«Der Staat ist eine Institution, die von Banden geführt wird, die aus Mördern, Plünderern und Dieben besteht, umgeben von willfährigen Handlangern, Propagandisten, Speichelleckern, Gaunern, Lügnern, Clowns, Scharlatanen, Blendern und nützlichen Idioten - eine Institution, die alles verdreckt und verdunkelt, was sie berührt.» (– Prof. Hans-Hermann Hoppe).
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Samstagsmütter fordern Gerechtigkeit für Fehmi Tosun
Die Initiative der Samstagsmütter hat bei ihrer 1073. Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul erneut Gerechtigkeit für die Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens in staatlichem Gewahrsam und ein Ende der Straflosigkeit gefordert. Im Mittelpunkt stand diesmal der Fall von Fehmi Tosun, einem Kurden aus Licê, der vor genau 30 Jahren festgenommen wurde und danach nie wieder auftauchte.
Die Erklärung der Initiative verlas die Aktivistin Özlem Zıngıl. „Der Staat ist verpflichtet, Fälle von Verschwindenlassen unverzüglich, unabhängig und effektiv zu untersuchen“, sagte sie. Doch in der Türkei werde dieses Prinzip systematisch verletzt. Statt Aufklärung würden die Akten über Jahre hinweg unbearbeitet gelassen und schließlich unter Verweis auf Verjährung geschlossen. „Die Justiz unternimmt keine Schritte zur Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen. Die Täter bleiben ungestraft, die Verschwundenen bleiben verschwunden“, so Zıngıl.
Der Fall Fehmi Tosun
Fehmi Tosun war 35 Jahre alt, als er am 19. Oktober 1995 das letzte Mal in Istanbul lebend gesehen wurde. Es wird vermutet, dass er von staatlichen Todesschwadronen der türkischen Gendarmerie – zuständig für „Nachrichtenbeschaffung und Terrorabwehr”, kurz: JITEM – gefoltert und ermordet wurde. Zu Beginn der Neunziger, als der schmutzige Krieg der türkischen Armee gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) auf dem Höhepunkt war, saß Tosun rund drei Jahre im Gefängnis. Die Polizei behauptete, der fünffache Vater sei PKK-Milizionär. Nach seiner Freilassung zog die Familie nach Istanbul. Doch der Verfolgung durch den Staat konnte sie nicht entkommen.
Am Morgen des 19. Oktober 1995 hatte Fehmi Tosun gemeinsam mit seinem Freund Hüseyin Aydemir, der zum Frühstück eingeladen war, sein Haus im Istanbuler Bezirk Avcılar verlassen. Am selben Abend, so berichtete seine Ehefrau Hanım Tosun, wurde er in einem weißen Renault-Toros mit Beamten in Zivil nach Hause zurückgebracht. „Als er uns sah, rief er: ‚Sie werden mich umbringen und verschwinden lassen!‘“, sagte sie. Tosun versuchte, zu ihrem Mann zu laufen – doch er wurde gewaltsam in das Fahrzeug zurückgezerrt und verschwand.
Hanım Tosun meldete den Vorfall umgehend bei der Polizei und den damals noch existierenden Staatssicherheitsgerichten, nannte sogar das Kennzeichen des Wagens. Doch die Behörden lehnten jegliches Einschreiten ab. Trotz zahlreicher Beschwerden – auch durch den Menschenrechtsverein IHD, der sich dem Fall sofort annahm – wurde die Festnahme bestritten. Die Justiz zeigte kein Interesse daran, das Schicksal von Fehmi Tosun und Hüseyin Aydemir aufzuklären.
Internationale Verurteilung – keine nationale Konsequenz
Nachdem alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft waren, wandte sich die Familie Tosun 2003 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die türkische Regierung räumte dort erstmals ein, dass es zu einem schweren Verstoß gegen das Recht auf Leben gekommen sei. Dennoch blieb auch danach jede ernsthafte Untersuchung aus. Das Verfahren wurde in der Türkei unter Verweis auf Verjährung eingestellt. Auch ein Einspruch gegen diese Entscheidung blieb erfolglos.
„Die Ermittlungen wurden bewusst ins Leere geführt“, erklärte Özlem Zıngıl. Weder die Täter noch konkrete Beweise seien identifiziert worden. Das Verschwinden sei nie ernsthaft untersucht worden, trotz völkerrechtlicher Verpflichtungen.
Hanım Tosun, die Ehefrau des Vermissten, erinnerte in ihrer kurzen Rede an drei Jahrzehnte unermüdlichen Engagements: „Ich habe diesen Kampf begonnen, damit niemand sonst auf diese Weise verschwindet. Wir haben nicht verloren – sie haben verloren“, sagte sie. „Und sie sollen wissen: Der Weg zur Gerechtigkeit führt über den Galatasaray-Platz.“
Die Mahnwache endete wie jede Woche mit dem Niederlegen roter Nelken am Kundgebungsort.
https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/samstagsmutter-wo-ist-fehim-tosun-43964 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/wo-sind-die-knochen-von-cemil-kirbayir-48333 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/samstagsmutter-fordern-aufklarung-im-fall-turgut-yenisoy-48230
Journalist Hüseyin Aykol weiterhin in kritischem Zustand
Der gesundheitliche Zustand des türkischen Journalisten und Autors Hüseyin Aykol bleibt nach zwei Hirnblutungen weiterhin ernst. Wie seine behandelnden Ärzt:innen am Samstag mitteilten, wird Aykol auf der Intensivstation des Bildungs- und Forschungskrankenhaus Sincan in Ankara medizinisch überwacht. Er war dort am Dienstag nach einer ersten Hirnblutung eingeliefert worden und erlitt kurz darauf eine zweite.
Die Mediziner:innen erklärten, Aykols Zustand sei aktuell stabil, jedoch nach wie vor kritisch. Er sei inzwischen extubiert worden, also vom Beatmungsgerät genommen, und solle im Laufe des Tages aus der medikamentösen Sedierung erwachen. Geplant sei, seine neurologischen Reflexe durch gezielte Ansprache und Reiztests zu beobachten. Je nach Reaktion werde über das weitere Vorgehen in der Behandlung entschieden. Trotz des stabilen Zustands betonten die Ärzt:innen, dass weiterhin ein hohes Risiko für Komplikationen bestehe und Lebensgefahr nicht ausgeschlossen werden könne.
Seit Jahrzehnten im Dienst der freien kurdischen Presse
Hüseyin Aykol wurde 1952 im westtürkischen Salihli (Manisa) geboren und studierte in Ankara zunächst Medizin und später Politikwissenschaften. Während des Studiums engagierte er sich in linken Jugendbewegungen und wurde Vorsitzender der Studierendenvertretung. 1981 wurde er in Ankara verhaftet, 45 Tage lang schwer gefoltert und anschließend in das Militärgefängnis von Mamak überstellt. In den folgenden Jahren war er wiederholt inhaftiert und verbrachte insgesamt mehr als zehn Jahre in verschiedenen Gefängnissen.
Nach dem Studium war Aykol in verschiedenen linken Verlagen tätig und begann früh als Übersetzer und Redakteur zu arbeiten, außerdem ist er Autor mehrerer Bücher. In den 1990er-Jahren gehörte er zu den Mitbegründer:innen der türkisch-kurdischen Tageszeitung Özgür Gündem und war zeitweise deren Chefredakteur. Er gilt als eine der prägenden Figuren der kurdischen Medienlandschaft in der Türkei.
Letztmalig 2019 im Gefängnis
Besonders bekannt ist Aykol für seine kontinuierliche Arbeit zu den Zuständen in türkischen Gefängnissen und seinen jahrzehntelangen Briefkontakt mit Gefangenen, deren Anliegen er journalistisch dokumentierte. Im November 2019, als er letztmalig das Gefängnis verließ – er war wegen seiner Tätigkeit für die Özgür Gündem unter Terrorvorwürfen verurteilt worden – waren über 60 Verfahren gegen Aykol anhängig, zumeist wegen Pressevergehen oder vermeintlicher „PKK-Propaganda“.
https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-mit-hirnblutung-im-krankenhaus-48380 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/journalist-huseyin-aykol-akp-mitglied-wider-willen-42584 https://deutsch.anf-news.com/pressefreiheit/Oezguer-guendem-urteile-gegen-symbolische-chefredakteure-bestaetigt-21740
Nichts wie weg!
Bürgergeld: Jobcenter Vermittlungen müssen nicht immer angenommen werden
Jobcenter verschicken “auf Teufel komm raus” Vermittlungsvorschläge, die Leistungsberechtigte zur Bewerbung auffordern. In der Praxis sind diese Vorschläge nicht immer passgenau, die Fristen oft knapp und die Anzahl kann sich innerhalb kurzer Zeit summieren.
Wer dann nicht auf jeden Vorschlag reagiert, riskiert Leistungskürzungen wegen angeblicher „Weigerung“. Genau an dieser Stelle setzt ein Urteil des Sozialgerichts Speyer an: Nicht jedes Unterlassen einer Bewerbung rechtfertigt eine Sanktion. Entscheidend ist die Gesamtschau der Umstände und das tatsächliche Verhalten der betroffenen Person.
Der konkrete Fall: Bewerbungen geschrieben – und trotzdem 30 Prozent weniger RegelsatzIm entschiedenen Verfahren hatte ein Bürgergeld-Bezieher innerhalb eines kurzen Zeitraums mehrere Vermittlungsvorschläge erhalten. Bereits zuvor waren Sanktionen verhängt worden, weil nicht auf alle Vorschläge reagiert worden war. Als der Mann erneut nicht jede einzelne Stelle bediente, folgte die nächste Kürzung um 30 Prozent.
Nach Darstellung des DGB Rechtsschutzbüros Ludwigshafen ging es um fünf nicht bediente Vorschläge von insgesamt vierzehn. Auf neun Vorschläge hatte sich der Kläger nachweislich beworben. Das Jobcenter wertete den Vorgang dennoch als „vierte Weigerung“ und griff erneut zu einer Kürzung.
Starre Norm – positive RechtsprechungDas Sozialrecht arbeitet an vielen Stellen mit klaren Pflichtbegriffen. Im Kontext von Vermittlungsvorschlägen ist die Linie vermeintlich eindeutig: Geht eine Bewerbung nicht raus, steht eine Pflichtverletzung im Raum. Genau diese Starrheit ist der Grund, weshalb Gerichte korrigierend eingreifen.
Das Sozialgericht Speyer hat in der Sache (Az. S 3 AS 113/20) ausdrücklich gefordert, die gesetzlichen Vorgaben restriktiv auszulegen.
Das bedeutet, dass sich die Bewertung nicht in einem simplen Entweder-oder erschöpfen darf. Stattdessen ist zu prüfen, was real passiert ist, wie viele Vorschläge in welchem Zeitraum kamen, wie intensiv sich die betroffene Person bemüht hat und ob eine ablehnende Grundhaltung erkennbar war.
Begründung des Gerichts: Bemühen statt BlockadeDie Richterinnen und Richter stellten darauf ab, dass sich der Bürgergeld-Bezieher auf den Großteil der Stellen beworben hatte. Eine pauschale Weigerungshaltung war nicht zu erkennen.
Wer neun von vierzehn Vorschlägen bedient, verhindert die Anbahnung von Arbeit nicht, sondern bleibt hinter dem theoretisch Möglichen zurück. Der Unterschied ist juristisch zentral. Die Sanktion soll auf Verweigerung reagieren, nicht auf Unvollkommenheit.
Das Gericht machte zudem deutlich, dass die Quantität der Vorschläge und der zeitliche Druck in die Bewertung einzubeziehen sind. In einer hypothetischen Gegenüberstellung wird das anschaulich: Eine fehlende Bewerbung unter hundert Vorschlägen ist etwas anderes als nur eine Bewerbung bei hundert Vorschlägen. Sanktionen müssen verhältnismäßig bleiben und dürfen nicht zum Automatismus werden.
Signalwirkung für die PraxisDas Urteil entfaltet eine wichtige Leitwirkung für den Alltag in Jobcentern und für Leistungsberechtigte. Es macht deutlich, dass die Risikogrenze nicht schon bei der ersten Lücke überschritten ist. Entscheidend ist, ob aktive Mitwirkung belegt werden kann. Für Betroffene bedeutet das, dass eine saubere Dokumentation von Bewerbungen, Fristen und Rückmeldungen unerlässlich ist.
Ebenso relevant ist die Frage der Zumutbarkeit: Nicht jedes Angebot ist sachlich geeignet oder individuell realistisch. Auch das gehört zur Gesamtschau, die Behörden und Gerichte vornehmen müssen. Das Sozialgericht Speyer mahnt die Verwaltungspraxis dabei zu Augenmaß und stellt klar, dass starre Lesarten der Norm am Sinn der Sanktion vorbeiführen.
Vermittlungsvorrang wird eingeführtParallel zur Rechtsprechung verändert sich der politische Rahmen. Unter dem Schlagwort einer „Neuen Grundsicherung“ wird der Kurs gegenüber Leistungsberechtigten erkennbar verschärft.
Der Vermittlungsvorrang – also die Priorität schneller Arbeitsaufnahme vor Qualifizierung – soll wieder stärker ins Zentrum rücken. In den politischen Entwürfen zeichnet sich ab, dass wiederholte, grundlose Ablehnungen zumutbarer Angebote zu deutlich härteren Konsequenzen führen sollen, bis hin zum vollständigen Leistungsentzug.
Gleichzeitig ist absehbar, dass Mitwirkungspflichten enger gefasst und Sanktionen konsequenter durchgesetzt werden. Dieser Kurswechsel erhöht die Bedeutung sorgfältiger Einzelfallprüfung noch einmal: Wo schärfere Regeln drohen, wiegt die Pflicht zu Verhältnismäßigkeit und zu einer fairen Bewertung des tatsächlichen Bemühens umso schwerer.
Was Bürgergeld-Betroffene aus dem Urteil lernen könnenLeistungsberechtigte sollten Bewerbungsaktivitäten nachvollziehbar festhalten, Reaktionsfristen prüfen und Unzumutbarkeiten begründen. Wer die Mehrzahl der Vorschläge bearbeitet und Kommunikationsnachweise sichert, mindert das Risiko pauschaler Weigerungsvorwürfe erheblich. Kommt es dennoch zu einer Kürzung, ist Widerspruch kein formales Ritual, sondern der richtige Ort, um die Gesamtschau einzufordern. Das Urteil zeigt, dass Gerichte bereit sind, starre Verwaltungspraxis zu korrigieren, wenn das tatsächliche Engagement erkennbar ist.
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Der Wind dreht sich – und die Stunde der Mitläufer naht
Was mir in letzter Zeit so immer mehr auffällt: Die Schweigespirale lockert sich. Man kennt es vom Elternabend, vom Kaffeeklatsch oder vom Plausch am Gartenzaun: Gestern noch belehrend, heute plötzlich verständnisvoll. Gestern hieß es: Das kann man doch nicht sagen! Heute: Naja, so ganz unrecht hast du ja nicht… Und ehe man es sich versieht, […]
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They Said The Massacres Would Stop When The Hostages Were Released. They Haven’t Stopped.
Listen to a reading of this article (reading by Tim Foley):
Last year I banged out an angry rant about the way Israel supporters would yell “release the hostages!” at anyone who talked about the latest massacre of Palestinian civilians, saying Hamas was to blame for the killing because of their refusal to release the Israeli captives, and that it would all stop once the hostages are free. I’m remembering that essay today because the hostages are free, but the massacres are continuing.
On Friday Israel reportedly blew up a vehicle carrying a Palestinian family of eleven people, including seven children. The IDF gave its usual excuse for the massacre: the civilians were deemed to have crossed an invisible line into a forbidden zone which made the Israeli soldiers feel unsafe. They did this exact same thing constantly during the last “ceasefire” as well.
In my polemic last year I argued that the slaughter we were seeing in Gaza plainly had nothing to do with pushing for the release of Israeli hostages, and that even if it did it would still be barbaric to massacre children until your enemies caved in to your demands.
What Israel Supporters Really Mean When They Say "Release The Hostages"
What they are saying is that they believe Israel should murder children, decapitate them, rip their guts out, dismember them, mutilate them, burn them alive, every single day, until its military demands are… pic.twitter.com/3VnffoYStb
But two years of genocide have made it clear that the Israeli military was never killing Palestinian civilians in order to push for the release of hostages or force Hamas to cave in to their demands. The Israeli military kills Palestinian civilians in order to kill Palestinian civilians. The killing is the goal, and it always has been.
We see this illustrated over and over again, in all sorts of ways. Israel apologists always argued that the only reason the IDF had destroyed Gaza’s healthcare system with nonstop hospital attacks was because Hamas was using those hospitals as secret military bases. But then multiple independent reports from western doctors in Gaza confirmed that Israeli forces had been entering the hospitals after attacking them and systematically destroying individual pieces of medical equipment one by one in order to make them unusable. Hamas wasn’t the target in those hospital attacks, the hospitals themselves were the target.
And now we are seeing the “Israel is killing people because Hamas has Israeli hostages” narrative debunked in exactly the same way the “Israel keeps bombing hospitals because there are Hamas bases in all of them” narrative was. The hostages are free, but the massacres continue.
None of which will surprise anyone who was paying attention these last two years. Israel’s genocidal intent has been on full display every minute of every day, and it continues to be even during this joke of a “ceasefire” where the genocide was theoretically supposed to be on pause for a little while.
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Energiepreise sind mittlerweile die größte Sorge der australischen Wirtschaft
Solange der Wetterminister entschlossen war, die Pazifischen Dekadenschwingungen mit Windmühlen unter Kontrolle zu bringen, war dies unausweichlich. Alle sollten glücklich sein, aber dann kam die Rechnung.
In einer Umfrage unter 500 australischen Unternehmen stellt der rapide Anstieg der Energiekosten mittlerweile die größte Sorge dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Unternehmen über die Energiepreise Sorgen macht, ist dreimal so hoch wie die über Trumps Zölle.
Doch noch vor wenigen Monaten war die Medienberichterstattung im Wahlkampf lückenlos auf die US-Zölle ausgerichtet.
Ebenso verbringt der milliardenschwere Sender ABC hundertmal so viel Zeit damit, uns über ausländische Kriege zu belehren, wie über die Dinge, die die Australier interessiert – wie Licht, Heizung, Klimaanlagen und Arbeitsplätze. Die nationale Diskussion über Stromnetze ist nichts weiter als Werbeslogans für erneuerbare Energien und Wunschvorstellungen. Jeder könnte jeden anderen subventionieren, um Solarmodule und Batterien zu kaufen, und wir hätten alle kostenlosen Strom, oder?
Gibt es in Australien eine Produktivitätskrise? Psst!
Energie ist die größte Wirtschaftssorge, nicht Trumps Handelskriege
Eine Umfrage unter mehr als 500 australischen Unternehmen ergab, dass die Energiekosten zur größten geschäftlichen Herausforderung geworden sind, während sich überraschend wenige über Trumps Handelskriege Sorgen machen.
Matthew Cranston, The Australian
Für Unternehmen sind die Energiekosten mittlerweile die größte Sorge für ihre Zukunft. Einer neuen Analyse zufolge sind sie für sie fast dreimal so besorgniserregend wie die US-Zölle und Handelsstörungen.
Mehrere Unternehmensführer, darunter auch solche aus dem verarbeitenden Gewerbe , sagen, die Energiekosten sind so schnell gestiegen, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importeuren gefährdet sei …
Herr Henry von BHP erklärte letzten Monat auf einem Aktionärsforum: „Die Realität ist … Australiens Stromkosten sind zwei- bis dreimal höher als in den Ländern, mit denen wir konkurrieren, und 50 bis 100 Prozent höher als in den USA.“
Craig Scroggie, Geschäftsführer des Rechenzentrumsbetreibers NEXTDC, sagte, höhere Energiekosten würden Australiens Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. „Niemand freut sich über höhere Energiekosten, vor allem nicht, wenn die Regierung niedrige Preise verspricht.“
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir Tausende von Kilometern von den meisten anderen Fabriken und Schmelzhütten entfernt sind, aber trotzdem können wir nichts preiswerter herstellen als sie. Die Energiekosten in Australien steigen so schnell, dass es günstiger ist, Gestein auszugraben, auf Schiffe zu laden, 6.000 Kilometer nach China zu schicken, um dort mit unserer eigenen Kohle Stahl zu schmelzen und die Produkte anschließend wieder zu uns zurückzuschicken. Und wenn die Produktion mit Sklavenarbeit und viel Umweltverschmutzung erfolgt, wird das Produkt trotzdem eher gekauft.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei Real Clear Energy
Der Beitrag Energiepreise sind mittlerweile die größte Sorge der australischen Wirtschaft erschien zuerst auf EIKE - Europäisches Institut für Klima & Energie.
Der Schatten am Himmel
Fachkonferenz in Amed diskutiert alevitische Rolle im demokratischen Wandel
In der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) hat am Samstag eine zweitägige Fachkonferenz alevitischer Verbände begonnen. Ziel der Veranstaltung ist es, Herausforderungen für Alevit:innen zu benennen, neue Modelle gemeinschaftlicher Organisation zu diskutieren und die Rolle des Alevitentums im gesellschaftlichen Wandel zu beleuchten. Eingeladen hatte der Dachverband der Demokratischen Alevitischen Vereine (DAD). Unter dem Motto „Mit unserem Glauben organisieren wir uns – wir bekennen uns zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft“ kamen religiöse Würdenträger:innen, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft sowie Politiker:innen aus verschiedenen Teilen des Landes zusammen.
Doğan: Alevit:innen müssen ihre Existenz sichern
Diskutiert werden unter anderem die Rolle der Alevit:innen – aber auch Alawit:innen – inmitten der politischen Instabilität im Nahen Osten, die Verteidigung der religiösen Identität, die Herausforderungen bei der Selbstorganisation sowie die gesellschaftliche Teilhabe im demokratischen Transformationsprozess im Kontext der kurdischen Frage.
An der Fachkonferenz beteiligen sich auch Politiker:innen der DEM und DBP
In ihrer Eröffnungsrede betonte die Ko-Vorsitzende von DAD, Kadriye Doğan, die Dringlichkeit, Alevitentum aktiv zu diskutieren, um seine Existenz zu sichern. Sie verwies auf die kulturelle Vielfalt in Mesopotamien und Anatolien, von der in den vergangenen Jahrzehnten vieles zerstört worden sei. „Um nicht selbst davon betroffen zu sein, müssen wir handeln“, sagte sie.
Alevitentum ist Glaube, aber auch Politik
Doğan wandte sich gegen Versuche, das Alevitentum aus politischen Zusammenhängen herauszuhalten. In ihrer Rede sagte sie: „Wir werden darüber sprechen, wie Alevit:innen und das Alevitentum in Syrien, Irak, Iran und der Türkei überleben können.“ Es sei entscheidend, dass der Glaube nicht seiner Eigenständigkeit beraubt und innerhalb hegemonialer Strukturen aufgelöst werde. Alevitische Organisationen hätten die Aufgabe, sich diesem Prozess entgegenzustellen.
„Unser Ziel muss es sein, das Alevitentum aus dem Griff des bestehenden Systems zu befreien und es in Richtung Demokratie und Gleichberechtigung weiterzuentwickeln“, betonte Doğan weiter. Die Vorstellung, Alevitentum sei zwar Glaube, solle aber keine politische Dimension haben, wies sie entschieden zurück: „Alevitentum ist Glaube – aber auch Politik. Es fordert Gleichheit, Freiheit und Demokratie – und muss sich auch politisch dafür einsetzen.“
Wie können zukunftsfähige Organisationsmodelle aussehen?
Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz sind strukturelle und soziologische Veränderungen innerhalb der alevitischen Gemeinschaft – sowie die Frage, wie zukunftsfähige Organisationsmodelle aussehen könnten. Diskutiert werden Themen wie: „Alevit:innen im Chaos des Nahen Ostens – Risiken und Auswege“, „Alevitische Selbstorganisation“, und „Der Beitrag zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft“.
Auch Doğan Hatun, Ko-Bürgermeister von Amed (DEM), unterstrich in seinem Beitrag die langjährige Rolle der Alevit:innen im gesellschaftlichen Wandel. „Seit Jahrzehnten tragen wir zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft bei – und wir haben nie aufgehört, dafür zu kämpfen“, sagte er.
Abschlusserklärung angekündigt
Die Fachtagung begann mit einer Schweigeminute, traditionellen alevitischen Riten wie dem Gulbang und dem Entzünden des Çerağ-Lichts. Musikalisch begleitet wurde die Eröffnung vom alevitischen Sänger Ali Sizer. Die weiteren Beratungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Am Sonntag wird eine gemeinsame Abschlusserklärung erwartet.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/alevit-innen-fordern-gleichberechtigung-im-friedensprozess-47676 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/konferenz-uber-wege-zum-demokratischen-zusammenleben-in-mesopotamien-48335 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/ngos-graueltaten-an-alawit-innen-erfordern-rechenschaftspflicht-auf-hochster-ebene-48079
Öcalan: Frauen sollen mit Mut und Bewusstsein für Frieden kämpfen
Unter der Devise „Mütter sind Wegbereiterinnen einer demokratischen Gesellschaft und eines bleibenden Friedens“ hat in Amed (tr. Diyarbakır) am Samstag die dritte Konferenz des Rats der Friedensmütter begonnen. Die zweitägige Veranstaltung – die erste ihrer Art seit zwölf Jahren – findet im Kongresszentrum ÇandAmed statt und versammelt zahlreiche Aktivistinnen, Politikerinnen und Unterstützerinnen, darunter Vertreterinnen der Frauenbewegung Tevgera Jinên Azad (TJA), der Parteien DEM und DBP, Parlamentsabgeordnete, kommunale Vertreterinnen und zivilgesellschaftliche Organisationen.
„Ich habe am meisten von meiner Mutter gelernt“
Zum Auftakt wurde eine Videodokumentation über die Geschichte der Friedensmütter gezeigt. Anschließend wurde eine schriftliche Botschaft von Abdullah Öcalan, dem seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung, verlesen. Darin sprach er den Friedensmüttern Anerkennung für ihren langjährigen Einsatz aus: „Ich habe am meisten von meiner Mutter gelernt – über die Wahrheit des Lebens, über Geduld, aber vor allem über eine würdevolle und aufrechte Haltung. Diese Würde und Haltung verkörpern die Friedensmütter.“
Öcalan betonte die Notwendigkeit, dass Frauen selbstbestimmt und frei leben müssten. „Frauen sollten so leben, wie sie es wollen, aber sie müssen auch den Mut zum freien Leben haben“, so der 76-Jährige. Es sei ihm ein Anliegen, das Prinzip „Freiheit beginnt im Denken“ als Ausdruck seines Respekts gegenüber Frauen zu betonen. Zugleich kritisierte er traditionelle Rollenbilder: „Die gesellschaftlich zugewiesene Rolle als Mutter oder Ehefrau sollte überwunden werden.“ Die Friedensmütter sollten nicht nur in ihrer Rolle als Mütter, sondern auch mit dem Bewusstsein freier Frauen für den Wandel eintreten.
„Die erste gesellschaftliche Krise begann mit der Versklavung der Frau“
Öcalan verwies auf die historische Bedeutung Kurdistans als Ursprung gesellschaftlicher Strukturen – wie auch ihrer Widersprüche. „Die erste gesellschaftliche Krise begann mit der Versklavung der Frau. Die Versklavung der Gesellschaft geht Hand in Hand mit der der Frau. Entgegen der landläufigen Meinung begann die Versklavung nicht mit der Entstehung des Staates, sondern mit der Unterwerfung der Frau.“
Die Lösung dieser tiefgreifenden Problematik sieht der PKK-Begründer in der „gemeinsamen Errichtung eines demokratisch-kommunalen Lebens“. Mit dem von ihm am 27. Februar formulierten „Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft“ trügen insbesondere die Frauenbewegung und die Friedensmütter eine besondere Verantwortung.
„Ein neues Zeitalter beginnt“, erklärte Öcalan. Der Aufbau eines auf einem demokratisch-kommunalen System basierenden sozialistischen Lebens sei nur mit Frieden möglich. Abschließend sandte er „allen Friedensmüttern Grüße und Erfolg für ihre Arbeit“.
Die Konferenz wird mit weiteren Beiträgen fortgesetzt.
https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensmutter-fordern-umsetzung-des-rechts-auf-hoffnung-48038 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-recht-auf-hoffnung-muss-gesetzlich-verankert-werden-48421 https://deutsch.anf-news.com/frauen/friedensmutter-in-cizir-bereiten-konferenz-vor-48013
KESK: Die Auseinandersetzung ist nicht zu Ende
Der Sternmarsch der Konföderation der Gewerkschaften der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (KESK) ist am Freitagabend in Ankara zu Ende gegangen. Die Aktion richtete sich gegen die Entlassung tausender Staatsbediensteter per Notstandsdekret (KHK) im Zuge des Putschversuchs 2016 und forderte deren Wiedereinstellung. Die Aktion hatte am Montag (13. Oktober) in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) begonnen und führte über mehrere Städte bis zum Parlament in der türkischen Hauptstadt.
Am Freitag traf eine KESK-Delegation im Parlament mit Vertreter:innen verschiedener Fraktionen zusammen, darunter der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), der Partei der Arbeit (EMEP) sowie der Republikanischen Volkspartei (CHP). Die Delegation unter Leitung der aus Ahmet Karagöz und Ayfer Koçak bestehenden genderparitätischen Doppelspitze des Gewerkschaftsbunds traf als erstes mit der DEM zusammen und wurde von deren Ko-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları sowie weiteren Abgeordneten und Mitgliedern der Arbeitskommission der Partei empfangen.
KESK-Delegation bei der DEM-Fraktion | Foto: Handout/DEM
Im Gespräch schilderte die Delegation die Hintergründe und Ziele des Marsches und betonte die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengungen für eine politische Lösung der entlassenen Beamt:innen. Laut Karagöz und Koçak kündigte die DEM-Fraktion an, die Anliegen der KESK im Rahmen der bevorstehenden Fraktionssitzung am Dienstag im Parlament auf die Tagesordnung zu bringen.
„Das war erst der Anfang“
Im Anschluss versammelten sich die Teilnehmer:innen des Sternmarschs zu einer Abschlusskundgebung am Bergarbeiter-Denkmal, wo zuvor ein Sitzstreik stattfand. Ahmet Karagöz erklärte vor Unterstützer:innen, dass der Protest zwar in Ankara geendet habe, die politische Auseinandersetzung jedoch weitergehen werde. „Wer denkt, dass hier Schluss ist, irrt sich. Wir setzen hinter diese Etappe drei Punkte, kein Ausrufezeichen“, sagte Karagöz.
Die Gewerkschaft werde den Kampf fortführen, bis alle betroffenen Beschäftigten ihre Arbeit zurückerhalten hätten. „Unsere Forderung ist Teil eines umfassenden Kampfes für Demokratie, Frieden und soziale Gerechtigkeit in diesem Land“, so Karagöz weiter.
Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, Initiativen und politische Parteien hatten zuvor die Protestierenden am Denkmal besucht und ihre Unterstützung bekundet. Mit Applaus und Jubelrufen verabschiedeten sich viele der Teilnehmenden, die aus unterschiedlichen Regionen nach Ankara gereist waren.
https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kesk-mitglieder-starten-sitzstreik-am-bergarbeiter-denkmal-48426 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/polizei-blockiert-gewerkschaftsprotest-vor-dem-parlament-48423 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kocak-unser-sternmarsch-ist-auch-ein-pladoyer-fur-demokratie-und-frieden-48385 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/kesk-marsch-fur-rucknahme-der-entlassungen-von-staatsbediensteten-48362
Mehr als 177 Jahre Haft für kurdische Politiker:innen in Agirî
Ein türkisches Gericht in der kurdischen Provinz Agirî (tr. Ağrı) hat zwölf Politiker:innen und Aktivist:innen, darunter ein amtierendes Mitglied des Stadtrats und einen Parlamentsabgeordneten der DEM-Partei, zu insgesamt mehr als 177 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Urteile stießen in kurdischen und oppositionellen Kreisen auf scharfe Kritik.
Im Zentrum der Verurteilungen stehen Vorwürfe der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“, der „Unterstützung“ und „Propaganda“ für selbige – gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Grundlage der insgesamt drei verhandelten Prozesse waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2015, die sich laut Verteidigung auf politisches Engagement im Umfeld der damaligen HDP stützten, der Vorgängerin der heutigen DEM-Partei.
Haftstrafen für kommunale Mandatsträger
Die höchsten Strafen verhängte die Große Strafkammer in Agirî gegen Şakir Kılıç, DEM-Stadtrat in der Stadtverwaltung, der 44 Jahre Haft erhielt. Ebenfalls betroffen sind Engin Dursun (24 Jahre), Figen Aslan und Ramazan Bayram (jeweils 18 Jahre), Mehmet Izci (elf Jahre und neun Monate), Yılmaz Dursun (acht Jahre und neun Monate), Şakir Çaçan (sieben Jahre und sechs Monate) sowie Murat Karagül und Serkan Yazıcı (jeweils sechs Jahre und drei Monate).
In einem weiteren Verfahren wurde der DEM-Abgeordnete Berdan Öztürk zu sechs Jahren und vier Monaten Haft verurteilt – ebenfalls wegen vermeintlicher Terrorunterstützung. Auch Rıdvan Kahraman wurde unter ähnlichen Anschuldigungen zu 24 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Insgesamt summieren sich die Urteile auf 177 Jahre und sieben Monate Freiheitsstrafe.
Inhaftierungen direkt nach der Urteilsverkündung
Ein Teil der Verurteilten wurde noch unmittelbar nach der Urteilsverkündung in Haft genommen – darunter Şakir Kılıç, Şakir Çapan, Mehmet Izci und Yılmaz Dursun. Gegen Engin Dursun, Figen Aslan und Ramazan Bayram wurden Haftbefehle erlassen. Andere Angeklagte verbleiben zunächst auf freiem Fuß, werden aber weiter strafrechtlich verfolgt.
Proteste und Reaktionen
Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich nach Verkündung der Urteile Vertreter:innen der DEM und DBP, darunter auch Kommunalpolitiker:innen und Mitglieder der Stadtverwaltung, um gegen die harten Urteile zu demonstrieren. Als die Verurteilten unter Polizeibegleitung das Gebäude verließen, riefen Unterstützer:innen lautstarke Slogans wie „Politik ist kein Verbrechen“ und forderten ein Ende der Repression gegen die kurdische Opposition.
Besonders deutlich äußerte sich Sırrı Sakık, Abgeordneter der DEM-Partei aus dem Wahlkreis Agirî. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) schrieb er: „In Agirî wurden heute Menschen zu Jahrzehnten Haft verurteilt, die nie eine Waffe in der Hand hielten. Viele von ihnen sind alt, krank, bekannt für ihr Engagement in der Zivilgesellschaft. Wer friedliche Politik so kriminalisiert, zerstört jede Hoffnung auf ein gemeinsames Morgen.“
Sakık kritisierte zudem die Justiz als politisches Instrument und stellte das Urteil in einen größeren Zusammenhang mit aktuellen Debatten über eine neue Verfassung, gesellschaftliche Versöhnung und mögliche politische Lösungsansätze in der kurdischen Frage.
Kritik an Terrorgesetzgebung
Die Verfahren in Agirî reihen sich ein in eine Serie von Prozessen gegen kurdische Politiker:innen, Journalist:innen und Aktivist:innen in der Türkei. Nationale wie internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren die weit gefasste Definition von Terrorismus im türkischen Strafrecht, die es ermögliche, legale politische Betätigung strafrechtlich zu verfolgen. Trotz wiederholter Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält die türkische Justiz an dieser Praxis fest – auch gegen gewählte Mandatsträger:innen.
https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/anwaltskammern-in-kurdischen-provinzen-fordern-rechtstaatliche-reformen-48273 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/istanbul-esp-vorsitzende-aktas-zu-langer-haftstrafe-verurteilt-48420 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/ex-burgermeister-zeynel-tas-nach-neun-jahren-aus-turkischer-haft-entlassen-48334
Engagement für eine friedliche Welt
Schadensersatz bei Schwerbehinderung, wenn der Chef benachteiligt
Laut dem Bundesarbeitsgericht kann die Vermutung begründet sein, dass ein Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt, wenn ein Arbeitgeber Vorschriften missachtet, die dafür da sind, Menschen mit Schwerbehinderungen am Arbeitsplatz zu schützen und zu fördern.
Trifft dieser Fall zu, dann hat der Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung Anpruch auf Schadensersatz. (Bundesarbeitsgericht, Urteil, Az. 8 AZR 191/21)
Der TatbestandEs ging in letzter Instanz darum, ob ein Arbeitgeber Entschädigung an einen Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung zahlen musste. Rechtsvorschrift dabei ist § 15 Abs. 2 AGG. War der Betroffene wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden?
Der Betroffene hatte bei dem Arbeitgeber als Hausmeister gearbeitet, an einer Grundschule. Seit Februar 2018 war er wegen eines Schlaganfalls halbseitig gelähmt und arbeitsunfähig erkrankt. Dies wurde dem Arbeitgeber unmittelbar zeitnah mitgeteilt, durch die vorläufigfe Betreuerin des Betroffenen.
Der Arbeitgeber kündigte dem Betroffenen im März mit dem Hinweis darauf, dass der Vertrag mit der Stadt, aufgrund dessen der Betroffene als Hausmeister arbeitete, ebenfalls geendet hätte. Eine Kündigungsklage des Betroffenen endete mit einem Vergleich.
Klage auf EntschädigungDer Betroffene klagte aber außerdem auf Zahlung einer Entschädigung und verwies darauf, dass der Arbeitgeber ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe. Er hätte ihn ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt und damit gegen Vorschriften verstoßen, gegen Verfahrenspflichten, die vorgeschrieben seien.
Zum Zeitpunkt seiner Kündigung sei seine Schwerbehinderung offenkundig gewesen. Er habe mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation gelegen, und dies habe sein Arbeitgeber gewusst.
“Vermutliche Benachteiligung kann begründet sein”Das Bundesarbeitsgericht urteilte jetzt: Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften zu Verfahren und Förderpflichten zugunsten von Menschen mit Schwerbehinderungen könne die Vermutung einer Benachteiligung begründen, die wegen der Schwerbehinderung erfolgte.
Dadurch gehöre auch die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes bei Kündigung eines schwerbehinderten Menschens.
Trotz möglicher Benachteiligung kein ErfolgDennoch gestand das Gericht dem Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung zu. Er sei zwar unmittelbar benachteiligt gewesen, hätte aber nicht darlegen können, dass diese Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei.
Die fehlende Absprache mit dem Integrationsamt könne zwar eine Vermutung begründen, dass die Schwerbehinderung eine Mitursache für die Benachteiligung war. Eine schlüssige Darlegung dieser Vermutung durch den Betroffenen fehle aber.
Wie begründete das Gericht das UrteilInsbesondere folgte das Gericht nicht der Auffassung, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung von einer offenkundigen Schwerbehinderung hätte ausgehen müssen.
Auch wenn der Arbeitnehmer im Februar wegen eines Schlaganfalls mit halbseitiger Lähmung intensivmedizinisch behandelt worden sei, gebe es keine nachweisliche Kenntnis des Arbeitgebers von einer Schwerbehinderung.
Die nicht eingeholte Zustimmung des Integrationsamtes sei insofern nicht als schadensersatzpflichtige Diskriminierung zu werten.
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Von wegen „Wiederaufbau“: Türkische Gastarbeiter kamen aufgrund von politischem Druck der Türkei und USA nach Deutschland
Aktuell verbreitet das Auswärtige Amt wieder einmal, völlig faktenfrei, das Märchen von der Schaffung des Wirtschaftswunders und sogar des Wiederaufbaus Deutschlands durch türkische Gastarbeiter. Bei diesem Narrativ handelt es sich um anachronistischen, gleichwohl hartnäckig kultivierten Mythos, mit dem die Akzeptanz für die seit zehn Jahren anhaltende prekäre Masseneinwanderung und die damit konnotierte “Fachkräfte”-Lüge erhöht werden […]
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Rente: Dieses Urteil trifft rund 3 Millionen EM-Rentner hart
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte entschieden, dass alle Erwerbsminderungs-Bestandsrentner, deren Leistung vor dem 1. Januar 2019 begonnen hat, keinen Anspruch auf eine Neuberechnung nach den seit 2019 verlängerten Zurechnungszeiten haben. Damit bleiben rund drei Millionen Menschen auf deutlich niedrigeren Renten sitzen – ein Urteil, das sozialpolitisch hohe Wellen schlägt.
Um was es gingZurechnungszeiten sind fiktive Versicherungsjahre, die der Rentenversicherung so angerechnet werden, als hätten Betroffene bis zu einem bestimmten Alter weitergearbeitet.
Seit 2019 wird bei neuen Erwerbsminderungsrenten so gerechnet, als reichte die Erwerbsbiografie bis über das 65. Lebensjahr hinaus; zuvor endete sie früher. Für Bestandsrentner blieb es dagegen bei der alten, kürzeren Zeitspanne – ein Unterschied, der im Schnitt gut 70 Euro im Monat ausmacht und im konkreten Musterfall sogar 185 Euro brutto.
Der Weg durch die InstanzenDer Kläger, seit 2004 voll erwerbsgemindert, wollte genau diese längere Zurechnungszeit auch für seine laufende Rente durchsetzen.
Nachdem das Sozialgericht Duisburg und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen seine Klage abgewiesen hatten, landete das Verfahren in Kassel. Unter dem Aktenzeichen B 5 R 29/21 R wies der 5. Senat die Revision schließlich zurück – ebenso ein Parallelverfahren mit identischer Fragestellung.
Die Entscheidung des BundessozialgerichtsDie Kasseler Richter sahen in der Ungleichbehandlung von Neu- und Bestandsrentnern keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
Sie verwiesen erstens auf das Rentenbeginnprinzip, wonach Reformen grundsätzlich nur für Neurentner gelten; zweitens auf den Gesetzeszweck, künftige, nicht vergangene Erwerbsbiografien abzusichern; drittens auf den Grundsatz der Finanzierbarkeit; und viertens darauf, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die Haushaltslage gestaffelt reformieren durfte.
Rentengerechtigkeit?Würde man alle vor 2019 bewilligten Renten rückwirkend anheben, entstünden laut Berechnungen der Rentenversicherung jährliche Mehrkosten von weit über vier Milliarden Euro – Geld, das im Umlagesystem sofort aufgebracht werden müsste.
Die Richter stuften diese Summe als „erheblich“ und die Entscheidung des Gesetzgebers, sie zu vermeiden, als legitim ein. Sozialverbände kontern, dass das gesamtgesellschaftliche Armutsrisiko erwerbsgeminderter Menschen durch das Urteil vergrößert werde.
Der pauschale RentenzuschlagUm die Kluft zumindest zu verkleinern, hat der Gesetzgeber einen pauschalen Zuschlag eingeführt. Seit dem 1. Juli 2024 erhöhen sich Renten, die zwischen 2001 und Juni 2014 begonnen haben, um 7,5 Prozent; für Renten mit Beginn zwischen Juli 2014 und Ende 2018 gibt es 4,5 Prozent. Der Zuschlag wirkt automatisch auf die persönlichen Entgeltpunkte – ein Antrag ist nicht nötig.
Warum die Lücke bleibtTrotz dieses Zuschlags erreicht die Monatsrente eines Bestandsrentners je nach Einzelfall oft nur zwei Drittel des Niveaus eines gleich gelagerten Neurentners. Im oben genannten Musterfall steigt sie um knapp 128 Euro, während eine Neuberechnung nach neuem Recht gut 185 Euro gebracht hätte. Verbände kritisieren deshalb einen dauerhaften Nachteil von bis zu 20 Prozent.
Reaktionen von Betroffenen und VerbändenDer Sozialverband VdK sprach unmittelbar nach dem Urteil von einer „bitteren Entscheidung“ und kündigte an, Karlsruhe anzurufen. Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) wertete das Ergebnis als schwere Hypothek für die soziale Teilhabe Erwerbsgeminderter. Beide Verbände stützen sich auf rund 1,8 Millionen Ratsuchende, die sich von der Reform ausgeschlossen fühlen.
Karlsruhe bestätigt die Linie des BSGIm Juni 2023 griff das Bundesverfassungsgericht den Fall unter dem Aktenzeichen 1 BvR 847/23 auf – und nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Karlsruher Richter erklärten, der Gesetzgeber dürfe aus administrativen und finanziellen Gründen Stichtage setzen, solange diese sachlich nachvollziehbar seien. Damit ist der Rechtsweg praktisch ausgeschöpft.
Während das Urteil die Konsistenz der gesetzlichen Rentenformel bewahrt und das Risiko weiterer Milliardenlasten vermeidet, festigt es strukturelle Ungleichheiten im unteren Einkommenssegment.
Gut jeder siebte Erwerbsgeminderte bezieht neben der Rente Leistungen aus der Grundsicherung – eine Quote, die mit Blick auf die Nachholeffekte eher steigen dürfte.
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Rente: Rentenexperte warnt: Dieses Urteil trifft viele angehende Rentner
Mit Beschluss (Az. 1 BvR 2076/23) hat das Bundesverfassungsgericht eine Weichenstellung bestätigt, die viele Arbeitnehmer kurz vor dem Ruhestand unmittelbar betrifft.
Karlsruhe nahm eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an und stärkte damit die Linie der Sozialgerichtsbarkeit: Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn zählen nicht zur 45-jährigen Wartezeit für die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
§ 51 Abs. 3a SGB VI ist demnach verfassungsgemäß, die Deutsche Rentenversicherung handelt auf rechtssicherer Grundlage.
Hinter dieser rechtlichen Formel steckt eine klare Botschaft: Wer die „Rente mit 63“ (korrekt: die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte) erreichen will, darf die letzten beiden Jahre vor dem Rentenstart nicht durch ALG-I-Zeiten „auffüllen“.
Der Fall: Ein langer Versicherungsverlauf – und doch ein DämpferAusgangspunkt des Verfahrens war der Rentenantrag eines 1951 geborenen Arbeitnehmers, der nach Vollendung des 63. Lebensjahres die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte beantragte.
Er hatte über vier Jahrzehnte Versicherungszeiten gesammelt, bezog jedoch im Vorfeld rund ein Jahr Arbeitslosengeld I. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte den Antrag ab: Die 45-Jahres-Wartezeit sei wegen des gesetzlich geregelten Ausschlusses nicht erfüllt.
Stattdessen bewilligte sie lediglich die Altersrente für langjährig Versicherte – mit einem Abschlag von 8,7 Prozent. Der Versicherte klagte sich durch die Instanzen und scheiterte schließlich mit seiner Verfassungsbeschwerde.
Prozessgeschichte: Vom Sozialgericht nach KarlsruheDie Beschwerde richtete sich gegen die ablehnenden Entscheidungen der Sozialgerichte – vom Sozialgericht über das Landessozialgericht bis zum Bundessozialgericht – sowie mittelbar gegen die einschlägige Norm des § 51 Abs. 3a SGB VI.
Der Beschwerdeführer sah den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und den Eigentumsschutz seiner Rentenanwartschaften (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt. Karlsruhe nahm die Beschwerde nicht an.
Teilweise fehlte es an einer hinreichend verfassungsrechtlichen Begründung, im Übrigen verwiesen die Richter auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Sozialrecht.
Diese Konstellation ist sozialrechtlich bedeutsam: Auch ohne inhaltliche Hauptsacheentscheidung entfaltet ein Nichtannahmebeschluss normative Signalwirkung, weil er die bisherige Rechtsanwendung bestätigt.
Was § 51 Abs. 3a SGB VI regeltDie Vorschrift bestimmt, dass Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn grundsätzlich nicht auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass Beschäftigte kurz vor dem Ruhestand gezielt in die Arbeitslosigkeit „geschickt“ werden, um fehlende Monate zu überbrücken.
Dieses Missbrauchsverhinderungsziel trägt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Ungleichbehandlung. Entscheidend ist der Zeitpunkt: Liegen ALG-I-Zeiten außerhalb des zweijährigen Korridors, können sie zur 45-Jahres-Wartezeit beitragen; innerhalb des Korridors eben nicht.
Eng umrissene Ausnahmen: Insolvenz oder GeschäftsaufgabeDas Recht kennt zwei Rückausnahmen, die die Härte des Grundsatzes abfedern sollen. Anzurechnen sind ALG-I-Zeiten in den letzten zwei Jahren dann, wenn der Arbeitgeber insolvent wird oder seine Geschäftstätigkeit vollständig aufgibt.
Beide Tatbestände lassen sich klar abgrenzen und verwaltungspraktisch prüfen. Genau diese Überprüfbarkeit war für Karlsruhe ein zentrales Argument: Der Ausschluss schützt die Solidargemeinschaft vor strategischen Frühverrentungen, ohne diejenigen zu benachteiligen, die unverschuldet ihren Arbeitsplatz verlieren.
Warum die Verfassungsrügen scheitertenDer Gleichheitssatz verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Nach Lesart des Gerichts sind Personen, die wegen betrieblicher Entwicklungen zwangsweise arbeitslos werden, nicht mit jenen vergleichbar, bei denen Arbeitslosigkeit in zeitlicher Nähe zum Rentenbeginn planbar oder beeinflussbar war.
Der Eigentumsschutz greift ebenfalls nicht durch: Rentenansprüche und Anwartschaften sind gesetzlich ausgestaltet. Der Gesetzgeber darf im Rahmen legitimer sozialpolitischer Ziele Bedingungen definieren, unter denen Anwartschaften entstehen oder entfallen. Dass solche Regeln in Einzelfällen zu harten Ergebnissen führen, macht sie verfassungsrechtlich nicht per se unzulässig.
Konsequenzen für die Praxis: Planung wird zur PflichtFür Versicherte ergibt sich aus dem Beschluss eine klare Handlungsmaxime. Wer die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte anstrebt, muss die letzten zwei Jahre vor dem gewünschten Rentenbeginn besonders im Blick behalten. Arbeitslosengeld I in diesem Zeitraum schließt die Anrechnung für die 45-Jahres-Wartezeit grundsätzlich aus.
Das gilt auch dann, wenn daneben freiwillige Beiträge gezahlt werden: Sie helfen in dieser Konstellation nicht weiter, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen. In der Folge kann es dazu kommen, dass trotz insgesamt langer Erwerbsbiografie nur die Altersrente für langjährig Versicherte mit spürbaren Abschlägen in Betracht kommt.
Wie die 45 Jahre dennoch gelingen könnenDie wichtigste Stellschraube ist Beschäftigung mit Versicherungspflicht in den kritischen 24 Monaten vor Rentenbeginn. Ein versicherungspflichtiger Minijob kann fehlende Monate liefern, wenn er rechtzeitig und durchgängig ausgeübt wird. Freiwillige Beiträge sind ein weiteres Instrument, entfalten ihre Wirkung in Bezug auf die 45-Jahres-Wartezeit jedoch vor allem außerhalb von Zeiträumen, die zeitgleich von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit geprägt sind. S
innvoll ist außerdem der Blick auf andere beitragsrechtlich relevante Zeiten, die häufig übersehen werden. Kindererziehungszeiten, sofern als Pflichtbeitragszeiten bewertet, sowie Zeiten häuslicher Pflege mit Beitragszahlung durch die Pflegekasse können die Wartezeit ebenfalls voranbringen. Maßgeblich ist stets die konkrete Einordnung als Pflichtbeitragszeit und die zeitliche Lage im Verhältnis zum geplanten Rentenstart.
Was Betroffene jetzt prüfen solltenBetroffene sollten ihre Versicherungsverläufe frühzeitig und kleinteilig prüfen lassen. Entscheidend sind nicht nur die Summen, sondern die Zuordnung der Monate zu den richtigen Rechtskategorien.
Ein Beratungsgespräch – etwa bei der Deutschen Rentenversicherung oder einer zugelassenen Rentenberatungsstelle – hilft, Lücken oder Fehlklassifikationen zu erkennen.
Ebenso wichtig ist ein realistischer Zeitplan: Wer heute noch einige Jahre entfernt ist, kann durch vorausschauende Beschäftigung, Pflegeengagement oder rechtzeitig platzierte freiwillige Beiträge die Weichen stellen.
Wer sich bereits im zweijährigen Korridor befindet, muss wissen, dass ALG-I-Bezug die Anrechnung sperrt und alternative, versicherungspflichtige Beschäftigung den sichersten Weg zur Zielmarke darstellt.
Einordnung: Missbrauchsschutz versus EinzelfallgerechtigkeitDie Entscheidung bestätigt ein Spannungsfeld, das das Rentenrecht traditionell kennt. Missbrauchsschutz erfordert klare, pauschalierende Regeln; Einzelfallgerechtigkeit verlangt flexible Korrekturen. § 51 Abs. 3a SGB VI versucht den Ausgleich über eng gefasste Ausnahmen.
Dass dabei Härten verbleiben, ist verfassungsrechtlich hinzunehmen, sozialpolitisch aber erklärungsbedürftig. Für die Betroffenen bedeutet das: Recht bekommen ist hier vor allem eine Frage rechtzeitiger Information und Planung, weniger eine Frage gerichtlicher Korrekturen in letzter Minute.
Der Beitrag Rente: Rentenexperte warnt: Dieses Urteil trifft viele angehende Rentner erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.
Krankengeld nach Kündigung und Arbeitslosigkeit
Viele Betroffene sind überrascht: Eine Kündigung ist auch während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich zulässig. Eine „Kündigungssperre“ wegen Krankheit gibt es nicht.
Ob eine Kündigung wirksam ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln – etwa dem Kündigungsschutzgesetz, Fristen und der Schriftform. Die bloße Tatsache der Krankschreibung macht eine Kündigung nicht automatisch unwirksam.
Erst die Entgeltfortzahlung, dann KrankengeldZu Beginn einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber – in der Regel bis zu sechs Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Maßgeblich ist das Entgeltfortzahlungsgesetz. Endet das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit, endet grundsätzlich auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung, sofern nicht besondere Ausnahmen nach § 8 EntgFG greifen.
Schließt sich an die Entgeltfortzahlung ein fortdauernder Krankheitszeitraum an, zahlt die gesetzliche Krankenkasse Krankengeld. Die Höhe liegt typischerweise bei 70 Prozent des regelmäßigen Brutto- (maximal 90 Prozent des Netto-)entgelts; insgesamt ist der Bezug – einschließlich der Zeit der Entgeltfortzahlung – auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren je Krankheit begrenzt („Blockfrist“).
Kündigung mitten in der Krankheit: Anspruch auf Krankengeld bleibt bestehen – bei rechtzeitiger FeststellungEntscheidend ist, wann die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde. Wird die Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses ärztlich bescheinigt, besteht der Anspruch auf Krankengeld über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. Das folgt aus § 46 SGB V und ist durch die Rechtsprechung bestätigt.
Praktisch bedeutet das: Wer am letzten Beschäftigungstag noch krankgeschrieben wird, kann ab dem Folgetag Krankengeld erhalten – auch wenn das Beschäftigungsverhältnis dann bereits beendet ist.
In der Praxis ist außerdem die lückenlose ärztliche Feststellung wichtig: Folge-Bescheinigungen müssen nahtlos anschließen. Kommt es zu Lücken, kann der Krankengeldanspruch entfallen. Die Rechtsprechung verlangt einen rechtzeitigen Arztkontakt und in der Regel eine nahtlose Folgebescheinigung.
Krankschreibung erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses: erst ALG-Fortzahlung, dann Krankengeld in ALG-HöheWird die Arbeitsunfähigkeit erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses festgestellt und beziehen Betroffene bereits Arbeitslosengeld I, greift eine andere Abfolge: Die Agentur für Arbeit zahlt das Arbeitslosengeld bis zu sechs Wochen weiter, obwohl man arbeitsunfähig ist (§ 146 SGB III). Ab der siebten Woche zahlt die Krankenkasse Krankengeld – allerdings in der Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes (§ 47b SGB V).
Finanziell ist das ein Unterschied: Klassisches Krankengeld aus Beschäftigung bemisst sich – wie oben beschrieben – an 70 Prozent des Bruttos (maximal 90 Prozent des Nettos) und liegt damit häufig über dem Arbeitslosengeld I, das in der Regel 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts beträgt (67 Prozent mit Kind).
Höhe und Dauer im Überblick – und warum „Blockfristen“ zählenDie Kasse zahlt Krankengeld für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren je Krankheit; die Blockfrist startet mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Zeiten, in denen anderes Einkommen (z. B. Entgeltfortzahlung) fließt, führen zum Ruhen des Krankengeldanspruchs.
Sie verlängern die Blockfrist nicht, sondern werden bei der Höchstdauer berücksichtigt. Für Betroffene ist deshalb die saubere Dokumentation der Diagnose, die ärztliche Feststellung am richtigen Tag und die lückenlose Folgekrankschreibung zentral.
Aufhebungsvertrag, Abfindung, Resturlaub: Was das für Krankengeld und Arbeitslosengeld bedeutetViele Arbeitgeber und Beschäftigte einigen sich bei längerer Krankheit auf einen Aufhebungsvertrag. Sozialrechtlich heikel ist in diesem Zusammenhang die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I: Wer sein Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund beendet oder an der Beendigung mitwirkt, riskiert eine Sperrzeit von in der Regel zwölf Wochen; in dieser Zeit ruht der ALG-Anspruch.
Das folgt aus § 159 SGB III. Für das Krankengeld ist eine Sperrzeit beim ALG I nicht maßgeblich, wohl aber relevant für Betroffene, die nach Beschäftigungsende zunächst ALG I beziehen.
Eine Abfindung selbst mindert den Krankengeldanspruch grundsätzlich nicht, sofern es sich um eine „echte Abfindung“ als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes handelt.
Dagegen lösen laufende Entgeltbestandteile oder nachträgliche Lohnzahlungen ein Ruhen des Krankengeldes aus. Urlaubsabgeltungen sind hier eine Besonderheit: Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung führen sie nicht zum Ruhen des Krankengeldes, weil es sich um eine einmalige Zahlung handelt.
Praktische Konsequenzen für BetroffeneWer während einer bestehenden Krankschreibung eine Kündigung erhält, sollte darauf achten, dass die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Beschäftigungstag vorliegt und nahtlos fortgeschrieben wird. So bleibt der Krankengeldanspruch auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses erhalten.
Wer erst nach dem Ende des Jobs krankgeschrieben wird, erhält zunächst Arbeitslosengeld weitergezahlt und anschließend Krankengeld in Höhe des ALG – finanziell oft ungünstiger als klassisches Krankengeld aus Beschäftigung. In allen Konstellationen gilt: Krankengeldbezug verbraucht keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, solange tatsächlich kein ALG I gezahlt wird; der ALG-Anspruch wird erst im Zeitpunkt des ALG-Bezugs „angezapft“.
FazitDie Weichenstellung erfolgt an zwei Stellen: Zeitpunkt der Krankschreibung und lückenlose Folgebescheinigung. Wird die Arbeitsunfähigkeit fristgerecht am letzten Arbeitstag festgestellt, läuft der Krankengeldanspruch über das Beschäftigungsende hinweg weiter – häufig günstiger als der Weg über Arbeitslosengeld und anschließendes Krankengeld in ALG-Höhe.
Bei Aufhebungsverträgen droht zwar eine ALG-Sperrzeit, das eigentliche Krankengeld bleibt davon aber unberührt; einmalige Zahlungen wie Urlaubsabgeltungen lassen den Krankengeldanspruch nicht ruhen.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. In konkreten Fällen lohnt der Blick in die genannten Normen (§§ 46, 47, 47b, 48, 49 SGB V; §§ 146, 159 SGB III; EntgFG).
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Jobrad kürzt Rente, Krankengeld und Arbeitslosengeld 1
Fahrradleasing, das auch als “Jobrad” bezeichnet wird, läuft in der Regel so ab: Der Arbeitgeber least ein Dienstrad und überlässt es dem jeweiligen Arbeitnehmer. Wenn die Arbeitnehmer das Rad auch privat nutzen, dann beteiligen sie sich an den Kosten. Das bedeutet: Ein Teil des Bruttogehalts fließt in die Leasingrate und die Versicherungsprämie. So weit so gut.
Was sind die Vorteile des Jobrads?Wer sich heute sein Fahrrad nicht gebraucht zusammen flicken will, sondern ein leistungsfähiges Neurad oder gar ein ein E-Bike anstrebt, zahlt schnell mehrere tausend Euro.
Leasing über den Arbeitgeber plus Beteiligung bei Privatgebrauch kann dabei eine günstigere Alternative zum Eigenkauf sein. Zudem gehört zu Leasingverträgen ein Versicherungsschutz.
Gewerkschaften warnen vor dem Leasing durch den ArbeitgeberDie Gewerkschaft verdi sieht bei dieser Art von Fahrradleasing “nur einen, der ganz sicher spart: Dein Arbeitgeber.” Das geleaste Fahrrad gehört dem Arbeitnehmer nicht, sondern er darf es nur nutzen. Zahlen muss der Beschäftigte bei Privatnutzung aber trotzdem, und es bei Auslaufen des Vertrags zurückgeben.
Nach der Rückgabe fallen möglicherweise Instandsetzungskosten an, die der Arbeitnehmer tragen muss.
Verdi erklärt: “Du zahlst für ein Rad, das dir nicht gehört”.
Hinzu kämen, laut Verdi, Kosten für Versicherung, Zubehör, Inspektionen, Reparaturen sowie Steuern für die private Nutzung. Zudem sei der Arbeitgeber nicht einmal verpflichtet, sich an den Zusatzkosten zu beteiligen.
Entgeltumwandlung ist keine FörderungVielen Arbeitnehmern ist der Unterschied eines solchen Firmenleasing zu eigenen Käufen (und auch privaten Ratenzahlungen) nicht bewusst. Wenn ich von dem Geld, das ich auf dem Konto habe, Dinge kaufe oder lease, dann hat das keinen Einfluss auf meine Sozialversicherungsleistungen.
Ganz anders sieht das bei Fahrradleasing der Firma durch Entgeltumwandlung aus. Die Gewerkschaft warnt davor, dass die Entgeltumwandlung keine Förderung ist. Die monatlichen Leasingraten würden ein kleineres Nettogehalt bedeuten, und dieses wiederum führe zu geringeren Ansprüchen auf Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Elterngeld.
Verdi warnt, dass den Sozialkassen wichtige Beitragszahlungen entzogen würden, und dies schwäche unsere Sozialversicherung. Geschwächt würde auch die solidarisch finanzierte Rente, Arbeitslosen- und Krankenversicherung.
Der Arbeitgeber sparten hingegen ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen ein, und hätten keine Nachteile.
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Auch die Altersrente wird durch das monatliche Leasing geringer, denn die Rentenbeiträge richten sich nach dem Einkommen. Sinkt das Einkommen, dann sinken die Beiträge, und damit sinkt die Rente.
Verdi zufolge ist das Fahrradleasing durch Entgeltumwandlung über den Tarifvertrag möglich. Die Vertretungen der Arbeitnehmer sollten sich auf solche Vereinbarungen nur einlassen, wenn “der Arbeitgeber seine Ersparnisse weitergibt und sich auf Zuschüsse einlässt”.
Das Angebot des Arbeitgebers müsse mit den möglichen Kürzungen verglichen werden, und dazu müüssten Arbeitnehmer eine Auskunft von der gesetzlichen Rentenversicherung einholen, außerdem Informationen von Arbeitslosenversicherung, Krankenkasse zum Krankengeld, Lohnsteuerberatung und Zusatzversorgungskasse.
Härtefälle müssen möglich seinDazu müsste es Regelungen für individuelle Härtefälle geben. Möglich sein müsste auf Wunsch der Beschäftigten eine hundertprozentige Vor-Ort-Rücknahme des Fahrrads in Fällen längerer Krankheit, bei Kurzarbeit und Privatinsolvenz, bei Tod oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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