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35 Jahre Einheit: Deutschland muss sich komplett neu erfinden

Ich bin der Meinung – und das ist das Ergebnis eines langen und ruhigen Nachdenkprozesses –, dass sich Deutschland ganz neu erfinden muss, um zu dem wieder zurückzufinden, was uns einst ausmachte, was uns prägte und was uns früher einmal ausgesprochen wettbewerbsfähig in Wissenschaft, in Kunst, in Technik und im Sozialen gemacht hat. Wir müssen […]

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Grabbesuch bei Nagihan Akarsel in Konya

Drei Jahre nach der Ermordung der kurdischen Autorin, Journalistin und Jineolojî-Forscherin Nagihan Akarsel ist in ihrem Heimatdorf Xelîkan (auch Xalîka Jêr, tr. Gölyazı) in der zentralanatolischen Provinz Konya ihrer gedacht worden. Akarsel war am 4. Oktober 2022 im südkurdischen Silêmanî erschossen worden – mit elf Schüssen aus der Waffe eines Auftragsmörders des türkischen Geheimdienstes.

An dem Grabbesuch bei Nagihan Akarsel nahmen unter anderem Vertreter:innen der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), der Frauenbewegung TJA sowie des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK) teil. Die Zeremonie begann mit einer Schweigeminute, begleitet von den Rufen „Jin, Jiyan, Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit.

„Wir sind mit ihr aufgewacht“

Zeynep Yalçın, Mitglied der DEM-Frauenkoordination in Zentralanatolien, würdigte Akarsels Wirken mit eindringlichen Worten: „Sie wollten sicherstellen, dass sie stirbt – weil ihre Gedanken, ihr Kampf und ihr Leben gefährlich waren für jene, die Veränderung fürchten.“ Der Mord habe nicht nur Schmerz hinterlassen, sondern auch einen Weckruf ausgelöst: „Seitdem lesen wir ihre Texte, ihre Analysen – und wir führen ihren Kampf weiter.“

„Sie war der Inbegriff des Widerstands“

Die DEM-Abgeordnete Gülderen Varlı bezeichnete Akarsel als Symbolfigur der kurdischen Frauenbewegung. „Sie war der Widerstand selbst – mit ihrer Stimme, ihrer Analyse, ihrer Sprache“, sagte Varlı. Der Mord an Akarsel sei kein Einzelfall, sondern Teil einer historischen Kontinuität patriarchaler Gewalt: „Immer wieder wurden Frauen, die für Freiheit standen, durch gezielte Angriffe zum Schweigen gebracht. Doch Nagihan hat mit ihrem Wirken das Gegenteil erreicht.“

„Keine ihrer Spuren wird vergessen“

In ihrer Ansprache betonte Varlı, dass Akarsel nicht nur politische Analysen verfasste, sondern auch „die verschüttete Geschichte der Frauen“ niederschrieb. Ihre Vision sei ein freies Kurdistan und eine freie Türkei gewesen. „Sie hat uns viel hinterlassen – ihre Gedanken, ihre Haltung, ihre Sprache. Und wir versprechen ihr: Keine dieser Spuren wird verloren gehen. Weder ihr Stift, noch ihr Wort, noch ihr Bewusstsein.“

Auf dem Grabstein steht ein Zitat aus einem ihrer Texte: „Sagt ein Wort, durch das ich zu uns werde, damit das Leben gemeinsam ist und Freiheit allen gehört.“ Mit diesem Satz, so Varlı, bleibe das Vermächtnis von Nagihan Akarsel als Auftrag, ihre Arbeit fortzusetzen, lebendig.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/gedenken-an-nagihan-akarsel-in-silemani-48231 https://deutsch.anf-news.com/frauen/im-gedenken-nagihan-akarsels-48206 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/staatsvertreter-raumt-anschlag-auf-nagihan-akarsel-ein-34366

 

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Kiesabbau von umstrittenem Unternehmer bedroht Zîlan-Fluss

Er galt als einer der Hauptverantwortlichen für den Tod von Dutzenden Menschen beim verheerenden Erdbeben 2011 in der kurdischen Provinz Wan (tr. Van) – jetzt steht der Unternehmer Salih Ölmez erneut in der Kritik: Im Kreis Erdîş (Erciş) hat er am ökologisch hochsensiblen Zîlan-Fluss ein Kieswerk in Betrieb genommen, das laut Umweltschützer:innen schwere Schäden anrichtet und bedrohte Tierarten gefährdet.

Der Fluss gilt als einer der wichtigsten Naturlebensräume der Region. Dennoch betreibt Ölmez dort mehrere Sand- und Kiesgruben – trotz des offiziellen Status als „besonders schützenswertes sensibles Gebiet“. Auf der Baustelle im Ortsteil Çelebibağ sind Bagger, Förderanlagen und Lkw im Dauereinsatz. Das Flussbett wird sichtbar verändert, die Kiesmassen auf umliegende Flächen umgelagert.

Neben seltenen Vogelarten wie Kranichen, Steppenten und Sichelstrandläufern sind auch mehrere endemische Fischarten vom Eingriff betroffen – darunter zwei Arten, die weltweit ausschließlich im Zîlan-Fluss sowie im Wan-See vorkommen, der von dem Bach gespeist wird: Barbatula ercisianus und Barbus ercisianus.

Wasserkanäle versiegen – Erdrutsche befürchtet

Laut Anwohner:innen drohen die Bewässerungskanäle in benachbarten Dörfern durch die Eingriffe zu versiegen. Viehweiden seien kaum noch zugänglich, das Risiko von Bodenabsenkungen, Überschwemmungen und Erdrutschen steige deutlich. „Der Fluss wird Stück für Stück zerstört“, sagte ein Dorfbewohner.

Genehmigungslage unklar – Kritik an Intransparenz

Ob für die Arbeiten eine gültige Umweltverträglichkeitsprüfung vorliegt, ist bislang unklar. Auch bleibt offen, ob der Eingriff in dieser Form durch geltendes Umweltrecht gedeckt ist. Laut lokalen Angaben wurde die Betriebslizenz für den Kiesabbau von der staatlichen Verwaltung des Landkreises Erdîş erteilt.

Die betroffenen Dorfbewohner:innen gaben an, über die Maßnahmen nicht informiert worden zu sein. Sie kritisieren, dass der Fluss „im Interesse eines einzelnen Unternehmens“ ausgebeutet werde. Ein Anwohner sagte: „Man hat uns weder gefragt noch aufgeklärt. Unsere Lebensgrundlage wird für den Profit zerstört.“

Alte Vorwürfe, neue Empörung

Salih Ölmez war nach dem schweren Erdbeben in Wan im Jahr 2011 in den Fokus geraten. 39 Menschen kamen damals in Erdîş ums Leben, als das von ihm errichtete „Sevgi Apartmanı“ einstürzte. Ein Verfahren gegen ihn endete mit einem Freispruch, die Akte verjährte später. Für viele Familien der Opfer blieb das Verfahren unbefriedigend, von einem „versäumten Recht auf Gerechtigkeit“ war die Rede. Jetzt sorgt Ölmez erneut für Empörung – diesmal nicht mit Beton, sondern mit schwerem Gerät in einer der empfindlichsten Naturlandschaften Ostanatoliens.

https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/energieprojekte-setzen-natur-in-wan-unter-druck-48115 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/wan-Okologie-rat-setzt-auf-basisdemokratischen-umweltschutz-47166 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/toki-baut-mega-wohnanlage-in-Sirnex-48177 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/umweltverein-warnt-vor-zerstorung-des-sarim-tals-durch-kraftwerke-48149 https://deutsch.anf-news.com/Oekologie/Okologische-vernichtung-als-strategie-47638

 

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Anti-Drogen-Plattform „Şiyar Be!“ nun auch in Şirnex aktiv

In der nordkurdischen Provinzhauptstadt Şirnex (tr. Şırnak) ist eine Initiative gegen Drogenmissbrauch ins Leben gerufen worden. Die Plattform versteht sich als Teil der im April in Amed (Diyarbakır) gegründeten Bewegung „Şiyar Be!“ („Sei wachsam!“) und will auf die zunehmende Verbreitung von Drogen und damit verbundene soziale Probleme aufmerksam machen.

Die Gründung wurde am Samstag mit einer öffentlichen Erklärung auf dem Cumhuriyet-Platz bekannt gegeben. Unterstützt wurde die Initiative von der Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM), Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie lokalen Gewerkschaften. Teilnehmende trugen Schilder mit Aufschriften wie „Nicht zum Rausch, sondern zur Wachsamkeit“, „Freiheit statt Sucht“ und „Der Widerstand gegen Drogen heißt Şiyar Be“.

Drogen als soziales Symptom

Die Erklärung wurde auf Türkisch von Mehmet Ertan von der Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen und auf Kurdisch von Esma Erener, Ko-Vorsitzende des Bezirksverbands der DEM-Partei, verlesen. Darin wurde betont, dass Drogenmissbrauch, Prostitution und soziale Zerrüttung nicht nur individuelle Probleme seien, sondern Ausdruck einer systemischen Krise, genährt von Armut, Perspektivlosigkeit und politischen Machtverhältnissen. „Diese Mittel dienen der inneren Zersetzung der Gesellschaft und stärken gleichzeitig die Interessen der Herrschenden“, sagte Ertan.

Die Plattform rief dazu auf, organisierte gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, um sich gemeinsam gegen diese Entwicklungen zu wehren. „Drogenkonsum ist keine reine Privatsache – es ist eine Frage des gesellschaftlichen Gewissens und der gemeinsamen Zukunft“, so Ertan weiter. Eine der Hauptursachen für die teils staatlich geförderte Ausbreitung sei das Fehlen organisierter Gegenwehr in der Bevölkerung.

Organisieren, aufklären, handeln

Nur eine bewusst handelnde, gut organisierte Gesellschaft könne langfristig ihre Werte schützen und soziale Probleme bewältigen, hieß es in der Erklärung. Die Plattform wolle daher Aufklärungsarbeit leisten, lokale Netzwerke aufbauen und Menschen zur Selbstorganisation ermutigen. „Die Lösung liegt in der Hand der Gesellschaft. Unsere Werte gehen nicht durch äußere Gewalt verloren, sondern durch unser eigenes Schweigen. Brechen wir dieses Schweigen gemeinsam“, so Ertan.

Die Aktion endete mit der Parole „Umarme das Leben, nicht die Droge“. Im Anschluss verteilten Teilnehmende Informationsmaterialien an Passant:innen und besuchten lokale Geschäfte, um für die Initiative zu werben.

https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/psychologe-in-amed-soziale-bindung-als-schlussel-gegen-drogenabhangigkeit-48058 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/plattform-Siyar-be-nimmt-arbeit-in-Elih-auf-47529 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/protestmarsch-in-merdin-gegen-wachsenden-drogenkonsum-47731 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/Siyar-be-neues-bundnis-gegen-drogen-und-gesellschaftliche-zerstorung-46078

 

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Gedenken an Nagihan Akarsel in Silêmanî

In der südkurdischen Metropole Silêmanî ist am Jahrestag der Ermordung von Nagihan Akarsel eine Gedenkveranstaltung abgehalten worden. Am Ort des Attentats im Stadtteil Bextiyarî versammelten sich am Samstag zahlreiche Menschen, um der Journalistin, Autorin und Mitbegründerin des Jineolojî-Forschungszentrums zu gedenken.

Die Zeremonie begann mit einer Schweigeminute. Anschließend wurden an der Stelle, an der Akarsel am 4. Oktober 2022 von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienstes erschossen wurde, Blumen niedergelegt und Kerzen entzündet.

Verlust hinterließ eine tiefe Wunde in der kurdischen Gesellschaft

In einer von der politischen Aktivistin Sara Reza verlesenen Erklärung hieß es, der Mord an Akarsel habe „eine tiefe Wunde in der Seele der Gesellschaft hinterlassen“. Akarsel sei nicht nur Forscherin und Publizistin gewesen, sondern auch eine treibende Kraft beim Aufbau des kurdischen Frauenarchivs sowie der Frauenbibliothek in Silêmanî. Ihre Gedanken und ihr Werk seien zum Ziel geworden – sie selbst zur Gefallenen.

„Nagihan war eine Frau, deren stärkste Waffen Gedanken, Wissen und ihr Stift waren“, sagte Reza. Ihre Arbeit sei Teil eines größeren Kampfes um Selbstbestimmung, Geschichtsschreibung und kollektive Erinnerung von Frauen gewesen. „Wir werden uns nicht nur mit Trauer begnügen, sondern ihre Träume weiterverfolgen und verwirklichen“, so die Erklärung weiter.

Ihre Worte haben längst Grenzen überschritten

Die Rednerin verwies auch auf die internationale Dimension von Akarsels Wirken: Ihre Worte, Bücher und Ideen hätten längst Grenzen überschritten – von Kurdistan bis Europa und darüber hinaus. „In mehreren Ländern werden derzeit Veranstaltungen zur Veröffentlichung ihrer Schriften vorbereitet.“ Auch dies sei Teil ihres anhaltenden Erbes.

„Die Identität der freien kurdischen Frau ist heute zu einem Symbol geworden, das weltweit Anerkennung findet. Frauen schöpfen Hoffnung aus ihrer Geschichte und ihrem Widerstand“, so Sara Reza. Nagihan Akarsel habe dazu beigetragen, dass das Wissen und die Erinnerungen von Frauen aus den Archiven zurück in die Gesellschaft getragen würden. Die Gedenkveranstaltung endete mit einem Appell an die Fortsetzung des feministischen und kollektiven Kampfes, den Akarsel zeitlebens geführt hatte.

https://deutsch.anf-news.com/frauen/im-gedenken-nagihan-akarsels-48206 https://deutsch.anf-news.com/frauen/erklarung-der-internationalen-initiative-gerechtigkeit-fur-nagihan-akarsel-43745 https://deutsch.anf-news.com/kurdistan/staatsvertreter-raumt-anschlag-auf-nagihan-akarsel-ein-34366

 

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Ein neues Kapitel der Geschichte

Der systemische Wandel unserer Gesellschaften ist weder eine Utopie noch eine Option, sondern eine unumgängliche Notwendigkeit.
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Die ungehörten Schreie

Selbstmorde von Kindern nehmen vielerorts dramatisch zu — sie sind Opfer traumatisierender Weltereignisse, aber auch der verbreiteten Gleichgültigkeit der Erwachsenenwelt. Teil 7 von 8 der Reihe „Gestohlene Kindheit“.
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Umzug mit Schwerbehinderung: So bleibt dein GdB sicher – auch im Ausland

Lesedauer 3 Minuten

Ein neuer Wohnort, dieselben Rechte? Wer mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) umzieht, hat viele Fragen: Bleibt der Status bestehen? Muss ich neu begutachtet werden? Was gilt bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland – und was, wenn es ins EU-Ausland geht?

Umzug innerhalb Deutschlands: GdB bleibt, Zuständigkeit wechselt

Die gute Nachricht zuerst: GdB und Merkzeichen gelten bundesweit. Grundlage sind das SGB IX und die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) – beides Bundesrecht, das in allen Ländern einheitlich angewandt wird. Ein Umzug ändert deshalb nicht automatisch den Status.

Wichtig in der Praxis: Nach der Ummeldung ist die Feststellungsbehörde am neuen Wohnort (Versorgungsamt/Landesamt) zuständig. Sie lässt sich die Akte übersenden; eine Neufeststellung erfolgt nur, wenn dies rechtlich geboten ist (z. B. wesentliche Gesundheitsänderung, Befristungsende) oder wenn ein Änderungsantrag gestellt worden ist.

Ausweis ≠ Status: Befristung im Blick behalten

Der Schwerbehindertenausweis ist oft bis zu 5 Jahre befristet; er kann verlängert bzw. neu ausgestellt werden. Unbefristete Ausweise sind möglich, aber die Ausnahme. Das berührt den Status (GdB/Merkzeichen) nicht – er bleibt bestehen, solange keine Neufeststellung ansteht.

Behördenpraxis: Nach dem Umzug stellen viele Ämter einen neuen Ausweis mit neuem Geschäftszeichen aus – ohne inhaltliche Änderung. Zuständigkeiten und Anlaufstellen ändern sich, die Rechtsfolgen (z. B. Nachteilsausgleiche) bleiben gleich.

Umzug ins Ausland (EU/EWR/Schweiz): Keine automatische GdB-Übernahme

Beim dauerhaften Umzug in ein anderes EU-Land gilt: Der deutsche GdB wird dort nicht automatisch als nationaler Behindertenstatus anerkannt. Sozial- und Nachteilsausgleichsrechte sind Sache der Mitgliedstaaten.

Man muss im Zielland in aller Regel eine eigene Feststellung nach dortigem Recht durchlaufen; die EU-Koordinierung (VO 883/2004) harmonisiert die nationalen Definitionen nicht, sie koordiniert nur Leistungsansprüche.

Was dennoch hilft: EU-Parkausweis & neue EU-Disability Card

Der europäische Parkausweis (blaues Modell) wird in der EU wechselseitig anerkannt – Parkerleichterungen gelten grenzüberschreitend.
Neu kommt die EU-Disability Card samt modernisiertem EU-Parkausweis: Die Richtlinien sind seit 14. November 2024 im Amtsblatt; die Mitgliedstaaten haben bis 2028 Zeit, sie vollständig umzusetzen.

Die Card dient als Nachweis des Behindertenstatus bei Kurzaufenthalten (Reise, Studium, Events) und soll Ermäßigungen/Assistenz erleichtern – ohne nationale Sozialleistungen automatisch zu übertragen.

Konsequenz: Für den Dauerumzug zählt das nationale Verfahren im Zielland. Für Reisen/Kurzaufenthalte erleichtert die EU-Disability Card künftig den Zugang zu Vergünstigungen; bis zur flächendeckenden Einführung bleibt der EU-Parkausweis das zentrale Instrument.

So gehst du beim Umzug konkret vor

A) Innerhalb Deutschlands

Der Umzug ist bei der neuen Feststellungsbehörde zu melden; hierfür sind Schwerbehindertenausweis und Feststellungsbescheid bereitzuhalten. Die Befristung des Ausweises ist zu prüfen, eine rechtzeitige Neuausstellung bzw. Verlängerung zu beantragen – der Status (GdB/Merkzeichen) bleibt davon unberührt.

Anschließend werden die Nachteilsausgleiche am neuen Wohnort neu beantragt oder umgeschrieben, etwa für den ÖPNV, Parkerleichterungen und gegebenenfalls den Rundfunkbeitrag.

B) Umzug ins EU-Ausland

Erforderlich ist die Zusammenstellung einer vollständigen Unterlagenmappe mit Feststellungsbescheid, Schwerbehindertenausweis, ärztlichen Befunden samt ICD-Codes sowie Reha- und sonstigen Gutachten.

Hierzu sollten beglaubigte Übersetzungen durch vereidigte Übersetzer angefertigt werden; in den Übersetzungen ist der „Grad der Behinderung (GdB), Skala 20–100 in 10er-Schritten“ einschließlich der Merkzeichen (G, aG, H, Bl, RF) kurz zu erläutern.

Der EU-Parkausweis sollte mitgeführt werden; perspektivisch kommt die Nutzung der EU-Disability-Card in Betracht, sobald diese im Zielland verfügbar ist. Zudem empfiehlt sich die frühzeitige Klärung, welche Stelle im Zielland den Behindertenstatus feststellt – in der Regel eine Sozial- oder Gesundheitsbehörde.

Kompaktüberblick Situation Das gilt / Dein To-do Umzug in anderes Bundesland GdB/Merkzeichen gelten weiter; neue Zuständigkeit am Wohnort. Nur bei Befristungsende, wesentlicher Änderung oder Antrag erfolgt Neufeststellung. Ausweis läuft ab Neu ausstellen/verlängern (bis zu 5 Jahre; ausnahmsweise unbefristet). Status bleibt bestehen. Dauerumzug ins EU-Ausland Keine automatische Anerkennung des deutschen GdB; nationales Verfahren im Zielland nötig. Reisen/Kurzaufenthalte in der EU EU-Parkausweis jetzt; EU-Disability Card kommt bis 2028 schrittweise hinzu (Nachweis, keine Sozialleistungen). Häufige Irrtümer – kurz erklärt

„Neues Bundesland = neuer GdB.“
Falsch. Die VersMedV gilt bundeseinheitlich; der Wohnortwechsel ändert den Status nicht automatisch.

„Im Ausland zählt mein deutscher GdB überall.“
So pauschal nicht. Anerkennung und Nachteilsausgleiche sind national; EU-Recht koordiniert vor allem Leistungsansprüche, harmonisiert aber keine GdB-Definition.

„Die neue EU-Card löst alles.“
Nein. Sie erleichtert Kurzaufenthalte (Ermäßigungen, Priorität, Assistenz), ersetzt aber kein nationales Feststellungsverfahren und überträgt keine Sozialleistungen.

Der Beitrag Umzug mit Schwerbehinderung: So bleibt dein GdB sicher – auch im Ausland erschien zuerst auf Gegen Hartz IV - Bürgergeld Ratgeber und Hartz 4 Tipps.

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Schwerbehinderung: Gericht stoppte Behörden-Willkür bei dem Grad der Behinderung

Lesedauer 3 Minuten

Ein aktueller Fall aus Baden-Württemberg zeigt, wie Versorgungsämter manchmal Anträge von Menschen mit Behinderung ignorieren. Eine Rentnerin wollte ihren Grad der Behinderung (GdB) überprüfen lassen. Ihr bisheriger GdB von 40 reichte nicht für einen Schwerbehindertenausweis.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg verpflichtete die Behörde daraufhin, sämtliche Anträge erneut zu prüfen und dabei aktuelle medizinische Befunde zu berücksichtigen. Dieses Beispiel zeigt, dass auch abgelehnte oder nicht bearbeitete Anträge weiterhin Aussicht auf Erfolg haben können.

Der konkrete Fall: Aus 40 wird (eventuell) 50 oder mehr

Im Dezember 2024 entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen L 8 SB 2779) über die Klage einer älteren Frau, deren Gesundheitszustand sich eigenen Angaben zufolge verschlechtert hatte.

Seit Jahren kämpfte sie um einen GdB, der ihr Zugang zu einem Schwerbehindertenausweis verschaffen würde. Die zuständige Behörde jedoch bearbeitete neue Unterlagen nicht oder lehnte sie ab.

Obwohl das Gericht letztlich keinen Anspruch auf einen bestimmten GdB anerkannte, hob es deutlich hervor:

Die Behörde ist verpflichtet, jede neue Verschlechterung zu bewerten und auf Basis aktueller medizinischer Befunde zu entscheiden. Ignoriert sie solche Anträge, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf umfassende Prüfung vor. Die Sachlage muss also gründlich ermittelt werden, anstatt bloß pauschal zu verneinen.

Vorteil für Betroffene: Sie können sich darauf berufen, dass jedes Versäumnis der Behörde nicht zulasten des Antragstellers gehen darf. Wer umfangreiche ärztliche Unterlagen einreicht, hat somit bessere Chancen auf eine angemessene GdB-Festsetzung oder Zuerkennung von Merkzeichen.

Woran es scheiterte: Die Untätigkeit des Versorgungsamts

Viele Antragsteller kennen das Problem: Sie senden Formulare, Atteste oder Gutachten an das zuständige Amt, hören dann aber monatelang nichts. Bei der Klägerin aus diesem Fall war die Situation besonders klar: Das Versorgungsamt hatte die Unterlagen nicht nur abgelehnt, sondern teilweise gar nicht erst beschieden.

Laut SGB müssen Behörden innerhalb einer angemessenen Frist entscheiden. Das Gericht wies deshalb ausdrücklich darauf hin, dass die Institution keine Rechtfertigung dafür hatte, monatelang zu schweigen.

Auch wenn jemand die Bearbeitung erschwert (z. B. durch fehlende Schweigepflichtentbindungen), muss das Amt mindestens einen Versagungsbescheid erteilen und diesen begründen. Damit wäre dann der Rechtsweg für eine Anfechtung eröffnet.

Das Gerichtsurteil: Keine automatische Erhöhung, aber Recht auf Prüfung

Das LSG Baden-Württemberg forderte die Behörde auf, sämtliche Anträge der Frau erneut zu bearbeiten. Dabei müsse der aktuelle Gesundheitszustand gründlich untersucht werden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Frau automatisch einen Schwerbehindertenausweis oder höhere Merkzeichen erhält. Das Gericht verlangte lediglich eine sachliche und zügige Entscheidung.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Antragsteller zu hohe Erwartungen haben: Ein Urteil, das eine neue Prüfung anordnet, heißt nicht zwangsläufig, dass die Behörde am Ende zustimmen muss.

Allerdings sind Behörden verpflichtet, nachvollziehbar darzulegen, warum sie einen GdB nicht erhöhen. Diese Begründung muss sich auf fundierte Stellungnahmen stützen.

Wer einen Schwerbehindertenausweis braucht

Viele Menschen unterschätzen, welche Vorteile ein Schwerbehindertenausweis bietet. Mit Merkzeichen wie „G“ (Gehbehinderung) oder „H“ (Hilflosigkeit) können Betroffene Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen, etwa beim Parken auf ausgewiesenen Flächen oder bei der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.

Der rechtliche Rahmen ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB). Das Versorgungsamt – in Baden-Württemberg häufig dem örtlichen Landratsamt zugeordnet – entscheidet über die Zuerkennung des GdB und stellt bei mindestens 50 den eigentlichen Ausweis aus.

Wer bereits mit gesundheitlichen Einschränkungen lebt, sollte deshalb frühzeitig abklären, ob bestimmte Nachweise für eine höhere GdB-Bewertung ausreichen. Nach einem Bescheid über den GdB lohnt es sich zudem, regelmäßig zu prüfen, ob sich der Gesundheitszustand weiter verschlechtert hat. In solchen Fällen dürfen Behörden neue Befunde nicht einfach ignorieren.

Häufige Stolpersteine bei Verschlechterungsanträgen

Zunächst glauben viele, dass sie nur einen formellen Antrag stellen müssen und sich der Rest von selbst ergibt. Doch gerade beim GdB führen Behörden oft umfangreiche Ermittlungen durch. Wer unvollständige Unterlagen einreicht oder lange Wartezeiten duldet, riskiert eine Ablehnung aus formalen Gründen.

Ebenso kann es passieren, dass man selbst ärztliche Gutachten blockiert, weil man keine Schweigepflichtentbindung erteilen will.

Dann darf die Behörde eine Entscheidung ebenfalls ablehnen, wenn sie die gesundheitliche Lage nicht beurteilen kann. Trotzdem muss sie darüber schriftlich befinden und darf den Antrag nicht einfach sang- und klanglos liegen lassen.

Praxisbeispiel: So setzen Sie Ihr Recht durch

Angenommen, Ihre Mobilität ist durch eine chronische Erkrankung stark eingeschränkt. Ihr letzter anerkannter GdB liegt bei 40. Nun stellen Sie fest, dass sich Ihr Zustand durch neue, ärztlich bestätigte Diagnosen verschlechtert hat. Sie schicken alle Befunde an das Versorgungsamt, schreiben einen formlosen Antrag auf Erhöhung und weisen klar auf zusätzliche Einschränkungen hin.

Kommt binnen einiger Monate keine Antwort, schicken Sie eine schriftliche Erinnerung. Verstreicht die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten, können Sie Klage wegen Untätigkeit erheben.

Im Prozess würde das Sozialgericht die Behörde auffordern, eine Entscheidung zu treffen. Wird dann immer noch abgelehnt, muss eine ordentliche Begründung folgen.

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Die Ergebnisse der europäischen Gipfeltreffen in Kopenhagen

ANTI-SPIEGEL - Fundierte Medienkritik - 4. Oktober 2025 - 15:01
Am Mittwoch und Donnerstag fanden in Kopenhagen hochrangige Treffen europäischer Politiker statt. Am Mittwoch trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU zum EU-Gipfel und am Donnerstag gab es ein Treffen der 2022 gegründeten Europäischen Politischen Gemeinschaft, der alle europäischen Staaten außer Russland und Weißrussland angehören. Die Europäische Politische Gemeinschaft wurde vom französischen Präsidenten Macron […]
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Entwicklungen im Nordwest-Pazifik – La Niña & Co.

Cap Allon

Warmwasser-Blase“ verschwindet

Der „Warm Blob“ – eine überhitzte Wasserfläche im Nordostpazifik, die einst als Beweis für den Klimawandel angeführt worden war – scheint sich aufzulösen.

Das Phänomen wurde erstmals 2013 entdeckt und mit dem Massensterben von Meereslebewesen, der Dürre in Kalifornien und sogar den „Polartief”-Wintern von 2013 bis 2015 in Verbindung gebracht, die durch eine Blockierung* über Alaska verursacht wurden. Und wie üblich wurde er schnell als Symptom des vom Menschen verursachten Klimawandels gebrandmarkt.

[*Blockierung: Der Begriff beschreibt die Bildung eines kräftigen und hoch reichenden Hochdruckgebietes in höheren Breiten. Die normale Westströmung wird dadurch blockiert. Eine solche Blockierung gab es Ende September auch in Europa. A. d. Übers.]

Eine Studie aus dem Jahr 2020 (Laufkötter et al.) argumentierte, dass Ereignisse wie der Blob durch den Anstieg des CO₂-Gehalts wahrscheinlicher geworden seien, da die anthropogene Erwärmung die Basiswerte der Ozeane nach oben drücke und die Wahrscheinlichkeit solcher extremen Anomalien erhöhe.

Andere Veröffentlichungen haben diesen Zusammenhang seitdem aufgegriffen und den Blob als weiteren „Fingerabdruck des Treibhauseffekts“ dargestellt.

Und während die neuesten Daten, die tägliche Anomaliekarte, vor der Küste noch orange leuchten, zeigt die 30-Tage-Veränderung, dass der Blob schnell verblasst und sich Blau über das Becken ausbreitet. An einigen Stellen sind die Meerestemperaturen in nur einem Monat um mehr als 2 °C gesunken:

Trotz immer höherer CO₂-Werte im Jahr 2025 zieht sich der Blob zurück. Er ist kein fester Bestandteil des „Klimawandels”, sondern ein vorübergehendes Produkt sich verändernder Zirkulations- und Ozeanzyklen. Die gleichen Antriebskräfte/Prozesse, die zu seinem Anstieg beigetragen haben, brechen ihn ebenso leicht wieder auf.

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La Niña verstärkt sich

Der CDAS 3.4-Index ist auf -1,02 °C gefallen und hat damit eindeutig den La Niña-Bereich erreicht.

Die Abkühlung hat sich seit Anfang Juli beschleunigt:

[tropicaltidbits.com]

Trotz dieses eindeutigen Signals wird das Ereignis im aktuellen NMME-Ensemble (Initialisierung im September) weiterhin unterschätzt. Die meisten Modelle prognostizieren für den borealen Winter nur ein schwaches bis mäßiges La Niña-Ereignis, das seinen Tiefpunkt bei etwa -1 °C erreicht, bevor es Anfang 2026 wieder stiegt.

[cpc.ncep.noaa.gov]

Die Realität (CDAS-Diagramm: SST-Daten, Bojendaten und Modellassimilation) zeigt jedoch bereits eine stärkere Entwicklung als der NMME-Mittelwert – was darauf hindeutet, dass die Vorhersagen möglicherweise erneut sowohl das Ausmaß als auch die Dauer der Abkühlung unterschätzen.

Historisch gesehen führt La Niña zu einem kälteren, schneereicheren Winter in Kanada und den nördlichen USA, trockeneren Bedingungen im Süden der USA und einem erhöhten Kälterisiko in Europa und weiten Teilen Asiens. Außerdem neigt es dazu, Monsune zu stören, die Zugbahnen tropischer Wirbelstürme zu verschieben und die globalen Temperaturen zu senken.

Ob es sich dabei um einen kurzen Einbruch handelt, wie die Modelle vermuten lassen, oder um den Beginn eines länger anhaltenden Ereignisses, wird von den gekoppelten Rückkopplungen zwischen Atmosphäre und Ozean in den nächsten 6 bis 8 Wochen abhängen. Derzeit nähert sich der äquatoriale Pazifik unbestreitbar einem kalten Grundzustand.

Link: https://electroverse.substack.com/p/feet-of-snow-hit-the-alps-early-snow?utm_campaign=email-post&r=320l0n&utm_source=substack&utm_medium=email (Zahlschranke)

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

Der Beitrag Entwicklungen im Nordwest-Pazifik – La Niña & Co. erschien zuerst auf EIKE - Europäisches Institut für Klima & Energie.

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Instructions following a working trip to Magadan

PRESIDENT OF RUSSIA - 4. Oktober 2025 - 15:00

The President approved a list of instructions following his working trip to Magadan on August 15, 2025.

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Herrschaft der Algorithmen

Im Manova-Exklusivgespräch diskutiert Walter van Rossum mit der Philosophin Gwendolin Walter-Kirchhoff, dem Datenanalysten Tom Lausen und dem Molekulargenetiker Michael Nehls darüber, wie mit der KI Gefahr und Rettung gleichermaßen wachsen.
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Klimawahn im Vatikan

Im Vatikan hat der neue Papst Leo XIV. einen riesigen Eiswürfel als Zeichen des Kampfs gegen den Klimawandel gesegnet. Was Papst Franziskus die Pachamama war, das scheint Papst Leo nun die neue Klimareligion zu sein – und das, obwohl die Zeit der Klimahysterie und ihrer fanatischen Sektierer unausweichlich ihrem Ende zugeht und immer mehr Menschen […]

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Bürgergeld: Jobcenter zieht Taschengeld ab – Bagatellgrenze hilft hier nicht

Lesedauer 2 Minuten

Auch ein geringes monatliches Taschengeld, das eine Mutter ihrer Tochter überweist, wird vom Jobcenter als bedarfsminderndes Einkommen von den Leistungen abgezogen. Eine solche Anrechnung ist nicht grob unbillig; ein Verweis auf eine „Bagatellsumme“ greift nicht. Das entschied das Sozialgericht Gelsenkirchen Az: S 44 AS 3425/18.

15,34 Euro Taschengeld pro Monat

Die Tochter erhielt Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II (früher Hartz IV, heute Bürgergeld). Ihre Mutter überwies ihr monatlich 15,34 Euro als frei verfügbares Taschengeld, das die Tochter für Freizeitaktivitäten verwendete.

Jobcenter rechnet Taschengeld an

Das zuständige Jobcenter wertete das Taschengeld als Einkommen und zog den Betrag von den SGB-II-Leistungen ab. Die Betroffene klagte und hielt die Anrechnung für grob unbillig.

Das Gericht weist die Klage ab – Maßstab § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II

Die Richter verwiesen auf § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II: Zuwendungen Dritter bleiben nur unberücksichtigt, soweit ihre Anrechnung für Leistungsberechtigte grob unbillig wäre. Dies sah das Gericht nicht:

Taschengeld sei weder zweckgebunden noch einem höherrangigen gesellschaftlichen Zweck zugeordnet, daher als Einkommen zu berücksichtigen.

Keine „Bagatellgrenze“ zugunsten der Leistungsberechtigten

Ein pauschaler Verweis auf 10-Euro-Bagatellen geht fehl: Die 10-Euro-Grenze aus § 1 Nr. 1 der (heutigen) Bürgergeld-Verordnung (früher Alg II-V) dient primär der Verwaltungsökonomie – sie ist kein Freibetrag und schützt nicht generell vor Anrechnung. Beträge über 10 Euro sind in voller Höhe zu berücksichtigen. Im Fall Gelsenkirchen (15,34 Euro) greift die Bagatellgrenze daher nicht.

Nicht immer wird Taschengeld angerechnet – Abgrenzung SG Düsseldorf

Anders entschied das Sozialgericht Düsseldorf im Urteil vom 07.06.2017 – S 12 AS 3570/15: Dort durfte der Kläger 50 Euro monatlich behalten, weil das Geld zweckgebunden zur Bewerbungsfinanzierung bzw. Tilgung eines Existenzgründungs-Darlehens eingesetzt wurde.

In dieser Konstellation wäre eine Anrechnung grob unbillig. Entscheidend war nicht die schlichte Geringfügigkeit, sondern der belegte Zweck.

Praxis-Kern: Zweckbindung schlägt „Taschengeld“

Zweckgebundene Zuwendung (z. B. ausdrücklich für Bewerbungen, Arbeitsaufnahme, notwendige Arbeitsmittel oder zur Schuldenregulierung eines Gründungsdarlehens) kann ausnahmsweise nach § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II anrechnungsfrei sein – wenn der Zweck konkret ist und die Verwendung nachweisbar erfolgt.
„Taschengeld zur freien Verfügung“ ist regelmäßig anzurechnen, weil es ohne höheren Zweck gewährt wird.

Höchstrichterliche Linien – was als „grob unbillig“ gilt

Die Rechtsprechung betont, dass Einzelfallumstände zählen. So hat die höchstrichterliche Linie (BSG) Fälle anerkannt, in denen die Anrechnung bestimmter Zuwendungen – etwa Trinkgelder oder zweckgebundene Unterstützungen – grob unbillig sein kann.

Maßgeblich sind Zweck, sozialer Bezug und die Folgen einer Anrechnung. Pauschale Freibeträge für „Geschenke“ gibt es nicht.

Woran Jobcenter bei der Prüfung festmachen (Checkliste für Betroffene)

  1. Zweck schriftlich festhalten: Verwendungszweck schon bei der Überweisung angeben (z. B. „nur für Bewerbungen/Arbeitsmittel“). Quittungen sammeln.
  2. Nachweise vorlegen: Bewerbungsbelege, Rechnung für Arbeitsmittel, Tilgungspläne bei Gründungsdarlehen.
  3. Abgrenzung zu Geschenken: „Freie“ Geschenke/Taschengeld → Anrechnung wahrscheinlich. Zweckgebundene Förderung → Einzelfallprüfung nach § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II.
  4. Bagatellregel realistisch einordnen: 10 Euro/Monat sind keine Schonung für beliebige Zuflüsse; sie vermeiden nur unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand. Additionen gleichartiger Einnahmen sind zu beachten.

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Die neue End-of-Life-Verordnung trifft vor allem Bürgergeld-Bezieher und Rentner

Lesedauer 3 Minuten

Die EU‐Umweltminister haben am 17. Juni 2025 ihre gemeinsame Position zur neuen Verordnung über das Lebensende von Fahrzeugen (End-of-Life-Vehicles-Regulation, ELV) verabschiedet. Vor allem Rentnerinnen und Rentner sowie Sozialleistungsbeziehende sind davon betroffen, da ältere gebrauchte PKW´s künftig nicht ohne Mehrkosten verkauft werden können.

Es rückt also eine Regelung näher, die den Verkauf gebrauchter Pkw, Transporter und Motorräder an strengere Nachweispflichten knüpft. Die Maßnahme ist Teil des europäischen Green Deal und soll Rohstoffe im Kreislauf halten sowie den Export von Schrottfahrzeugen in Drittstaaten eindämmen.

Um was geht es genau?

Im Kern ersetzt der Vorschlag zwei bisherige Richtlinien – die Altfahrzeug-Richtlinie von 2000 und die 3R-Typgenehmigungsrichtlinie von 2005 – durch ein einheitliches Regelwerk. Die Kommission verweist darauf, dass jedes Jahr rund 6,5 Millionen Fahrzeuge ihr Lebensende erreichen, aber große Mengen an Kunststoffen, Metallen und Elektronik unzureichend recycelt werden.

Künftig entscheidet ein mehrstufiger Kriterienkatalog, ob ein Wagen als „irreparabel“ – und damit als Abfall – gilt. Diese Einstufung bleibt zwar in der Verantwortung der Mitgliedstaaten, muss aber unionsweit identisch angewandt werden.

Nachweispflicht vor jedem Besitzerwechsel

Im Kern ist es eine neue Pflicht, bei der in jeder Eigentumsübertragung nachzuweisen ist, dass das Fahrzeug kein “End-of-Life-Vehicle” ist. Akzeptiert wird entweder ein aktueller TÜV-Bericht oder ein kostenintensives Gutachten eines anerkannten Sachverständigen.

Die Vorgabe betrifft Privatpersonen ebenso wie Händler – ausdrücklich auch dann, wenn sie den Wagen auf digitalen Plattformen anbieten. Verkäufe, die ausschließlich offline und ohne Internetanzeige zwischen Privatleuten abgewickelt werden, sind davon ausgenommen, gelten in der Praxis aber nur noch als Nischenfall.

Offline-Geschäfte sind keine Schonzone

Selbst wenn ein Gebrauchtwagen klassisch über den Zettel hinter der Windschutzscheibe einen neuen Besitzer findet, verlangen die Brüsseler Regeln, dass das Auto verkehrssicher ist.

Ohne bestandene Hauptuntersuchung oder ein Fachgutachten kann das Fahrzeug offiziell als irreparabel eingestuft werden. Spätestens dann greifen die strengsten Passagen der Verordnung.

Irreparabilität führt zur Sofortverwertung

Artikel 26 des Entwurfs verpflichtet Halter, ein als irreparabel bewertetes Fahrzeug „ohne unangemessene Verzögerung“ in eine zugelassene Verwertungsanlage zu bringen und der Zulassungsbehörde anschließend die Verschrottungsbescheinigung vorzulegen.

Die EU will damit verhindern, dass funktionsuntüchtige Autos über Jahre auf Privatgrundstücken oder in Garagen lagern oder in Länder außerhalb der Union exportiert werden, wo eine umweltgerechte Entsorgung nicht gewährleistet ist.

Folgen für Gebrauchtwagenhandel

Für Verkäufer steigen die Kosten, weil neben dem Gutachten mögliche Reparaturen anfallen, um den Wagen überhaupt als „nicht ELV“ deklarieren zu können. Wer exportieren möchte, braucht zusätzlich eine Bestätigung der Straßentauglichkeit aus dem letzten Zulassungsstaat. Fahrzeuge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, dürfen den Zoll nicht passieren.

Kritik von ADAC und Bundesländern

Der ADAC spricht von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht und warnt vor einer Entwertung älterer Fahrzeuge, sollten Halter den Beweis ihrer Verkehrstauglichkeit nicht erbringen können. Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter hält die Nachweispflicht für unzumutbar, da sie Bürokratie aufbaut, aber „keinen Mehrwert schaffe“.

Die Argumente der Kommission

Kommission und Rat halten dagegen, dass jährlich Tausende Schrottfahrzeuge mit manipulierten Papieren außer Landes gehen. Die Verordnung verknüpfe künftig Zulassungs‐, Recycling‐ und Zollsysteme digital und schaffe so einen geschlossenen Datenstrom vom Hersteller bis zur Verschrottung.

Die Pflicht zur Vorlage eines „Circularity Vehicle Passport“ soll außerdem sicherstellen, dass Materialien wie Kunststoffe oder seltene Erden wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen.

Der weitere Zeitplan

Nachdem der Rat seine Position beschlossen hat, stehen nun Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament an. Die federführenden Ausschüsse ENVI und IMCO haben ihren Bericht Anfang Juli gebilligt; eine Plenarabstimmung ist für die Sitzungswoche vom 8. bis 11. September 2025 eingeplant.

Kommen Parlament und Rat bis Jahresende zusammen, könnte die Verordnung Anfang 2026 in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten müssten sie dann binnen zwölf Monaten anwenden – und Millionen Halter stünden vor neuen Pflichten beim nächsten Autoverkauf.

Ausblick

Ob die End-of-Life-Verordnung am Ende eher Umwelt- oder Eigentumsinteressen dient, entscheidet sich an ihrer praktischen Umsetzung.

Klar ist schon jetzt: Wer künftig einen Gebrauchtwagen verkaufen will, muss sich weit mehr als bisher mit technischen Nachweisen, digitalen Papieren und möglichen Entsorgungsauflagen befassen. Für Liebhaber von Youngtimern und Restauratoren bleiben noch offene Fragen, doch die politische Mehrheit in Brüssel scheint fest entschlossen, den Autokreislauf strenger zu schließen.

Betroffen sind vor allem diejenigen, deren Einkommen niedrig ist und ein älteres Auto verkaufen wollen.

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Rente: Altersgrenze erreicht? Mit diesem Trick bleibt der Job trotzdem bestehen

Lesedauer 2 Minuten

Viele Arbeitnehmer möchten den Beginn der Altersrente hinausschieben. Auch Arbeitgeber haben oft ein Interesse daran, erfahrene Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, denn diese verfügen über wertvolles Branchenwissen. Hier werden die rechtlichen Grundlagen erklärt, um das Ende des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben.

Sie können eine Vereinbarung schließen

Der Paragraf 41, Satz 3 des Sozialgesetzbuches VI regelt das Hinausschieben der Beendigung des vertraglichen Arbeitsverhältnisses aufgrund des Rentenbeginns. Er eröffnet die Möglichkeit, eine sogenannte Hinausschiebensvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schließen.

Voraussetzung ist, dass es im Arbeits- oder Tarifvertrag (oder in einer Betriebsvereinbarung) überhaupt eine wirksame Altersgrenzenklausel gibt, nach der das Arbeitsverhältnis beim Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Fehlt eine solche Klausel, endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch – dann gibt es rechtlich nichts „hinauszuschieben“.

Die Vereinbarung macht eine Ausnahme von dem ansonsten im Arbeitsvertrag festgelegten Ende beim Erreichen der Regelaltersgrenze.

Welchen Vorteil bietet die Vereinbarung?

Ein neuer befristeter Arbeitsvertrag eines Beschäftigten im Rentenalter muss grundsätzlich sachlich begründet werden. Eine Vereinbarung zur Weiterbeschäftigung nach § 41 Satz 3 SGB VI bedarf hingegen keiner sachlichen Begründung.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2018 klargestellt, dass dieses Hinausschieben ohne Sachgrund sowohl mit dem Unionsrecht als auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist (7 AZR 70/17). Rechtlich bewegen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer damit auf sicherem Terrain.

Sie können also in Absprache mit Ihrem Arbeitgeber ohne zusätzliche Hürden weiterbeschäftigt werden, und zwar während des Rentenbezugs und obwohl das Arbeitsverhältnis bereits zuvor bestand.

Was sind die Voraussetzungen?

Der Vereinbarung müssen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zustimmen. Sie muss schriftlich verfasst und von beiden Seiten unterzeichnet sein, und zwar rechtzeitig vor dem bisherigen Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses – also vor Erreichen der Regelaltersgrenze beziehungsweise vor Ablauf eines bereits hinausgeschobenen Datums.

Zwingend erforderlich ist zudem ein konkretes neues Beendigungsdatum („hinausschieben bis zum …“). Eine offene Formulierung „bis auf Weiteres“ genügt nicht.

Flexible Fristen

Diese Vereinbarung ist an keine Mindest- oder Höchstfristen gebunden, und sie kann mehrfach abgeschlossen werden. Sie können das einvernehmliche Ende Ihres Arbeitsverhältnisses also auch stufenweise verschieben.

Das verschafft Ihnen Spielraum, wenn sich etwa Ihr Gesundheitszustand ändert oder Sie neue Ziele setzen. Bleiben Sie belastbar und möchten weiterarbeiten, verlängern Sie die Frist erneut. Wenn Sie nicht mehr in dieser Form arbeiten können oder wollen, setzen Sie nach der ersten Vereinbarung einen Schlussstrich.

Bis jetzt nicht abschließend entschieden

Bestimmte Fragen sind rechtlich noch ungeklärt. Insbesondere ist höchstrichterlich nicht abschließend entschieden, ob in derselben Hinausschiebensvereinbarung gleichzeitig andere Arbeitsbedingungen geändert werden dürfen – etwa eine reduzierte Arbeitszeit oder neue Aufgaben.

Rechtslage unsicher

Da die Rechtslage hierzu unsicher ist, sollten Änderungen der Arbeitsstruktur, Aufgaben oder Arbeitszeit in einer gesonderten Zusatzvereinbarung dokumentiert werden – idealerweise in zeitlichem Abstand zur Hinausschiebensvereinbarung. So wird vermieden, dass die Befristung als solche infrage gestellt wird.

Was sind die Alternativen?

Weitere Möglichkeiten, nach der Rente weiterzuarbeiten, sind geringfügige Beschäftigungen (Minijobs) oder befristete Beschäftigungen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Wichtig: Bei einer Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber ist eine sachgrundlose Befristung in der Regel wegen der Vorbeschäftigung nicht zulässig; dann braucht es einen Sachgrund.

In der Praxis ist § 41 Satz 3 SGB VI deshalb oft der schlankere und sichere Weg. Beim Minijob gelten zudem eigene sozialversicherungs- und steuerrechtliche Regeln, die separat zu prüfen sind.

Kurz-Check für die Praxis
  • Gibt es eine wirksame Altersgrenzenklausel im Vertrag/Tarif?
  • Schriftliche Hinausschiebensvereinbarung vor dem bisherigen Endtermin abschließen.
  • Konkretes Datum festlegen („bis zum …“).
  • Änderungen der Arbeitsbedingungen separat und zeitversetzt regeln.

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Samstagsmütter fordern Aufklärung im Fall Turgut Yenisoy

Bei ihrer 1071. Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul hat die Initiative der Samstagsmütter erneut Gerechtigkeit für Opfer des Verschwindenlassens in staatlichem Gewahrsam gefordert. Im Mittelpunkt stand diesmal der Fall von Turgut Yenisoy, der vor 31 Jahren in der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) nach seiner Festnahme verschwand.

Yenisoy war am Abend des 4. Oktober 1994 aus seinem Haus im Landkreis Bismîl geholt worden – mutmaßlich von drei Angehörigen des Geheimdienstes der türkischen Militärpolizei JITEM. Wie die Menschenrechtsanwältin Ümmühan Kaya vom Istanbuler Zweig des Menschenrechtsvereins IHD berichtete, wurde der damals 30-jährige Familienvater so plötzlich abgeführt, dass er nicht einmal Zeit hatte, Schuhe oder Jacke anzuziehen. „Es wurde vorgegeben, Turgut müsse eine Aussage machen.“ Seine Mutter, Nezrife Yenisoy, sei geschlagen worden, als sie versuchte, ihren Sohn zu schützen.

Mit einem weißen Toros entführt

Angehörigen und Nachbarn zufolge wurde Turgut Yenisoy in einen weißen Toros der Marke Renault gezerrt – typische Dienstfahrzeuge des JITEM, die als Symbole des antikurdischen Staatsterrors der 1990er-Jahre gelten. Die Familie, die die Paramilitärs von früheren Razzien in ihrem Haus kannte, verfolgte das Auto noch bis zum örtlichen Gefängnis, dann verlor sich die Spur.

Die Behörden bestritten jedoch, dass Yenisoy festgenommen wurde. Weder Polizei noch Militär noch Staatsanwaltschaft gaben Auskunft. Auch Anträge bei der damaligen Sonderverwaltungsbehörde (OHAL) und dem Staatssicherheitsgericht blieben erfolglos. Erst über eine informelle Quelle erfuhr die Mutter später, dass ihr Sohn im Militärstützpunkt in der Provinzhauptstadt Amed unter Folter festgehalten wurde.

Schicksal bis heute ungeklärt

Da nationale Stellen untätig blieben – Ermittlungen wurden nie aufgenommen – brachte die Familie von Turgut Yenisoy den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Doch bis heute wurde weder das Schicksal des Kurden geklärt noch ein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen.

„Seit über drei Jahrzehnten weigern sich die Behörden, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Die Akte Turgut Yenisoy bleibt geschlossen, seine Entführer und mutmaßlichen Mörder unbehelligt“, sagte Anwältin Kaya während der Mahnwache. „Doch wir geben nicht auf. Wir fordern Gerechtigkeit – nicht nur für Turgut, sondern für alle Verschwundenen.“

Zum Abschluss legten die Teilnehmenden rote Nelken auf dem Platz nieder – begleitet vom Satz: „Für all unsere Verschwundenen.“

https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/samstagsmutter-fordern-gerechtigkeit-fur-abdulmecit-baskin-48131 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/samstagsmutter-erinnern-an-schicksal-von-ibrahim-und-edip-Celik-48033 https://deutsch.anf-news.com/menschenrechte/samstagsmutter-erinnern-an-kenan-bilgin-47928

 

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Hatimoğulları: Ohne konkrete Schritte wird dieser Prozess nur verschleppt

In einer Sondersendung des kurdischen Frauensenders JIN TV hat die Journalistin Nezahat Doğan die Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları, zu den jüngsten Entwicklungen im türkisch-kurdischen Friedensprozess befragt. Im Zentrum des Gesprächs standen der jüngste Besuch der Imrali-Delegation bei Abdullah Öcalan, die Rolle des kurdischen Repräsentanten, die politische Verantwortung des türkischen Parlaments sowie die Notwendigkeit konkreter gesetzlicher Reformen. Hatimoğulları warnt eindringlich vor einer weiteren Verzögerung und betont: „Dieser Prozess darf nicht länger verschleppt werden.“

Frau Hatimoğulları, die Bilder vom 1. Oktober zur Eröffnung des Parlaments sorgten für kontroverse Debatten. Können Sie das Geschehen aus Ihrer Sicht einordnen?

Leider wurde an diesem Tag nicht über die eigentlichen politischen Themen gesprochen, sondern über Nebensächlichkeiten. Als DEM-Partei haben wir uns bewusst entschieden, ins Parlament zu gehen – im Gegensatz zu einigen anderen Parteien. Das hat viele Diskussionen ausgelöst, gerade in den sozialen Medien.

Wir sehen uns als Partei des Dialogs und des demokratischen Kampfes. Vor einem Jahr begann ein Prozess, als Devlet Bahçeli zu unseren Reihen im Parlament kam. In diesem Jahr besuchte uns der Präsident. Unser Ziel ist klar: eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage, ein Ende der Gewalt, ein umfassender Dialog über Frieden und Demokratisierung. Wenn ein solcher Dialog im Gange ist, ist es nur folgerichtig, dass wir im Parlament präsent sind.


Die Kritik an einer kurzen Begrüßungsszene wurde später durch eine Entschuldigung ausgeräumt. Dass manche Parteien diesmal andere Wege gegangen sind und nicht zur Parlamentseröffnung erschienen – etwa die CHP – respektieren wir. Umgekehrt wurde auch unsere Entscheidung respektiert, etwa vom CHP-Vorsitzenden Özgür Özel.

Natürlich gab es kritische Stimmen – auch berechtigte. Wir sind offen für Selbstkritik, gegenüber unserer Basis, unseren Bündnispartner:innen, der linken Bewegung. Aber aus einem einzigen Bild weitreichende politische Schlüsse zu ziehen, ist weder hilfreich noch fair.

Einige Reaktionen kamen von Kreisen, die sich nie mit dem kurdischen Volk solidarisch gezeigt haben – diese Kritik ist nicht neutral. Andere hingegen kommen aus ehrlichem Interesse an einem demokratischen Wandel. Diese Unterscheidung ist wichtig.

Der türkische Präsident Erdoğan spricht weiterhin von einer „terrorfreien Türkei“ im Zusammenhang mit dem laufenden Prozess. Warum wird die offizielle Sprache nicht an die Realität eines Dialogs angepasst?

Sprache ist entscheidend. Wer weiterhin von einer „terrorfreien Türkei“ spricht und Begriffe nutzt, die ausgrenzend wirken, trägt nicht zur Vorbereitung der Gesellschaft auf Frieden bei. Im Gegenteil: Diese Sprache verhindert die gesellschaftliche Verankerung des Friedens.

Wenn wir eine ernsthafte Lösung wollen, müssen wir auch sprachlich umdenken. Sprache spiegelt Haltung wider. Solange Begriffe wie „Terror“ verwendet werden, um Themen wie kulturelle Rechte oder die kurdische Muttersprache zu delegitimieren, wird keine wirkliche Lösung möglich sein. Dann wird die kurdische Frage auf das Thema Entwaffnung reduziert – und das greift viel zu kurz.

Ein Beispiel dafür war auch, dass kurdische Friedensmütter in der parlamentarischen Kommission nicht in ihrer Muttersprache sprechen durften. Was bedeutet das für die Glaubwürdigkeit des Prozesses?

Das war ein schwerer Rückschlag. Die Kommission wurde eingerichtet, um die kurdische Frage aus dem militärischen Kontext in einen politischen und rechtlichen Rahmen zu überführen. Dass kurdischen Müttern dort das Wort in ihrer eigenen Sprache verwehrt wurde, hat viel Vertrauen zerstört – vor allem bei jenen, die sich vom Prozess Hoffnung erhoffen. Wenn eine Mutter nicht einmal in ihrer Muttersprache sprechen darf, fragt sich die Gesellschaft zu Recht: Was für ein Frieden soll das bitte werden?

Die DEM-Partei hat zahlreiche Treffen und Gespräche geführt. Doch manche sagen, im Westen der Türkei sei davon wenig zu spüren. Was entgegnen Sie?

Wir sind ständig präsent – auf der Straße, im Parlament, vor Ort. Und wir verbinden den politischen Dialog stets mit aktivem Widerstand. Natürlich gibt es auch bei uns Defizite. Die kurdische Frage ist komplex und tief verwurzelt. Sie zur gesamtgesellschaftlichen Angelegenheit zu machen, ist eine enorme Herausforderung.

Unser Ziel ist es, dass Frieden zum Anliegen aller wird – auch der ausgebeuteten und entrechteten Menschen in der Türkei. Die wirtschaftliche Krise und die Kriegspolitik hängen direkt zusammen. Frieden ist also nicht nur eine kurdische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Frage.

Am Freitag hat eine DEM-Delegation Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besucht. Was können Sie über das Treffen sagen?

Herr Öcalan lässt allen seine Grüße ausrichten. Es geht ihm gut, seine Moral ist hoch. Im Gespräch ging es um eine Bilanz des vergangenen Jahres – was erreicht wurde, was nicht. Er betonte, dass alle Seiten ihrer Verantwortung mit größter Ernsthaftigkeit nachkommen müssen.

Derzeit führt die parlamentarische Kommission Anhörungen durch, was wir begrüßen. Aber das reicht nicht. Wir fordern, dass diese Arbeit institutionell fortgeführt wird, etwa durch eine Unterkommission. Entscheidend ist: Jetzt müssen konkrete gesetzliche und juristische Schritte folgen – nicht irgendwann, sondern sofort. Auch Herr Öcalan hat das im Gespräch betont.

Was genau ist mit „gesetzlichen Schritten“ gemeint?

Gesetze zur Demokratisierung, zur Anerkennung von Rechten, zur Umsetzung internationaler Urteile – etwa des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Es geht auch um eine rechtliche Grundlage für die PKK, die konkrete Schritte zur Entwaffnung unternommen hat.

Im Februar rief Herr Öcalan zu einem neuen Kurs auf. Im Juli fand eine symbolische Zeremonie der PKK zur Waffenniederlegung statt. Das waren klare, konkrete Schritte. Nun ist der Staat am Zug. Wir sprechen hier von einer „Sonderregelung“ – also einer rechtlichen Antwort auf den einseitigen Rückzug aus dem bewaffneten Kampf.

Könnte die Kommission bald nach Imrali reisen?

Das wäre dringend notwendig. Herr Öcalan ist nicht nur Gesprächspartner – er ist der zentrale Akteur dieses Prozesses. Er will sich aktiv einbringen und fordert bessere Bedingungen, um seine Rolle erfüllen zu können. Es geht auch um das Recht auf Hoffnung – ein Menschenrecht, das jedem zusteht, der Jahrzehnte im Gefängnis ist.

Er signalisiert klar: Wenn die Kommission kommt, ist er bereit, ernsthafte Gespräche zu führen – nicht nur mit ihr, sondern auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. Er sagte: „Wenn das Parlament kommt, beginne ich den demokratischen Verhandlungsprozess“. Aber das braucht politische Ernsthaftigkeit. Er lehnt jedes taktische Hinauszögern ab. In seinen Worten: „Wir kennen die Tricks von Muʿāwiya – und wir leisten Widerstand.“

Was fordern Sie jetzt konkret von der Politik?

Klarheit. Entschlossenheit. Keine weiteren Verzögerungen. Das Parlament muss jetzt handeln – mit Gesetzesinitiativen zur Demokratisierung, zur kommunalen Selbstverwaltung, zur Abschaffung der Zwangsverwaltung. Alle Fachkommissionen kommen jetzt wieder zusammen. Der Moment ist da.

Die politische Lage – in der Türkei, in der Region, international – lässt kein weiteres Zögern zu. Deshalb sagen wir: Lasst uns endlich die notwendigen Schritte gehen. Lasst uns den demokratischen Verhandlungsprozess jetzt gemeinsam vorantreiben.

Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde für die deutsche Übersetzung gekürzt

https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ocalan-friedensprozess-braucht-klare-politische-und-juristische-grundlagen-48225 https://deutsch.anf-news.com/aktuelles/Ozturk-abdullah-Ocalan-fordert-politische-reformen-und-Ubergangsgesetze-48062 https://deutsch.anf-news.com/hintergrund/rojava-ist-meine-rote-linie-pervin-buldan-uber-das-letzte-gesprach-mit-abdullah-Ocalan-47794

 

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Gefechte nach Angriff auf Dorf bei Til Temir

In der Autonomieregion Nord- und Ostsyriens ist es in der Nacht zum Samstag zu einem bewaffneten Angriff auf ein Dorf bei Til Temir (Tell Tamer) gekommen. Nach Angaben örtlicher Quellen griffen mit der Türkei verbundene Dschihadistenmilizen den Ort Tawila mit schweren Waffen an.

Kämpfer:innen des an die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) angeschlossenen Militärrats von Til Temir erwiderten demnach das Feuer. Im Anschluss an die Gefechte sei in der Umgebung ein Brand ausgebrochen, hieß es weiter. Zu möglichen Opfern oder Sachschäden lagen zunächst keine gesicherten Informationen vor.

Tawila liegt wenige Kilometer westlich des Ortskerns der christlich geprägten Kleinstadt Til Temir. Die Ortschaft wird von der assyrischen Minderheit bewohnt und ist seit der türkisch-dschihadistischen Besetzung der weiter nordwestlich gelegenen Stadt Serêkaniyê (Ras al-Ain) im Herbst 2019 regelmäßig Schauplatz von Angriffen entlang der Frontlinien.

https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/kri-baut-mauer-an-grenze-zu-rojava-48151 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/mehrere-verletzte-bei-neuen-angriffen-auf-dair-hafir-48085 https://deutsch.anf-news.com/rojava-syrien/angriffe-auf-tisrin-damm-und-stellungen-in-til-temir-47748

 

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