. Reiseziele die sich über den gesamten Erdball erstrecken und den Flug- und Schiffsverkehr jedes Jahr zu neuen Superlativen in ihrer Expansion treiben lassen. Parallel zum Energie- und Ressourcenverbrauch stiegen auch Müll und Schrott im gleichen Maße an. Findige Geschäftsleute schufen mit der Müllwirtschaft sogar einen ganzen Industrie- und Dienstleistungszweig.
Es wurde zur Normalität das nicht nur der Planet systematisch ausgebeutet, sondern dieser gleichzeitig auch noch mit Unrat zugedeckt wurde. Und das in immer schneller werdender ausufernder Art und Weise. Wer sich heute auf seinen Selbstfindungstrip mit Aloe-Vera-Behandlung nach Indien begibt, läuft Gefahr, daß ihm im zweitgrößten durch Abwässer und Schadstoffe extrem belasteten Fluss, dem Ganges, die eigene Verpackung oder Plastikflasche entgegenschwimmt, die er zuvor im heimischen deutschen Haushalt nach guter Art und Sitte "fachgerecht" entsorgt hatte. Den jeweiligen Herstellern und Dienstleistern scheint dies egal zu sein, Hauptsache Umsatz und Profite stimmen. Es ist längst offensichtlich das es ein folgenschwerer Fehler ist, so zu wirtschaften.
Der Verbraucher trägt durch seinen schier zügel- und hemmungslosen Konsum einen wesentlichen Teil zu dieser Misere bei. Dabei wird er als HOMO CONSUMENS Teil der Konsumkette. Diese besteht aus den Elementen Rohstoffe/Energie, Warenproduktion, Warenverteilung, Verkehr/Handel, Kaufentscheidung, Gebrauch und Verbrauch und - last but not least - Entsorgung, Müllproduktion.
Aus dem wertgeschätzten Sonntagsbraten im Kreise der Familienmitglieder wurde ein Alltagsgericht, Hauptsache es geht schnell, ist billig und macht satt. Aus einem Fortbewegungsmittel wurde ein Statussymbol, aus einem Festnetz-Telefonanschluss ein Multimedia-Datenkanal. Wer früher eine Kerze anzündete, hatte Licht im Wohnraum. Wer heute eine Kerze anzündet, hat bestensfalls ein romantisches Date beim Candlelight-Diner. War früher das Zufußgehen die normalste Fortbewegungsart, fällt sie heute unter den Lifestyle-Begriff "Walking". Aus dem einst teilw. beschwerlichen aber beschaulicheren Leben tauchen Begriffe wie "Nachhaltigkeit" (engl.: "sustainability") sehr selten im Vokabular auf. Handy defekt - neues kaufen. 50.000 km auf dem Tachostand, neuer Wagen. Mindesthaltbarkeitsdatum getroffen, lieber wegwerfen. Was man dem Industrie- und Dienstleistungsgewerbe vorwerfen darf, kann und muss man in gleicher Form auch dem Konsumenten unter die Nase reiben. Da hilft es nur äußerst marginal, wenn Produkte mit Fairtrade-Siegel im Reformhaus oder vom Biohof mit einem 2½ Tonnen schweren Familien-SUV rangekarrt werden. Für das eigene Gewissen mag das noch funktionieren, nicht jedoch für die belastete Umwelt und den Ressourcenfraß.
► Ein Loch ist im Eimer
Aktuell wird ein regelrechter Hype um das E-Auto betrieben. Viele Befürworter sprechen sich für Elektrofahrzeuge aus und glauben daran, daß durch diese Maßnahme viel gewonnen wäre. Was aber bei dieser ganzen Diskussion vergessen wird ist die Tatsache, daß solche Fahrzeuge ebenfalls aus irgendeinem Material gebaut werden müssen. Vom aufwendigen, teuren Batterierecyling der Lithium-Ionen-Akkus mal abgesehen, werden Rohstoffe wie Nickel, Kobalt, Kupfer und Lithium immer knapper und damit teurer. Sie werden z.T. unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen gefördert. (> hier und hier und hier). E-Autos darf man nach heutigem Technikstand als "fahrbarer Sondermüll" bezeichnen.
Bildlich gesprochen hat der Mensch vor 100 Jahren einen Eimer Wasser angebohrt und daraus etwas produziert. Irgendwann ging das Wasser im Eimer zur neige und so musste eine Alternative gefunden werden. Und was macht der Mensch mit dieser Erkenntnis? Er klebt das Loch zu und bohrt ein neues, in der Hoffnung, daß jetzt wieder genug Wasser im Eimer vorhanden ist. Dieses unlogische Verhalten lässt sich heute in vielen Bereichen erkennen. Es werden Alternativen versucht und angeschoben, die lediglich auf die Symptome zielen, daß eigentliche Problem jedoch nicht lösen können.
Auch in der Landwirtschaft geht der Mensch davon aus, daß bei ökologischer Anbauweise das Problem schon gelöst wäre. Das die wichtigen Humusschichten der Erde mittlerweile dermaßen verdichtet und ausgelaugt sind, weil durch Getreidearten wie Raps oder Soja, die für Treibstoffe zweckentfremdet werden, die Biodiversität den Bach runter geht, begreift der Verbraucher anscheinend nicht. Und das die Grundwasservorkommen in Deutschland zu einem Viertel mit Schadstoffen belastet sind, weil keiner mehr weiß wo man mit der ganzen Gülle hin soll, und bei immer intensiveren Nutzung der Böden teilweise nur noch durch massiven Düngereinsatz und anderen chemischen Mittel auf den Feldern etwas wächst, bedenkt der Konsument ebensowenig.
Landwirte setzen oft auf Monokulturen, weil sie sonst für verschiedene Pflanzen verschiedene Erntemaschinen anschaffen müssten. Außerdem können sie sich so auf die Pflanze spezialisieren, die in der Region am besten wächst – nicht auch noch auf die Zweit- und Drittbeste. Landwirte können so eine größere Ernte gewinnbringender vermarkten als kleine Mengen. Statt die Massentierhaltung und die damit verbundene Agrarflächennutzung zu verkleinern und gleichzeitig den Konsum von Fleisch zu verringern, wird ein sogenanntes Ökosiegel auf die Verpackung geklebt und das war`s erstmal.
Vor kurzem wurde ein Autobahnabschnitt der A5 in Hessen feierlich eingeweiht. An ihr stehen Oberleitungsmasten, die in naher Zukunft E-LKW mit Strom versorgen sollen. Und auch hier gilt: gut gewollt, Ziel verfehlt! In erster Linie könnte man damit argumentieren, daß die E-LKW ja erst noch gebaut werden müssten, um diese Art von Trasse nutzen zu können, aber selbst wenn diese E-LKW bereits gebaut wären, würde sich nichts am Problem ändern. Der eigentliche, nicht beachtete Fehler findet sich im Individualverkehr wieder. Statt die schon heute durch den Schwerlastverkehr völlig überlasteten und vollgestopften Autobahnen zu entlasten, indem man den Transport auf die Bahn umlenkt, wird solch eine Fehlentscheidung als Fortschritt angesehen. Dümmer geht`s halt immer.
Mittlerweile hat es die Menschheit sogar vollbracht, einen neuen Kontinent zu erschaffen. Im Pazifik hat sich eine aus Plastikmüll bestehende Masse von der Größe Indiens gebildet, die täglich an Masse zunimmt. Die Plastikvermüllung des Mittelmeeres zeigt ebenfalls erschreckend Ausmaße. Dies sind die Auswirkungen der Kunststoff-Industrie, die Plastik als das konkurrenzlose Verpackungsmittel über Jahrzehnte hochgejubelt hat.
Und auch hier fand ein Umdenken statt, das aber lediglich das Symptom, nicht aber die Ursache bekämpft: Plastikverzicht zugunsten von Bio-Plastik. Dieser kann zwar zu 100% kompostiert werden, doch basiert der Grundstoff solcher Verpackungen auf Mais. Überdüngung in den Anbaugebieten und eine regelrechte Vermaisung in der Landwirtschaft ist die Folge. Besser als die herkömmliche Plastikverpackung ist die Bio-Plastikverpackung jedenfalls nicht. Die besten Ergebnisse bei der Kompostierung geschehen bei trockenen 60 Grad Celsius. Im Wasser verrottet der angebliche Wunderstoff genauso wenig wie sein chemischer Bruder.
► Weniger ist mehr
In der Arbeitswelt gilt bis heute die Einführung der 40h-Woche als Meilenstein und große Errungenschaft gegenüber den Ausbeutungen die es im 19. Jahrhundert gegeben hatte. Warum allerdings blieb man auf diesem Wege stehen? Man kann sich das Grundgesetz anschauen, in der Bibel nachschlagen, nirgendwo steht geschrieben, daß der Mensch 40 Stunden in der Woche arbeiten muss. Es ist ein rein wirtschaftliches Phänomen was sich als ungeschriebenes Gesetz in das menschliche Hirn eingebrannt hat. Aufgrund der technologischen Fortschritte und Steigerung der Produktivität ist es überhaupt nicht mehr nötig, so lange und so viel zu arbeiten. Der Mensch produziert im Überfluss Güter und Waren, allein nur zum Zweck des Verkaufs und nicht aufgrund von Bedarf.
Wieso braucht der Mensch mehr als ein Fernsehgerät, oder mehr als ein Auto? Warum braucht der Mensch zehn Paar Schuhe, oder mehr als ein Smartphone? Wieso müssen es 120 qm Wohnungen sein, wenn doch die Hälfte wahrscheinlich ausreichen würde? Weil der Mensch nicht logisch darüber nachdenkt, sondern sich im Massenkonsum wiederfindet. Status, Luxus oder einfach nur Belohnung, egal wie man es nennt, es steht alles unter dem Begriff Maßlosigkeit. Wenn der Mensch statt 40h nur noch 10h in der Woche arbeiten ginge, was würde sich durch so eine Maßnahme verändern? Und viel wichtiger wäre die Frage, was könnte der Mensch dadurch gewinnen?
Durch Nachhaltigkeit und Langlebigkeit könnte man Unmengen von Ressourcen einsparen. Erst recht, wenn mehr repariert als entsorgt werden würde, z.B. in Repair Cafes und Reparatur-Initiativen, Video unten!) Das betrifft so ziemlich jeden Bereich im Alltag eines Menschen. Bei Kleidung, Möbeln oder Elektrogeräten wäre es ein leichtes, diese nicht nur nachhaltiger zu produzieren, sondern sie auch zu reparieren. Im Bereich der Mobilität könnte mehr auf Individualverkehr verzichtet werden, wenn im Gegenzug Car-Sharing, Mitfahrzentralen und Öffentlicher Nahverkehr immens gefördert und ausgebaut werden würde.
Erneuerbare Energien würden ebenso zu einem Verbrauchsrückgang fossiler Brennstoffe führen. Aufgrund von weniger Arbeitszeit würde der Mensch sich viel mehr wichtigeren Dingen wie Familie, sozialem Engagement in Vereinen oder Gruppierungen zuwenden. Er könnte sich in vielen Fällen verwirklichen und würde zudem noch bewußter und gesünder leben. Burnout, Stress oder Herz-Kreislauferkrankungen würden rapide abnehmen. Durch ökologisch sinnvoll produzierte Waren und Güter wäre ebenso ein Rückgang beim Müll und Schrott bemerkbar, was auch die Mast- und Zuchttierhaltung enorm beeinflussen würde.
► Degrowth
Die Idee des Degrowth, der Postwachstumsökonomie ist nicht sonderlich neu. In den 1960er Jahren gab es schon die ersten Kritiker, die sich mit dem Wirtschaftswachstum und dessen Folgen befassten. Kernaussage ist dabei, daß ein stetiges Wachstum irgendwann zu einer Ressourcen- oder Umweltkrise führe. Ebenso ergeben sich zwangsläufig Muster von psychologischen Überlastungssyndromen beim Menschen. Das solche Auswirkungen schon heute global erkennbar sind, haben die oben aufgeführten Beispiele gezeigt. Lest bitte auch meinen kürzl. hier veröffentlichten Japan-Artikel.
Umweltkatastrophen in Form von Artensterben in der Tierwelt, Verschmutzungen durch Müll und Schadstoffen, Knappheiten von Rohstoffen, Zunahme von Krankheiten und Überbelastung (Karōshi > Tod durch Überarbeitung), Verkehrskollaps und Hunger. All dies sind aktuelle Auswirkungen in unserem Jahrhundert. Statt sinnvolle und Sinn stiftende Veränderungen auf den Weg zu bringen, doktert der Mensch weiterhin unter strenger Einhaltung der wachstumsbasierten Ökonomie an Nebenschauplätzen herum.
Nötig wäre ein radikales Umdenken in allen Bereichen. Ökonomisch, ökologisch, kulturell, gesellschaftlich und ethisch. Die Grenzen von Wachstum lassen sich aus allen Bereichen der Natur widerspiegeln. Ein Baum hört irgendwann auf zu wachsen, eine Herde von Tieren hört irgendwann auf sich zu vermehren. Selbst der Mensch gilt mit ca. 20 Jahren als ausgewachsen – da kommt nichts mehr, nicht ein Millimeter.
Es muss ein neues, global übergreifendes Umdenken stattfinden. Entschleunigen in allen Bereichen mit gleichzeitiger Nachhaltigkeit von Waren und Rohstoffen. Die Grenzen dieses Planeten sind endlich und unverrückbar. Und noch hat die Menschheit die Wahl, sich für einen solchen Weg zu entscheiden. Die Natur regelt solche Probleme von selbst, Menschen braucht sie nicht dazu. Ist von irgendwas zu viel vorhanden, reagiert die Natur und stellt ein Gleichgewicht her. Sie wird uns nicht fragen, sondern einfach handeln. Besser wäre es, wenn der Mensch ihr zuvorkommt.
Christian Jakob (bitte auch die unten verlinkten Artikel lesen und die Videos ansehen - es lohnt sich!)
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Lesetipps:
»Großbaustelle Nachhaltigkeit: Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda« >> weiter.
»Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda 2018 - So geht Nachhaltigkeit« >> weiter.
»Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda 2017 - Großbaustelle Nachhaltigkeit« >> weiter.
»Deutschland und die globale Nachhaltigkeitsagenda 2016 - Noch lange nicht nachhaltig« >> weiter.
»Unser täglich Fleisch: eine Augenzeugin berichtet. Das Maß an Achtung vor dem Leben spiegelt sich auch in unserer Art und Weise der Ernährung«, von Peter Frey / Peds Ansichten >> weiter.
»Repair Cafés gegen die Kultur des Wegwerfens. Kulturen des Reparierens: Dinge – Wissen – Praktiken«, von Dr. Sigrid Kannengießer >> weiter.
»Nippons todkranke Gesellschaft. Wie das Land des Lächelns zu weinen beginnt.«, von Christian Jakob >> weiter.
ZDF HD planet e: Der wahre Preis der Elektroautos (Dauer 28:40 Min.)
Umweltdokumentation, Deutschland 2018: Elektromobilität gilt als Heilsbringer: umweltfreundlich, sauber, nachhaltig. Doch die notwendigen Rohstoffe für die Akkus sind knapp und stammen oft aus problematischen Quellen.Besonders die Rohstoffe Lithium und Kobalt machen Probleme. In Südamerika werden immer mehr Fabriken in ökologisch sensiblen Regionen hochgezogen. Sie verursachen schwere Umweltschäden. Im Kongo fördern Arbeiter oft unter unmenschlichen Bedingungen Kobalt.
Kaufen für die Müllhalde: Geplante Obsoleszenz - arte Thema auf arte vom 15.02.2011 (Dauer 1:14:52 Std.)
Heute gekauft und morgen schon Schrott? Die Haltbarkeit technischer Produkte ist oft kurz. Teilweise ist dies von den Herstellern gewollt, doch auch die Haltung vieler Verbraucher hat sich verändert. ARTE schaut auf die Wegwerfgesellschaft. Glühbirnen, Nylonstrümpfe, Drucker, Mobiltelefone - bei den meisten dieser Produkte ist das Abnutzungsdatum bereits geplant. Die Verbraucher sollen veranlasst werden, lieber einen neuen Artikel zu kaufen, als den defekten reparieren zu lassen.
Die bewusste Verkürzung der Lebensdauer eines Industrieerzeugnisses, um die Wirtschaft in Schwung zu halten, nennt man "geplante Obsoleszenz". Bereits 1928 schrieb eine Werbezeitschrift unumwunden: "Ein Artikel, der sich nicht abnutzt, ist eine Tragödie fürs Geschäft".
Gestützt auf mehr als drei Jahre dauernde Recherchen, erzählt die Dokumentation die Geschichte der geplanten Obsoleszenz. Sie beginnt in den 20er Jahren mit der Schaffung eines Kartells, das die Lebensdauer von Glühbirnen begrenzt, und gewinnt in den 50er Jahren mit der Entstehung der Konsumgesellschaft weiter an Boden. Heute wollen sich viele Verbraucher nicht mehr mit diesem System abfinden.
Als Beispiel für dessen verheerende Umweltfolgen zeigt die Dokumentation die riesigen Elektroschrottdeponien im Umkreis der ghanaischen Hauptstadt Accra. Neben diesem schonungslosen Blick auf die Wegwerfgesellschaft stellt Filmemacherin Cosima Dannoritzer auch die Lösungsansätze von Unternehmern vor, die alternative Produktionsweisen entwickeln. Und Intellektuelle mahnen an, die Technik möge sich auf ihre ursprüngliche Aufgabe zurückbesinnen, auf die dauerhafte Erleichterung des Alltags ohne gleichzeitige Verwüstung des Planeten.
Netzwerk Reparatur-Initiativen (Dauer 4:12 Min).
Reparatur-Initiativen (Reparatur-Treffs, Repair Cafés etc.) organisieren Veranstaltungen, bei denen defekte Alltagsgegenstände in angenehmer Atmosphäre gemeinschaftlich repariert werden. Elektrische und mechanische Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, aber auch Textilien, Fahrräder, Spielzeuge und andere Dinge. Diese Treffen sind nicht-kommerzielle Veranstaltungen, deren Ziel es ist, die Nutzungsdauer von Gebrauchsgütern zu verlängern und dadurch Müll zu vermeiden, Ressourcen zu sparen und nachhaltige Lebensweisen in der Praxis zu erproben. Interessierte und Tüftelerinnen können dort Erfahrungen austauschen und eine gute Zeit miteinander verbringen. Daher sind Kaffee und Kuchen ebenso wichtiger Bestandteil wie Schraubenzieher und Lötkolben.
Achtung: Die Bilder im Artikel sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u.
► Bild- und Grafikquellen:
1. Graffito: The Only Sustainable Growth is Degrowth. Das einzige nachhaltige Wachstum ist die Verminderung des Wachstums. Urheber: Paul Sableman. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 2.0 generisch“ (US-amerikanisch) lizenziert.
2. STOPPT den neoliberalen Wachstumswahn. Décroissance! Steigender Pfeil, durchgestrichen von einem Kreuz. Flèche montante barrée d'une croix. Quelle: Wikimedia Commons. Diese einfache Vektorgrafik ist urheberrechtsfrei (public domain).
3. Buchcover: "Kaufen für die Müllhalde. Das Prinzip der Geplanten Obsoleszenz.", von Jürgen Reuß und Cosima Dannoritzer, Verlag: Orange Press, Freiburg (03 / 2013), 224 Seiten, Fadenheftung, broschiert - € 20,- (D) | € 20,60 (A) | SFr 27,50 (CH). >> zur ausführlichen Buchvorstellung mit Inhaltsverzeichnis und Leseprobe.
4. Elektromobilität. Die schon seit Jahren geforderte Quote für E-Autos grenzt unter den realexistierenden Bedingungen (mangelnde Technik, völlig überzogene Fahrzeugpreise, fehlende Infrastruktur von Ladestationen, mangelnde Akzeptanz beim Verbraucher, etc. etc.) beinahe schon an Ökofaschismus. Bildgrafik: Mysticsartdesign. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Bildgrafik.
5. There is nothing like a nice piece of meat - Es geht nichts über ein schönes Stück Fleisch. Wirklich? Wir haben nicht die Absicht zu missionieren und die Leser zu Vegetariern oder gar Veganern umzuerziehen. Denn schließlich ist jeder Mensch in der Lage, verantwortliche Entscheidungen zu treffen – in Verantwortung, die er nur für sich selbst wahrnehmen kann. Um das tun zu können, benötigen wir gelebte Empathie und einen erweiterten Horizont auch für das, was quasi nebenan geschieht. Weniger Fleischkonsum wäre doch schon mal ein Anfang und wenn, dann nach Möglichkeit bei Metzgern kaufen, die wissen woher das Fleisch auch kommt und wie die Tiere dort gehalten werden und welches Futter sie bekommen (wichtig!). Foto: David Blackwell. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Keine Bearbeitung 2.0 Generic (CC BY-ND 2.0).
6. Meeres- und Gewässerverschmutzung durch Wohlstandsmüll: Kunststoffe und Plastik (PVC, PET, Polyethylen). Foto: suju / Susanne, Schweiz. Quelle: Pixabay. Alle Pixabay-Inhalte dürfen kostenlos für kommerzielle und nicht-kommerzielle Anwendungen, genutzt werden - gedruckt und digital. Eine Genehmigung muß weder vom Bildautor noch von Pixabay eingeholt werden. Auch eine Quellenangabe ist nicht erforderlich. Pixabay-Inhalte dürfen verändert werden. Pixabay Lizenz. >> Bild.
7. Wandgraffito: "Wir machen Jobs die wir hassen und kaufen dann Scheisse, die wir nicht brauchen." Foto: Flickr-user redhope. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung-Nicht kommerziell 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0).
8. Reparatur-Café: Das Besondere ist zum einen das Café, das Zusammensein, Kaffee trinken, Geselligkeit, sich austauschen über den Alltag, erzählen, unabhängig jetzt von seinem kaputten Teil, einfach ins Gespräch kommen, dass Menschen wieder miteinander kommunizieren. Urheber: Ilvy Njiokiktjien / Stichting Repair Café. Quelle: Wikimedia Commons. Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.
9. Traktor mit Spühanhänger. Foto: Chafer Machinery. Quelle: Flickr. Verbreitung mit CC-Lizenz Namensnennung 2.0 Generic (CC BY 2.0).
10. Buchcover "Überdruss im Überfluss: Vom Ende der Konsumgesellschaft" von Peter Marwitz. UNRAST Verlag, Münster. ISBN 978-3-89771-125-9. broschiert, 76 Seiten, 7,80€
Unser gesamtes Wirtschaftssystem fußt darauf, dass wir als Konsument_innen kaufen und verbrauchen, koste es, was es wolle. Unterstützt von Marketing, Reklame und medialer Berieselung wird ein Kreislauf in Gang gehalten, der inzwischen längst an seine Grenzen gekommen ist und droht, unsere Lebensgrundlagen zu vernichten. Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung und Müllberge sind nur einige der Probleme, die mit dem Konsumismus einhergehen.
Peter Marwitz beschreibt die Mechanismen, mit denen Unternehmen den Konsum ankurbeln, darunter Reklame und schleichende Unterwanderung journalistischer Inhalte durch Public Relations, Advertorials und Product Placement. Auch die Rolle der Medien bei der Aufrechterhaltung des schönen Scheins der glitzernden Warenwelt wird näher durchleuchtet und hinterfragt.
Außerdem werden Auswege aus dem Konsumenten-Hamsterrad gezeigt – alternative Konsumformen und nachhaltiges Verhalten, von Reparaturcafés und Tauschringen bis hin zu Transition Towns und Widerstand gegen die Reklamebeschallung durch Adbusting und Culture Jamming. Denn die Zeit ist reif für ein Umdenken.
11. Buchcover: »Kulturen des Reparierens. Dinge – Wissen – Praktiken«, von Stefan Krebs / Gabriele Schabacher / Heike Weber (Hg.). transcript-verlag 2018, 410 Seiten, Print-ISBN: 978-3-8376-3860-8. Printausgabe 39,99 €.
PDF-ISBN 978-3-8394-3860-2. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 4.0 Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Diese Lizenz erlaubt die private Nutzung, gestattet aber keine Bearbeitung und keine kommerzielle Nutzung.
Reparieren und Instandhalten sind ökonomisch wie kulturell zentrale Praktiken im »Leben« technischer Dinge und Infrastrukturen.
Der Band rückt diese bislang wenig untersuchten Tätigkeiten in den Vordergrund und fragt nach den Wissensformen der unterschiedlichen Kulturen des Reparierens. Die Expertisen und politischen Ambitionen menschlicher Akteure finden dabei ebenso Berücksichtigung wie die Eigendynamik der Dinge. Die Beiträge untersuchen Praktiken wie die Uhr- oder Computerreparatur sowie Räume wie die Wohnung und das Krankenhaus, das Repair Café und die Stadt des Globalen Südens. Nicht zuletzt geht es um die Frage, inwiefern Reparieren und reparaturfreundliches Design zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können. (Klappentext)
Inhalt
Kulturen des Reparierens und die Lebensdauer der Dinge
Stefan Krebs, Gabriele Schabacher und Heike Weber . . . . . . . . . 9
Dringlichkeit des Reparieres
Made to Break?
Lebensdauer, Reparierbarkeit und Obsoleszenz in der Geschichte des Massenkonsums von Technik
Heike Weber . . . . . . . . . 49
Elektroschrott und die Abwertung von Reparaturpraktiken
Eine soziologische Erkundung des Recyclings von Elektronikgeräten in Indien und Deutschland
Stefan Laser . . . . . . . . . 85
Das ›zweite Leben‹ von Mobiltelefonen und Fahrrädern
Temporalität und Nutzungsweisen technischer Objekte in Westafrika
Hans Peter Hahn . . . . . . . . . 105
Zwischen Überfluss und Mangel
Infrastrukturen am Beispiel der Wasserversorgung in Daressalam
Pia Piroschka Otte . . . . . . . . . 121
Technische Kulturen des Uhrenreparierens
Wissen, Produktion und Materialität (1700-1850)
Gianenrico Bernasconi . . . . . . . . . 141
Reparaturwissen und Akteure
Von Mühlenärzten, Turbinenwärtern und Eiswachen
Instandhaltungen am Technikensemble Wasserkraftanlage um 1900
Christian Zumbrägel . . . . . . . . . 165
Zwischen Kunst, Low-Budget und Nachhaltigkeit
Kleidungsreparatur in Zeiten von Fast Fashion
Heike Derwanz . . . . . . . . . 197
Reparaturwissen und Paratextualität
Jens Schröter . . . . . . . . . 225
Wissens-Appa/Repa/raturen
Ein epistemologisch-archäologischer Werkstattbericht von der Reparatur eines frühen Mikrocomputers
Stefan Höltgen und Marius Groth . . . . . . . . . 239
Bühnen der Alternativ-Industrie
Reparaturkollektive und das Vermächtnis der amerikanischen Gegenkultur der 1960er Jahre
Daniela K. Rosner und Fred Turner . . . . . . . . . 265
Praktiken des Reparierens
Repair Cafés
Orte gemeinschaftlich-konsumkritischen Handelns
Sigrid Kannengießer . . . . . . . . . 283
»Tansanier mögen keine unversehrten Sachen«
Reparaturen und ihre Spuren an alten Schuhen in Daressalam, Tansania
Alexis Malefakis . . . . . . . . . 303
Medizinische Reparaturkulturen
Zum Umgang mit (nicht) funktionierender Technik im laufenden Betrieb
Cornelius Schubert . . . . . . . . . 327
»Dann müssen wir es so lassen«
Reparatur ist (immer) mehr als die Wiederherstellung des Normalzustandes
Ignaz Strebel und Alain Bovet . . . . . . . . . 347
Reparieren nach der Revolution
Kulturtechniken der Un/Ordnung auf den Pariser Straßen des 19. Jahrhunderts
Tom Ullrich . . . . . . . . . 373
Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . 401